Richard Wagner
"Lohengrin",
Vorspiel zum 1. Akt
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Werkhintergrund:
Wagner hat erstaunlich viele Stücke für den Konzertsaal hinterlassen, aber die Stücke, die am häufigsten in Konzerten gespielt werden, sind Ausschnitte aus seinen Bühnenwerken: Ouvertüren und Vorspiele, Überleitungen und Schlüsse, Arrangements. Wagner selbst hat diese Tradition, die bis heute nicht abgerissen ist, begründet, jedoch nicht, weil er der Meinung war, die ausgewählten Stücke seien als Konzertmusik tauglich oder gar als absolute Musik rezipierbar. Ganz im Gegenteil: Alle Konzerte, in denen er selbst Musik aus seinen Opern dirigierte, dienten einzig und allein dem Zweck, für die Aufführung der Werke auf der Bühne zu werben, denn alleine das Theater erschien Wagner als der angemessene Ort für seine Musik. Da er nicht einmal die diesbezüglich vergleichsweise „neutralen“ Ouvertüren und Vorspiele als absolute Musik aufgefasst wissen wollte, schrieb er zu jedem dieser Stücke eine „Programmatische Einleitung“. Das gilt auch für das Vorspiel zum 1. Akt seiner romantischen Oper „Lohengrin“, dessen Diskographie wir uns im Anschluss an den kleinen Werkhintergrund genauer widmen wollen. Auf diese Einleitung kommen wir gleich zurück, zunächst wollen wir vollständigkeitshalber die Handlung der Oper kurz zusammenfassen. Interpretationen dazu gibt es in Hülle und Fülle und man kann sich bis heute oder gerade heute vortrefflich daran die „Zähne ausbeißen“, weshalb wir uns daran gar nicht erst versuchen wollen.
Die Handlung (Kenner der Oper mögen diesen Abschnitt gerne überlesen) der ungefähr vierstündigen Oper, die im „Deutschen Reich“ des 10. Jahrhunderts spielen soll, erzählt sich etwas vereinfacht so: Der deutsche König Heinrich der Vogler kommt mit großem Pomp im Land Brabant an, um Truppen zum Widerstand gegen die einfallenden Ungarn zu sammeln. Unerwarteterweise gerät er dabei in eine Art Mordermittlung, die diesen Namen nach heutiger Rechtsauffassung jedoch nicht verdient hätte. Elsa von Brabant wird von Friedrich von Telramund des Mordes an ihrem eigenen Bruder, dem Herzog von Brabant, angeklagt. Die Leiche des vermeintlichen Mordopfers ist jedoch nicht auffindbar, was bei den Ermittlungen anscheinend keine große Rolle spielt, später dennoch wichtig wird. Friedrich wiederum war von der bösartigen Ortrud getäuscht worden und hatte Elsa nicht ohne Hintergedanken für schuldig befunden. Obwohl ihm die Bösartigkeit Ortruds sicher schon früher bekannt war, hatte Friedrich aus Habgier und hässlichem Ehrgeiz diese Frau, die ihn in diesen Eigenschaften noch übertrifft, trotzdem geheiratet, um die Herrschaft über Brabant zu erlangen. Elsa wäre nun, nachdem ihr Bruder tot ist, die letzte Überlebende der herrschenden Familie in Brabant. Elsas Motiv für den Mord läge also auf der Hand. Indem er Elsa zum Brudermord verurteilen lässt, hätte er selbst Anspruch auf das Land, da er nun der nächste in der Thronfolge nach dem Herzog bzw. dessen Schwester Elsa wäre (wenn er diese durch die Verurteilung erst eliminiert hätte). Elsa selbst ist ziemlich durch den Wind, sodass es vielleicht nicht einmal verwunderlich ist, dass Sie sich kaum selbst verteidigt. Irgendwie, die Emanzipation ist für sie noch in weiter Ferne, braucht sie, so sind nun mal damals die Sitten und Gebräuche im Land Brabant, für sich einen männlichen Fürsprecher, eine Art Rechtsanwalt, der allerdings auch selbst gegen den Ankläger kämpfen müsste, damit sie Recht bekommen kann. Wahrscheinlich wünscht sie sich das so sehr, dass ihr bereits als vorauseilende Prophetie ein Erlöser in Gestalt eines Ritters im Traum erscheint. Tatsächlich kommt dann auch ein unbekannter Ritter (Lohengrin) in einem von einem Schwan gezogenen Boot an und verspricht tatsächlich, in einem Kampf für Ehre und Wahrheit an Elsas Stelle zu kämpfen. Vor dem Kampf bittet Lohengrin Elsa, ihm zu versprechen, nie nach seiner Herkunft und nach seinem Namen zu fragen. Elsa stimmt zu. Wie zu erwarteten war, denn nicht von ungefähr hat Wagner die Geschichte als „Märchen“ bezeichnet, gewinnt Lohengrin, der strahlende Ritter (selbstverständlich der Tenor) den Kampf gegen den Ankläger Friedrich (selbstverständlich der Bariton), der mit seiner Frau zur Gänze die dunklen Mächte (der alten Götter) repräsentiert. Friedrich wird, da ihm der edle Ritter das Leben schenkt, nur in Schande verbannt.
Lohengrin ehelicht Elsa, eine Handlung die Wagner nicht nur aus dramaturgischen Gründen abseits der Bühne spielen lässt (quasi zwischen den Akten 2 und 3) und nur kurz indirekt zur Sprache bringt, denn sonst hätte er uns mit einer Zeremonie konfrontiert, die man so nicht kennt. „So nehme ich, der „Mann ohne Namen“ und von unbekannter Herkunft, Dich Elsa von Brabant zur Frau.“ Der Anfang vom Ende beginnt dann bereits im Brautgemach.
Durch eine komplizierte Reihe von Intrigen versuchen Friedrich, der doch wieder den Weg an den Hof findet, und Ortrud, die eigentlich unerschütterliche Liebe (so meint man) zwischen Elsa und dem Ritter zu untergraben. Alle ihre Pläne, Elsa dazu zu bringen, den Namen ihres Helden herauszubekommen, schlagen zunächst fehl und führen schließlich dann doch zum Tod Friedrichs. Dennoch ist Elsa, in große Verwirrung gestürzt, schließlich versucht, Lohengrins Herkunft in ihrem Brautgemach tatsächlich in Frage zu stellen. Sie sorgt sozusagen dadurch, wie einst Eva im Paradies für eine Art „Sündenfall“. Lohengrin ist von großer Sorge geplagt, hat jedoch keine andere Wahl. Widerstrebend stimmt er zu, seine Identität und Herkunft am nächsten Tag in Anwesenheit des Königs bekannt zu geben.
Am Morgen verkündet er unter großer Aufregung, dass er Lohengrin, der Sohn des Gralskönigs Parzival und als Gralsritter ausgesandt worden sei, um das Böse zu bekämpfen und die Tugend zu verteidigen. Außerdem seien die Gralsritter mit einer ganz speziellen Macht (vom Gral verliehen) ausgestattet, die verloren gehe, wenn ihr Name preisgegeben werde. Zudem käme er aus Montsalvat, der Gralsburg. Heutzutage hätte man an seiner Stelle, wenn so viel auf dem Spiel steht, vielleicht doch auf eine Notlüge zurückgegriffen und einen falschen Namen genannt. Aber sicher ist für einen Gralsritter vom Format Lohengrins eine Notlüge ein „absolutes No-Go“.
Weder der König, der immer noch wegen der bevorstehenden Schlacht besorgt ist, noch seine geliebte Elsa können ihn zum Bleiben überreden – denn niemand darf die Gnade der Gralsritter sehen oder daran teilhaben, wenn sie ihre Identität preisgegeben haben. Nun erscheint der Schwan erneut, dieses Mal um Lohengrin zurück zum Gral d.h. nach „Montsalvat“ zu bringen.
Bevor er geht, prophezeit Lohengrin, dass der König siegreich sein wird, und enthüllt weiter, dass es Ortruds böser Zauber ist, der Elsas Bruder Gottfried dazu verdammt hat, die Gestalt eines Schwans anzunehmen. Dann kniet er im Gebet nieder und eine Taube steigt von oben herab und schwebt über ihm. Der Schwan versinkt im Wasser und nimmt in diesem Augenblick wieder die Gestalt von Gottfried an. Ortrud bricht beim Anblick von Gottfried zusammen, obwohl das doch eigentlich ein Grund zur Freude gewesen sein sollte, immerhin ist der Mann nicht tot. Lohengrin fährt in einem nun von der Taube gezogenen Boot ab, nachdem er Gottfried zum neuen Herrscher von Brabant erklärt hat. Elsa stirbt, kann sie doch den Verlust ihres Ritters und Ehemanns (an dem sie selbst durch Bruch des Gelübdes schuld ist) nicht verwinden.
Ende der Zusammenfassung der Handlung.
Das Scheitern der Liebe sowohl zwischen den Eheleuten Elsa und Lohengrin als auch das Scheitern der Gralsbotschaft (Liebe und Vertrauen) in einer eigentlich bedürftigen Gesellschaft (Brabant ist schließlich überall) haben Wagner später wohl dazu veranlasst, „Lohengrin“ als seine traurigste Oper überhaupt zu bezeichnen. Immerhin und trotz allem haben wir dieser Oper eines der wunderbarsten Vorspiele der ganzen Musikgeschichte zu verdanken.
In einer Zeit der revolutionären Umbrüche schrieb Wagner seine 1850 unter der Leitung von Franz Liszt in Weimar uraufgeführte Oper »Lohengrin«. Wagner konnte der Uraufführung selbst nicht beiwohnen, war er doch wegen seiner Beteiligung an der Revolution ein gesuchter Verbrecher. Daher suchte er Zuflucht in der Schweiz. Liszt, damals Musikalischer Oberleiter der Weimarer Hofkapelle und großer Bewunderer Wagners (später auch noch sein Schwiegervater), musste alle seine Beziehungen spielen lassen, damit er die bis dahin teuerste Inszenierung in Weimar überhaupt genehmigt bekam.
Als Vorlage verwendete Wagner Wolfram von Eschenbachs »Parzival«-Epos, Sagen der Brüder Grimm sowie verschiedene Märchensammlungen, die er nicht zuletzt eigens zum Zwecke der Verwendung in einer Oper studiert hatte. Auch Motive der griechischen Welt der Götter-Mythen, die Wagner sehr wohl bekannt waren, spielen mit hinein, genau wie Motive aus dem Alten Testament (Adam und Eva). Nebenbei bemerkt: Immer ist es dabei die Frau, die ihren Mann verrät oder das gegebene Gelübde bricht. Nicht nur im Alten Testament, vielleicht aber nur, weil die Geschichten immer von Männern erzählt wurden. Die Realität sieht freilich nicht nur heutzutage anders aus.
Alle seine Bühnenwerke von den „Feen“ über das „Liebesverbot“ und den „Rienzi“ bis hin zum „Tannhäuser“ lässt Wagner, wie in der Operntradition seiner Zeit üblich, mit einer Ouvertüre beginnen, die wichtige Themen des Werkes (im „Tannhäuser“ zum Beispiel den Pilgerchor und die Venus-Musik) enthält und diese zumeist in der Form des Sonatenhauptsatzes vorstellt. Im „Lohengrin“ gibt Wagner diese Praxis auf: Erstmals in seinem Schaffen und fortan obligat beginnt sein Bühnenwerk nicht mit einer Ouvertüre, sondern mit einem Vorspiel.
Es ist als Steigerungsanlage aufgebaut, in der viermal, von Zwischenspielen getrennt, nur das Gralsmotiv erklingt: zuerst leise in den Geigen, dann etwas stärker in den Holzbläsern, daraufhin noch etwas stärker in den Holzbläsern, Hörnern und tiefen Streichern und schließlich im Forte des Blechs. Und es fungiert wie ein instrumentaler Prolog zur Oper, der den Gral zum Thema hat und den Hörer auf das ferne Wundersame, das prachtvoll Strahlende und den unfassbaren Zauber dieses Heiligtums einzustimmen versucht. Anstelle der zuvor als eigenständiges Instrumentalstück der Oper vorangestellten Ouvertüre jetzt ein der Oper selbst verpflichtender Anfang; anstelle von Ouvertüren-Symphonik jetzt musikalische Vergegenwärtigung der Stimmungswelt und anstelle Sonatenhauptsatzkomposition jetzt musikalisch-programmatische Bildlichkeit.
Das Vorspiel stellt also in erster Linie die Aura des Grals dar. Der Gral ist das Gefäß, woraus die Jünger Jesu beim Abendmahl ein letztes Mal Wein getrunken haben und in dem bei der Kreuzigung das Blut des Messias, dem man mit einer Lanze ins Herz gestochen hatte, aufgefangen wurde. Die Legende um den Heiligen Gral, kurz auch (der) Gral genannt, erschien im späten 12. Jahrhundert in vielgestaltiger Form in der mittelalterlichen Artus-Sage. Verschiedene Versionen der Legende kreisen um den Gral als ein wundertätiges Gefäß, sowie um die Ritter, die nach diesem Gral, und damit letztlich nach Erlösung, suchen. Im hochmittelalterlichen Gralsmythos vermischen sich Anliegen des Christentums und des Feudaladels sowie Versatzstücke der christlichen Liturgie (im Motiv des Kelchs) und des Reliquienkultes (Heilige Lanze) mit archetypischen Bildern und mündlichen Überlieferungen keltischer und orientalischer Herkunft.
Die Musik beginnt mit leisen, hohen, sphärischen Streicherklängen schwillt bis zu einem mächtigen Höhepunkt an und verschwindet wieder in sphärischem pianissimo. Friedrich Nietzsche schrieb, diese Musik sei „blau, von opiatischer, narkotischer Wirkung“.
Wagner selbst gab, wie bereits einleitend erwähnt, 1853 im Programmheft zu einer Aufführung in Zürich ein erklärendes Vorwort zum Vorspiel des ersten Aktes ab. Es lautet, didaktisch 2009 leicht von Uwe Jacobsen bearbeitet, damit auch jüngere Menschen das Wagner-Deutsch vergangener Tage heutzutage besser verstehen können:
„Aus einer Welt des Hasses schien die Liebe verschwunden zu sein: in keiner Gemeinschaft der Menschen zeigte sie sich mehr als Gesetzgeberin. Aus der Sorge um Gewinn und Besitz sehnte sich das (dadurch vernachlässigte) Liebesverlangen des menschlichen Herzens endlich wieder nach Stillung, da es in dieser Wirklichkeit nicht mehr zu erfüllen war. Die Vorstellungskraft gab diesem unbegreiflichen Liebesdrang eine Gestalt außerhalb der Wirklichkeit. Unter dem Namen „Heiliger Gral“ glaubten, ersehnten und suchten die Menschen eine tröstende Vorstellung, die als wirklich vorhanden und doch unnahbar fern galt. Dies war das kostbare Gefäß, aus dem einst der Heiland den Jüngern den letzten Abschiedsgruß zutrank, und in welchem dann sein Blut, als er am Kreuze aus Liebe litt, aufgefangen wurde. Dieses Gefäß wird bis heute als Quell unvergänglicher Liebe verwahrt. Schon war der Heilskelch der unwürdigen Menschheit entrückt, als eine Engelschar ihn aus höchsten Himmelshöhen wieder herabbrachte, ihn unter die Aufsicht reiner Menschen stellte, um sie so zu irdischen Streitern für die ewige Liebe zu machen. Diese wunderwirkende Niederkunft des Grales im Geleite der Engelschar und seine Übergabe an hochbeglückte Menschen, wählte sich der Tondichter des „Lohengrin“ als Einleitung für sein Drama aus, um dieses Bild - diese Erläuterung möge mir erlaubt sein - dem Hörer in Tönen vorzuführen. Zu Beginn verdichtet sich als Ausdruck überirdischer Liebessehnsucht der klarste blaue Himmel zu einer kaum wahrnehmbaren, zauberhaften Erscheinung. In unendlich zarten Linien zeichnet sich mit wachsender Bestimmtheit eine Engelschar ab, die sich aus lichten Höhen unmerklich herabsenkt, indem sie in ihrer Mitte den Gral mitführt. Sobald die Erscheinung deutlicher wird und sichtbar zur Erde hinschwebt, entströmen ihr süße, berauschende Düfte: sie wallen wie goldenes Gewölk nieder, und nehmen die Sinne des Betrachtenden bis in die Tiefe seines Herzens gefangen. Bald verspürt er lustvolle Schmerzen, bald beglückende Lust. Der Zauber der Erscheinung weckt in ihm mit unwiderstehlicher Macht alle unterdrückten Liebesbedürfnisse. Sie steigern sich ins Unermessliche, so dass er von der gewaltigen Sehnsucht fast zerstört wird. Noch nie empfand ein menschliches Herz solche Hingebungs- und Auflösungstriebe. Und doch beglückt den Betrachter diese Empfindung. Vor seinen überwältigten Sinnen breitet sich die göttliche Erscheinung aus. Und als endlich der Gral enthüllt wird und dem Blick des Gewürdigten nicht mehr verborgen ist, sendet er aus seinem Inneren Sonnenstrahlen höchster Liebe, leuchtet er weithin sichtbar wie ein himmlisches Feuer und alle Herzen erbeben im Flammenglanz seiner ewigen Glut. Da schwinden dem Betrachter die Sinne; wie ohnmächtig sinkt er nieder. Doch über ihn gießt der Gral seinen Segen aus, mit dem er ihn zu seinem Ritter weiht. Die leuchtenden Flammen dämpfen sich zu mildem Glanz ab. Dieser verbreitet sich wie ein Atemhauch und erfüllt den Anbetenden mit unglaublichem Entzücken. Lächelnd schwebt die Engelschar wieder in die Höhe. Den Ursprung der Liebe, den „Gral“, der auf Erden versiegt war, brachte sie von neuem zu uns zurück. Sie stellte ihn unter die Aufsicht reiner Menschen, in deren Herzen er segnend wirkt. Und im hellsten Licht des blauen Himmels verschwinden nun die Engel, so, wie sie sich zu Beginn genaht hatten.“
Soweit Richard Wagner.

Visualisierung des Lohengrin-Vorspiels von Jean Theodore Fantin-Latour: "Prélude de Lohengrin" (Litographie von 1882), Programmheft „Lohengrin“, Bayreuther Festspiele 1980
Das Vorspiel zum ersten Akt ist also eine geschickte musikalische Darstellung des Heiligen Grals, der in der Obhut einer Engelschar (vielleicht aber auch nur vier, denn vier Solo-Violinen spielen möglicherweise diese besondere Rolle) auf die Erde herabsteigt. Es ist im Wesentlichen ein ausgedehntes Orchester-Crescendo, das sich durchgängig steigert und eines der bewegendsten Opernvorspiele aller Zeiten bildet. Das Vorspiel enthält nur ein Thema, das jedoch in der gesamten Oper immer mal wieder verwendet wird, hauptsächlich für Lohengrins Handlungen. Es ist wohl eines der ersten Leitmotive, die Wagner so exponiert verwendet hat.
Vier Mal wird es im Vorspiel gebracht. Das Quartett des Leitmotivs beginnt sinnigerweise mit vier Soloviolinen (zudem drei der vier Solo-Geigen im Flageolett), und schwebt über dem Rest der Streichergruppe. Ein schimmernder Effekt, der alle möglichen farbenfrohe (fast schon gleißende) Obertöne mit sich bringt, die sich durch die sich ständig weiterentwickelnden Texturen ziehen. Während die Musik voranschreitet, mischen sich weitere Instrumente in den Gesamtklang. Schließlich, immer noch ohne die tieferen Streicher, erscheinen die Holzbläser mit dem Gralsthema. Dann verstärken die tiefen Streicher die Textur, um sie anzureichern und zu kräftigen, der Gral beginnt seine Macht zu zeigen. Ein toller Moment, wenn die Aufnahme bereits im Stereo aufgenommen wurde, denn der Raum weitet sich jetzt und nimmt sozusagen die gesamte Breite des Hör-Raums ein und durch Celli und Bässe bekommt das Orchester jetzt ein festes Fundament und strahlt so Entschlossenheit und Macht(fülle) aus. Zudem begibt sich der Gral auch räumlich gesehen von oben (aus dem Himmel, der Zone Gottes) nach unten zum menschlichen Ritter (von den ätherischen Höhen der Violinen zu den tiefen Bässen).
Während die Klangfülle zwischen den Instrumenten immer reicher wird, werden Struktur und Timbre des Vorspiels tiefer und facettenreicher. Je mehr Instrumente hinzukommen, desto mehr nimmt auch die Dynamik zu. Es beginnt sehr leise, doch zum Höhepunkt hin spielt das Orchester fortissimo. Dieser Höhepunkt wird durch einen Beckenschlag markiert. Auch die Blechbläser setzen hier kraftvoll ein, was das einzige Mal markiert, bei dem das ganze Orchester im Vorspiel zusammenspielt. Dies ist der Zeitpunkt als der göttliche Zauber des Grals auf Lohengrin übergeht. Ein wirklich außergewöhnlicher Vorgang, weshalb es an Glanz nicht fehlen sollte.
Auch die Art und Weise, wie Wagner die Streicher im Vorspiel schichtet, ist sehr interessant. Er merkte an, dass er die Bewegung des Heiligen Grals darstellen wollte, und er tut dies, indem er eine fließende Bewegung zwischen den Stimmen schafft, während das Thema weitergereicht wird. Da die vier Soloviolinen gegen Ende des Vorspiels wieder auftauchen, kann man davon ausgehen, dass sie vier Engel darstellen, die den Heiligen Gral zurück in sein himmlisches Reich tragen, denn das Vorspiel zum ersten Akt endet, wie es begonnen hat, in schimmernder Stille. Es ergibt sich ein je nach Einspielung von knapp über 7 bis über 11 Minuten gewölbter Bogen, den man in der Darbietung, wenn möglich genauso bruchlos wiederfinden sollte, wie er in der Komposition niedergelegt wurde.
Damit die Suppe alleine mit dem Vorspiel nicht ganz so dünn wird, geben wir bei den Einspielungen des Vorspiels, die aus einer Gesamtaufnahme kommen noch einen kleinen Ausblick auf den zu erwartenden Gesang, soweit wir dazu was zu berichten haben. Wir beschränken uns dabei, damit wir kompakt bleiben auf die vier Hauptrollen, deren Sänger wir zumindest einmal nennen wollen. Zur Bewertung ziehen wir jedoch ausschließlich das eigens dazu gehörte Vorspiel heran.
Bei Wagnerianern zumindest bei Wagnerianern alten Schlages gilt von jeher die Faustregel bzgl. der Güte des Gesanges: „Je älter die Aufnahme, desto besser“. Das mag ja sogar stimmen. Wenn es wie bei uns nur um das Lohengrin-Vorspiel alleine geht, wird jedoch eine klangsinnliche Aufnahmequalität ganz besonders wichtig. Wenn man vom sphärisch leuchtenden Gral zu Beginn nur Rauschen hört, wird sich keine von Wagner beabsichtigte Aura einstellen. Umgekehrt gilt aber auch, wenn der Dirigent nicht weiß, worum es eigentlich gehen soll, kann es so gut klingen wie es will, das Ergebnis wird defizitär bleiben. Da kann es an Innerlichkeit mangeln oder an magischer Kraft beim Höhepunkt, wenn der Zauber vom Gral auf unseren Gralsritter übergeht. Es muss eigentlich alles zugleich zusammenkommen. Dazwischen gibt es jedoch auch gute Kompromisse, die vielleicht nicht beglücken aber durchaus überzeugen können.
Um unsere Ergebnisliste einmal etwas anders und vielleicht etwas interessanter zu gestalten, haben wir die Reihung ein wenig aufgelockert. So als wenn Herr Wagner höchstselbst noch einmal in Bayreuth residieren würde und er sich selbst alle Darbietungen vor Ort anhören würde. Ein wenig exzentrisch war er ja schon immer. Also zuerst selbstverständlich die Aufführungen zuhause in Bayreuth, dann im lediglich 243 km entfernten München, da kennt er sich ja gut aus und den BR wird er sich als Wahl-Franke sicherlich manchmal im Radio anhören, vor allem, wenn Opernübertragungen aus der Staatsoper laufen und die Live-Konzerte des BRSO... Dann die Darbietungen im 356 km entfernten Berlin, anschließend in den übrigen deutschen Konzerthäusern und auf deutschen Opernbühnen, wobei natürlich seine Geburtsstadt Leipzig und sein ehemaliger Arbeitsplatz, die Dresdner Hofoper, mittlerweile zur Semperoper geworden, von besonderem Interesse wäre. Dann wäre selbstverständlich endlich Wien als Besuchsziel an der Reihe, da hat er viele Fans, allerdings schon 555 km vom heimischen Bayreuth entfernt. Er nimmt schon längst keine Kutsche mehr, sondern den ICE, wenn der nicht gerade kaputt ist. Dann würde er sich im übrigen Europa umhören, z.B. Paris (831 km) oder London (1030 km). Dann wird es schwieriger für ihn, 6393 km um in die MET nach New York zu kommen, Schiff oder Flugzeug heißt dann die Frage des Transportmittels und schließlich würde er eine Tournee durch die USA unternehmen müssen, natürlich mit dem Wohnmobil. Zeit hat er ja genug und da Cosima dabei ist wird ihm auch während der langen Fahrten nicht langweilig. Eine (Zeit)reise dieses Ausmaßes wäre auch für Richard mal was ganz Neues. Ob er allerdings die Aufführungen genauso bewerten würde wie wir, lassen wir einmal dahingestellt.
Für den Leser hat diese Art der Listung den Vorteil, dass man Einspielungen aus einer Stadt oder von einzelnen Regionen besser vergleichen kann aber auch den Nachteil, dass man sich Einspielungen von diversen Dirigenten noch umständlicher zusammensuchen muss, wenn sie in der ganzen Welt Aufnahmen des Lohengrin-Vorspiels gemacht haben sollten.
(Unsere Partitur war die Eulenburg Taschenpartitur Nr. 652.)
Jetzt noch nach all dem mehr oder weniger Bedeutsamen noch was kleines zur Erheiterung:
1848 schrieb sich Richard Wagner angeblich selbst zum Geburtstag folgenden Glückwunsch, den wir hiermit zitieren:
„Im wunderschönen Monat Mai
Kroch Richard Wagner aus dem Ei.
Ihm wünschen, die zumeist ihn lieben,
Er wäre besser dringeblieben.“
Im Frühling 1864 komponierte Wagner „Die Meistersinger von Nürnberg“, eine Oper die bis heute weltweit immer wieder auf vielen Spielplänen steht. Er entwarf zeitgleich folgende Grabinschrift für sich:
„Hier liegt Richard Wagner, der nichts geworden,
nicht einmal Ritter vom lumpigen Orden,
nicht einen Hund hinter’m Ofen entlockt’ er,
Universitäten nicht ’mal ’nen Dokter . . .“
So viel Sinn für Humor hätten wir ihm gar nicht zugetraut.
Richard Wagner war selbstbewusst und kannte seine Bedeutung; als Beleg zitieren wir weiter den großen Komponisten:
„Wer als Meister ward geboren, der hat unter Meistern den schlimmsten Stand.“
„Es ist nicht wichtig, ob der Mensch vom Affen abstammt; viel wichtiger ist, dass er nicht wieder dorthin zurückkehrt.“
Die vier Anekdoten wurden aus alten Quellen gesammelt von Ursula Brekle. Gefunden in Leipzig-Lese.
21.2.2025

Richard Wagner ungefähr zur Zeit als "Lohengrin" geschrieben wurde.
Übersicht über die gehörten Einspielungen, die Rezensionen schließen sich wie immer an.
Einspielungen von den Bayreuther Festspielen, alle entstammen Gesamtaufnahmen (GA):
5
Rudolf Kempe
Orchester der Bayreuther Festspiele
Orfeo
1967, live
8:20
5
Peter Schneider
Orchester der Bayreuther Festspiele
Philips
1990
9:08
4-5
Eugen Jochum
Orchester der Bayreuther Festspiele
Andromeda, Opera d´Oro, Sony
1954
9:14
4-5
Andris Nelsons
Orchester der Bayreuther Festspiele
Opus Arte
2011, live
8:09
4-5
Andris Nelsons
Orchester der Bayreuther Festspiele
BR – Direktübertragung, unveröffentlicht
2010, live
9:09
4-5
André Cluytens
Orchester der Bayreuther Festspiele
Walhall, Myoto
1958, live
8:51
4-5
Joseph Keilberth
Orchester der Bayreuther Festspiele
Decca
1953, live
10:07
4-5
Woldemar Nelsson
Orchester der Bayreuther Festspiele
Sony
1982
7:05
4
Wolfgang Sawallisch
Orchester der Bayreuther Festspiele
Philips
1962
8:13
4
Lovro von Matacic
Orchester der Bayreuther Festspiele
Orfeo
1959
9:50
4
Lorin Maazel
Orchester der Bayreuther Festspiele
Myoto
1960
7:42
Einspielungen aus München:
5
Mariss Jansons
BRSO
Sony
2009
7:36
5
Colin Davis
BRSO
RCA
1994, live
8:21
5
Sir Simon Rattle
BRSO
BR, unveröffentlicht
2024, live
8:33
4-5
Rafael Kubelik
BRSO
DG
1971
8:18
4-5
Eugen Jochum
BRSO
DG, Preiser
1952
9:24
4
Hans Knappertsbusch
Münchner Philharmoniker
Westminster-MCA, Theorema
1962
7:21
4
Hans Knappertsbusch
Bayerisches Staatsorchester
Orfeo
1963, live
7:03
Einspielungen aus Berlin:
5
Herbert von Karajan
Berliner Philharmoniker
EMI, Esoteric
1974
9:40
5
Herbert von Karajan
Berliner Philharmoniker
EMI
1975
9:08
5
Herbert von Karajan
Berliner Philharmoniker
EMI
1960
9:13
5
Christian Thielemann
Berliner Philharmoniker
RBB, unveröffentlicht
2019, live
9:23
4-5
Lorin Maazel
Berliner Philharmoniker
RCA
1997
11:04
4-5
Simon Rattle
Berliner Philharmoniker
RBB, unveröffentlicht
2012
8:50
4-5
Rafael Kubelik
Berliner Philharmoniker
DG
1962
9:53
4-5
Christian Thielemann
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Orfeo
2004, live
9:01
4-5
Otmar Suitner
Staatskapelle Berlin
Eterna, Berlin Classics
1973
8:29
4-5
Seiji Ozawa
Berliner Philharmoniker
Philips
1989
10:38
4-5
Daniel Barenboim
Staatskapelle Berlin
Teldec
1998
8:47
4
Marek Janowski
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Pentatone
2010, live
8:31
4
Klaus Tennstedt
Berliner Philharmoniker
EMI
1983
10:14
3-4
Robert Heger
Staatskapelle Berlin
Line-Cantus
1942
8:56
Übriges Deutschland incl. Leipzig und Dresden.
5
Michael Gielen
Sinfonieorchester des SWR Baden-Baden und Freiburg
Hänssler, SWR Music
1992
8:03
5
Josef Keilberth
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Telefunken – BnF
ca. 1960
9:48
4-5
Hiroshi Wakasugi
Staatskapelle Dresden
Eterna, Berlin Classics
1984
9:21
4-5
Semyon Bychkov
WDR Sinfonieorchester Köln
Hänssler
2008
8:20
4
Andris Nelsons
Gewandhausorchester Leipzig
DG
2017, live
9:11
4
Oleg Caetani
Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz
Arts
P 2001
9:19
4
Hans Rosbaud
Sinfonieorchester des SWF, Baden-Baden
SWR Classic
1957
9:32
4
Rudolf Kempe
Staatskapelle Dresden
Hänssler
1949
9:14
4
Bertrand de Billy
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Oehms
2013, live
8:38
4
Jascha Horenstein
Bamberger Symphoniker
Vox-BnF
1954
8:04
4
Richard Kraus
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester (heute: WDR-Sinfonieorchester)
Myoto, Cantus-Line
1951
8:13
4
Wilhelm Schüchter
NWDR Sinfonieorchester (ab 1956: NDR Sinfonieorchester, heute: NDR Elbphilharmonie Orchester)
Walhall, ehemals EMI
1953
7:55
Einspielungen aus Wien:
5
Rudolf Kempe
Wiener Philharmoniker
EMI, Warner
1962
8:26
5
Georg Solti
Wiener Philharmoniker
Decca
1985 und 86
9:46
5
Karl Böhm
Wiener Philharmoniker
DG
1980
9:49
4-5
Karl Böhm
Orchester der Wiener Staatsoper
Orfeo
1965, live
10:00
4-5
Wilhelm Furtwängler
Wiener Philharmoniker
EMI-BnF, Naxos
1952 oder 54?
9:44
4-5
Claudio Abbado
Wiener Philharmoniker
DG
1992
8:22
4
Zubin Mehta
Wiener Philharmoniker
Decca
1966
8:59
Einspielungen aus dem übrigen Europa:
5
Otto Klemperer
Philharmonia Orchestra London
EMI
1960
9:54
5
Sir Adrian Boult
New Philharmonia Orchestra London
EMI
1971
8:22
5
Igor Markewitsch
Lamoureux Orchester, Paris
DG
1958
8:59
4-5
Wilhelm Furtwängler
Schweizerisches Festivalorchester (heute: Lucerne Festival Orchestra)
EMI, Warner, Testament
1947
8:59
4-5
Jewgeni Mrawinsky
Leningrader Philharmoniker
Erato
1978, live
8:04
4-5
Yuri Simonov
Philharmonia Orchestra London
Windsong, Brilliant, Regis
1991
10:33
4-5
Fabio Luisi
Philharmonia Zürich (ist das Orchester der Oper Zürich)
Accentus Music
2014
8:54
4-5
Marek Janowski
Orchestre Phiharmonique de Radio France
Virgin
1990
7:43
4-5
Karel Ancerl
Tschechische Philharmonie Prag
Supraphon
1960
8:11
4-5
André Cluytens
Orchestre du Théâtre National de l´Opéra de Paris
EMI-BnF
1959
7:59
4-5
Sir John Barbirolli
Hallé Orchestra, Manchester
Pye
1959
7:47
4-5
Antal Dorati
London Symphony Orchestra
Mercury
1959
9:22
4-5
Hans Knappertsbusch
Tonhalle Orchester Zürich
Decca
ca. 1948
8:18
4-5
Samuil Samossud
UdSSR Radio Symphony Orchestra
Opera prima, Carillon
1949
7:35
4-5
Ferdinand Leitner
Orchestra Sinfonica Nazionale di Milano della RAI
Myoto
1959
8:10
4
Ernest Ansermet
Orchestre de la Suisse Romande
Decca
1963
8:57
4
Mark Elder
Royal Concertgebouw Orchestra, Amsterdam
RCO Live
2015, live
9:58
4
Otto Klemperer
Orchester der Ungarischen Staatoper
Archiphon, Urania
1948, live
8:17
4
John Barbirolli
Hallé Orchestra, Manchester
EMI, Dutton, Testament
1946
8:27
3-4
Gianandrea Gavazzeni
Orchestra Sinfonica dell´Emilia Romagna „Arturo Toscanini“
Aura, Ermitage
1993, live
7:05
Einspielungen mit dem Orchester der Metropolitan Opera New York:
5
James Levine
MET Orchestra
DG
1996
9:19
3-4
Erich Leinsdorf
MET Orchestra
Walhall, Naxos, Myoto
1943, live
7:41
3-4
Thomas Schippers
MET Orchestra
Walhall
1959, live
8:43
3-4
Fritz Busch
MET Orchestra
Walhall, Cantus-Line
1947, live
8:45
3-4
Artur Bodanzky
MET Orchestra
Myoto, Melodram
1935, live
10:04
3
Maurice de Abravanel
MET Orchestra
Walhall
1937, live
9:00
Einspielungen aus den übrigen USA:
5
Christian Thielemann
Philadelphia Orchestra
DG
1995
9:40
5
George Szell
Cleveland Orchestra
CBS-Sony
1965
9:13
4-5
Giuseppe Sinopoli
New York Philharmonic Orchestra
DG
1985
9:50
4-5
Erich Leinsdorf
Boston Symphony Orchestra
RCA
1965
9:04
4-5
Leonard Bernstein
New York Philharmonic Orchestra
CBS-Sony
1968
10:52
4-5
Bruno Walter
Columbia Symphony Orchestra
CBS-Sony
1960
8:27
4-5
Arturo Toscanini
NBC Symphony Orchestra
RCA, Music and Arts
1954, live
8:05
4-5
Arturo Toscanini
New York Philharmonic Orchestra
RCA, Naxos
1936
8:40
4
Daniel Barenboim
Chicago Symphony Orchestra
Teldec
1994
10:31
4
Franz Welser-Möst
Cleveland Orchestra
DG
2010, live
7:14
4
Paul Paray
Detroit Symphony Orchestra
Mercury
1953
7:59
4
Leopold Stokowski
Philadelphia Orchestra
Membran
1927
8:07
4
Leon Botstein
American Symphony Orchestra
ASO (Eigenlabel des Orchesters)
2013, live
9:08
4
Jerzy Semkow
Saint Louis Symphony Orchestra
Vox
1978
9:20
4
Serge Koussewitzky
Boston Symphony Orchestra
RCA, Naxos historical, BnF
1949
8:59
Die Rezensionen:
Einspielungen von den Bayreuther Festspielen, alle entstammen Gesamtaufnahmen (GA):
5
Rudolf Kempe
Orchester der Bayreuther Festspiele
Orfeo
1967, live
8:20
GA Herr Kempe, der uns zu der vorliegenden Einspielung noch eine maßstabsetzende Gesamtaufnahme aus Wien (1962) und ein Vorspiel alleine aus Dresden (1947) hinterlassen hat, ist mit der Akustik im Graben des Bayreuther Festspielhauses bestens vertraut. Er war bereits von 1960-1963 vier Jahre lang der Dirigent des „Rings“. Er hat zwar den großen Vorteil, dass der BR bereits in Stereo aufgenommen hat aber auch ohne dies ins Kalkül zu ziehen klingt das Vorspiel besonders farbig, deutlich, transparent und die erfreulich licht und sonor (zugleich!) klingenden Violinen erscheinen in ihrer Vielstimmigkeit bestens aufgefächert. Er bleibt seinem Tempo, das er in Wien bereits anschlug treu. Das Gralsmotiv, das ab T. 20 dem Holz anvertraut ist, wird wunderbar herausgearbeitet, obwohl es zugleich leise bleibt. Das grenzt schon fast selbst an Magie. Der Gestus wirkt nicht starr, sondern erhaben und auch ein wenig dramatisch.
Beim Höhepunkt (T.50-57) gelingt der Spagat zwischen voll-strahlendem Blech und warmer und weich getönter Aura vortrefflich. Jochum und Böhm (in der Wiener Staatsoper) mochten diese Szene, bei der die Zaubergabe des Grals auf den Ritter übergeht gleißender. Die überaus heikle Intonation der Streicher am Ende des Vorspiels ist gut. 1967 war Kempes letzter Sommer in Bayreuth.
Die Besetzung der damaligen Aufführung zählt man heute nicht unbedingt zu den legendären, obwohl die Begeisterung damals enorm war. Gerade der für Sandor Konya als Lohengrin eingesprungene James King erhielt stehende Ovationen. Seine Partnerin war Heather Harper, eine leidenschaftliche und ausdrucksvolle Elsa. Die beiden Bösewichte waren Grace Hoffman als Ortrud und Donald McIntyre als Friedrich von Telramund, der hier mit List und Adel den Beginn einer langen Bayreuth-Karriere setzte.
Die klangliche Bühne (eigentliche ist es ja der Bayreuther Orchestergraben) ist schön breit. Der Klang selbst wirkt körperhaft, warm und verfügt über reiche und zugleich subtile Klangfarben. Die unvermeidlichen Live-Geräusche sind erfreulich gering. Für ein Rundfunkband wirkt die Dynamik geradezu ausladend.
5
Peter Schneider
Orchester der Bayreuther Festspiele
Philips
1990
9:08
GA Peter Schneider ist einer der „dienst-ältesten“ Dirigenten auf dem grünen Hügel. Er war von 1981 bis 2012 an insgesamt 20 Jahrgängen beteiligt. Das haben nur sehr wenige geschafft. Um genau zu sein: Nur Christian Thielemann war häufiger dabei und er wird 2025 den Vorsprung noch vergrößern können.
Schneiders Tempo gefällt uns besser als das von Woldemar Nelsson, der in den 80er Jahren mit dem Dirigat des „Lohengrin“ betraut war. Er lässt die Violinen sehr transparent, aufgelichtet und vor allem leise spielen. Das wirkt wunderbar ätherisch aber nicht kalt. Das Holz gesellt sich auf fast unhörbar-magische Weise zu den Violinen (bei T. 20) hinzu. Der Höhepunkt (T. 50-57) wirkt noch etwas machtvoller, wobei das Blech als Ganzes hörbar ist, keine Gruppe, auch nicht die Trompeten oder Posaunen fallen dabei heraus. Die Violinen werden durchweg sehr ruhig und klar geführt und spielen bis zum Ende intonationsrein. Das war auch in Bayreuth nicht immer so, wie wir noch hören werden. Das Vorspiel zumindest gelingt Herrn Schneider ganz vorzüglich.
Sein Lohengrin, Paul Frey, der eigentlich lyrisch und eindringlich agiert, singt leider mit ziemlich stumpfen Tönen, man hat ihm echte Spiritualität abgesprochen (was ein heikles Urteil darstellt, denn er muss sie ja eigentlich „nur“ darstellen). Cheryl Studer als Elsa, sie wird uns in der Einspielung mit Claudio Abbado nochmals begegnen, galt mit ihrer wunderschönen Stimme damals als die Idealbesetzung. Sie vereint lyrische und dramatische Qualitäten mit Klarheit und Volumen. Gabriele Schnaut galt damals (wie besonders auch Waltraut Meier) als Ortrud gesetzt. Das Quartett wurde durch Ekkehard Wlaschiha komplettiert.
Der Klang der Aufnahme zeigt gegenüber Nelsson etwas präsentere Violinen, die aber immer noch ein wenig dünn, doch sehr transparent und gut aufgefächert klingen. Ätherisch wie bei Nelsson 1982, jedoch plastischer. Die Raumtiefe wirkt groß.
4-5
Eugen Jochum
Orchester der Bayreuther Festspiele
Andromeda, Opera d´Oro, Sony
1954
9:14
GA mono Eugen Jochum war 1953-54 und von 1971-73 am Dirigentenpult in Bayreuth zu Gast. Die Besonderheit am 1954er Jahrgang war aber eher, dass Brigit Nilsson als Elsa ihr Debüt in Bayreuth gab. Davon später noch etwas mehr.
Herr Jochum lässt die Violinen schön leise und recht sauber spielen. Sie klingen ätherisch jedoch auch mit Spannkraft. Dem Orchester scheint die Musik im Blut zu liegen, vielleicht hat der Dirigent auch ein paar Musiker aus München mitgebracht, da hatte er bereits im Vorjahr eine nicht zu verachtende Gesamtaufnahme des Werkes für die DG eingespielt. Jochum hält die Musik am Fließen, gibt ihr genauso die Ruhe mit, die Wagner hören wollte. Das Holz wirkt nicht immer ganz homogen, die Hörner nicht immer ganz intonationssicher, die Streicher klingen jedoch prächtig, das Blech punktgenau. Die Pauke drischt am Höhepunkt richtig drein, wobei sie durch die spezielle Bauweise des Grabens noch nicht einmal übermäßig laut erscheint. Die Kollegen, die vor ihr gesessen haben, werden sich anschließend wegen der heißen Ohren sicher „bedankt“ haben. Insgesamt ein Bayreuth würdiger Höhepunkt (T. 50-57).
Frau Nilsson trat als Elsa das erste Mal in Bayreuth auf. Obwohl sie später eine gefeierte Wagner-Sängerin wurde, schien gerade die Elsa nicht unbedingt die Rolle ihres Lebens gewesen zu sein. Sie bringt zwar strahlende Spitzentöne mit, es fehlt ihr zum Ausfüllen der Rolle jedoch die Wärme im Ton. Nicht umsonst hat sie die Elsa nicht auf Platte eingespielt. Ebenso war Wolfgang Windgassen mit an Bord, 1953 erst Debütant in der Bayreuther Keilberth-Aufnahme für Decca. Er wurde für die nächsten 15 Jahre sozusagen ein Dauerbrenner am Grünen Hügel. Als Lohengrin wirkt er nicht ganz so heldenhaft wie manch ein anderer, bringt jedoch eindringliche Sensibilität und auch Autorität mit ein. Hermann Uhde war in jener Zeit Stammgast in Bayreuth, sein Telramund wirkt schön böse. Er bildete mit Astrid Varnay das Schurkenpaar der 50er Jahre. Gerade Frau Varnay wird uns noch in vielen Gesamtaufnahmen wiederbegegnen. Sie wirkt glaubhaft manipulativ, mit einem Quäntchen Hässlichkeit in der Stimme (die wird sich mir der Zeit noch etwas steigern), damals eine atemberaubende Ortrud. Zudem treten noch zwei junge Sänger erstmalig in Bayreuth in Erscheinung, von denen man später noch viel hören wird: Theo Adam und Dietrich Fischer-Dieskau.
Für ihr Alter und zudem live eingespielt ist die Aufnahme auch für heutige Ohren noch sehr gut anhörbar. Man versuchte durch Manipulation des Pegelstellers manch eine Verzerrung zu vermeiden. Das war damals wahrscheinlich das kleinere Übel. Wir hörten alle drei Pressungen: Bei Andromeda wirken die Pauken dicklich, bei Sony geht man etwas auf Distanz, versucht nicht ohne Erfolg noch mehr Störgeräusche zu vermeiden und den Klang etwas besser aufzufächern. Der Höhepunkt wirkt bei Sony jedoch etwas abgeschwächt. Der Sony-Klang erscheint von den dreien am meisten „modernisiert“. Am besten gefallen hat uns der Klang bei Opera d´Oro. Er bringt mehr Atmosphäre mit ein, klingt klarer und farbiger und bietet den saftigsten Höhepunkt. Unsere Empfehlung gilt nur für das Vorspiel. Bei den Stimmen oder auch beim Chor mag das Rennen anders ausgegangen sein.
4-5
Andris Nelsons
Orchester der Bayreuther Festspiele
Opus Arte
2011, live
8:09
GA Von Andris Nelsons haben wir auch noch einen Live-Mitschnitt vom BR von den Bayreuther Festspielen 2010 und eine Live-Aufnahme der DG aus dem Gewandhaus 2017 im Angebot. 2010 wurde Lohengrin noch von Jonas Kaufmann gesungen, 2011 machte Klaus Florian Vogt sein Debüt in Bayreuth.
Das Vorspiel klingt 2011 weich, recht warm, zart, jedoch wenig ätherisch, da bereits schön körperhaft im Klang. Das Vorspiel klingt nun nuancierter als je zuvor in Bayreuth. Das Orchester wirkt besonders gut eingestimmt und intonationssicher. Vielleicht hat es damit was zu tun, dass die Vorstellung für Opus Arte für eine spätere Vermarktung als Video mitgeschnitten wurde. Sonst ist es ja „nur“ der BR, der überträgt. Das Holz bei T. 20 intoniert das Gralsthema sensationell leise. Fast schon versteckt, so leise schleicht man sich zu den Violinen hinzu. Im Konzert auf offener Bühne würde das nicht so gelingen. Der Höhepunkt bei T. 50-57 klingt imposant, aber wie eigentlich immer aus Bayreuth abgedämpft, da das Blech weit unten und hinten im (unbelüfteten) Graben sitzt. Diese Position macht es leiser, doch die Imposanz bleibt erhalten. Nelsons emotionalisiert nichts, er lässt einfach strömen. Bis zum Ende, das mit intonationssicheren Flageoletts überzeugt. Das Vorspiel wird hervorragend gespielt, es verströmt jedoch für unsere Ohren weniger mystischen Zauber als bei Kempe, Schneider oder Jochum, falls das ein Kriterium bei der Beurteilung sein soll. Klang und Spiel sind Spitze.
Klaus Florian Vogt, der damals mit viel Feingefühl einen Riesenerfolg feierte, hat keinen klassischen Heldentenor. Seine Stimme klingt sehr hell, fast meint man zu hören, dass er zuvor Trompeter war. Er wird wohl, obwohl er der Lohengrin des nächsten Jahrzehnts werden wird, immer Geschmacksache bleiben. Zu ihm gesellen sich Anette Dasch, die visuell wohl mehr überzeugt als gesanglich als Elsa, Petra Lang als Ortrud (wurde damals hoch gelobt) und Jukka Rasilainen als Telramund.
Der Klang, um ihn noch etwas detailierter zu schildern, wirkt sauber, klar, voll und präsent. Gegenüber 1990 (Peter Schneider) gibt es nochmals eine deutliche Verbessereng. Die Staffelung des Orchesters wirkt bestechend in die Tiefe gezogen.
4-5
Andris Nelsons
Orchester der Bayreuther Festspiele
BR – Direktübertragung, unveröffentlicht
2010, live
9:09
GA Die Live-Übertragung der Eröffnungspremiere der Festspiele 2010 damals noch mit Jonas Kaufmann statt Klaus Florian Vogt wirkt noch getragener als 2011. Auch 2010 gesellt sich das Holz bei T. 20 weich wie Butter zu den fein gesponnenen Violinen. Nur die Oboe spitzt etwas aus dem homogenen Gesamtklang heraus. Die Akustik begünstigt den Mischklang ungemein. Das ff im Blech beim Höhepunkt ab T. 50 wirkt noch etwas stärker abgedämpft als 2011. Das Blech erscheint noch nicht ganz so souverän wie im Folgejahr. Die Solo-Violinen am Ende spielen weniger intonationsrein als 2011.
Die Inszenierung mit den menschengroßen Ratten (Hans Neuenfels) ist vielleicht noch dem ein oder anderen in guter Erinnerung. Sie drehte damals im Feuilleton Extrarunden. 2010 noch heftig umstritten und ausgebuht, wurde sie 2011 bereits heftig akklamiert. So schnell ändern sich manchmal die Zeiten. Ortrud (Evelyn Herlitzius) und Telramund (Hans Joachim Ketelsen) wurden anscheinend für die Saison 2011 ausgetauscht. Anette Dasch blieb erhalten.
Beim Klang der Rundfunkübertragungen aus Bayreuth gehören die nervtötenden Hustenattacken aus der Vergangenheit tatsächlich der Vergangenheit an. Man verwendet nun anscheinend spezielle richtungsgebundene Mikrophone, die nicht alles innerhalb von 360° weiterleiten. Vielleicht hilft da auch bereits ein spezielles Soundprogramm, das unerwünschtes live herausfiltert, das wissen wir nicht. Der BR-Live-Klang 2010 ist nicht ganz so präsent und transparent wie von der CD ein Jahr später, er ist jedoch sehr nah dran. Der BR sendete im 5.1 Dolby-Digital-Format mit hoher Datenrate. Er macht das heutzutage übrigens immer noch (via Satellit).
4-5
André Cluytens
Orchester der Bayreuther Festspiele
Walhall, Myoto
1958, live
8:51
GA mono André Cluytens führt das klangvolle Orchester sicher aus dem sommerlichen Bayreuther Husteninferno heraus. Es klingt sonor, voll sehr dynamisch und lebendig. Es wird unter dem belgisch-französischen Dirigenten von statuarischer Unbeweglichkeit befreit und wirkt nun beinahe schwerelos. Er lässt es noch zügiger spielen als Jochum und Keilberth. Das Blech glänzt beim Höhepunkt mit vollem Einsatz, am Ende gibt es Intonationsprobleme bei den hohen Streichern, die es für jedermann hörbar machen, wie schwer das so leicht wirkende Lohengrin-Vorspiel für die Orchester zu spielen ist.
1958 war der ungarische Tenor Sandor Konya zum ersten Mal in Bayreuth auf der Bühne. Er verleiht der Rolle schmelzende Farben und eine gewisse gesangliche Leichtigkeit. Fachleute sagen dazu er italienisiert. Man meint damit wohl, dass es ihm gelingt Elemente des Belcanto in den Wagner-Gesang mit einzubringen. Er gilt nicht zu Unrecht bei vielen Gesangs-Melomanen als der Lohengrin schlechthin. Er sang die Rolle oft und er wird uns noch häufiger in unserer kleinen Besetzungsliste auffallen. Seine Partnerin war 1958 Lenonie Rysanek, die zwar als etwas schwerfällig und robust zu beschreiben wäre, die aber doch ergreifende Momente mit in die Rolle einbringt. Das böse Paar, es repräsentiert die alten Mächte, die alten Götter, die mit Hexenzauber unter einer Decke stecken, wird wieder angeführt von Astrid Varnay, gleißend und durchschlagskräftig, wie bei Knappertsbusch 1963 (München), Jochum 1954 und Keilberth 1953. Auch bei Maazel 1960 und Sawallisch 1962. Und auch in der Met war sie dabei. Die Ortrud vom Dienst sozusagen. Der Telramund von Ernest Blanc wirkt dagegen etwas verhalten, er scheint unter Varnays „Fuchtel“ zu stehen. Sie kann ja auch zaubern, da wird wohl jeder ein wenig zurückhaltend und vorsichtig. Sie war damals noch eine Grenzgängerin zwischen Sopran und Mezzo.
Empfindlichen Hörer/innen sei diese Einspielung nicht empfohlen. Was man da an Störgeräuschen über sich ergehen lassen muss, spottet fast schon jeder Beschreibung (es wird in der MET sogar noch schlimmer, deshalb sei der Superlativ noch vermieden). Es ist jedoch trotzdem schrecklich. Rumpeln, räuspern. Husten in Kaskadenform von höchster Präsenz und Lautstärke. Eine Fundgrube für die Pneumologen unter uns. Wenn die Hustenden Solisten wären und musikalischer, man müsste die Darbietung fast schon stürmisch beklatschen. Allerdings müsste dieser Mitschnitt deshalb noch deutlicher hinter Kempe, Jochum und Keilberth einsortiert werden, trotz der musikalischen Meriten. Wenn die ersten Takte dann durchlaufen sind, das Orchester ein wenig lauter spielen darf, dann haben sich auch die Zuhörer beruhigt und man kann einem sehr guten Monoklang lauschen. Nicht ganz mit der Transparenz der Decca-Aufnahme von 1953 mit Keilberth, aber doch schon volltönend.
4-5
Joseph Keilberth
Orchester der Bayreuther Festspiele
Decca
1953, live
10:07
GA mono Das Vorspiel hebt an mit einem feinen Ton der Violinen und ein paar rumpelnden Geräuschen von der Bühne. Das Publikum wurde offensichtlich darauf eingestellt, dass es sich ruhig zu verhalten hat. Die sich damals (vor der Stereo-Ära) noch Full Frequency Range Recording nennende Aufnahme der Decca wurde schon kurz nach ihrer Entstehung oft kritisiert, nicht zuletzt, weil bereits ein Jahr später ein Ring (ebenfalls in Bayreuth und mit Joseph Keilberth) in Stereo aufgenommen (aber über Jahrzehnte nicht veröffentlicht) wurde. Da man sich entschieden hatte Bayreuth doch besser zu meiden und nach Wien zu gehen. 1958 begann dann schon die Produktion des „Ring“ mit Solti in Wien, da man von Bayreuth als Produktionsplatz nicht mehr begeistert war. Der Produzent selbst, John Culshaw, bezog seine Kritik indes mehr auf die sängerische Seite der 53er Aufnahme, die er als „mäßig begabt“ bezeichnete.
Der opernerfahrene Joseph Keilberth war von 1952-56 über 5 Spielzeiten in Bayreuth tätig. Die Einspielung zeigt sehr gutes Spiel der frühen 50er, einen erhabenen Höhepunkt und ein Ende nicht ohne Intonationsprobleme.
Die Besetzung bringt wieder Wolfgang Windgassen als Titelheld, der sich von Akt zu Akt steigert, Eleanor Steber als Elsa, etwas reserviert und zu wenig mädchenhaft-jung, aber auch mit Kraft in der Stimme und das Bösewicht-Paar der frühen 50er: Astrid Varnay, die breites Vibrato in den Dienst des Ausdrucks stellt und Hermann Uhde, beide erneut bewunderungswürdig und bestens zusammenarbeitend.
4-5
Woldemar Nelsson
Orchester der Bayreuther Festspiele
Sony
1982
7:05
GA Etwas weniger erhaben als in den Jahrzehnten zuvor, sehr zügig und flüssig aber doch ätherisch beginnt das Vorspiel bei Woldemar Nelsson. Das Orchester befindet sich auf einem sehr hohen Niveau. Es spielt sehr transparent und geradezu aufgelichtet im Streichersatz. Der Höhepunkt klingt bereits mit dem für die BR-Live-Übertragungen typischen Orchesterklang aus dem tiefen Bayreuther Orchestergraben. Reichhaltig im Klang, ohne brachiale Dynamik (aber mit dem Klang einer brachialen Dynamik) aber doch etwas blecherner als heute. Er erinnert noch entfernt an den Sound der Maazel-Aufnahme von 1960.
Die Inszenierung erinnert an sich vielleicht noch durch die Blech-Rüstung, die Peter Hofmann als Lohengrin damals tragen durfte (oder musste). Er war der Lohengrin der 80er Jahre mit weicher Stimme. Er verlieh Lohengrin immerhin Kraft und Magie. Seine Elsa war Karan Armstrong. Elizabeth Connell war die verführerische Schlange Ortrud, Leif Roar, ihr Gatte Friedrich von Telramund, der stimmlich etwas abfiel, aber eine gute schauspielerische Leistung abgegeben haben soll.
4
Wolfgang Sawallisch
Orchester der Bayreuther Festspiele
Philips
1962
8:13
Diese Einspielung entstand im gleichen Jahr wie die Wiener Einspielung Rudolf Kempes bei EMI. Sie stand ihr gegenüber von Beginn an in der Gunst von Kritik und Publikum zurück. Für das Vorspiel sind jedoch die Sänger nicht wichtig, da zählt vor allem das Orchester. Das Bayreuther Festspielorchester setzt sich aus Musikern und Musikerinnen zumeist aus Deutschland und aus dem benachbarten Ausland zusammen. Meistens gestandene Orchestermusiker aber auch ein paar Lehrbeauftragte von Hochschulen. Viele von ihnen, selbst oft Wagnerianer, kommen jedes Jahr und richten ihren Sommerplan nach den Terminen der Festspiele aus. 1961 war der sogenannte „Mauerbau“, die Bürger der DDR durften (vorläufig) endgültig das Land nicht mehr verlassen. So wurden auch den Musikern, die nach Bayreuth reisen wollten, die Ausreise verweigert. Man vermutete seitens des Staates immer Republikflucht. Offiziell war der Mauerbau jedoch ein Schutzwall gegen den Kapitalismus. Das Festspielorchester musste auf einen Schlag den schwerwiegenden Verlust aller Musiker, die im Osten Deutschlands lebten und arbeiteten, verkraften. Das hört man der Musikervereinigung von 1962 durchaus noch an.
Sawallisch geht das Vorspiel recht zügig an und lässt die Violinen schlank intonieren. Das Ergebnis ist solide. Wahrscheinlich durch den Aderlass an guten Musikern klingt es jedoch etwas unruhig und es kann sich keine echte Aura, keine Magie aufbauen. Das Orchester des Jahres 1962 kann sich weder mit den Wienern 1962 messen noch mit dem Orchester des Jahres 1967, das ebenfalls wieder von Rudolf Kempe dirigiert wurde. Der Einsatz des Holzes erscheint Bayreuth typisch eher unscheinbar, wie ein Hereinschleichen. Genauso soll er der Partitur gemäß auch kommen. Das Blech beim Höhepunkt T. 50-57 lässt viel Vehemenz hören. Etwas lauter als sonst, obwohl in Bayreuth ja sozusagen der Deckel drauf liegt.
Die Besetzungsliste bringt erneut den Lohengrin der Wiener Kempe-Aufnahme zu Gehör: Jess Thomas. Er wirkt vielleicht auf der Bühne noch etwas freier als bei Kempe. Anja Silja war eine gerade einmal 22jährige Elsa, die dann auch frischer wirkt als Elisabeth Grümmer in Wien und gut zu ihrer Rolle passt. Stimmlich wird sie nicht jedermanns Sache sein, klingt sie doch vibratoarm und hell, bisweilen schrill. Sie versteht es, aus der Rolle eine Fanatikerin zu machen. Astrid Varnay, die Bayreuther Ortrud vom Dienst, jetzt schon mehr Mezzo als Sopran wirkt nun etwas angespannter. Ramon Vinay als Telramund war gerade vom Tenor ins Baritonfach gewechselt.
Der Klang wirkt voller als bei den Live-Aufnahmen zuvor. Gerade die Violinen klingen runder und nicht mehr so „zwangsätherisch“. Die Aufnahme gibt dem Vorspiel wenig Glanz und sie wirkt ein wenig trocken. Die Störgeräusche sind erträglich.
4
Lovro von Matacic
Orchester der Bayreuther Festspiele
Orfeo
1959
9:50
GA mono Zur Zeit als Lovro von Matacic sein Debüt in Bayreuth hatte war er bereits 60 Jahre alt. Er war gerade vom Amt des Chefdirigenten der Dresdner Staatskapelle (1956-58) zum Amt des GMD an die Frankfurter Oper (1961-66) gewechselt. Diese Einspielung führt eine ausgezeichnete Besetzung ins Feld, derentwegen sich das Anhören der Oper sicher lohnt. Das Anhören des Vorspiels erscheint hingegen weniger verlockend. Da sind wieder vor allem die anscheinend erneut massenhaft an Sommergrippe erkrankten oder enorm undisziplinierten (schlimmstenfalls beides) Zuhörer Schuld. Der strahlende Glanz der hohen Violinen leidet ganz erheblich mit dem robusten Einsatz der Rauschunterdrückung. Die nun aber gegenüber anderen Aufnahmen leiser erscheinende Geräuschkulisse scheint diese Maßnahme teilweise zu rechtfertigen. Die minutiöse Perfektion beim ersten Einsatz der Holzbläser wird durch die Rauschunterdrückung fast zunichte gemacht, denn nun hört man ihn kaum noch. Die Magie dieses Augenblicks besteht ja darin, dass er unmerklich und leise ist, aber trotzdem deutlich zu hören ist. Matacic und dem Orchester mag es gelingen, die Magie wird jedoch weggefiltert. Das Orchester darf im weiteren Verlauf erhaben fließen und die Bässe dürfen mal etwas stärker rumoren als sonst. So wird man wenigstens gewahr, dass welche dabei sind. Das ist das Fazit bei dieser Einspielung des Vorspiels: Man bekommt die ganze Spielzeit das Publikum nicht ruhig und das beim so geräuschempfindlichen Lohengrin-Vorspiel. Wäre es doch stattdessen besser ins Fußballstadion gegangen.
Durch die Rauschoptimierung klingt das Orchester erheblich dumpfer als bei Jochum, Cluytens oder Keilberth. Die erneut infernalische Hustenorgie und die überaus störenden Geräusche von der Bühne wirken dadurch jedoch ebenfalls deutlich abgedämpft
Noch ein Wort zur Besetzung der Sänger: Lohengrin wird von Sandor Konya gesungen, einer der „romantischsten“ und einer der wenigen der italienisch anmutenden Lyrik fähigen. Er soll noch besser singen als in seiner späteren Bostoner Stereo-Aufnahme mit Erich Leinsdorf (1965). Die Elsa ist eine fantastische Elisabeth Grümmer, die noch ein paar entscheidende Jahre jünger wirkt und ist als bei Kempe in Wien. Ernest Blanc ist ein hervorragender „Pantoffelheld“, der seiner Ortrud (Rita Gorr), schön ruppig und intensiv, hörig zu sein scheint. Die Gesangsdarbietungen sollten von knisternder Intensität sein, wenn man über die Störgeräusche hinweghören kann.
4
Lorin Maazel
Orchester der Bayreuther Festspiele
Myoto
1960
7:42
GA mono Bei seinem Debüt in Bayreuth war Herr Maazel gerade einmal 30. Es existiert mit ihm noch eine Einspielung mit den Berliner Philharmonikern, 37 Jahre später für RCA entstanden, in der er über drei Minuten mehr für das Lohengrin-Vorspiel braucht. Nach 1960 wird Lorin Maazel noch einmal 1968 und 69 nach Bayreuth zurückkehren um den „Ring“ zu dirigieren.
Er geht die Musik sehr zügig und zielstrebig, bewegt, leicht aber auch ziemlich unruhig an. Das ist nicht das, was man landläufig von diesem Vorspiel erwartet. Die Streicher wirken weniger strukturiert wie man es von den anderen Einspielungen gewöhnt war (1953, 54, 58 und 59) Das Orchester spielt eigentlich sehr gut, die Violinen homogen, aber trotzdem will von diesem Vorspiel keine richtige Zauberwirkung ausgehen. Dazu ist es zu schnell bei gleichzeitig nicht vollkommen gelungener Versenkung ins Sujet. Gehört Herr Maazel 1960 noch zu den schnellsten Lohengrin-Vorspiel-Dirigenten aller Zeiten, so wird sich dies 1997 ins Gegenteil verkehren. Dann wird er zum langsamsten werden. Da fiel ihm zurückblickend bei seiner 1960er Darbietung vielleicht doch noch ein gewisses Defizit auf.
Seine Besetzung 1960 war übrigens: Wolfgang Windgassen als Lohengrin, Aase Nordmo-Lövberg als Elsa, erneut die in Bayreuth damals fast omnipräsente Astrid Varnay, dieses Mal im Bund mit Gustav Neidlinger als Friedrich von Telramund.
Einspielungen aus München:
5
Mariss Jansons
BRSO
Sony
2009
7:36
Ähnlich gegen den Strich gebürstet wie 1960 Lorin Maazel präsentiert uns Maris Jansons das Lohengrin-Vorspiel. Dass das zügige Tempo der Musik viel von ihrem weihevollen und quasi-religiösen Charakter nimmt, könnte für viele Hörer/innen ein Nachteil bei anderen aber auch ein Vorteil bedeuten, je nachdem, was man sich erwartet. Der Klang der Violinen ist aber hervorragend. Körperhaft, voll, gerade wenig anämisch und wenig ätherisch. Es ist ein Klang und ein Spiel voller Saft. Statt göttliche Sphären darzustellen wirkt der Klang sinnlich, weltlich und zupackender als sonst. Wagner schreibt in seinem Genfer Vorwort auch von Liebesdrang, Liebessehnsucht, süßen berauschenden Düften, lustvollen Schmerzen oder beglückender Lust. Solche Begriffe kommen den Hörenden eher in den Sinn, wenn das BRSO mit Maris Jansons das Vorspiel intonieren, als ein mythisch erhöhter Übergang von übersinnlichen Fähigkeiten und von leuchtenden Tugenden durch einen auch nach Jahrhunderten noch blutgefüllten Kelch oder eine Schale. Der Einsatz des Holzes gelingt unauffällig. Er ist perfekt getimt und obwohl das Holz im weiteren Verlauf in sich klanglich sehr homogen bleibt, kontrastiert es die Violinen wunderbar, greift aber nicht in deren perfekte Harmonie störend ein. Den Höhepunkt bei T. 50 ff bringt vor allem das Blech bestens zur Geltung, voll, breit und intensiv bringt es schließlich mit dem Becken gemeinsam eine krönende, edel wirkende Dynamikspitze. Das BRSO spielt nochmals etwas geschmeidiger als mit Colin Davis. Das ganze Vorspiel leuchtet von Beginn an bis zum Ende kräftiger als üblich. Einziger Makel für unsere Ohren: Das Vibrato gegen Ende leiert leider ein wenig.
Das Vorspiel wurde ganz exzellent aufgenommen: Klangfarbenstark, weich, voll, rund, räumlich und dynamisch.
5
Colin Davis
BRSO
RCA
1994, live
8:21
GA Der erfahrene britische Operndirigent war während seiner Zeit als Direktor des Royal Opera House Covent Garden (1971-86) 1977 und 78 Dirigent in Bayreuth (Tannhäuser). Zu weiteren Engagements ist es nicht gekommen. In München war er von 1983-92 in Nachfolge von Rafael Kubelik Chefdirigent des BRSO. Die Gesamtaufnahme des „Lohengrin“ entstand also ein wenig nach dieser Zeit im Herkulessaal der Münchner Residenz während konzertanter Aufführungen. Er nimmt das Tempo ebenso zügig wie sein Vorgänger Rafael Kubelik. Der Klang des Orchesters wirkt aber schon bei den Violinen allein fülliger, körperhafter, wärmer und mit mehr Schmelz als 1971 mit Kubelik. Den Einsatz des Holzes bei T. 20 kann man nur als mit höchster Präzision gelungen bezeichnen, die Violinen bleiben davon fast unberührt. Die Phrasierung wirkt ganz besonders behutsam. Bei T. 36, wenn sich die vier Hörner und die tiefen Streicher zum Gesamtklang hinzugesellen verbreitet sich das Klangbild sehr schön und die Fülle nimmt auf sinnliche Weise zu. Der Höhepunkt ab T. 50 ff wirkt ausladend mit sehr kräftigem Blech. Die piano-Kultur des Orchesters, besonders der sinnlich singenden Violinen sollte hervorgehoben werden. Die Intonation der Violinen gegenüber der Einspielung mit Rafael Kubelik ist besonders gegen Ende deutlich verbessert.
Die Gesamtaufnahme soll trotz des besonders gelungenen Vorspiels keine Empfehlung wert sein, denn die Gesangsdarbietungen können in keiner Weise mit den Leistungen von Chor und Orchester mithalten. Für eine szenische Darbietung, selbst wenn sie nur konzertant gewesen war, fehlt zudem die Leidenschaft, das hört man auch ohne das passende Bühnenbild. Besonders Ben Heppner als Lohengrin und Eva Marton als Ortrud sind kritikwürdig.
5
Sir Simon Rattle
BRSO
BR, Rundfunkübertragung, unveröffentlicht
2024, live
8:33
In der Diskographie Simon Rattles gibt es weder eine Ouvertüren-Sammlung Wagners noch eine ganze Oper dieses Komponisten. So muss man über die beiden Mitschnitte aus München (2024) und Berlin (2012) froh sein. Speziell das Vorspiel zu Lohengrin scheint ihm aber ans Herz gewachsen zu sein, denn er programmiert es ziemlich häufig. Gerade in Kombination mit Ligetis „Atmosphères“ oder mit Stücken von Webern. So soll die Bezugsquelle Wagner für spätere Kompositionen deutlich gemacht werden. Im Falle Ligeti ist sie allerdings mehr als naheliegend. Diese Werkkombination brachte er bereits in Berlin und wiederholte sie in ähnlicher Weise am neuen Arbeitsplatz in München.
Zu Beginn irritiert es schon ein wenig, dass die ersten beiden Einsätze von Oboen und Flöten (T. 1 bzw. T. 3) so laut erscheinen, obwohl pp dabeisteht. Wir befinden uns jedoch in einem offenen Konzertsaal und nicht im Bayreuther Orchestergraben. Und dann hängt natürlich auch viel an der Positionierung der Mikrophone und an der Aussteuerung. Wie in Berlin zelebriert Rattle das Vorspiel nicht. In München gibt es mehr Vibrato bei den Violinen, da fängt es schon an zu „wobbeln“. Das war in Berlin noch nicht zu beobachten. Es passiert, wenn man die Intensität etwas zu sehr steigern will. Der Einsatz des Holzes bei T. 20 erfolgt ebenfalls lauter als es in Bayreuth üblich ist, aber wunderbar homogen. Die Streicher (insbesondere natürlich die Violinen) spielen makellos und recht emotional, die Crescendi und Decrescendi Wagners werden stark betont, was Rattle zu einer gewissen Emotionalisierung gerät. Der Höhepunkt erklingt mit starker Dynamik, wird aber nicht herausposaunt oder heraustrompetet. Er erklingt mit Macht, aber auch mit viel Wärme. Das Spiel des Orchesters wirkt einnehmend. Insgesamt gefällt uns die Münchner Darbietung etwas besser als die Berliner, der Klang des BR übertrifft der des RBB jedoch deutlich, was nicht wenig zur Gesamtwirkung beiträgt (immer wieder: auch die Datenrate hört man!). Zwischen beiden Übertragungen liegen allerdings zwölf Jahre, da mag die technische Entwicklung mitgespielt haben. Rattles Darbietung wirkt vom Tempo her etwas konventioneller als die Jansons´, sie bringt aber viele Nuancierungen ein.
Der Klang des BRSO wirkt deutlicher, offener, voller, transparenter und auch präsenter als der des RBB in Berlin. Aber auch als der Klang des BR 2010 in Bayreuth, als Andris Nelsons am Pult des Bayreuther Festspielorchesters stand.
4-5
Rafael Kubelik
BRSO
DG
1971
8:18
GA Von Rafael Kubelik liegt das Vorspiel auch noch innerhalb einer Ouvertüren-Sammlung vor, die er 1962 mit den Berliner Philharmonikern eingespielt hat. Er nimmt das Tempo nun spürbar zügiger. Auffällig ist sogleich auch, dass die Violinen weiter auseinandergezogen sind. Die Violinen spielen mit aller Süße und Homogenität ebenso gut wie 1962 die Berliner, allerdings fügen sie (wie 2024 mit Rattle) dem Vibrato das gewisse Wackeln im Vibrato hinzu, das nicht jedermanns Sache sein dürfte. Dieses übertriebene Vibrato nimmt in diesem Fall dem Klang den einheitlichen Strich. Nachteiliger wirkt sich der Einsatz der Holzbläser bei T. 20 aus, denn mit ihm geht die Ruhe bei den Violinen deutlich verloren. Als ob das Holz ein Störenfried oder Eindringling wäre und sich die Violinen erschreckt hätten. Das gelingt in Berlin viel besser. Im Verlauf finden Violinen und Holz dann wieder gut zusammen. Mit dem Einsatz der übrigen Streicher schließt und füllt sich dann auch der Klang auf der rechten Seite des Orchesters. Nun hat man Fülle, behält aber den lichten und strahlenden Charakter im Spiel der Violinen bei, das gelingt also viel besser als bei T. 20. Das Blech fügt sich nahtlos ein. Beim Höhepunkt bleibt das Klangbild stabiler und transparenter als in Berlin, das Blech kann ungehinderter strahlen. Im Gegenzug gelingt das heikle pp der Streicher in Berlin vor allem gegen Ende des Vorspiels gleichmäßiger. Damals konnte man insgesamt noch einen kleinen Vorsprung der Berliner Violinen konstatieren.
In München schließt sich nun noch eine Studioproduktion der gesamten Oper an, währen in Berlin weitere Instrumentalwerke Wagners folgen. Hinweisen muss man unbedingt auf eine auf ihre Weise herausragende Gundula Janowitz als Elsa, ein echtes Unschuldslamm, wie man so schön sagt, das kein Wässerchen trüben kann. Hervorragend auch Karl Ridderbusch als Heinrich, aber die „Nebendarsteller“ wollten wir ja eigentlich gar nicht erwähnen. Die übrigen Sänger und Sängerinnen sind noch als gut bis gerade mal befriedigend zu bezeichnen, wenn wir mal Zuflucht bei den alten Schulnoten suchen dürfen. Die machen es immerhin kurz.
4-5
Eugen Jochum
BRSO
DG, Preiser
1952
9:24
GA mono Diese Aufnahme fand in der Himmelfahrtkirche in München statt, ebenfalls unter Studiobedingungen. Das Orchester befindet sich so wenige Jahre nach dem Krieg bereits auf einem sehr hohen Niveau. Den Violinen fehlt es nicht an Homogenität und Strahlkraft. Der Gestus wirkt, wie oft bei Eugen Jochum leidenschaftlicher und bewegter als zum Beispiel bei Karajan oder im Fall „Lohengrin“ auch bei Claudio Abbado, wirkt glühender und lebendiger, geht also mehr in die Richtung Furtwängler. Den Höhepunkt bringt Jochum ehrfurchtsgebietend, man kennt es aus seinen Bruckner-Einspielungen. Bei T. 50-57 darf das Blech ohne jedes Hemmnis einmal elementar zu Wort kommen. Da will man keine Bayreuth-Akustik nachahmen. Die Pauke hinkt in der Dynamik noch etwas hinterher und klingt mulmig.
Der Klang wirkt präsent, recht offen, recht breitbandig und sogar recht räumlich. Erstaunlich guter Monoklang also und vor allem störungsfrei und somit den zeitgenössischen Aufnahmen aus Bayreuth zumindest beim Vorspiel deutlich vorzuziehen.
Die Oper, die sich anschließt ist mit Lorenz Fehenberger als Lohengrin, durchaus nuanciert und Annelies Kupper als Elsa, mädchenhaft-blühend, aber wenig verträumt, ganz gut besetzt. Stimmlich ist sie allerdings keine Gundula Janowitz. Mit von der Partie sind noch Ferdinand Franz (Telramund) und Helena Braun (Ortrud). Alle Sänger waren damals Ensemblemitglieder der Bayerischen Staatsoper.
4
Hans Knappertsbusch
Münchner Philharmoniker
Westminster-MCA, Theorema
1962
7:21
Ein Jahr bevor die Oper mit „Kna“ in der Staatsoper gegeben wurde, nahm Hans Knappertsbusch eine Reihe von Vorspielen und Ouvertüren für das Label Westminster auf. Man muss sich wundern, dass Knappertsbusch mit seinen Tempi bei den schnellsten überhaupt mit dabei ist. Beim doch irgendwie mit dem „Lohengrin“ verwandten „Parsifal“ war das noch anders und der wurde ebenfalls 1962 in Bayreuth aufgenommen. Wenn man davon ausgeht, dass wieder relativ wenig geprobt wurde, kann man sich am recht sauberen Spiel der Violinen der Philharmoniker umso mehr erfreuen. Das Orchester macht einen gut aufgelegten Eindruck, was längst nicht bei allen der aufgenommenen Stücke der Sammlung der Fall ist. In der Staatsoper war das Vorspiel übrigens noch etwas zügiger. Eine gewisse atmosphärische Wirkung ist ihm nicht abzusprechen, aber magische Erhabenheit baut sich nicht auf, dazu geht alles zu schnell. Der Einsatz der Holzbläser wird von der etwas vorlauten Oboe in der Homogenität „untergraben“. Der Höhepunkt leidet dann doch unter unsauberen Einsätzen von Blech und Holz, während die Violinen weiter strahlen. Es gibt von Herrn Knappertsbusch auch noch eine Aufnahme des Lohengrin-Vorspiels von 1947 mit dem Tonhalle Orchester aus Zürich. Die gefiel uns von den dreien musikalisch am besten.
Der Klang der Aufnahme stellt die Violinen recht strahlkräftig und homogen dar. Das Becken klingt matt. Insgesamt klingt es bei den Philharmonikern viel besser als aus der Staatsoper. Da wurde die Aufnahme allerdings auch aus einem Privatarchiv ausgegraben. Übrigens: Die Theorema-Version fällt klanglich enorm gegenüber Westminster-MCA ab.
4
Hans Knappertsbusch
Bayerisches Staatsorchester
Orfeo
1963
7:03
GA mono Hans Knappertsbusch hatte einen guten Draht zur Musik Wagners, das ist allgemein bekannt. Das kann man nicht zuletzt daran ablesen, dass er von 1951-52 und von 54-64 insgesamt bei 14 Spielzeiten in Bayreuther Orchestergraben tätig war. Ob er einen speziell guten Draht zu „Lohengrin“ hatte, darf bezweifelt werden. So existiert von „Lohengrin“ keine einzige reguläre Einspielung mit ihm. Die vorliegende kommt aus dem Privatarchiv des damaligen stellvertretenden Intendanten der Bayerischen Staatsoper, Herbert List.
Der Beginn des Vorspiels gelingt zwar sehr leise und auch die Violinen des Staatsorchesters können mit Strahlkraft und Legato-Kultur überzeugen, aber das schnelle Tempo verhindert den Aufbau der gewünschten „wundervollen“ Aura. Auch in der Staatsoper klingt der Einsatz der Holzbläser unsauber (T. 20). Im Verlauf werden die Stimmen des Holzes deutlich betont, zumindest so lange bis die übrigen Streicher und die vier Hörner einsetzen. Dann dominieren die Hörner. Das könnte vielleicht besser gefallen, wenn die undeutliche Aufnahme die Hörner klarer hören ließe. Der Höhepunkt klingt durchdringend, aber weder affirmativ noch besonders kraftvoll. Wegen des Vorspiels braucht man dieser Ausgabe der Oper kein besonderes Interesse entgegenzubringen.
Der Klang der Aufnahme leidet für eine Aufnahme der frühen 60er Jahre unter einem starken Rauschen. Zudem gibt es einen undefinierbaren, unruhigen Klanghintergrund. Die Musik kommt eng und flach aus den Lautsprechern, bringt aber immerhin eine erstaunliche Dynamik zuwege. Klanglich steht die Aufnahme deutlich hinter der Böhm-Einspielung aus Wien von 1965. Die wurde aber auch immerhin vom ORF verantwortet.
Sie Besetzung der Rollen wirkt jedoch interessant. Hans Hopf als Lohengrin klingt baritonal, textverständlich, erhaben, liegt aber manchmal unter seiner eigentlichen Tonhöhe. An Sandor Konya zur selben Zeit kommt er nicht heran. Ingrid Bjoner blieb zeitlebens im Schatten von Birgit Nilsson und hat nicht die Reinheit einer Elisabeth Grümmer, bleibt meist vornehm. Die Ortrud vom Dienst, Astrid Varnay ist auch wieder mit dabei, sie singt nicht mehr so schön, gestaltet ihre Rolle mit einer gewissen Monströsität aus. Hans Günter Nöcker blieb als Telramund unbekannt,
Einspielungen aus Berlin:
5
Herbert von Karajan
Berliner Philharmoniker
EMI, Esoteric
1974
9:40
Von Herbert von Karajan haben wir drei verschiedene Einspielungen des Lohengrin-Vorspiels finden können. Alle drei sind bei EMI erschienen. Dass er keine für das Gelbetikett gemacht hat ist rätselhaft. Alle drei Einspielungen ähneln sich, wobei uns die mittlere von 1974 (entstanden für eine Wagner-Ouvertüren-Sammlung) jedoch noch knapp am besten gefiel. 1975 (das ist keine Tippfehler) entstand die jüngste, eigens für die Gesamteinspielung der Oper erneut aufgenommen, folgt dicht darauf und die älteste von 1960 (entstanden für eine Sammlung von Ouvertüren verschiedener Komponisten) folgt darauf erneut ziemlich dicht.
Die 1974er Version war ursprünglich eine Quadro-LP. In diesem Fall ist das jedoch kein Nachteil. HvK wählt ein minimal aber doch spürbar getrageneres Tempo als 1960. Oboen und Flöten im pp in T. 1 bzw. T. 3 sind so leise, dass man sie nur als ein Aufleuchten bemerkt. Und das ist schon etwas stärker als es 1960 war. Im weiteren Verlauf ergibt sich eine selten große Übereinstimmung von Karajans Personalstil mit den Erfordernissen des Werkes. Der Klang der Violinen lässt sich nur als betörend und ätherisch zugleich bezeichnen. Er hat 1974 noch mehr Körper und leuchtet noch intensiver und sinnlicher als 1960. In der Version als japanische Esoteric-SACD wird das luxurierende Farbenspiel auf die Spitze getrieben. Der sinnliche und religiöse Aspekt wird bei Karajan vereint. Darin versinnbildlicht die Musik nun das, was Wagner in seinem Vorwort bezeichnet. Sinnliche und göttliche Liebe sollen ja gleichermaßen vom Gral ausgehen. Das Spiel erfolgt mit außerordentlicher Akkuratesse und Geschmeidigkeit. Das Legato-Spiel wurde gegenüber 1960 noch weiter vervollkommnet. Der Klang wirkt wunderbar expansiv in den Raum hinein. Der Höhepunkt hat mehr Biss als man es von Karajan erwartet hätte. Er strahlt zudem mehr Autorität und Emotionalität aus. Das ganze Orchester zeigt sich da wirklich vereint. In Vollkommenheit gestaltet auch der intonatorisch so schwierige Schluss. Rein musikalisch gehört diese Einspielung mit zu den besten und klanglich ist sie vielleicht die gelungenste überhaupt. Da gibt es nur zwei oder drei ersthafte Konkurrenten. Als Esoteric-SACD ist sie leider fast so teuer wie der Gral selbst (kleiner Scherz am Rande).
Die Version von 1974 klingt noch räumlicher und besser tiefengestaffelt als die Einspielungen von 1960 und 75.
5
Herbert von Karajan
Berliner Philharmoniker
EMI
1975
9:08
GA Dass das eigens für die Gesamtaufnahme erneut aufgenommene Vorspiel etwas zügiger ausfällt wundert nicht. Es ist zu beobachten, dass das Vorspiel immer dann etwas kürzer ausfällt, wenn der Dirigent noch die ganze Oper vor sich sieht. Anscheinend tritt er dann unvermeidlich etwas mehr aufs Gas. Dass es in diesem Fall nichts mit der ganzen Oper werden sollte, konnte Herr von Karajan noch nicht wissen. Er und sein damaliger Lieblings-Lohengrin (René Kollo) entzweiten sich voreinander endgültig, als dieser die Aufnahmen vor ihrer Beendigung verließ. Der Ausspruch von Herrn Kollo: „Es gibt in Deutschland 500 Dirigenten, die den Lohengrin dirigieren können, aber nur fünf, die ihn singen können“ war wohl zu viel Belastung für das Verhältnis. Die Versöhnung der beiden Protagonisten erfolgte erst 1981. Die Partien des Lohengrin, die Kollo dann einsang klingen schon nicht mehr so frisch, wie die von 1975 und 76. Ein Großteil der Oper nahm man mit Ursula Schröder-Feinen als Ortrud auf. Wir haben bei unseren Recherchen entdeckt, dass es einen Mitschnitt aus Salzburg mit Karajan und Frau Schröder-Feinen auf YouTube gibt. Aber als die Versöhnung erfolgte, war die Ortrud der Wahl inzwischen stimmlos geworden. Das bedeutete, dass alle Partien der Ortrud 1981 erneut mit der neuen Ortrud, Dunja Vejzovic, eingesungen werden musste. Es ergaben sich schwerwiegende Balance-Probleme mit den Passagen, die von 1975 und 76 bereits aufgenommen vorlagen. Die gravierenden Rückenprobleme des Dirigenten belasteten die Einspielungen zusätzlich. Wen wunderts, dass so die Gesamtaufnahme wie eine Flickschusterei anmuten soll? Nur gut, dass EMI bei der analogen Aufnahme geblieben ist, denn 1981 nahm auch die EMI nach langem Zögern eigentlich schon digital auf.
Von all den Pannen und Schicksalsschlägen blieb die Einspielung des Vorspiels offenkundig verschont. Da wir selbst die GA nicht in unserer Sammlung haben, mussten wir auf YouTube zurückgreifen, weshalb die Einschätzung der Klangqualität auf tönernen Füssen steht.
Die Philharmoniker haben natürlich von 1974 bis 75 nichts von ihren Fähigkeiten verloren. Der Gestus wirkt getragen, die Flageoletts der Solo-Violinen sind meisterlich integriert und wirken nur als Klangfarbe und nicht als Einzelstimmen. Es wird extrem leise, zart, weich und höchst sinnlich gespielt. Die Violinen klingen dabei hell aber auch substanzreich und erneut mit dem hier „magischen“ Legato. Die Crescendi und Decrescendi werden nicht ignoriert. Das Holz bei T. 20 zeigt erneut seinen besten Zusammenklang, völlig homogen, dass man kein einzelnes Instrument heraushören kann, noch nicht einmal erahnen kann. Im weiteren Verlauf ist die Balance innerhalb des Orchesters auf das Feinste abgewogen. Das urgewaltige Blech zeigt zugleich seinen weichsten und sattesten Klang. Souverän und völlig ungestresst. Das Gegenteil hört man übrigens bei den Leningrader Philharmonikern unter Mrawinsky. Der Abgesang wirkt erneut magisch in vollkommener Intonation. Ein Verschwinden im Nichts. Wahrscheinlich steht die 75er Version der 74er nur deshalb nach, weil letztere den noch besseren Klang (YouTube ist nicht unbedingt audiophil) mitbrachte.
Die Besetzung der puzzleartigen Produktion unter Karajan heißt, reduziert auf die vier Hauptrollen: René Kollo, Lohengrin, Anna Tomova-Sintow, Elsa, Siegmund Nimsgern, Friedrich von Telramund und Dunja Vejzovic, Ortrud.
5
Herbert von Karajan
Berliner Philharmoniker
EMI
1960
9:13
Bereits 1960 führt HvK mit den Berlinern das Lohengrin-Vorspiel mit einer nahezu vollkommenen Legato-Kultur auf. Das Voranschreiten ist sehr gleichmäßig. Für die Philharmoniker von 1960 klingen die Violinen recht hell, ätherisch und fein gewoben, sehr licht und transparent. Das Holz schwebend. Die Streicher als Ganzes erklingen schon damals makellos. Der Gestus lässt kaum menschliche Erregung oder Lebendigkeit erkennen, es geht ja auch eigentlich um einen Vorgang, der unter normalen Umständen (wenn wir die Musik Wagners nicht hätten) übersinnlich und übermenschlich wäre. Als einen Makel könnte man ansehen, dass das Blech beim Höhepunkt von sehr weit entfernt klingt und die Pauke, wie so oft bei Karajan zu leise kommt. Immerhin klingen die Becken außergewöhnlich schrill. Vor allem die makellose Legato-Spielweise der Violinen wirkt bei Karajans erster Einspielung bereits berückend. Auch und gerade in sphärischen Höhen.
Für das Entstehungsjahr klingt die Aufnahme schon sehr räumlich und weit. Die Transparenz wirkt glasklar. Die Dynamik geht in Ordnung, sie ist aber noch nicht so geweitet und griffig wie in den späteren beiden Einspielungen.
5
Christian Thielemann
Berliner Philharmoniker
RBB, unveröffentlicht
2019, live
9:23
Von Herrn Thielemann, einem ausgewiesenen Wagner-Kenner (häufiger war noch niemand Dirigent in Bayreuth, dies nur als ein kleines Indiz) gibt es noch eine DG-Einspielung aus Philadelphia und eine Live-Aufnahme mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin aus Wien. Leider hatten wir keinen Zugriff auf seine Dresdner Einspielung mit der Staatskapelle. Diese ist ausschließlich im Video-Format erschienen (mit Beczala und Netrebko). Sehr gerne hätten wir die „Zauberharfe“, so hat Wagner selbst das Dresdner Orchester genannt, mit seinem damaligen Chef gehört.
Umso willkommener war also der Live-Mitschnitt aus der Philharmonie. Das Tempo ist deutlich langsamer als bei Simon Rattle, der das Vorspiel sieben Jahre zuvor auf das Programm der Philharmoniker gesetzt hatte. Bei Thielemann bekommt es jedoch etwas mehr Spannung, man ist geneigt zu behaupten, es erklingt in der genau richtigen Spannung, also auch nicht zu angespannt. Die Phrasenenden werden besser ausmusiziert (gehalten) als bei Rattle. Es ist erstaunlich wie sich eine solche „Kleinigkeit“ auf das Gesamtbild auswirkt. Die Violinen spielen absolut homogen, man hat überhaupt das Gefühl, dass sich die Philharmoniker mit Thielemann immer besonders wohlfühlen und das liegt sicher nicht daran, dass er gebürtiger Berliner ist. Thielemann aktiviert ein stärkeres, aber auch intensiveres Vibrato als Rattle. Der Einsatz der Holzbläser, bei den guten Einspielungen immer wieder ein magischer Moment, gelingt hervorragend. Sie klingen ihrerseits schwebend aber deutlich (wir sind nicht in Bayreuth) und ausdrucksvoll ausmusiziert. Man hat das Gefühl, dass die Violinen ihnen eigens ein wenig Platz machen. Wenn dann die übrigen Streicher einsetzen, zusammen mit den vier Hörnern, dann bringt das einen nachhaltigen Zugewinn an Wärme mit sich und auch an Leuchten, selbstverständlich mit einer Farbintensivierung. Aus dem Leuchten wird ein Glühen. Das symbolisiert ja den Übergang der zauberhaften Kraft des Grals auf Lohengrin. Bei Thielemann vermittelt die Anreicherung des Klangs zugleich auch einen gewissen Zuspruch und Ermutigung. Wie er das schafft bleibt wohl sein Geheimnis. Diese Magie erreicht er mit dem Orchester der Deutschen Oper noch nicht. Das Spiel des ganzen Orchesters wirkt sagenhaft homogen und erhaben, wie man es eigentlich ähnlich nur von Karajan kannte. Der Höhepunkt ist dann weniger von uriger Dynamik geprägt (für eine Reduzierung sorgt schon der typische Rundfunkklang) als von einer Flut an Klangfarben. Das ist in dieser Art wohl einzigartig. Das Spiel des Orchesters erreicht hier live fast den Grad an Vollkommenheit wie bei Karajan unter Studio-Bedingungen. Das Legato ist bei Thielemann nicht ganz so auffällig und alles ist wunderbar unter einen Bogen gespannt.
Der Klang in der Philharmonie ist sehr gut aufgefächert, transparent und glänzt in warmen Farben. Schön räumlich und dieses Mal auch recht präsent.
4-5
Lorin Maazel
Berliner Philharmoniker
RCA
1997
11:04
Ganz im Gegensatz zu seiner Einspielung aus Bayreuth gehört die Einspielung Maazels aus Berlin zu den bestklingenden. Er entwickelte sich beim Lohengrin-Vorspiel zudem von einem der schnellsten zum langsamsten Dirigenten der bisherigen (uns bekannten) Schallplattengeschichte. Entsprechend stehen der Klang und dabei besonders die Klangsinnlichkeit des Vortrages im Vordergrund. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich der Dirigent so sehr in den Klang des Vorspiels verliebt hat, dass es ihm gar nicht langsam genug vorangehen konnte.
Nun wirkt der Klang (anders als bei dem im Hustenhagel untergehenden Bayreuther Mitschnitt) sehr atmosphärisch und wunderbar transparent. Das langsame Tempo wird von der enormen Leuchtkraft allerdings stark modifiziert, denn man kann sich tatsächlich kaum satthören. Bei Karajan und vor allem Thielemann strahlte die Musik jedoch zugleich zum bloß klanglichen noch mehr Ruhe und Magie aus. Klanglich ist diese Einspielung ein Fest. Mit einem Glanz, der aus der Tiefe kommt. Es mag sein, dass andere Dirigenten das Werk noch stärker mit „Wagners Geist“ durchdrungen erklingen lassen können, dies ist einfach ein makellos schön klingendes, fast doch noch zu kurz geratenes Stück wunderbarer Musik.
Die Klangtechnik wirkt exquisit. Es klingt klar, körperhaft, weich offen und sehr breit und tief gestaffelt. Sinnlichkeit und Farbigkeit kommen nicht zu kurz. Gemeinsam mit der Esoteric-CD mit Karajans Version von 1974, Thielemann aus Philadelphia, Levine aus der MET und kaum zu glauben da schon von 1960: Otto Klemperer mit dem Philharmonia Orchestra, klingt diese Aufnahme ganz besonders gut. Die anderen CDs mit den Berlinern mit Kubelik, Ozawa oder Tennstedt werden mehr oder weniger deutlich im Klang überragt.
4-5
Simon Rattle
Berliner Philharmoniker
RBB, unveröffentlicht
2012
8:50
Wie in München 2024 brachte Simon Rattle bereits 2012 in Berlin das Lohengrin-Vorspiel mit Ligetis Atmosphères an einem Stück zu Aufführung. Ligeti zuerst. Dadurch, besonders durch den Wegfall der Dissonanz wirkt das Lohengrin-Vorspiel nochmals enthobener, sphärischer, weil jetzt die Tonalität wieder einrastet, die das menschliche Empfinden oder Gemüt zu erden scheint. Die offene Akustik der Philharmonie lässt vor allem den Einsatz des Holzes T. 20 lauter erklingen als in Bayreuth unter dem Deckel. Wichtig ist jedoch, dass kein einzelnes Instrument aus dem Gesamtklang heraussticht, das würde die Magie des Augenblicks, als man den Gral das erste Mal zu Gesicht bekommt deutlich schmälern. Nur gemeinsam ergibt sich die spezielle Farbe und schließlich will das Gral ja auch seinen Gefolgsleuten mitteilen: gemeinsam sind wir stark. Das gelingt den Berlinern erneut vorzüglich. Die tieferen Streicher und die Hörner kommen ebenfalls prominenter zum Zuge als in Bayreuth, wo doch noch mehr einem Mischklang-Effekt gefrönt wird. Gleiches gilt auch für das volle Blech beim Höhepunkt, wenn sich die Magie des Grals in Lohengrin ergießt. Rundfunktypisch ergibt sich dann doch so etwas wie ein Bayreuth-Effekt, weil die Rundfunkübertragung zum verschleifen der ff-Dynamik neigt. Auch mit Rattle gelingt dem Orchester die Intonation des heiklen Schlusses perfekt.
Der Klang aus der Philharmonie lässt die Violinen wunderbar voll und warm klingen. Wenn man tatsächlich eine blaue Farbe wahrnehmen möchte, wie sich Wagner es vorstellt, dann wäre ein amerikanisches Orchester vielleicht besser geeignet. Bei den Berlinern herrschen doch erdigere, wärmere Töne vor. Aber das sind immer nur Nuancen. Und Blau kann ebenfalls sehr viele Nuancen haben.
4-5
Rafael Kubelik
Berliner Philharmoniker
DG
1962
9:53
Die Aufnahme mit Rafael Kubelik wurde zwei Jahre nach der ersten Karajan-Aufnahme bei EMI wahrscheinlich als direktes Konkurrenz-Produkt von der DG produziert. Die Violinen, später dann auch das ganze Orchester, rücken gegenüber der EMI-Aufnahme etwas näher an die Hörenden heran. Sie wirken erneut transparent abgebildet und wirken aufgelichtet. Das pp und p wirkt bei Kubelik erheblich lauter als bei Karajan. Der erste Einsatz des Holzes bei T. 20 erscheint bei Kubelik klarer, bei Karajan hingegen als schillerndes Farbenspiel, weil man nicht sofort gewahr wird, was da so schön klingt (wir wissen es natürlich längst, weil es unsere Aufnahme Nr. 64 war). Die Instrumente des Holzes verschmelzen allerdings auch bei Kubelik wie zu einem einzigen Instrument. "Kubeliks Philharmoniker“ strahlen mehr Wärme aus und wirken weniger ätherisch als bei Karajan, bei ähnlicher Luftigkeit des Klangbildes. Beim Höhepunkt erklingen Blech und Becken bei Kubelik gleichermaßen deutlich, die Pauke wie bei Karajan hintergründig. Die Dynamik bleibt bei Kubelik ziemlich zurückhaltend, mehr war vielleicht damals klangtechnisch noch nicht drin. Auffallend bei Kubelik ist das unsaubere Einsetzen des Blechs bei T. 68. Das passiert bei nicht wenigen anderen Einspielungen ebenso. Man hätte es, da es sich um keine Live-Aufnahme handelt, leicht korrigieren können, denn es fällt sofort ins Ohr. Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass die Philharmoniker 1960 mit Karajan einheitlicher, mehr auf Linie getrimmt und mit zurückgenommener Emotionalität spielen, vielleicht um den göttlichen Zauber nicht zu leidenschaftlich diesseitig werden zu lassen. Die Magie des Vorgangs, der ja allem Menschlichen enthoben sein soll, kommt Karajan unserer Auffassung nach bereits 1960 näher. Kubelik wirkt musikantischer, vitaler, wobei das Lohengrin-Vorspiel dieser Eigenschaften nicht in erster Linie bedarf. Aber es ist doch schön, dass jeder einen etwas anderen Blick darauf hat und die Ergebnisse nicht alle ähnlich, geschweige denn gleich klingen.
4-5
Christian Thielemann
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Orfeo
2004
9:01
Bei dieser Einspielung handelt es sich um eine Live-Aufnahme, die der ORF bei einem Gastspiel des Orchesters und seinem scheidenden Chefdirigenten im Wiener Musikverein gaben. Thielemann war von 1997-2004 Chef der Deutschen Oper Berlin, er befand sich quasi auf einer Abschiedstournee und auf dem Sprung zu den Münchner Philharmonikern. Klanglich konnte das Orchester der Deutschen Oper damals, wie zumindest bei diesem Konzert zu hören ist, nicht mit den Berliner Philharmonikern mithalten, die allerdings bei unserem Vergleich auch keine lange Anfahrt in den Knochen hatten. Es klingt etwas schlanker, nicht ganz so „luxuriös“ und nicht ganz so leuchtkräftig und sonnenklar wie bei den Philharmonikern. An der Aufnahmequalität liegt es nicht, die ist nämlich sehr gut. In Philadelphia (1995) bot der Klang des Orchesters ebenfalls mehr Luxus und einen höheren Nuancenreichtum. Der Höhepunkt (T. 50 ff) gelingt Thielemann eruptiv mit einem dynamisch deutlich herausgeforderten Blech, das jedoch weniger warm und nicht ganz so homogen und brillant wie das der Philharmoniker oder das in Philadelphia klingt. Gut gespielt ist das zweifellos, aber an die Leuchtkraft und den Finessenreichtum der Besten kommt das Orchester nicht ganz heran.
Der Klang der vom ORF zur Verfügung gestellten Aufnahme ist sauber und stellt das Orchester gut aufgefächert dar. Die Tiefenstaffelung ist sehr gut. Der Gesamtklang der CD ist viel besser als der vom ORF über den Satelliten gesendeten Konzerte.
4-5
Otmar Suitner
Staatskapelle Berlin
Eterna, Berlin Classics
1973
8:29
GA Der Klang der Violinen des Orchesters der Deutschen Staatsoper unter den Linden, die Staatskapelle Berlin, ist warm, körperhaft und rund. Die Homogenität steht hinter der von allen Einspielungen der Philharmoniker hörbar zurück. Die Darstellung wirkt weniger ruhig und statuarisch, zeigt sich bewegungsorientierter, bewegter. Das Holz schleicht sich unmerklich (immer nur piano, genau wie es spielen soll) bei T. 20 zu den Violinen hinzu. Wenn sich die tiefen Streicher und Hörner dazugesellen wird das Klangbild wunderbar sonor und recht füllig. Nun wirkt die Musik sehnsuchtsvoller als zuvor. Der Höhepunkt ab T. 50 ff wirkt groß, breit und ausladend. Suitner gibt ihm viel Energie mit ohne dass das Orchester auch nur ansatzweise schrill klingen würde und das Schönste daran ist, dass diesem Höhepunkt viel Wärme entströmt und genug Glanz. Die Violinen spielen nun hervorragend sicher und intonationsrein bis zum Ende.
Von der Gesamtaufnahme aus der Berliner Staatsoper haben wir zuvor noch nie gehört, genau wie von den beteiligten Sängern. Die Protagonisten sind: Martin Ritzmann als Lohengrin, Hanne-Lore Kuhse als Elsa, Ludmilla Dvorakova und Karl-Heinz Stryczek. Allesamt sind sie im Westen nicht bekannt geworden, was a priori jedoch nichts über ihre Qualität aussagen soll.
Das Klangbild wirkt großzügig bemessen, schön breit, mit einer guten Tiefenstaffelung, einem breiten tonalen Spektrum und sehr guter Dynamik ausgestattet.
4-5
Seiji Ozawa
Berliner Philharmoniker
Philips
1989
10:38
Das langsame Tempo von Herrn Ozawa wirkt nicht gedehnt, Spannung kommt dabei keine auf. Das Spiel der Violinen ist exquisit. Wir hören echtes p und pp und dazwischen wird sogar noch abschattiert. Ozawa verzichtet auf das übertriebene und unruhige Vibrato, das Klaus Tennstedt forderte, erreicht aber auch nicht den ganz speziellen Legato-Zauber und die immense „innere“ Leuchtkraft Karajans. Eine statuarische Wirkung kann Ozawa vermeiden. Der Einsatz des Holzes bei T. 20 gelingt den Philharmonikern erneut makellos und im vorschriftmäßigen p. Das alles verströmt sozusagen eine fernöstliche Gelassenheit und klingt einfach wunderbar. Der Höhepunkt ab T. 50 ff wird lange nicht so „herausgeschrien“ wie bei Tennstedt, der das Vorspiel zuvor mit den Philharmonikern einspielte. Das Blech braucht sich aber bei Ozawa nicht zu verstecken. Dies ist eine orchestral und klangtechnisch ausgezeichnete Einspielung, die jedoch die Herzen nicht so berührt wie die 74er Karajan-Einspielung oder die Live-Einspielung Thielemanns mit den Philharmoniker 2019. Am besten wirkt das Vorspiel, wenn alles klangtechnische und musikalische der Aufführung selbst der Vollendung nahe ist, dann stellt sich tatsächlich ein gewisser Zauber ein, wenn man als Hörer/in empfänglich dafür ist.
4-5
Daniel Barenboim
Staatskapelle Berlin
Teldec
1998
8:47
GA Gegenüber seiner nur vier Jahre zuvor entstandenen Einspielung des Lohengrin-Vorspiels in Chicago wählt Herr Barenboim jetzt, wenn es um die ganze Oper geht, ein deutlich zügigeres Tempo. Dadurch wirkt es stringenter und weniger geschmäcklerisch. Die Violinen des Berliner Orchesters stehen den Kollegen und Kolleginnen aus Chicago nicht nach. Genauso schöne Kantilenen zu bilden ist kein Problem.
Dem Holz, das bei T. 20 wie in Chicago laut und deutlich einsetzt (allerdings nicht ganz so ruckartig wie in Chicago) fehlt es etwas an Feinschliff. Der Schluss des Vorspiels gelingt intonationssicher. Die Aufnahme entstand übrigens nicht in der Staatsoper sondern im Großen Sendesaal. Sie ist nicht so langweilig wie die Chicagoer, wirkt aber auch nicht gerade erhebend.
Die Aufnahme wirkt gegenüber der in Chicago entstandenen etwas dichter (sie könnte etwas transparenter sein) und weniger räumlich. Bei der Dynamik hat die Berliner Aufnahme die Nase vorn.
Die Besetzung der Oper wird von Peter Seiffert als Lohengrin angeführt. Er war live eine Zeit lang der Lohengrin seiner Generation. In der Einspielung wirkt er dagegen etwas glücklos. Dennoch gefallen die beiden Männer der beiden Paare dieses Mal besser als die Frauen. Partnerin von Seiffert ist Emily Magee. Deborah Polaski kämpft mit den Höhen der Partie der Ortrud. Der Telramund von Falk Struckmann wird uns nochmals in den Gesamtaufnahmen mit Bertrand de Billy und Semyon Bychkov begegnen.
4
Marek Janowski
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Pentatone
2010, live
8:31
Außer in der Berliner Gesamtaufnahme (entstanden konzertant in der Berliner Philharmonie) gibt es das Vorspiel mit Marek Janowski noch in einer Ouvertüren-Sammlung von 1990 mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France. Bei Janowski als die Regel bestätigende Ausnahme ist das Tempo in der GA langsamer als in der Einzelaufnahme. Und zwar deutlich. Da machen sich vielleicht die 20 Jahre, die dazwischen liegen, schon ein wenig bemerkbar. In Berlin beginnt das Vorspiel sozusagen aus dem Nichts und bleibt auch sehr leise. Auch der Einsatz des Holzes bleibt sehr leise, sogar fast undeutlich. Während die Stimmen von Englischhorn und Bassklarinette in Paris noch wie nebenher spielen, erscheint der Berliner Bläsersatz sehr homogen. Der Höhepunkt (T. 50 ff) bleibt erstaunlich blass. Das Blech bleibt viel zu hintergründig. Trotz generell schönen und präzisen Spiels stellt sich in dieser Einspielung nur wenig Klangzauber ein. Die Geschehnisse wirken ziemlich weit abgerückt und somit wie irreal. (Das will heißen abgerückt vom Bild, das Wagner hier zeichnen wollte.) So, als hätte man nicht viel damit zu tun.
Der Klang wirkt zwar sehr transparent aber das Orchester erscheint bei normalem Pegel etwas entfernt, was in besonderem Maß für Holz und Blech gilt. Das hilft nur der beherzte Dreh am Poti nach rechts.
Die Besetzung zeigt, wie ein Jahr später in Bayreuth (mit Andris Nelsons) Klaus Florian Vogt, der hellstimmigste Lohengrin aller Zeiten in seiner Paraderolle mit Anette Dasch als Elsa. Und wie bei Semyon Bychkov: Petra Lang als Ortrud und schließlich Gerd Grochowski als Telramund.
4
Klaus Tennstedt
Berliner Philharmoniker
EMI
1983
10:14
Einen deutlichen Rückschritt in der Klangqualität gegenüber den Karajan-Einspielungen muss man durch die noch unausgegorene Digitaltechnik in der Einspielung von Klaus Tennstedt hinnehmen. Die Violinen wirken belegt und haben gerade gegenüber 1974, aber auch gegenüber 75 und sogar 1960 an sanfter, leuchtender (auch strahlender) Sinnlichkeit eingebüßt. Zudem lässt Tennstedt ein starkes, unruhig wirkendes Vibrato spielen, das nicht mehr Wärme, höchstens mehr Ungeduld oder mehr Unruhe mit ins Spiel bringt. Er versucht das Spiel unter einen Bogen zu zwingen, was jedoch einen unangemessenen Druck auf die Musik ausübt, den wir schon fast als körperlich unangenehm empfinden. Trotz aller Bemühungen erreicht man hier nicht die innere, leidenschaftliche Glut, die beispielsweise die Einspielungen von Wilhelm Furtwängler auszeichnen. Das eher epische Tempo kann da irgendwie auch nicht unterstützend wirken. Der Höhepunkt wird geradezu herausgeschleudert. Mit Maximallautstärke. Gegenüber den extrem kultivierten Einspielungen Karajans wirkt das Spiel der Philharmoniker unter Tennstedt allzu robust, ja fast schon hemdsärmelig. Das muss man mögen. Wir empfanden das Tennstedt-Espressivo für das Lohengrin-Vorspiel als eher unpassend
Das Klangbild ist gegenüber den Karajan-Aufnahmen etwas enger geworden. Der Klang hat viel von seiner das Herz erwärmenden Wirkung eingebüßt. Dass das Orchester fast permanent Espessivo-Hochdruck entfaltet, konterkariert das von Wagner skizzierte Geschehen weitgehend. Tennstedt zielt anscheinend zu sehr auf einen körperlich-sinnlichen Aspekt ab, der aber nur in zweiter Instanz zum Zuge kommen sollte. Dem Klang fehlt auch der grundierende Bass (das ist selten bei den Philharmonikern) und er hat nur wenig natürlich wirkende Resonanz. Ein echter Rückschritt gegenüber 1974, 75 und 60 (!) und kein Ruhmesblatt für die EMI-Technik.
3-4
Robert Heger
Staatskapelle Berlin
Line-Cantus
1942
8:56
GA mono Robert Heger gibt dem Vorspiel ein bedeutungs- und pathosreiches Gesicht. Man kann zwar die Entstehungszeit der Einspielung nicht unbedingt heraushören, aber wenn man sie kennt, versteht man alles besser. Vor allem die Hörner haben jedoch große Intonationsprobleme, womit sie längst nicht alleine (vor allem bei älteren und ältesten (Live-)Einspielungen) dastehen. Bei T. 68 ff klingt die Einspielung ziemlich kläglich. Allzu viele Musiker waren wahrscheinlich an der Front, schon gefallen oder interniert oder gar in KZs getötet worden und konnten nicht adäquat ersetzt werden . Eine Einspielung aus einer ganz dunklen Zeit.
Der Klang ist für die Zeit relativ gut. Er ist ruhig und fast störungsfrei, denn der Deutsche Reichssender nutzte bereits ein Magnetband als Speichermedium.
Gesanglich hat diese Aufnahme ein ganz anderes Kaliber als orchestral. Franz Völker als Lohengrin gilt mit Sandor Konya als einer der allerbesten. Er phrasiert frisch und hatte „leicht biegsames“ Metall in der Stimme. Er war „monumenthaft aufgerichtet ohne statuarisch zu wirken“ (Zitat von Lührs-Kaiser). Durch und durch brillant. „Seine“ Elsa Maria Müller ist zwar gesanglich hervorragend, aber darstellerisch maßlos übertrieben. Sie war eine überzeugte Anhängerin des damaligen Regimes. Die beiden werden ergänzt durch eine bedrohlich wirkende Ortrud von Margarete Klose und Jaro Prohaska als Friedrich von Telramund.
Nach Stationen in München und der Bundes-Hauptstadt Berlin werden noch weitere Darbietungen in Wagners Geburtsland besucht. In seiner Heimatstadt Leipzig macht er ebenfalls Station und die alte Wirkungsstätte in Dresden, die Hofoper jetzt Semperoper, muss selbstverständlich ebenfalls aufgesucht werden.
5
Michael Gielen
Sinfonieorchester des SWR Baden-Baden und Freiburg
Hänssler, SWR Music
1992
8:03
Diese Aufnahme stammt aus dem Hans-Rosbaud-Studio in Baden-Baden. Die Violinen des Orchesters klingen hervorragend weich und rund und sie werden in einen natürlich wirkenden Raum gestellt. Ihr Spiel ist wenn nicht mystisch, so doch atmosphärisch. Gielen lässt sie sehr nuanciert, gefühlvoll und in der richtigen Lautstärke spielen. Die Abstimmung von Holz und Violinen könnte kaum besser sein, beides zusammen erzeugt eine stark gefühlshafte aber doch magische Aura. Der Höhepunkt ab T. 50 ff klingt weich und voll mit einem gewissen Bayreuth-Effekt (abgedämpft). Das Spiel des Orchesters in von Anfang bis zum Ende intonationssicher und klangschön. An einen mit Spannung gewölbten Bogen hat Michael Gielen auch gedacht.
Wiewohl aus einem Studio kommend haftet dem Klang nichts Trockenes an. Er wirkt warm, voll, schön räumlich, sinnlich und klangfarbenreich. Die Tiefenstaffelung ist gut. Dass dem Klang eine gewisse Bayreuther Klang-Aura eigen ist wird wohl kaum Zufall sein. Die 358 km Entfernung von Bayreuth nach Baden-Baden hören sich hier noch viel näher an.
5
Josef Keilberth
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Telefunken – BnF
ca. 1960
9:48
Mono Diese Einspielung lag uns leider nur in Form einer Digitalisierung einer alten Mono-LP aus den Beständen der Bibliothèque National de France aus Paris vor. Dass eine frisch vom Stereo-Mutterband genommene Kopie um einiges besser klingen würde, mussten wir uns dieses Mal eben vorstellen. Das Vorspiel wirkt bei Keilberth, der bereits eine Einspielung aus Bayreuth (1953) zu unserer kleinen Diskothek beisteuerte, sehr stimmungsvoll. Die Violinen klingen klar, hell aber auch körperhaft. Die Aufnahme war schon gleich zu Beginn als Röhrenaufnahme zu erkennen. Später wird das ganze Orchester einen vollen, erhabenen Klang erzeugen (T. 38 ff). Der mild strahlende Höhepunkt wirkt besonders erhaben, ihm geht alles Grelle und Äußerliche ab. Die Violinen spielen vom Anfang bis zum Ende ausgezeichnet, intonationssicher bis zum offen liegenden Schluss. Keilberth hatte sich in Bayreuth oft mit Knappertsbusch zu messen, was schon rein äußerlich ein ungleicher Kampf gewesen sein musste (alleine schon wegen der Körpergröße!). Beim Lohengrin-Vorspiel hat Keilberth zumindest aus unserer Sicht das Rennen unter den ungleichen Dirigenten eindeutig für sich entschieden. Zur Zeit der Aufnahme sollte er noch amtierender GMD in Hamburg gewesen sein (1951-1959), weshalb das oben angegebene AD mit Vorsicht zu genießen wäre. Parallel zu seinem Job in Hamburg war er auch noch Chefdirigent der Bamberger Symphoniker (1950-1968). 1959-1968 war es dann GMD an der Staatsoper in München. 1968 starb er tragisch während er eine Aufführung von „Tristan und Isolde“ am Nationaltheater in München dirigierte
4-5
Hiroshi Wakasugi
Staatskapelle Dresden
Eterna, Berlin Classics
1984
9:21
Hiroshi Wakasugi war von 1977 bis 1983 Chefdirigent des WDR-Sinfonieorchesters Köln, 1981 bis 1986 Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf, und 1987 bis 1991 Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich. Von 1982 bis 1992 war er auch ständiger Dirigent an der Semperoper Dresden und damit der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Herr Wakasugi wählt fast das gleiche Tempo wie Rudolf Kempe bei seiner Aufnahme mit demselben Orchester 1947. Seitdem ist das Orchester erheblich intonationssicherer, im Klang voller und geschmeidiger geworden. Es spielt differenziert und sein Klang bietet jetzt viel Leuchtkraft. Das Holz schleicht sich fast unmerklich zu den Violinen (bei T. 20), so sollte es sein. Es klingt ausgewogen. Das Voranschreiten gelingt spannend und sehr klangvoll, ohne auch nur einen Hauch von Kitsch. Der Höhepunkt gelingt großartig, nicht übermäßig laut aber substanzreich und glutvoll leuchtend, wenn auch nicht ganz ohne Wackler bei den Trompeten. Bei den Soloviolinen schwingt am Ende das Vibrato nicht ganz zusammen. Vielerorts wurde dem japanischen Dirigenten im deutschsprachigen Raum die Wagnerkompetenz abgesprochen. Ähnliches ließe sich nach Genuss des Lohengrin-Vorspiels nicht behaupten. Schade, dass die GA mit Thielemann aus der Semperoper nicht auf CD veröffentlicht wurde, ein Vergleich über die Jahrzehnte hinweg wäre sehr interessant gewesen. Weiter in die Vergangenheit zurück kommen wir mit der Aufnahme mit Rudolf Kempe. Bis ins Jahr 1947.
Weiter zurück geht’s es leider nur mit viel Vorstellungskraft:
Richard Wagners romantische Oper Lohengrin ist nämlich untrennbar mit Dresden und seinem Orchester verknüpft, denn nach den Uraufführungen von „Rienzi“, „Der Fliegende Holländer“ und „Tannhäuser“ am Königlichen Hoftheater Dresden komponierte er die Oper um den Schwanenritter für die Dresdner Hofkapelle und konzipierte das Werk auch besonders in Hinblick auf die Sänger/innen der sächsischen Hofoper. Und obwohl sein Lohengrin aufgrund Wagners Beteiligung an revolutionären Aufständen und seine damit verbundene Flucht erst ein Jahrzehnt nach der Weimarer Uraufführung unter Franz Liszt in Dresden aufgeführt wurde, prägte sich alsbald der Ausspruch: „Kein Lohengrin-Vorspiel ohne die Dresdner Geigen“. Denn das von Wagner als „Wunderharfe“ bezeichnete Orchester mit dem überaus homogenen, sphärischen Streicherklang wurde so eng mit der Aufführungsgeschichte der Oper verbunden.
4-5
Semyon Bychkov
WDR Sinfonieorchester Köln
Hänssler
2008
8:20
GA Diese Aufnahme (der gesamten Oper) wurde im Anschluss an zwei konzertante Aufführungen in der Kölner Philharmonie gemacht. Die Sängerriege wurde zuvor bereits in Aufführungen in Spanien und Wien vorbereitet.
Der Dirigent wählt ein fließendes mittleres Tempo, das von vielen anderen ebenfalls bevorzugt wird. Die Flageoletts der einzelnen Violinen stechen nicht heraus, sondern werden sehr gut in den Klang der übrigen Violinen integriert. Man intoniert sehr sauber, das Vibrato beginnt schon leicht zu beben. Die Musik beginnt wie aus dem Nichts, man respektiert die Spielanweisung pp und p genau (was längst keine Selbstverständlichkeit ist), genau wie man jedes Crescendo oder Decrescendo zu hören bekommt. Letzteres ist fast schon überdeutlich zu hören, weil dadurch das ruhevolle des Vorspiels, das beständig leuchtende gestört wird. Mit der Binnendynamik kann man es also durchaus auch übertreiben. Sie wirkt dann wie hervorgezeigt, was vom Wesentlichen ablenkt. Da geht die spezifische Aura schon etwas abhanden. Wie oft, wenn man Aufnahmen von Semyon Bychkov hört wirkt das Tempo langsamer als es objektiv ist.
Bei T. 20 tritt das „gemischte“ Holz leise hinzu und wird sensibel leicht hervorgehoben. Die Oboe hat leichte Tendenzen zur unbotmäßigen Dominanz. Daran sieht man, wie schwer es ist, die Oboe so leise zu spielen, wie die anderen Holzbläser. Beim Höhepunkt (T. 50 ff) tritt das Blech kaum erhaben aus dem Gesamtklang heraus. Ob man in Köln auch die Bayreuther Akustik aufleben lassen wollte? Ein wenig mehr Blech und Glanz wäre jedoch wünschenswert gewesen. Das Orchester hätte es ja drauf. Die Violinen, die mit viel Schmelz ihr Bestes geben (sehr sauber) verschwinden am Ende im Nichts, genau da, wo sie hergekommen sind. Das gehört sich ja auch so für gelungene übersinnliche Erscheinungen.
Der Klang der Aufnahme zeigt das Orchester transparent und gut gestaffelt, offen, weich und differenziert. Der Gesamtklang wirkt recht brillant, das Orchester hätte etwas präsenter noch besser gewirkt. Zumindest im Vorspiel. Im weiteren Verlauf muss das Orchester natürlich auch den Stimmen gerecht werden, da sollte es selbstverständlich nicht zu laut sein.
Johan Botha ist der Kölner Lohengrin. Er wirkt einfühlsam, unermütlich und kraftvoll. Insgesamt recht imposant. Stimmlich nicht so dunkel wie z.B. Jonas Kaufmann und lange nicht so hell wie Klaus Florian Vogt. Nicht ganz die oberste Liga, wenn man die gesamten dokumentierten Sänger des Lohengrin nimmt. 2008 war er jedoch kaum zu toppen. Er erlag 2016 einem Krebsleiden. Adrienne Pieczonka als Elsa lässt Elisabeth Grümmer nicht vergessen (oder Gundula Janowitz), singt oft unsicher und kreischt leider manchmal. Petra Lang war zwei Jahre später bei Janowski wieder die Ortrud der Wahl, angemessen boshaft aber sie klingt grau wenn man die dunklere Christa Ludwig bei Kempe in Wien nimmt oder Astrid Varnay in ihrer besten Zeit. Falk Struckmann ist auch in Köln kein Schönsänger.
4
Andris Nelsons
Gewandhausorchester Leipzig
DG
2017, live
9:11
Diese Aufnahme entstand live im Gewandhaus in Wagners Geburtsstadt Leipzig. Die Violinen spielen sauber und sehr leise, wodurch die pp Einsätze von Flöte und Oboe bereits als starke Akzente wirken. Wir meinen, dass Wagner dort nur schimmerndes Leuchten in einer anderen Farbe, also nur eine schillernde Farbnuance haben wollte. Die Violinen spielen sehr gut, durchaus nuancenreich und gefühlvoll. Der Einstieg des sehr homogenen und klangvollen Holzes gelingt dezent. Im weiteren Verlauf werden die Stimmen schön gleichmäßig weitergeführt, so wie es Wagner wollte. Dabei wirkt das Spiel nicht sonderlich spannend. Der Höhepunkt (T. 50 ff) kommt zurückhaltend, klanglich abgedämpft wie in Bayreuth. Nelsons war ja zuvor bereits einige Jahre in Sachen Lohengrin dort zugange, er weiß, wie es dort klingt. Das Orchester führt das Vorspiel intonationssicher zu Ende. Es bewiest seine Klasse, aber die Klangtechnik der DG hat schon längere Zeit gerade in Leipzig nicht mehr so recht begeistert. Der Live-Mitschnitt aus Bayreuth (2010) klang besser, weshalb die Aufnahme dort einfach mehr fasziniert. Aus Leipzig klingt es zu sachlich und zurückhaltend, keine Verschwendung von Farben, kein Aufblühen, vielleicht hat sich bei Nelsons und dem Orchester bereits eine gewisse Routine breit gemacht.
Der Klang wirkt noch warm und recht homogen, aber auch recht hart. Jeder der die Übertagungen des MDR mit dem Gewandhausorchester aus dem Gewandhaus kennt weiß, dass es auch ganz anders klingen kann. An die Zeit der Übertragungen mit Chailly darf man gar nicht zurückdenken. Das Orchester scheint hier relativ dicht mikrofoniert worden zu sein, weshalb der Klang eher flächig als tief erscheint. Die Dynamik wirkt zwar recht breit, beim Höhepunkt klingt das Orchester jedoch etwas gepresst. Der dem Orchester eigene Glanz, wie man ihn auch von manch einer alten Eterna-Aufnahme oder einer neueren Decca (mit Chailly) kennt, will sich nur reduziert einstellen. Das ist doch eigentlich ein Armutszeugnis für die DG, die das schon einmal viel besser konnte.
4
Oleg Caetani
Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz
Arts
P 2001
9:19
Die Aufnahme entstand im Großen Saal der Stadthalle in Chemnitz. Das Orchester bespielt auch die dortige Oper, weshalb es mit der Musik Wagners durchaus vertraut sein sollte. Es stand und steht von jeher im Schatten der beiden Top-Orchester aus Sachsen aus Dresden und Leipzig, was man auch am sehr gut aufgenommenen Lohengrin-Vorspiel bemerken kann. Die Violinen können zwar sehr schön leise spielen und sich in den Vortrag vertiefen aber man hätte sich trotzdem ein paar Violinen mehr gewünscht, um damit die Homogenität zu steigern. Da mangelt es, denn man erreicht noch nicht ganz das Niveau des Orchesters der Deutschen Oper Berlin, von den Top-Orchestern ganz zu schweigen. Bei T. 20 dominiert dann plötzlich der Klang des Holzes sehr stark und die Oboen klingen deutlich hervor, was die Magie des Augenblicks deutlich schmälert. Wenn man eine Gruppe heraushört lenkt das die Aufmerksamkeit auf die Faktur und schwupp ist der Zauber auch schon verschwunden. Der eigentliche Gestus des Musizierens und auch das Tempo wären eigentlich einnehmend. Der Höhepunkt kommt mit Kraft und Klarheit, auch wenn der Strahl des Blechs keineswegs makellos glänzt (was vor allem an den Trompeten liegt). Auch da ist der Abstand zur sächsischen Konkurrenz noch deutlich. Der heikel zu intonierende Ausklang wird intonationssicher gemeistert.
An dieser Aufnahme hätte sich die DG einmal ein Beispiel nehmen können. Es klingt aus der Stadthalle offen, transparent, gut gestaffelt dynamisch ungehemmt insgesamt einfach hervorragend. Es gab diese Einspielung einmal als 5.1.-DVD-Audio zu erwerben. Damit geht es im Niveau deutlich höher als mit der CD. Aber wer hätte für das ausgestorbene Format überhaupt noch ein Abspielgerät?
4
Hans Rosbaud
Sinfonieorchester des SWF, Baden-Baden
SWR Classic
1957
9:32
Mono Die Flageoletts der Solo-Violinen werden gut in den Gesamt-Klang der Violinen integriert, sie sollen ja nur zur ätherischen Klangwirkung beitragen und keinen Solo-Auftritt bekommen. Das klingt meist weniger schön, zumal wenn die Intonation nicht stimmt. Davon kann in Baden Baden keine Rede sein. Das Spiel des Orchesters ist durchweg sauber, was man aus manch einem Opernhaus anders in Erinnerung hat. Der Klang leuchtet angenehm, was auch für das bereits intonationssichere Holz und das Blech gilt. Der Gestus ist bei Rosbaud sehr ernst und nachdenklich. Der Höhepunkt gelingt durchaus kraftvoll mit strahlendem Blech. Sehr sauber und intonationssicher wird das Vorspiel zu Ende gebracht. Objektiv ist dies eine sehr gute Darbietung mit einem gut ausbalancierten Orchester. Jedoch fehlt der 1957 immer noch biederen Aufnahmetechnik der deutschen Rundfunkhäuser noch die Fähigkeit dem Klang den richtigen Klang-Zauber mitzugeben. Es klingt vornehmlich noch grau und trocken.
Transparent und detailreich ist der Monoklang bereits, doch fehlen ihm, wie bereits erwähnt die Farben und die Natürlichkeit einer plausiblen Raumanmutung. Die Aufnahme entstand in dem Studio, das später einmal den Namen des Dirigenten tragen wird. Zudem fehlt es an Glanz und an klanglicher Substanz (Bässe!).
4
Rudolf Kempe
Staatskapelle Dresden
Hänssler
1949
9:14
Mono Der Aderlass durch die dunkle Zeit und den Krieg ist auch an Wagners „Wunderharfe“ nicht spurlos vorüber gegangen (Aderlass meint hier die personellen Verluste durch Militärdienst und Deportation). Wir können ihn zwar nicht quantifizieren, dazu haben wir uns nicht genug in die Materie vertieft, aber hörbar ist er. Die Violinen spielen unter dem fast-schon-Chef Rudolf Kempe (einem gebürtigen Dresdner (1910), er übernahm 1950 von Joseph Keilberth, der von 1945-50 an der Spitze des Orchesters stand), dessen ungeachtet wunderbar leise. Das Holz in den ersten Takten aber schon ziemlich laut (kein pp!). Das wirkt schon nicht als zugemischte Farbe, das ist schon ein Einwand! Das Tempo ist goldrichtig, unter dem ausgewiesenen Fachmann in Sachen „Lohengrin“ wäre alles andere auch verwunderlich gewesen. Es bringt genug Gewicht mit, wirkt aber bei entsprechender Spielfähigkeit noch leicht und licht. Es fehlt den Violinen jedoch erheblich an Homogenität. Das gilt auch für die anderen Nahtstellen, d.h. Einsatz des Holzes und dem Höhepunkt, wo ein einheitlich strahlendes Blech vonnöten gewesen wäre. Es ist schon einige Substanz vorhanden und dynamisch wirkt er auch schon sehr gut. Was für die Einspielung besonders einnimmt ist die Intensität des Musizierens. Die Handschrift Kempes ist bereits zu erkennen.
Die Aufnahme ist wenig transparent, jedoch schon erstaunlich farbig und viel weniger dünn-ätherisch als bei anderen zeitgenössischen Einspielungen. Ein wenig schimmert die „Zauberharfe“ doch schon wieder durch. Bis zur Einspielung mit Wakasugi ist es aber noch ein langer Weg.
4
Bertrand de Billy
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Oehms
2013, live
8:38
GA Bertrand de Billy war zur Zeit der Einspielung erster ständiger Gastdirigent des Hauses in Frankfurt. Der Klang der Violinen ist zwar weich und rund, es gibt jedoch kein einheitliches homogenes Vibrato, sodass die Anmutungsqualität unterhalb des Orchesters der Deutschen Oper Berlin anzusetzen ist. Selbstverständlich gilt das nur für die Einspielung des Lohengrin-Vorspiels. Der Einsatz des Holzes bei T. 20 wirkt gelungener, zuerst schön leise, dann lässt Mr. Billy den Klang anschwellen. Es spielt homogen und kann dem Klang ein spezifisches Leuchten mitgeben. Daher gefällt es uns besser als die Violinen. Wenn sich bei T. 38 die übrigen Streicher und die vier Hörner zum Orchester hinzugesellen wird der Klang majestätisch, den Violinen fehlt jedoch auch zu diesem recht später Zeitpunkt immer noch die letzte Homogenität und Weichheit. Man wird noch nicht auf die Idee gekommen sein, gerade wenn Oehms aufnimmt, die Besetzungsstärke zu reduzieren? Die Hörner gefallen sehr gut. Der Höhepunkt mit Blech und Pauken wirkt dann sehr solide (T. 50 ff).
Die Besetzung der vier Hauptrollen: Michael König als Lohengrin, er bewältigt lyrisches und kraftvolles recht mühelos, Camilla Nylund, ziemlich rund und ohne Schärfen, Robert Hayward als Telramund, blass und noch recht klangschön und Michaela Schuster als Ortrud.
4
Jascha Horenstein
Bamberger Symphoniker
Vox-BnF
1954
8:04
Dieses Vorspiel (erneut von einer digitalisierten alten Mono-LP aus den Beständen der Bibliothèque National de France gehört) wird intensiv gespielt. Die Crescendi und Decrecendi lässt Horenstein heftig ausspielen, was die ruhevolle Aura mindert. Stattdessen erfolgt eine deutliche Dramatisierung, die, wenn man mal die große statistische Mehrheit unserer Aufnahmen nimmt, nicht unbedingt in Wagners Sinn gewesen ist. Hinzu kommt, dass Horenstein die Dynamik Wagners ziemlich ignoriert. Statt pp und p spielen die Bamberger ziemlich ungeniert mf oder sogar f. Es soll ja schließlich was in die Mikrophone dringen. Das Niveau des Orchesters ist jedoch hoch, wie man dem weiteren Verlauf leicht entnehmen kann. Das ist keinesfalls selbstverständlich fand die Gründung doch unter außergewöhnlichen Umständen statt und sie war auch noch gar nicht lange her: Gegründet wurden die Bamberger Symphoniker 1946 unter den entbehrungsreichen Umständen der Nachkriegszeit von Orchestermusikern, die im Zuge der Vertreibung auf Grund der Beneš-Dekrete von Böhmen, Mähren, dem Sudetenland und aus deutschen Städten nach Bamberg gelangten. Den „Kern“ des Orchesters bildeten ehemalige Mitglieder des Deutschen Philharmonischen Orchesters Prag, das am 1. Mai 1945 unter seinem Generalmusikdirektor Joseph Keilberth, im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld des Prager Aufstands und des Endes des Zweiten Weltkriegs, sein letztes Konzert gab. Das erste Konzert des fränkischen Klangkörpers – damals zunächst noch unter dem Namen „Bamberger Tonkünstlerorchester“ – fand am 20. März 1946 im Bamberger Zentralsaal statt und wurde von der Presse überschwänglich besprochen. Im Juli 1946 kam es zur Umbenennung des Orchesters in „Bamberger Symphoniker“.
Doch nun zurück zum Lohengrin-Vorspiel. T. 20: Unmerklicher Einstieg des Holzes, machtvoller Klang, wenn die restlichen Streicher und die vier Hörner einsetzen (T. 38). Der spezifische Orchesterklang der Bamberger lässt sich auf dieser Einspielung noch nicht ohne weiteres verifizieren. Es wird außergewöhnlich lebendig musiziert, aber klanglich schlecht reproduziert.
Der Klang der Violinen wirkt nie richtig rein, zudem durch Abspielgeräusche der alten Mono-LP aufgeraut. Klanglich wirkt die LP kaum besser als die zahlreichen Mitschnitte aus den 50er Jahren.
4
Richard Kraus
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester (heute: WDR Sinfonieorchester)
Myoto, Cantus-Line
1951
8:13
In einem gut gespannten großen Bogen legt Richard Kraus das Lohengrin-Vorspiel an. Sein Tempo wirkt zügig. Die Violinen klingen ein wenig schrill und nicht ganz homogen, aber ausdrucksvoll. Das Holz ab T. 20 erklingt ebenfalls nicht homogen, es wird von den harten Oboen dominiert. Der gut herausgestellte Höhepunkt ab T. 50 erklingt mit arg dominanten Trompeten. Gegen Ende des Vorspiels machen sich deutliche Intonationsmängel beim Holz bemerkbar (T. 68), die Streicher machen es hier dieses Mal besser. Insgesamt macht das Kölner Orchester noch einen (von den Folgen des Krieges?) geschwächten Eindruck. Dem entgegen steht die Beobachtung z.B. bei der 5. Sinfonie Mahlers mit Hans Rosbaud. Da machte es einen hervorragenden, frischen Eindruck. Das war ebenfalls 1951. Vielleicht wurde einfach nicht genug geprobt, denn schließlich sind Opern nicht gerade das tägliche Brot für Sinfonieorchester.
Zum Klang: Da die Violinen fast das ganze Vorspiel über zugange sind und sie ziemlich schrill klingen, hält sich der klangsinnliche Teil der Aufnahme sehr in Grenzen.
Die Besetzung der Sänger ist allerdings viel zu gut um vergessen zu werden, daher wenigstens noch die Namen: Peter Anders war damals Lohengrin. Er war damals am Kölner Opernhaus engagiert und vor und nach dem Krieg in Deutschland ein recht bekannter Star. Auch er singt einen italienisierenden Lohengrin, bringt also Belcanto mit ein. Die Elsa war Trude Eipperle, die in Stuttgart engagiert und als „schwäbische Nachtigall“ bekannt war. Ihre Elsa ist anrührend. Ergänzt wird das Duo von Carl Kronenberg als Telramund und Helena Braun als Ortrud. Damals konnte man alle Rollen noch mit Muttersprachlern besetzen, was der Textverständlichkeit meistens (aber nicht immer) zuträglich war.
4
Wilhelm Schüchter
NWDR Sinfonieorchester (ab 1956: NDR Sinfonieorchester, heute: NDR Elbphilharmonie Orchester)
Walhall, ehemals EMI
1953
7:55
GA mono Von 1945-57, also auch zur Zeit der Aufnahme war Wilhelm Schüchter stellvertretender Dirigent des zunächst noch Sinfonieorchester von Radio Hamburg genannten Orchesters. Er stand immer im Schatten von Böhm, Karajan, Kempe, Jochum und Keilberth. Er soll eine autoritäre Persönlichkeit gewesen sein und forderte eine Präzision von den Musikern, die eine brillante und oftmals nahezu opulente Klangentfaltung bewirkte und ihn zu einem hervorragenden Orchestererzieher machte. Die Dortmunder Philharmoniker (seine letzte Stelle 1962-74 als GMD) erlebten unter seiner Leitung einen deutlichen Qualitätssprung.
Die Violinen klingen zart, schlank und transparent. Das Tempo zügig, der Gestus wirkt aber trotzdem innig und erhaben und strahlt noch eine gewisse Ruhe aus. Der Einstieg des Holzes gelingt unmerklich. Das Spiel ist präzise jedoch nicht gerade gespannt (aber auch nicht überspannt wie bei Klaus Tennstedt). Wenn die tiefen Streicher und die vier Hörner hinzutreten (T. 38) kommt es kaum zu einem expandieren des Klanges. Im Idealfall weitet sich in diesem Moment auch die Klanglandschaft oder noch besser: das Gemüt des Hörers öffnet sich mit und wird aufnahmefähig für den Höhepunkt. Davon kann dieses Mal leider keine Rede sein. Der Höhepunkt klingt dann ein wenig schrill, es fehlen sowohl die klangliche Aura (Glanz) als auch die Substanz (z.B. die Bässe).
Der Mono-Klang wirkt recht offen. Das Rauschen ist gering. Es fehlt jedoch an Transparenz, an Volumen, am Bass und die Dynamik wirkt schmal.
Noch ein paar Hinweise zur Besetzung. Rudolf Schock, damals ein Star in deutschen Landen war der Lohengrin. Er ist kein echter Heldentenor, konnte aber die Partie als „lyrischer“ Tenor in Belcanto-Manier ausfüllen. Angenehm ist die Wärme, die seine Stimme vermittelt, weshalb er bei einigen Hörer als zu „schmalzig“ rüberkommen könnte. Makellos bleibt seine Atemtechnik und sein schönes Legato verdient Respekt. An Sandor Konya kommt er nicht heran. Die weitere Besetzung ist ebenfalls interessant: Maud Cunitz als Elsa wurde damals häufig verpflichtet, Josef Metternich war ein lyrischer aber draufgängerischer Telramund und Margarete Klose erneut eine respekteinflößende Ortrud. Heute wäre jede Staatsoper überglücklich, wenn sie so ein Quartett aufbieten könnte.
Einspielungen aus Wien:
5
Rudolf Kempe
Wiener Philharmoniker
EMI, Warner
1962
8:26
GA Die Gesamtaufnahme gilt weltweit als bester Kompromiss (oder besser als goldener Schnitt) von dirigentischer Klasse, Orchesterqualität, Gesangsleistungen und nicht zu vergessen, da dies besonders für das Vorspiel wichtig ist, Klangqualität. Zur Aufnahme fand man sich im Theater an der Wien ein.
Die Philharmoniker spielen sehr deutlich und klar, schillernd, jedoch lebendiger als mit Böhm (1980) und wunderbar farbig und leuchtkräftig. Jede Stimme wirkt wohlkonturiert. Bei aller Ruhe wird untergründige Leidenschaft spürbar, was nur in den seltensten Fällen gelingt. Bei Thielemann gelingt es auch, besonders in Berlin und Philadelphia. Die weit ausgefahrene Dynamik toppt sogar die über 20 Jahre jüngere Aufnahme mit Georg Solti und die fast 20 Jahre jüngere mit Karl Böhm. Besonders bestechen die reine Artikulation und Intonation der Wiener Violinen.
Der Klang der Aufnahme ist weich und voll, wie man ihn damals häufiger aus Wien hören konnte (zu erinnern wäre an die 5. Schostakowitsch mit Silvestri oder an die „Semiramide“-Ouvertüre mit Sir Malcolm Sargent. Von den zahllosen Decca-Aufnahmen ganz zu schweigen.) Körperhaft, wunderbar räumlich und warm, wohltuend nicht nur für die Ohren, auch für das Herz. Die Dynamik kann man als herausragend bezeichnen, nicht unbedingt in dB zu messen, aber im Grad des Mitreißens.
Eine Jahrhundertaufnahme schon das Vorspiel. Die übrige Besetzung ist zwar nicht über jede Kritik erhaben, die Geschmäcker sind ja meistens ganz verschieden, aber über alles gehört gibt es kaum Besseres. In Teilen vielleicht schon.
Jess Thomas als Lohengrin singt verständlicher als zuvor in Bayreuth, hat aber Intonationsprobleme. Elisabeth Grümmer stimmlich leicht verklärt und ätherisch, andererseits etwas hausbacken kommt vielleicht gerade deshalb für manch einen Wagner-Melomanen dem Ideal ziemlich nah. Mittlerweile trägt sie jedoch viel Vibrato mit sich rum. Andererseits gibt es erhabene Momente durch sie. Die beiden Bösewichte mit ihrem diabolischen Ränkespiel sind die eigentlichen Höhepunkte. Der Telramund Dietrich Fischer-Dieskaus, eigentlich kein geborener „Heldenbariton“, etwas zu intellektuell aber mit ordentlich Biss und Durchhaltevermögen und Christa Ludwig als „unüberbietbar doppelzüngige“ Ortrud, eine diabolische Ränkeschmiedin par excellence. Das Ganze wird gekrönt von Kempe und den Philharmonikern zu einem brillanten Stück Erzählkunst, abwechselnd mal spannend, mal schön, mal herzergreifend.
5
Georg Solti
Wiener Philharmoniker
Decca
1985 und 86
9:46
GA Solti stellt das Vorspiel bis zum Höhepunkt bei T. 50 ff als ein wunderbares Crescendo dar. Mit einem ziemlich getragenen Tempo lassen es die Wiener richtig ins Leuchten kommen. Solti sorgt für expressive Lebendigkeit. Der sinnliche Aspekt geht ihm vor leiser Magie. Die Violinen agieren dabei weniger ätherisch als ausdrucksvoll. Anämische Dürre ist ihre Sache (und Soltis Sache) nicht. Irisierende, glänzende Farbigkeit schon eher. Mit dem Einsatz der übrigen Streicher und der vier Hörner steigert sich der Orchesterklang schon zu einer üppigen Opulenz. Sehr hohe, ungebremste Dynamik beim Einsatz des kompletten Blechs bei T. 50, mehr noch, wenn auch die Pauke noch dazukommt (T. 53). Man spielt intonationsrein, was wohl nirgendwo wichtiger und zugleich herausfordernder als beim Lohengrin-Vorspiel ist. Nur ganz am Ende wackelt es ganz leicht.
Der Klang ist offener, körperhafter und transparenter, vor allem auch dynamischer als bei der Abbado-Aufnahme der DG. Mit der Kempe-Aufnahme hat sie den besten Klang wenn es um die Wiener-Einspielungen geht.
Das Vorspiel lässt von der noch folgenden Oper das allerbeste erwarten und es wäre vielleicht mehr als nur eine Verheißung geblieben, wenn man die beiden Hauptrollen nicht mit nur radebrechend deutsch singenden Protagonisten besetzt hätte. Placido Domingo hat nur gute Kritiken bekommen, wo man selbst kein Deutsch verstehen kann. In den USA oder in Großbritannien etwa. Man glaubt kaum, dass er ein Wort von dem versteht, was er singt. Andererseits kommt er ja aus Montsalvat, vielleicht spricht man dort ja genau die Sprache, die Herr Domingo da singt, wir können es ja gar nicht wissen. Jessye Norman mit ihren schier endlosen Stimmreserven, verschluckt aber sozusagen alle Konsonanten, sodass man ebenfalls kein Wort versteht. Das wirkt eleganter als bei Domingo, der den Text geradezu zermalmt. Eva Randova wunderte sich noch Jahrzehnte später, warum man ihr als Ortrud eine Kollegin zur Seite gestellt hat, die selbst schon fast eine Ortrud war. Die Aufnahme stand unter keinem guten Stern, denn sie musste 1985 unterbrochen werden, weil Herr Domingo während der Aufnahme-Sitzungen bei einem Erdbeben in Mexiko City Verwandte verlor und dorthin reisen musste.
5
Karl Böhm
Wiener Philharmoniker
DG
1980
9:49
Wenn man den aufgedruckten Daten glauben darf entstand die Aufnahme 1980, als sich Karl Böhm in seinem 86sten Lebensjahr befand, also ungefähr ein Jahr vor seinem Tod. Der Gestus wirkt ruhevoller als bei Kempe, Solti und Abbado. Die Wiener engagieren sich aber auch für ihren „Altmeister“ sehr. Dieses Mal wirkt die Schönheit eher seraphisch, schöner geht es wohl kaum noch. Es klingt jedoch nicht so spannend wie bei Solti und nicht so transparent wie bei Abbado nur ein paar Jahre später. Die Übergänge sind gekonnt gemeistert, das Blech hat ordentlich Kraft für den Höhepunkt. Vom Klangbild her wirkt er jedoch indifferenter, scheint dem Bayreuther Mischlang angenähert. Andererseits öffnet das Blech schön den Raum. Böhm führt die Philharmoniker noch etwas intonationsgenauer bis zum Ende als Solti.
In Böhms Aufnahme öffnet sich der Raum sehr schön in die Tiefe hinein. Die Analogtechnik zeichnet die Violinen schön weich und rund und belässt ihnen genau das richtige Maß an schillernder Leuchtkraft. Die Dynamik ist gut.
4-5
Karl Böhm
Orchester der Wiener Staatsoper
Orfeo
1965, live
10:00
GA mono Von Karl Böhm gibt es hervorragende Gesamtaufnahmen von Wagner-Opern. Denken wir nur an den Ring, Tristan und Isolde oder den Fliegenden Holländer. Da war er immer fesselnd. Lohengrin hat er nie für die Platte oder CD eingespielt. Immerhin gibt es diesen Live-Mitschnitt des ORF von 1965. Dass sie nur wenige Jahre nach Kempes Platteneinspielung entstanden ist, bemerkt man auch an den Doubletten bei den Sängern: Jess Thomas (auch bei Sawallisch in 1962 Bayreuth dabei) und Christa Ludwig sind ebenfalls wieder mit von der Partie. Doch zunächst einmal zum Vorspiel.
Böhm wählt schon 15 Jahre vor der Einspielung für die DG ein recht langsames Tempo, er kommt aber nicht ins schleppen und hält die Spannung. Auffallend ist der starke Ausbruch beim Höhepunkt, durchdringender als bei der DG-Aufnahme. Da werden wirklich mal alle Kräfte mobilisiert, dennoch bleibt der Klang nobel. Die Intonation ist im Graben nicht so klar und rein wie im „Studio“. Man merkt gerade gegen Ende des Vorspiels, wie heikel es zu spielen ist. Auch für das Wiener Edelorchester.
Klanglich hat die Aufnahme des ORF nicht den Hauch einer Chance gegen die EMI-Aufnahme Kempes. Immerhin hat sie einen echten Bass, sie bietet jedoch wenig opalisierenden Klangzauber.
Die Sängerriege allerdings könnte fast ein Patt mit der legendären Kempe-Aufnahme erreichen. Jess Thomas ist ja wieder dabei, er bietet durch die Live-Situation eher noch mehr Drama als bei Kempe. Elisabeth Grümmer finden ja viele sowieso unschlagbar, Claire Watson als Elsa wirkt aber auch ziemlich bezaubernd. Christa Ludwig ist auch wieder dabei, erneut überragend. Walter Berry (auch im richtigen Leben mit Frau Ludwig verheiratet) als Telramund wirkt in dieser Rolle vielleicht etwas zu weich, er singt aber klar und frisch. Darstellerisch muss er wohl alle Register gezogen haben. Der „Hammer“ ist ja die „Zweitbesetzung“, die wir zwar in der Aufnahme nicht hören, die aber überall sonst auf der Welt eine Traumbesetzung gewesen wäre. Da waren u.a. James King, Astrid Varnay und Gustav Neidlinger mit dabei. Noch Fragen?
4-5
Wilhelm Furtwängler
Wiener Philharmoniker
EMI-BnF, Naxos
1952 oder 54?
9:44
Mono Neben dieser Einspielung Furtwänglers mit den Wiener Philharmonikern aus dem Musikvereinssaal gibt es noch eine weitere mit ihm und dem Lucerne Festival Orchestra. Es beginnt bereits mit lauten Einsätzen von Flöten und Oboen. Es wird jedoch im folgenden Verlauf klar, dass das ganze Vorspiel laut und deutlich gespielt wird. Wichtig ist letztlich besonders, dass die Relationen stimmen. Furtwängler lädt es ziemlich expressiv auf, sodass es auf seine Art atmosphärisch-sinnlich wirkt. Bei Furtwängler sehnsuchtsvoller und emotional stärker aufgeladen als üblich. Den Höhepunkt nimmt Furtwängler majestätisch-getragen. Den gesamten Lohengrin hat uns der Dirigent nicht hinterlassen, auch nicht einen live nachträglich aus irgendwelchen Privatarchiven ans Tageslicht beförderten. Obwohl er in Bayreuth an insgesamt sieben Spielzeiten im Graben tätig war: 1931, 1936–37, 1943–44, 1951, 1954 und sechs verschiedene Opern Wagners dabei dirigierte.
Für eine von einer alten LP aus Beständen der Bibliothèque National de France digitalisierten Stream klingt das Orchester erstaunlich voll und dynamisch. Wahrscheinlich würde aber das moderne Mastering von Naxos den alten Klang in einem moderneren, aufgelichteten Glanz erscheinen lassen, so unsere Vermutung.
4-5
Claudio Abbado
Wiener Philharmoniker
DG
1992
8:22
GA Claudio Abbado hat lange darüber nachgedacht, welche seine erste Wagner-Oper sein soll, die er für die DG aufnehmen könnte. Er soll im Laufe der gesamten Spielzeit häufiger mal grandios zur Sache kommen, dem Vorspiel nähert er sich eher behutsam. Lohengrin ist übrigens die einzige Wagner-Oper in seiner reichhaltigen Diskographie geblieben. Die mystisch-religiöse Aura kommt sehr wohl zu ihrem Recht, dafür sorgen Abbados Sensibilität und das feine Spiel der Wiener Philharmoniker. Die Violinen sind erneut in ihrem Element. Auffallend ist, dass er nur wenig Sinn für die Dramatik des Stückes übrighat, dazu höre man nur einmal die zeitlich nur ein paar Jahre zuvor entstandenen Einspielung mit Georg Solti. Da kommt die mystische Handlung ungleich plastischer und theaterwirksamer zur Geltung, man könnte auch schreiben eindringlicher. Bei Abbado vollzieht sich der Übergang der Macht des Grals sehr introvertiert. Er nutzt die Dynamik des Orchesters nicht aus. Das eher schnelle Tempo erleichtert ihm jedoch das Erstellen eines schönen Bogens, der über das gesamte Vorspiel gespannt wird.
Die gesamte Oper hat in dieser Einspielung nur durchwachsene Kritiken bekommen. Man kritisierte, dass die psychologische Ausdeutung nur an der Oberfläche geblieben wäre und dass die Sängerbesetzung mit Ausnahme von Kurt Moll nicht an die besten Ensembles der Vergangenheit heranreichen würde. Siegfried Jerusalem hatte überhaupt nur eine kurze Zeit eine gute Wagner-Stimme, Cheryl Studer singt recht klar und manchmal ohrenbetäubend laut. Die Ortrud von Waltraud Meier immerhin hat ordentlich Biss und einen außerordentlichen, fast „italienischen“ Klang. Hartmut Welker ist ein knurrender Telramund.
4
Zubin Mehta
Wiener Philharmoniker
Decca
1966
8:59
Unter dem gerade einmal 25jährigen Zubin Mehta wirkt das Spiel der Philharmoniker weniger klar als bei Kempe, Solti oder Abbado. Das mag aber an der Aufnahmetechnik liegen und der doch schon betagten LP, die wir abgespielt haben. Die Wiener Violinen könnten jedoch auch bei Mehta kaum schöner klingen. Als ganzes wirkt das Vorspiel etwas glatt und weniger vielfältig durchscheinend und einen Hauch weniger tiefgründig als bei den älteren Kollegen Kempe, Böhm oder Solti.
Wie alle anderen Einspielungen der Philharmoniker klingt auch die 66er Decca aus dem Sophiensaal sehr gut. Auch dieses Mal wird das Vorspiel zum Leuchten gebracht und der Höhepunkt klingt sehr dynamisch. Die Platte war indes schon ein wenig abgespielt. Sie enthält, das nur ganz nebenbei noch ein paar weitere Vorspiele Wagners und „Les Préludes“ von Franz Liszt.
Einspielungen aus dem übrigen Europa:
5
Otto Klemperer
Philharmonia Orchestra London
EMI
1960
9:54
Die beiden Philharmonia-Aufnahmen von Klemperer und Boult haben wir hintereinander gehört. Beide klingen hervorragend und man kann das Orchester zweifelsfrei als dasselbe erkennen. Im Detail wirkt die Einspielung Klemperers jedoch noch etwas expressiver, eindringlicher phrasiert und als Ganzes sozusagen würdevoller. Dazu mag das langsamere aber kaum getragener wirkende Tempo auch einen kleinen Teil beigetragen haben. Völlig überraschend wirkte der Klang des Orchesters, obwohl die alte EMI nun schon fast 65 Jahre auf dem Buckel hat. Sie klingt wunderbar schwebend, singend, atmend, luzide und auf eine besonders eindringliche Art leuchtend. Noch mehr überraschte der außerordentlich homogene Einsatz der Holzbläser bei T. 20. Wer den Klang der Philharmonia-Oboe dieser Zeit kennt der weiß, dass das fast schon einer göttlichen Fügung gleichkommen muss. Zu keiner Sekunde platzt sie im Lohengrin-Vorspiel heraus. Wunderbar transparent erklingt das Gewebe der Violinen und später auch der übrigen Streicher. Die Hörner bei T. 36 werden etwas deutlicher hervorgehoben als es sonst üblich ist, das wirkt sehr schön und verleiht diesem Augenblick eine gewisse ehrfürchtige Würde. Die Violinen hebt Klemperer dabei ganz sachte dynamisch ein wenig an, dass sie auch weiterhin gut hörbar bleiben. Den Höhepunkt schließlich hört man nur ganz selten so erhaben und strahlend, dabei herrlich kraftvoll und durchdringend wie bei Klemperer. Von einem abgedämpften Bayreuth-Effekt will Herr Klemperer offenkundig nichts wissen. Er war selbst auch nie Dirigent in Bayreuth. Das Blech des Philharmonia zeigt sich von seiner allerbesten Seite. Eine wirklich selbst bereits ehrwürdig zu nennende Orchesterleistung, die bis zum Ende andauert. Wenn man uns zwingen würde, uns für eine einzige Aufnahme des Lohengrin-Vorspiels entscheiden zu müssen, würden wir diese wählen. Um dann heimlich doch noch eine Karajan, eine Kempe (wahrscheinlich die aus Wien, wegen des besseren Klangs) und eine Thielemann (aus Berlin oder Philadelphia) einzustecken.
Den Klang des Philharmonia Orchestra hört man aus dieser Zeit nur selten so wunderbar transparent, offen und nuancenreich. Es ist noch körperhafter ausgenommen worden als bei Boult von 1971. Der gesamte Klang hat was Schwebendes, was dem Lohengrin-Vorspiel besonders gut ansteht. Er wirkt aber auch sehr sinnlich und verführerisch und hat eine sehr weite Dynamik zu bieten. Man mag es kaum glauben, es war keine sündhaft teure Spezialpressung aus Japan, sondern die normale sogar damals noch recht günstige „Recordings of the Century“-Ausgabe.
5
Sir Adrian Boult
New Philharmonia Orchestra London
EMI
1971
8:22
Sir Adrian ist als Wagner-Dirigent nicht gerade hervorgetreten, so gibt es auf Platte außer der einschlägigen Sammlung von Ouvertüren, Vorspielen und Orchesterstücken nichts zu entdecken, schon gar keine Gesamteinspielung einer Oper. Trotzdem erfüllt die Einspielung des Lohengrin-Vorspiels alle Anforderungen, die man sich an sie ausdenken kann. Das Spiel der Violinen wirkt außerordentlich klar und deutlich, klangschön, intonatorisch rein und gut phrasiert. Das Holz setzt bei T. 20 wie schon bei Klemperer makellos (!) und fast unhörbar ein, es spielt wie ein Instrument. Man fragt sich instinktiv, wie sie das machen, denn durch die einschlägig berühmt-berüchtigte Oboen dürfte das eigentlich gar nicht gelingen. Fast unmerklich setzen auch bei T. 36 die Hörner und die tiefen Streicher ein, ohne dass das durchweg sanfte, atmende Spiel, das viel Wärme verströmt irritiert werden würde. Die Erhabenheit Klemperers erreicht Boult dabei nicht ganz, er entgeht aber jedem Verdacht von Glätte im Vortrag. Der Aufbau bis zum strahlenden Höhepunkt gelingt dynamisch sehr gut. Man hat das Gefühl, dass man von unten nach oben mitgenommen wird. Beim pp-Einsatz, der übrigens enorm anfällig für mehr oder wenige heftige Intonationsprobleme ist, spielen einzig die Trompeten ihr pp ein wenig zu vorwitzig, sodass man sie aus dem Gesamtklang heraushört. Selten hört man das Lohengrin-Vorspiel einmal so klar und stringent, ohne dass dabei eine gewisse Erwärmung von Herz, Gemüt oder Seele (wie auch immer man die Wirkung verständlich ausdrücken will) unterbliebe.
Der Klang wirkt transparent, licht, körperhaft, voll, weich und plastisch. Die Tiefenstaffelung ist gut, der Gesamtklang schwebend und wie bei Klemperer ebenfalls sehr sinnlich. Man meint fast, das Philharmonia hätte eine Schwäche für das Lohengrin-Vorspiel.
5
Igor Markewitsch
Lamoureux-Orchester, Paris
DG
1958
8:59
(Mono) Gegenüber der 1990er Einspielung von Janowski, die ebenfalls aus Paris zu uns kommt, erscheint die von Igor Markewitsch im Tempo angemessener. Der Gestus ist immer noch lebendig, bleibt aber zugleich auch noch innig. Die Violinen präsentieren ein präzises und homogenes Spiel. Der Einsatz des Holzes gelingt ebenso homogen, kein einzelnes Instrument ist heraushörbar, wichtig ist, dass man einen leuchtenden Gesamtklang erhält, der nichts mehr von seiner Faktur verrät. Sonst geht die Magie schnell dahin. Auch bei den französischen Orchestern der 50er Jahre wäre die Oboe als „Magie-Zerstörer“ oder „Entzauberer“ dafür infrage gekommen. Dieses Mal nicht. Das Musizieren wirkt bei Markewitsch recht gespannt, aber nicht überspannt. Der Höhepunkt strahlt sehr schön, mit viel Glanz im Blech. Auch Markewitsch, selbst ebenfalls nie Dirigent in Bayreuth gewesen, versucht den Bayreuth-Klang nicht nachzuahmen. Das Lamoureux bestätigt erneut seinen Ruf, in den 50er und 60er Jahren das beste Orchester Frankreichs gewesen zu sein. Besonders wenn Igor Markewitsch am Pult stand. Auch mit Wagner. Die Violinen spielen intonationssicher bis zum Ende.
Unser Stream klang noch etwas bedeckt, von der originalen CD, falls es die überhaupt abseits der dicken Boxen überhaupt gab, mag es offener klingen. Transparenz und Farbigkeit ist in hohem Maß gegeben.
4-5
Wilhelm Furtwängler
Schweizerisches Festivalorchester (heute: Lucerne Festival Orchestra)
EMI, Warner, Testament
1947
8:59
MONO Etwas zügiger aber kaum weniger spannend als später in der zweiten Aufnahme in Wien schlägt Furtwängler in Luzern das Tempo an. Dass es auf die Sekunde genau mit Markewitschs Spieldauer übereinstimmt, ist sicher nur Zufall. War in Wien der Einsatz von Flöte und Oboe noch sehr laut (T. 1 und 3, trotz notiertem pp) so ist davon in Luzern gar nichts zu hören. Vom Holz hört man in Luzern erst T. 20 etwas. Da die Luzerner Aufnahme neu aufbereitet wurde, klingt sie (obwohl live) sogar noch transparenter als die spätere Aufnahme in Wien unter Studiobedingungen. So kann man den hervorragenden Klang des schweizerischen Adhoc-Orchesters genießen. Das Blech steht den Wienern nicht nach und bereitet einen erhabenen Höhepunkt. Die Präzision des Ganzen ist aber nicht überzubewerten (Becken!). Auch die Streicher schwächeln ganz am Ende intonatorisch.
Der Mono-Klang ist sehr deutlich und bietet sogar schon den Anflug von räumlicher Anmutung.
4-5
Jewgeni Mrawinsky
Leningrader Philharmoniker
Erato
1978
8:04
Diese Einspielung erfolgte Live in der Leningrader Philharmonie. Die Violinen klingen sternenklar, sie spielen aber leider nicht gerade sauber. Zudem wird das Spiel immer wieder von Geräuschen aus dem Publikum gestört. Dennoch gelingt dem damals 75jährigen Mrawinsky eine kontinuierliche Steigerung mit viel Spannung. Zugleich wirkt das Spiel auch recht schwungvoll, was man beim Lohengrin-Vorspiel nur ganz selten mal hört. Das Holz lässt sich erstaunlich homogen hören, ist aber leider nicht gut durchhörbar, hebt sich also kaum vom Streicherteppich ab. Das Spiel ist deutlich auf den Höhepunkt hin ausgerichtet. Mrawinsky baut, wie erwartet keinen Bayreuth-Sfumato-Effekt ein, sondern lässt das Blech mit aller Urgewalt erklingen. Das sollte man einmal gehört haben. Wagner durch die Brille Schostakowitschs sozusagen. Der Höhepunkt ist einer der eindrücklichsten überhaupt. Er geht durch Mark und Bein. Die Violinen spielen auch das heikle Ende nicht ganz sauber. Vor allem die vier Soloviolinen nicht. Dass Wagner nicht das Alltagsgeschäft des Orchesters war, das kann man der Einspielung anhören.
Der Klang wurde sehr direkt aufgenommen und hat sehr wenig natürlichen Raumanteil. Man hört sehr viel vom Publikum, wie immer nichts Gutes. Die Aufnahme ist nicht gerade transparent, wirkt aber dynamisch und frisch.
4-5
Yuri Simonov
Philharmonia Orchestra London
Windsong, Brilliant, Regis
1991
10:33
Diese Einspielung entstand in der Woodhall in London. Von Yuri Simonov (wie von Sir Adrian Boult) sind im Westen keine Einspielungen von Wagner-Opern bekannt geworden, dabei war er in der Zeit als er Dirigent am Bolshoi-Theater in Moskau war, dort für die Wiedereinführung des Wagner-Repertoires zuständig. Er schlägt zwar nicht das langsamste Tempo überhaupt an, es wirkt jedoch schon gewagt langsam. Dies ist ja nun schon die dritte Einspielung des Philharmonia Orchestra (nach Klemperer und Boult) und man kann sagen, das Lohengrin-Vorspiel liegt ihm ausgezeichnet. Der weiche, klare und fein-sinnliche Ton der Londoner Geigen spricht da schon für sich. Langsam und getragen und fast körperlos verströmt er von Anfang an eine zauberhafte Stimmung. Dabei adelt zugleich auch ein besinnlicher oder sogar bescheidener Unterton den Beginn. Zart und zurückhaltend. Das Holz gesellt sich dezent zu den Violinen, ohne dass sich ein Instrument heraushebt. Die dünne und harte Oboe zählt 1991 sowieso bereits zur Vergangenheit. Immer wieder wird man ans Parsifal-Vorspiel erinnert, das fühlt sich ähnlich langsam an. Simonov bleibt dem einmal gewählten Tempo treu und treibt nicht auf den Höhepunkt zu. Das Blech bleibt bei demselben (ab T. 50) hintergründig und wirkt daher wenig triumphal. Bei dieser Einspielung gebührt den Violinen eindeutig die Krone, wenn man eine Instrumentengruppe auszeichnen wollte. Man könnte einwenden, dass es ein bisschen weihrauchgeschwängert klingen würde und tatsächlich war die Farbe, die in uns aufkam nicht das von Wagner gewünschte blau, sondern eher ein dunkles Grau oder sogar Schwarz. Wobei es der Aufnahme eigentlich nicht an Farbe fehlt. Das Orchester spielt klangvoll, präzise und gefühlvoll bis zum Ende. Auch intonationssicher.
Der Klang der Aufnahme ist breit angelegt und recht üppig. Leider erscheint das Orchester etwas weit abgerückt, also entfernt. Etwas mehr Präsenz hätte der Aufnahme gutgetan. Das Orchester klingt streichergesättigt, während Holz und Blech etwas zu leise abgemischt erscheinen. Es stellt sich besonders beim Höhepunkt ein gewisser Bayreuth-Effekt ein (Blech für den Zuhörer hintergründig und eher zu leise, während im Orchester selbst ein Blech-Orkan wütet, der Klang des Bleches wird ja im Graben sozusagen halb eingesperrt).
4-5
Fabio Luisi
Philharmonia Zürich (ist das Orchester der Oper Zürich)
Accentus Music
2014
8:54
Aufgenommen wurde im Goetheaneum in Dornach/Schweiz, einem Kongresszentrum. Sehr viel leiser als in der historisch gesehen letzten Einspielung des Vorspiels mit einem schweizerischen Orchester mit Ernest Ansermet lässt Fabio Luisi die Musik beginnen und wir hören zartes, sauberes und fein nuanciertes Spiel. Emotional bewegt, aber doch Ruhe ausstrahlend. Das homogene Holz ab T. 20 ff wird deutlich abgegrenzt von den Violinen, sodass es sozusagen keine klanglichen Überschneidungen gibt. Deutlich aber nicht laut und angemessen auratisch. Die Violinen spielen ihren Part mit größter Gleichmäßigkeit und einer gewissen Spannung. Der Höhepunkt ab T. 50 ff wirkt weich, durchdringend, sozusagen gewaltfrei, ohne die Wucht, die ein Christian Thielemann dieser Passage angedeihen lässt. Bestechend hingegen immer der homogene, weiche Klang der Violinen. Zur Zeit der Aufnahme stand das Orchester der Oper dem Tonhalle Orchester anscheinend in nichts nach. Die Intonation gelingt perfekt bis zum Schluss.
Der Klang der Aufnahme ist räumlich, differenziert, hat eine gute Tiefenwirkung und eine hohe Transparenz. Der weiche Klang der Violinen bezaubert besonders. Die Dynamik geht (mit Ausnahme des „wuchtlosen“ Höhepunkts, da kann man nicht sicher sein ob der so abgeschwächt gewünscht war oder technisch begrenzt ist) in Ordnung. Die Basslinie ist vorhanden, insgesamt wirkt der Klang jedoch schlank und natürlich.
4-5
Marek Janowski
Orchestre Phiharmonique de Radio France
Virgin
1990
7:43
Marek Janowski war von 1984 bis 2000 Chef des Französischen Rundfunkorchesters und führte es zu dieser Zeit zu beträchtlichem Ansehen. Nicht wenige behaupten, es sei seitdem das beste Orchester Frankreichs. Diese Einspielung könnte davon bereits Zeugnis ablegen. Die Violinen spielen rein, schön leise und in zügigem Tempo. Die Crescendi betont Herr Janowski ziemlich stark, was die Musik etwas verlebendigt, aber auch den zauberhaften Klang in seiner Ruhe beeinträchtigt. Beides scheint sich in gewisser Weise, wenn man eines von beidem überbetont, auszuschließen. Bei Janowski bleibt der Klangzauber auch durch das schnelle Tempo noch erhalten, der Effekt des Mystischen wird jedoch minimiert, sodass man von einer gewissen Versachlichung schreiben muss. Das Holz steigt anders als in Berlin 20 Jahre später nicht unmerklich ein, aber auch nicht ruckartig wie bei Barenboim in Chicago. Wie in Cleveland bei Welser-Möst (und nur sehr wenigen anderen) spielt eine Stimme (wir vermuten die Bassklarinette und das Englischhorn) wie nebenher, sehr leise sodass man es nicht genau verifizieren kann, welches Instrument es ist, aber hörbar und störend. Erst wenn die Hörner und die übrigen Streicher einsetzen wird das Instrument übertönt. Das Orchester als solches befand sich in einem vorzüglichen Zustand, die Violinen spielen sinnlich bis zum Ende und werden nicht überprominent hervorgehoben.
4-5
Karel Ancerl
Tschechische Philharmonie Prag
Supraphon
1960
8:11
In Prag klingen die Violen anno 1960 noch ziemlich hell und die Homogenität hat noch nicht das heutige Niveau. Es flackert ein wenig, was drauf hindeutet, dass das Vibrato nicht ganz genau abgestimmt worden ist. Der von Wagner gewünschten Gleichmäßigkeit, die sich nicht nur auf das Tempo zu beziehen scheint, entspricht das nicht ganz. Das Holz wirkt hingegen sehr homogen, kein einzelnes Instrument spitzt aus dem Holzbläsersatz heraus. Besonders erhebend ist der Eindruck, wenn sich die vier Hörner bei T. 36 anschließen (mit den tiefen Streichern), dann kommt auch mehr Wärme in den Gesamtklang. Damit war die Tschechische Philharmonie noch lange nicht so gesegnet wie heutzutage. Beim Höhepunkt spielt das Blech sauber und klar, das Schlagzeug darf mehr Dezibel beisteuern, während die Trompeten deutlich gedeckter klingen als auf anderen Einspielungen mit Karel Ancerl. Die Violinen klingen mittlerweile übrigens deutlich voller und ruhiger als zu Beginn. Anscheinend waren sie noch nicht so richtig eingespielt. Die Flageoletts am Ende klingen wieder ein wenig rau, bleiben aber intonationssicher.
Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent, ja luftig, was dem Vorspiel eigentlich guttut. Dass die Violinen vor allem anfangs etwas rau klingen hat anscheinend keine klangtechnischen Gründe. Dem ganzen Klangbild fehlt es an Sonorität, was vor allem den älteren CD-Transfers bei Supraphon eigen ist. Eine neuere Überspielung als unsere würde sehr wahrscheinlich voller klingen
4-5
André Cluytens
Orchestre du Théâtre National de l´Opéra de Paris
EMI-BnF
1959
7:59
Ein Jahr nach der von Myoto veröffentlichten Live-Aufnahme aus Bayreuth nahm der belgisch-französische Dirigent eine Reihe von Ouvertüren und Vorspielen Wagners für EMI auf. Unser Medium war erneut eine alte Mono-LP aus den Beständen der Bibliothèque National de France. Warum man dort anscheinend vornehmlich Mono-Platten gehortet und jetzt zur Verfügung gestellt hat, wissen wir nicht. Vielleicht weil es die Erstausgaben waren? Ein paar Jahre später hätte es die Aufnahmen meist auch als Stereo-LPs gegeben. So verhält es sich leider auch beim Lohengrin-Vorspiel mit Cluytens.
Er lässt die Pariser Musiker etwas zügiger spielen als das Orchester aus Bayreuth. Die Violinen klingen behutsam, leise und durchaus mit Glanz, wenngleich der Klang der alten Platte etwas dumpf wirkt. Das Holz der Pariser Oper spielt dabei lange nicht so intonationssicher wie das Lamoureux Orchester unter Igor Markewitsch. Das Blech beim Höhepunkt spielt beileibe nicht schlecht, das Lamoureux wird allerdings in Lautstärke und Intensität nicht erreicht. Ein wenig überrascht waren wir von der sauberen Intonation der Streicher bis hin zum heiklen Schluss.
Wir gesagt stellt die BnF sehr gerne die Original-Mono-LPs aus ihren Beständen zur Digitalisierung zur Verfügung. Das war lange löblich da es Jahrzehnte brauchte bis viele alte Einspielungen schließlich als CD vorlagen. Da wurden echte Lücken geschlossen. Auf dem neuesten Stand ist man damit jedoch nicht mehr. Gegenüber dem Mitschnitt aus Bayreuth erfreut man sich allein schon daran, dass es kein Husteninferno gibt. Es fehlt aber auch das typische Knacken, das beim Abspielen der LPs meistes entstanden ist und die Aufnahme rauscht nur sehr wenig. Man könnte also zufrieden sein. Unterdessen liegt die Aufnahme jedoch auch in Stereo als CD vor. In der Warner-Box mit Cluytens und auch in einer Testament-Ausgabe.
4-5
Sir John Barbirolli
Hallé Orchestra, Manchester
Pye
1959
7:47
Sir John hat das Lohengrin-Vorspiel zwei Mal eingespielt. 1946 für EMI (Mono) und 1959 für Pye in Stereo. Die neuere Einspielung gefällt erheblich besser, nicht nur klanglich. Das Spiel der Violinen weist nun nicht mehr das viel zu weite, ausladenden Vibrato auf, das die 46er ziemlich unleidlich macht. Sie spielen 1959 eindringlicher und haben natürlichen Fluss, obwohl das Tempo ganz schön flott ist. Sie artikulieren fein und klingen schon recht homogen. Ein wenig dünn und dieses Mal ein wenig wackelig klingt das Holz. Sehr schön gelingt dann wieder der Eintritt der Hörner und der tiefen Streicher. Nun ergibt sich ein weicher und homogener Orchesterklang. Der Höhepunkt wird nicht künstlich zurückgehalten oder künstlich abgedämpft, das wird ein ordentliches ff erzielt, dem es an nichts fehlt.
Das Rauschen der Aufnahme hält sich 1959 in Grenzen, es wirkt nicht aufdringlich. Ansonsten ist die Aufnahme ungestört. Das Orchester klingt natürlich, viel transparenter und offener als 1946. Aber das ist ja kaum eine Überraschung.
4-5
Antal Dorati
London Symphony Orchestra
Mercury
1959
9:22
Bei Antal Dorati, dem LSO und Mercury hören wir überaus nah positionierte und strahlende Violinen. Allerdings spielen sie mitnichten pp oder p, sie sind also zu laut, wobei die dichte Mikrophon-Positionierung und die dadurch resultierende Präsenz sicher zum Teil auf die Aufnahmetechnik zurückzuführen ist. Die Crescendi führen bei Dorati zu einer deutlichen Dramatisierung. Bei T. 20 erfolgt ein lauter Einstieg des Holzes, also nicht unmerklich und ebenfalls nicht im vorgegebenen p. Bei T. 36 erfolgt ein starker Auftritt der tiefen Streicher, wobei die Celli etwas hervortreten dürfen. Die Streicher steigern ihr Espressivo unterdessen immer mehr. Der Höhepunkt lässt das Blech vorbehaltlos ff erklingen, wobei das Becken nicht zurücksteht. Das Holz bei T. 68 kommt ebenfalls robuster als bei Wagner-Spezialisten. Insgesamt spielt das LSO untadelig, das spezielle „Lohengrin-Vorspiel-Feeling“ will sich jedoch nicht einstellen. Dorati macht daraus eine sinfonische Dichtung und achtet mehr auf Deutlichkeit und diesseitige Kraftentfaltung als auf die spezifische Magie. Bei der Tannhäuser-Ouvertüre oder bei der Ouvertüre zu „Der Fliegenden Holländer“ (sehr gelungene GA bei Decca) fühlt sich Doratis Temperament deutlich heimischer.
Der Klang ist Mercury-typisch sehr präsent, transparent und detailreich. Dieses Mal rauscht es nur leicht.
4-5
Hans Knappertsbusch
Tonhalle Orchester Zürich
Decca
ca. 1948
8:18
MONO Das Tempo in der älteren Aufnahme aus Zürich ist noch etwas langsamer als in den beiden Einspielungen aus München (1962 und 1963), aber immer noch flott. Wenn man den breiten Parsifal von 1962 aus Bayreuth noch im Ohr hat, würde man nie auf Hans Knappertsbusch als Dirigent des Vorspiels tippen. Der Gestus ist nichtsdestotrotz recht ruhevoll und die Violinen klingen schon recht weich. Der Eintritt der Holzbläser gelingt schon unmerklich und bei T. 38 treten die dunkleren Register der Streicher gegenüber den anderen Einspielungen der Mono-Zeit schon schön deutlich hervor. Der Höhepunkt wird sauber intoniert und recht breit genommen mit einer erstaunlich weichen, sachten Wirkung. Es wird nichts kraftmeierisch herausposaunt. Das Orchester befindet sich in einem besseren Zustand als die beiden Münchner Orchester in der Nachkriegszeit. Vielleicht hatte Herr Knappertsbusch aber auch nur mehr Muse zu proben.
Das Orchester klingt bereits recht offen und ausgewogener als beim Mitschnitt aus der Bayerischen Staatoper 1963, aber nicht wirklich gut. Es rauscht vernehmlich und beständig. Es wurde von einer Schellackplatte überspielt. Dennoch gefällt uns die Einspielung aus Zürich von den dreien Knappertsbuschs am besten.
4-5
Samuil Samossud
UdSSR Radio Symphony Orchestra
Opera prima, Carillon
1949
7:35
Von 1916-36 war Herr Samossud Chefdirigent des Maly-Theaters in Leningrad, ab 1936-49 dann des Bolshoi-Theaters in Moskau (Maly heißt übrigens klein und Bolshoi groß). In Moskau gründete er auch ein Orchester, aus dem 1951 die Moskauer Philharmoniker hervorgegangen sind. Sein Tempo im Vorspiel, dem sich übrigens der einzige russisch gesungene „Lohengrin“ anschließt, den wir finden konnten, ist zügig und er wirkt entmystifizierend. Die Violinen klingen rund und nicht so dünn und ausgezehrt, wie man sie auch schon von viel jüngeren russischen bzw. sowjetischen Aufnahmen kennt. Holz und Violinen bleiben klar voneinander getrennt, d.h. es gibt untereinander so gut wie keinerlei Mischung des Klangs. An T. 36 schließen sich mächtige Hörner und profund klingende tiefe Streicher an. Da hat Herr Samossud und sein Orchester das von Wagner gewünschte p allerdings schon längst verlassen und der Klang braust schon ordentlich auf. Er steigert die Lautstärke kontinuierlich bis zum Höhepunkt. Sodass es schon geraume Zeit vor dem ff des eigentlichen Höhepunkts, bei dem sich der eigentliche Zauber vollzieht (der Übergang der magischen Kraft des Grals auf Lohengrin), schon mächtig laut zugeht. Da scheint anscheinend nur eine unleserliche Partitur zur Verfügung gestanden zu haben. Der Abstieg der Violinen klingt nur selten so elegisch wie in dieser Einspielung (ab T. 68). Das Vorspiel wirkt stark emotionalisiert, obwohl das relativ schnelle Tempo stets beibehalten wird.
Das Rauschen der Aufnahme bleibt gering. Der Lauf des Tonabnehmers in der Rille der Schellack-Platte ist sauber. Zur restlichen Oper und den darin enthaltenen Gesangsdarbietungen können wir leider nichts schreiben. Außer die Namen der vier wichtigsten Protagonisten: Ivan Koslowski als Lohengrin, Elisaweta Schumskaja als Elsa, Ilja Bogdanow als Friedrich von Telramund und Eugenia Smoleskaja, falls sie jemandem bekannt vorkommen sollten.
4-5
Ferdinand Leitner
Orchestra Sinfonica Nazionale di Milano della RAI
Myoto
1959
8:10
GA mono Trotz eines eigentlich reichen Erbes an Tonträgern ist Ferdinand Leitner heute schon fast vergessen. So gibt es aus den ganz frühen 50er Jahren noch eine Aufnahme mit dem Orchester der Württembergischen Staatsoper auf Decca, der wir leider nicht habhaft werden konnten. Zur Zeit der Aufnahme aus Mailand war er von 1947-69 GMD der Württembergischen Staatsoper in Stuttgart, danach bis 84 am Opernhaus in Zürich. Das zügig gespielte Lohengrin-Vorspiel wirkt zwar von Beginn an ziemlich laut und sehr wenig ruhevoll, dafür jedoch äußerst expressiv und leidenschaftlich. Der Impetus Leitners ist wirklich auffallend, man hätte diesen Impetus eher der Ouvertüre zu „Der fliegende Holländer“ zugeordnet, brodelnde, aufgepreitschte See…
Das Orchester spielt gut und legt eine Motivation an den Tag, den man viel eher vom Bayreuther Festspielorchester erwartet hätte. Am Ende wackelt das Vibrato bei den vier Soloviolinen allerdings bedenklich.
Dies ist die einzige GA, die uns bekannt geworden ist, bei dem Lohengrin italienisch gesungen wird. Zu den Gesangsleistungen können wir nichts schreiben, aber die Protagonisten können wir wenigstens namentlich erwähnen. Lohengrin ist der zu dieser Zeit mit Vorliebe verpflichtete Sandor Konya, Elsa: Marcella Pobbe, Telramund: Aldo Protti und die Ortrud wird von Laura Didier gesungen. Wie bereits erwähnt italienisch.
4
Ernest Ansermet
Orchestre de la Suisse Romande
Decca
1963
8:57
Das Orchestre de la Suisse Romande kann als Wahner-Orchester nicht so recht überzeugen. Das Tempo könnte man als stimmig bezeichnen, es wirkt recht getragen. Die Violinen klingen sehr hell, sie spielen überhaupt kein Crescendo oder Decrescendo z.B. bei T. 6. Zudem wirkt der Bogendruck zu hoch, das klingt nicht frei und es stellt sich kein magisches Leuchten ein. Das Holz spielt nicht so recht homogen und dies ist eine der drei oder vier Einspielungen, bei dem die Bassklarinette ein seltsames Eigenleben führt, sie spielt wie nebenher, obwohl sie mit dem Englischhorn und der dritten Flöte (größtenteils) unisono spielen sollte. Die Dynamik beim Höhepunkt ist allerdings ausgezeichnet (T. 50- 57), aber die hellen Trompeten stechen aus dem Blechbläserensemble überdeutlich hervor. Ein gemeinsames Leuchten wäre auch hier viel eher gefragt, aber manche sehen das anders (auch Mrawinsky). Im Holz hört man die hellen und harten Oboen immer mal wieder kurz heraus. Die Flageoletts am Ende des Vorspiels tendieren zum Schrillen hin und das pp ist viel zu laut. Wir hegen den Verdacht, dass Richard Wagner nicht unbedingt Ernest Ansermets Lieblingskomponist war. Die Orchesterqualität des OSR kam damals an die Crème de la crème noch nicht heran. Das Lohengrin-Vorspiel bestätigt dies deutlich.
4
Mark Elder
Royal Concertgebouw Orchestra, Amsterdam
RCO Live
2015, live
9:58
GA Als Dirigent der halbszenischen Aufführungen im Amsterdamer Concertgebouw war eigentlich Andris Nelsons vorgesehen, der jedoch wegen ersthaften Rückenproblemen von Mark Elder vertreten wurde. Anders als beim Orchester aus der französischsprachigen Schweiz zuvor, klingt es in Amsterdam zwar langsam, aber dunkelfarbig, weich und klangschön ausformuliert. Mühelos aber auch etwas eintönig. Besonders schön klingt es, wenn die Hörner und die tiefen Streicher zum Klang hinzukommen. Der Höhepunkt klingt jedoch breit und erstaunlich (man könnte in dem Fall auch „enttäuschend“ schreiben) breit und zurückhaltend und zwar in der puren Lautstärke aber auch was den Glanz angeht. Die Grenze zum Matten ist da schon überschritten.
Die Besetzung der Opernaufführung zeigt erneut Klaus Florian Vogt als Lohengrin mit seinem hellen Register, dem man irgendwie anzuhören scheint, dass er früher einmal Trompeter war, wobei die Strahlkraft dieses Mal gemindert scheint. Camilla Nylund hatte sich damals mit ihrem cremigen Ton als Elsa fest etabliert. Evgeny Nikitin wirkt im oberen Register schmal und insgesamt stimmlich rau. Die Stimmen wirken, da sie nun gegen ein überirdisches (das nicht im Graben verschwunden ist) Orchester ansingen müssen, allesamt angestrengt, vielleicht auch überfordert. Hinzu kam noch Katarina Dalayman als Ortrud, die wohl eine gute Darstellerin ist, stimmlich aber oft unsicher wirkt.
4
Otto Klemperer
Orchester der Ungarischen Staatoper
Archiphon, Urania
1948
8:17
GA mono 1933 wurde Otto Klemperer schon als Kulturbolschewist bezeichnet und obwohl er katholisch getauft wurde stand er als „ehemaliger“ Jude immer unter Generalverdacht. Irgendwann musste er ins Ausland auswandern. Zuerst war er in Los Angeles (1933-39). Nach dem Krieg zog es ihn zurück nach Europa, wo er den Posten als Musikalischer Leiter der Ungarischen Staatsoper annahm (1947-50). In dieser Zeit entstand diese Aufnahme, die die einzige GA des „Lohengrin“ mit Klemperer geblieben ist.
Die Violinen flackern im Vibrato bisweilen leicht, sie sind aber hochkonzentriert bei der Sache. Das Orchester hat jedoch kein Weltklasseniveau, wie man so schön sagt. Die Darstellung entbehrt nicht einer gewissen Intensität, muss aber ohne mystische Aura auskommen, was natürlich auch klangtechnische Gründe hat. Beim Höhepunkt (T. 50-58) klingt das Holz lauter als das Blech und dabei ist die Klarinette auch noch stark dominierend. Die restliche Einspielung haben wir uns nicht angehört. Es ist übrigens die einzige uns bekannte Aufnahme, in der „Lohengrin“ ungarisch gesungen wird. Die Besetzung: Joszef Simandy (Lohengrin), Magda Rigo (Elsa), Laszlo Jambor (Telramund) und Ella Nemethy (Ortrud).
Klanglich ist die Aufnahme wirklich schlecht. Es gibt wieder viele, starke Störgeräusche vom Publikum, verzerrte und verfärbte Instrumente, starkes Rauschen und starke Störgeräusche der originalen Schellackplatte. Es ist alles ziemlich gleichlaut, d.h. Dynamik findet so gut wie nicht statt. Ein Gutes lässt sich jedoch sagen: Sie klingt insgesamt besser als die Mitschnitte aus der MET unter Bodansky und Busch. Und, nicht zu vergessen: Der ein oder andere Mitschnitt aus Bayreuth bringt noch lautere Störgeräusche mit. Beides ist jedoch kein echter Trost. Fazit: Beim Lohengrin-Vorspiel gibt es mit Otto Klemperer nur eine Wahl: Die Londoner EMI von 1960.
4
John Barbirolli
Hallé Orchestra, Manchester
EMI, Dutton, Testament
1946
8:27
Im Jahr 1937 wurde Barbirolli als Nachfolger Toscaninis als Dirigent der New York Philharmonic verpflichtet, und obwohl seine fünf Spielzeiten dort musikalisch sehr erfolgreich waren, wie Tonaufnahmen von damals zeigen, stand er unter fortwährendem Beschuss der New Yorker Presse. Im Jahr 1942 wurde Barbirolli zu einer Verlängerung seines Kontrakts gedrängt, hätte zur Fortsetzung seines Aufenthaltes jedoch die US-Staatsbürgerschaft annehmen müssen, wozu er nicht willens war. Zu diesem Zeitpunkt erreichte ihn jedoch eine Einladung, als Hauptdirigent das Hallé-Orchester in Manchester zu übernehmen. Die Mitglieder des Hallé Orchestra waren zu diesem Zeitpunkt zur Hälfte gleichzeitig auch bei der BBC verpflichtet, und als Barbirolli zusagte, wurde diese Doppelverpflichtung aufgelöst und Barbirolli reorganisierte das Orchester.
Kurz nach dem Krieg spielten die Violinen noch mit einem beträchtlich zu weitem Vibrato und das Holz klang noch sehr inhomogen. Wie die meisten deutschen Orchester auch war das Orchester ebenfalls kriegsgeschwächt. 1959 klang es bereits viel besser. Es ist aber erstaunlich mit wieviel Impetus oder sogar mit wieviel Herz das Orchester bereits die Musik Wagners, obwohl die von den Nazis nachhaltig vereinnahmt worden war, schon wieder spielte. Intonatorisch gibt es jedoch noch einige Wackelkandidaten.
Aus dem Aufnahmeraum gibt es einige Geräusche zu hören, die an eine Live-Aufnahme denken lassen.
3-4
Gianandrea Gavazzeni
Orchestra Sinfonica dell´Emilia Romagna „Arturo Toscanini“
Aura, Ermitage
1993, live
7:05
Diese Aufnahme wurde live in Modena aufgezeichnet. Der Dirigent war dabei bereits 82 Jahre alt. Dennoch gehört sie zu den zügigsten überhaupt. Die Violinen klingen so, als wären sie nur dünn besetzt, die mangelnde Homogenität macht sich so umso stärker bemerkbar. Zudem legen sie ein leierndes Vibrato auf und sie klingen ohne Glanz. Ein großer Genuss ist es nicht, ihnen zuzuhören. Das Holz lässt wieder die wie isoliert spielende Bassklarinette hören, die eigentlich unisono mit dem Englischhorn, der 3. Flöte und der 2. Klarinette spielen sollte. Dennoch hört man nur eine Stimme und die passt ganz und gar nicht zu allen anderen. Das dürften insgesamt nur drei oder vier Aufnahmen sein, die das Holz in dieser Form hören lassen. Sehr seltsam. Der Höhepunkt klingt schwächlich, die Intonation gegen Ende wird dann auch noch wacklig. Eine Gelegenheitsproduktion ohne besondere Ambitionen.
Der Klang der eigentlich noch nicht einmal so alten Aufnahme wirkt wenig transparent und engräumig. Das größte Manko ist die fehlende Tiefendimension sowohl was den Frequenzkeller betrifft als auch die Tiefenstaffelung des Orchesters anlangt. Die Dynamik ist flau.
Einspielungen mit dem Orchester der Metropolitan Opera New York:
5
James Levine
MET Orchestra
DG
1996
9:19
James Levine war langjährig in Bayreuth Dirigent, besonders in der Zeit vor Thielemann. Er betreute Wagners Opern während insgesamt 16 Jahrgängen, 1982-85 und 1988-98.
Das Lohengrin-Vorspiel aus der MET gefällt sowohl klanglich als auch musikalisch sehr gut. Ruhig und strömend mit einem gewissen weihevollen Unterton wirkt der musikalische Gestus. Der Klang der Violinen ist hell, weich, klar und schimmernd. Die Holzbläser setzen sehr weich ein und präsentieren einen sehr schönen, farbigen und homogenen Gesamtklang. Levine spannt das Vorspiel gelungen unter einen weiten Bogen. Beim Einsetzen der Hörner und der tiefen Streicher klingt das Orchester wunderbar weich und sonor, aber nicht schwer. Der Höhepunkt (T. 50-57) klingt erhaben und voll, auch das Blech bringt eine geschmeidige Homogenität mit ein. Die Geschmeidigkeit der Violinen erreicht höchstes Niveau. Uns hat diese Einspielung sehr stark an Karajans Aufnahmen erinnert, die durchaus hier Vorbild gewesen sein könnten. Nicht zuletzt wegen des ausgeprägten Legato-Spiels und dem Vermeiden besonderer persönlicher Zutaten.
Die Produktion der DG zeigt mit großem Abstand den besten Klang aller Aufnahmen aus der MET. Kein Wunder, sie ist mit Abstand die jüngste und wurde nicht live eingespielt. Sie klingt präsent, farbig, transparent und schön räumlich. Ein Genuss.
3-4
Erich Leinsdorf
MET Orchestra
Walhall, Naxos, Myoto
1943, live
7:41
GA mono Leinsdorf legt auf seiner zweiten MET-Live-Aufnahme, (die erste ist von 1940 und wurde nicht von uns gehört) ein zügiges Tempo vor. Zügiger als Bodansky und Abravanel an demselben Haus. Sie klingt eine Spur transparenter, der Klangzauber leuchtet auf Sparflamme.
Interessanter als das Vorspiel sollen die Darbietungen der Sänger sein. Angeblich gibt es auf ihr die beste Darbietung von Lauritz Melchior als Lohengrin zu hören. Ergänzt wird die Traumbesetzung von Kerstin Thorberg als Elsa, Alexander Sved, Telramund und nicht nur diesseitig des Atlantiks, auch jenseits als Ortrud zu hören: Astrid Varnay.
Der Klang des Mitschnitts ist schon erheblich besser als bei Bodansky und Abravanel. Jetzt hört man sogar schon die zahlreichen Hustenattacken präsent und dynamisch. Ansonsten klingt es immer noch spitz und dünn.
3-4
Thomas Schippers
MET Orchestra
Walhall
1959, live
8:43
GA mono Auch bei diesem Mitschnitt sind die Violinen quasi komplett in einer Lautstärke zu hören, es wird nicht zwischen p und pp unterschieden. Der junge Schippers (gerade einmal 29) wählt ein ähnliches Tempo wie Fritz Busch. Die Intonation ist schon relativ sauber. Bei T. 1 bzw. T. 3 treten Flöten und Oboen unmerklich hinzu, das ist aber das einzige Mal für lange, wo ein pp spürbar beachtet wird. Ansonsten lässt der junge Dirigent fast alle Stimmen gleichlaut spielen, was soviel heißt, dass die sogenannten Nebenstimmen einmal groß herauskommen. Die Nivellierung der Dynamik geht so weit, dass das ff des Blechs beim Höhepunkt nicht lauter wirkt als das pp der Violinen zu Beginn. Insgesamt wirkt das Vorspiel unruhig, es kann nicht recht gefallen. Da nutzt auch der kleine Gewinn an Klangsinnlichkeit gegenüber den noch älteren Mitschnitten nichts.
Die Besetzung bietet bis auf die Elsa von Lisa de la Casa nur heute unbekannte Sänger. Brian Sullivan singt Lohengrin, Walter Cassel Telramund. Ortrud wird von Margaret Hershaw gesungen und verkörpert. Ihrem Namen werden wir an der Met nochmals begegnen.
Gegenüber den älteren Mitschnitten kann man nun schon ein etwas ruhigeres Ambiente erfahren, das Orchester wirkt klar eingefangen, es rauscht kaum noch und es gibt auch keine Schleifgeräusche des alten Speichermediums, der Schellack-Platte, mehr. Inzwischen nahm man den Live-Mitschnitt bereits auf Magnettonband auf.
3-4
Fritz Busch
MET Orchestra
Walhall, Cantus-Line
1947, live
8:45
GA mono Außer dem nun vorliegenden Mitschnitt aus der Met gibt es mit Fritz Busch noch einen Mitschnitt aus dem Teatro Colón, Buenos Aires von 1936. In der New Yorker Rundfunkübertragung klingen die Violinen angesichts des geforderten pp einfach viel zu laut. Das würde man gerne hinnehmen, wenn sie so dafür sorgen würden, dass man die Störgeräusche von Publikum und den alten Schellackplatten nicht mehr so laut hören müsste. Das ist aber leider nicht der Fall, denn die sind schrecklich laut. Schon die vier Violinen alleine klingen nicht unverzerrt und ziemlich schrill. Noch verzerrter klingt es, wenn das Holz einsetzt. Anscheinend hat man da bereits das maximal verkraftbare der Übertragungs- bzw. Aufzeichnungskette überschritten. Erfreulicherweise klingen die tiefen Streicher relativ klar und unverzerrt. Beim Höhepunkt wird es mit dem geforderten ff des Blechs nicht lauter, sondern nur noch verzerrter. Das Tempo wirkt goldrichtig, aber außer dem Tempo lässt sich von der Darbietung angesichts des klanglichen Desasters nicht viel ablesen. Die Bayreuther Mitschnitte klangen alle besser, wenn auch nicht unbedingt ungestörter.
Für die Stimm-Melomanen sollte diese Einspielung jedoch durchaus erstrebenswert sein. Wir hören nämlich wieder Lauritz Melchior, der vielen vielleicht schon ein wenig zu alt wirkt, er bringt jedoch immer noch unermütlich strahlende Trompetentöne hervor. Figürlich war er vielleicht nicht unbedingt der typische Held, wie man ihn sich landläufig vorstellt. Da füllte er allerdings seine Rolle mehr als aus. Die Elsa Helen Traubels mag nicht jedermanns Sache sein, sie singt mit einer Ruhe, als wäre ihr alle ziemlich egal. Die Ortrud ist erneut Margaret Hershaw, der Telramund dieses Mal Osie Hawkins.
3-4
Artur Bodanzky
MET Orchestra
Myoto, Melodram
1935
10:04
GA mono Bodanzky war bekannt für die musikalische Leitung vieler Wagner-Opern, von denen eine Reihe früher Mitschnitte von Radiosendungen existiert. Er war einige Jahre musikalischer Leiter der MET. Allgemein wurde ihm ein schnelles Tempo nachgesagt. Man kolportierte, er wolle seine Konzerte stets schnell beenden, um im Anschluss Karten spielen zu können. Ähnliche Bemerkungen werden allerdings gerne über jeden Dirigenten gemacht, dessen Tempi als besonders schnell empfunden werden. Im Fall dieses Lohengrin-Vorspiels hatte er anscheinend keine Kartenrunde im Anschluss an die Aufführung geplant, denn es wirkt langsam und getragen. Manchmal sogar schleppend. Der Beginn wirkt statisch. Das Holz bei T. 20 lässt er sogar überdeutlich einsetzen. Generell wirkt der Klang seines Orchesters in dieser zweitältesten aller Einspielungen, die wir gehört haben, völlig intransparent, sogar verklumpt. Der Höhepunkt allerdings klingt erhebend, wie man es gerade bei alten, übersteuerten Aufnahmen häufiger zu hören bekommt.
Das anscheinend schon sehr schlechte Ausgangsmaterial aus dem man eine CD zu erstellen hatte, war offensichtlich schon nicht mehr zu retten. Die Laufgeräusche der Schellackplatten sind sehr laut. Das Rauschen wurde hingegen fast völlig eliminiert. Dadurch hat man allerdings die Klangfarbe fast völlig vom Orchester weggenommen. Der Klang ist nur noch den Hartgesottensten zuzumuten.
Auch hier sieht es für den Gesangsenthusiasten ganz anders aus. Lauritz Melchior, zwar 1935 auch schon (für einen vielbeschäftigten Wagner-Tenor) reife 45 Jahre alt, treffen wir hier in seiner ältesten erhaltenen Aufnahme (also als er noch am jüngsten war). Das ist wichtig, denn die Stimmen der Wagnersänger altern schnell. Er ist zwar nicht der schlanke Recke, den er von Wagner aus verkörpern sollte, aber er gilt bis heute als einer der besten Lohengrin-Sänger überhaupt. Diese Aufnahme (1935) gilt als seine beste. Allerdings klingt sie noch schlechter als die 43er mit Leisdorf. Lotte Lehmann (Elsa) wirkt jedoch auch mit 47 noch jugendlich und sinnlich, mit guter Stimme und mit bester Phrasierung. Friedrich Schorr bringt trotz stimmlicher Abnutzungserscheinungen noch viel Farbe und Charakterisierungskunst mit ein. Marjorie Laurence klingt nicht hässlich, bringt aber trotzdem eine plausible Schurkin auf die Bühne.
3
Maurice de Abravanel
MET Orchestra
Walhall
1937
9:00
GA mono Maurice (de) Abravanel hatte damals einen Dreijahres-Vertrag bei der MET. In dieser Zeit dirigierte er „Lohengrin“ am häufigsten. Er schlägt ein zügigeres Tempo an als Bodnanzky und lässt dabei der Musik einige Autorität zuwachsen. Trotzdem ist diese Einspielung kein Genuss. Es gibt keinerlei Transparenz und ein Gefühl von Ruhe oder gar Sinnlichkeit kann sich nicht einstellen. Der Klang ist wirklich schrecklich, die Störgeräusche sind lauter als die Musik. Bei hohen Lautstärken gibt es ein entstellendes Verzerren. Die Aufnahme (oder/und das Spiel) ist nämlich viel dynamischer als bei Bodnanzky, dessen Darbietung erst zwei Jahre zuvor mitgeschnitten wurde. Die Beckenschläge bei Höhepunkt gleichen einer Explosion.
Der Klang der Aufnahme hört sich über eine lange Zeit ab Beginn so an, als ob jemand ein Stück Papier vor einen Ventilator gehalten hätte und es dann durch die Bewegung der Luft andauernd an denselben anstößt. Eine andere Assoziation für denselben „Sound“: In der MET ist ein Riesenschwarm Insekten unterwegs (im Zweifelsfall: Heuschrecken), die einen absurden Krach veranstalten. Später rauscht es dann nur noch, allerdings sehr stark. Das Zuhören dürfte selbst für die angesprochenen Stimm-Melomanen zu einer Qual werden.
Dies ist eine weniger bekannte Gesamtaufnahme, kein Wunder bei dem gebotenen Klang. Es gibt eine Besetzung bei der vielleicht Kirsten Flagstad als Elsa herausragen könnte. Lohengrin wird von René Maison gesungen, Julis Huehn ist Telramund, Karin Branzell Ortrud. Die zwei Paare passen gut zueinander. Man hört, dass der Chor keinen guten Tag hatte und zum Chaotischen neigt.
Einspielungen aus dem Rest der USA:
5
Christian Thielemann
Philadelphia Orchestra
DG
1995
9:40
Die Einspielung entstand als Christian Thielemann noch GMD am Staatstheater Nürnberg war (wohin er als damals jüngster GMD Deutschlands 1988 berufen worden war). Das Orchester aus Pennsylvania zeigt unter dem damals 36jährigen West-Berliner seine ganze Klasse. Damals war übrigens noch Wolfgang Sawallisch Chefdirigent in Philadelphia. Die Violinen beginnen in andächtiger Stille, klar leuchtend und ganz besonders nuanciert. Das Einsetzen des Holzes wirkt deutlich und dadurch, weil es gekonnt gelingt, besonders ausdrucksvoll. Ein kleiner Kniff, den Thielemann dabei schon damals anwendet ist das leichte Zurücknehmen der Violinen, sodass das Holz sehr leise spielen kann und trotzdem deutlich zu hören ist. Der Höhepunkt ist hervorragend gestaltet und klingt entsprechend. Das Blech wirkt als wäre es von einem europäischen Top-Orchester entliehen, denn es klingt warm und rund, wie man es von den auf Brillanz getrimmten Blechbläsern der großen US-amerikanischen Orchester normalerweise nicht hört. Eher würde man auf die Berliner Philharmoniker oder ähnliche Kaliber tippen. Ganz erstaunlich ist es, wie der noch recht junge Thielemann bereits seine Klangvorstellungen verwirklichen konnte. Was übrigens analog auch für den recht üppigen Klang der intonationssicheren Violinen gelten kann.
Thielemann ist seit 2000 bei den Bayreuther Festspielen dabei. Gerade als die ältere Garde wie Levine, Barenboim und Sinopoli begann sich zurückzuziehen. Seitdem ist er 22 Jahrgänge dabei gewesen und hat Peter Schneider mit 20 Jahrgängen überholt. Nach zweijähriger Abstinenz wird er 2025 wieder auf den Grünen Hügel zurückkehren. Mit "Lohengrin".
Auch klanglich ist diese Einspielung sehr gelungen. Sie hat einen vollen, warmen und runden Klang, wie man ihn von amerikanischen Orchestern normalerweise nicht zu hören bekommt. Transparent und dynamisch ist er in hohem Maß.
5
George Szell
Cleveland Orchestra
CBS-Sony
1965
9:13
Das Tempo Szells hätte man sich vielleicht etwas schneller von ihm erwartet. Die Violinen spielen gewohnt schlank, leise, zart und präzise. An den gleichmäßigen Strich und an die Wärme des Orchesters aus Philadelphia kommen sie dieses Mal jedoch nicht ganz heran. Es liegen allerdings auch 30 Jahre zwischen beiden Aufnahmen. Bei Szell wird jedoch ein gewisser Effekt hervorgerufen, als ob sich das Geschehen (oder der Gral selbst) gerade erst langsam nähern würde. Ohne klangtechnische Mätzchen, nur aufgrund des Orchesterspiels. Das Holz setzt bei Szell unmerklich ein (T. 20), die Intonation ist (wie bei den Violinen) perfekt. Manchmal hört man ein bisschen zu viel Vibrato, das mag man heute vielleicht anders gestalten, aber so wirkt das Spiel bei aller Perfektion nicht kalt. Eher hochkonzentriert und spannend. Das Hinzukommen von tiefen Streichern und Hörnern erfolgt ebenfalls fast unmerklich wie zuvor das Holz, was nicht sachlich, sondern innerlich oder introvertiert wirkt. Der Gral macht bei Szell nicht viel Aufhebens von sich. Genauso wird der Höhepunkt nicht zelebriert und für cleveländer Verhältnisse mit erstaunlicher Wärme ausgespielt. Natürlich brillant im Instrumentalen, aber im Gestus nicht triumphal. Nach dem Höhepunkt fühlt sich der weitere Vorgang (das sich Zurückziehen des Gralls nach Montsalvat, wo er hergekommen ist) fast an, als wäre er von Trauer durchzogen, als ob er schon wüsste, dass sein Einsatz in oder mit Lohengrin insgesamt in einem (zumindest teilweisen) Desaster endet. Das hört man nur in den besten Einspielungen, wozu die Szells fraglos gehört. Dazu ist offensichtlich ein ziemlich langsames Tempo unerlässlich.
4-5
Giuseppe Sinopoli
New York Philharmonic Orchestra
DG
1985
9:50
Das Orchester setzt unter Sinopoli erheblich leiser ein als mit Leonard Bernstein. Zu Beginn klirren die Flageoletts ein wenig, als ob es da oben in den luftigen (Ton)Höhen ganz schön kalt wäre. Auch beim Bayreuth-erfahrenen Sinopoli schleichen sich die Holzbläser sehr gekonnt und leise zum Spiel der Violinen hinzu. Mitunter erscheint das Vibrato der Geigen ein wenig zittrig und im Verlauf wirken die ersten Violinen vielleicht doch ein wenig zu dominant im Gesamtklang. Das bemerkt man besonders, wenn man die Aufnahme im Quervergleich hört. Ansonsten wäre man vom wunderschönen Gesamtklang vielleicht sogar überwältigt. Sinopoli erreicht einen sehr guten Crescendo-Verlauf und der Höhepunkt wirkt dynamisch noch expansiver (mehr ff) und vom Blech noch breiter ausgespielt als bei Bernstein. Der Decrescendo-Verlauf nach dem Höhepunkt wird ebenso deutlich nachgezeichnet wie zuvor der Crescendo-Verlauf. Die Intonation der vier Solo-Violinen ist vorzüglich.
Klanglich liegt hier eine Vorzeige-Produktion vor. Nur eine Kleinigkeit erscheint das Orchester zu weit vom Hörer entfernt (weiter als bei Bernstein). Es klingt jedoch sonor und farbig und erfreulich weich und rund. Erfreulich sind die seidig klingenden Violinen. Es gibt keinerlei frühdigitale Härten im diesbezüglich so empfindlichen Klang der Violinen.
Sinopoli war insgesamt an 14 Spielzeiten in Bayreuth als Dirigent aktiv. 1985-87 und von 1989-2000.
4-5
Erich Leinsdorf
Boston Symphony Orchestra
RCA
1965
9:04
GA Seit 1943 ist das Tempo bei Erich Leinsdorf langsamer geworden. Es ist nun mehr Gelassenheit spürbar. Und der Charakter wirkt weihevoller. Die Violinen spielen sauber und leise. Leinsdorf bringt wenige eigene Nuancen ein. Besonders fein abgestuft und fein wirkt das Spiel nicht. Das Holz kommt bei T. 20 unmerklich zu den Violinen hinzu, man kann also auch leise spielen. Der Klang wirkt dabei homogen. Wenn die übrigen Streicher und die vier Hörner hinzukommen weitet sich das Klangbild und die Bässe sind gut hörbar. Die Flageoletts am Ende sind ziemlich intonationssicher.
Selbstverständlich klingt die Aufnahme viel besser, d.h. voller, transparenter und wärmer als es 1949 mit Koussewitzky klang (und 1943 mit Leinsdorf in der MET). Das Orchester ist ganz gut in die Tiefe gestaffelt und der dieses Mal (wieder einmal) leicht hallige Klang der Symphony Hall wird bei den meisten Hörern die typische Lohengrin-Stimmung eher befördern als torpedieren. Es fehlt dieser Einspielung jedoch das Sonore, das man bei den echten Spitzenaufnahmen auch noch „mitgeliefert“ bekommt.
Die Besetzung der Oper gewinnt durch Sandor Konya ganz besonders. Er hat zwar keine perfekte Aussprache, wirkt aber ritterlich und ggf. auch zärtlich. Er gilt als einer der besten Darsteller dieser Rolle überhaupt, vor allem gesanglich, da er heroisch wirkt und trotzdem Belcanto-Elemente mit einbringt. Lucine Amara musste die Rolle der Elsa, so ist es zu vermuten, kurzfristig einstudieren, denn sie sprang damals für die eigentlich gesetzte Leontyne Price ein, deren Terminkalender anscheinend damals zu überfüllt war. Nichtsdestotrotz wirkt sie jung und verletzlich, wenn auch stimmlich mitunter überfordert. Rita Gorr als Ortrud wirkt erneut schrill, getrieben und hasserfüllt, eine Vertreterin der alten Magie, wie sie im Buch steht. Für die Schlussszene braucht man allerdings gute Nerven und Ohren, denn die Topform aus Bayreuth ließ sich nicht konservieren. William Dooley als Friedrich von Telramund wirkt eigentlich angenehm weich und rund, in der Höhe jedoch ebenfalls überfordert. Hinzuweisen wäre vielleicht noch auf den ein stark amerikanisierendes Deutsch singenden Chor. Insgesamt ist die GA allerhöchstens eine der sich im zweiten Glied einreihenden.
4-5
Leonard Bernstein
New York Philharmonic Orchestra
CBS-Sony
1968
10:52
Die Violinen spielen ihr pp erheblich lauter als bei Sinopoli fast 20 Jahre später. Ihr Klang gefällt, die Spielweise ist ruhig und gleichmäßig, der Gestus ausdrucksvoll. Das Einsetzen der Holzbläser ist deutlich. Die Schwelldynamik (crecsendo gefolgt von decrescendo) wird dezent herausgearbeitet (zurückhaltender als bei Solti), aber auch nicht ignoriert. Das Legato ist sehr geschmeidig. Die Dynamik beim Höhepunkt (T. 50 ff) ist gut, das Blech strahlend. Für unser Empfinden läuft das Vorspiel eine Kleinigkeit zu langsam ab (es dürfte zu den langsamsten gehören), obwohl es an Spannung nicht fehlt. Die vier Soloviolinen am Ende bekommen ihr Vibrato in den höchsten Höhen nicht ganz ohne ins Zittern zu verfallen hin. Nicht vielen Orchestern gelingt es, die Schwierigkeiten des Stückes vollkommen vergessen zu lassen.
Die Aufnahme klingt präsent, transparent und plastisch. Sie ist nahezu rauschfrei.
4-5
Bruno Walter
Columbia Symphony Orchestra
CBS-Sony
1960
8:27
Bruno Walter bevorzugt ein zügigeres Tempo als Bernstein (oder auch als Klemperer, dessen Einspielung im gleichen Jahr entstanden ist) und von einem weihevollen Unterton hält Herr Walter nichts. Die Violinen zu Beginn klingen leicht dünn und etwas hell, weniger homogen und mit einem ruckartigeren Legato als bei Karajan (ebenfalls 1960) oder Levine. Schön leise spielen sie allerdings und die Artikulation wirkt zart und leicht. Erst wenn die tiefen Streicher hinzukommen scheint sich das Spiel der Violinen zu vervollkommnen. Sie brauchten wohl die Erdung durch die Bässe. Beim Höhepunkt wird das Blech nicht sfumatoartig abgemildert, es darf erhaben und stolz in voller Lautstärke „sein“ Wunder wirken. Die Intonation (Hörner!) könnte besser sein.
Die Klangqualität ist gut. Man merkt, dass die Aufnahmen von Walter, Bernstein und Szell aus einem Hause kommen.
4-5
Arturo Toscanini
NBC Symphony Orchestra
RCA, Music and Arts
1954
8:05
Das Lohengrin-Vorspiel gehörte zu Arturo Toscaninis allerletztem Konzert überhaupt, es fand damals in der Carnegie Hall statt und wurde als eine der ganz wenigen Aufnahmen Toscaninis bereits in Stereo aufgenommen. Er war damals 87 Jahre alt. Gegenüber seiner Aufnahme von 1936 lässt er zügiger spielen. Das Spiel wirkt relativ gespannt und mit viel Espressivo aufgeladen. Das Holz kommt bei seinem ersten Einsatz deutlicher heraus als 1936 und es bleibt auch im weiteren Verlauf klar und deutlich. Der Steigerungsverlauf wirkt sehr gut angelegt. Der Höhepunkt immer noch gut getimt. Es gibt am Ende nur minimale Tonhöhenschwankungen.
Die Aufnahme rauscht sogar etwas mehr als 1936 (die allerdings in der neuesten überarbeiteten Naxos-Ausgabe vorlag, sie wirkt jedoch plastischer, etwas wärmer und klangsinnlicher. Da die Aufnahme in Stereo erfolgte, wirkt sie auch räumlicher und transparenter.
4-5
Arturo Toscanini
New York Philharmonic Orchestra
RCA, Naxos
1936
8:40
Mono Im Gegensatz zu den zeitgenössischen Mitschnitten aus der MET hören wir ein echtes p-Spiel. Es klingt sauber und strömend. Der 66jährige Toscanini lässt mit beherrschter Leidenschaft spielen. Das hervorragende Blech weiß einen deutlichen Höhepunkt zu setzen. Die Flageoletts am Ende sind sauber gespielt, intonationsgenauer als beim NBC Symphony Orchestra 1954 in Stereo.
Es gibt relativ wenig Rauschen und dies erfolgt auch noch in einer relativ angenehmen mittleren Frequenz, die weniger stört. Die Schleifgeräusche von der alten Schellackplatte halten sich ebenfalls in Grenzen.
4
Daniel Barenboim
Chicago Symphony Orchestra
Teldec
1994
10:31
Als Barenboim die Aufnahme in Chicago machte, war er bereits ein ausgewiesener Wagner-Kenner und schon über einige Jahre in Bayreuth tätig (1981-83 und 1986-99). Insgesamt kam er auf 14 Spielzeiten in Bayreuth. 1994 in Chicago ließ er sich noch mehr Zeit als ein paar Jahre später in Berlin. Das CSO, bzw. seine Violinen spielen sauber, klar, leise und sehr weich, aber in der Phrasierung etwas gezogen. Sie erzeugen durchaus eine mystische Stimmung. Ziemlich laut und ruckartig erfolgt der Einsatz der Holzbläser bei T. 20. Es würde nicht verwundern, wenn der schroffe Einsatz auf einen Schnitt zurückzuführen wäre. Der Höhepunkt bei T. 50 wird verbreitert ausgespielt. Er wirkt jedoch weder glanzvoll noch spirituell. Die Violinen allerdings leisten gute Arbeit. Sie klingen durchweg weich, voll und intonationsrein. Die Darbietung als Ganzes wirkt jedoch von den klanglichen Qualitäten einmal abgesehen eher langweilig als erfüllt.
Der Klang der Aufnahme wirkt weit, transparent und luftig. Das Orchester macht einen erheblich besser strukturierten Eindruck als bei Barenboims Einspielung von „Le Sacre du printemps“.
4
Franz Welser-Möst
Cleveland Orchestra
DG
2010, live
7:14
Diese Einspielung ist eine der zügigsten. Das Orchester klingt dennoch weicher, leichter und schwebender als unter Szell. Es spielt zudem noch leiser und zarter abgetönt. Und dazu auch noch exemplarisch intonationsgenau. Die Violinen hätten das Zeug, um dem Orchester zur Auszeichnung „Bestes Live-Orchester der Liste“ zu verhelfen, aber beim Einsatz des Holzes ab T. 20 stimmt wieder was nicht. Wie bei lediglich drei weiteren Einspielungen scheint die Bassklarinette ein Eigenleben zu führen. Sie spielt wie daneben her und fällt daher beim Zusammenspiel heraus aus dem Gesamtklang. Sie sollte eigentlich mit dem Englischhorn, der 3. Flöte und der 2. Klarinette zum Teil im Unisono spielen, davon bemerkt man jedoch nichts. Seltsam ist, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt, sondern dass es insgesamt vier Mal vorkommt. Ansonsten wäre auch der gesamte Bläsersatz zu loben gewesen. Es wird erst besser, wenn sich die übrigen Streicher hinzugesellen und die vier Hörner. Gegenüber Szells Darbietung fehlt der von Welser-Möst Gewicht und Erhabenheit. Das Tempo ist dazu einfach zu schnell. Das gemessenere Tempo Szells ist nach unserem Dafürhalten deutlich vorzuziehen. Bei Welser-Möst ist allerdings auch noch der der letzte Rest von Weihrauchschwaden wie weggeblasen. Wer´s mag!
Die Aufnahme ist bestechend klar, zart, leuchtkräftig, leicht und warmtönend. Sie entstand live in der Severance Hall in Cleveland, Ohio.
4
Paul Paray
Detroit Symohony Orchestra
Mercury
1953
7:59
MONO Die Aufnahme wurde in der Old Orchestra Hall in Detroit eingespielt. Durch die hohe klangliche Präsenz sind die vier Solo-Violinen deutlicher hörbar als sonst. Man beginnt angemessen leise in einem zügig wirkenden Tempo. Das Spiel wirkt recht filigran bei sehr hoher Transparenz obwohl es sich um eine Mono-Aufnahme handelt. Der Tonsatz wirkt sehr deutlich, wie durchleuchtet. Man hat den Eindruck, dass der Dirigent das Orchester stark zurückhält. Mit der Homogenität ist es allerdings nicht so weit her. Die Dynamik beim Höhepunkt ist gut, das Tremolo der Bässe ordentlich hörbar. Am Ende pfeifen die Flageoletts ziemlich laut. Eine gewisse zauberhafte Wirkung ist dem Vorspiel auch in dieser Wiedergabe nicht abzusprechen, es ist jedoch wenig weihevoll und klanglich etwas dünn geraten und es fehlt ihm jeglicher Anflug von Transzendenz.
Der Klang ist deutlich und bereits erstaunlich plastisch und transparent. Die Streicher leuchten ganz gut, aber insgesamt wirkt der Klang noch anämisch.
4
Leopold Stokowski
Philadelphia Orchestra
Membran
1927
8:07
Mono Dies ist die älteste Einspielung unseres Vergleichs. Man spielt durchweg zu laut aber bereits mit einem erstaunlich schönen Klang der Violinen. Das Legato-Spiel ist bereits stark ausgeprägt. Bei Stokowski setzt das Holz mit einigem Nachdruck ein (T. 20). Ab dann wird der Gestus unruhig. Den Höhepunkt voll und durchdringend auszuspielen hat Mister Stokowski keinerlei Hemmungen.
Gegenüber den frühen MET-Aufnahmen besticht der Klang bei Stokowski durch Störungsfreiheit und er wirkt schon ziemlich klar und noch nicht einmal dünn. Die Rauschunterdrückung ist spürbar, hat aber nicht zu viel weggefiltert.
4
Leon Botstein
American Symphony Orchestra
ASO (Eigenlabel des Orchesters)
2013, live
9:08
Den Violinen des ASO merkt man die Anstrengung durchaus an, damit der Klang so leise und fein phrasiert erscheinen kann. Die Souveränität der Berliner (besonders unter Karajan und Thielemann) geht ihnen dabei ab. Der Einstieg der Holzbläser gelingt auch unmerklich, aber da muss man sich ebenfalls stark anstrengen. Das Spiel wirkt ein wenig zurechtgetüftelt, der gleichsam „göttliche“ Ursprung nimmt man dieser Gralsmusik nicht so ganz ab. Das Blech klingt ebenfalls nicht so voll und rund wie bei den besten. Das eigentlich langsame Spiel verströmt sich nicht. Und dem Zauber fehlt die Wärme.
Der Klang entwächst immerhin noch einem recht ruhigen Ambiente (obwohl live). Bei einer echten Live-Aufnahme ist man dafür in diesem Umfeld der zahlreichen alten Opern-Mitschnitte schon dankbar. Das Orchester ist gut in die Breite und die Tiefe gestaffelt. Die Dynamik ist ziemlich ungebremst. Für den guten Live-Klang ist dieses orchestereigene Label schon bekannt.
4
Jerzy Semkow
Saint Louis Symphony Orchestra
Vox
1978
9:20
Jerzy Semkow war von 1975-79 Chefdirigent des Orchesters. Die Violinen klingen weich und warm, aber nicht ganz homogen. Ihr Einsatz hat etwas Robustes an sich, wenn man den Vergleich mit den besten anstellt. Bei den Holzbläsern tun sich ein paar Instrumente hervor, hier sollte es jedoch um einen homogenen Mischklang gehen in dem am besten kein einzelnes Instrument verifizierbar sein sollte. Nur so kann sich ein zauberhafter Eindruck aufbauen. Die Faktur muss völlig verschwinden. Das Spiel hat zudem etwas Angespanntes und wirkt viel schneller als es eigentlich ist. Wie getrieben. Beim Höhepunkt, der wie schnell „abgefeiert“ erscheint, wirkt der Klang nicht ganz frei. Die Violinen gefallen besser als die Bläser. Dieser Darbietung geht, bei gutem Klang der tiefere Sinn für die Transzendenz des Geschehens im Sinne Wagners ab.
Diese Aufnahme wurde frisch überspielt. Es ist eine Aufnahme des Gespanns Jean Marc Aubort und Joanna Nickrenz und man bekommt dieses Mal vielleicht nicht ganz, was auf dem Beiheftchen steht: Eine audiophile Aufnahme. Einen warmen, offenen, klaren und körperhaften aber recht hellen Analogklang bekommt man. Das Orchester wirkt leicht entfernt. Den Klang empfindet man heute immer noch als gut, aber nicht mehr als überragend.
4
Serge Koussewitzky
Boston Symphony Orchestra
RCA, Naxos historical, BnF
1949
8:59
Dies Aufnahme fand wie die Leinsdorfs in der Bostoner Symphony Hall statt. Uns lag sie wieder in Form eines Streams vor, der von einer Single aus Beständen der Bibliothèque National de France genommen wurde. Man musste also die Platte tatsächlich umdrehen, weil das Lohengrin-Vorspiel beide Seiten der Platte beanspruchte. Die Violinen des Orchesters legen sehr viel espressivo auf, ihr Klang leuchtet, ist aber viel zu laut. Die gewünschte Stimmung stellt sich nur unvollkommen ein, wenn die Violinen ein gesundes f spielen. Ausdrucksvoll wirkt das schon. Das Holz schleicht sich auch in dieser alten Aufnahme schön leise zum Spiel der Violinen hinzu. Sie gefallen übrigens noch besser als beim NBC Symphony Orchestra unter Toscanini. Der Steigerungsverlauf wirkt überzeugend, obwohl bereits schon lange vor Wagners Zeichen dazu begonnen wurde. Das Blech klingt erhaben und krönend. Das Ende ist leider wieder, wie der Anfang viel zu laut. Das hat man beim NBC viel besser hinbekommen.
Der Klang der Aufnahme ist auch in dieser (meist sehr preisgünstig zu bekommenden) Form recht störungsarm, offen und bereits einigermaßen dynamisch (weil das p und pp viel zu laut ist, sonst wäre die Dynamik sogar schon gut).
21.2.25