Giuseppe Verdi 

Te Deum 

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Werkhintergrund:

 

Nach der Vollendung des Falstaff, der eine Apotheose der Heiterkeit und zugleich ein sarkastisches Resümee Verdi‘scher Ansichten über den Menschen darstellt, beschloss der nunmehr Achtzigjährige endgültig, den Schlussstrich unter sein Lebenswerk zu ziehen. Ab 1893, nach der Uraufführung seines letzten Bühnenwerkes, wusste die musikalische Welt und am besten Verdi selbst, dass dies sein größter, aber auch sein letzter Geniestreich war. Der ‚gran vegliardo‘ (der große alte Mann) wollte nur noch die Aufführungen seiner Werke überwachen als eifersüchtiger und unbestechlicher Hüter seiner Ideen. Warum er schließlich doch noch einmal zu komponieren begann, kann nur mit seiner künstlerisch-vitalen Unruhe erklärt werden, mit dem Drang, seinen schöpferischen Geist beweglich zu halten. Gegen Ende seines Lebens kehrte Verdi mit den Quattro pezzi sacri wieder zu seinen Ursprüngen als Kirchenmusiker zurück. Bereits 1871 hatte Verdi in einem Brief die These vertreten: „Tornate all’antico, sarà un progresso!“ (Kehrt zum Alten zurück, es wird ein Fortschritt sein!) Konsequenterweise beschäftigte sich Verdi in seiner letzten Schaffensphase mit Johann Sebastian Bachs h-moll-Messe und vor allem mit den Kompositionen Palestrinas, den er 1895 als „wahren Fürsten der Kirchenmusik“ bezeichnete. Trotz dieser Wertschätzung sind die Quattro pezzi sacri mit Ausnahme der „Laudi alla Vergine Maria“ weitgehend von Einflüssen Palestrinas frei.

Im Winter 1895/96 arbeitete er an einem Te Deum, im Jahr darauf schuf er ein Stabat Mater, seine beiden letzten musikalischen Vermächtnisse, die allerdings nicht zur Aufführung bestimmt waren.

Dazu der Komponist selbst: „Wenn es (das Te Deum) einmal vollendet ist, denn nur ein paar Passagen sind noch nicht fertig instrumentiert, dann will ich es zu den Ave Marias tun, und sie werden schlafen, ohne je das Licht des Tages zu sehen.“

Über das Te Deum verfügte er, es solle bei seinem Tod unter seinen Kopf gelegt werden, er wolle damit vor Gott treten und ihn um Gnade anflehen. Er hielt es für sein bestes Werk. Erst die hartnäckigen Bemühungen des kongenialen Librettisten Boito und seines Verlegers Ricordi führten zu einem Einlenken Verdis, sodass diese beiden Stücke zusammen mit den Laudine alla Vergine Maria, einer Vertonung aus Dantes Paradiso, die nach dem Otello entstanden war, in der Karwoche 1898 an der Pariser Oper uraufgeführt werden konnten. Bei der Wiener Erstaufführung im selben Jahr fügte man das Ave Maria (von 1888) noch hinzu. Die ‚Quattro Pezzi Sacri‘ waren also keineswegs als zyklischer Zusammenhang von Verdi geplant.

Wir wollen uns dieses Mal zwar auf den vierten und letzten Teil beschränken, nicht zuletzt, weil er auch heute nicht selten alleine aufgeführt wird und es ein paar Einspielungen gibt, die die Quattro Pezzi als Ganzes außen vorlassen, um sich auf das „Te Deum“ zu beschränken. Nichtsdestotrotz lassen wir uns von Bernhard Rzehulka (im „Konzertführer“ von Attila Czampai und Dietmar Holland) kurz darlegen, worin die Besonderheiten auch der anderen drei Stücke liegen:

„Das Ave Maria, mit dem die Reihe gewöhnlich eröffnet wird, ist ein reines a capella-Stück, das für Verdi „keine wirkliche Musik“ war, „sondern nur eine Art Kunststück, eine Charade“. Anlass dafür war ein Wettbewerb über die Harmonisierung einer ‚scala enigmatica‘, die die ‚Gazetta musicale di Milano‘ abgedruckt hatte, eine Tonleiter, die sich aus Halbtonschritten und übermäßigen Intervallen aufbaute. Aus diesem Material entstand ein vierstimmiger Chorsatz. Jede der Stimmen enthielt die Skala nacheinander als eine Art ‚cantus firmus‘. Daraus resultiert ein harmonischer wie klanglicher Reichtum, mit kunstvollen enharmonischen Verwechslungen, ungewöhnlichen Fortschreitungen, die unerwartet zwischen dem b- und dem Kreuzbereich wechseln, ohne dass je die Wirkung einer artistischen Künstlichkeit entstünde. Der Ausdruck des Stücks ist vielmehr der eines ruhigen, natürlichen Fließens; seine Architektur erfährt sich einzig aus der Partitur.

Die Laudine, der andere reine Chorsatz der ‚Pezzi Sacri‘, lassen eher den Charakter einer Gelegenheitsarbeit erahnen. Ursprünglich sollten sie nicht chorisch, sondern solistisch vorgetragen werden. Durch die hohe Lage des Satzes (zwei Soprane, zwei Altstimmen) entsteht eine schwebende Musik, der das Bassfundament zu fehlen scheint. Verdi greift hier noch einmal jene Mariengebete auf, wie er sie unerhört suggestiv seinen Frauengestalten, der Elisabeth im Don Carlo oder der Desdemona im Otello, anvertraut hatte.

Deutlich greifbar wird die Aura ‚letzter Werke‘ in den beiden mit Chor und Orchester breiter angelegten Kompositionen des Te Deum und des Stabat Mater. Zumal im Te Deum fließt Verdis Beschäftigung mit den Werken der italienischen Vokalpolyphonie und den gregorianischen Antiphonen entscheidend ein. So eröffnet eine typische gregorianische Anfangswendung, die ‚initio‘ des Lektionstons, das Werk. Daran schließt sich, noch immer a capella, ein antiphonaler Wechselgesang des Doppelchors an, der sowohl an die venezianische Mehrchörigkeit Gabrielis, als auch an die frühe Mehrstimmigkeit des Organums im 11. und 12. Jahrhundert anknüpft. Gleichsam rezitierend werden verschiedene Dreiklänge scheinbar jenseits einer verbindlich zentrierten Tonart gegenübergestellt. Völlig unerwartet, bei den Worten ‚Sanctus Dominus‘, triumphiert dann ein strahlendes Es-dur des Tutti. Wie in einem Brennspiegel führt Verdi hier Stationen der abendländischen Musikwerdung vor, auf engstem Raum von nur sechzehn Takten, ohne dass dies je künstlich oder konstruiert wirken würde. Ergreifend dicht ist die Musik immer beim Wort; dem eigentlich Gemeinten des Textes rückt sie unerbittlich zu Leibe.

Aufs höchste konzentriert ist diese dramatische Vergegenwärtigung des Textes dann im Stabat Mater. Dort nämlich reagiert die Musik exakt auf die dramaturgische Wendung in dem geistlichen Gedicht des 15. Jahrhunderts; eine Sequenz auf das ‚Fest der Sieben Schmerzen Mariä‘. Während der erste Abschnitt eine Art Zustandsbeschreibung darstellt, ein Bild von Christi Mutter zeichnet, die schmerzerfüllt neben dem Kreuz steht, ändert sich ab der Strophe ‚Eia mater...‘ die Sprachebene entscheidend. Denn jetzt wird Maria von den um Beistand bittenden Menschen direkt angesprochen. Dieser Verschiebung der Perspektive innerhalb des Textes trägt Verdi Rechnung. Während das Situationstableau des Anfangs von schmerzlichen Halbtonvorhalten und chromatischen Gängen durchzogen ist, markiert die Musik den sprachlichen Umschlag durch einen klar diatonisch gebauten a capella-Abschnitt des Chors (H-dur). Im Verlauf bilden sich immer größere, melodisch breit ausschwingende Abschnitte, bei denen die anfänglich beherrschende Chromatik sich verwandelt von struktureller Funktion zu überleitenden, warm atmenden Gesten.

An den Schlusswendungen der beiden Werke ist Verdis religiöse Distanz erfahrbar. Wird das Stabat Mater durch eine unisono geführte Quint-Oktavlinie gleichsam ausgeblendet, ohne im eigentlichen Sinn zu schließen (es ist Verdis musikalisches Schlusswort), so löst sich am Ende des Te Deum für einen Moment eine individuelle Sopranstimme aus dem Chorverband (In Te Domine speravi). Verdi greift hier noch einmal das Libera me seines Requiems auf, ohne aber – wie dort – einen realen kadenzierenden Schluss zu finden. Im späten Te Deum folgt auf einen E-dur-Septakkord der nackte Grundton E in den Kontrabässen. Es ist die weise Einsicht eines Mannes, der der Vollendung des Lebens im Tode gegenüber skeptisch bleibt. Statt auf die Gewissheit Gottes zu setzen, assoziiert Verdi das Hoffen darauf durch einen dumpfen, kaum noch wahrnehmbaren Einzelton. Das Ende bleibt offen.“ Soweit Bernhard Rzehulka.

Obwohl Verdi ursprünglich die Absicht hatte, selbst nach Paris zur Uraufführung zu gehen, überließ er seinem ebenfalls komponierenden Librettisten Arrigo Boito die nötigen Vorbereitungen. Das hinderte ihn jedoch nicht, lange und ausführliche Briefe nach Paris zu schreiben, in denen er Boito genau mitteilte, was seinem Wunsch an gewissen Stellen in seiner Musik entsprach. Er war besonders um das „Te Deum“ besorgt. Als es sich zeigte, dass die französischen Sänger mit der ersten Intonation ihre Schwierigkeiten hatten, schlug er zunächst vor, dass sie durch die von der Orgel gehaltenen Noten E und A unterstützt werden sollten. Wie das genauer gemeint war, ist nicht klar, aber vermutlich sollte eine leere Quint, das A auf dem Pedal, das E manualiter, gespielt werden. Danach änderte er seine Meinung und zog ein Orgelvorspiel von zwölf oder sechszehn Takten über Tonika und Dominante vor, um so dem Chor die Tonart e-Moll zu vergegenwärtigen. In die Partitur wurde die Orgel nicht mehr aufgenommen.

Es erging noch eine weitere Anweisung: „Am Anfang des Te Deums sollten Sie nur acht gute Stimmen aus jedem Chor singen lassen (das Werk ist doppelchörig gesetzt), aber nur solche, die in der Stimmung sicher sind, bis zum Sanctus, bei dem dann (alle) mit dem Orchester und mit großer Kraft einsetzen sollten.“

Weiterhin bestand er darauf, dass die Worte „Dignare, Domine“, ohne Harmonien, „mit einem traurigen Ausdruck, verschleierten und farblosen Stimmen“ gesungen werden. „Die Noten, einfach, genau uns mit Entschiedenheit gesungen, müssen genügen.“ Da ihm das unpräzise Singen der Pariser Chöre bekannt war, hätte er gerne die eine oder andere gute Stimme unauffällig im Chor platziert gesehen, damit sie im folgenden unbegleiteten „Miserere“ helfen könnten, die Stimmung zu halten. In einem weiteren Brief drückte er seine Besorgnis über das diminuendo am Ende des „Sanctus“, das mit Geigenharmonien verschmelzen müsse, aus, wie auch über den Trompeteneinsatz im „Tu, Rex, gloriae“, wo das Tempo breiter zu nehmen war, „und zwar so, dass man es nicht als einen Tempowechsel empfindet.“ Eine andere Stelle, ganz am Ende, an der er möglicherweise Schwierigkeiten voraussah, war das gehaltene E auf der Trompete. Was er jedoch in diesem Fall befürchtete, steht nicht im Brief. (Denis Arnold im Vorwort der Eulenburg-Taschenpartitur)

Ein Hinweis für alle Interpreten steht am Fuß der ersten Seite der Partitur: „Das ganze Stück ist in ein und demselben Tempo auszuführen, wie es durch das Metronom vorgeschrieben ist. Wenn auch Ausdruck und Tonfärbung stellenweise allagare (breiter oder langsamer werden) oder stringere (beschleunigen) fordern, kehre man doch immer wieder zum Tempo I zurück.“

Nach Kenntnis der Vergleichsaufnahmen ist es tröstlich zu sehen, dass kein Chor mehr eine separate Orgelunterstützung braucht, um den rechten Ton zu finden, einzig der Chor des BR bekommt im Live-Mittschnitt ein kurzes Tönchen aus dem Orchester serviert, um sich gemeinsam auf einer Tonhöhe zu sammeln. Bei den Studio-Einspielungen sind kleinere Unterstützungsmaßnahmen selbstverständlich nicht auf die endgültige Veröffentlichung gelangt. Auch das gleichmäßige Tempo stellt im Großen und Ganzen kein Problem mehr dar. Vielleicht liegt es an den hohen Anforderungen, die der komplexe Tonsatz des Stückes besonders für den Chor mit sich bringt oder an den Absatzchancen auf dem Tonträger-Markt, jedenfalls sind Aufnahmen des „Te Deum“ ziemlich rar gesät. Noch seltener sind Einspielungen aller vier „Pezzi Sacri“. Außer den in unserem Vergleich (mit einer ungewöhnlich kurzen Liste) gehörten Einspielungen gibt es noch weitere, aber an die diskographische Präsenz des Requiems kommt das „Te Deum“ bei weitem nicht heran. Vielleicht liegt es auch an dem wenig tröstlichen Schluss, den sich Verdi hat einfallen lassen. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass für Verdi der ganze Lobpreis zwar schön und gut ist, dass das Verebben des Stückes im Nichts jedoch viel eher seiner eigenen Überzeugung und Lebenserfahrung nahekommt. Weitere Einspielungen haben folgende Dirigenten verantwortet, sie sind, wie wir bemerkt haben, mehr oder weniger schwer oder gar nicht mehr zu bekommen: Gijs Lennaars (Sony), Gaetano Delogu (Supraphon), Djamal Dalgat (Melodija), Ettore Gracis (DG), Gianandrea Noseda (Chandos), Claudio Scimone (Erato), Antonio Pappano (EMI) und Stephan Cleobury (Argo-Decca). Diese kleine Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Jedenfalls kann die bescheidene Ersatz-Liste als Hilfsmittel für die eigene Suche dienen, falls die Einspielungen unserer Vergleichs-Liste in Zukunft ebenfalls immer rarer werden sollten. Dass junge Dirigent/innen wie Karina Cannelakis wieder auf die „Pezzi Sacri“ zurückkommen, stimmt indes wieder optimistisch.

 

 

 

Appendix: Zur Geschichte des „Te Deum“:

Als „Ambrosianischer Lobgesang“ (Hymnus Ambrosianus) ist dieser frühchristliche Hymnus Gegenstand einer Legende geworden, die zwei große Männer der frühen Kirche verbindet: In der Nacht, als Ambrosius seinen Schüler Augustinus getauft habe, sei ihm diese Dichtung eingegeben worden. 

Nach neueren Forschungen handelt es sich allerdings wahrscheinlich um einen altlateinischen Abendmahlshymnus aus dem 4. Jahrhundert. Manche Forscher vermuten in diesem Text ein altes Hochgebet für die Osternachtfeier. Über seinen klassischen liturgischen Ort (Stundengebet) hinaus hat der Hymnus einen musikalischen Siegeszug angetreten und ist zum Inbegriff des christlichen Gotteslobes überhaupt geworden. 

In der Matutin (Nachtgebet) des kirchlichen Stundengebetes vor Sonntagen, Festen oder Hochfesten wird - außer in der Advents- und Fastenzeit - nach dem letzten Responsorium (Antwortgesang) das „Te Deum“ feierlich gesungen. Darüber hinaus erklingt es auch in Gottesdiensten, in denen zur Danksagung Anlass gegeben ist, wie etwa nach Prozessionen und Weihehandlungen. Bei solchen Anlässen werden dann häufig auch das Vollgeläut der Kirche sowie alle Altarschellen geläutet.

Dies alles wird auch Verdi im Hinterkopf gehabt haben, als die Komposition in ihm heranreifte und sicher hätte er sich von vielen Kompositionen anderer Komponisten, die es zu seiner Zeit bereits gab, inspirieren lassen können, aber wäre dann noch ein typischer Verdi daraus geworden?

Spaßeshalber und natürlich aus Wissensdurst seien einmal sämtliche Kompositionen aufgelistet, die auf den noch weiter untenstehenden Text mehr oder weniger stark zurückgegriffen haben, zumindest einmal die, die Wikidata zu bieten hat. Als besonders fleißig fällt dabei ein gewisser Georg Friedrich Händel auf, der es auf fünf Vertonungen brachte.

Mittelalter

Aus dem Mittelalter sind mehrere einstimmige, unbegleitete Gregorianische Melodien des Te Deums von unbekannten Komponisten überliefert, wie zum Beispiel:

  • tonus sollemnis (‚feierlicher Ton‘)
  • tonus simplex (‚einfacher Ton‘)
  • alio modo, juxta morem Romanum (‚anderer Modus nach dem römischen Brauch‘)

Renaissance

  • Jacob Praetorius der Ältere (um 1520 – 1586)
  • Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525–1594)
  • Rogier Michael (um 1553 – 1623) Te Deum (1594)

Barock und Vorklassik

  • Heinrich Schütz (1585–1672): Herr Gott, dich loben wir (SWV 472: Deutsches Te Deum, Echtheit fraglich)
  • Heinrich Scheidemann (um 1596 – 1663): Te Deum laudamus für Orgel
  • Jiři Melcl (1624–1693)
  • Augustin Pfleger (um 1630 – nach 1689): Te Deum laudamus für 6 Vokal- und 7 Instrumentalstimmen (geschrieben zur Einweihung der Kieler Universität 1665)
  • Jean-Baptiste Lully (1632–1687): Te Deum LWV 55 (1678)
  • Dieterich Buxtehude (1637–1707): Te Deum laudamus BuxWV 218 für Orgel
  • Marc-Antoine Charpentier (1643–1704):
    • Te Deum à 8 voix avec flûtes et violons H 145 (1672)
    • Te Deum H 146 (1692, Prélude seit 1954 Eurovisions­fanfare)
    • Te Deum à quatre voix H 147 (1693), Te Deum à 4 voix H 148 (1699)
  • Marin Marais (1656–1728): verschollen
  • Michel-Richard Delalande (1657–1726)
  • Henry Purcell (1659–1695): Te Deum & Jubilate Deo Z 232 für Soli, Chor und Orchester (für den Cäcilientag des Jahres 1694 entstanden. Es handelt sich um das erste englische Te Deum mit Orchesterbegleitung. Eine der letzten Kompositionen Purcells)
  • André Campra (1660–1744)
  • Henry Desmarets (1661–1741)
  • Jean Gilles (1668–1705)
  • Louis Marchand (1669–1732)
  • Johann Hugo von Wilderer (1670–1724)
  • Giovanni Bononcini (1670–1747), Te Deum vertont 1741
  • Jan Dismas Zelenka (1679–1745):
    • Te Deum D-Dur ZWV 145 (ca. 1724)
    • Te Deum D-Dur ZWV 146 (1731)
  • Johann Sebastian Bach (1685–1750):
    • Singet dem Herrn ein neues Lied, BWV 190, Kantate für Neujahr 1724, Anfang im 1. und im 2. Satz
    • Herr Gott, dich loben wir, BWV 16, Kantate für Neujahr 1726, Anfang im 1. Satz
    • Gott, man lobet dich in der Stille, Kantate zur Ratswahl (1728?), Schlusschoral
    • Herr Gott, dich loben wir, Herr Gott, wir danken dir BWV 328 (?)
    • BWV 725, BWV 326 (?), BWV Anh. 31 (?)
  • Domenico Scarlatti (1685–1757): Te Deum à 8 (1721), u. a.
  • Georg Friedrich Händel (1685–1759):
    • Utrechter Te Deum HWV 278 (1713)
    • Caroline Te Deum HWV 280 (1714)
    • Chandos Te Deum HWV 281 (1717)
    • Te Deum in A-Dur HWV 282 (1726)
    • Dettinger Te Deum HWV 283 (1743)
  • Gottfried Heinrich Stölzel (1690–1749): Te Deum/Herr Gott, dich loben wir (ca. 1717/20)
  • Johann Adolf Hasse (1699–1785)
  • Carl Heinrich Graun (1703/04–1759)
  • António Teixeira (1707 – nach 1776): Te Deum (1734)
  • Marianus Königsperger (1708–1769): Te Deum op. 10 (1747), op. 12 (1748), op. 25 (1767)
  • Franz Xaver Richter (1709–1789): Kemptener Te Deum (1742)
  • Johann Christian Bach (1735–1782): Te Deum (Mailand um 1761)

Zeit der Wiener Klassik

  • Joseph Haydn (1732–1809): Te Deum Hob XXIIIc:C1 (?), Te Deum Hob XXIIIc:D1 (?), Te Deum Hob XXIIIc:G1 (?), Te Deum reges Hob XXIIIa:D5 (1800, komponiert für die Kaiserin Maria Theresa von Neapel-Sizilien)
  • Michael Haydn (1737–1806): Te Deum MH 28, Te Deum MH 145,Te Deum MH 415, Herr, großer Gott, dich loben wir MH 672, Te Deum MH deest. (Hob XXIIIc:1) (1765) (früher Joseph Haydn zugeschrieben)
  • Johann Gottlieb Naumann (1741–1801): Te Deum D-Dur für Sopran, Alt, Tenor, Bass, Chor und Orchester (1769), Te Deum laudamus C-Dur für Soli, Chor, Orchester und Basso continuo (1771), Te Deum D-Dur (1778)
  • Nikolaus Betscher (1745–1811): Te Deum D-Dur
  • Joseph Willibald Michl (1745-1816): Te Deum D-Dur für Soli SAZB, vierstimmigen Chor und Orchester (spätestens 1816)
  • Antonio Salieri (1750–1825): Te Deum laudamus de Incoronazione D-Dur für vierstimmigen Chor und Orchester (1790), Te Deum laudamus D-Dur für Doppelchor und Orchester (1799, Neufassung des Te Deum von 1790), Te Deum laudamus C-Dur für Soli, vierstimmigen Chor und Orchester (1819)
  • Johann Gottfried Schicht (1753–1823) – hat vier Te Deum komponiert
  • Peter von Winter (1754–1825) – es sind zwei Te Deum überliefert
  • Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791): Te Deum KV 141 für Chor und Orchester – Streicher, Orgel und wahrscheinlich Pauken und Bläser (Wien 1769?), Te Deum KV 3 Anh. 241b, Te Deum KV 6 C.3.12
  • Vincenzo Righini (1756–1812), zur Geburtstagsfeier der Königin Luise von Preußen (1810)
  • Johann Simon Mayr (1763–1845): Te Deum in D (1805)
  • Franz Xaver Süßmayr (1766–1803): Te Deum SmWV 122
  • Andreas Romberg (1767–1821): Te Deum opus 55, SteR 232 (1806)
  • Józef Kozłowski (1757–1831): Te Deum zur Krönung des Zaren Nikolaus I. (Russland) (1825)
  • Anton Reicha (1770–1836) Te Deum (1825)
  • Jan Theobald Held (1770–1851)
  • Christoph Ernst Friedrich Weyse (1774–1842)
  • Conradin Kreutzer (1780–1849)
  • Karol Kurpiński (1785–1857)

Romantik

  • François-Joseph Fétis (1784–1871): Te Deum zum Geburtstag König Leopold I. (1856)
  • Eduard Grell (1800–1886): Te deum laudamus für Solo und Chorstimmen mit Begleitung von 2 Violinen, Alto, Basso, 2 Oboen, 2 Fagots, opus 38 (um 1850)
  • Hector Berlioz (1803–1869): Te Deum opus 22 (1848/49)
  • Karl Kempter (1819–1871): Te Deum
  • Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847): Te Deum in D-Dur für Doppelchor und Basso Continuo (1826); Te Deum in A-Dur für Soli, Chor und Orgel (1832); Herr Gott, dich loben wir für Soli, Doppelchor, Gemeinde, Orchester und Orgel (1843) „Zur Feier des tausendjährigen Bestehens von Deutschland“
  • Otto Nicolai (1810–1849): Te Deum (1832)
  • Franz Liszt (1811–1886): Te Deum II Searle 24 (1853), Te Deum I Searle 27 (1859)
  • Giuseppe Verdi (1813–1901): Te Deum für Orchester und Doppelchor (1895–1896), Teil 4 in Quattro pezzi sacri. Laut Verdi als Danksagung an das Publikum wegen seiner Abstinenz als Opernkomponist gedacht. Die Uraufführung fand im Jahre 1898 im Pariser Opernhaus statt. Somit erfolgte mit dieser Komposition, nach Bruckners Klavierfassung seines Te Deum, die endgültige Einführung des Te Deum als eigens für den Konzertsaal bestimmtes Stück, abseits aller Bindungen an die kirchliche Liturgie.
  • Franz Josef Schütky: Te Deum
  • Friedrich Kiel (1821–1885): Te Deum für Soli, Chor und Orchester opus 46 (1866)
  • Anton Bruckner (1824–1896): Te Deum in C-Dur WAB 45 (1881, überarbeitet 1883/84)
  • Franz Wüllner (1832–1902): Te Deum für 4-8 stimmigen gem. Chor und großes Orchester op. 50 (1888)
  • Franz Xaver Witt (1834–1888): Te Deum
  • Johann Baptist Molitor (1834–1900): Te Deum
  • Peter Benoit (1834–1901): Te Deum
  • Georges Bizet (1838–1875): Te Deum für Soli, Chor u. Orchester WD 122 (1858)
  • Antonín Dvořák (1841–1904): Te Deum für Soli, Chor und Orchester opus 103 (1892)
  • Arthur Sullivan (1842–1900): Te Deum laudamus (1872), Boer War Te Deum (1902)
  • Hugo Bußmeyer (1842–1912)
  • Josef Gruber (1855–1933): Te Deum
  • Edward Elgar (1857–1934): Te Deum und Benedictus für Chor, Orgel und Orchester opus 34 (1897)

Moderne

  • Ralph Vaughan Williams (1872–1958): Te Deum in G-Dur für Chor und Orchester (Orgel) (1928), Festival Te Deum für Chor und Orchester (Orgel) (1937)
  • Max Reger (1873–1916): Fantasie über Te Deum laudamus, Nummer 2 aus Drei Orgelstücke opus 7 (1892); Te Deum aus Zwölf kleine Stücke für die Orgel opus 59 (1901)
  • Havergal Brian (1876–1972): 1. Sinfonie The Gothic für Soli, Kinderchor, zwei doppelte Chöre und Orchester (1919–1927) – den letzten drei Sätzen liegt der Text des Te Deum zu Grunde.
  • Joseph Haas (1879–1960): Te Deum opus 100 für Soli, gem. Chor und Orchester (1945)
  • Otto Olsson (1879–1964): Te Deum opus 25 (1906)
  • Walter Braunfels (1882–1954): Te Deum opus 32 für Sopran, Tenor, gemischten Chor, großes Orchester und Orgel (1920/1921)
  • Zoltán Kodály (1882–1967): Budavári Te Deum (1936)
  • Wilhelm Furtwängler (1886–1954): Te Deum für Soli, Chor und Orchester (1910)
  • Rudolf Mauersberger (1889–1971): Dresdner Te Deum (1944/45)
  • Joseph Messner (1893–1969): Te Deum für Soli Sopran + Bariton, vier- bis achtstimmigen Chor, Bläserseptett und Pauken, op. 38 (1935)
  • Josef Schelb (1894–1977): 94. Psalm und Te Deum für gem. Chor a capella (1956)
  • Wilhelm Kempff (1895–1991): Te Deum, opus 26 (1925) für Chor, Blechbläser, Pauke und Orgel
  • Richard Flury (1896–1967): Te Deum
  • Albert Jenny (1912–1992): Te Deum für Soli (Sopran, Alt, Tenor, Bass), 4st. gem. Chor, Orchester und Orgel (1950)
  • Josef Lammerz (1930–2014) Te Deum; Soli, Chor, Orchester, Orgel, 1954/88/96, Uraufführung am 13. November 2010 in Bonn
  • Ernst Pepping (1901–1981): Te Deum (1956)
  • William Walton (1902–1983): Coronation Te Deum für Chor, Orchester und Orgel (1952–1953)
  • Hermann Schroeder (1904–1984): Te Deum opus 16 für gem. Chor und Orgel oder Bläser (1932)
  • Walter Kraft (1905–1977): Te Deum (?)
  • Jean Langlais (1907–1991) Te Deum, 4 voix mixtes et orgue, trompette et timbales ad libitum (Pro Organo) (1973)
  • Heinz Schubert (1908–1945) Hymnisches Konzert für Sopran, Tenor, Orgel und Orchester (1939) – der Schlussteil enthält eine Vertonung des Te Deums
  • Harald Genzmer (1909–2007): Te Deum Laudamus für drei Trompeten, drei Pauken und Orgel (1997)
  • Heinrich Sutermeister (1910–1995): Te Deum (1975)
  • Percy Young (1912–2004): Festival Te Deum (1961)
  • Benjamin Britten (1913–1976): Te Deum in C Dur ohne Opuszahl (1934); Festival Te Deum opus 32 für gemischten Chor und Orgel (1944)
  • Karl Michael Komma (1913–2012): Te Deum für Orgel
  • Felicitas Kukuck (1914–2001): Das Te Deum, Kantate für Bläser und Chor (komponiert 1968. Stuttgart: Hänssler, 1961)
  • Vincent Persichetti (1915–1987): Te Deum opus 93, für Chor und Orchester (1963)
  • Hans Posegga (1917–2002): Oratorium Te Deum Benediktoburanum (1981)
  • Jeanne Demessieux (1921–1968): Te Deum, opus 11 (komponiert 1957/58. Paris: Durand, 1959)
  • Ruth Zechlin (1926–2007): Te Deum (2001)
  • Günter Gerlach (1928–2003): Te Deum, Zyklus für Orgel (1961)
  • Heinrich Poos (1928–2020): Te Deum (1959)
  • Petr Eben (1929–2007): Prager Te Deum 1989 (1989)
  • Heinz Werner Zimmermann (1930–2022): Te Deum, für Sopran- und Baritonsolo, gemischten Chor und Orchester (1998/2006)
  • Józef Świder (1930–2014) Te Deum, Günter Graulich und den Motettenchor Stuttgart gewidmet (2001)
  • Xavier Benguerel (1931–2017): Te Deum für Soli, Chor und Orchester (1993)
  • Krzysztof Penderecki (1933–2020): Te Deum für Soli, Chor und Orchester (1979/1980)
  • Peter Janssens (1934–1998): Te Deum, in Elisabeth von Thüringen, 4. Akt (1984)
  • Siegfried Matthus (1934–2021): Te Deum für Soli, Chor und Orchester (2005) – Zur Einweihung der rekonstruierten Frauenkirche (Dresden) komponiert. Uraufführung durch den Rundfunkchor Berlin in Dresden
  • Walter Steffens (* 1934): Te Deum für Soprano, Alto, Tenore I, Tenore II, Basso. Auftragskomposition zum 350. Gedenkjahr an den Westfälischen Frieden (1997)
  • Arvo Pärt (* 1935): Te Deum für drei Chöre, Klavier, Streicher und Tonband (1984–1992)
  • Konrad Seckinger (1935–2015): Partita über ‚Großer Gott wir loben Dich‘ für Orgel
  • Colin Mawby (1936–2019): Te Deum (deutsche Erstaufführung: 2009)
  • Karl Jenkins (* 1944): Te Deum (2008) für Chor und Orchester
  • John Rutter (* 1945): Te Deum (1988) für Chor und Orchester
  • Pēteris Vasks (* 1946): Te Deum (1991) für Orgel
  • Jan Sandström (* 1954): Te Deum für Chor und Orchester (1996)
  • Carlo Pedini (* 1956): Te Deum, entstanden zwischen 1994 und 1999 für Chor, Kinderstimmen, Orgel und Orchester
  • Steve Dobrogosz (* 1956)
  • Rihards Dubra (* 1964): Te Deum für sechs Chöre und Orchester
  • Ēriks Ešenvalds (* 1977): Trinity Te Deum (2012)

 

 

 

Der Text des Te Deum: (Quelle: Stiftschor Bonn, Version von 2022)

Te Deum laudamus:

Te Dominum confitemur.
Te aeternum Patrem

omnis terra veneratur.
Tibi omnes Angeli,

tibi caeli et universae potestates:
Tibi Cherubim et Seraphim
incessabili voce proclamant:
Sanctus, Sanctus, Sanctus,

Dominus, Deus Sabaoth.
Pleni sunt caeli et terra

maiestatis gloriae tuae.

Dich, Gott, loben wir,

dich, Herr, preisen wir.
Dir, dem ewigen Vater,

huldigt die ganze Erde.
Dir rufen alle Engel,

dir Himmel und alle Mächte,
Dir Cherubim und Seraphim
mit unaufhörlicher Stimme zu:
Heilig, heilig, heilig,

Herr, Gott der Heerscharen!
Erfüllt sind Himmel und Erde

von der Herrlichkeit Deines Ruhms.

 

Te gloriosus Apostolorum chorus:
Te Prophetarum laudabilis numerus:
Te Martyrum candidatus laudat exercitus.
Te per orbem terrarum

sancta confitetur Ecclesia:
Patrem immensae maiestatis:
Venerandum tuum verum,

et unicum Filium:
Sanctum quoque Paraclitum Spiritum.

Dich preist der Apostel ehrwürdiger Chor;
Dich der Propheten lobenswerte Zahl,
Dich der Märtyrer strahlendes Heer.
Dich preist über den ganzen Erdkreis

die heilige Kirche:
Den Vater der unermesslichen Herrlichkeit,
Deinen anbetungswürdigen, wahren

und einzigen Sohn,
auch den Heiligen Geist, den Tröster.

Tu Rex gloriae, Christe.
Tu Patris sempiternus es Filius.
Tu, ad liberandum suscepturus hominem,

non horruisti Virginis uterum.
Tu, devicto mortis aculeo,
aperuisti credentibus regna caelorum.
Tu ad dexteram Dei sedes,

in gloria Patris.
Iudex crederis esse venturus.
Te ergo quaesumus,

tuis famulis subveni,
quos pretioso sanguine redemisti.
Aeterna fac

cum Sanctis tuis in gloria numerari.

Du, der König der Herrlichkeit, Christus,
Du des Vaters ewiger Sohn.
Um die Menschheit zu retten,
hast Du nicht der Jungfrau Schoß verabscheut,
Du hast besiegt den Stachel des Todes
und den Gläubigen das Himmelreich geöffnet.
Du sitzt zur Rechten Gottes

in der Herrlichkeit des Vaters.
Als Richter, glauben wir, wirst du kommen.
Dich bitten wir daher,

komm Deinen Dienern zu Hilfe,
die Du erkauft mit Deinem kostbaren Blut.
In der ewigen Herrlichkeit

zähle uns deinen Heiligen zu.

Salvum fac populum tuum, Domine,
et benedic haereditati tuae,
et rege eos et extolle illos usque in aeternum.
Per singulos dies benedicimus te
et laudamus nomen tuum in saeculum,
et in saeculum saeculi.
Dignare Domine,

die isto sine peccato nos custodire.
Miserere nostri, Domine,

miserere nostri.
Fiat misericordia tua, Domine, super nos,
quemadmodum speravimus in te.
In te, Domine, speravi,
non confundar in aeternum.

Hilf deinem Volk, o Herr
und segne Dein Erbe,
und führe sie und erhebe sie bis in Ewigkeit.
An jedem einzigen Tag preisen wir Dich,
und loben Deinen Namen in Ewigkeit,
und in alle Ewigkeit.
Gewähre, Herr,

diesen Tag um uns ohne Sünde zu halten.
Erbarme dich unser, o Herr,

erbarme dich unser.
Dein Erbarmen, Herr, sei über uns,
wie wir gehofft auf Dich.
Auf dich, Herr, vertraute ich,
nie werde ich zu Schanden in Ewigkeit!
 

 

 

zusammengestellt bis 29.11.2022

 

 

 

Giuseppe Verdi 1899. Photographie von Pietro Tempestini in den Montecatini Termen.

 

 

 

 

 

Vergleichende Rezensionen:

 

 

5

Carlo Maria Giulini

Philharmonia Chorus and Orchestra London

(Sopran-Solo: Janet Baker)

EMI

1962

15:40

 

Verdi bietet durch die Verwendung eines Doppelchores, was nichts anderes bedeutet, dass zwei Chöre in voller Besetzung Verwendung finden, eine Steilvorlage zu einer antiphonischen Aufstellung. Die wäre zumindest seit Einführung der Stereo-Technik auch im heimischen Kämmerlein klanglich zu realisieren gewesen. Zumeist hört es sich aber im Endergebnis so an, dass die beiden Chöre so eng aneinandergerückt wurden, dass von einem Gegeneinander kaum die Rede sein kann. So kann man als ein(e) nicht mit einer Partitur ausgestattete(r) Hörer(in), die Doppelchörigkeit meist nur erahnen, aber kaum miterleben. Zumeist war offensichtlich die Nähe der einzelnen Stimmlagen aus Präzisionsgründen eher geboten als deren Unterscheidung durch Transparenz schaffende räumliche Distanz. Insofern sind die beiden Chöre bisweilen sogar vermischt worden, zumindest wenn man vom klanglichen Ergebnis ausgehen darf. Es gibt ein paar löbliche Ausnahmen, was wir dann auch erwähnen werden. Diese Einspielung gehört jedoch nicht dazu.

Denn auch in der musikalisch fantastisch gelungenen ersten Einspielung Giulinis geht man diesbezüglich einen Kompromiss ein, der vielleicht aber nur seine Gründe in der generell, selbst für das für eine stereophone Aufnahme, nicht besonders gelungenen klanglichen Transparenz hat. Das war aber auch schon der einzige Einwand gegenüber dieser Sternstunde des Chorgesangs und der Verdi-Interpretation. Die CD hat zudem den von der LP bekannten Klang der Einspielung durchaus klarer, frischer und dynamischer gemacht, ohne damit jedoch einen Maßstab setzen zu können.

Der Philharmonia Chorus ist offenkundig sehr groß besetzt worden. Dass man auch sonst keine Kosten und Mühen gescheut hat, sieht man ebenfalls an der Besetzung des Sopran-Solos, für das man keine geringere als Janet Baker gewinnen konnte. Verdi wollte die Solistin explizit aus dem Chor besetzt sehen, aber für die Platte, wollte man lieber kein Risiko eingehen. Auch wenn Dame Janet nur acht Takte zu singen hat und davon in sechs Takten nur einen Ton rhythmisiert zu singen braucht. Aber das kann man eben so oder so machen.

Die Piano-Kultur des Chores ist staunenswert. Schon beim Sostenuto, direkt nach dem Cantus firmus, bleibt einem „fast die Spucke weg“ mit welch einer Fülle alleine die Bässe und Tenöre nur eines der beiden Chöre intonieren. Die elementare Wucht, die der Doppelchor im ff (und dann auch noch tutta forza) in kompletter Besetzung entfaltet, empfindet man dann als elementar oder urgewaltig. Dabei wird er aber vor lauter Fülle und Volumen, wie bereits angedeutet, ein wenig seiner Transparenz beraubt. Der lange Nachhall hinterlässt ebenfalls bisweilen seine Spuren. Das gilt leider in diesen Stellen auch für das Orchester, dem es aber generell gut gelingt, dem Chor Paroli zu bieten bzw. ihn gleichgesinnt zu unterstützen. Transparenz gelingt bei Abbado, Robert Shaw und vor allem Gardiner viel besser. Nirgends klingt das Werk jedoch großartiger, der Lobpreis hymnischer aber auch inniger wie in dieser Einspielung. Auch das pp des kompletten Chores klingt einfach berückend und anrührend. Es trägt wunderbar und schwebt durch den ganzen locker angefüllten Raum. Der Chor übertrifft sogar das vollständig mobilisierte Orchester bei dem ff bei Tutta forza. Das gelingt sonst kaum einem Chor, zumal Giulini auch das Blech und insbesondere die Trompeten mächtig fordert. Das Holz klingt wieder etwas dünn, wie wir es in jener Zeit von diesem Orchester kennen. Da es aber keine tragende Rolle in diesem Werk zu erfüllen hat, hat dies keine Auswirkungen auf das Gelingen des Gesamtunternehmens. Überraschend ist für so groß besetzte Ensembles, wie quicklebendig der Gestus des Vortrages bleibt. Und das bei gleichermaßen donnerndem und entfesselt wirkenden Gesamtklang und bestechenden Glanz. Giulini hält die sehr disparat und kontrastierend wirkenden Passagen kraftvoll, spannend und besonders homogen zusammen, was ihm bei seiner zweiten Einspielung bei weitem nicht mehr so gut gelingt.

Janet Baker singt ihr kurzes Solo mitten aus dem Chor heraus und kann sich gut gegen das f der Trompete behaupten. Grandios, imponierend aber auch beseelt wie die ganze Einspielung.

Die Raumanmutung der Aufnahme ist groß und gewaltig, aber plausibel. Das ff des Gesamtklangs ist geprägt von äußerster Wucht und Kraftentfaltung, könnte aber differenzierter klingen. Beim Klang scheint die linke Seite etwas über die rechte Seite zu dominieren. Die meisten Passagen wirken durchaus transparent und farbig, nur eben nicht die ganz lauten.

 

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5

Claudio Abbado

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Wiener Philharmoniker

(Sopran-Solo: Cheryl Studer)

DG

1991

15:56

 

In Claudio Abbados Einspielung wirkt die antiphonische Aufstellung der beiden Chöre ungleich plastischer. Der Chor klingt erheblich transparenter als bei Giulini zuvor und auch beim durch Mark und Bein gehenden Tutta forza bleibt das Orchester noch wunderbar klar. Die Gran Cassa klingt enorm wuchtig, bleibt aber immer noch Teil des Ganzen. Die Soprane lassen nur beim ersten Einsatz eine minimale Unschärfe hören, ansonsten gelingt dem ganzen Chor ein Gesang von einnehmender Schönheit, kantabel aber auch markig, wo dies gefordert wird. Auch seine Kraftentfaltung wirkt grandios, sein pp hingegen bestens abgetönt. Und die Philharmoniker stehen ihm in nichts nach. Wir mussten überlegen, welcher der beiden Einspielungen (Giulini oder Abbado) der Vorzug zu geben wäre, denn auch bei Abbado wirkt der Gestus sehr emotional und zudem wird das Werk auch noch mit einer gewissen Eleganz dargeboten, ohne ihm auch nur einen Deut Ernst oder Größe zu nehmen. Bei Abbado hört man zudem auch einfach noch mehr von der Komposition, denn die Aufnahme wirkt auch als Ganzes sehr transparent und trotz der großen Besetzung licht. Zudem singt auch Cheryl Studer mit leuchtender Stimme und mit zartem, feinem Schmelz, besser geht es wohl kaum noch. Aber Janet Baker wirkt in ihrer vertrauensvollen Zuversicht noch etwas überzeugender. Der Chor bei Giulini singt auch noch emphatischer. Letztlich ergibt sich wohl ein Patt, denn Abbados Einspielung verbindet ebenso wie die Giulinis musikalische Hochspannung mit subtilster Gestaltung und eruptiven Ausbrüchen während Giulinis 62er Aufnahme dagegen Summa summarum insgesamt klanglich hinterherhinkt.

Abbado bietet ebenfalls großen, weiten Raum, aber mit tieferer Staffelung. Der DG gelingt dieses Mal ein faszinierender Klang, der Klangfülle und Glanz mit bester Transparenz, bester Dynamik und reichem Klangfarbenspektrum verbindet.

 

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5

Arturo Toscanini

Westminster Choir, NBC Symphony Orchestra

(Solistin beim Sopran-Solo leider ungenannt)

History

1940, Live

15:46

 

MONO Bei beiden Einspielungen Toscaninis, die uns zum Vergleich vorlagen, muss man besonders bei der ersten von 1940 viele Einschränkungen in klanglicher Hinsicht hinnehmen. Aber dennoch wirkte sie auf uns besonders faszinierend und auch mitreißender als seine klanglich besser gelungene spätere Studio-Aufnahme von 1951.

Natürlich muss man bei einer Mono-Aufnahme auf eine antiphonische Wirkung der beiden Chöre von vorne herein verzichten, selbst wenn sie im Aufnahmeraum realisiert gewesen sein sollte. Aber das spielt bei dieser von einem ganz besonderen Impetus getragenen Aufnahme nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Toscanini war der Dirigent der italienischen Erstaufführung und er hatte noch die Gelegenheit sich mit dem Komponisten auszutauschen, ja sogar gemeinsam mit ihm das Werk zu erarbeiten. Auffallend ist der laute, feste Gesang von Bass und Tenor beim Cantus firmus zu Beginn, zudem wird er auch noch mit Speed, Hochspannung und Brio vorgetragen. Das zeichnet diese Aufnahme ganz besonders aus. So ergibt sich ein größtmöglicher Kontrast des Cantus firmus zum pp des folgenden Sostenuto. Der Chor glüht förmlich vor Begeisterung und singt sehr dynamisch und extrem kontrastreich. Die beiden Tutta Forza-Anweisungen werden in keiner anderen Aufnahme so rigoros umgesetzt, vielleicht vergleichbar wie die plötzlich in einem Gewitter, das man nicht hat kommen hören, aufzuckenden Blitze (T. 16 und 65 mit Gänsehautgarantie und Choreinsatz bei T. 29 etc.) bei gleichzeitigem Donnern. Allerdings muss man sich die Gran Cassa dazu denken, denn die antiquierte Technik konnte sie damals noch nicht einfangen. Die Trompeten schmettern nirgendwo so authentisch wie bei Toscanini 1940. Am ehesten kommt da noch Abbado ran. Die Steigerungen wirken sogartig wie in keiner anderen Einspielung. Das Dolcissimo hingegen gelingt sehr gefühlvoll. Wenn man Toscanini noch mit den beiden Nocturnes von Debussy (letzter Vergleich) im Ohr hat, traut man seinen Ohren kaum, wieviel mehr an Musikalität er für seinen Landsmann mobilisiert. Auch die Anweisung dal canto liturgico grandioso (etwa: nach Art des grandiosen liturgischen Gesangs) bei T. 89 setzt eigentlich nur Toscanini so um, dass man einen Unterschied zur normalen Diktion hört. Das Blech klingt hier weihevoll und erhaben. Der Orchesterpart wirkt aufgewertet (dies ist auch bei Abbado und Fricsay zu hören), wobei besonders das Blech mit ungeheuerer Präsenz und Schnellkraft auffällt. Und das bei dem antiquierten, historischen Klang! Die leider nicht genannte Solo-Sopranistin bringt ihre wenigen Takte zwar sehr vibratoreich, aber im Ausdruck der Zuversicht (die allerdings ein paar Takte später von Verdi konterkariert wird) mit ihrer jungen, frischen Stimme sehr überzeugend und inbrünstig rüber. Sie muss gegen ein sich sukzessive steigerndes Trompetensolo ankämpfen, das am Ende mit ohrenbetäubendem Schalldruck anscheinend versucht den schlafenden oder absenten Gott selbst zu erwecken, damit er auch sicher die Sopranistin hört. Aber wie erwähnt, Verdi selbst schiebt mit dem leeren Ton von Celli und Kontrabässen am Schluss seine eigene Skepsis hinterher. Desillusionierend, besonders wenn Toscanini 1940 dirigiert.

Der Klang der Aufnahme tut hier eigentlich fast nichts zur Sache. Er ist historisch rauschend und mit dem typischen Plattenknistern der alten Schellackplatten versehen. Das Klangbild ist eng, die subjektiv empfundene Dynamik allerdings vor Intensität berstend.

 

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5

Ferenc Fricsay

RIAS-Kammerchor, Chor der Sankt-Hedwigs-Kathedrale Berlin, RIAS Sinfonieorchester Berlin

(keine Sopran-Solistin genannt)

DG, Movimento Musica, Urania, Designo

1952, Live

15:54

 

MONO Dieser mittlerweile bei verschiedenen Labels gelandeten Aufnahme liegt ein Live-Mitschnitt des SFB zugrunde, der zumindest in der DG-Version klanglich dem Kölner Mitschnitt des WDR aus dem gleichen Jahr so weit überlegen ist, dass man von einer gründlichen Überarbeitung durch die DG ausgehen darf.

Ob Fricsay es dem Vorschlag Verdis für die Uraufführung in Paris gleichmachen wollte und den RIAS-Kammerchor unten den Kirchenchor „eingemischt“ hat oder er beide Chöre „gegeneinander“ singen lassen wollte, wissen wir nicht, das Resultat ist jedoch mehr als nur überzeugend. Es ist nämlich eine Aufnahme voller Leidenschaft und Emphase geworden, bei der Chor und Orchester gleichermaßen feurig und eruptiv agieren. Der Chor wirkt strahlkräftig, was genauso für das damals allseits bewunderte Blech des Orchesters gilt. Der Chor wirkt jedoch dermaßen von Emphase durchdrungen, dass es ihm schwer zu fallen scheint, sich zurückzunehmen, denn ein richtiges pp oder gar ppp will ihm nicht gelingen. Es ist jedoch eine große Freude sein mitreißendes ff und die feurigen Steigerungsverläufe nacherleben zu können. Die leider ungenannte Solo-Sopranistin kommt in Berlin viel besser durch als im Kölner Mitschnitt.

Der Klang der Rundfunk-Aufnahme wirkt viel offener, klarer, deutlicher und dynamischer als in Köln. Der Unterschied ist so deutlich, dass wir, wie bereits erwähnt, von einem sehr gut gelungenen Remastering beim Berliner Mitschnitt ausgehen, der unter Umständen bei den anderen Labels (Urania, Designo, Movimento Musica) nicht zum Zuge kommt.

 

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4-5

Georg Solti

Chicago Symphony Chorus and Orchestra

(Solo-Sopran: Jo Ann Pickens)

Decca

1978

14:35

 

Georgs Solti und das Decca-Aufnahmeteam setzt die Antiphonie der beiden Chöre auch für den Plattenhörer sehr gut um. Bemerkenswert fanden wir, dass dabei der Chor II von links und der Chor I von rechts zu hören ist. Dass die Decca-Aufnahme kein Live-Mitschnitt ist, kann der aufmerksame Hörer auch an einigen Schnitten bemerken. Der spürbarste ist nach dem einleitenden A capella-Gesang zu hören, denn das nachfolgende ff des ganzen Ensembles hat eine völlig andere Akustik und kommt lange nicht so eruptiv wie bei den beiden zuvor genannten Live-Mitschnitten von Toscanini und Fricsay. Andererseits kommen aber auch die Vorzüge einer Aufnahme unter Studiobedingungen gut zur Geltung, denn der in der Komposition dem Chorpart ebenbürtig angelegte Orchesterpart wird hier ernst genommen, wirkt hier mehr als ebenbürtig, sogar besonders plastisch herausmodelliert. Der präziser als der Chor der anderen Decca-Aufnahme mit Mehta agierende Chor aus Chicago unter Solti steht dem kraftvollen Orchester in nichts nach. Das Brio Soltis wirkt Ende der 70er Jahre gegenüber den 50ern schon ein wenig gemildert, ist aber immer noch spürbar und griffig. Es wirkt gegenüber dem Alterswerk Verdis vielleicht sogar angemessener. Dass dem Werk aber auch ein bedingungslos temperamentvoller, leidenschaftlicher Zugriff sehr gut ansteht, haben  die vier Einspielungen zuvor bereits bewiesen. Der Chicagoer Chor wirkt in Klarheit und Diktion vorbildlich ausbalanciert, singt aber nicht ganz so transparent und wuchtig wie der Chor der Wiener Staatsoper bei Abbado oder (allerdings nur was die Durchschlagskraft anlangt) der Philharmonia Chorus bei Giulini. Das sonore und stilsichere A-capella-Singen ist für ihn ebenso kein Problem wie dynamische Flexibilität. Die sprachliche Prägnanz wirkt sogar idiomatischer als beim italienischen Chor unter Chungs Leitung. Die facettenreiche Darbietung Soltis wirkt erstaunlicherweise trotz des ziemlich flotten Tempos epischer als die dramatisch straffer und noch geschärfter wirkenden Darstellungen unter Giulini, Abbado, Toscanini und Fricsay. Die Spannung ist für unser Empfinden nicht ganz bruchlos durchgehalten, was aber auch an den Schnitten liegen könnte. Die Subito-Umschwünge gelingen allerdings vorzüglich und Ausdrucksdichte und Innenspannung sind generell sehr hoch.

Der Lauf der LP wirkt absolut ruhig, da störungsfrei. Sie erfreut auch durch fast völlige Rauschfreiheit. Der Klang wirkte der fast 10 Jahre älteren Mehta-Einspielung ähnlich. Ebenfalls voll und klangfarbenstark, aber etwas schlanker, transparenter und dynamischer. Die Aufstellung von Chor und Orchester wirken nahezu ideal und auch sehr gut eingefangen. Der Gesamtklang gelingt füllig, fast prall. Es ist mehr „Fleisch“ dran als bei Gardiner. Er wirkt zudem brillant und effektvoll.

 

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4-5

John Eliot Gardiner

Monteverdi Choir,

Orchestre Revolutionaire et Romantique

(Solo-Sopran: Donna Brown)

Philips

1992

14:43

 

Dieser Einspielung fehlt gegenüber den zuvor gelisteten ein klein wenig der ganz heiße Atem. Rein musikalisch oder auch klangtechnisch kommt sie der Perfektion jedoch am nächsten. Sie ist zudem wegen ihrer fast röntgenhaften Tiefe und Klarheit ein Fest für den Partiturleser, die Partiturleserin.

Der Beginn bietet Gregorianik pur. Die antiphonische Wiedergabe gelingt zudem in dieser Aufnahme am besten. Die Perfektion der beiden Chöre, so darf man hier schreiben, denn man kann sie fein säuberlich getrennt hören, ist verblüffend. Ihr pp ist exakt aufeinander abgestimmt, die Diktion ist optimal synchron. Das ff kommt wie aus einer Kehle. Die Stimmenverläufe sind in dieser Darstellung sehr deutlich und am besten nachzuverfolgen. Auch die Präzision des Orchesters und die daraus entstehende Transparenz ist fantastisch. Die Trompeten schmettern einfach herrlich. Die Tutta-Forza-Passagen provozieren Gänsehaut, aber auch die leisen Passagen werden enorm plastisch und differenziert gestaltet. Das Ganze wirkt schon fast zu vollkommen, ohne aber dadurch steril zu werden.

Donna Brown steht inmitten des Chores, wie Verdi es wollte. Das bringt den Nachteil mit sich, dass sie etwas zu entfernt und leise zu hören ist. Fazit: Nicht ganz so heißblütig wie Giulini, Abbado und die anderen zuvor genannten Einspielungen, aber noch transparenter und feingliedriger lässt Gardiner das Werk in all seinen Facetten wieder lebendig werden. Freunde der musikalischen und klangtechnischen Perfektion dürfen diese Einspielung getrost noch höher setzen in ihrer privaten Liste.

Der Klang ist enorm transparent, die Dynamik und besonders die Tiefenstaffelung hervorragend. Es ergeht hiermit ein großes Lob an die Technik, die die Doppelchörigkeit endlich einmal plastisch auf dem Silbertablett serviert. Eine „dicke“ Empfehlung. Sie könnte das jedoch nicht realisieren, wenn die Musiker sie nicht zuvor ebenso plastisch in den Aufnahmeraum gestellt hätten. Wenn die Einspielung von Robert Shaw nicht im Vergleich dabei wäre, wäre sie zudem auch noch die alleinige audiophile Empfehlung geworden. Den Titel muss sie sich teilen. Aber: Was für ein toller Chor!

 

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4-5

Arturo Toscanini

Robert Shaw Chorale

NBC Symphony Orchestra (ohne Nennung der Sopran-Solistin)

RCA

1954

16:06

 

MONO Auf einen ähnlich audiophilen Klang wie bei Gardiner darf man auch bei Toscaninis zweiter Einspielung des „Te Deum“ nicht hoffen. Eine plausible Wiedergabe einer eventuellen antiphonischen Aufstellung muss schon im Vorfeld abgeschrieben werden. Der Gestus der neueren Einspielung, bei der Toscanini bereits 87 Lebensjahre zählen konnte, ist wenig verschieden vom 1940er Jahrgang. Die Darbietung ist nun etwas langsamer, klangreiner und kantabler geworden, aber auch etwas weniger kontrastreich. Ein Beispiel dafür ist das nun nicht mehr so blitzschnelle Aufblitzen wie aus dem Nichts beim Sanctus, auch die dominante Vehemenz wirkt etwas abgemildert.

Der Holzbläsersatz wird nun etwas zu deutlich von Oboe und Englischhorn dominiert, so vermisst man bei dolcissimo ab T. 42 die Stimme der Flöte gänzlich. Dieses Detail würde man vor lauter knisternder Spannung beim 1940er Jahrgang gar nicht bemerken, vielleicht klang es da auch einfach „zu historisch“. Auch die Steigerungsverläufe gelingen nun nicht mehr mit der gleichen frenetischen, befeuerten Inbrunst. Das ist Jammern auf hohem Niveau, denn sowohl der Chor, als auch das Orchester sind beide immer noch Quellen der Begeisterung. Trotz der leichten Einschränkungen (nur gegenüber der Version von 1940) erleben wir immer noch bestes Toscanini-Verdi-Brio. Die Begeisterung für Komponist und Werk schlägt immer noch voll durch.  Die Sopranistin im kleinen Solo erklingt mit junger, fast soubrettenhafter Stimme. Die Trompete toppt bei ihrer letzten Lautstärke-Steigerung alles bisher gehörte und scheint den lieben Gott aus dem Tiefschlaf erwecken zu wollen, damit ihm zumindest ab jetzt auch nur nichts entgeht. Das ist eher ein Indiz für seine bisherige Abwesenheit, als für die bereits das ganze Stück über erwünschte und erhoffte Präsenz.

Insgesamt klingt die neuere Einspielung deutlich besser, während die ältere intensiver wirkt und uns insgesamt noch mehr packte.

Der Klang wirkt nun deutlich offener, klarer, er rauscht nun kaum noch, ist aber nur etwas transparenter und kaum dynamischer als 1940. Der Gesamtklang wirkt etwas trocken.

 

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4-5

Christian Thielemann

Rundfunkchor Berlin,

Berliner Philharmoniker

(Sopran-Solo: Sybilla Rubens)

Sendung des RBB

(Aufnahme bisher unveröffentlicht)

2012, Live

15:53

 

Außer dieses Mitschnitts einer Rundfunkübertragung lag uns zum Vergleich noch eine Einspielung aus dem Vatikan vor, die mit dem

Athestis-Chor und den Münchner Philharmonikern 2005 als CD und DVD veröffentlicht wurde. Besonders wegen der Überlegenheit des Berliner Rundfunkchores und der gesteigerten Transparenz der Rundfunkübertragung sagt uns der Berliner Mitschnitt etwas mehr zu.

2012 lässt Thielemann den gregorianischen Cantus firmus zu Beginn solistisch vortragen. Die Chöre selbst klingen angesichts der geringen Übertragungsrate sehr transparent, sodass man der antiphonischen Aufstellung ziemlich gut folgen kann. Thielemann ist einer der ganz wenigen, die das come in lontanezza (wie aus der Ferne) zumindest andeutet. Der erste Höhepunkt bei T. 29 klingt extrem wuchtig, aber nicht ohne Italienità.

Der Chor klingt noch transparenter als der Chor des BR beim Mitschnitt mit Riccardo Muti. Das liegt zum Teil auch daran, dass der Chor erheblich präsenter aufgenommen wurde als in München. Ihm gehört in Berlin ein Großteil des gesamten Klangbildes. Er singt auch mit etwas mehr Leidenschaft als der BR-Chor mit Muti, der eine betont ruhige (aber nicht breite oder gar lahme) Gangart wählt. Intonation und Verständlichkeit sind in Berlin ausgezeichnet, ebenfalls die homogene Geschlossenheit aller Stimmen, und das trotz der antiphonischen Aufstellung. Es geht jedoch etwas Präzision verloren, allerdings handelt es sich ja auch um eine ungeschnittene Direktübertragung. Muti lässt hingegen deutlich detailreicher singen und auch spielen. Sybilla Rubens singt bei ihrem Solo deutlich präsenter als alle übrigen Solistinnen (abgesehen von Izabela Matura bei Cannelakis). Ihr hat man wohl ebenfalls einen hervorgehobenen Platz eingeräumt.

Trotz des deutlich datenreduzierten MPEG-Stereo-Klangs des RBB klingt es wohlig, weich und gut abgerundet aus der Philharmonie. Großer Schwachpunkt ist vor allem die schwache Dynamik. Die Ortbarkeit des Chores gelingt erstaunlich klar und präzise. Die Präsenz desselben ist besser als die des BR-Chores in München, der weiter hinten platziert erscheint.

 

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4-5

Riccardo Muti

Chor und Sinfonieorchester des BR

(Sopran-Solo: Masako Goda)

Sendung des BR

(bisher unveröffentlicht)

2011, Live

17:50

 

Die Absicht des Dirigenten das Werk als Vermächtnis des Komponisten darzustellen wird deutlich gemacht. Im Gestus überwiegt immer die innere Ruhe und Gelassenheit. Die Worte der Komposition werden vorbildlich belebt, sie erscheinen fast wichtiger als die Musik selbst, was natürlich nicht bedeutet, dass das Orchester vernachlässigt werden würde. Die Gregorianik des Cantus firmus kann man kaum schöner hören.  Langsam, bedeutungsvoll und innig, so wie man es auch von Carlo Maria Giulini erwarten würde. Dieser Gestus durchzieht dann auch das ganze Stück. Die Trompeten sind nur ganz leise zu hören, den ersten Weckruf bzw. den Appell im ff verschlafen sie sogar total, aber nur beim ersten Einsatz. Der Steigerungsverlauf wirkt machtvoll. Eine gewisse Monumentalität wird erreicht, war sicher auch beabsichtigt. In München wird viel Wert auf ätherischen Klang und gefühlvolle Artikulation gelegt. Das zweite Tutta Forza erklingt nicht mit Gewalt, sondern nur mit viel Gewicht. Überhaupt erinnert die Darbietung mit ihrer Liebe zum Detail stark an die zweite Einspielung Giulinis aus Berlin, nur dass in diesem Fall der Münchner Chor viel besser ist. Man vernimmt zahlreiche magische Momente. Die glockenrein klingende Solo-Sopranistin bringt ihr Crescendo sehr gut rüber, es fehlt etwas an Stimmindividualität, aber die wollte Verdi an dieser Stelle ja gerade nicht hören. Am Schluss lässt Muti wieder die große skeptische Frage Verdis hören, wie auch in seiner Berliner Einspielung für EMI 1982. Diese Einspielung wird vom Münchner Mitschnitt übrigens auch klanglich getoppt, davon später noch ein wenig mehr.

Der BR lässt seine Radiohörer bei Konzertübertragungen der eigenen Ensembles immer in den Genuss von Mehrkanal-Aufnahmen im Dolby-Digital-Format 5.1 kommen. So kommt es, dass sie viel offener und klarer als die allerdings fast 30 Jahre ältere EMI-Aufnahme Mutis klingt. Sehr weiträumig, luftig, weich, gut gestaffelt, allerdings etwas zu expansiv nach hinten gestaffelt, sodass es gerade dem Chor etwas an Präsenz fehlt. Die Gran Cassa klingt sehr tief und recht dynamisch. Dynamisch kann sich der Mitschnitt jedoch nicht ansatzweise mit den Einspielungen von Robert Shaw, Abbado, Giulini (1962 und 1990) oder Gardiner messen.

 

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4-5

Robert Shaw

Atlanta Symphony Chorus and Orchestra

(die Sopran-Solistin wurde nicht genannt)

Telarc

1990

15:35

 

Robert Shaw war bereits der Chorleiter des damals nach ihm benannten Chores in Toscaninis zweiter Einspielung. Der Chor macht einen sehr stark besetzten Eindruck, seine Stimmen sind innerhalb einer Stimmgruppe homogen und die Stimmgruppen untereinander ausgewogen und einander ebenbürtig. Sein pp ist profund und sehr leise, säuselt aber nicht, die ff-Entladungen wirken imponierend. Auch dem Orchester fehlt es nicht an vehementer Kraftentfaltung.  Höchstens das ppp könnte bei beiden Ensembles noch etwas leiser sein. Diese Darbietung macht einen kompetenten Eindruck, Chor und Orchester verstehen sich „blind“. Auch die Anweisung Tutta forza bei T. 65 wird plausibel umgesetzt. Einzig die Differenzierungskunst kann nicht ganz mit den Spitzenchören aus England oder Wien, Berlin oder München mithalten. Das Sopransolo ist gut, aber in diesem Umfeld nicht herausragend. Insgesamt wirkt die Darbietung imponierend und sehr klangschön, konzeptionell jedoch ein wenig zu einseitig dramatisch und weniger nuanciert und dadurch insgesamt zu geradlinig.

Der Klang imponiert auch. Er ist sehr weiträumig, sehr voluminös und füllig, Chor und Orchester werden bestens auch in die Tiefe hinein gestaffelt und die Transparenz erreicht das Optimum. Nirgendwo (außer bei Gardiner oder vielleicht noch Abbado) kann man die Stimmen so gut verfolgen wie hier. Die Dynamik erreicht gemeinsam mit der Einspielung Abbados die Bestmarke. An Klangfarben mangelt es ebenso wenig. Kaum klingt die Gran Cassa einmal grollender. Der Gesamtklang ist hervorragend zu nennen, eigentlich sogar sensationell. Wäre Telarc bloß beim Soundstream-Aufnahmeverfahren geblieben! Der audiophile Geheimtipp.

 

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4-5

Christian Thielemann

Athestis Chor, Münchner Philharmoniker

(ungenannte Sopran-Solistin)

Pure Classics

2005, Live

14:43

 

Bei diesem Mitschnitt, der in Anwesenheit des damaligen Papstes, hunderter Kleriker und einer sehr großen Anzahl anderer Zuhörer im Vatikan entstand (und zwar geordnet in ebendieser Reihenfolge, die hier zugleich auch die Rangfolge zu repräsentieren hat, wie ehedem im Mittelalter oder bei weltlichen Herrschaftshäusern), beginnt bereits (anders als in Berlin 2012) die Gregorianik des Cantus firmus voluminös und direkt. Von der CD gehört ist von Antiphonie nichts zu hören. Wenn man die DVD anschaut sieht man jedoch, dass der italienische Chor durchaus doppelchörig aufgestellt ist, aber sehr dicht zusammensteht. Ist es ein besonderer Fall von „Hörpsychologie“, dass man von der DVD nun auch die Antiphonie hört? Oder hören die Augen mit?

Die Trompeten der Philharmoniker strahlen zwar nicht über die Chormassen hinweg, die sich übrigens nach noch mehr anhören, als es tatsächlich sind, sondern mehr durch sie hindurch. Der Chor klingt übrigens von CD noch voluminöser als von der DVD. Der Berliner Rundfunkchor ebenfalls mit Thielemann klingt trotz niedrigerer Datenrate viel transparenter, die Aufstellung ist bei der RBB-Sendung präziser nachzuhören.  Zudem klingt er ausgewogener und vor allem die Soprane noch homogener. Insgesamt werden wir jedoch auch im Vatikan Zeugen einer sehr intensiven Darstellung.

Der Klang ist viel präsenter und dynamischer als beim Rundfunkmitschnitt aus Berlin. Der lange Nachhall der enorm langgezogenen aber in Relation wenig breiten (Konzert)halle wurde nicht nachhaltig eliminiert. Das Orchester kommt nicht immer im wünschenswerten Maß gegen den Chor zum Zuge.

Die DVD klingt, obwohl auch nur in PCM-Stereo codiert, räumlicher. Chor und Orchester wirken hier besser durchstrukturiert als von der CD.

 

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4-5

Ferenc Fricsay

Kölner Rundfunkchor

Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester

(die Sopran-Solistin bleibt ungenannt)

Andromeda

1952

14:40

 

Der Cantus firmus kommt in der Partitur nicht nur ohne Taktstriche aus, er entbehrt auch allen sonstigen Artikulationsvorschriften. Bei Fricsay klingt er erstaunlich laut. Der Dirigent nutzt den Coro II teilweise zur Echowirkung zum Coro I, was in einem Fall explizit von Verdi gewünscht, aber nahezu nie berücksichtigt wird. Bravo Ferenc Fricsay! Die Explosion der Berliner Aufnahme beim ff (oder bei den Tutta forza-Passagen) wirken in Köln deutlich gebremst. Ansonsten agieren die Musiker jedoch auch in Köln mit dramatischem Feuer. Bei allem Kontrastreichtum wirkt die Musik nicht episodenhaft. Durch die laue Technik wirkt der Gestus jedoch durchweg sanfter als in Berlin im gleichen Jahr. Die Solo-Sopranistin klingt ganz weit weg, hat so keine Chance ihrer Bedeutung ganz gerecht werden. In Anbetracht der klanglichen Umstände machen Chor und Orchester einen sehr guten Eindruck, gegenüber Fricsays Berliner Glanzleistung wirkt die Darstellung jedoch nur wie ein schwacher Abglanz. Die Berliner klingt viel dynamischer, offener und vom Musikalischen her noch etwas empathischer. Trotz des zügigeren Tempos wirkt die Kölner Aufnahme milder, als ob das Feuer auf kleinerer Stufe brennen würde.

Der Mitschnitt klingt eng, flach und wenig transparent, Der Coro I scheint dichter am Mikro zu stehen als der Coro II. Das Blech wirkt gegenüber der Berliner Aufnahme total domestiziert. Der Gesamteindruck wirkt grau. Allerdings hört man in Köln viel weniger Störgeräusche vom Publikum als in Berlin.

 

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4

Zubin Mehta

Los Angeles Master Chorale,

Los Angeles Philharmonic Orchestra

(Sopran-Solo: Yvonne Minton)

Decca

1970

15:23

 

Außer der hier kurz vorgestellten Einspielung auf Tonträger gibt es von Zubin Mehta auch noch eine Videoaufzeichnung, die sein Antrittskonzert als Chef der Bayerischen Staatsoper festhält, das unter anderem auch die Quattro Pezzi Sacri zur Aufführung brachte. Da wir uns aber generell auf Audio-Aufzeichnungen beschränken wollen, lassen wir dieses Video einmal außen vor.

Die räumliche Aufzeichnung aus Los Angeles setzt das Antiphonische des Werkes ganz gut um, man merkt, dass es dem Dirigenten und den Technikern ein Anliegen war, diesen Aspekt des Werkes festzuhalten. Der große Chor aus LA klingt butterweich aber lange nicht so perfekt in Artikulation und Diktion wie die Chöre aus Wien, Berlin (Rundfunkchor), München oder auch Chicago. Das bemerkt man schon zu Beginn beim Cantus firmus, es zieht sich aber durch die ganze Einspielung hindurch. Man hört es besonders gut an des versetzten S-Lauten, denen es oft an Synchronität mangelt. Auch die Tutta forza-Stellen fehlt es an der Urgewalt eines Giulini (London) oder Abbado, von Toscanini 1940 einmal ganz zu schweigen. Beim zweiten Mal bleibt das Tutta forza im Orchester gar ganz aus. Eine gepflegte, allzu kultivierte Wirkung hat den Verantwortlichen bereits ausgereicht. Die Textverständlichkeit haben wir auch schon besser gehört. Die Gesamtwirkung der Einspielung ist eher eine groß-artige (also groß aber auch artig gleichermaßen) mit einem Hang zum Monumentalen. Gegenüber der nachfolgenden Einspielung Giulinis ist aber doch mehr „Zug“ dahinter

Die Räumlichkeit der Aufnahme wirkt weit, das Klangbild transparent, weich, füllig und klangfarbenreich. Der Chor speziell voluminös und plastisch. Den größten Teil der Aufnahme erschien uns der Coro I lauter als der Coro II.

 

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4

Carlo Maria Giulini

Ernst-Senff-Chor,

Berliner Philharmoniker

(Sopran-Solo: Sharon Sweet)

Sony

1990

18:13

 

Diese Einspielung wurde während verschiedener Konzertaufführungen mitgeschnitten. Der Chor wirkt gegenüber der Londoner Einspielung Giulinis geradezu leichtgewichtig. Nie erreicht er die grandiose Aura des Philharmonia Chorus. Er ist weder zu dessen fulminanter Urgewalt noch zur einer gleichermaßen betörenden als auch substanzreichen Weichheit fähig. Beim Orchester ist es eher umgekehrt, da spielen nun die Berliner viel sanfter und betörender als die Londoner, ohne dass das die Verluste beim Chor aufwiegen könnte. Giulini selbst lässt das Tempo mitunter schleifen und wartet nicht mehr mit derselben Spannkraft auf, wie ihm dies noch 28 Jahre zuvor so unnachahmlich gelang. Fast zwangsläufig wirkt das Musizieren so detailaffektierter und es kann einer gewissen Betulichkeit nicht ganz entgehen. Der Zerfall in einzelne Episoden droht. Sharon Sweet setzt hingegen ein stimmliches Glanzlicht. In dieser Einspielung verschwindet die Musik am Ende sehr sinnfällig im Nichts, denn das ppp von Celli und Bässen wird bis zum Unhörbaren decrescendiert. Fazit: Der Londoner überschwängliche Lobpreis ist nun erheblich besinnlicher und irgendwie selbstreflektierter geworden. Das hat auch in Berlin alles noch „Hand und Fuß“, aber die musikalischen Herzen schlagen in London, wie man zu hören glaubt, einfach viel höher und auch schneller.

Die Aufnahme zeigt ein enorm breit aufgestelltes Ensemble, das nun viel besser durchgezeichnet wird als in London. Supertransparent ist es jedoch immer noch nicht, da hätte man sich bei Sony einmal Robert Shaws Telarc-Einspielung anhören sollen. Der Bassbereich ist allerdings immerhin erheblich besser (Gran Cassa!) als in London. Der Gesamtklang wirkt weich und ein wenig wattiert. Die Dynamik ist gut.

 

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4

Myung Whun Chung

Coro e Orchestra dell´ Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

(Solo-Sopran: Carmela Remigio)

DG

1999

17:23

 

Der Chor ist erfreulicherweise nicht nur antiphonisch aufgestellt, man hört es auch. Dem beginnenden Cantus firmus fehlt ein wenig die Andacht. Der Chor kommt bei der Tutta forza-Explosion (T. 16) dem Orchester um Haaresbreite zuvor, was den durchschlagenden Effekt bereits enorm mindert. Die ff wirken hingegen schon eindrucksvoll, kommen aber in keiner Weise an die Präzision und die Geschlossenheit der Wiener Produktion mit Abbado heran, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Chor ist groß und recht ausgeglichen besetzt, achtet aber nicht so sehr auf eine deutliche Aussprache, womit sich der seltsame Tatbestand ergibt, dass der einzige „muttersprachliche“ Chor, wenn man einmal das Italienische als die konsequente Fortführung des Lateins ansehen will, einer der unverständlichsten ist. Die S-Laute haben teilweise ganz schön „Versatz“, was der Präzision kein gutes Zeugnis ausstellt. An fülligem Klang und sauberer Intonation fehlt es ihm nicht, die Wiener wartet jedoch mit noch mehr Feuer und rhythmischer Schärfe und Verve auf.

Wenn wir beim Vergleich dieser beiden DG-Einspielungen bleiben wollen, auch Carmela Remigio singt nicht so klangschön wie Cheryl Studer, sie bemüht auch zu viel Vibrato. Zudem wird ihr Solo auf extreme Weise von der Trompete gestört, aber das könnte auch einer künstlerischen Absicht entsprungen sein. Insgesamt wirkt die Einspielung durchaus dramatisch und kontrastreich, die Spannung aber hält Abbado besser. Daher wirken die Ausbrüche bei Abbado auch viel besser in den Gesamtablauf integriert, während sie bei Chung ein wenig isoliert und damit auch äußerlich wirken.

Das Klangbild wirkt farbig, füllig und warm. Es verfügt über eine völlig ausreichende Dynamik, die Wiener Einspielung bietet da jedoch mehr. Die Basswiedergabe ist gut. Der Chor dominiert etwas über das Orchester, da er ein wenig zu vordergründig platziert erscheint.

 

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4

Karina Cannelakis

Niederländischer Rundfunkchor, Niederländische Radiophilharmonie

(Sopran-Solo: Izabela Matura)

Aufnahme vom Niederländischen Rundfunk, gesendet vom HR (unveröffentlicht)

2022, Live

15:05

 

In diesem Mitschnitt aus Utrecht wird der Cantus firmus wie bei Christian Thielemann solistisch vorgetragen. Das Come in lontanezza (wie in der Ferne) des Coro II wird nicht beachtet. Sehr wohl beachtet und ganz gut umgesetzt wird die Antiphonie im Doppelchor. Das lichtet den Chorsatz recht gut auf. Zu Beginn des Sanctus vermisst man die urplötzliche Vehemenz der Kraftentfaltung des Tutta forza, das wir von Giulini, Fricsay und Abbado, vor allem aber von Toscanini (1940) so unnachahmlich gehört haben. Die Trompeten kommen hier trotz des vorgeschriebenen ff nicht so recht gegen das übrige Orchester und den Chor an. Das kommt bei den vier „Klassikern“ mit viel mehr Brio und hört sich daher ungleich mitreißender an. Diese Italienità vermisst man einfach, wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist. Der Sopran outet sich schon bald als die auffallendste Stimmgruppe, nicht etwa weil sie die höchste wäre, sondern sie ist auch einfach die lauteste. Dynamisch könnte die Darbietung kontrastreicher ausfallen, wobei man bei Rundfunkübertragungen nie so recht weiß, was auf dem Übertragungsweg verloren geht oder bereits gegangen ist. Der Chor singt zwar recht ausgewogen und gefühlvoll, erreicht aber kaum die Präzision der beiden deutschen Rundfunkchöre vom BR und aus Berlin. Einige Einsätze verwackeln und man hört es auch wieder sehr gut am reichlichen Versatz der S-Laute. Das zischelt dann deutlich. Das Dolcissimo, gespielt vom Holz des Orchesters (ab T. 42) gefällt hingegen sehr, wenngleich es vielleicht ein wenig zu laut angestimmt wird, da es eigentlich pp gespielt werden sollte. Live muss es eben auch bis zum letzten Platz tragen. Dal canto liturgico grandioso (vom grandiosen liturgischen Gesang zu übernehmen) liegt dem Blech dann gut, es muss aber auch nicht gegen Chor und Restorchester antreten und genießt zumindest teilweise die ganze Präsenz. Bei Uno poco piu sostenuto konnten wir keine Änderung des Gestus bemerken, es soll ja auch nur un poco piu sein (ein wenig mehr - gehalten). Die Spannung wird insgesamt ganz gut durchgehalten. Die Solo-Sopranistin singt bereits ihr p sehr laut und hat offenkundig auch einen ganz besonders prädestinierten Platz bekommen. Sie wird geradezu akustisch zur Schau gestellt, was gegenüber den anderen Einspielungen besonders auffällt. Die Trompete ist ihr keine ernstzunehmende Rivalin. Ihren letzten Spitzenton hält sie gut durch und sie vermag es, den Chor ganz klar zu übertönen. Ob das im Sinne Verdis war?

Der Mitschnitt wurde in Stereo gesendet. Er wirkt zwar leicht hallig, aber insgesamt wurde eine gute Balance von Präsenz und guten Staffelung im Raum gehalten. Der Chor nimmt die ganze Breite der virtuellen heimischen Bühne ein. Dynamisch klingt es ziemlich flach, aber das ist nicht ungewöhnlich bei Mitschnitten im Radio.

 

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4

Riccardo Muti

Schwedischer Radiochor, Stockholmer Kammerchor, Berliner Philharmoniker

(Solo-Sopran: Arleen Auger)

EMI

1982

16:04

 

In dieser Einspielung wird die Antiphonie total verpasst, auch der Hinweis in der Partitur: „aus der Ferne“ wird ignoriert. Das passiert in anderen Aufnahmen auch, aber dass bei T. 16 das komplette Blech und insbesondere die Trompeten zu fehlen scheinen, dass gibt es nur noch bei der Radioübertragung des BR ebenfalls mit Riccardo Muti. Die Gran Cassa wird hingegen nicht übergangen, sie tönt schön tief. Doch nun zunächst einmal zu den Chören. Die Schwedischen Chöre wurden in den Jahren vor der Maueröffnung lange Zeit fast jährlich von den Philharmonikern eingeladen, um große Werke für Chor und Orchester zur Aufführung zu bringen. Es war leichter von Schweden nach West-Berlin zu kommen, als den Berliner Rundfunkchor, der in jenen Jahren in Ost-Berlin residierte, nach West-Berlin. Nach der Wende nahm dann der Berliner Rundfunkchor als bester Berliner Chor diesen „logischen“ Platz ein.

Die beiden Chöre wirken besonders ausgeglichen und mit homogenen Stimmlagen gesegnet. Auffallend ist besonders der weich klingende Sopran, der wie von einer Aura eines matten Goldglanzes umgeben wird. Übrigens sind die Trompeten im weiteren Verlauf dann ganz gut zu hören, besonders wenn das restliche Orchester und der Chor schweigen (T. 90).

Mit der klanglichen Transparenz ist es bei dieser Einspielung schlecht bestellt, auch könnten die dynamischen Gegensätze deutlich stärker ausfallen. Es wird durchaus spannend gesungen und gespielt, von der gewünschten seraphischen Wirkung bleibt aber durch den dichten, stumpfen und matten Klang nicht viel übrig, genau wie von der polyphonen Faktur. Das geht auf das Konto der Klangtechnik, von Muti hätte man sich allerdings zu jener Zeit zudem noch etwas mehr Tempo und Brio gewünscht. Der Schluss gelingt wie auch in München sehr gut, da die offene Frage besonders deutlich gemacht wird.

Der Klang stellt für die Einspielung einen schweren Klotz am Bein dar. Er wirkt wenig transparent, im Tutti und wenn es etwas lauter wird, sind wir nahe dran am Klangbrei. Die dynamischen Gegensätze könnten viel größer sein (siehe Abbado, Gardiner, Solti oder Shaw). Erneut wird es deutlich, warum die EMI-Ingenieure zu Beginn der Digital-Ära nichts von Digitalaufnahmen wissen wollten, schließlich wurden sie jedoch vom Management dazu ermahnt und irgendwann nach der „Reifung“ der Technik konnte man die Aufnahmen dann auch wieder anhören. Diese hier wäre besser noch analog gemacht worden.

 

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3-4

Martin Stephani

Chor des Musikvereins Bielefeld,

Philharmonia Hungarica

(keine Solo-Sopranistin genannt)

Decca

P 1976

16:35

 

Martin Stephani lässt wie Thielemann in Berlin den Cantus firmus solistisch vortragen. „Aus der Ferne“ wird nicht berücksichtigt. Offensichtlich damit sie nicht so mickrig klingen, werden die Männerstimmen zu Beginn noch vom Alt kräftig unterstützt. Schwindende „Mannstärke“ war in jener Zeit ein weit verbreitetes Problem bei (Männer)chören. Dass man sich keine männliche Verstärkung zumindest für diese Aufnahme gesucht hat, mutet für eine Produktion bei einem international tätigen Label seltsam an. Der Chor artikuliert teils rhythmisch besonders stark betont, was sich durch das ganze Werk zieht und teilweise etwas gestelzt wirkt. Ein gerundetes Legato wäre nach unserem Dafürhalten oft die bessere Lösung gewesen. An mehreren Stellen klingt der Chor recht flach, die Diktion geflissentlich und nur erlernt. Für einen Laienchor klingt es aber durchaus wohl, wenngleich das Übergewicht der Frauenstimmen an manchen Tuttistellen schon ziemlich penetrant erscheint. Manches klingt auch plakativ, aber generell kommt man mit den, das darf man nicht vergessen, sehr komplexen Aufgaben ganz gut zurecht. Den Orchesterpart vergisst der Dirigent durchaus nicht, obwohl er mit dem Chor sicher bereits alle Hände voll zu tun hatte. Es klingt teilweise sogar brillant und durchaus plastisch, generell erweist sich das Orchester als dem Chor weit überlegen. Das Sopran-Solo gelingt gut. Es könnte Uta Spreckelsen gewesen sein, denn sie singt auf gleicher Platte den Sopran-Part in Bruckners Te Deum. Und für eine Laienchoristin hört sich das Solo zu professionell an. Aber wir wollen uns da besser keiner Mutmaßung hingeben.

Wir hören in dieser Einspielung durchaus keinen Verdi „light“ und das Ergebnis ist für einen Laienchor aus der musikalischen Provinz sehr beachtlich, besonders wenn man an die verschachtelten Stimmführungen innerhalb des Doppelchores denkt. An die Crème de la Crème des Chorgesangs (Monteverdi Chor, Wiener Staatsopernchor, die deutschen Rundfunkchöre, den Philharmonia Chorus…) sollte man jedoch besser nicht denken.

Beim technischen Teil der Aufnahme waren Profis am Werk. Es klingt meist klar und deutlich, weich und durchaus mit der von Decca bekannten farbigen Brillanz. Die Dynamik und Lebendigkeit der Einspielung übertreffen ganz klar die der beiden nachfolgenden Einspielungen mit Profi-Chören.

 

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3-4

Emil Tabakov

Bulgarischer Nationalchor,

Philharmonisches Orchester Sofia

(Solo-Sopran: Olga Romanenko)

Capriccio

1994

16:47

 

Auch bei dieser Einspielung muss man auf die antiphonischen Feinheiten in der Stimmführung verzichten, obwohl man zu Beginn noch sehr wohl einen Coro I (rechts) und einen Coro II (links) unterscheiden kann. Auch die notierte Fernwirkung bei T. 7 und 8 wird ignoriert. Immerhin lässt man die Gran Cassa bei T. 29 beherzt mitspielen. Der Chor singt weich und klingt auch voll und dynamisch, er kann auch ein echtes pp überzeugend rüberbringen. Er singt auch präziser als das Orchester spielt. Er klingt zwar nicht immer ganz ausgewogen, aber die Steigerungen werden sorgfältig und zielstrebig vorbereitet und ausgeführt. Dem dirigentischen Duktus hätte eine etwas spritzigere Haltung jedoch gutgetan. Bisweilen erleben wir einen Spannungsverlust und die Höhepunkte wirken etwas zu monumental.  Zudem hätten wir uns das Blech deutlicher und knackiger gewünscht. Das gelingt der Philharmonia Hungarica zuvor viel besser.

Die Aufnahme klingt etwas dynamischer, voller und offener als die darunter platzierte aus Budapest. Das Bassfundament ist kräftiger aber auch etwas zu mulmig. Der Chor wird recht weit zurückgesetzt und besonders das Orchester könnte präsenter klingen. Der Gesamtklang erscheint wenig brillant.

 

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3-4

Pier Giorgio Morandi

Chor und Orchester der Ungarischen Staatsoper

(Solo-Sopran: Elena Filipova)

Naxos

1996

15:38

 

Eine antiphonische Aufstellung wird immerhin ansatzweise hörbar gemacht. Die gebotene Dynamik meidet die Grenzbereiche wie der Teufel das Weihwasser. Die Anweisung Tutta forza werden sowohl vom Chor als auch vom Orchester total ignoriert, und zwar nicht nur einmal, sondern immer. Die lyrischen Abschnitte gelingen dem Chor viel besser, obwohl auch da der glockige Sopran zu allermeist das Regiment führt. Wir wurden den Verdacht nicht los, dass es die Beteiligten an der gebührenden Emphase mangeln ließen oder mit anderen Worten, sie hatten keine Lust sich tiefer in die Materie einzuarbeiten, sorgfältiger zu proben und dem Werk ein Fest zu bereiten. Da loben wir uns doch den Chor des Bielefelder Musikvereins.

Einen gewissen Anteil an der blassen Darbietung geht auch auf das Konto der Klangtechnik, denn das gelieferte Resultat wirkt verhangen oder belegt, nur leidlich transparent und wenig körperhaft, man könnte auch schreiben: flach. Die Dynamik wirkt träge, das Gesamtbild kaum brillant, die Klangfarben blass bis grau. Der Gesamtklang aus Bielefeld ist dagegen eine Ausgeburt an brillanter, farbiger Lebendigkeit.

 

 

 

Vergleich fertiggestellt am 4.12.2022