Jean Sibelius
Der Schwan von Tuonela,
Legende für Orchester, op. 22, Nr. 2
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Werkhintergrund:
Das finnische Nationalepos der „Kalevala“- Dichtung besteht aus einer Vielzahl von Heldensagen und Mythen wie die Figur des Lemminkäinen, von dem zahlreiche Abenteuergeschichten überliefert sind.
Vier Episoden daraus hat Sibelius schließlich in seiner „Lemminkäinen-Suite“ op. 22 (auch genannt: „Vier Legenden“ oder „Vier Legenden von Kalevala“) in Musik verwandelt. Sie wurden 1895 bis 1896 komponiert, 1896 uraufgeführt, aber erst 1954 vollständig gedruckt und erst 1956 in Deutschland vollständig gespielt.
Ursprünglich dachte Sibelius jedoch an eine mythologische Oper namens „Veneen luominen“ („Das Bauen des Bootes“) nach dem Vorbild der Opern Richard Wagners. Sibelius beschäftigte sich sehr intensiv mit den Opern „Tannhäuser“, „Lohengrin“ und „Die Walküre“ und war anfangs auch vom „Parsifal“ sehr beeindruckt, wie er überhaupt glaubte, er sei eigentlich Opernkomponist. Später änderten sich seine musikalischen Zielvorstellungen und er lehnte nicht nur die Kompositionstechnik Wagners ab, sondern wandte sich auch von der Oper als solcher ab. Das musikalische Material des Lemminkäinen-Themas wandelte er zu vier einzelnen Legenden um.
- „Lemminkäinen und die Mädchen auf der Insel“(Spieldauer ca. 17 Minuten): basiert auf dem 29. Gesang,in dem Lemminkäinen zu einer Insel (Saari) fährt und dort mehrere Frauen verführt, bevor er vor der Rache der dortigen Männer fliehen muss.
- „Der Schwan vonTuonela“ (Spieldauer ca. 10 Minuten): basiert auf dem 14. Gesang. Es ist, wie gesagt, das weitaus populärste der vier Stücke und wird häufig auch allein gespielt. Berühmt geworden ist das langes Solo eines Englischhorns. Gemeint ist ein mystischer Schwan, der die Toteninsel Tuonela umschwimmt. Lemminkäinen ist eigentlich beauftragt worden, den heiligen Schwan zu töten, aber er wurde von einem vergifteten Pfeil getroffen und stirbt selbst, erhält im nächsten Stück aber sein Leben zurück. Diese Legende war in der ursprünglichen Planung Sibelius’ als Ouvertüre der Oper gedacht. Sibelius arbeitete diese Musik zweimal um, zuerst 1897 und dann noch einmal 1900. Die deutsche Erstaufführung fand im Juni 1901 in Heidelberg statt.
- „Lemminkäinen in Tuonela“(Spieldauer ca. 15 Minuten): basiert ebenfalls auf dem 14. und dem 15. Gesang. Lemminkäinen ist auf der Toteninsel Tuonela, um den Schwan zu töten und damit in den Besitz der Tochter von Louhi zu kommen, der Herrin des Nordlandes. Aber ein blinder Mann tötet Lemminkäinen, dessen Körper in den Fluss geworfen und zerteilt wird. Seine Mutter hört von seinem Tod, reist nach Tuonela, setzt die Körperteile ihres Sohnes wieder zusammen und gibt ihm durch Zaubersprüche und eine Salbe das Leben wieder.
- „Lemminkäinen zieht heimwärts“(Spieldauer ca. 7 Minuten): basiert auf dem 30. Gesang. Nach all seinen Abenteuern zieht Lemminkäinen zu seiner Mutter nach Hause zurück.
In diesem Vergleich wollen wir uns lediglich auf das zweite Stück der Suite konzentrieren, was aber nicht ausschließt, dass zu einem späteren Zeitpunkt auch die restlichen Stücke der Suite einmal vergleichend unter die Lupe genommen werden könnten. Zumindest von „Lemminkäinen kehrt heimwärts“ würden bereits genug Einspielungen vorliegen, um einen interessanten Vergleich zu ermöglichen. Das Stück ist zudem als überaus temperamentvoller und brillanter „Rausschmeißer“ ein Virtuosenstück für Orchester wie wenige andere.
Im Erstdruck der Partitur des Schwanes von Tuonela waren einige Zeilen verzeichnet, die weniger ein Programm als die archaische Grundstimmung der Situation im Ganzen wiedergeben:
„Der Schwan von Tuonela. Tuonela, das Reich des Todes – die Hölle der finnischen Mythologie – ist von einem breiten Flusse mit schwarzem Wasser und reißenden Laufe, umgeben, auf dem der Schwan von Tuonela majestätisch und singend dahinzieht.“
Die Nähe zu verwandten Motiven ist dabei offenkundig (etwa die Sage von Cygnus). Das Motiv des „Schwans“ als Mittler und Todesbote kulminierte im 19. Jahrhundert zum zentralen Motiv des „Schwanengesangs“.
Eine weitere Pointe stellt in diesem Zusammenhand auch der in der Literatur oft erwähnte zitathafte Anklang an den Beginn der Ouvertüre von Richard Wagners Oper „Lohengrin“ dar, in der der Schwan ebenfalls eine dramaturgische Funktion im Sinne des Mythos ausübt. Als ein weiteres Referenzstück wurde auch häufig Claude Debussys „Prélude à l´après-midi d´un faune“ von 1894 angeführt, das ebenfalls auf der Idee eines ambitionierten Instrumentalsolos basiert, hier mit der Flöte zu Beginn.
Rhetorisch betrachtet ist das Englischhornsolo „sprechende Instrumentalmusik“ par Excellance. Es hebt in mehreren Blöcken zu seiner „Sagenerzählung“ an, die in unterschiedlicher Gewichtung auch zu einem fortwährenden Wechselgesang mit dem Orchester tritt. Das Orchester übernimmt dabei so etwas wie die Rolle des allwissenden Chores aus der griechischen Tragödie, wobei der elegische Streicherklangteppich nach dem einleitenden Aufschwung in einer ersten motivischen Formulierung ab T.9 ff. den fatalistischen Charakter der Szene einfängt, begleitet von dem unterschwellig „drohenden“ Wirbel der großen Trommel (schon von T. 8 ff. an). Die Situation stellt sich bereits zu Beginn als vielschichtig (auch tonmalerisch ambivalent) dar. Aufsteigende Kantilenen als Ebene der „Unterwelt“ (bzw. aus ihr kommend, (auftauchend?)), die Streicher in hohen Lagen (oft lange Liegetöne) repräsentieren die „Oberwelt“ als kommentierender Chor. Dazwischen als Mittler und Wächter des Totenreiches und Verbindungsglied zur „Oberwelt“, der „Schwan von Tuonela“, repräsentiert vom Englischhorn. Sibelius war hierin auch der Wegbereiter für Charles Ives „The Unanswered Question“, in der auch mehrere Schichten übereinander- und aneinandergelegt werden mit in diesem Fall Flöten, Trompete und Streicher als Protagonisten. Sibelius war hier also geradezu ein Vorläufer der Moderne. Von wegen retro!
„Wie kunstvoll Sibelius Momente der Vagheit und Mehrdeutigkeit übereinanderschichtete, mögen die Anfangstakte verdeutlichen. Der Streicherteppich in der Grundtonart a-Moll erweist sich als trügerisch. Das Hauptthema erklingt in b-Moll, bei seiner Wiederholung (T. 12-15) in c-Moll. Beide tonale Zentren sind äußerst labil. Die meist mediantischen Fortschreitungen erlauben zudem für einen kurzen Moment auch wieder einen a-Moll-Akkord (T. 12 Anfang). Das von Viola und Cello vorgetragene Gegenthema konstituiert mit h-Moll eine weitere Zwischentonart (T.11).
Die mehrfach geteilten Geigen reduzieren zu diesem Gegenthema ihre dreistimmigen Akkorde stets auf eine große Terz, so dass erst die melodische Linie die Tonart definitiv festschreibt.“ (aus den Vorwort der Taschenpartitur, Breitkopf und Härtel Nr. 3327)
Nach dem einleitenden dreimaligen Vorstellen des „Schwanenmotivs“ von T. 1-22 (ab T.5, T.12 und T.18 jeweils ff. modifiziert) vollzieht sich die „Saga“ in vier Abschnitten des Englischhorns. Eine genaue semantische Untersuchung wäre hier reizvoll, um den genauen Gehalt zu erkennen, sprengt aber leider den hier möglichen Rahmen. Nahe liegt jedoch die Charakterisierung der Szenerie, wobei der Schwan die Überführung eines Verstorbenen von der „Oberwelt zur Unterwelt“ begleitet bzw. eskortiert und seine Rückkehr
- 23-33, Saga 1: Oberwelt, Überführung in die Unterwelt
- 36-53, Saga 2: Tuonela, das Reich der Toten
- 58-71, Saga 3: Abgesang
- 82-94: Saga 4: Rückkehr des Schwanes an die Oberwelt
Die Länge der thematischen Abschnitte wechselt ständig (in T.23 bzw. 28 beginnt das Englischhorn mit einem dritten Thema) und irritiert damit mitunter auch die Hörerwartung. Erst das neuerliche einsetzende Hauptthema (T.36 führt zu stabilen harmonischen und metrischen Verhältnissen. Erst wenn der Schwan das Reich der Toten erreicht, befindet es sich in ruhigem Gewässer.
Insgesamt erweist sich der „Schwan von Tuonela“ als eine Sinfonische Dichtung von großer Intensität, wobei es Sibelius gekonnt versteht, zahlreiche unerwartete klangliche Aspekte zu gestalten. Von besonderer Wirkung sind dabei jene unterschiedlichen Klangflächen (Tremolo-Streicher in hohen Lagen wie T. 36 ff. (Sibelius muss Tremoli überhaupt geliebt haben, gehören sie doch zu einem seiner Stilelemente, wie kaum ein zweites) oder die Pizzicato - Streicher ab T. 59 ff. wie auch einzelne instrumentatorische Details, wenn etwa ab T. 73 ff. die Pauken in Terzen geführt und so zu einem Harmoniebestandteil des Blechbläserapparats werden. Hierzu passt (was aber erwartbar war) das Fehlen der zu „hellen“ Klangfarben von Flöten, Klarinetten und Trompeten im Stück insgesamt, die nicht in das gedämpfte Timbre des Satzes (Streicher zumeist con sordino, große Trommel) und tiefe Klangfarben (Bassklarinette) passen.
Die Musik in diesem Satz ist ziemlich statisch, ein interessanter, musikalischer Zustand, worin der Zuhörer verzaubert versinken kann. Wenn man will, kann man den Schwan von Tuonela (Tuonelan joutsen) auch als einen Vorgänger der Kompositionen von György Ligeti bis Arvo Pärt und Kaija Saariaho sehen, die alle statische Elemente als Material für ihre Musik benutzt haben. Generell baut auch die Minimal Music auf von Sibelius emanzipierten Elementen auf.
Übrigens unterscheiden sich die unterschiedlichen Einspielungen ganz erheblich gerade was die sich emanzipierende Statik betrifft. Man kann nach Abschluss des Vergleichs geradezu von zwei Lagern reden: Den Statikern, bei denen das Wasser schon fast wie gefroren (oder leblos) erscheint und der Schwan von Gram gedrückt und deprimiert kaum voran kommt (allen voran Maazel, Salonen und ansatzweise auch Bernstein) und den Vitalen, bei denen der Schwan ein kraftvolles, majestätisches Tier (bisweilen gar emotionsgesättigt und voller Empathie mit dem eskortierten Verstorbenen) ist und der Wasserlauf zwar dunkel, aber auch von bisweilen quirliger Strömung durchzogen ist (und dennoch quasi wie im Mondlicht schillern kann), so wie es Sibelius in seiner kurzen Einleitung beschrieb. So divergieren die Spielzeiten ganz erheblich von siebeneinhalb bis zu 12 Minuten.
Maßgeblichen Einfluss auf das Gelingen der Darbietung hat natürlich, fast wie bei einem Konzertstück oder einem Solisten-Konzert, die Qualität und das Engagement des Englischhornspielers bzw. der Englischhornspielerin. Besonders die beherzte dynamische Gestaltung und die exakte Phrasierung können im Idealfall bis zu einer empathisch wirkenden Gestaltung führen. Diese kann sogar eine eigentlich zu langsame oder auch eine zu schnelle Temponahme vergessen lassen. Über das ideale Tempo könnte man sich, wie so oft, jedoch trefflich streiten lassen. Es bleibt wie so oft Geschmacksache.
Große Unterschiede ab es auch ab T. 75 ff. wenn alle Streicher Tutti cantabile con gran suono zu spielen haben, einer einzigartig wirkenden und wichtigen Stelle. Man vermisst gerade hier eine Anweisung des Komponisten zur Lautstärke. Entsprechend vielfältig verfahren hier dann die Dirigenten. Vom vorsichtigen Raunen bis zum Aussingen aus voller Brust reicht hier die Bandbreite. Es ist jeweils als Kommentar des Chores (der mehr oder weniger Anteil nehmenden Gemeinde) zu verstehen.
Im Vergleich zu den drei übrigen sinfonischen Dichtungen der „Lemminkäinen-Suite“ op. 22 ist der „Schwan von Tuonela“ das mit Abstand beliebteste Stück daraus. Nach der unverwüstlichen „Finlandia“ und dem „Valse triste“ ist es bis heute das bei weitem bekannteste Werk aus Sibelius´ Feder überhaupt geblieben mit entsprechend zahlreichen Einspielungen.
Übrigens ist in der offiziellen Zählweise seit 1947 der „Schwan von Tuonela“ die Nr. 3 in der Abfolge der Suite. Bis 1947 war er noch die Nr. 2. (Quelle: Sibelius.fi) Fast alle Einspielungen folgen seltsamer Weise (obwohl nach 1947 veröffentlicht) noch der alten Zählung, weshalb diese übernommen wurde.
(Vergleich unter Verwendung der Taschenpartitur Nr. 3327 von Breitkopf und Härtel)
Noch zwei kleine Anmerkungen zum Vergleich:
- Ehsolo bedeutet Solo des Englischhorns.
- GA bedeutet hier: „Der Schwan von Tuonela“ ist in dieser Aufnahme Teil der komplett eingespielten „Lemminkäinen-Suite“.
Erneut danken wir Herrn Bernd Stremmel für die freundliche Überlassung einiger rarer Einspielungen des Werkes.
zusammelngestellt bis 28.12.2020

Jean Sibelius um 1900
Vergleichende Rezensionen:
5*
Paavo Berglund
Rundfunksinfonieorchester Berlin
Eterna, Berlin Classics
1970
8:54
Paavo Berglund gilt als einer der Spezialisten für die Musik von Sibelius. Diesen Ruf hat er sich aber nicht aufgrund seiner finnischen Herkunft erworben, sondern weil er sich ein Dirigentenleben lang einem akribischen Quellenstudium hingegeben hatte. Nicht ohne Grund nutzt Simon Rattle mittlerweile Berglunds Partituren. Drei verschiedene Einspielungen standen zum Vergleich zur Verfügung, wovon die erste von 1970 mit dem damals noch Ost-Berliner Rundfunksinfonieorchester am besten gefällt. Ein Grund dafür findet sich in der sagenhaften Aufnahmequalität. Ihr gelingt ein selten zu hörendes Ineins von hautnaher Präsenz und differenziert klingender Weiträumigkeit. Der hier besonders volle und üppige Streicherklang wirkt bestens aufgefächert, der Gesamtklang von seltener Plastizität. Bei glasklarer Transparenz wirkt der Raum ausgesprochen natürlich abgebildet. Die Dynamik wirkt auffallend breit und ausladend, die Klangfarben schillernd und dennoch warm timbriert. Trotz der satten Dynamik des Orchesters bleibt das über eine a priori wenig ausgeprägte Dynamik verfügende Englischhorn jederzeit klar, deutlich und in der richtigen Größe gegenüber dem Orchester hörbar.
Gegenüber dem zuvor gehörten Barbirolli, reizt Berglund die Dynamik des Stückes noch stärker aus, was zu einer enorm emotionalen Darstellung beiträgt. Auch darin übertrifft Berglund den hoch motivierten Barbirolli sogar noch um ein Quäntchen. Der Ehsolist verfügt über einen wunderbar warmen, großen Ton, der sich vollkommen ins orchestrale Umfeld integriert und hörbar mit ihm interagiert. Es gelingt ihm eine intensive von Grund auf musikalisch wirkende Gestaltung, aus der die lauteren Passagen als besonders gelungen hervorzuheben sind.
Von allen drei Versionen Berglunds ist dies diejenige, die die Dramatik des eigentlich lyrisch zu verstehenden Stückes auf eine unverstellte, herzhafte (Dynamik!), aber völlig plausible Art und Weise hervorhebt, aber dabei jederzeit partiturgenau bleibt. Besonders hervorzuheben ist die Gestaltung von T. 75 ff Tutti con gran suono. Hier gelingt durch das erhebende Unisono ein Höhepunkt von erschütternder Eindringlichkeit an die er mit dem PO (1983) nicht ganz und mit dem Orchester aus Bournemouth (1972) ganz und gar nicht herankommt. Diese tief auslotende Darstellung des Stückes wurde unserer Meinung nach in keiner anderen Einspielung mehr ganz erreicht, deshalb die Sternchen-Auszeichnung für besondere Verdienste.
▼ zwei weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste
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5
Neville Marriner
Academy of Saint-Martin-in-the-Fields
Philips
1985
8:13
Deutlich bewegter und emotionaler als der gerade zuvor gehörte Maazel beginnt Neville Marriner seine Darstellung. Das Ehsolo begeistert durchweg auf höchstem Niveau (wie schon bei Rodrigos Concierto de Aranjuez) mit bewundernswert genauer Phrasierung und schöner Cantabilität. Minuziös, aber auf eine lebendige Weise, werden die zahlreichen dynamischen Anweisungen befolgt. Eine starke emotionale Beteiligung wird spürbar und überträgt sich auf den Hörer. Die Streicher agieren ausgesprochen ausdrucksvoll (ebenso wie die wenigen übrigen Bläser). Mit perfekter Intonation suggerieren sie eine Szenerie ohne Nebel in vollkommener Klarheit. Die Steigerungen bis F und danach sind lebendig gestaltet. Bei T. 75 ff bevorzugt Marriner eine etwas weniger emotionale Gestaltung als Berglund, sie wirkt aber sehr bewegt und bewegend. Er vermeidet aber jede übertriebene Monumentalität. Die glühende Expressivität Berglunds erreicht Marriner auch über das gesamte Stück betrachtet nicht, sie war wohl auch gar nicht beabsichtigt. Seine Gestaltung wirkt dafür aber noch eine Spur differenzierter und verfeinert im Orchesterspiel, was den Zwischentönen zugute kommt.
Der Klang ist ausgezeichnet, es stimmt eigentlich alles. Er ist gut grundiert, brillant und offen, die Gruppen sind bestens gestaffelt. Das Verhältnis von Eh. zum restlichen Orchester kann man als ideal bezeichnen.
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5
Paavo Berglund
Philharmonia Orchestra London
EMI
P 1983
9:08
Gegenüber der älteren Berliner Aufnahme wirkt die Londoner Einspielung ca. 13 Jahre später etwas ausgewogener, was sich auch an der etwas gelasseneren Gangart (hier weniger eine Gangart als der „Schwimmstil“ des Schwanes) ablesen lässt. Sie wirkt auch nicht mehr ganz so empatisch. Aber auch sie profitiert von einem erstklassigen Ehsolo. Der ausdrucksvolle, warme Ton und die sowohl differenzierte als auch geschmeidige Spielweise gehören mit zum Besten des gesamten Vergleiches. Auch das Orchesterspiel ist ein großer Genuss, denn es lässt keine Details aus und überzeugt mit balsamischem Klang. Der Unterschied zur Aufnahme von 1972 ist, sowohl orchestral als auch was den 1983 erheblich volleren und glanzvolleren Klang anlangt, markant.
▼ weitere Aufnahme desselben Dirigenten in der Liste
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5
Colin Davis
London Symphony Orchestra
RCA
2000
10:39
GA Colin Davis überrascht in seiner zweiten im Vergleich gehörten Aufnahme von 2000 mit einem deutlich breiteren aber keineswegs gezogenen Tempo. Trotzdem versteht er es, jederzeit die Spannung aufrechtzuerhalten. Gegenüber der Bostoner Aufnahme von 1976 kommt das Ehsolo nun erheblich besser (auch aufnahmetechnisch) zur Geltung. Das Solo wird hier sehr gefühl- und ausdrucksvoll gegeben. Der Klang ist weniger gedeckt als im Solo des Solisten des PO zuvor, aber durchaus noch als angenehm weich und besonders flexibel zu bezeichnen. Die Differenzierung des Parts gelingt hier aber viel besser als in der Bostoner Einspielung. Nun wird jederzeit akribisch den Vorgaben des Komponisten gefolgt. Dieser Schwan geht, wenn man so will in seiner Arbeit auf. Er scheint den Verstorbenen voller Empathie zu begleiten.
Genauso verfährt Davis auch mit dem restlichen Orchester, denn auch sein Spiel ist von herausragender Partiturtreue geprägt. Die Soli (z.B. von Cello, Viola und Violine, Harfe oder den Hörnern) kommen auf den Punkt. Die Verzahnung den Ehsolo mit dem restlichen Orchester ist beispielhaft. Auch das marcato der Pauken gelingt punktgenau. Das Tutti der Streicher ab T. 75 wirkt hier lange nicht so voller Herzblut wie bei Berglund (1970) sondern wie gedankenverloren, ein jeder trauert eben anders. Die Streicher klingen aber dennoch voll, klar, exakt, sehr differenziert und ausdrucksvoll, jeden Anflug von Pathetik vermeidend.
Der Klang ist erheblich brillanter als der aus Boston und weist im Verhältnis geradezu aufgelichtete Strukturen auf. Eher klar wie ein Bach in den Bergen, nicht so abgedunkelt wie die Philips-Aufnahme, die aber vielleicht der kurzen Beschreibung der Szenerie des Komponisten selbst näher kommt, nachdem es ja ein dunkles Gewässer sein soll, auf dem der Schwan schwimmt. Die Dynamik ist sehr gut. Die Klangfarben wirken wie das Klangbild überhaupt: tiefgründig.
▼ weitere Aufnahme desselben Dirigenten in der Liste
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5
Malcolm Sargent
Wiener Philharmoniker
EMI
1959
8:59
Obwohl vielen britischen Dirigenten ein Faible für die Musik von Sibelius nachgesagt wird und seine Musik sich schon früh im angelsächsischen Raum durchgesetzt hat, ist Malcolm Sargent nicht besonders umfänglich das Sibelius - Dirigent diskographisch in Erscheinung getreten. Das hielt ihn aber nicht davon ab, uns eine ausgezeichnete Sammlung der bekanntesten sinfonischen Dichtungen zu hinterlassen. Hier hört man einen gänzlich anderen Klang als in den bisher genannten Einspielungen. Das liegt insbesondere am schalmeienhaften, urwüchsig wirkenden, aber auch immer wieder etwas intonationsgefährdet wirkenden Klang des Wiener Englischhorns. Er ist sicher nicht jedermanns Geschmack und die Philharmoniker selbst haben sich auch von ihm weg entwickelt, was gleichermaßen auch für ihren Oboenklang gilt. Das Englischhorn bietet hier aber auch eine reiche Palette an verschiedenen Klangfarben und wird in dieser Einspielung tatsächlich als Solist gesehen, was bedeutet, dass es gleich neben dem Dirigenten vorne an der Rampe Platz genommen hat und nicht wie bisher üblich hinter den Streichern positioniert ist. Es stehen ihm ansonsten aber alle Möglichkeiten des guten Spiels zur Verfügung. Besonders zu loben wäre die hohe Dynamik zwischen p und ff, die längst nicht jedem Solisten zur Verfügung steht.
Das „übrige“ Orchesterspiel ist ungemein ausdrucksvoll und nährt die vielerorts zu hörende Ansicht, dass die Wiener Streicher vielleicht sogar die allerbesten wären. Jedenfalls ist es herrlich luzide und leuchtkräftig. Die Soli von Cello, Viola und Violine sollte man auch einmal gehört haben und der ab T. 75 Tutti cantabile con gran suono intonierte (Streicher)Chorgesang wird durch die besonders klare und musikalische Phrasierung zu einem Erlebnis. Hervorzuheben ist ebenfalls die ab H ff zu hörende ganz spezielle Handhabung des col legno Spiels, die den Eindruck einer ganz speziellen kräuselnden Wellenbewegung hervorruft. Sollte sich hier etwas der Schwan in die Lüfte begeben haben? Ein kleiner aber, wie wir finden, genialer Einfall. Das ungemein ausdrucksvolle Orchesterspiel und das vielleicht sogar bis ins Reich der Sagen zurückreichende Klang des Englischhorns machen diese Einspielung zu einer ganz besonderen. Obwohl wir nicht gerade ein überschwängliche Freunde der früheren Wiener Oboensektion sind, waren wir von dieser inspiriert wirkenden Einspielung besonders fasziniert.
Der Klang ist warm timbriert, von frischer Dynamik und gut durchhörbar.
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5
Leopold Stokowski
National Philharmonic Orchestra, London
CBS, Sony
1977
8:08
Von den drei zum Vergleich bereitliegenden Einspielungen Stokowskis ist seine neueste, die aus seinem letztem, dem 95. Lebensjahr stammt, die klanglich beste. Aber auch das ausziselierte Spiel des diesmal offensichtlich aus den besten Musikern Londons zusammengezogenen Orchesters begeistert mit höchster Klangkultur. Allerfeinste Streicherstrukturen werden so hörbar, wobei die speziellen bei Stokowski üblichen (liberalisierten) Strichtechniken sicher eine große Rolle spielen. Die Londoner Orchester waren ja bestens vertraut damit. Auch beim Ehsolo wurden keine Kompromisse eingegangen, sondern auf den oder die beste(n) Musiker(in) zurückgegriffen. Eine gewisse Würze durch einen leichten Schalmeienakzent ist da dennoch zu hören, aber der weich geführte Klang klingt differenziert und sanft akzentuiert. Die vermeintliche Trompetenunterstützung der Aufnahme von 1957 bei H unterbleibt hier. Es unterbleibt auch das übertriebene marcato dieser älteren Einspielung, stattdessen werden fein ausgehörte Streichervaleurs zu Gehör gebracht. Bei T. 75 hören wir ein ganz fein und weich gespieltes aber doch nachdrückliches Abschiednehmen des Streicherchores. Bei H hört man keine speziellen deftigen Wasserspiele mehr wie 1957, sondern ein fein gespieltes Tremolo als wunderschönes Farbenspiel.
Diese Version ist vom Anfang bis zum Ende eine Meisterleistung an sensibler Klangorganisation. Insgesamt eine anrührende Interpretation vielleicht unter Gewahrwerdung des eigenen Abschiednehmens.
Der Klang der Aufnahme ist weich, brillant, ausgesprochen weiträumig und mit einer sehr guten Tiefenstaffelung versehen.
▼ zwei weitere Aufnahme desselben Dirigenten in der Liste
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5
Paavo Järvi
Royal Stockholm Phiharmonic Orchestra
Virgin
1995
9:46
GA Da der Sohn Paavo ein deutlich getrageneres (aber immer noch „flüssiges“) Tempo anschlägt als sein Vater Neeme, erhält das Stück in dieser Wiedergabe eine aparte impressionistisch anmutende Deutung, der man die Nähe zu Debussys Vergleichswerk deutlicher anhört, als bei anderen Einspielungen. Das ausgezeichnete Ehsolo spiegelt sehr gut die erhabene, majestätische Erscheinung des Schwanes wider. Souverän auch hier die weiche, geschmeidige und makellose Tongebung innerhalb einer ausgezeichneten Phrasierung. Auch die kleinen Soli der anderen Instrumente sind sehr gut. Ab T.75 ff erklingt der (Streicher)Chor auf eine sanfte und stärker Anteil nehmende Art gefühlvoller als bei Neeme, was auch auf der Vermeidung einer allzu kleinteiligen Phrasierung beruht. Neemes Orchester (die Göteborger Sinfoniker) wurden zu jener Zeit als eines der besten Europas gefeiert, die Stockholmer stehen ihm jedoch in nichts nach. Es klingt hier auch um einiges besser als unter Andrew Davis, dessen Aufnahme auch am Vergleich teilgenommen hat.
Der Klang ist plastisch, farbig, und sehr gut durchhörbar. Der Streicherchor ist gut grundiert. Die Tiefenstaffelung ist sehr gut, die Balance von Solo und Orchester perfekt abgestimmt.
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5
Herbert von Karajan
Berliner Philharmoniker
DG
1965
7:40
EMI
1976
8:27
DG
1983
7:54
Karajan hat insgesamt drei Einspielungen vorgelegt, alle mit dem BP und alle mit dem gleichen Solisten, dessen Namen auch verdientermaßen bei den beiden DG – Aufnahmen Erwähnung findet, Gerhard Stempnik. Er war zudem auch bereits Solist in der Aufnahme Hans Rosbauds von 1954, sodass hier in ganz kurzen Episoden fast ein ganzes Musikerleben dokumentiert ist. Auch nach Erreichen des Pensionsalters wollten ihn die Philharmoniker nicht gehen lassen, weil kein adäquater Nachfolger zu finden war, sodass er noch drei Jahre Dienst drangehängt hat. Schon in der ersten Karajan – Aufnahme, die gegenüber Rosbauds Version eine eklatante Entwicklung des Solisten erkennen lässt: Er hat sein Forte – Spiel erheblich vervollkommnet. Ein ähnlich durchdringendes Forte ist jedenfalls von keinem anderen Solisten in diesem Stück zu hören. Das korrespondiert mit Karajans Sichtweise durchaus vortrefflich, denn zu seinem dramatisierenden Duktus, vor allem in den beiden DG- Einspielungen lässt sich kaum eine Alternative unter den anderen Ehsolisten finden. Und er brauchte einen Solisten, der aus seinem Instrument fast schon trompetenähnliche Lautstärken entlocken konnte. (wir waren uns nicht sicher, ob bei der punktierten Halben vor E im ff nicht tatsächlich eine Trompete unterstützt) Zu hören insbesondere bei T. 18 und wie bereits erwähnt kurz vor E, dem Höhepunkt der Saga im Reich der Toten. Das geht vor allem 1965 und 1983 durch Mark und Bein. Im Gegenzug nimmt sein Solist die graduelle Lautstärkedifferenzierung im leisen Bereich nicht so genau. Er ist stets auf einen großen, markigen und erhabenen Ton aus, was von Karajan sicher gefördert, wenn nicht verlangt wurde. Klanglich durchläuft er eine Entwicklung vom fein gewürzten, aber etwas harten Ton von 1965 über einen mit mehr Zwischentönen ausgestatteten Ton, der aber auch mit minimalen Intonationsunsicherheiten versehen ist bis zum deutlich weicheren ausgewogenerem Ton der Aufnahme von 1983. In der EMI – Aufnahme unterlaufen ihm auch kleinere ungelöste Probleme bei großen Intervallsprüngen von oben nach unten. Hier verliert er etwas die Kontrolle über den tiefen Ton, der so aus der Linie etwas herausplatzt. Fortan wird man jedenfalls den Gesang eines Schwanes stets mit Gerhard Stempnik in Verbindung bringen. Besonders, wenn man die drei Aufnahmen direkt nacheinander gehört hat.
Dem Orchester, das mit seinen Klangqualitäten (Legatospiel, ausgewogene Equilibristik über alle Stimmen hinweg, satte Tiefe und Klangfarbe, Brillanz) wuchert, wurden dynamisch kaum Grenzen auferlegt. Gemeinsam mit dem angezogenen, stets zielstrebigen Tempo ergeben sich so die insgesamt dramatischsten Versionen des Vergleichsfeldes. Der reißenden Strömung des Flusses wird so ausgesprochen anschaulich Rechnung getragen. Die EMI – Aufnahme erscheint diesbezüglich etwas abgemildert, zumal sie auch etwas breiter im Klang geraten ist. Die Steigerungsverläufe werden in allen drei Versionen deutlich herausgearbeitet. Ff ist tatsächlich ein alle Kräfte mobilisierendes, durchdringendes ff, ohne auf einen andächtigen Unterton, der einer „Seebestattung“ angemessen wäre, Rücksicht zu nehmen.
Das Tutti ab T. 75 klingt 1965 mit weit ausgreifendem Espressivo als majestätischer Höhepunkt, wirkt gerade wegen der etwas eingeschränkten Binnendynamik umso eindrucksvoller, aber weniger partiturgerecht. Dem sostenuto – Charakter des gesamten Stückes wird Karajan hier weniger gerecht. Das wiederum gelingt in der EMI – Aufnahme von 1977 besser. Das Tutti ab T. 75 erklingt hier durch deutlich mehr Bass – Unterstützung auch von der Gran Cassa weniger feierlich – majestätisch als vielmehr dunkel und erschüttert. Das langsamere Tempo macht sich durch eine stimmungsvollere Ausgestaltung positiv bemerkbar.
Gewissermaßen die Summe (im Tempo eine Art Quersumme) aus beiden zieht die letzte Aufnahme von 1983, die den schönsten Ton im Eh.solo bietet, völlig ohne die bei der ´77er EMI angesprochenen Probleme bei den großen Intervallsprüngen nach unten, dem schönsten con sordino – Spiel, einem fantastischen Tremolo, einem vor Schmerz fast zerreißenden ff bei E, und extrem expressiven Cellosoli. Das Tutti bei T.75 ff klingt nun noch etwas klangmächtiger, voller trauriger Würde. Bei Karajan begegnen wir statt keinem lyrisch gestimmten sondern einem besonders dynamisierten, „aufgewühlten“ Schwan. Vielleicht tut Karajan hier aus idiomatischer Sicht des Guten zu viel, eindrucksvoll ist es jedoch in jedem Fall.
Klanglich sind alle drei Versionen hochwertig. Ihnen allen gemein ist ein profundes Bassfundament durch die sonoren Kontrabässe. Die erste von 1965, noch garniert mit leichtem Rauschen, ist besonders farbstark und leuchtkräftig, aber nicht sonderlich weit oder tief gestaffelt. Die Dynamik wirkt bereits durchdringend und exzessiv. Die EMI- Aufnahme etwas weiträumiger und besser gestaffelt, verfügt aber nur über die etwas blasseren Klangfarben und ist weniger präsent. Die letzte von 1983 ist noch etwas klarer und farbkräftiger, im Charakter der älteren DG deutlich näher als der EMI – Version. Die Dynamik ist mächtig.
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5
Jukka – Pekka Saraste
Toronto Symphony Orchestra
Finlandia, Warner
1998
8:58
GA In Sarastes Einspielung kommt das Ehsolo deutlich präsenter zur Geltung, als in der gerade zuvor gehörten Einspielung seines Landsmanns Salonen. Zudem, spielt es herrlich sonor und gefühlvoll. Sehr differenziert, ungleich ausdrucksvoller, dynamischer als das Eh. des LAPO und zudem mit einem fein dosierten, sehr angenehmen Vibrato versehen. Diese Einspielung überzeugt auch mit einem erstklassigen Orchesterspiel. Auch das Tutti bei T.75 ff ist wesentlich eindrucksvoller als bei Salonen.
Der Klang ist weiträumig, dennoch dynamisch und präsent, differenziert und sehr farbig. Die Tiefenstaffelung ist stark ausgeprägt. Das Aufnahmeteam hat sich wohl besondere Mühe gegeben, gehörte diese Einspielung doch zu den allerersten „DVD – Audios“ und sollte dazu beitragen, die Hörer in aller Welt von dem neuen Medium zu überzeugen. Das gelang damals nicht. Das Medium konnte sich nicht durchsetzen und ist mittlerweile längst vergessen. Aber immerhin kann der geneigte Hörer die Aufnahme nach wie vor als normale CD bekommen.
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4-5
Neeme Järvi
Göteborger Symphoniker
DG
1996
7:27
GA Von Neeme Järvi lagen zwei Einspielungen zum Vergleich vor. Beide stehen Karajans Versionen nahe, nicht alleine wegen der ähnlichen Tempi. Beide entstanden mit demselben Orchester (die ältere 1985 bei BIS) und vermeintlich mit demselben Ehsolisten. Das Ehsolo klingt voll und rund. In der zweiten profitiert der Solist vom schnelleren Tempo (dem schnellsten überhaupt in diesem Vergleich) und hat so keinerlei Probleme mehr, um mit der Atmung durch die langen Abschnitte des Solos zu kommen, die noch bei der älteren zu hören waren. Der Impetus ist nun noch etwas impulsiver, die Gran Cassa bei B noch etwas profunder, das Tempo wie bereits angedeutet nochmals erheblich zügiger. Das Tempo mindert den Traueraspekt erheblich zugunsten eines etwas neutraleren Erzähltones, kommt aber der Imagination eines reißenden Gewässers näher. Der Solist schält sich auch noch etwas besser aus dem Streicherteppich heraus. Bei F wieder mit einer sehr tief grollenden Gran Cassa. Bei G erscheinen die Terzen der Pauken anfänglich zu laut, denn zunächst sollten sie nur ppp beginnen.
Bei T. 75 ff Tutti... wird die majestätische Wirkung durch eine kleinteilige Phrasierung hier (wie auch bereits 1985) zugunsten eines etwas kurzatmigen Trauergesangs wieder aufgebrochen.
Klanglich ergeben sich gegenüber der sehr guten BIS – Aufnahme kaum Unterschiede zwischen den beiden Einspielungen. Der DG – Klang ist vielleicht eine Spur farbiger und präsenter, die BIS eine Spur weiträumiger. Der Gestus wirkt besonders in der 1996er Version entmystifizierend aber dennoch inspiriert und gefällt besonders durch das ausgezeichnete Orchesterspiel.
▼ weitere Aufnahme desselben Dirigenten in der Liste
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4-5
Sir John Barbirolli
Hallé Orchestra, Manchester
EMI
1966
7:48
Das hochmotivierte aber zur damaligen Zeit noch nicht ganz mit dem größtmöglichen Feinschliff ausgezeichnete Orchester erfährt hier grummelnde und rauzende „Unterstützung“ seitens des hochemotional agierenden Dirigenten. Meistens zwar nicht ganz in der passenden Harmonie liegend, gelingt es ihm jedoch hörbar, dass das Orchester seinen besten Sibelius spielt. Dadurch nimmt diese Einspielung ungemein für sich ein. Zumal die weichen klaren Linien der Streicher besonders schön das stimmungsvolle Ambiente des Stückes heraufbeschwören. Das Eh. bemüht sich um eine leichte und zarte Diktion und es gelingt ihm über weite Strecken das stimmungsvolle Orchesterspiel zu unterstützen. Gegen Ende scheint ihm jedoch etwas die Puste auszugehen und es hat mit leichten Ansatzproblemen zu kämpfen. Bei T. 57 gelingt ihm so nur noch ein ziemlich harter Wiedereinstieg. Die nach reinem Quellwasser klingende Einspielung (und nicht nach schwerem Rotwein, wie es Sibelius nicht wollte) wirkt durchgängig sehr emotional geprägt und voller Herzblut gespielt. Sehr sympathisch und eine große Empfehlung wert, besonders wenn der Hörer das Stück erst einmal kennen lernen möchte.
Der Klang ist ziemlich weiträumig, vollmundig, weich, transparent und überaus präsent.
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4-5
Mikko Franck
Schwedisches Radio Symphonieorchester, Stockholm
Ondine
1999
10:05
GA Des damals sehr jungen Dirigenten Debut – Aufnahme gelang fast auf der ganzen Linie. Das von den Bässen sich aufbauende Crescendo zu Beginn gelingt hier besonders eindrucksvoll. Auch durch die seidigen hohen Streicher und die ungemein ausdrucksvolle Diktion gewinnt die Einspielung nachhaltig die Aufmerksamkeit des Hörers. Auffallend ist das sonore Spiel in den unteren dynamischen Grenzbereichen. Das Eh. spielt von seinem üblichen Platz aus, was ihm hier etwas die Präsenz raubt. Es kommt aber immer noch meist gut zur Geltung. Es klingt sehr schön, ist aber dynamisch nicht so flexibel wie der/die Kollege/in beim LSO unter Davis. Trotzdem eine hervorragende Leistung. Leider wird es klanglich mitunter zu sehr von den Streichern bedrängt, sodass der Stimmenverlauf nicht jederzeit ohne Probleme zu verfolgen ist. Ab F klingt die Gran Cassa beeindruckend tief und grollend, bei G allerdings ist das marcato der Pauken zu Beginn zu laut und aufdringlich. Ab T. 75 ff gelingt das Tutti der Streicher äußerst differenziert, fast schon übertrieben genau phrasiert. Der (Streicher)Chor erweist so sehr deutlich seine mitleidsvolle Referenz an den Verstorbenen, wo man bei vielen nur ein sanftes Nuscheln hört.
Der Klang ist sehr transparent, erstreckt sich weit in die Tiefe des Aufnahmeraumes und baut sich gut von den Bässen aus auf. Er wirkt fein gezeichnet und verfügt über eine auffallend klangmächtige und präsente Gran Cassa.
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4-5
Ole Schmidt
Royal Philharmonic Orchestra London
Membran
1996
8:09
SACD Sowohl das Orchester als auch das Ehsolo befolgen minutiös die dynamischen Vorgaben und phrasieren außerordentlich genau. Das Ehsolo klingt recht kernig, aber nicht hart. Die Differenzierung von f und ff lässt sogar an Gerhard Stempnik von den Berlinern denken. Nur eine genaue Differenzierung mit allen Zwischentönen im Ehsolo lässt beim Hörer ein hohes Maß an Anteilnahme aufkommen. Die Gran Cassa ab F klingt außerordentlich mächtig. Das Tutti ab T. 75 klingt eher zurückhaltend. Das Orchester spielt sehr gut aber ohne die letzte Brillanz wie bei Karajan oder Ormandy und ohne den hohen Grad an Versenkung wie bei Mikko Franck.
Der Gesamtklang (bei CD – Wiedergabe) könnte etwas brillanter sein, auch die Staffelung des Orchesters könnte in diesem Abspielmodus ausgeprägter sein. Das klangliche Verhältnis Eh – Orchester ist stimmig, kein Ton des Solos geht unter.
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4-5
Osmo Vänskä
Sinfonia Lahti
BIS
1999
9:28
BIS
2008
9:09
SACD bei AD 2008 beide aus GA Ob man mit der 1999er Aufnahme beim klangbewussten Label BIS nicht ganz zufrieden war oder ob man einfach die Legenden auch als SACD im Programm führen wollte, sei einmal dahingestellt. Fest steht jedoch, dass die ältere der beiden Einspielungen klanglich nicht dem von BIS gewohnten Standard entspricht. Der Klang ist zwar weich, gar zart getönt, es fehlt ihm aber sowohl die Präsenz als auch die übliche Körperhaftigkeit. Das gilt sowohl für das Ehsolo wie für das restliche Orchester. Beide Mängel wurden 2008 durch einen nun erheblich präsenteren, feiner strukturierten Klang, der zudem auch noch weicher und farbiger wirkt, ersetzt. Auch die Transparenz und der Klang der nun mächtigen Gran Cassa wurden verbessert.
Das Ehsolo jedoch ist in beiden Versionen erstklassig. Sehr erfreulich ist die tolle, wie selbstverständlich wirkende, genaue Phrasierung und der lange Atem ohne jede Ermüdung gegen Ende. Trotz des schwebenden Klangs kommt es mühelos über den zumindest in der ersten Aufnahme etwas entfernten Streicherteppich. Das Spiel des Orchesters ist keineswegs distanziert, wirkt aber nicht so warmherzig, wie man es gerade von diesem Ensemble kennt. Auch in der zweiten Aufnahme, in der die Streicher nun erheblich aufgelichteter klingen, erscheint auch das Tempo ein wenig stimmiger. Bei T. 75 ff spielt man ohne jedes Auftrumpfen.
Beide Versionen zeugen von großer Vertrautheit mit dem Komponisten und auch die etwas kleinere Besetzung hatte sich Sibelius ja für die Aufführung seiner Werke (besonders der Sinfonien) explizit gewünscht (max. 50 Spieler). Hier wird sie eingelöst.
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4-5
Neeme Järvi
Göteborger Sypmhoniker
BIS
1985
8:51
GA Auch Neeme Järvis erster Beitrag, wies bereits schon 1985 die typischen Merkmale des BIS – Klanges auf. Differenziert, voluminös, brillant, dynamisch und weiträumig. Die später entstandene DG – Aufnahme wirkt lediglich noch etwas farbiger. Das hier schon bewegte Spiel der Streicher wurde durch das in der DG – Aufnahme nochmals angezogene Tempo weiter intensiviert. Am voll und rund klingenden Ehsolo fiel nur die bereits oben erwähnte von der Atmung leicht in Mitleidenschaft gezogene Phrasierung ein wenig negativ auf.
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4-5
Jevgeni Mravinsky
Leningrad Phiharmonic Orchestra
Praga
LIVE 1965
8:52
Auffallend ist hier das von Praga erstaunlich klangschön restaurierte Klangbild der alten Melodija – Aufnahme. Nicht ganz in den Griff bekam man allerdings das wellenartige Rauschen zu Beginn. Es hört sich fast so an, als ob man naturalistischen Wellenschlag dazugemischt hätte, was für eine Aufnahme klassischer Musik schon ziemlich seltsam wäre. Ganz anders als erwartet klingt das Ehsolo sehr differenziert und ausdrucksvoll, größtenteils auch klanglich angenehm und keinesfalls hart, wie man es sonst meist von diesem Ensemble hören kann. Nur bei T. 61 und 62 spielt es plötzlich mit einer gänzlich anderen Klangfarbe, als ob man einen anderen Take (evtl. sogar mit einem anderen Spieler) eingefügt hätte.
Geheimnisvoll wie in keiner anderen Aufnahme klingt hier der Beginn der Streicher. Generell nimmt Mravinsky die Dynamik sehr ernst, gerade die Crescendi werden sehr genau eingehalten und im vorgegebenen Rahmen voll ausgereizt. Man bemerkt auf einmal, dass Leningrad sehr nah an Finnland liegt und sich eine gewisse vertraute Authentizität über das gesamte Werk legt.
Der Klang ist, wie bereits angedeutet, für russische Verhältnisse erstaunlich unverfärbt und mit einem tolerierbaren Rauschen unterlegt. Der Klang wirkt weich, fast sogar vollmundig, jedoch immer noch leicht entfernt. Die tschechischen Restaurateure wussten anscheinend genau, was zu tun ist.
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4-5
Gennadi Roshdestvensky
London Symphony Orchestra
Intercord
1985
9:15
Nach einem ausgesprochen spannenden Beginn wird der Duktus dieser Einspielung nach und nach deutlich entspannter.
Auffallend an dieser Einspielung ist die deutliche Verzahnung von Solo und Orchester. Der Dirigent bereitet dem Ehsolo einen großen Auftritt, indem er das Orchester rücksichtsvoll genauestens auf das Solo (natürlich im Rahmen der Partitur) eingehen lässt und ihm alle Freiheiten dazu zu übergeben scheint. Das Ehsolo revanchiert sich mit einem sehr differenzierten, sprechenden Vortrag, wenngleich das ff von Stempnik unerreicht bleibt. Auch die kleinen Soli der anderen Instrumente sind außerordentlich gelungen so z.B. von Cello und Violine die nahtlos ineinander übergehen (T. 70 – 75). Das Tutti ab T. 75 wird nicht über Gebühr aufgebauscht, sondern bleibt im Duktus der gesamten Saga. Am Ende hört man ein sehr schönes morendo.
Der Klang ist gut durchhörbar, besonders der Streicherchor wird regelrecht durchleuchtet, das Verhältnis Solist – Orchester ist ausgewogen. Wenn man die ungleich brillantere Philips – Aufnahme mit Marriner aus demselben Jahr zum Vergleich heranzieht wirkt das LSO hier aber geradezu matt ins Bild gesetzt.
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4-5
Eugene Ormandy
Philadelphia Orchestra
CBS – Sony
1960
9:49
RCA - Sony
1973
9:50
EMI
1978
9:01
Nur 1951 und 1978 erfolgte eine GA. Von Ormandy lagen drei Stereo – Aufnahmen vor. Er spielte den Schwan für jede seiner Produktionsfirmen einmal mit „seinem“ Orchester ein. Wie so oft liegen die Unterschiede mehr im aufnahmetechnischen Bereich, während es bei der musikalischen Darbietung mehr um die mitunter aber nicht unerheblichen Nuancen geht.
Beginnen wir mit der Technik. Die 1960er rauscht noch vernehmlich, klingt für CBS – Verhältnisse aber weich, farbig und brillant. Die 1973 für RCA entstandene Einspielung ist deutlich weiträumiger, dafür aber weniger brillant, weniger weich und weniger voll. Die EMI – Aufnahme verbindet die positiven Aspekte beider Vorgänger – Versionen indem sie die Farbigkeit der ersten mit der Weiträumigkeit der zweiten verbindet. Leider wurde nun das Eh, mehr nach hinten gemischt, was etwas Präsenz kostet.
Der Zugang Ormandy ist in der ältesten Version der frischeste. Die Streicher klingen intensiv, auch das Ehsolo klingt hier am stimmungsvollsten, weil auch präsent zu hören. Sein Klang ist eher herb, die Tongebung und die dynamische Spannweite sind gut. Der pp – Bereich bleibt allerdings etwas unterbelichtet. Zwei Takte vor G gelingt die Übergabe des Solos von Cello zur Violine nicht ganz perfekt. T. 75 ff gelingt sehr ansprechend.
1973 könnte das Ehsolo durchaus flexibler klingen, es ist auch dynamisch weniger agil und weniger cantabel. Die Übergabe zwei Takte vor G gelingt hingegen viel besser als 1960. T.75 ff ist trotz einer zurückhaltenden Gestaltung cantabler und von nachdenklicher Wirkung. Der flirrende Streicherteppich ab T. 82 lässt den Hörer staunen.
1978 gefällt zunächst der geschmeidige und differenzierte Vortrag des Eh., sein f und ff könnte jedoch erheblich besser tragen.
Der Übergang der Soli zwei Takte vor G gelingt wieder sehr gut. T. 75 ff klingt nun transparent und luftig, zwar auch nachdenklich nun aber auch sanftmütig. Bei Ormandy hat man die Qual der Wahl, wohl vor allem zwischen der 1960 oder der 1978er Version.
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4-5
Leif Segerstam
Helsinki Philharmonic Orchestra
Ondine
1998
9:51
GA Ähnlich wie bei der Aufnahme von Mikko Franck, die beim gleichen Label nur ein Jahr später erfolgte, ist diese mit Segerstam ebenfalls gut grundiert, plastisch, dynamisch ausladend und mit einer schön grollenden Gran Cassa ausgestattet. Das finnische Orchester kann jedoch hier nicht ganz mit dem schwedischen mithalten. Die Streicher klingen etwas glasiger, das Vibrato wirkt unruhiger und bisweilen nicht so geschlossen wie bei den Spitzenensembles. Die Dynamik wird jedoch minuziös nachgezeichnet. Auch das Ehsolo, zwar voll klingend, ist deutlich weniger dynamisch differenziert als z.B. beim zuvor gehörten Ole Schmidt, vor allem in den lauteren Bereichen. Auch die Phrasierung wirkt etwas unruhig. Die elegische Grundstimmung bleibt so durchweg erhalten.
Bei T. 75 ff bleibt Segerstam ganz nachdenklich, traurig, ohne jedes dynamisches Aufbegehren, viel Trauer, wenig Schmerz.
Bei den Streichern dominiert stets ein klein wenig die Oberstimme.
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4-5
Morton Gould
and his Orchestra
RCA
1958
8:28
Goulds Darstellung wirkt wenig ruhevoll, stattdessen sehr bewegt und weißt eine hohe Innenspannung auf. Bei B setzen die Streicher ungewohnt scharfe Akzente. Zunächst noch relativ weit entfernt kommt das Eh. im weiteren Verlauf immer näher heran, bis es schließlich, wenn das Reich der Toten erreicht ist, die Solistenposition neben dem Dirigenten eingenommen hat. Da wurden die Möglichkeiten der noch jungen Stereophonie ausprobiert. Damals ein Gimmick, heute obsolet, aber eigentlich doch eine gar nicht so schlechte Idee, die Schwimmbewegung des Schwanes klanglich nachzuempfinden. Schließlich so im Focus stehend kann es nun viel besser dynamisieren. Das ungenante Orchester ist von ausgezeichneter Qualität Auch bei T. 75 ff bleibt Gould nachdrücklich und lebendig.
Der Klang ist, wie es sich für eine Living Stereo gehört, sehr präsent, sehr dynamisch und packend aber räumlich diesmal eher kompakt.
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4-5
Kasimierz Kord
New Philharmonia Orchestra London
Decca
1976
8:04
Das Eh. als veritabler Solist scheint hier wie in Großaufnahme vor dem Orchester zu stehen. Er bringt zwar noch nicht den balsamischen Klang der Oboensektion 1990 und später zu Gehör aber auch nicht mehr den dünnen und spröden Klang der 60er und frühen 70er Jahre. Die Streicher klingen voluminös und fein gezeichnet, nicht ganz so schillernd wie bei Karajan.
Der Schwan als Konzertstück, durchaus gelungen und professionell aber auch ein wenig glatt.
Der Decca – Klang bietet brillante, leuchtende Klangfarben, ist dynamisch, gut gestaffelt und baut sich gut von unten auf.
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4-5
Paavo Berglund
Bournemouth Symphony Orchestra
EMI
1972
8:37
Gegenüber den beiden anderen hier vorgestellten Einspielungen Berglunds ist die erste zwar gut aufgefächert aufgenommen aber insgesamt doch etwas grau geraten. Auch durch das flüssigere Tempo bedingt wirkt sie leichgewichtiger als die beiden anderen. Das Ehsolo, leider etwas zu entfernt aufgenommen gelingt an sich gut, klingt aber bei weitem nicht so warm und voll wie das von RSB und PO. Die hohen Streicher dominieren etwas das Klangbild. Die Emotionalität der beiden anderen Versionen erreicht die 1972er nicht.
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4
Leopold Stokowski
Leopold Stokowski Symphony Orchestra
EMI
1957
7:50
Das Ehsolo in dieser Einspielung erklingt mit einem recht harten, leicht schnarrenden, ziemlich unflexiblen Ton, der dynamisch recht stark eingeschränkt erscheint. Bei E scheint das ff des Eh. durch eine Trompete verstärkt worden zu sein, die laut Partitur gar nicht anwesend sein sollte. (Was wir bereits bei Karajan 1965 in Erwägung gezogen haben, hier ist es sicher.) Der Streicherklang ist hingegen ausgesprochen schön und brillant, mit starken Akzenten versehen. Fünf Takte nach E ist das marcato allerdings zu laut geraten. Beim Tutti ab T. 75 ff gibt Stokowski gegenüber der Einspielung von 1977 viel mehr Klang hinzu, die hohen Streicher dominieren hier jedoch den Streicherchor. Bei H erklingt ein auffallendes Tremolo, spezielle Wasserspiel bildhaft hervorrufend. Könnte dies auch das Verschwinden des Schwanes im Wasser bedeuten? Oder hat er sich in die Lüfte erhoben? In dieser Einspielung setzt Stokowski auf die angegebene Dynamik immer noch eins drauf. Ein Hang ins Spektakuläre ist dieser Aufnahme nicht abzusprechen, zumal dieser Steigerungseffekt nicht unbedingt dazu beiträgt, die Emotionalität zu erhöhen.
▼ weitere Aufnahme desselben Dirigenten in der Liste
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4
Mariss Jansons
Oslo Philharmonic Orchestra
EMI
1993
8:29
Das Ehsolo klingt in Oslo fast ein wenig vorlaut. Es spielt besonders farbig, zu Beginn äußerst differenziert und einfühlsam, technisch aber nicht ganz perfekt. Im Verlauf lässt die Differenzierung etwas nach, genau wie die Intonationssicherheit. Es erklingt aber, wo gefordert auch richtig leise. Die Orchesterarbeit ist solide und partiturgenau, dabei wenig individuell.
Der Klang ist weiträumig, offen und klar. Das Verhältnis von Solo und Orchester ist ganz gut austariert, als Ganzes leicht entfernt.
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4
Leonard Bernstein
New York Philharmonic Orchestra
CBS - Sony
1973
9:50
Bernstein bevorzugt hier ein gleichmäßig langsames, sanftmütiges Tempo. In dynamischer Hinsicht befleißigt er sich großer Zurückhaltung und Diskretion. Für extatische Steigerungen oder Zuspitzungen böte das Werk auch kaum den geeigneten Gegenstand. Das ff wirkt kaum durchdringend. Das Ehsolo erklingt dazu passend dynamisch etwas zu ausgewogen, zu wenig beweglich und zu monochrom. Im p – Bereich vermag es jedoch gut zu differenzieren. Bernstein zeichnet ein wenig bewegtes Bild mit eher dunklen Farben, durchweg von Traurigkeit durchzogen.
Der Klang ist transparent, wirkt eher pastellfarben als satt, was das entstehende Bild gewissermaßen mit Raureif überzieht.
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4
Esa – Pekka Salonen
Los Angeles Philharmonic Orchestra
Sony
1991
9:25
GA Salonens Duktus belässt das Stück gänzlich im Lyrischen. Seine Stärke ist das zarte Abschattieren. Der dramatische Aspekt bleibt konsequent außen vor. Spannung kommt hier bei untadeligem Orchesterspiel keine auf. So ist das Ehsolo auch etwas zu weit entfernt und generell ziemlich leise, ein echtes f oder gar ff bekommt man hier nicht geboten. Ansonsten wird gefühlvoll phrasiert. Dieser Schwan ist weniger ein „Verkünder“ als durchweg dem Trauergesang verpflichtet. Ab T. 75 ff lässt es Salonen strömen, wie eine Zustimmung des Chores zu dem, was uns der Schwan erzählt hat. Nur einmal bei F lässt er die Gran Cassa machtvoll zum Zuge kommen.
Der Klang ist bis auf das zu leise Eh. ausgewogen, transparent, weich mit einer dynamischen Gran Cassa garniert.
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4
Colin Davis
Boston Symphony Orchestra
Philips
1976
9:16
Das Ehsolo wird in dieser Einspielung etwas über Gebühr in den Streicherklang eingebettet, obwohl dieser bereits stark gedämpft erscheint. Es bietet wenig Maximallautstärke, wird aber recht differenziert geblasen. Die Harfe bei F könnte viel besser herauskommen. Die Soli von Cello, Viola und Violine sind topp. Das Tutti bei T. 75 erklingt zwar mit vollem Ton, aber nicht mit vollem Herzen. Das Orchester spielt stimmungsvoll, fast durchgängig gedeckt, zart und liebevoll.
Der Klang ist durchweg etwas entfernt und ausgewogen, sehr weich und rund, aber wenig brillant, ja gedeckt und von reduzierter Transparenz und Räumlichkeit. In Boston zogen, anders als in London im Jahre 2000, ein paar Nebelfelder über die Szenerie.
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4
Hans Rosbaud
Berliner Philharmoniker
DG
1954 Mono
7:44
Wie bereits erwähnt war Karajans Englischhornist 1954 bereits im Amt. Auch damals war die Differenzierung im f und ff - Bereich eher seine Domäne als die Abstufungen p und pp Bereich, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie bei Karajan. Obwohl Rosbaud genau musizieren lässt, bleibt seine Wiedergabe eher im neutralen Bereich, wozu sowohl das schnelle Tempo als auch die weniger farbige Klangtechnik beiträgt. Karajan konnte auf eine viel reichere Farbpalette und Dynamik zurückgreifen. Bei der Temponahme gleichen sich Rosbaud und Karajan dagegen ziemlich an. Neben der Klangtechnik hat sich auch der Ehsolist über die Jahre noch beträchtlich weiterentwickelt.
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4
Anu Tali
Estnisch – Finnisches Sinfonieorchester
Finlandia - Warner
2000
8:57
In Anu Talis Einspielung trifft ein laut und deutlich zu vernehmendes, klangvolles Ehsolo auf ein Orchester, das sich eng mit dem Solo verbindet. Man schmiegt sich fast an einander an. Das Orchester selbst bleibt in der Gestaltung selbst aber ziemlich zurückhaltend und bietet eher wenig Akzente, sodass man hier fast ein Konzertstück für Englischhorn und Orchester zu hören bekommt. Niemand macht dem Eh. die Hauptrolle streitig.
Der Klang der Aufnahme ist klar, dynamisch und recht plastisch. Die Musik wirkt z.B. viel besser durchleuchtet als bei Petri Sakari.
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4
Petri Sakari
Iceland Symphony Orchestra, Reykjavik
Naxos
1997
9:06
GA Die Aufnahme aus dem hohen Norden klingt nicht sehr brillant, ist aber ganz gut gestaffelt und recht farbig. Vor allem durch die Gran Cassa erscheint der Bass profund. Der Schwan (d.h. das Ehsolo) erzählt spannend und differenziert, verfügt aber nur über ein recht zurückhaltendes ff. Die sympathische Einspielung wirkt gut durchgearbeitet und trifft den Kern des Werkes gut, kann aber keine besonderen Glanzlichter setzen. Wie Sibelius es sich wünschte liegt hier eine Einspielung vor, die viel mehr nach klarem Wasser „klingt“ als nach schwerem Rotwein. Überhaupt nicht gleichgültig aber auch nicht übermäßig bedeutungsschwer.
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4
Yoel Levi
Atlanta Symphony Orchestra
Telarc
1992
8:16
Die Streicher spielen hier nicht so voll und brillant wie bei Karajan oder Kord zuvor, auch mit bisweilen zu viel Vibrato, das dann auch nicht von allen gleichermaßen intensiv angestimmt wird. Das Eh ist klangschön und eines runden dolce durchaus fähig, bietet aber kaum die erforderliche Dynamik, gerade, wenn man das Eh. der Berliner Philharmoniker noch im Ohr hat. Es spielt zurückhaltend und differenziert gut und hat auch ansonsten keine Probleme. Das Tutti ab T. 75 ff wirkt nachdenklich und etwas versonnen und kaum con gran suono. Man hört hier eine lyrisch geprägte Interpretation ohne Sinn für die dramatischen Elemente.
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4
Andrew Davis
Royal Stockholm Philharmonic Orchestra
Finlandia
1996
8:12
Ein Jahr später als Paavo Järvi nahm Andrew Davis das Stück erneut mit dem gleichen Orchester auf. Das Eh. ist relativ weit entfernt und bei einem f des Gesamtorchesters nicht immer gut zu hören. Dynamische Details, die so wichtig für die Saga sind, gehen in dieser Disposition ein ums andere Mal verloren. Das betrifft auch die anderen Bläser, die nur stützende oder begleitende Funktion haben, genauso wie die Harfe ab F. Alle bleiben unterbelichtet. Bei T. 75 ff geht die dynamische Differenzierug der gesamten Streicher zu weit (sehr kleinteilig), ein cantabile con gran suono ist so nicht möglich.
Die Aufnahme könnte viel transparenter und weiträumiger sein, wie man bei Paavo Järvi hören konnte. Und die Klangfarben voller. Einzig der Bassbereich kann überzeugen.
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3-4
Kenneth Schermerhorn
Sinfonieorchester des Tschechoslowakischen Rundfunks, Bratislava
Naxos
1988
8:47
Das Ehsolo klingt durchaus klangvoll, doch dynamisch weniger ausgeformt, die Streicher spielen weniger homogen und sind nicht immer ganz zusammen, vor allem beim Tremolo. Immer wieder drohen sie das Eh. zu übertönen. Akzente wirken unorganisch und bisweilen willkürlich geformt (T. 54 und 55). Generell erscheint diese Einspielung als Ganzes relativ gleichförmig und wenig akzentuiert. Überdies macht das Orchesterspiel durchgängig einen wenig geprobten Eindruck, wir haben es schon viel besser gehört (siehe Janacek: Sinfonietta).
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3-4
Lorin Maazel
Pittsburgh Symphony Orchestra
Sony
1991
12:06
Lorin Maazel ist mit Sibelius´ Werk durchaus vertraut, hat er die Sinfonien doch zwei Mal komplett eingespielt. Im Umfeld der zweiten Einspielung entstand auch diese Aufnahme. Sie fällt schon alleine mit dem langsamsten Tempo aus dem Rahmen. Statt eines schnell fließenden Gewässers suggeriert er uns einen trägen Fluss oder sogar ein stehendes Gewässer. Die Zeit, die er so „gewinnt“ nutzt er um die Details sorgsam auszuziselieren. Das schlägt aber zumeist ins Gegenteil um und wird zu einem Verlust, denn der Zusammenhang der einzelnen Abschnitte scheint so zu zerfallen. Das Ehsolo spielt ebenfalls sehr ebenmäßig und recht monochrom. Es hat es aber mit dem langsamen Tempo auch wirklich nicht leicht. So entstehen zwangsläufig kleine Pausen, wo eigentlich gar keine sein sollten. Das hochklassige Orchester kann die Unternehmung auch nicht mehr retten. Bei G hören wir übrigens alles andere als ein marcato.
Bei T. 75 ff bleibt Maazel stark zurückgenommen, ohne jeden Anflug eines dramatischen Gestus. Die ganze Einspielung scheint so eher eine Meditation des Dirigenten über den „Schwan von Tuonela“ darstellen zu wollen, als das Stück selbst.
Der Klang ist weiträumig, klar und offen, nur etwas entfernt.
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3-4
Vasily Sinaisky
Moskauer Philharmoniker
Brillant
1991
7:55
GA Als Nachfolger eines Kondrashin oder Kitajenko erwartet man viel vom Dirigenten Sinaisky und vor allem von einem der einstigen Eliteorchester der UdSSR. Aber das ist lange her, inzwischen sind gerade in Moskau einige neue Orchester entstanden und wer die besten Musiker gewinnen will, muss sich heutzutage richtig anstrengen.
Das Ehsolo kommt aus dem Hintergrund, kann sich aber trotzdem ganz gut behaupten, weil es tonlich ganz gut ist und weil das Orchester zumeist sehr (eigentlich extrem) leise und wenig kontrastreich spielt. Das Ehsolo lässt es aber selbst auch an Engagement fehlen und bietet wenig Differenzierung an. Über den Höhepunkt bei T. 75 ff geht das Ensemble eher flüchtig hinweg. Es ergibt sich so ein lyrisch gehaltener beinahe schon laissez - faire – Duktus, an dem man wenig Herzblut der Mitwirkenden dem Werk gegenüber erkennen kann. Das Orchester ist nur noch ein Schatten seiner Vergangenheit, es sei denn, die Aufnahme erfolgte quasi Prima Vista, dann wäre die Leistung verständlich, das Ergebnis aber immer noch unbefriedigend.
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3-4
Uwe Mund
Kyoto Symphony Orchestra
Arte Nova
P 1993
9:38
GA Das japanische Orchester erreicht mit seinem damaligen deutschen Chef ohrenscheinlich hier nicht die Qualität der besten des Landes. Aber eine durch und durch entspannte Darbietung, angenehm zu hören, wenn man es nicht so genau nimmt. Manche Passagen der Streicher wirken nicht homogen als eine Klangfläche, sondern oft zu unruhig, weil sie nicht ganz zusammen sind. Das Ehsolo wird mit sehr viel Vibrato aber insgesamt recht tonschön geblasen. Es benötigt bisweilen recht lange Pausen zum Atemschöpfen und lässt einige unschöne Klappengeräusche hören, eine absolute Seltenheit in unserem Vergleich. Die dynamische Differenzierung gelingt dagegen gut. Das Orchester sieht seine Funktion darin, dem Solisten einen Rahmen zu geben, eigene Akzente werden weitgehend vermieden. Sein Beitrag ist sanftmütig und etwas mutlos. Das vom Cello zur Violine übergehende Solo gelingt kaum bruchlos. Das Tutti ab T. 75 ff ist sehr zurückhaltend gestaltet. Dies ist eine gerade noch solide Darstellung mit kleineren orchestralen und solistischen Schwächen.
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3
Arturo Toscanini
NBC Symphony Orchestra
RCA
1944 MONO
9:18
Von Toscanini lagen zwei Einspielungen vor, die in einem Abstand von ca. einem Jahr erfolgten, wobei die zweite eine Live – Aufnahme ist. Die Aufnahme unter Studiobedingungen leidet unter den historisch bedingten Unzulänglichkeiten der Aufnahmequalität und des Orchesters. Fangen wir mit dem Ehsolo an. Es ist zwar eng mit den Streichern des Orchesters verwoben und kommt klar und deutlich heraus, klingt aber extrem hart und ist kein Genuss. Der Klang des Instruments ist sehr starr und schnarrend, die Einflussnahme des Spielers auf eine flexible, gestalterische Tongebung ist äußerst gering. Er zieht das gesamte Solo nahezu in einer Lautstärke durch. Einige Töne gehen auch im ff der Streicher unter. Immerhin ist das Tutti cantabile con gran suono ab T.75 ff deutlich besser gelungen als in der Live – Aufnahme. Diese Einspielung könnte evtl. noch Interesse bei Toscanini – Enthusiasten wecken.
Die Aufnahme lässt die Streicher sehr präsent hören, eine Dynamik fehlt nahezu völlig, alles spielt sich in einem aufdringlichen f bis ff ab. Immerhin fehlen hier aber die Husten – Attacken der Live – Aufnahme.
▼ weitere Aufnahme desselben Dirigenten in der Liste
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3
Leopold Stokowski
Philadelphia Orchestra
Victor
1929 MONO
8:50
Dieser Aufnahme ergeht es ähnlich. Hier sind die Binnenstreicher völlig unterrepräsentiert. Zum starken Rauschen gesellt sich ein verfärbter, rauer und harter Gesamtklang. Der Streicherchor wird ziemlich undifferenziert behandelt, was auch an der Aufnahme liegen könnte. Das Ehsolo, mit Rubato geblasen, lässt auch hier einen uneleganten, unflexibeln Ton hören. Die Dynamik im Orchester wirkt bisweilen willkürlich. T. 75 ff erklingt wenig differenziert aber wenigstens nicht so übertrieben, wie in Stokowskis Aufnahme von 1957.
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3
Arturo Toscanini
NBC Symphony Orchestra
History
1945 Live
9:33
Diese Einspielung, wahrscheinlich während einer Radioübertragung mitgeschnitten, bringt erwartungsgemäß ebenfalls ein recht starkes, sehr präsentes Rauschen mit, zudem knistert sie permanent. Auch das Publikum beteiligte sich bei diesem Konzert außerordentlich aktiv mit einem eigenen Concerto, bestehend aus einer Kakophonie von Hustenanfällen. Wobei man es nicht versuchte die Geräusche irgendwie zu dämpfen, sondern man zelebrierte geradezu jeden Anfall als eine regelrechte Husten-Eruption. Zu viele Zuhörer waren sich in dieser Absicht einig, sodass man fast auf einem Attentatsversuch auf die Aufführung schließen könnte.
Völlig ungerührt ziehen Dirigent und Orchester aber die Aufführung durch. Erneut lässt Toscanini seine strenge Auslegung des Stückes hören, die völlig ohne persönliche Zutaten auskommt. Erneut wird das Ehsolo unflexibel, undifferenziert und klanglich monochrom dargeboten, differenziert wird nur zwischen f und ff und auch das nur mit großer Mühe.
Verunstaltet wird die Musik hier leider von der Hustenepidemie in New York, die sich gewitterartig ausbreitet.
Vergleich fertiggestellt am 28.12.2020
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