Richard Wagner

Ouvertüre zu „Rienzi“

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Werkhintergrund:

 

„Rienzi, der letzte der Tribunen“, so der ganze Titel, ist eine große tragische Oper in fünf Akten mit sechzehn Nummern von Richard Wagner. Auch das Libretto (nach der gleichnamigen Novelle von Edward Bulwer-Lytton) stammt, wie bei allen Opern Wagners, vom Komponisten. Die Oper handelt in freien Zügen vom Leben des spätmittelalterlich - römischen Staatsmanns und Volkstribuns Cola di Rienzo (1313–1354).

 

Die Oper schildert, auf einen Zeitraum von fünf nicht aufeinander folgenden Tagen verdichtet, heroisierend und verklärend das Leben des Cola di Rienzo, hier verkürzt Rienzi genannt. Nun kurz zum Inhalt: Rienzi stellt sich entschlossen gegen den Terror, den die verfeindeten Adelsfamilien Orsini und Colonna in Rom Tag für Tag über das einfache Volk verbreiten, und gewinnt die Bürgerschaft für einen Aufstand gegen sie. Schon bald kann Rienzi eine freiheitliche Verfassung in Rom installieren, mit ihm als „Volkstribun“ an der Spitze. Auch die Geistlichkeit, ein Kardinal an ihrer Spitze, steht auf seiner Seite. (Erster Akt)

Doch die Nobili geben keine Ruhe. Nachdem sie sich vorerst zurückgezogen haben, planen sie die Invasion und neuerliche Inbesitznahme Roms. Ein von ihnen auf Rienzi bei einem großen Fest verübtes Attentat scheitert, doch der Tribun begnadigt sie, zum Unwillen des Volkes. (Zweiter Akt)

Trotz ihrer Begnadigung sind die Nobili aus Rom geflohen und ziehen mit einer Armee gegen die Stadt. Rienzi wiederum ist jetzt entschlossen, mit seinen Gegnern abzurechnen, und führt die Plebejer in die Schlacht. Die Plebejer besiegen die Nobili. Deren Anführer, Orsini und Colonna, fallen. Rienzi wird als Sieger gefeiert, doch hat er nunmehr einen neuen, inneren Feind: Adriano di Colonna, den Verehrer seiner Schwester Irene, der zuerst auf Seiten des Volkes stand, jetzt aber entschlossen ist, den Tod seines Vaters an Rienzi zu rächen. (Dritter Akt)

Adriano hetzt die Plebejer durch eine Intrige gegen Rienzi auf. Auch der Kardinal steht jetzt gegen den Tribun und verwehrt ihm das nach einem Sieg obligatorische Te Deum. Adriano sagt sich offen von Rienzi los. (Vierter Akt)

Rienzi fleht den Segen Gottes für seine Herrschaft herab. Er erkennt die Verlorenheit seiner Lage; nur Irene, seine Schwester, hält noch zu ihm. Adriano unternimmt einen letzten Versuch, Irene, die er noch immer liebt, auf seine Seite zu ziehen – indessen vergeblich. Es kommt zum Volksaufstand gegen Rienzi: Die Plebejer selbst setzen das Kapitol in Brand, wo der Tribun residiert, Rienzi und Irene gehen stolz und von allen verlassen unter. Auch Adriano, der von Irene nicht hat lassen können, stirbt in den Flammen. (Fünfter Akt)

Die Handlung spielt übrigens zeitlich zwischen 1347 und 1354. Ort der Handlung ist durchgehend Rom.

 

„Rienzi“ gilt als Adolf Hitlers Lieblingsoper und spielte während der Zeit des Nationalsozialismus eine zentrale Rolle, unter anderem auf den Reichsparteitagen in Nürnberg.

Sollte man sich daher heute – und sei es nur mit der Ouvertüre - mit ihr überhaupt noch beschäftigen? Diese große tragische Oper aus der Feder eines Antisemiten, der Wagner bereits war und die Adolf Hitler so ans Herz ging und mit deren Titelhelden er sich identifizierte? Gehört sie nicht schon wegen dieser biografischen Nähe zur mörderischen Nazi-Ideologie auf den persönlichen Index? Es gibt Argumente dafür, gewiss, ein völlig unvoreingenommenes Hören ist da kaum möglich. Doch muss man auf diese Musik gänzlich verzichten, weil sie von einem Faschisten einst (miss)verstanden wurde? Stellen wir fest: Das 19. Jahrhundert ging mit heroischer Kunst prinzipiell unvorsichtiger um als wir heute. Denn das ist diese 10 - 12 Minuten dauernde Potpourri-Ouvertüre ja: Eine fanfarenreiche Heldenmusik im Meyerbeer-Stil. Wagner entwickelte mit dieser ersten erfolgreichen, 1842 in Dresden uraufgeführten Oper erste Ansätze seiner Leitmotivtechnik sowie der für ihn typischen Protagonisten-Struktur: Ein Befreier, ein Erlöser – der letztlich doch scheitern muss. (Auch der Feuertod und das hervorgehobene Bruder/Schwester – Verhältnis soll uns später erneut in Wagners Opern begegnen.)

 Dies Heldenhafte wird uns mit Schlagwerk, Pauken und Trompeten in aller Deutlichkeit präsentiert. Aber gerade deshalb macht dieses Werk ja genauso Spaß wie andere Helden-Opern-Ouvertüren jener Zeit, zumal ja am Ende der Ouvertüre doch die Idee von Freiheit triumphieren darf. Hier erleben wir Wagner noch ohne viele Hintergedanken, hier schieben sich noch nicht mehrere Inhaltsebenen übereinander. (Wie zum Beispiel im »Ring des Nibelungen«, welchen ein Adolf Hitler den Quellen nach freilich noch weniger durchschaute.)

 

Ergänzt werden sollte vielleicht noch, dass in der Handlung der Oper „Rienzi“  selbst weder das Volk von Rom noch dessen Tribun martialisches Gehabe scheuen. Leicht überhören kann man dabei vielleicht, dass ihr Kampf gegen die Aristokratie der Stadt - ganz anders als jener der Nazis gegen die Demokratie - immer einer für „Freiheit und Gesetze“ ist. So und nicht anders war es damals wohl von Wagner auch gemeint.

 

Wagner selbst schrieb jedoch bereits 1844: Er „liebe dieses Ungetüm nicht“ - und im Jahr danach fällt das Verdikt, der „Rienzi“ sei nichts weiter als sein „Schreihals“ gewesen. So passt es doch irgendwie, dass er sechs Jahrzehnte später Hitlers Lieblingsoper wurde. Auch wurde er, der „Schreihals“, später als nicht für würdig empfunden in den Kanon der in Bayreuth aufzuführenden Werke aufgenommen zu werden. Zu weit weg war er, um im Sinne Wagners als Gesamtkunstwerk gelten zu können. Spätere Versuche „Rienzi“ unter diesen Gesichtspunkten aufzuwerten und ihn so vielleicht sogar Bayreuth würdig zu machen, insbesondere von Cosima Wagner und ihren Helfern, hatten diesbezüglich keinen nachhaltigen Erfolg.

 

 

Bekanntester Teil des „Rienzi“ ist sicherlich seine Ouvertüre, die noch heute dem Hörer dank ihrer häufigen Verwendung in zeitgeschichtlichen Dokumentationen über die Zeit des Nationalsozialismus gut vertraut sein dürfte. Die Musikkritikerin Christine Lemke-Matwey etwa nennt sie „einziges Prunkstück der Partitur, bekannt aus Funk und Fernsehen, ein überwältigend süffiges Perpetuum mobile“. (Anmerkung des Verfassers: Dabei kann man nur hoffen, dass sie auch den Rest der Oper kennt, kaum jemandem dürfte sie zur Gänze bekannt sein, wird sie doch sehr selten aufgeführt)

Besonders bekannt dürfte daraus wiederum ihre Exposition (bis T. 73) sein:  Sie behauptet sich durchaus schon vor den späteren Gipfeln des Wagnerschen Oeuvres, deren erster im Jahr nach der „Rienzi“- Premiere mit dem „Fliegenden Holländer“ erklommen wurde. Richard Wagners erstes Meisterwerk aber sind bereits diese ersten dreiundsiebzig Takte des „Rienzi“.

Der Schicksal verkündende, nur aus einem Ton bestehende Fanfarenruf der Trompete (in der Partitur explizit von einer Naturtrompete zu spielen), der, bevor er sich zweifach wiederholt, zunächst von Cello und Kontrabass aufgenommen und dunkel grundiert wird, um dann von Flöten, Oboen und Klarinetten ins Helle, fast ins Ätherische hinaufgeführt zu werden: Es ist ein betörend leises, bedächtiges Beginnen in D-Dur, der festlichen Tonart. Cello und Kontrabass bereiten danach einige crescendierende Takte lang das Aufklingen des zentralen melodischen Motivs der Exposition in den Streichinstrumenten vor - und dieses Motiv ist so ideologie-, kriegs- und militärfern, wie es sich nur denken und empfinden lässt (ab T. 15). Es ist ein flehender Anruf Gottes, Rienzis Gebet vom Beginn des fünften Aktes, als sein Fall bereits unaufhaltsam erscheint und er Gott um den Fortbestand seines aufklärerischen Wirkens anfleht.

Für Geigen und Celli bedeutet das einen von „d“ nach „h“ aufsteigenden und mit einem Doppelschlag verzierten Sextsprung, dem eine absteigende Kadenz zum tiefen „a“, ein neuerliches Aufsteigen zu „e“ und eine Rückkehr zum initialen „d“ folgen - der finale Akkord, zu dem sich das Orchester anschwellend zusammenschließt, verharrt einige Ewigkeitssekunden lang, ehe das Gebetsmotiv einmal wiederholt wird.

Gut zwei Minuten sind vorüber als aufs Neue retardiert wird, dieses Mal sind es die Streicher, aber dass die Ouvertüre nun auf Steigerung hinaus will, dass sie nun einem Fluss gleicht, der, Wellen türmend und Strudel bildend, zur Stromschnelle hindrängt, verraten langsam lauter werdende Töne. Viel deutlicher spürbar aber werden Drängen und Unruhe im erstmals einsetzenden Tremolo der Streicher. Ab T. 39 tritt das antagonistische, bedrohlich wirkende Unisono-Motiv dazwischen, die feindlich gesonnenen Mächte, den Adel darstellend.

Danach ist kein Halten mehr. Dann bemächtigen sich die Trompeten des Hauptthemas im jetzt heftigen Fortissimo. Ob hier der Eulenburg-Taschenpartitur ein Fehler unterlaufen ist? Ist bei den Ventil-Trompeten beim ersten Anlauf das Gebetsthema (T. 47) noch mit dem ganz typischen Doppelschlag versehen, so fehlt er beim zweiten Mal (T. 51). Von den ausführenden Musikern lässt sich davon niemand irritieren, sie spielen ihn alle.

 

Von Takt 50 an bis zum Takt 63 währt der explosive Bewegungsdrang der Geigen. In stürmischen Zweiunddreißigstel-Triolen jagen sie mit den zunächst noch auf dem Thema beharrenden Bläsern dahin, um sie dann zu Statisten ihrer völlig entfesselten Virtuosität zu degradieren.  Das gelingt aber nur den allerbesten der Vergleichsaufnahmen. Dann sind Momente der „Gänsehaut“ garantiert. In der Betonung der beiden Schichten (Streicher  gegen Bläser) unterscheiden sich die Aufnahmen gravierend. Sie sollten jedoch eigentlich gleichberechtigt sein, sind doch beide gleichlaut zu spielen und an Intensität darf es beiden auch keinesfalls mangeln.

Noch einmal, ein letztes Mal, rennen die Streicher davon, dann ist es genug. In den Takten 60 und 62 gebieten die Bläser (nun mit den Streichern gemeinsam) jedoch dem atemlosen, enthusiastischen Lauf der Triolen mächtigen Einhalt im alleinstehenden Gesamtakkord (T. 60).

Jetzt sind sie erschöpft, die Triolen, gehen im Trommelwirbel erst auf, dann unter. Aber welch eine himmlische Ekstase zuvor - und welch ein Gegensatz zu Einsamkeit und Stille, aus denen das Gebet und sein Motiv vor kurzem erst erwuchsen. Das gebieterische, Furcht einflössende Thema des Adels aus T. 39 erscheint in T. 65 erneut, nun jedoch um einiges gesteigert. Nun geht Wagners Exposition zurück – zu den Trompeten des Anfangs (nun aber alle vier Trompeten und zudem auch die Hörner) im Piano erneut crescendierend zum f, aufs Neue zweifach repetiert. Auch im Allegro hören wir dieses Motiv noch einmal, erneut als ein Emblem von Utopie der ersehnten Freiheit.

 

Nach dieser Exposition nimmt die Ouvertüre im Allegro weitere wesentliche Motive vorweg, die im Verlauf der Oper auftreten, indem sie sie jeweils kurz „vorstellt“, wie es für eine Potpourriouvertüre damals üblich war.

Das Allegro, das entfernt an einen Sonatenhauptsatz erinnert, setzt in Takt 74 ein, wird im Tempo mehrfach  gesteigert bis zum molto più stretto (ab T.346) am Schluss. Sie bringt vor allem ein thematisches Potpourri aus der Schlachtenhymne (“Santo Spirito cavaliere“, T.110) und des Huldigungschores („Rienzi, dir sei der Preis“ aus dem 2.Akt (ab T.155). Einen einzigen Moment lang wird das Gebetsmotiv im weiteren Verlauf der Ouvertüre wieder zu hören sein, nun lediglich vielleicht als Element kompositorischer Variation, oder als Erinnerung oder Vorausahnung (abgewandelt  ab T. 122 in den Celli und ab  T.130 Violinen). Das Allegro wirkt teilweise nicht zuletzt durch die an diesen Stellen hinzugezogenen typischen Schlaginstrumente einer Militärkapelle (ab T. 187 ff, ab T. 306 ff und ab T. 337 ff) wie Militärmusik par excellence. Zur Pauke tritt dann die große Trommel, Becken, Rührtrommel und Triangel.

Dass Wagner den für die Ouvertüre so besonders markanten Zweiunddreißigstel-Triolen (ab T. 50) gleich in der „Tannhäuser“- Ouvertüre noch einmal Reverenz erwies, adelt diese „Rienzi“- Stelle durch das Selbstzitat des nun bereits gereiften Künstlers.

 

 (Erstellt unter Zuhilfenahme von Textstellen aus Wikipedia, Jochen Hiebers Beitrag zu „Wagners schönste Stellen“, Folge 14 aus einer FAZ von 2013, der im Übrigen allerlei sachliche Fehler aufweist, einem Beitrag zur Rienzi - Ouvertüre, entnommen der Website des Laeiszhalle - Orchesters: Hamburger Sinfoniker und insbesondere der Eulenburg-Partitur Nr. 667.)

 

 

zusammengestellt bis 7.7.2020

 

 

 

Richard Wagner in seinen mittleren Jahren. Zur Zeit des "Rienzi" befand er sich in seinen frühen 30ern.

 

 

 

Vergleichende Rezensionen:

 

 

 

5

Paul Paray

Detroit Symphony Orchestra

Mercury

1960

10:49

Parays Aufnahme haftet überhaupt nichts weihevolles und staatstragendes an. Sie ist vielmehr durchglüht von hellem, klaren Esprit und lässt so sogleich an den ursprünglich von Wagner angedachten Uraufführungsort denken: Paris und die  dortige Oper sollte es sein, nicht Dresden. Es geht im Wesen der Oper ja auch um den Kampf, den freiheitlichen Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen. Gedankenklarheit wird gegen die dumpfe Unterdrückung gesetzt. So ist Parays Aufnahme sehr treffend ein durchweg frisches und festes Tempo eigen. Das Orchester ist bestens vorbereitet und engagiert. Es zeigt, was es kann. Nichts ist hier von den kleinen Unschärfen zu hören, die sich sonst mitunter bei ihm einschleichen. Auch die Aufnahmetechnik unterstützt ihrerseits die Clarté und Lebendigkeit der Interpretation durch eine Präsenz des Instrumentariums, die ihresgleichen sucht. Sie ist zudem sehr räumlich und ausgesprochen dynamisch.

Rienzis Gebetsthema (ab T. 18) klingt völlig unverzärtelt und intensiv. Alle Streicher klingen hier auch im perfekten und sonoren Zusammenspiel, was den Eindruck deutlich vertieft. Schon in der Exposition, die sonst oft viel deutlicher im Tempo vom Rest der Ouvertüre abgesetzt wird und geradezu matt klingt, spürt man die Unruhe der Situation und den dramatischen Zugriff des Dirigenten. Das Triolenmotiv wird bestens akzentuiert und gesteigert und fördert so den enormen Spannungsaufbau. Ab T. 54  nochmals deutlich verstärkt: Das verlangte fff wird hier bestens umgesetzt. Die Trompeten intonieren bereits in T.47 (mit dem Gebetsthema) wunderbar prägnant, bereits hier mit einem Anflug von trotziger Entschlossenheit, den Triumph vom Ende (der Ouvertüre) schon andeutend.

Das Allegro energico (ab T. 74) verdient diese Bezeichnung tatsächlich mit einer exzessiven Energieentwicklung, die unittelbar mitreißt. Das Blech intoniert mit Biss aber ohne übertriebene Schärfe. Ab T. 112 begeistert die Cellogruppe mit tollem „Solo“. Immer wieder begeistert das Orchester mit exzellenten Leistungen. Das Einfallen der „Militärkapelle“ (T. 187 ff) ist äußerst prägnant gezeichnet und sehr gut durchhörbar, geradezu durchleuchtet, nichts geht hier im Mulm verloren.

Un poco piu vivace (ab T. 261) bringt eine erneute Steigerung der Lebendigkeit mit, ein Eindruck, der sich bei Assai stretto (ab T. 346) weiter verstärkt. An Virtuosität und beherztem Zugriff wird Parays Zugriff von kaum einer anderen Aufnahme erreicht.  Zu keiner Sekunde kann man hier noch an einen Nürnberger Parteitag denken. Auch der letzte Rest von Patina wird von der Ouvertüre mit hinreißender Verve hinweggefegt.

 

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5

Georg Solti

Wiener Philharmoniker

Decca

1961

11:32

Auch Soltis Aufnahme ist von einem befeuernden Impetus geprägt, wenngleich er die Akzente etwas anders setzt. Zunächst fällt das gemäßigte Tempo auf, das aber im Verlauf nachdrücklich modifiziert wird.  Das Gebetsthema erklingt etwas langsamer als bei Paray, dafür aber schon fast inbrünstig, wobei Soltis Missachtung des pp eine große Rolle spielt. Er lässt die Philharmoniker hier mf spielen und setzt sich damit eigentlich über den Willen des Komponisten hinweg. Das bleibt aber sehr selten, zumeist hält er sich akribisch genau an die Partitur. Auch hier werden die herrlichen Triolen der Geigen (ab. T.50) meisterhaft gesteigert. Das Orchester kommt in dieser Aufnahme übrigens was seine Perfektion anlangt nicht ganz an die allerbesten dieses Vergleiches heran. Aber was Ausdruckskraft und Temperament betrifft, sind die Wiener hier allererste Wahl z.B. sind die Celli bei T. 126 farbiger und intensiver als die des CO unter Szell, das als das Perfektionsensemble dieses Vergleiches schlechthin gelten kann. Ein Sonderlob verdienen sich die Hörner, denn bei ihrem ff (T. 300) wird geschmettert, dass es eine wahre Freude ist. Das Blech präsentiert sich überhaupt knackig und frisch. Das Stretto wird voll ausgereizt, der Freiheit wird so auf überschäumende Weise zu ihrem einstweiligen Sieg verholfen. Der Klang der Aufnahme ist angesichts des Zeitpunktes der Entstehung von großer Räumlichkeit, bereits gut tiefengestaffelt, farbig, brillant und strahlkräftig. Typisch Decca war damals (und ist auch hier wieder) das hohe Maß an Lebendigkeit und Natürlichkeit.

Ein begeisternde Darbietung, die den bisweilen etwas zu dreiklangseligen Gehalt der Ouvertüre mit einem kräftigen Schuss ungarischen Temperaments adelt.

 

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5

Otto Klemperer

Philharmonia Orchestra London

EMI

1960

11:28

Klemperer gönnt dem Hörer hier, entgegen seiner mitunter zu beobachteten statischen Tempi, eine straffe, lebendige und dabei äußerst intensive Darstellung der Ouvertüre. Seine Herangehensweise ist von einem kompromisslosen, ernsten Zugang geprägt, was als ein Charakteristikum dieses Dirigenten gelten darf. Schon gleich zu Beginn hört man ein durchdringendes Crescendo der (Natur?)trompete. Die disparat und sehr präsent klingenden Holzbläser sind bestens ortbar und diesmal erstaunlich um einen schönen Klang bemüht. Auch hier fördert wieder die alte deutsche Aufstellung des Orchesters die Transparenz des Klangs. Rienzis Gebetsthema wird wundervoll intoniert, wirklich molto legato e espressione. Zu hören, bedingt durch diese Orchester - Aufstellung, über die ganze Breite der Hörbühne. Wenn die Trompeten das Thema mit deutlich gesteigertem Impetus übernehmen, spürt der Hörer: Hier betet eine Kämpfernatur. Die Triolen bekommen bei Klemperer eine Anmutung von sich steigernder wilder Entschlossenheit ja fast Aggressivität. Ab T. 74 Allegro energico deutlich gesteigertes Tempo. Der Anapäst-Rhythmus der Hörner und Fagotte ab T. 84 und dann immer mal wieder, wird hier deutlich als vorantreibendes Element verstanden und demgemäß auch artikuliert. Beim „Huldigungschor“- Thema (ab T. 155) sind  alle Instrumente mustergültig hörbar. Bei T. 187 ertönt, wie auch die beiden folgenden Male, das „Militärorchester“ mehr dramatisch in den Gesamtablauf integriert, als als Fremdkörper herausgestellt, wie bei anderen Einspielungen. Die Durchführung erhält eine nie nachlassende Spannung. Ab T. 261 erfolgt eine starke Tempoverschärfung. Spätestens bei ihrem fff muss das zwingende Sonderlob für die Blechbläser ausgesprochen werden. Bei wenigen Aufnahmen ist  - so wie hier – ein so elementarer Unterschied zu einem ff erkennbar. So soll es sein. Das stretto erklingt auch hier mit mitreißendem Elan. Diese Aufnahme ist ein Musterbeispiel an Deutlichkeit, sehr transparent und steht von Anfang bis zum Ende unter Hochspannung.

 

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5

Francesco D´Avalos

Philharmonia Orchestra London

ASV

P 1988

10:55

Der in Deutschland nahezu unbekannte Dirigent aus Neapel legt eine von Beginn an äußerst sorgfältig erarbeitete, partiturgenaue und lebendige Version der Ouvertüre vor. Schon das (Natur?)Trompetensignal zu Anfang überzeugt durch intensives Crescendo. Das Gebetsthema erhält mit einem tollen Legato genau die richtige Dosierung. Die Triolen der Geigen sind gut artikuliert, verlieren hier aber ihren Wettstreit gegen das Blech deutlich. Das Thema des Adels (T. 65) erhält ein mächtiges Marcato in messerscharfer Artikulation. Spätestens jetzt ist klar, dass das PO hier eine Sternstunde erwischt hat und keineswegs nur einen weiteren unter vielen Arbeitsaufträgen erfüllt. Besonders die Posaunen und Trompeten erfüllen ihre Aufgabe mit besonderer Hingabe. Das Allegro energico (T. 74) zieht das Tempo mit Macht an. Nur das Espressivo der Celli leidet  etwas unter dem leidenschaftlich angezogenen flotten Tempo. Das Thema aus dem Huldigungschor (T. 155) bekommt einen marschartigen Charakter, fast den eines Geschwindmarsches. Hier gibt es keine Zeit zu verweilen oder gar zu verlieren. Die Durchführung (ab T.195) steht unter Hochspannung. Ab Un poco piu vivace  (T. 261) fallen alle Fesseln und mit unbändiger Freude, die auch die Episode mit dem Militärorchester mitnimmt, geht das überschwängliche Tempo in die mitreißende Stretta über (ab T. 346). Der Klang der Aufnahme ist sehr voll, offen und weich gerundet. Die Streicher erklingen ohne jede Schärfe. Zudem gibt es eine mächtige Gran Cassa, großzügige Räumlichkeit und Transparenz. Lediglich der etwas zu üppige Nachhall stört ein wenig.

 

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5

Carlos Paita

Nederlands Radio Philharmonic Orchestra

Lodia

P 1973

10:10

Der zumindest bei uns kaum besser bekannte argentinische Dirigent ist hinsichtlich der Tempogestaltung noch kompromissloser als Paray oder D´Avalos. Leider hat sein Orchester nicht dieselbe Klasse wie das der beiden Kollegen. Ähnlich Solti braucht er für das Gebetsthema mehr als das vorgeschriebene pp, um die gewünschte Leidenschaft und das erforderliche espressivo aus dem Orchester herauszubekommen. Bei T. 46, wenn die Trompeten das Gebetsthema anstimmen, klingen die Niederländer unausgewogen. Die folgenden Triolen der Geigen sind dann wiederum sehr deutlich und ausgesprochen leidenschaftlich artikuliert. Ab T. 74 klingt auch die Piccolo – Flöte einmal bestimmungsgemäß deutlich hörbar heraus. Der Anapäst – Rhythmus von Hörnern und Fagotten (z.B. ab T. 84 oder ab T. 100) ist ausgesprochen vorantreibend gestaltet. Die Celli bei ihrem Solo (T. 122) phrasieren inbrünstig. Hier ist das Thema aus dem Huldigungschor tatsächlich zu einem Geschwindmarsch geworden.  Der Einsatz der Militärkapelle (das Orchester wird hierbei lediglich um die typischen Schlaginstrumente ergänzt) ist so schnell, dass es kein Militär der Welt noch marschieren könnte (T. 187). In der Durchführung toben stürmische Kämpfe überaus flott aber auch hart und unerbittlich. Ab T. 261 schlägt dem Hörer auf eine kompromissloser Art und Weise  „hohe Gischt“ entgegen, um ein Bild aus der „Holländer“- Ouvertüre zu nutzen, an die man während der Rienzi - Ouvertüre ein ums andere Mal erinnert wird. Es wird ein unerbittlich vorantreibendes Tempo angeschlagen. Bei Stretto kann Paita dann allerdings das Tempo nicht mehr verschärfen, es wäre dann wohl von dem Orchester nicht mehr realisierbar gewesen.

Paitas Zugang unterläuft mit loderndem Feuer jeden Anflug von Monumentalität. Das mag vielleicht nicht mehr zur Gänze idiomatisch sein, aber begeisternd ist es auf jeden Fall. Die vorliegende LP von Lodia (Original  Decca Phase 4) wies eine gute Ortbarkeit und eine ansprechende Dynamik auf.

 

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5

Artur Rother

Orchester der Städtischen Oper, Berlin

Telefunken

1956

11:30

MONO  Das Orchester, das heute den Namen „Orchester der Deutschen Oper Berlin“ trägt, war damals eine der größten „Rekrutierungsquellen“ des Bayreuther Festspielorchesters. Es kennt „seinen“ Wagner sehr gut und gibt ihn geradlinig. Man lässt es allerdings zunächst geruhsam angehen. Das Trompetensignal erhält kaum das geforderte Crescendo. Das Gebetsthema klingt in diesem Tempo getragen und sehr sorgsam artikuliert. Das Gebet in den Bläsern (T.47) klingt engagiert aber etwas uneinheitlich artikuliert. Der Anspruch an orchestrale Perfektion seitens des Dirigenten war offensichtlich nicht sehr ausgeprägt. Vielleicht wusste er aber auch, was noch kommt, denn im weiteren Verlauf steigern sich gerade die Bläser hin zu strahlender Dominanz. Bei den Triolen dominieren sie zunächst noch über die Streichinstrumente, sie werden dann aber von der aufwallenden Willenskraft der Geigen überholt. Die Darbietung erhält mit fortlaufender Dauer (ab T. 74) eine einnehmende Stimmigkeit und Überzeugungskraft. Das Musizieren offenbart dann großes Engagement und Leidenschaft. Ab T. 261 Tempoverschärfung ohne jede Schlamperei und absolut mitreißend. Die Aufnahme zeigt bereits schöne Klangfarben, ist überraschend dynamisch und schon ziemlich offen. Wenn man auf die Stereo-Klangbühne verzichten kann, ist sie auch für heutige Ohren noch sehr gut anhörbar.

 

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5

Leopold Stokowski

New York Philharmonic Orchestra

Columbia

1950

10:53

MONO  Der britische Dirigent liebte den Auftritt als Show- und Glamour - Star, was ihm vor allem von Puristen oft nachgetragen wird. Was dabei bisweilen übersehen wird ist, dass er ein absoluter Könner seines Metiers war. Bei seiner New Yorker Aufnahme war er bereits jugendliche 68 Jahre alt. Die Trompete beginnt mit einem nachdrücklichen Crescendo. Das Gebetsthema ist klang- und ausdrucksvoll. Auch hier (wie bei Paita) sind die Piccolos mit ihren höchsten Tönen gut heraushörbar. Stokowski liebte das fließende Rubato, was man auch dieser Einspielung anmerkt. Immer mal wieder hört man spannungsfördernde Stauungen und mitreißende Beschleunigungen des Tempos. Sie erscheinen hier durchaus nicht deplaziert sondern aus der Musik heraus entwickelt. Ab T. 74 heizt er das Tempo mächtig auf, setzt aber das Thema zu  Santo spirito durch Verlangsamung deutlich davon ab. Ab T. 155 (Huldigungschor-Thema) wird es wieder hitziger. Der Militärorchester-Einsatz bei T.187 gerät geradezu „aus dem  Häuschen“, die ganze Durchführung ist dann dramatisch aufgeheizt. Es wirkt so, als durchlebe man das Stück. Bei piu vivace (T. 261) ist bei ausgereizter Dynamik rasant und atemberaubend. Dabei stellt sich nie der Eindruck von affirmativem Pomp ein, davor schützt alleine schon die Rasanz. Während des Stretto gibt es wieder einen spannungsfördernden Stau, bevor es zum krönenden Schluss kommt. Die Krux dieser Aufnahme ist ihr historisch enger Klang (schlechter als bei Rother), der aber immerhin schon recht dynamisch und recht gut durchhörbar ist.

 

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5

Leopold Stokowski

Royal Philharmonic Orchestra London

RCA

1976

12:06

Diese Aufnahme spielte der Maestro im Alter von 94 also einem Jahr vor seinem Tode ein. Das kann man kaum glauben, denn er distanziert, gerade was jugendliches Temperament und Timing angeht, sehr viele Aufnahmen von deutlich jüngeren Kollegen mühelos. Das Orchester klingt nicht so klangschön wie die Berliner, Wiener oder Cleveländer. Gerade der Streicherklang wirkt bisweilen etwas spröde. Auch kleine Abstriche bei der Präzision sind hinzunehmen, vielleicht doch der nachlassenden Schlagtechnik Stokowskis geschuldet? Das wiegt aber wenig angesichts einer großartigen Darstellung des Werkes. So sind die Triolen mit herausragender Lebendigkeit und Leidenschaft gestaltet, so ausdrucksvoll, wie aufgepeitscht. Durch das erneut ausgiebig genutzte Rubato wirkt die Darstellung wie bereits 26 Jahre zuvor lebendig und aufregend, dabei keinesfalls manieriert. Das ff bei Allegro energico wirkt etwas verschliffen, es geht aber auch ziemlich stürmisch vorwärts. Das Solo der Cellogruppe (T. 126) gelingt ausgesprochen ausdrucksvoll. Der Charakter der Militärkapelle wirkt überraschend geschmackvoll und fast schon dezent wie herunterspielt. Auch in der Durchführung kommt das eine oder andere Spannung fördernde Rubato zum Einsatz. Wie bereits 1950 nimmt er bei der Stretta noch mehr Fahrt auf und baut auch wieder den Spannungsstau ein (genau wie übrigens auch Szell). Die Aufnahme klingt natürlich deutlich besser als die 1950er. Sie ist gut gestaffelt, weiträumig und dynamisch.

 

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5

Lorin Maazel

Berliner Philharmoniker

RCA

1999

11:54

Diese Aufnahme verdient sich die höchste Bewertung insbesondere durch die bestechende Orchesterleistung und die audiophile Aufnahmequalität. Aber auch die Interpretation durch den Dirigenten weiß zu gefallen, wenn sie auch an die Tiefgründigkeit (Klemperer) oder Verve (Paray) der vorgenannten Versionen nicht herankommt. Maazel lässt das Orchester mit lockerer aber sicherer Hand spielen, was dieses mit einem bestechend sonoren, feinen, brillanten und ansatzlos dynamischen Klang beantwortet. Das herrliche Legato des Gebetsthemas wird mit cantabler Inbrunst gegeben. Danach geht es deutlich zügiger und dramatischer weiter, besonders auch im Vergleich zu  Tennstedt, dem das gleiche Orchester zur Verfügung stand. Es ist bei Maazel generell auch viel mehr Zug dahinter als bei Tennstedt. Die Triolen kommen ausgezeichnet heraus, sie sind völlig gleichberechtigt mit dem Bläsersatz, was die dynamischen Anweisungen der Partitur auch fordern. Diese Perfektion in der orchestralen Balance zieht sich durch das ganze Stück. Das Marcato (T. 65 ff) ist sehr gut getroffen. Das Allego energico erhält lebendigen Drive. Die Celli spielen ihr herrliches Solo wirklich espressivo. Das Blech ist noch etwas homogener als bei Tennstedt. Die „Militärkapelle“ profitiert in dieser Wiedergabe von einer durchschlagenden Gran Cassa.  Im  poco vivace (T. 261) spricht die Oualiät des Orchesters für sich selbst (absolut souverän) bevor in der Stretta jubilierender Freudentaumel ausbricht.  Die BP werden in dieser Aufnahme von Maazel gut befeuert, er erreicht aber nicht ganz die Leidenschaftlichkeit und Unerbittlichkeit eines Paita bzw. Klemperer. Der Klang ist präsent (noch präsenter als bei Tennstedt), insgesamt voll und körperhaft. Er hat ein gutes Bassfundament und durchleuchtet geradezu farbenreich die Strukturen. Die Alternative für audiophile Ohren.

 

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4-5

Christian Thielemann

Orchester der Deutschen Oper Berlin

RCA

2004

11:07

LIVE  Wie von Stokowski, von dem es jedoch noch weitere Aufnahmen unter anderem auch aus Philadelphia gibt, und Sawallisch liegen dem Verfasser von Christian Thielemann ebenfalls zwei Aufnahmen vor. Wie bei der ein Jahr zuvor entstandenen Aufnahme aus Wien spürt man in jedem Takt den ausgewiesenen Wagner - Kenner. Im Vergleich der beiden Orchester wirkt das Berliner Orchester, gerade was den Streicherklang betrifft, nicht ganz so geschlossen wie die homogen und edel klingenden Wiener. Gerade beim Gebetsthema hört man mal die Celli, mal die Violinen aus dem Streicherklang heraus. Ausdrucksvoll spielen aber beide Orchester. Die Triolen wirken dagegen in Berlin frischer und spritziger mit insgesamt mehr Enthusiasmus gespielt. Insgesamt wirkt die Ouvertüre (insbesondere auch die Durchführung) hier dramatischer. Die Stretta am Ende gelingt vorzüglich. Insgesamt hören wir hier eine überzeugende, souveräne Darstellung mit hoher Genauigkeit und mitreißendem Schwung. Die Aufnahme klingt deutlich präsenter als die Wiener Aufnahme, dafür muss sie aber mit einer etwas geringeren Dynamik auskommen.

 

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4-5

Christian Thielemann

Wiener Philharmoniker

DG

2003

11:38

Die Wiener Aufnahme Thielemanns  ist etwas ausziselierter um nicht zu sagen abgezirkelter als die Berliner. Im Studio kann man natürlich viel besser perfektionieren als in der Live - Situation. Das Gebet wird inbrünstig mit herrlichem Legato und tiefgründigem Klang, con espressione e cantabile dargeboten. Im Allegro energico hören wir eine deutliche Piccolo - Flöte, die Schlachthymne „Santo spirito cavaliere“ klingt klangmächtig. Die Durchführung (das Anrennen und die Kämpfe gegen die Gegner) ab T. 193 wirkt etwas gebremst. Alles wird hier in hoher Klankultur gestaltet. Bisweilen wirkt es jedoch etwas zu kultiviert. Die Stretta, übrigens genau im vorgegebenen Tempo, wirkt schließlich ebenfalls mitreißend, aber nicht ganz so ausgereizt wie in Berlin und  nicht auftrumpfend. Für eine Aufnahme von 2003 wirkt der Klang zwar angenehm klar und transparent aber auch etwas entfernt und fast schon stumpf, also weniger brillant, wie er hätte sein können. Vielleicht wollte man zumindest der Ouvertüre des Rienzi einmal eine Akustik wie in Bayreuth bereiten? Sie erinnert stark daran. Soltis Aufnahme mit den Wienern über 40 Jahre zuvor brachte jedenfalls mehr Brillanz ins Spiel.

 

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4-5

Gustavo Dudamel

Simon Bolivar Kinderorchester Venezuela

HoMe

2000

10:48

LIVE in München  Der Begriff Kinderorchester ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen, denn die überaus zahlreich versammelten Musiker/innen dürften das Alter der Pubertät noch nicht erreicht haben, sodass die später gebräuchliche Bezeichnung Youth Orchestra hier noch fehl am Platz wäre. Die Ouvertüre war auch der Beginn des Konzertes. Der Live - Situation in der Münchner Philharmonie geschuldet dürfte die anfängliche leichte Nervosität sein, die man vor allem den Holzbläsern von T. 7 bis 10 anmerkt. Der ätherische Gleichklang will sich nicht so recht einstellen. Ansonsten werden die kleinen Vorschriften der Binnendynamik vorbildlich befolgt, auch die Phrasierung kann generell als gelungen gelten. Das Gebet klingt zurückhaltend, hier liegen die Celli und Geigen jedoch noch ein wenig auseinander. Die folgende Steigerung führt sehr langsam aber ausdrucksvoll bis zum Majestätischen. Die Triolen sprühen dann schon von jugendlicher Ungeduld und dramatischem Feuer. Das Verhältnis zum Blech ist dynamisch ausgewogen. Hier klingt das ganze Orchester schon homogen, engagiert und sicher. Im weiteren Verlauf ist die Wiedergabe von jugendlicher Verve geprägt, wovon insbesondere die Abschnitte nach T. 261 profitieren. Der Ouvertüre bekommt diese ungestüme, alles andere als abgezirkelte Herangehensweise ganz ausgezeichnet. In der Stretta gibt es dann kein Halten mehr, als ob der Turbo gezündet wird. Da ist im Publikum sicher kein Auge mehr trocken geblieben. Der Klang der Aufnahme ist großräumig, leicht entfernt und etwas hallig, was vielleicht das ein oder andere Detail schluckt und wofür die Akustik in der Münchner Philharmonie auch schon oft gerügt wurde. Sie klingt offen und farbig.

 

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4-5

Giuseppe Sinopoli

Sächsische Staatkapelle Dresden

DG

1995

11:42

In dieser Version wird besonderes Augenmerk auf die Details gelegt. Sie profitiert auch in besonderer Weise vom charaktervollen, gut zur Musik passenden Klang und Spiel der Staatskapelle. Schon das eröffnende Trompetensignal (auf nur einem Ton) klingt voller als sonst. Dem Solisten gelingt es hier bereits Spannung aufzubauen. Das Gebet klingt wie verträumt, wie eine Utopie. Bevor die Trompeten das Gebetsthema übernehmen erfolgt bereits ein dramatischer Aufschwung. Die Triolen wirken sehr intensiv und klingen in bester Äquilibristik zu den Bläsern. Das Marcato ab T. 65 gelingt.  Ab T. 110 „Santo spirito cavaliere“ zieht das Tempo merklich an. Stets legt der Bayreuth erfahrene Sinopoli großen Wert auf dynamische Differenzierung. Der Gesamtklang wird zusätzlich noch durch die wunderbar klingenden Holzbläser aufgewertet. Die Durchführung wird stringent durchgezogen.  Bei den Einsätzen des Militärorchesters (z.B. T. 307) wird der Klang noch profunder, mächtiger. Den Temporückungen (T. 261, T. 346) wird Sinopoli völlig gerecht.

Hier liegt eine bestens durchstrukturierte und planvoll durchgezogene Interpretation vor, vom goldenen Klang der Staatskapelle veredelt.  Der Klang der Aufnahme ist zwar voll, weich, voluminös, saftig und insgesamt durchaus lebendig aber auch deutlich zu hallig. Er wirkt dadurch nicht gerade messerscharf transparent und bisweilen seltsam massiv und leider auch etwas verschwommen.

 

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4-5

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS – Sony

1965

12:20

Diese Aufnahme hat höchstes orchestrales Niveau. In Differenzierung, Artikulationsgenauigkeit und Zusammenspiel erreicht sie höchste Perfektion. Das ist hier ein wenig Fluch und Segen zugleich. Der Segen liegt ja auf der Hand, aber es geht so auch ein gewisser Teil an Spontaneität und Unmittelbarkeit verloren. Das hört sich nun aber schlimmer an, als es ist, denn insgesamt liegt eine überzeugende Interpretation vor. Das Trompetensignal ist gut differenziert. Das Gebetsthema ist, wie sollte es bei Szell anders sein, vorschriftsmäßig im richtigen Tempo, leise und zurückhaltend, klingt aber vielleicht gerade auch deshalb wie abgehoben, wie unterwegs zum angebeteten Gott. Das Ganze ist ausgesprochen rhythmisch, exakt und ausgewogen, hat im Allegro energico auch Zug, erzeugt aber keine Hochspannung. Sehr ausgereift und mit Autorität dargeboten, aber ohne den wünschenswerten unmittelbaren Zugriff. Eine leichte Distanz schiebt sich so zwischen die Musik und den Hörer.  Auch Szell bedient sich im weiteren Verlauf Spannung fördernden Tempostauungen. Gerade auch in der Stretta. Nun bekommt das Ganze doch noch ein gewisses Feuer. Orchestral  zwar perfekt aber ohne das gewisse Prickeln. Es fehlt der Ouvertüre so der idealistische Überschwang.  Der Klang ist sehr gut und für eine CBS - Aufnahme der Zeit erstaunlich ausgewogen, weich und rund.

 

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4-5

Mariss Jansons

Oslo Philharmonic Orchestra

EMI

1991

12:14

Ähnlich der Herangehensweise Maazels ist auch diese Darbietung sachlich, sauber gespielt und wohlklingend. Auch sie stellt den Helden weder als Draufgänger noch als Grübler dar, kommt ohne Pathos und ohne Übertreibungen aus. Sie ist durchaus lebendig und spannend. Das Orchester verfügt aber nicht über die Brillanz der Berliner und auch die Aufnahmetechnik kommt nicht an den Glanz der Maazel - Aufnahme heran. Hier noch ein paar Details:  Die Holzbläser intonieren sauber, was hier längst keine Selbstverständlichkeit ist. Das Gebet ist glaubhaft dargestellt. Das Thema T. 38 (die Gegner Rienzis) kommen jedoch eher schwach daher, das Marcato wiederum ist prima und glänzt mit homogenem Blech. Bei T. 74 ist das Piccolo sehr gut hörbar, oft wird es verschämt im Gesamtklang versteckt. Die Durchführung ist sehr lebendig. Bei T. 122  klingen die Celli sehr gut, sind aber arg weit entfernt positioniert. Bei T. 155 (Thema des Huldigungschores) ist die Artikulation flott und beschwingt, die Mitstreiter Rienzis sind offensichtlich guter Dinge. Bei T. 261 klingt das „Militärorchester“ etwas lärmend, wobei sich jedoch das Schlagwerk vornehm zurückhält. Das abschließende stretto entfacht mitreißenden Elan. Die Aufnahmequalität zeigt ein gut geordnetes Orchester, das keinesfalls hart klingt (wie in seinen Aufnahmen noch ein paar Jahre zuvor), auch nicht das schön prononcierte Blech. Eine stimmige Wiedergabe von hoher Qualität, die nicht mit Besonderheiten auf sich aufmerksam machen muss.

 

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4-5

Yakov Kreizberg

Netherlands Philharmonic Orchestra

Pentatone

2003

12:52

Auch bei Kreizberg wirkt die Musik von jedem ideologischen Ballast befreit. Der gesamte Duktus ist leicht, luzide, exakt und transparent aber nicht beiläufig oder leichtgewichtig. Es wird nichts aufgebauscht, stets wird der musikalische Fluss gewahrt.

Das Gebetsthema wirkt zurückhaltend und ganz einfach artikuliert. Es gelingt Kreizberg so, ihm eine Art „reine Aura“ zu verleihen. Die Triolen sind ebenfalls zurückhaltend. Im Gegensatz dazu werden die „Militärorchestereinsätze“ voll ausgereizt. Jedes Mal platzt es geradezu herein mit Autorität und Machtanspruch. Auch die abschließende Stretta gelingt.

Der Klang der Aufnahme ist angenehm weich (SACD) und sehr räumlich, ohne aber hallig zu sein. Zudem gesellt sich eine sehr voluminöse Gran Cassa hinzu.

Im Geiste der Aufnahme Parays verwandt aber ohne dessen unmittelbare, anspringende Präsenz und dessen Esprit ganz zu erreichen, macht diese Version der Ouvertüre einen durchweg sympathischen Eindruck.

 

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4-5

Roger Norrington

London Classical Players

EMI

1995

11:57

Als einzige Vertretung der sogenannten HIP klingen die London Classical Players hier wie ein großes Orchester. Es macht seine Sache ausgesprochen gut und klingt sehr sauber. Nichts klingt dünn oder gar dürr, vielmehr voll und schön abgerundet, farbig und dynamisch ausgewogen. Besonders gefällt die erreichte Klarheit, die man auch durch den Verzicht auf Vibrato zu erreichen suchte.

Nach dem gelungenen Trompetensignal (hier wirklich einmal mit der geforderten Naturtrompete gespielt) klingt das Holz besonders zart (T. 9). Das Gebetsthema klingt schlank, wie bereits erwähnt ohne Vibrato und mit sehr guter Binnendynamik. Auch die Triolen klingen weich, haben hier gegen die Bläser aber keine Chance sich durchzusetzen. Der schon oft angesprochene Anapästrhythmus wird sehr gut herausgearbeitet und als zusätzlich vorantreibendes Element genutzt (z.B. ab T. 82 oder ab T. 100). Das Thema aus dem Huldigungschor ist tänzerisch beschwingt.  Hier wirkt die Militärkapelle mehr in den Gesamtklang integriert als eigens herausgestellt. Das Stretto am Ende bekommt eine einnehmende Steigerung mit einer befreienden Schlusswirkung. Eine gute Leistung von allen Beteiligten.

 

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4-5

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS – Sony

1968

11:53

Bernsteins Orchester ist gut in Form, erreicht aber nicht den Elan und die beseelte Virtuosität und Perfektion, die es noch in der Figaro – Ouvertüre oder bei Honeggers Pacific 231 zeigen konnte. Es klingt ausgewogen, man muss aber mit ein paar kleinen Unsicherheiten rechnen. Auffallend sind die gut heraushörbaren Bässe, die zudem mit einer guten Binnendynamik artikulieren. Das Gebetsthema wird mit großer Geste gegeben, bewegt, aber keinesfalls breit oder gar meditativ. Die Triolen - Motive stehen gleichberechtigt neben den thematisch geprägten Bläsereinwürfen. Das Allegro energico (ab T. 74) wird charaktervoll und gut konturiert dargestellt. Immer wieder entdeckt man Kleinigkeiten, die zuvor verborgen geblieben sind z.B. die Triolen des Triangel  (T. 163 ff). Die Durchführung wird ohne besondere Vorkommnisse auf hohem Niveau absolviert, die Stretta schließlich ist zwar freudig bewegt, aber nicht exaltiert oder mit übertrieben rasanter Gangart aufgeladen, wie man es vielleicht gerade von Bernstein erwartet hätte. Der Klang ist schön räumlich (viel räumlicher als die beinahe 20 Jahre jüngere Version von Enrique Batiz, Bernsteins Nachbar im Alphabet) und mit präsentem Blech und sehr transparenten Streichern ausgestattet

 

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4-5

Klaus Tennstedt

Berliner Philharmoniker

EMI

1982

13:30

Der Dirigent, der seine größten Erfolge eher im angelsächsischen Bereich als in Deutschland feierte, legt hier eine ziemlich eigenwillige Lesart der Ouvertüre vor. Dabei kann er sich auf den farbigen und vollen Klang der Philharmoniker verlassen, deren Spiel man immer wieder gebannt folgt, auch wenn der Spannungsbogen aufgrund der ausnehmend langsamen Gangart vielleicht das eine oder andere Mal ohne sie durchhängen würde. Die Trompetensignale werden treffend dargestellt aber schon das Gebetsthema Rienzis erklingt meditationsartig langsam, allerdings auch wirklich molto legato. Der Karajan - Klang manifestiert sich bisweilen auch mit anderen Dirigenten. Das Gebetsthema im Blech wirkt dann durch das breite Tempo bereits monumental. Bei T. 110 (Thema „Santo spirito cavalliere“) wirken die Soli der Trompeten und Posauen schon etwas wie zelebriert. Das Thema des Huldigungschores (ab T. 155) ist dann so langsam, dass es dem Hörer eher behäbig vorkommt, weniger wie eine Huldigung.  Die Militärorchestereinlagen klingen dann wieder toll. Vor allem die Schlaginstrumente werden machtvoll und extrovertiert herausgestellt. Bei T. 261 piu vivace zieht das Tempo dann merklich an (musste es aber auch dringend bei dem langsamen Grundtempo das bisher vorlag). Die Steigerungswellen werden dann von den Trompeten dominiert. Die Stretta zieht dann nochmals im Tempo an.

Bei dieser Einspielung irritieren die großen Tempounterschiede, vor allem weil die langsamen Abschnitte doch so langsam genommen werden, als solle eine große Ruhe (die vor dem Sturm?) vorherrschen. Auf Rubati à la Stokowski wird verzichtet. Dass dabei keine Langeweile aufkommt, ist in erster Linie den farbenreich und eloquent spielenden Philharmonikern zu verdanken, eher weniger der Spannkraft des Dirigenten und seiner etwas starren Lesart. Tennstedt soll jedoch - dem Urteil Anwesender folgend

 - bei seiner Arbeit emotional stets höchst involviert gewesen zu sein. Der Klang der Aufnahme ist dynamisch, noch präsent und mit einem natürlichen Panorama aber auch mit etwas Hall ausgestattet.

 

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4-5

Yuri Simonov

Philharmonia Orchestra London

Collins - Brillant

1991

13:10

Auch diese Aufnahme mutet im Umfeld ein wenig exzentrisch an. Dabei verkörpert sie  - ähnlich wie die Aufnahme Tennstedts - eher den Typ einer klischeebehafteten  Interpretationshaltung. So hat Rienzi, der Held des Ganzen, bei Simonov einen ausgesprochen schweren Stand. Extrem langsam und schwermütig stimmt er hier sein Gebet an, von einem strahlenden Helden ist er noch sehr weit entfernt. Während des Gebetsthemas irritiert der sehr schnell genommene Doppelschlag (der dem Thema ja sein typisches Gepräge verleiht), zudem artikulieren die Streicher ab T. 47 nicht einheitlich zum zuvor Gespielten. Ob Herr Simonov  eine russische Partitur mit nach London gebracht hat? Die Streicher-Triolen (ab T. 50) sind den Bläsern hier weit unterlegen. Sie wirken nicht wie gefordert zumindestens gleichberechtigt. In T.60 wird dazu im schroffen Gegensatz dazu die Pauke bis zu ihren Grenzen gefordert. Auch das Durchsetzungsvermögen des Piccolos lässt sich Simonov nicht entgehen. Der Dirigent geht mit dem Tempo - im Gegensatz zu Tennstedt - ziemlich frei um, spielt auch mit viel Rubato, aber nicht wie Stokowski stets zielgerichtet, sondern zumeist im langsamen, manchmal dann schon lähmenden Bereich. Das könnte aber durchaus auch zur Charakterzeichnung des (noch ermatteten) Helden gehören. Es ist jedenfalls ein Plan erkennbar, denn in der Ruhe liegt hier die Kraft.  Ab T. 261  wirkt die Interpretation nämlich merklich entschlossener, das Orchester ist dabei gut akzentuiert und klangvoll. Im assai stretto wird es dann auch noch richtig dramatisch und zugespitzt.

Teils meditativ, teils behäbig, teils kraftvoll, teils siegessicher und triumphal. Stilistisch etwas heterogen, wie man sich vielleicht einen russischen Wagner vorstellen könnte. Dabei schreckt der Dirigent auch vor heutzutage unkonventionellen Mitteln nicht zurück. Ziemlich abenteuerlich. Dem Verfasser ist diese Individualität aber allemal lieber als übergroße Distanziertheit oder teilnahmslose Glätte.

 

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4-5

Karl Anton Rickenbacher

Bamberger Symphoniker

Orfeo

1993

11:16

Bei Rickenbacher irritiert lediglich der eigentümlich lange und langsam ausgeführte Doppelschlag im Gebetsthema. Ansonsten liegt hier eine ausgesprochen geradlinige Alternative vor, die beste der drei vorliegenden aus Bamberg. Die Bamberger gefallen mit einem intensiven Gesamtklang, voll und weich klingenden Streichern, schön abgerundet blasenden Holbläsern und einem strahlenden Klang des Blechs. Gute Voraussetzungen für die Musik Wagners. Dirigentische Eingriffe fallen kaum auf. Während der angegebenen Tempoverschärfungen geht kein Ruck durch die Musik, der Puls des Hörers bleibt so im Rhythmus. Langweilig wirkt es aber keineswegs, vielmehr wird mit viel Gespür gespielt, für die Dramatik des Stückes und für den idiomatischen Wagnerklang. Der Klang ist klar, offen, weich, frisch und farbig, recht dynamisch und insgesamt sehr angenehm. Genauso wie die ganze Interpretation.

 

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4-5

Vernon Handley

Royal Philharmonic Orchestra London

Membran

1993

11:45

Auch Handley nutzt (wie Klemperer und Sinopoli) die alte deutsche Orchesteraufstellung mit den Celli und Bässen links hinter den ersten Geigen, rechts dann die zweiten Violinen und Bratschen. Das ist hier eigentlich naheliegend, spielen die 2. Geigen und Bratschen doch oft dieselben Linien oder doch zumindest eng zusammen. Anders als bei Klemperer und Sinopoli leiden die Streicher, insbesondere die Geigen hier aber unter einem etwas diffusen und wie in sich gekehrten Klang. Die Bässe hingegen klingen satt und sauber. Bereits die Trompete (T. 6) intoniert etwas unsauber, eine Eigenschaft die sich durchgängig bis T. 195 hält. Auch die Triolen lassen den Charakter des ermutigenden, drängenden Aufschwungs vermissen. Ab T. 64 kommt die Darbietung jedoch zu sich. Das ff bricht hier geradezu ins Klanggeschehen herein und setzt eine dramatisch recht gut zugespitzte Darstellung mit guten Dynamik - Gegensätzen in Gang. Das Orchester steigert sich nun zusehends. Ab fff (T. 300) geht nun, der Ausdruck sei einmal gestattet, geradezu „die Post ab“. Auch das stretto ist zugespitzt gestaltet. Ein paar Proben mehr hätten der Unternehmung sicher nicht geschadet. So ergibt sich ein etwas heterogenes Bild: Anfänglich noch recht unpräzise, danach eine deutliche Steigerung bis zum sehr zufriedenstellenden Finale.

Die Klangqualität ist von durchschnittlicher Transparenz, auch gibt sie das Orchester nicht sonderlich breit gestaffelt wieder. Sie hat aber eine sehr gute Dynamik.

 

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4-5

Wolfgang Sawallisch

Wiener Symphoniker

Philips

1961

11:57

Das Trompetensignal zu Beginn kommt sehr unscheinbar, das Holz danach viel, viel lauter. Beides sollte jedoch pp sein. Das Gebetsthema ist ausgesprochen sanftmütig, klanglich von den Celli geprägt. Den Triolen fehlt die Strahlkraft, auch die Bläser klingen matt. Das Allegro energico ist dann schon energiereicher und im weiteren Verlauf recht flott, aber nicht sonderlich expressiv. Ab T. 261 Un poco vivace dann jedoch mit ordentlichem Zugriff. Die Symphoniker erweisen sich hier nicht als Spitzenorchester, obwohl Karajan zu dieser Zeit ihr Chef gewesen ist. Das assai stretto kommt dann mit Verve und Temperament. Dem Klang fehlt es merklich an Wärme und Fülle, auch an Dynamik. Trotz der Zugeständnisse an die mittelmäßige Aufnahmequalität und Orchesterleistung weiß diese Version der Ouvertüre dank ihrer deutlichen Steigerung ab T.261 und der rasant hingelegten Stretta zu gefallen. Bei Sawallischs zweiter Aufnahme liegen die Dinge etwas anders.

 

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4-5

Wolfgang Sawallisch

Philadelphia Orchestra

EMI

1995

12:43

Der unscheinbare Trompeteneinsatz war kein Zufall, er findet sich auch in Sawallischs zweiter Aufnahme. Die Celli sitzen nun nicht mehr links, wie in Wien, sondern rechts. Das Holz intoniert nun nicht mehr unverhältnismäßig laut. Erneut verfolgt der Hörer ein sanft strömendes Gebet, ohne Glanz, diesmal mit noch größerer Dominanz der Cellogruppe über die Violinen. Das Gebet mit den Trompeten klingt erneut matt. Die Triolen klingen nun wesentlich weicher und klangvoller als bei den Wienern. Auch das Blech wirkt nun kraftvoller und mächtiger. Der amerikanische Klangkörper spielt durchweg exzellent und damit erheblich besser besetzt als derjenige aus Wien zu jener Zeit. Anders als vielleicht noch bei Ormandy wird die orchestrale Klasse aber nicht zur Schau gestellt, sondern man ergeht sich eher im Understatement. Die Virtuosität ist selbstverständlich  und dient auch der besseren Differenzierung. Dafür muss man in Kauf nehmen, dass es ab T. 261 gegenüber der 34 Jahre älteren Philips – Aufnahme mit deutlich weniger jugendlichem Drive weitergeht. Die Einschübe des Militärorchesters bleiben recht dezent. Die Stretta erklingt dann zwar mit mehr Vehemenz aber deutlich weniger Verve. Eine insgesamt orchestral feine Version, die zwar gut ausgehört ist aber auch etwas altmeisterlich anmutet.

Der Klang der Aufnahme integriert alle unter einem Dach, keine Gruppe wird herausgestellt. Er ist leicht distanziert, räumlich, gerundet aber nicht warm oder glanzvoll, insgesamt aber viel besser als die Wiener Aufnahme.

 

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4-5

Otto Gerdes

Bamberger Symphoniker

DG

P 1972

12:23

Der Dirigent, einige Jahre bei der DG als Dirigent und Produzent unter Vertrag, wurde aber, wie man nachlesen kann, noch am gleichen Morgen dort entlassen, als er es wagte Herrn von Karajan mit „Herr Kollege“ anzusprechen.

Ähnlich Sawallisch lässt auch er die beginnende Trompete flach und müde klingen. Im Gebet geht es andächtig und zurückhaltend zu, mit wenig espressivo. Im Weiteren wird der Duktus dann jedoch ausdrucksvoll, bleibt aber sehr langsam, die Triolen erfahren eine gute Steigerung bis hin zum Majestätischen. Auch im Allegro energico behält die Aufnahme einen Hang zur Monumentalität, insbesondere aus dem gemäßigten Tempo herrührend.  Das Huldigungsthema wird ebenfalls maßvoll proportioniert. Die Durchführung ist ernst und dramatisch. Stets dominieren hier die voll und rund klingenden Bläser. Überhaupt präsentiert sich diese Version geradlinig, ausgewogen und in sich stimmig, nichts wird überzeichnet. Es wird gut charakterisiert. Der Klang ist etwas entfernt aber deutlich und unverhallt.

 

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4

Karl Böhm

Wiener Philharmoniker

DG

1975

12:18

Auch hier klingt die Trompete zu Beginn müde und schlaff. Die anschließenden Holzbläser dann allerdings sehr sauber und ätherisch. Das Gebetsthema ist langsam und mit einem sehr langsamen Doppelschlag versehen. Es wirkt in sich gekehrt und verträumt. Die Spielanweisung espressivo erscheint nicht wirklich realisiert. Auch das zweite Thema  hat wenig Nachdruck. Es geht im Verlauf zunächst auch recht bedächtig weiter. Die Triolen der Geigen sind dynamisch den Bläsern deutlich unterlegen. Das Marcato (T. 65) klingt ohne besonderen Nachdruck. Ab T. 74 energico geht es nur mit gebremstem Vorwärtsdrang weiter, immer wieder wird der Fluss der Musik gehemmt. Wenn das Spiel des Orchesters nicht so schön wäre, müsste man unterdessen vielleicht schon mit einer gewissen Langeweile kämpfen. Das Huldigungschor - Thema ist dann wirklich lahm. Die Durchführung könnte durchaus stürmischer sein. Wenn das Spiel des Orchesters nicht so hervorragend wäre, gerade das Blech gefällt besonders gut, wäre eine so gute Gesamtbewertung nicht adäquat. Das motiviert wirkende Orchester scheint geradezu durch das starre, altbacken wirkende Tempo in seinem Elan ausgebremst worden zu sein. Die Darstellung wirkt aber - trotz aller Einwände – eigentlich unroutiniert,  nicht gerade frisch, aber ernsthaft und auch gekonnt realisiert.

Der Klang ist natürlich und mit farb- und strahlkräftigen, sonoren Klangfarben ausgestattet.

 

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4

Enrique Batiz

Orquesta Sinfonica dal Estadio de Mexico

ASV

1987

12:03

Bei dieser Darbietung wünschte man sich mehr orchestralen Feinschliff. Was dem Orchester an Qualität fehlt, macht es aber durch Engagement fast wieder wett. Die Trompete zu Beginn ist sehr leise, befolgt aber crescendo und decrescendo wie vorgesehen. Das Holz antwortet leider mit verwackelten Einsätzen. Das Gebetsthema ist mit viel Vibrato spannend und espressivo. Der Klang der Geigen wirkt etwas spröde. Das Gebet in den Trompeten erscheint mehr getragen als mutig und entschlossen. Sie wollen uns sagen: Dieser Held ist keinesfalls am Boden, er sammelt sich noch. Die Triolen wirken zwar energetisch, werden aber etwas abgehackt artikuliert. Das Thema aus dem Huldigungschor ist dann bereits freudig erregt. Die Einschübe des Militärorchesters kommen deftig mit Schlagwerk gewürzt. Die Durchführung und das Allegro vivace klingen sehr lebendig, die Stretta schließlich wird mitreißend gesteigert. Die Aufnahmequalität enttäuscht zunächst mit einem sehr geringen Aufsprechpegel und klingt, wenn man die Lautstärke nicht entsprechend nachregelt, allzu matt. Dazu kommt noch der gepresste, wenig brillante Gesamtklang. Trotz der guten Transparenz will sich auch kein natürliches Raumgefühl einstellen. Gute Gran Cassa.

 

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4

Heinrich Hollreiser

Sächsische Staatskapelle Dresden

EMI

1975

11:30

Aus der GA. Hollreiser erweist sich als geradliniger, sachlicher und unverzärtelter Wagner - Dirigent. Tüfteln ist seine Sache nicht. Dadurch wirkt sein Gesamtduktus zwar recht wirkungsbewusst aber auch etwas oberflächlich und nicht übermäßig inspiriert. Verständlich vielleicht, wenn man bedenkt, dass er nicht nur die Ouvertüre, sondern die ganze Oper, die ja alles andere als ein Repertoirestück ist, aufzunehmen hatte. Vielleicht fehlte es einfach etwas an Probezeit? Das Gebetsthema ist innig, die Triolen geschärft und sehr deutlich, sie sind auch deutlich prominenter im Vordergrund  als das themenorientierte Blech. Das Orchester klingt engagiert aber längst nicht so frei wie bei Sinopoli. Das Thema aus dem Huldigungschor ist flott genommen, die Durchführung recht turbulent. Die Einschübe des Militärorchesters wirken eher unterspielt als herausgestellt. Die Stretta gefällt hier besonders, da der Dirigent das Tempo grandios anzieht. Der Klang ist räumlich gut aufgeteilt, die Geigen klingen jedoch etwas belegt. Bei Akkorden, die stehen bleiben, fällt ein langer Nachhall auf, der sonst während die Musik andauert, nicht spürbar ist. Er wirkt also wie nachträglich zugefügt.

 

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4

Hort Stein

Bamberger Symphoniker

Eurodisc

1986

12:30

Dem mit über 180 Aufführungen im Bayreuther Festspielhaus sehr erfahrene Wagner - Dirigent gelingt hier eine saubere, eher gediegene als inspirierte Wiedergabe des Stückes. Das Gebet klingt langsam und erhaben, die Triolen sehr zurückhaltend, ohne den rechten Drang, ohne Aufbegehren. Das Hauptaugenmerk liegt hier beim Thema in den Bläsern. Die Einsprengsel mit Militärcharakter werden kräftig betont. Die Durchführung wird nicht gerade überdramatisiert. Bei T. 201 piu vivace erfolgt nur ein leichtes Anziehen des Tempos. Auch die Stretta wirkt nicht so, als würde man sich überanstrengen. Das Orchesterspiel pflegt den deutschen Klang mit vollen, runden Farben, wirkt aber wegen der leicht behäbigen Leitung insgesamt eher sämig als spritzig. Mit einer Ausnahme, bei den Hörnern (!), fehlt es dem Gesamtklang etwas an Brillanz.

 

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4

Wilfried Zillig

Sinfonieorchester des HR

Documents

1950

11:15

GA, MONO  Bei der Aufnahme aus Frankfurt hat man dagegen zu keiner Sekunde den Eindruck der Behäbigkeit. Stets wird Wert auf ein flüssiges Tempo und spannende Überleitungen gelegt. Auch Details werden beachtet. Das Orchester ist aber bei weitem noch nicht so geschmeidig wie heute und allgemein noch ziemlich weit von der heutigen Perfektion entfernt. Kein Wunder, befanden sich die Orchester in Deutschland so kurz nach dem Krieg noch mehr oder weniger alle im Wiederaufbau. So hört man auch einmal eine vorwitzige Trompete und muss mit einem reduzierten noch rauen Orchesterglanz vorlieb nehmen. Der ziemlich offene, beinahe unverfälschte Monoklang bietet eine recht nivellierte Dynamik, bei der die leisen Töne ein wenig zu laut bleiben. Die Holzbläser kommen hier akustisch zu schwach ins Bild.

 

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4

Neeme Järvi

Royal Scottish National Orchestra

Chandos

2011

11:13

Järvi legt eine unaufgeregte, sachliche, fast schon stoische Lesart vor, die mit sehr wenig Emphase auszukommen scheint. Die beabsichtigte Objektivität geht mit einem seltsam anmutenden neutralen Ausdruck einher. Obwohl de facto nicht langsam, hat man als Hörer das Gefühl, dass die Akteure irgendwie mit angezogener Handbremse agieren. Das Orchester spielt diesmal sehr sauber und gefühlvoll. Die Triolen hat man jedoch schon viel energischer gehört, sie sind aber dynamisch sehr exakt mit den Bläsern austariert. Die Interpretation hat  auch ihre Meriten: Das Thema aus dem Huldigungschor  wirkt wie aufreizend, fast ironisch eingefärbt und dem Affirmativen völlig abgewandt artikuliert. Die Abschnitte der Militärkapelle wirken klanglich ausgewogen, gepflegt aber  auch mit Autorität dargestellt. Ab piu vivace ändert sich der Grundduktus kaum: Er ist immer noch sachlich.  Das fff ist aber stets gut vom ff dynamisch abgesetzt. Erst bei der Stretta kommt Begeisterung an der Sache und damit auch Begeisterung beim Hörer auf.

Der Klang ist ausgewogen, brillant, dynamisch und mit einem guten Fundament ausgestattet, sowohl präsent als auch sehr transparent.

 

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4

James Levine

The MET Orchestra

DG

1991

13:21

Schon bei seinen Gastdirigaten in Bayreuth galt der Dirigent stets als einer derjenigen, die mit die langsamsten Tempi anschlugen. Auch hier schlägt er ein weihevolles, bedeutungsschwangeres Tempo an. Das Crescendo der Trompete zu Beginn ist nachdrücklich, der Holzbläsersatz  präzise und durchaus wohlklingend. Die sonoren Celli und Bässe (die hier auch links aufgestellt wurden) überzeugen. Das Gebet erklingt gefühlvoll mit einem seltsamen Schleifer (Glissando) zum h. Die Trompeten übernehmen dieses Thema dann jedoch ohne dieses Glissando. Die Triolen werden deutlich herausgestellt und dominieren hier deutlich über den Bläsersatz. Auch im weiteren Verlauf (ab T. 74) erweisen sich die Streicher als die Aktivposten des Orchesters, wobei die Violinen nicht wirklich glänzen können. Bei T. 123 singen die Celli sehr schön, aber dermaßen herausgehoben, dass es wie eine kleine eigene herausgeschälte Episode wirkt. Das Huldigungsthema ist geradezu tänzerisch beschwingt. Bei T. 187 wird der Militärcharakter stark zurückgedrängt, sodass der von Wagner bewusst getriebene Aufwand der Zuhilfenahme der Extra - Instrumente lediglich als ein unwesentliches Detail wirkt. Der Dirigent versucht so den affirmativen Charakter offensichtlich zurückzudrängen. Ab T 261 leidet das piu vivace unter dem zu weit entfernten Blech, sodass es ihm erheblich an knackiger Vehemenz fehlt. Ab T. 346, dem assai stretto  geht man lange nicht bis ans Machbare heran. Die Relationen stimmen zwar so in sich, aber alles klingt allzu routiniert, um den Hörer mitzureißen. Dazu trägt auch die Aufnahmetechnik ihren Teil bei, denn die Blechbläser kommen, wie bereits angesprochen, zumeist zu undeutlich und entfernt aus dem Hintergrund.

 

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4

Zubin Mehta

New York Philharmonic Orchestra

Sony

1989

12:07

Hier irritiert ein geradezu schlaffes  Signal der Trompete, ein Crescendo kann man das nicht mehr nennen. Die Holzbläser sind dann jedoch klangvoll und recht präzise bei der Sache. Die Celli und Kontrabässe klingen sonor. So ergibt sich auch ein besonders weich und wohlklingendes Gebetsthema. Die dramatischen Triolen kontrastieren gut mit dem hier besonders statisch klingenden Blechbläser - Thema. Ff und fff sind hier wenig durchdringend und nicht weiter differenziert. Dem Allegro energico ab T. 74 mangelt es gerade am energetischen Moment. Das Blech artikuliert immer weich und ohne Biss. Auch die „Militärkapelle“ ist nicht sonderlich prononciert. Die Durchführung wirkt lahm und beliebig, ohne Dramatik. Auch das piu vivace bleibt nur bemüht. der Anapäst – Rhythmus von Fagotten und Hörnern z.B. ab T. 292 bleibt ohne vorantreibende Wirkung. Die Stretta wirkt dann deutlich belebend, könnte aber noch etwas zwingender sein. Hier werden allerdings die Crescendi im Blech sehr prononciert (noch deutlicher als bei Szell) ausgespielt. Der Klang der Aufnahme ist recht füllig, sehr in die Breite gestaffelt und relativ wenig brillant.

 

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4

Neville Marriner

Minnesota Orchestra

Telarc

1983

10:57

Marriners Beitrag zur Diskographie ist von großer Sachlichkeit geprägt und zeugt davon, dass er für ihn eher keine besondere Herzensangelegenheit war. Es fehlt dem Duktus generell etwas Tiefe und Inspiration. Das Orchester musiziert, wie es bei Marriner eigentlich zu erwarten ist, auch hier sauber und exakt, wobei es dieses Mal, wahrscheinlich von der Technik noch befördert, etwas zu clean, beinahe aseptisch klingt.  Dem Klang fehlt es entschieden an Brillanz und Präsenz, sodass das Orchester durchweg flau und matt klingt. Erst ab T. 261 geht es lebendiger zu, die Wirkung ist aber immer noch ziemlich glatt. Bei der Stretta hingegen wird Dirigat und Spiel richtig zupackend, der Klang lässt aber auch hier noch die gewünschte Strahlkraft vermissen.

 

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4

Jesus Lopez - Cobos

Cincinnati Symphony Orchestra

Telarc

1993

11:40

Zehn Jahr später gelang Telarc dann eine merklich bessere Aufnahme. Die Ortbarkeit der Instrumente in Breite und Tiefe des Raumes ist gut. Der Klang deutlich farbiger. Aber auch hier ist die Dynamik eher nur durchschnittlich (mit Ausnahme der Gran Cassa). War Marriners  Crescendo der Trompete zu Beginn noch unforciert, so ist es jetzt noch müder. Das Gebetsthema ist recht flott, im Ausdruck zurückhaltend aber cantabel. Die Trompeten bringen das Gebet dann jedoch strahlend heraus. Im weiteren Verlauf werden die Crescendi oft nur angedeutet, mitreißend sind sie eigentlich nie. Die Militäreinschübe kommen vollauf zu ihrem Recht, die das Militär symbolisierenden Instrumente werden hier dynamisch forciert. Der Spannungsverlauf gelingt nicht ganz durchgehend, vor T. 258 gibt es geradezu einen Spannungseinbruch. Auch die Stretta läuft nun recht flott, aber etwas zu glatt ab, wie die ganze Ouvertüre.

 

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4

Hiroshi Wakasugi

Sächsische Staatskapelle Dresden

Berlin Classics

1984

12:17

Wie bereits Sinopoli und Hollreiser kann sich der japanische Dirigent, der zum Zeitpunkt der Aufnahme noch Chef des Orchesters war, auf die hohen Fähigkeiten des Opernorchesters zurückgreifen. Seine Version profitiert so in erster Linie vom guten Orchesterspiel. Dennoch gelingt ihm nur eine relativ wenig profilierte, ziemlich spannungsarme Gestaltung der Ouvertüre. Es fehlt ihr entscheidend an der zupackenden Geste, am dramatischen Elan. So sind z.B. die Triolen viel zu gemächlich. Die ff im Allegro energico bleiben ohne Nachdruck. Die Blechbläser agieren zu weit im Hintergrund, um den Hörer packen zu können. Die Hörner  (T. 274 und 293) sind hier zu unprofiliert. Die Stretta ist dann als Höhepunkt dieser Version gerade noch so als prickelnd zu bezeichnen. Der Klang der Aufnahme ist weich, voll, aber räumlich etwas indifferent und leicht mulmig. Er könnte auch durchaus noch etwas farbiger sein.

 

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3

Hans Knappertsbusch

Münchner Philharmoniker

Westminster - MCA

1962

13:31

Die Einspielung des zu seiner Zeit als großer Wagner - Dirigent geschätzten Knappertsbusch zeigt den Helden Rienzi geradezu als lahme Ente. Es fehlt weitestgehend an Intensität der Gestaltung aber auch an orchestraler Qualität. Bläsereinsätze sind oft unpräzise, der Gesamtklang ist wenig geschmeidig und unausgewogen. Das Stück wirkt kaum geprobt. Der Klang der Aufnahme verstärkt diesen Eindruck noch. Die Transparenz ist zwar in Ordnung, es fehlt aber an Dynamik, Klangfarbenreichtum und Körperhaftigkeit. Die Akustik wirkt zudem ziemlich trocken. Im Hörprotokoll ergaben sich folgende Einträge: Gebetsthema intensiv, die Celli fallen dabei aus dem Gesamtklang heraus, bei gleicher Vortragsbezeichnung besteht hierzu keine Veranlassung. Bläser beim Gebetsthema nicht zusammen. Triolen kommen jedoch gut heraus. Ab T. 74 Allegro energico  bleibt der Duktus müde. T. 155 Huldigungschor - Thema lähmend langsam, ohne jede Emphase. Das Volk scheint hier aus einer unterbezahlten, eher unmotivierten herbestellten Schar von Söldnern zu bestehen. Ab T. 187 Abschnitte mit Militärcharakter stampfend, T. 261 unpräzise Einsätze, immer wieder kleine Ungenauigkeiten, T. 306 „Militärkapelle“ pathetisch auftrumpfend, wie auch T. 337. Stretta: flügellahm

 

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4-5

Bruno Walter ?

Royal Philharmonic Orchestra ?

Documents und andere

1928

10:51

Die Herkunft dieser Aufnahme scheint dem Verfasser nicht gesichert. Einfach aus dem Grund, weil das angegebene Orchester erst 1946 von Thomas Beecham gegründet wurde. Es bliebe als einzige Möglichkeit, wenn es denn eines der Londoner Orchester gewesen ist, das London Symphony Orchestra (seit 1904), denn auch LPO (gegründet 1932), das BBC Symphony Orchestra  (1930) und das Philharmonia Orchestra (1945) kommen nicht infrage. Nicht unwahrscheinlich ist, dass es sich um ein eigens für die Aufnahmen zusammengesuchtes Orchester handelt, dem man den damals noch ungeschützten Namen gegeben hat. Wie dem auch sei: Der gut restaurierte Klang klingt einigermaßen erträglich, rauscht erstaunlich wenig und ist sogar weitgehend frei von Störgeräuschen aller Art. Sie Streicher klingen naturgemäß  recht dünn, das Blech macht seinem Namen alle Ehre und klingt auch blechern. Man erkennt jedoch ohne weiteres ein ausgewogen agierendes Orchester in einer hochkonzentrierten, spannenden Darbietung mit einem starken Drang nach vorne. Das Allegro energico stürmt geradezu bereits ziemlich siegessicher dem Höhepunkt entgegen bis dann beim vivace geradezu alle Fessel abgelegt werden. Wer nun glaubt, der Dirigent ließe die Funken in der Stretta noch höher fliegen, sieht sich allerdings getäuscht. Hier wird sogar, erstaunlich genug, etwas gebremst, vielleicht, um dem Sieg eine nachdenkliche Note zu verleihen oder darzustellen, dass es am Ende der Oper doch ganz anders kommt? Jedenfalls liegt hier eine interessante, hochwertige,  historische Alternative vor, deren Herkunft leider nicht ganz geklärt erscheint.

 

 

 

Vergleich beendet am 22.7.2020