Camille Saint-Saëns

Cellokonzert Nr. 1 a-Moll op. 33

________________________________________

 

Werkhintergrund:

 

Da wir mit den Werken des Komponisten in Deutschland immer noch weitgehend Terra incognita betreten, wollen wir in unserem Werkhintergrund ein wenig weiter ausholen. Allen, die nur bereits bekanntes lesen, mögen uns verzeihen.

Camille Saint-Saёns ist der letzte, wenn nicht der einzige Universalist der Musikgeschichte: Dichter und Dramatiker, Astronom, Naturwissenschaftler und Philosoph, Archäologe und Ethnologe, Zeichner und Karikaturist. Vor allem aber ein Musiker, dessen Vielseitigkeit selbst seine Gegner nicht ihre Hochachtung versagen konnten: „Niemand kennt die Musik der ganzen Welt besser als Monsieur Saint-Saёns“ (Claude Debussy) – der als Musikwissenschaftler die ersten Gesamtausgaben der Werke Jean-Philippe Rameaus und Christoph Willibald Glucks betreute, als Musikhistoriker vom Cembalo aus die Société des Concerts d'instruments anciens leitete (offensichtlich das erste Originalklangensemble!), als Journalist verschiedener Zeitungen das musikalische Geschehen eines halben Jahrhunderts kommentierte, sich als Pädagoge und Gründer der Société Nationale de Musique für die Eigenständigkeit der französischen Musik einsetzte und jungen Komponisten Aufführungen ihrer Werke ermöglichte, als Pianist im Frankreich des Second Empire und der Troisième République die Werke Beethovens, Schumanns und Wagners gegen die Vorurteile des Publikums durchsetzte, zwei Jahrzehnte lang als Organist an der Eglise de la Madeleine wirkte, als Dirigent eigener und fremder Werke von nahezu allen großen Orchestern der Zeit zu Gast geladen wurde. Alles das ist heute weitgehend vergessen; was von Saint-Saёns bleibt, ist sein Schaffen als Komponist, der – erfolgreich in jedem nur denkbaren musikalischen Genre – sein erstes Werk mit kaum dreieinhalb Jahren, sein letztes als Sechsundachtzigjähriger schrieb: geboren 1835 in Paris – acht Jahre nach dem Tod Beethovens – ein Revolutionär; gestorben 1921 in Algier – acht Jahre nach der Uraufführung von Strawinskys Sacre du printemps – ein Reaktionär.

So groß die Bewunderung war, die das 19. Jahrhundert Saint-Saёns auf Grund dieser schier unglaublichen Vielfalt künstlerischer und wissenschaftlicher Interessen und Aktivitäten entgegenbrachte, so heftig wurde ihm vom 20. Jahrhundert gerade diese Vielseitigkeit vorgeworfen; seine Kritiker halten daran fest, ihn als einen modernen, auf den verschiedensten Gebieten dilettierenden Proteus und Eklektizisten zu charakterisieren. Dass er selbst keineswegs Anspruch auf wissenschaftliche Originalität erhob und seine außermusikalischen Studien nur als „divagations sérieuses“ bezeichnete, als „ernsthafte Gedankenspiele“, änderte nichts daran. Der Ruhelosigkeit, mit der Saint-Saёns von einem „Gedankenspiel“ zum nächsten eilt, entspricht die Schaffensintensität des Oeuvres ebenso wie die Unrast der zahllosen Reisen und Auslandsaufenthalte; es scheint freilich, als verberge sich hinter diesen ‚Fluchten‘ ein ‚horror vacui‘, eine tiefe Lebensangst. Und die Flucht gelingt: Die Persönlichkeit Saint-Saёns‘ entzieht sich in fast erschreckendem Maße dem Zugriff der Nachwelt, und selbst seinen engsten Freunden (soweit dieses Wort überhaupt Berechtigung hat) ist es nie gelungen, die sorgsam gewahrte Distanz zu überwinden. „Was zählt, ist allein das Werk des Künstlers“, behauptet Jean Bonnerot, langjähriger Privatsekretär Saint-Saёns‘; „Im Übrigen erklärt und umfasst das Werk sein ganzes Leben und scheint dieses so sehr zu absorbieren, dass es mit ihm verschmilzt.“ Doch wo bei jedem anderen Komponisten das Werk ein mehr oder weniger getreues Abbild seines Autors darstellt (oder zumindest rudimentär Rückschlüsse auf dessen Erleben und Empfinden zulässt), bleibt Saint-Saёns selbst im Spiegel seiner Musik unnahbar und unkenntlich. Trotz einer Schaffenszeit von mehr als einem dreiviertel Jahrhundert lässt sich kaum eine Veränderung seiner musikalischen Sprache feststellen; ihr Vokabular und ihr Stil sind gleichsam objektiviert, frei von allen inneren Regungen – so als wäre auch die Musik für ihn nur ein „ernsthaftes Gedankenspiel“ gewesen. „Er schien das Komponieren als eine angenehme Geistesübung zu pflegen. Man könnte aus seiner Musik auch nicht entnehmen, ob er gütig, liebes- oder leidensfähig war“ (Ferruccio Busoni).

Dem 19. Jahrhundert – Zeitalter der romantischen Emphase, in dem jedes Kunstwerk mit dem Herzblut seines Schöpfers getränkt ist – musste dieser kühle Rationalismus fremd, suspekt, wenn nicht gar unheimlich sein. Hinzu kam, dass Saint-Saёns keinem der Entwicklungs- oder Reifungsprozesse unterworfen zu sein schien, die für die Entfaltung einer Künstlerpersönlichkeit als unabdingbar gelten: Seine Identität war von Anfang an ausgeprägt. Gerade das hat man ihm vielleicht am wenigsten verziehen. Lebens- und Schaffensweg Saint-Saёns‘ verliefen in völliger Geradlinigkeit; er hielt sich von allen Einflüssen fern und blieb in der musikalischen Szenerie seiner Epoche ein Einzelgänger, „der kein System hat, keiner Schule angehört und keinerlei Reformbewegung vertritt“ (Charles Gounod): eine absolute Größe.

Das Oeuvre Saint-Saёns‘ umfasst mehr als hundert Kantaten, Orchesterlieder, Symphonien, Orchesterwerke und Konzerte – sowohl an Umfang als an Gehalt der wohl bedeutendste Beitrag der französischen Romantik zum Konzertsaalrepertoire. Nur wenige Werke aber haben sich dauerhaft auf den Konzertprogrammen behaupten können: Der Carnaval des animaux (dessen Veröffentlichung der Komponist zu seinen Lebzeiten untersagt hatte, weil er – zu Recht – befürchtete, man werde diese Gelegenheitskomposition überbewerten), die dritte, 1886 „à la mémoire de Franz Liszt“ entstandene Orgel-Symphonie (c-moll op. 78), die symphonische Dichtung Danse macabre op. 40, lntroduction et Rondo capriccioso op. 28, das dritte Konzert (h-moll op. 61) und die Havanaise op. 83 für Violine und Orchester, das erste Cellokonzert (a-moll op. 33), das zweite (g-moll op. 22) und das vierte (c-moll op. 44) Klavierkonzert. Der Charakter dieser Werke entspricht – oberflächlich betrachtet – durchweg dem Bild orchestraler oder solistischer Virtuosität, gegen das Saint-Saёns‘ zeit seines Lebens (vergeblich) angekämpft hat. Ein Reaktionär? Mitnichten.

Immer wieder dieselben Vorwürfe: „allzu offensichtliche Tendenzen zum Modernismus“ (über das erste Cellokonzert), „Verirrungen des modernen Stils“ (über das vierte Klavierkonzert), „Vernachlässigung der virtuosen Schreibweise zugunsten eines symphonisch behandelten Orchesterparts“ (über das Konzertstück La Muse et le poète für Violine, Violoncello und Orchester op.132). Ein Reaktionär hätte wohl kaum – wie Saint-Saёns – „die Agonie der Tonalität und des enharmonischen Halbtonsystems“ proklamiert und sich (1878!) dafür eingesetzt, „durch die Verwendung antiker und orientalischer Modi und eine Verselbständigung der Rhythmik“ der Musik neue Impulse zu geben. Und ebenso ist es wohl kaum der Beweis einer ‚reaktionären‘ Ästhetik, dass Saint-Saёns 1908 für Henri Lavedans L'Assassinat du Duc de Guise die erste eigenständige Filmpartitur der Musikgeschichte (op. 128) komponierte!
Ähnlich wie – honni soit qui mal y pense... Igor Strawinsky vertritt Saint-Saёns einen ganz und gar unromantischen, gewissermaßen objektiven Komponistentypus: „Ich habe es schon gesagt und zögere nicht, es als die Wahrheit zu wiederholen, dass die Musik, ebenso wie Malerei und Bildhauerei, aus sich selbst heraus und unabhängig jeder Emotion existiert; sie ist nichts als nur Musik. Je weiter sich die Sensibilität entwickelt, desto weiter entfernen sich die Musik und die anderen Künste vom Status der Reinheit; wenn man nur nach Gefühlen verlangt, verschwindet die Kunst.“ Die Ablehnung Wagners und Debussys, die man Saint-Saёns immer wieder vorgeworfen hat (und die indessen längst nicht so radikal war, wie es seine Gegner dargestellt haben), resultiert nicht zuletzt aus dieser Ablehnung des Gefühls. Saint-Saёns selbst ist in seiner Musik denn auch von geradezu mathematischer Schärfe und Logik. Die Behandlung des Orchesters ist – bei aller Farbigkeit und Raffinesse – nicht weniger ausgewogen; anstatt der irisierenden Mixturklänge, die (zumindest seit Debussy) als charakteristisch für die französische Musik gelten, findet man bei Saint-Saёns „die genaue Trennung der Funktion eines jeden Instruments oder jeder Gruppe von Instrumenten im entsprechenden Moment, die klare Unterscheidung zwischen der Klangfarbe melodietragender und begleitender Instrumente, einen sicheren Blick für den richtigen Augenblick des Einsetzens und Zurücknehmens einer bestimmten Klangfarbe, und das Geschick, wenige Noten wirkungsvoll einzusetzen und keine Kombinationen auftreten zu lassen, in denen die eine Klangfarbe die Eigenständigkeit einer anderen stört“ (Adam Carse: The History of Orchestration).

(Aus: Michael Stegemann © Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.)

Als Saint Saens im November 1872 im Alter von 37 Jahren sein Cellokonzert Nr. 1 komponierte, war er in französischen Musikkreisen jedoch hoch angesehen, hatte aber noch nicht die Werke geschrieben, für die er heute berühmt ist. Er hatte seine erste Oper im Juni dieses Jahres komponiert ( La Princesse jaune , die mit wenig Beifall aufgeführt wurde) und hatte eine andere Oper beiseite gelegt, die nirgendwo hinzuführen schien - Samson et Dalila , die er dann aber 1873 mit frischen Einsichten wieder aufgreifen würde. Seine ersten beiden Sinfonien und seine unnummerierte Symphonie Urbs Roma lagen bereits hinter ihm - alle drei werden heute weitgehend ignoriert. Seine berühmte Dritte Symphonie lag noch recht weit in der Zukunft. Von seinen symphonischen Gedichten hatte er nur Le rouet d'Omphale (Das Spinnrad der Omphale) geschaffen; sein Danse Macabre entstand 1874. Er war in der Gattung des Konzerts schon etwas weiter fortgeschritten, nachdem er die ersten drei seiner fünf Klavierkonzerte und zwei seiner drei Violinkonzerte sowie die beliebte Introduktion und das Rondo Capriccioso für Violine und Orchester abgeschlossen hatte. 

1871 hatte er daneben zusammen mit seinem Kollegen Romain Bussine die Société Nationale de Musique gegründet, um der französischen Vorliebe für Gesang gegenüber Instrumentalmusik entgegenzuwirken und die Musik französischer Komponisten im eigenen Land zu fördern.

 

Unmittelbar nach der Uraufführung des Cellokonzerts berichtete die Revue et Gazette musicale de Paris :

„Wir müssen sagen, dass uns das Cellokonzert als ein schönes und gutes Werk von vorzüglicher Sentimentalität und vollkommener Geschlossenheit erscheint, und wie üblich ist die Form von größtem Interesse.

Es sollte klargestellt werden, dass es sich in Wirklichkeit um ein Concertstück handelt, da die drei relativ kurzen Sätze zusammenlaufen. Das Orchester spielt eine so große Rolle, dass es dem Werk den symphonischen Charakter verleiht, eine Tendenz, die in jedem Konzert von Bedeutung seit Beethoven vorhanden ist.“

Die Rezension beschreibt weiterhin einige Details des Stücks, aber bereits diese einleitenden Beobachtungen stellen einige hervorstechende Aspekte heraus. Der anonyme Autor applaudiert dem, was er als Rückzug von „den Tendenzen in einer Reihe seiner jüngsten Werke“ bezeichnet – womit er modernistische Neigungen meint. Dies erklärt auch die breite Popularität, die das 1. Cellokonzert von Anfang an genoss, Eine Berühmtheit, die bis heute das Cellokonzert Nr. 2 von Saint-Saëns, das 1902 folgte, bei weitem übertrifft. Dass das Orchester eine über die reine Begleitung hinausgehende Rolle spielt, zeugt vom Können des Komponisten, genauso wie der Umstand, dass dieses Werk nie dem in Cellokonzerten häufig anzutreffenden Ungleichgewicht erliegt, bei dem der Solist über weite Strecken wütend die Saiten streicht, aber kaum gehört wird.

Dass die Kritiker der Revue et Gazette musicale das Stück als Concertstück bezeichneten, ist von doppelter Bedeutung. Er benutzte diesen Begriff eindeutig, um es von einem „richtigen“ Konzert zu unterscheiden, in dem die Sätze als separate Einheiten stehen – eine ernsthaft altmodische Haltung in den 1870er Jahren, da zusammenhängende Sätze seit Jahrzehnten üblich waren, darunter auch in einigen berühmten Konzerten von Beethoven und Mendelssohn. Die drei zusammenhängenden Sätze des Konzerts von Saint-Saëns sind jedenfalls in ihrer zeitlichen Ausdehnung bescheiden. Bedeutsamer ist vielleicht, dass die Kritiker das Stück nach der deutschen Terminologie klassifizieren, was unterstreicht, warum die Gründung der Société Nationale de Musique mit ihrem Motto „Ars gallica“ (französische Kunst) so dringend war, um das Französische in der Musik neben dem damals als übermächtig geltenden deutschen Einfluss erst einmal zu etablieren.

(James M. Keller zu einem Programm des SFSO, durch die Übersetzung leicht abgewandelt)

 

Das Werk ist reich an Melodien, die sowohl die dramatischen als auch die lyrischen Aspekte des Cellos zeigen.

Fast wie mit einem Peitschenknall eröffnet das gesamte Orchester das Konzert. Dies dürfte bereits die wohl kürzeste Orchestereinleitung gewesen sein, die bisher zu hören war, denn anstatt auf ein Mehr an Orchestereinleitung zu warten, stürzt sich der Solist von Anfang an ins Getümmel und dreht schnelle Triolen. Diese fließende Triolenbewegung  mit dem abschließenden Seufzer einer steigenden und einer fallenden Sekunde wird für den Verlauf des weiteren Stückes immens wichtig. Der leidenschaftliche Fluss und der fiebrige Ausdruck der einleitenden Phrase, die zuerst vom Cello vorgetragen wird, begünstigt das Aufblühen virtuoser Figuren (Doppelgriffe, schnelle Stakkato-Tonleitern usw.) und wechselt mit Passagen von großer Gelassenheit und sogar Träumerei. Doch wenn das zweite, getragene Thema erklingt, möchte man annehmen, dass man es mit einem klassischen Sonatensatz zu tun hat. Eine sanft-melancholische Stimmung wird nun evoziert. Doch die kurze Durchführung, bei deren Beschluss ein neues koda-artiges Thema aufklingt, sowie der darauf folgende Teil (den man wirklich kaum als Reprise bezeichnen kann) führen gleich in einen menuettartigen Zwischensatz, nun aber vom Orchester angestimmt. Aber ein Menuett der „Neuzeit“ (aus der Sicht der 1870er Jahre). Mit seinen leichten Texturen und seinem verspielten Ton bietet es als das zentrales Allegretto einen kurzen Moment der Ruhe. 

Der Saint-Saëns-Biograph Stephen Studd vermutet, dass das plötzliche Interesse des Komponisten für das Cello - diesem Konzert ging unmittelbar eine Sonate für das Instrument voraus - auf seine Trauer um eine kürzlich verstorbene Großtante zurückzuführen war. „Sein Gefühl für das Cello“, schreibt Studd, „mit seinem tiefen, dunklen Ton und seiner Fähigkeit zu würdevollem und leidenschaftlichem Ausdruck wurde nun durch die Melancholie, die nach seinem Verlust einsetzte, neu entfacht.“ Wenn dies der Fall ist, könnte dieser Menuettteil die Verbindung seiner Großtante zur Musik einer früheren Zeit unterstreichen. Gegen Ende des zweiten Satzes wird eine Kadenz interpoliert. Auf diesen lyrisch-getragenen Teil folgt nun kein eigentlicher Satz mehr sondern eher eine Coda mit Finalcharakteristik mit Reminiszenzen an bereits bekanntes Material (aus dem Kopfsatz und dem koda-ähnlichen Motiv) zusammen aber auch mit völlig neuem Material, das dieses Konzert bis zu seinen letzten Takten überraschend hält.

(James M. Keller zu einem Programm des San Francisco Symphony Orchestra mit Elementen aus Hans Hubert Schönzelers Vorwort aus der Eulenburg-Taschenpartitur Nr. 1285 miteinander vermengt und erweitert.)

 

Das Konzert dürfte nach dem Konzert Dvoraks, vielleicht gemeinsam mit den beiden von Joseph Haydn und noch vor den Cellokonzerten Schumanns und Elgars zu den am meisten eingespielten Gattungsbeiträgen gehören. Auffallend bei unserem Vergleich ist es, dass es in letzter Zeit gerade junge Cellist(inn)en gerne als Visitenkarte in ihren ersten Produktionen nutzen. Ob es Ihnen gelingt, gegenüber den vorangegangen Generationen neue Akzente zu setzen, auch das soll unser Vergleich klären.

 

Viele der gehörten Einspielungen bleiben übrigens der Einsätzigkeit, wie sie vom Komponisten beabsichtigt war, treu. Entsprechend gibt es hier keine Unterteilung in einzelne Tracks, wie bei einem Konzertstück oder einer Fantasie oder auch mitunter in einer Rhapsodie. Die Mehrheit macht aber aus der Einsätzigkeit, wohl auch um es dem Hörer leichter zu machen, einzelne Stellen leichter und schneller wiederzufinden, drei einzelne Sätze. Dabei war anscheinend Fantasie gefragt, denn zur Einteilung zu dieser Dreisätzigkeit dienten allerlei verschiedene Stellen. War der Beginn des 2. Satzes zumeist  der Buchstabe F der Partitur, das Allegro con moto, von uns (Beginn des) Menuett genannt. Das Ende des 2. und damit auch der Beginn des 3. Satzes gerieten dagegen willkürlich. So setzte Zara Nelsova die Grenze bereits bei T. 363, Arto Noras dagegen bei T. 407,  Janos Starker und Jan Vogler dann bei K, also T. 412 um nur ein paar Beispiele zu nennen. Um die einzelnen Zeitangaben vergleichbar zu machen, haben wir die Zeitmessung vereinheitlicht und wie die meisten, die eine Einteilung in drei Sätze bevorzugen, den Buchstaben H bei T. 372 als Schwelle vom 2. zum 3. Satz gewählt und für alle Einspielungen auch so angegeben. Dieses Modell haben wir auch auf die Einspielungen übertragen, die an der Einsätzigkeit festhielten. In den Besprechungen der einzelnen Einspielungen reden wir dann auch von drei Sätzen.

 

 

Noch ein Zitat:

„Saint-Saëns ist natürlich berühmt, aber man redet oft herablassend über ihn. Die Leute schreiben über ihn, als wäre er ein drittklassiger Komponist. So ein Unsinn, kann ich nur sagen. Natürlich sind nicht alle seiner Werke große Musik, aber viele von ihnen sind auch gar nicht mit der Intention, weltbewegend zu sein, komponiert worden. Und das macht ihn nicht zu einem schlechten Komponisten! Er schuf Musik genau so selbstverständlich wie ein Apfelbaum Äpfel hervorbringt, er konnte gar nicht anders. Sein Requiem beispielsweise ist ein ernsthaftes und wunderschönes Werk. Unter den Stücken, die ich von Saint-Saëns kenne, ist nicht ein einziges, das ich nicht mag, und einige liebe ich sogar. Außerdem war er ein bewunderungswürdiger Mann: er verfügte über eine humanistische Bildung, war ein respektierter Astronom, der sein eigenes Teleskop entwarf, ein Dichter, dessen Werke gedruckt wurden, außerdem Philosoph und Logiker, Theaterautor, Reiseschriftsteller, Mathematiker, Aktivist für Tierrechte, und als wäre das nicht genug, ein überragender Pianist, ein begabter Dirigent und möglicherweise der größte Organist seiner Zeit. Und er komponierte eben auch. Was für eine Persönlichkeit! Ich frage mich, ob die Leute, die so gern auf ihn herabschauen, mit der Breite seiner Aktivitäten mithalten könnten.“  (Steven Isserlis, Violoncello)

 

 

Nun noch ein Bonmot zum Finale von einem, der es wissen muss:

„Seinen Charme verströmt dieses zwar dreiteilige und doch einsätzige Werk bis heute, und Hörer wie Interpreten unterschreiben gerne Hans von Bülows Urteil, es sei voller "Technik und Eleganz, bon sens und Originalität, Logik und Anmut."   (Johannes Moser, Violoncello)

 

.

Zusammengestellt bis 18.2.2022

 

 

 

Camille Saint Saens um 1875, also ungefähr zur Zeit, als er das Cellokonzert und auch den Danse macabre schrieb.

 

 

 

Vergleichende Rezensionen:

 

 

5

Johannes Moser

Fabrice Bollon

Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR

Hänssler

2007

5:49  5:01  8:37 19:27

 

Der Tschaikowsky-Preisträger von 2002 überzeugt in seiner ersten Einspielung mit Orchester gemeinsam mit dem RSO Stuttgart von Beginn an mit einem temperamentvollen, beinahe schon dramatisch aufgeheizten Gestus. Johannes Moser begeistert mit bestechender Griff- und Bogentechnik und einem enorm nuancierten. warm getönten aber keinesfalls wohligem, sondern straffen, energiegeladenen Ton, einer außergewöhnlich sprechenden Artikulation und einer sehr weit gespreizten Dynamik. Sein Ton sitzt, ist klar und kernig aber wie erwähnt gleichermaßen weich genug und warm, zudem singend und zugleich mit einer imponierenden Virtuosität gesegnet. Beim Orchester erfreut die frische und reichhaltige Akzentuierung ebenfalls. Man tut es dem Cellisten gleich auch in Bezug auf differenzierte Lebendigkeit. Man geht äußerst flexibel auf die Freiheiten des Solisten ein, die er sich durchaus nimmt, gewinnt aber auch ein eigenständiges Profil, nicht zuletzt auch durch die ein wenig forcierten Tempi, die man trotz der Bezeichnung „Allegro non troppo“ anschlägt. Man vermag den Gestus aber bei „Allegro molto“ nochmals zu steigern und so stimmen auch hier die Relationen. Überhaupt merkt man dem musikalischen Vortrag ein hohes Maß an Partiturtreue an. Da hat man tief in die Partitur hineingeschaut und sich ausgetauscht, denn das Miteinander gelingt nahtlos und stets eng verzahnt und wenn man so will: traumhaft sicher. So wirkt auch die Agogik geschmeidig, sodass man annehmen darf, dass hier mit einem gemeinsamen Konzept intensiv geprobt wurde.

Das Menuett des 2. Satzes klingt von Duktus her sehr bewegt und lebendig, klanglich aber sehr sanft und weich, sodass dem Cellisten ein nostalgischer Teppich ausgerollt wird, auf dem er mit seiner herausragenden, sprechenden Kantabilität und seinem wunderschönen Ton schweben kann. Seine Artikulation wirkt besonders fein abschattiert und flexibel. Auch die organisch fließenden Übergänge und das nahtlose Miteinander des Musizierens auf höchstem Niveau begeistern. Besonders freuten wir uns darüber, dass Johannes Moser bei T. 363 endlich einmal richtig p spielt. Das machen nicht eben viele. Dabei wirkt es viel passender, wenn man nicht mit einem pauschalen oder gar bebendem f drüber geht.

Ähnliches begegnet uns auch im 3. Satz bei T. 552, dem Beginn der Reprise des 2. Themas. Man muss es gehört haben, wie schön hier das p wirkt, wenn man es mit Intensität gestaltet. Auch hier „geigen“ die meisten f drüber weg. Dabei weiß der Komponist genau, warum er p hinschreibt und nicht f, aber nur wenige vertrauen ihm hier. Auch die Wiederholung, nun im pp, gelingt bei Herrn Moser sehr schön mit dem p zuvor abgewogen. Zu Beginn des 3. Satzes jedoch gefällt bereits das Holz des Orchesters erneut ungemein. Überhaupt spielt das Orchester nicht nur diese Überleitung bzw. die Einleitung in den 3. Satz beispielhaft genau und schwungvoll, aber nicht reißerisch. Der Verlauf gelingt spannend und in vielen Details besonders liebevoll und akzentuiert gestaltet. Das herausragende Spiel aller Beteiligten gipfelt in einem ausdrucksstarken, furiosen Finale.

Die Aufnahmetechnik spielt auf ähnlich hohem Niveau wie das musikalische. Das hört sich alles sehr klar und dynamisch an. Die Balance von Cello und Orchester ist nahezu perfekt.

 

____________________________________________________________________________________________

 

5

Pieter Wispelwey

Daniel Sepec von  der Konzertmeisterposition aus

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Channel Classics

2000

5:24  4:30  8:30  18:24

 

SACD  Noch mehr Primus inter Pares als Johannes Moser ist Pieter Wispelwey in seiner Aufnahme mit der DKP, besonders wenn man die Aufnahme Stereo hört. Bei fünfkanaliger Wiedergabe wird sein Part erheblich plastischer und prominenter wiedergegeben. Das schöne an diesem Medium ist ja auch, dass man selbst wählen kann, was besser gefällt. Auch hier verfolgen Solist und Orchester eine gemeinsame Linie, stets schlank, mit hoher, wie selbstverständlich wirkender Virtuosität ohne Drücker und Schweller und besonders geradlinig. Auf ein Auftrumpfen à la Ormandy verzichtet man gänzlich. Das bekommt dem Stück sehr gut, zumal man es nicht an Akkuratesse und Tonschönheit fehlen lässt. Pieter Wispelwey verfügt über einen vollen, angenehm runden Ton und ein behände wirkendes Musizieren mit einer liebevollen, gesanglichen und hinreichend expressiven Phrasierung. Besonders notengetreu und hellhörig dem Partner gegenüber, spielt sich niemand über Gebühr in den Vordergrund. Geschmeidig geht man aufeinander ein. Vielleicht nicht ganz so nahtlos wie es Johannes Moser und Fabrice Bollon mit dem RSO gelingt. Insgesamt ein eleganter, romantisch aber leicht empfundener 1. Satz. Überraschend ist die recht lange Satzpause auf die eigentlich fast alle anderen Einspielungen verzichten.

Im 2. Satz wartet das Orchester mit, in unserem Vergleich zumindest, einzigartigen Phrasierungsdetails auf. Man bevorzugt es, den Vorschlag lange zu nehmen, was dann noch ein bisschen mehr nach originalem Barock klingt. Dennoch wirkt die Phrasierung frisch und lebendig. Der Cellist bringt alle Facetten des Satzes zwischen Düsternis, Unheilverkündung, Ironie, Nostalgie und Magie zum Ausdruck. Die sprechende Phrasierung und das kongeniale Zusammenspiel machen aus dem Satz ein kleines Kabinettstückchen.

Das Orchester beginnt den 3. Satz finessenreich. Im weiteren Verlauf achtet man besonders auf den Erhalt der stimmigen Proportionen, die bei minderen Darbietungen auch gerne einmal, da sie so fragil sind, aus dem Lot geraten. So strahlt gerade der 3. Satz hier eine besondere Dignität aus, die anderen Einspielungen weniger eigen ist. Auch hier wieder zu bemerken: geschmeidige Übergänge und allerbestes Concertare. Auffallend hier auch: Es gibt auch nach so vielen bereits gehörten Aufnahmen keinen Vorhersehbarkeitseffekt. Man weiß nie genau, wie es nun weitergeht in dieser Einspielung. Immer wieder ist man überrascht, wie es nach der nächsten „Kurve“ klingt. Wirklich verblüffend: Auch Pieter Wispelwey spielt die Reprise des 2. Themas ganz zurückhaltend im p. Nach bereits 30 anderen gehörten Einspielungen kommt einem das wie ein kleines Wunder vor. In unserer Liste weniger, weil es Herr Moser gerade ebenso toll gemacht hat. Auch das Finale klingt hier wenig auftrumpfend. Eben stimmig, wie die ganze Einspielung. Dazu aber auch überraschend und lebendig. Olympische Gedanken, also am schnellsten, am lautesten, leisesten, intensivsten zu sein, spielen hier überhaupt keine Rolle. Herr Sepec scheint von seiner Konzertmeisterposition zu leiten. Ein entsprechender Hinweis fehlt dem Beiheft, er wird aber als Leader bezeichnet und namentlich erwähnt, was darauf hindeutet.

Der Klang der Aufnahme ist besonders gut durchhörbar, ist sehr gut gestaffelt und verfügt über eine angenehm weite Räumlichkeit. Er wirkt auch angenehm weich und natürlich. Die Stuttgarter Einspielung wirkt jedoch etwas dynamischer. Dafür ist der Gesamtklang in Bremen besonders schwebend und er wirkt losgelöst von aller Erdenschwere, was aber nicht heißen soll, er wäre bassschwach.

 

__________________________________________________________________________________

 

5

Camille Thomas

Alexandre Bloch

Orchestre Philharmonique de Lille Hautes de France

DG

2017

5 53  4:51  8:35  19:19

 

Camille Thomas, die zwar ihren Vornamen mit dem Komponisten teilt, aber sicher nicht nur deshalb so sehr mit seinem Konzert überzeugt, tritt mit ihrem von Beginn an unmittelbar und spontan wirkenden, den dramatischen Gestus schärfenden Einspielung in die Fußstapfen  Jacqueline du Prés. Ungemein kontrastreich und mit prägnanter Artikulation geht sie mit ihrem warmen, sinnlichen Ton, ihrem flexiblen Vibrato und ihrer nuancenreichen, wunderbar singenden Spielweise weit über die „alte“ französische Celloschule hinaus, wie sie von André Navarra oder Maurice Gendron aber auch von Pierre Fournier geprägt wurde. Ihr Spiel wirkt aber auch, nicht differenzierter aber griffiger, praller und kraftvoller als das von Sol Gabetta. Das Stück erhält eine durchweg bewegte und in hohem Maß emotionale Darbietung. Dabei hilft ihr auch der weite dynamische Ambitus ihres Spiels ungemein. Auch sie geht, anders als die französischen Meister der vergangenen Generation zuvor, aber ähnlich Moser, Wispelwey oder Gabetta weit ins p hinein, ohne dass es gesäuselt wirken würde. Auch ihr Vortrag erhält einen sprechenden Gestus. Das Orchester geht impulsiv in dieselbe Richtung, also den Weg mit der Cellistin gemeinsam. Der Nuancierungsreichtum erreicht dabei nicht ganz das Maß der beiden zuvor genannten deutschen Orchester.

Aber das Orchester aus dem hohen Norden Frankreichs spielt das hier schön nostalgisch und melancholisch klingende Menuett im 2. Satz mit einer ganz besonderen Note. Es phrasiert es mit einer nur in einem weiteren Fall wieder gehörten Echo-Wirkung, die sehr apart wirkt, aber sich so nicht im Notenbild widerspiegelt. Camille Thomas spielt ihre Kantilene nicht so geheimnisvoll vom Himmel kommend oder zum Himmel gerichtet (gleichsam entrückt) wie Sol Gabetta, sondern als eine intensivierte Auseinandersetzung, als ob die Erinnerung an die verstorbene Großtante des Komponisten oder auch, allgemeiner formuliert, an die „verlorene“ oder auch nur vergangene Zeit eine schmerzhafte sei.

Im 3. Satz intoniert das Orchester nicht ganz mit der virtuosen Eleganz der Stuttgarter, wohl aber mit ähnlich stürmischer Begeisterung und einem abenteuerlichen Tatendrang, der zwar an den etwas großsprecherischen Überrumpelungseffekt den das Philadelphia Orchestra mit Ormandy und an das unnachahmliche Feuer, das das New York Philharmonic in der Einspielung mit Feuermann hier entfacht, erinnert, aber dann doch nicht so überspitzt formuliert wie diese. Wahrscheinlich wollte man da auch gar nicht hin, denn Übertreibungen sind dieser jugendlich-frischen, vitalen Einspielung fern. Das Spiel der Cellistin entfaltet sich auch im letzten Satz enorm differenziert, farbenreich und flexibel. Leider überspielt sie auch sie das p bei der Reprise des 2. Themas bei T. 552 (womit sie sich jedoch in bester Gesellschaft befindet), die Wiederholung bei T. 564 gelingt dann jedoch, wie von Saint-Saens notiert, in einem fantastisch klingenden pp.

Der Klang dieser ungemein farbigen Einspielung ist plastisch und sehr transparent. Das Cello klingt sehr präsent, das Orchester immer noch recht präsent und farbig, könnte aber, um dem virtuellen Erscheinungsbild des Cellos noch gerechter zu werden, körperhafter sein. Die Dynamik ist gut aber nicht auffallend.

 

_________________________________________________________________________________________

 

5

Sol Gabetta

Ari Rasilainen

Münchner Rundfunkorchester

RCA

2006

5:50  5:05  9:04  19:59

 

Der Gestus, den Sol Gabetta und Ari Rasilainen dem Stück verleihen, betont auf weiten Strecken und auf ganz besondere Weise den leisen, sanften, zarten und spielerischen Bereich, wogegen der dramatische Anteil ein klein wenig zurücksteht. Das ist keineswegs negativ zu verstehen, denn diese Position vertritt die Cellistin mit einem ungemein nuancierten, natürlich wirkenden Spiel und einem geschmeidigen, flexiblen, weichen und warmen Ton mit einem hohen Ausdrucksspektrum. Dabei bleibt er weniger kräftig und leuchtend als beispielweise bei Jaqueline du Pré, Zara Nelsova oder von der jungen Generation Natalie Clein oder Camille Thomas. Ihr Spiel drängt auch etwas weniger, hat auch nichts Eiliges. Ihr Ton hat auch weniger Körper als der Rostropowitschs. Trotz alledem will ihr Spiel besonders gut zu dem Stück passen, wozu auch das eher ruhige Tempo und das gut auf die Cellistin eingehende Spiel des Orchesters viel betragen. Was ihr an großem Ton fehlt, macht sie durch ihre dynamische und artikulatorische Flexibilität wieder wett.

Ihre Darbietung des zweiten Satzes wirkt besonders träumerisch und schwerelos. Erst nach und nach scheint sie wie vom Himmel herabzusteigen. Oder die süß-melancholische Erinnerung wird erst nach und nach Realität. Jedenfalls zeugt ihre Darbietung von sehr großer Gestaltungskraft und Inspiration.

Im dritten Satz macht das Orchester mit seiner schön klingenden Oboe und den überhaupt warm klingenden Holzbläsern auch einmal auf sich aufmerksam. Die ff werden jedoch eher etwas zu zurückhaltend gegeben. Generell sind sich auch hier Cellistin und Orchester gut aufeinander abgestimmte Partner, wenngleich wir uns im letzten Satz etwas mehr Feuer und Impulsivität von Seiten der Orchesterleitung gewünscht hätten. Die eher kammermusikalische Durchdringung erfreut hingegen wieder. Die weiten ruhigen Passagen erklingen hier mit etwas mehr süßer Wehmut als sonst, die Abschnitte, denen ein vorantreibender Drive gut anstehen würde, erneut etwas reduziert, sodass man dem Orchesterpart etwas mehr Biss gewünscht hätte. Die Cellistin stellt sich nicht über Gebühr in den Vordergrund, das gemeinsame stimmige Musizieren steht hier an erster Stelle. Das Stück wirkt besonders durch die feine Wahrung der inneren Proportionen und dem lyrischen Spiel der Cellistin, dem man gebannt folgt.

Der Klang der Aufnahme unterstreicht leicht, weich, abgerundet und transparent wie er ist, den Charakter der Darstellung und des Werkes. Die Dynamik ist in Ordnung, der Gesamtklang klingt nie massiv. Die Klangfarben stechen nicht blendend heraus, sondern wirken eher zart abgetönt und pastellen.

 

_______________________________________________________________________________________

 

5

Mstislav Rostropowitsch

Sir Malcolm Sargent

Philharmonia Orchestra London

EMI – Praga

1956

5:27  4:54  8:44  19:05

 

Von Mstislav Rostropowitsch lagen uns drei Einspielungen zum Vergleich vor. Diese mittlere von 1956 wird gleichsam umrahmt von seiner Moskauer Einspielung nur drei Jahre zuvor und der erneut in London (auch wieder für EMI, dieses Mal jedoch mit dem LPO und Carlo Maria Giulini) eingespielten, späten Aufnahme von 1977. Uns erscheint diese mittlere als die gelungenste, weil sie den Cellisten von seiner allerbesten Seite zeigt und die Orchesterleitung und -leistung dem Werk besonders gerecht wird, eine stimmige Zusammenarbeit vorliegt und die Klangtechnik den summa summarum besten Klang der drei Aufnahmen bietet. Das Cellokonzert wurde bereits in Stereo aufgezeichnet und von den Prager Klangverbesserern einer Kur unterzogen, die gemessen an anderen Einspielungen der EMI aus jenen Tagen, einem Jungbrunnen gleichkam. Doch nun zunächst zur musikalischen Seite.

Des Cellisten Celloton wirkt gegenüber der Moskauer Einspielung noch reichhaltiger und wärmer. Geradezu üppig und mit den reichlich vorhandenen Mitteln wuchernd, wenn man so will. Das Orchester wirkt, gerade auch gegenüber der 21 Jahre jüngeren Einspielung mit Giulini, schlanker und flexibler. Sir Malcolm, dessen Kompetenz vor allem bei Komponisten seines Heimatlandes allseits bekannt ist, konnte sich ohrenscheinlich auch sehr gut in das französische Klangidiom hineinversetzen.

Man findet dies bestätigt gerade auch im 2. Satz, der gegenüber der Moskauer Einspielung ein wenig zügiger wirkt und vor allem einen fabelhaften Klang zaubert. Inwieweit das tschechische Remastering hier mitgezaubert hat, entzieht sich unserer Kenntnis, denn das Original von EMI lag uns zum Vergleich nicht vor. Jedenfalls lässt die alte Aufnahme die neuere mit Giulini diesbezüglich geradezu „alt“ aussehen. Sogar die gefürchtete dünne Philharmonia-Oboe macht nicht als Störenfried der melancholisch eingefärbten Idylle auf sich aufmerksam. Rostropowitsch begeistert mit lang gezogenen Legatobögen in schönster Kantabilität und einem ungemein reichhaltigen Klang, der sicher vielen Cellist(inn)en unserer Tage ein Vorbild war oder noch ist, an dem man sich versuchen möchte.

Gemessen an den anderen beiden Einspielungen gelingt auch der 3. Satz noch ein wenig feinfühliger und eleganter. Den Anweisungen der Partitur befolgt er nun auch im p noch mehr. Das Orchester wirkt noch ein wenig kultivierter als das Moskauer, aber auch nicht ganz so urwüchsig in den Passagen der Beschleunigung. Die schnellen Passagen wirken beim Orchester und auch beim Cellisten noch souveräner und wohlklingender als 1953 und 1977. Aber: Auch Rostropowitsch zieht es vor, die Reprise des 2. Themas viel lauter als p zu spielen, vielleicht um das pp ein wenig später so noch leiser und damit kontrastreicher und magischer erscheinen zu lassen. Viele haben ihm das vielleicht auch abgelauscht. 1977 folgte dann aber doch seine Umstellung auf Partiturtreue auch an dieser Stelle.

Eines entging den tschechischen Klangbearbeitern aber (vielleicht ist diese Eigenschaft aber auch dem Original eigen): Das Zentrum des Klangs ist etwas nach links abgerutscht. So klingt auch der Cellist unverhältnismäßig weit links fokussiert und die rechte Orchesterhälfte wirkt ein wenig verwaist. Als ob sich fast das ganze Orchester auf der linken Seite zusammendrängen würde. Der Gesamtklang ist aber weich, voll, sonor und farbig. Das Orchester wirkt sehr gut gestaffelt, zumindest in die Tiefe, in der Breite gibt es leider das genannte Problem. Die Streicher erklingen besonders schön abgerundet und strahlender als die Kollegen und Kolleginnen des LPO 21 Jahre später. Wie einleitend bereits bemerkt: Prag scheint für alte Aufnahmen zu einer Art Jungbrunnen geworden zu sein.

▼ zwei weitere Aufnahme Rostropowitschs folgen weiter unten in der Liste

 

___________________________________________________________________________________

 

5

Pierre Fournier

Jean Martinon

Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris

DG

1960

5:48  4:50  8:46  19:24

 

Auch von Pierre Founier lagen uns drei verschiedene Einspielungen des Konzertes vor. Auch hier konnte die mittlere am meisten überzeugen. Flankiert wird sie von einer EMI-Einspielung von 1947 (mit dem Philharmonia Orchestra und Walter Süsskind) und einer deutlich jüngeren von 1977 (unter Josif Conta aus Monaco). Fourniers Cello klingt in Paris voller, erheblich sonorer und weit weniger nasal gefärbt als zuvor in London, auch ein wenig gedeckter aber mit vollen, satten Klangfarben und durchdringend. Er spielt nun noch etwas nuancierter, abgeklärter, aber keineswegs weniger behände. 1977 können weder das Orchester noch Pierre Fournier selbst das bereits vorgelegte Niveau der älteren Einspielungen halten. Davon später noch ein wenig mehr.

Das Orchester klingt fast ein wenig nach den Berliner Philharmonikern in Fourniers Einspielung von Ernest Blochs „Schelomo“. Es klingt füllig, satt, sämig und geradezu klangmächtig. Vielleicht hat die DG die gleichen Techniker nach Paris geschickt, die später auch in Berlin Cellist und Orchester so kongenial aufgenommen haben? Man könnte annehmen, dass ein schlankerer Orchesterklang besser zu dem reizenden Stück passen würde, aber da könnte man einwenden: Er passt aber ganz ausgezeichnet zu Pierre Fourniers Cello. Wir vernehmen hier ebenfalls ein ausgezeichnetes Concertare.

Das Menuett im 2. Satz klingt etwas weniger zügig aber nun erheblich klangsensibler und klangvoller als in London 1947. Der Celloton Fourniers (hier einer der schönsten überhaupt) überzeugt nun mit berückender Kantabilität und einer noch weiter gesteigert wirkenden „Intimität“, wenn man das so schreiben darf, im Ausdruck und im Zusammenspiel, noch mehr als in London oder Monte Carlo.

Dass hier ein französisches Orchester und nicht die Berliner Philharmoniker spielen merkt man spätestens zu Beginn des 3. Satzes, der einen silbrig hellen, aber angenehmen Oboenklang mit einem diätetisch verknappt klingenden, verarmten Fagott kombiniert. Das wäre in Berlin so nicht passiert. Damals gab es noch französische und deutsche Fagotte, deren Klang unterschiedlicher kaum vorstellbar war. Im Laufe der Europäisierung bzw. Globalisierung näherte man sich dann langsam an, wobei sich der deutsche Klang weitestgehend durchgesetzt hat.

Das p bei der Reprise des 2. Themas spielt Fournier nun erheblich angemessener (kein mf mehr wie zuvor) und auch in der Relation zum pp passender. Das stimmige Concertare geht nicht immer mit Perfektion einher (z.B. T. 476), das stört aber nicht, die Wiedergabe wirkt trotzdem wie aus einem Guss. Eine sehr lebendige Orchesterleitung (und Orchesterleistung) kombiniert sich hier mit einem überragenden Cellospiel voller Noblesse.

Der Klang der Einspielung wirkt sehr gut aufgefächert, der Gesamtklang wirkt dynamisch und sehr leuchtkräftig. Die Balance zwischen Cello und Orchester wirkt ganz ausgezeichnet. Wie bereits erwähnt klingt das Orchester eher untypisch für ein französisches Orchester jener Zeit eher weniger schlank als voll, warm und satt.

▼ zwei weitere Aufnahme Pierre Fourniers folgen weiter unten in der Liste

 

____________________________________________________________________________________

 

5

Lynn Harrell

Neville Marriner

Cleveland Orchestra

Decca

1981

5:25  5:07  8:26  18:58

 

Lynn Harrells Einspielung lässt ein Cellospiel hören, wie man es sich wärmer getönt und mit einem ausgeprägteren Legato versehen kaum vorstellen kann. Dieses Mal wirkt es zudem auch noch impulsiv und detailgenau. Sein Klang wirkt gleichsam wie aus Samt und Seide. Er lässt ein sagenhaftes Pianospiel hören, das aber immer auch noch viel Substanz im Ton hat. Das Orchester agiert wie gewohnt technisch perfekt, aber dieses Mal auch warm und recht volltönend. Das Zusammenspiel erfolgt völlig nahtlos. Was für ein Unterschied zur Einspielung mit Matt Haimovitz und James Levine!

Im Menuett des 2. Satzes, hier vom Orchester mit besonders zarter und weicher Klanglichkeit dargeboten, strebt der Cellist kein himmlisches darüber Schweben an wie Sol Gabetta. Er wirkt aber vielleicht ein wenig konservativer, gestenreich und sehr ausdrucksvoll.

Im 3. Satz kümmert sich das Orchester mit aller Akkuratesse und einer Fülle von Details geradezu liebevoll um die Belange des Cellisten, der hier in der kleinen Kadenz Flageolets hören lässt, wie man sie kaum bei einem zweiten zu hören bekommt. Brillanz und eine wie selbstverständlich anmutende Virtuosität bringt das Orchester ja schon fast „naturgemäß“ mit, sodass es der Erwähnung kaum noch bedarf. Auch beim Cellisten erscheinen technische Hürden nicht zu existieren.

Dies ist eine Einspielung, ebenfalls aus einem Guss aber auch in höchster Virtuosität, die aber besonders unaufdringlich und mühelos erscheint. Die makellose Perfektion wird also nicht zur Schau gestellt. Die Musik kann so wie für sich selbst sprechen, zumindest scheint es so. Ohne spürbaren Einsfluss von Interpretenhand, was eigentlich das höchste Kompliment darstellt.

Für eine der ersten Digitalaufnahmen der Decca, die die Technik generell schon sehr früh in den Griff bekam, ist dies ein besonders gelungenes Beispiel. Der Gesamtklang wirkt schon wunderbar abgerundet und weich abgetönt. Schon hier also keine Anzeichen für die gefürchteten Kinderkrankheiten der Technik. Das Cello wirkt vom Orchester wie umschlossen. Die Dynamik wirkt solide also ohne jede Kraftmeierei wie bei Levines Beitrag zur Diskographie aus Chicago. Allenfalls die Tiefenstaffelung könnte noch ausgeprägter ausfallen, gerade wenn man die beiden BBC-Aufnahmen (mit Blunier und Manze) aus Glasgow noch im Ohr hat. Die sind aber auch über 30 Jahre jünger.

 

______________________________________________________________________________________

 

5

Jacqueline du Pré

Daniel Barenboim

New Philharmonia Orchestra London

EMI

1968

5:43  5:30  8:45  19:58

 

Die Spielweise Jacqueline du Prés zeigt ein unmittelbar erlebtes leidenschaftliches Musizieren, plastisch, impulsiv, dynamisch, spannend, dargeboten mit einem vollen, geschmeidig wirkenden, quasi vollblütigen Ton. Der Gestus streift schon fast das wilde. Dennoch ist diese Einspielung nicht so legendär geworden wie ihre Einspielung des Elgar-Konzertes. Das mag vielleicht an der Konkurrenzsituation gelegen haben, denn vom Elgar-Konzert gab es seinerzeit nicht so viele Einspielungen auf dem Markt, aber auch an ihren jeweiligen Partnern. Daniel Barenboim (übrigens damals bereits ihr Ehemann) ist ihr hier zwar durchaus ein guter Partner, der ihre Impulse gut aufgreift und ihr quasi „vollsaftiges Aussingen des Melodischen“ ins Orchester versucht zu übertragen, aber er prescht bisweilen ein wenig über das Ziel hinaus. Und an die Detailakribie und die charakteristische Aufnahme des Melos, wie dies Barbirolli bei Elgar gelang, davon ist Barenboim bei Saint-Saens weit entfernt. Auch Rostropowitsch als Dirigent der Einspielung mit Han Na Chang ist ihm im Differenzierungsvermögen und schlankem punktgenauem Musizieren deutlich voraus.

Du Pré ihrerseits kann sich bei aller „entflammter Rede“ aber auch sehr gut zurücknehmen und lässt dem Orchester, wo dies angemessen ist, gebührend die Vorfahrt, was vielen bei weitem nicht so gut gelingt. Hauptmerkmal ihrer Darbietung bleibt jedoch die kernige unmittelbare, vitale Präsenz und die Brillanz des virtuosen Details.

Das Menuett im 2. Satz nimmt Barenboim nicht fließend, sondern rhythmisch betont aber auch höfisch gezirkelt, dann auch schwer, fast tapsig. Ein leichtes, weiches und schwereloses Fundament für das Cello legt er damit nicht. Eher ruft er das Bild von Perücke schwingenden, stark parfümierten und gepuderten älteren Herrschaften hervor. So geht es natürlich auch. Auch so kann man einen starken Kontrast zum Solo erzielen. Auch wirkt das Cello selbst hier so, dass das Schwermütige des Satzes voll ausgereizt wird. Aber auch trotz der wenig eleganten Holzbläsereinwürfe reißt die Cellistin letztlich hier doch alle mit.

Den 3. Satz beginnt das Orchester mit aufbrausendem, frischem Elan, durchaus temperamentvoll und im antreibenden Tempo. Du Pré brilliert mit betörender, sonorer Klanglichkeit und aufbrausenden, virtuosen Läufen. Man lässt hier die Funken der Leidenschaft fliegen, denen sich Zuhörer/in letztlich nicht entziehen kann. In der kleinen Kadenz geht es dann auch mal nicht so ganz sauber zu (T.520 oder auch die Flageoletts), was man der Cellistin aber allzu gerne verzeiht. Auch Barenboim dreht an der Temperamentsschraube und entlockt dem Orchester heißblütige Zwischenspiele und ein mitreißendes Finale. Insgesamt wirkt in dieser Einspielung aber das Orchester mehr in einer konventionellen Begleiterrolle und die Cellistin wirkt ein wenig überbetont als musikalisches Schwergewicht im Zentrum des Geschehens.

Der Klang der Aufnahme wirkt voll, plastisch und präsent, was für Cello und Orchester gleichermaßen gilt. Das Orchester wird auch gut gestaffelt in den Hörraum gestellt. Insgesamt ist insbesondere auch die Wärme des Klangbildes sehr angenehm. Es gibt auch noch eine zweite Einspielung der Cellistin ein paar Jahre später, ebenfalls mit Daniel Barenboim als Dirigenten, die aber gerade in Bezug auf die Wärme und Präsenz des Gesamtklangs nicht mit der EMI-Einspielung mithalten kann.

▼ eine weitere Einspielung von Jaqueline du Pré folgt weiter unten in der Liste

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

4-5

Mstislav Rostropowitsch

Carlo Maria Giulini

London Philharmonic Orchestra

EMI

1977

5:28  4:55  8:44  19:07

 

Durch das tendenziell gewichtige, ernste Musizieren des Orchesters unter Giulini wirkt die letzte Einspielung Rostropowitschs als Cellist dieses Konzertes (es gibt aber noch eine spätere, in der er als Dirigent agiert), in keiner Phase vordergründig temperamentvoll. Durch die ansteckende Musikalität, den Farbenreichtum und die wundervoll gebundenen Legatobögen des Cellisten in Verbindung mit bestem Miteinander der beiden Protagonisten und des Orchesters erlebt man das Hören dieser Einspielung trotzdem als einen ganz besonderen Genuss.

Der 2. Satz kann man sich kaum noch schöner vorstellen, d.h. weicher abgerundet und gefühlvoller (und auch leiser) als Giulini hier die Streicher spielen lässt, geht es fast nicht mehr. Zuckrig wirkt es trotzdem nicht. Rostropowitsch nimmt sich hier noch weiter zurück als in Moskau und in der Einspielung mit Sargent. Er lässt auch das Orchester sehr schön durchkommen, bei nach wie vor voller Präsenz seines Spiels. Das erscheint uns fast schon die Quadratur des Kreises zu sein. Er klingt nun sogar noch etwas sonorer und voller als 1956, vielleicht war aber auch nur das Mikrophon ein wenig näher positioniert oder von anderer Qualität.

Der Beginn des 3. Satzes klingt nun nicht mehr so ungestüm wie 1953 und 56. Dem 2, Thema des 3. Satzes bei Buchstabe K wird nun ein wundervolles p zuteil, so wie es der Komponist wollte. Da hat sich Rostropowitsch umgestellt. Ansonsten ist es ganz erstaunlich wie sich die Spielzeiten der einzelnen Sätze über die 21 Jahre hinweg fast auf die Sekunde genau gleichen und das auch noch bei verschiedenen Dirigenten. Die schnellen Läufe sind immer noch wunderbar geläufig und flüssig, aber im direkten Vergleich erscheinen sie 1956 noch ein wenig souveräner und noch mehr aus dem Vollen geschöpft worden zu sein. Beide liegen aber immer noch auf höchstem Niveau, nicht dass ein anderer Eindruck entstünde. Immer wieder hört man berückend schöne Momente voller Akkuratesse, auch im Figuarativen. Spielerische Unverbindlichkeit wird in allen drei Einspielungen des Cellisten erfolgreich vermieden.

Der Klang der Aufnahme lässt immer noch seine Vergangenheit als Quadro-Aufnahme hören. Das Orchester wird sehr weit in die Tiefe hinein gestaffelt, auch sehr breit abgebildet. Fast zwangsläufig fehlt es ihm an Präsenz. Die Transparenz wirkt ein wenig gegenüber 56 gesteigert. Im großen Raum könnten die Details jedoch plastischer klingen, sodass der Einspielung der Charakter des hellhörigen und nahe daran sein am musikalischen Geschehen etwas fehlt. Eine gewisse Distanz tut sich auf. Da wirkt die 56er Einspielung direkter und präsenter, weshalb sie uns letztlich als die bessere Wahl erscheint. Zumindest in der Praga-Version. Das LPO wirkt 1977 auch etwas matter im Klangfarblichen als das PO anno 56.

 

________________________________________________________________________________

 

4-5

Heinrich Schiff

Charles Mackerras

New Philharmonia Orchestra London

DG

1977

5:20  4:50  8:48  18:58

 

Im gleichen Jahr entstanden wie die letzte der drei Rostropowitschs, könnten die beiden kaum gegensätzlicher sein. Schiffs Ton ist nasaler, heller, erheblich spröder und leichter, also auch weniger voll und lange nicht so dunkel-samtig getönt. Sein Ton geht mehr in die Richtung der französischen Schule eines Navarra oder Gendron, wirkt aber differenzierter und auch ausdrucksvoller als diese. Das Orchester gefällt nicht zuletzt durch den temperamentvollen Zugriff, den Charles Mackerras ihm abverlangt, gerade auch im Vergleich zur Darbietung Giulinis. Bei C hören wir ein frisches Animato auch vom Orchester. Ab E folgen wir einem nuancierten Verlauf.

Im 2. Satz dürfte kaum ein Wunsch offenbleiben. Mit schlankem Ton arbeitet der Cellist besonders deutlich sein Espressivo heraus.

Der 3. Satz beginnt mit dem Einsatz hellhöriger Orchesterarbeit. Allerdings geht es manchmal auch ein wenig ruppig zu, vielleicht um den eleganten Grundcharakter ein wenig ironisch zu brechen? Das Spiel wirkt aber nicht wild, sondern bleibt im Charakter urmusikalisch, lebendig und zumeist auf der lyrisch geprägten Seite. Das Orchester selbst kommt in dieser Einspielung nicht mehr an die Geschmeidigkeit seiner eigenen Daseinsform vor 21 Jahren unter Sir Malcolm heran. Und an das RSO Stuttgart mit den reichhaltigen Finessen auch nicht.

Heinrich Schiff seinerseits meidet die milde, weise Art und den mit reichen Farben ausgestatteten Ton Fourniers ebenso wie die wilde hochemotionale Spielweise Jacqueline du Prés (oder Camille Thomas´) oder die einfach „schöne“ Art der Herangehensweise eines Lynn Harrell, den er wegen dessen überaus geschliffenen Spiels diesbezüglich nicht erreicht. Er klingt auch nicht so warm und substanzreich wie Rostropowitsch oder so fein nuanciert wie Sol Gabetta oder klanglich so kultiviert und einfach perfekt ausgewogen wie Johannes Moser. Sein Spiel ist eine Art Schnittmenge aus vielen Stilen und ein Kompromiss an dem sicher viele Musikfreunde Gefallen finden, von dem sie aber nicht unbedingt begeistert sein werden. Absolut hochklassig ist sein Spiel aber allemal.

Der Klang der Aufnahme ist offen und klar und auf unspektakuläre Art dynamisch.

 

__________________________________________________________________________________

 

4-5

Zara Nelsova

Adrian Boult

London Philharmonic Orchestra

Decca

1955

5:47  4:55  8:21  19:03

 

MONO  Zara Nelsovas Celloton ist nicht so knorrig wie das ihrer Zeitgenossen Maurice Gendron oder André Navarra. Es ist differenzierter, gestenreicher und sie geht ganz ähnlich wie Jaqueline du Pré oder in späteren Jahren Ofra Harnoy und noch später Camille Thomas in die Vollen, jedoch mit mehr Vibrato. Anders als Janos Starker vermeidet sie aber gerade noch ein fast schon aufdringliches Dauervibrato. Das Zusammenspiel mit dem Orchester erscheint recht präzise.

Der 2. Satz beginnt mit einem beschwingten Menuett (die Bezeichnung „Con moto“ legen hier nicht viele so buchstäblich konsequent und eindeutig aus). Bei dem Tempo könnten die Perücken der älteren Herrschaften aus der Barockzeit schon fast vom Kopf fliegen. Dementsprechend wird die Nostalgie oder Melancholie nicht überbetont, auch das Spiel Nelsovas wirkt dazu ein wenig zu dringlich und offensiv. So halten es übrigens viele der „alten“ Generation.

Der Aplomb des Orchesters (ähnlich wie bei Charles Munch oder Fabrice Bollon)) erscheint stürmisch, sogar noch ein wenig temporeicher und leidenschaftlicher, überträgt sich auch auf Nelsovas Cellospiel. Leichtgängig, behände differenziert und mit hohem Anspruch an ihre virtuose Technik hören wir hier Partner auf Augenhöhe, die mit sagenhafter Verve musizieren.

Der bereits an der Schwelle zur Stereophonie stehende Noch-Mono-Klang gibt sich erstaunlich bassstark, sehr dynamisch und bereits recht transparent. Die heikle Balance zwischen Cello und Orchester ist für eine Mono-Aufnahme vorbildlich gelungen.

 

_____________________________________________________________________________

 

4-5

Ofra Harnoy

Paul Freeman

Victoria Symphony Orchestra

RCA

1984

5:54  5:10  9:08  20:12

 

Ofra Harnoy hatte bereits beim Vergleich von Blochs „Schelomo“ sehr positiv auf sich aufmerksam gemacht. Sie spielte dieses Saint-Saens-Konzert bereits mit 19 Jahren ein. Damals hatte sie noch nicht das hochkarätige LPO unter Charles Mackerras wie bei „Schelomo“ an ihrer Seite, sondern musste noch mit einem zumindest bei uns recht unbekannten kanadischen Orchester „vorlieb“ nehmen. Wir schreiben das nur, weil wir sogleich anführen dürfen, dass es seine Aufgabe eigentlich mehr als angemessen erledigt.

Der Cellopart wird sehr akzentuiert gestaltet und ähnlich wie du Pré geht auch Ofra Harnoy in ihrem Cellospiel ganz auf. Sie hängt sich voll in jede Phrase hinein und gibt gleichsam alles. Es wirkt auch sehr differenziert, sehr dynamisch, fein nuanciert, klanglich farbig, prall und flexibel und auch sehr temperamentvoll. Sie wirkt außerordentlich fokussiert und gestaltet ihren Part bis ins kleinste Detail durch. Ihrer Persönlichkeit würde man, wenn man es nicht besser wüsste, ein weit fortgeschritteneres Alter zuweisen wollen. Trotz des eigentlich gut und sorgsam agierenden Orchesters zieht Ofra Harnoy so fast die ganze Aufmerksamkeit auf sich. So kippt das eigentlich am besten ebenbürtig zu haltende Verhältnis von Cello und Orchester deutlich in ein Übergewicht zugunsten der Cellistin. Vielleicht wäre es mit Mackerras und dem LPO anders gewesen? Eine müßige Überlegung.

Auch im 2. Satz zaubert die Cellistin, setzt dem vom Orchester bereits schön gespielten Menuett die Glanzlichter auf. Sie schöpft aus dem Vollen aber ihre jugendlich fordernde Spielweise nimmt sie zu selten einmal zurück, sodass einige Bläsereinwürfe oder andere keinesfalls unwichtige Details im Orchester fast unhörbar werden. Das kann nicht im Sinne des Komponisten gewesen sein. Hier hätte ein profilierterer Dirigent vielleicht andere Weichen stellen können.

Auch im 3. Satz wünschte man dem Orchester noch ein paar engagierte Streicher mehr, um der Cellistin ein ebenbürtiger klanglicher Widerpart zu sein. Ihr plastisches, ungemein ausdrucksvolles Spiel wirkt auch bei den schnellen Figuren sehr beeindruckend. Aber ihr künstlerisches Sendungsbewusstsein nimmt zu sehr Besitz von den feinsinnigen Proportionen des Stücks und bringt es ein wenig aus den Fugen. Es ist keine(r) da, der ihr wirkungsvoll Paroli bieten würde und selbst kommt sie nicht auf die Idee, dass vielleicht ein weniger an draufgängerischen Engagements besser für die Gesamtheit gewesen wäre. Vielleicht hätte es auch schon gereicht, wenn sie von der Klangtechnik ein paar dB heruntergedimmt worden wäre.

Der Klang überzeugt mit hoher Transparenz, Präsenz, vollem, weichen und farbigen Gesamtklang. Das Cello dominiert aber das zarte Verhältnis zum Orchester und wird ein wenig über Gebühr ins Zentrum gestellt. So als ob man wie mit Leuchtschrift darauf hinweisen wollte, dass man hier eine würdige Nachfolgerin für Jacqueline du Pré gefunden hat, nach der jede Plattenfirma nach dem frühen Tod du Prés damals fieberhaft suchte.

 

________________________________________________________________________

 

4-5

Leonard Rose

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS-Sony

1965

5:21  4:57  8:16  18:34

 

Leonard Rose bietet in seinem Beitrag zur Diskographie des Werkens einen ungemein präsenten, hochvirtuosen Zugriff mit schnellem, fast schon nervösen, eher herben, als lieblich zu nennenden Zugriff. Er scheint auf diese Weise auf Spuren von Emmanuel Feuermann zu wandeln. Das Orchester vergrößert diesen Zugriff gleichgesinnt und äußerst wirkungsvoll ins Extreme mit einem extrem weiten dynamischen Ambitus und einer fast schon autoritär wirkenden machtvollen Ausstrahlung. Kaum einmal vernimmt man das Animato oder später das Allegro molto so urgewaltig und soghaft. Wir konnten uns ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Irgendwie erkennt man diesen Meister des Taktstocks fast immer sofort.  Das Orchester erschien uns im Zusammenhang mit diesem fragilen Konzert einfach eine Nummer zu groß. Mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Aber nein. Martialisch wird es nicht und Spaß macht das Hören dieser Einspielung ganz besonders. Und wie immer, die Geschmäcker sind eben verschieden. So ist für jeden etwas im diskographischen Portfolio dabei. Und so amerikanisch vergrößert und darin auch noch so überzeugend bekommt man das Konzert sonst nie zu hören. Levines Versuch in diese Richtung war ungleich weniger erfolgreich. Rose und Ormandy agieren im Verlauf des 1. Satzes sehr temperamentvoll, überschwänglich und mit einer großen Lust an Zuspitzung.

Im 2. Satz bemüht sich das Orchester sehr um ein richtiges pp. Ein Versuch der nur als gelungen bezeichnet werden kann, wenn man seine eigenen Marken für f und ff als Maßstab nimmt. Für andere ist ihr pp schon ein mf.  Eine intime Stimmung will sich im Menuett aus Philadelphia folglich nicht einstellen. Erst wenn Rose hinzutritt erscheinen die Relationen wieder plausibler. Sein direkter Zugriff dominiert auch den 2. Satz, er vergisst jedoch die dynamische Differenzierung nicht, geht darin aber lange nicht so weit wie Sol Gabetta oder Johannes Moser, um nur einmal zwei Alternativen zu nennen. Das Holz wirkt nach der kleinen Cello-Kadenz (ab T. 298) fast schon ein wenig aufdringlich. Was aber auch von der ungemein dichten und präsenten Aufnahme herrühren kann. Ihr Spiel ist aber auch kaum p zu nennen. Alles ist hier eben vergrößert, eben big.

Im 3. Satz nimmt sich Rose bisweilen einfach nicht genug zurück, als ob das Temperament und die Leidenschaft mit ihm durchgingen. Sein p bei „Un peu moins vite“ („Ein wenig langsamer“ oder genauer: „Ein bisschen weniger schnell“) ist einfach viel zu laut. Die Orchesterzwischenspiele sprühen nur so vor virtuoser Spielfreude. Das „Allegro molto“ gelingt dem Orchester umwerfend und leidenschaftlich drängend mit einem Hang ins Grandiose. Heute würde man vielleicht sogar „machohaft“ übers Ziel hinausgeschossen dazu sagen, damals investierte man einfach alle Kräfte und versuchte das Beste zu geben. Ein jeder mag sich respektvoll sein Urteil selbst bilden.

Virtuoser Orchesterglanz mit kraftvollem und dramatischem Zugriff ist jedenfalls garantiert. Die Frage ist: passt es stilistisch noch zum Stück?

Der Klang bietet ein weites Orchesterpanorama, allerdings im Breitwandsound, d.h. das Holz werkelt ein wenig undifferenziert im breit abgebildeten Tutti. Die Soli sind jedoch ungemein präsent. Sonst wirkt das Orchester plastisch, jedoch wenig in die Tiefe gerückt, sonders sehr präsent. Alle wollen ganz vorne mit dabei sein.

 

____________________________________________________________________________

 

4-5

Svjatoslav Knushevitzky

Alexander Gauk

Grosses Radio-Sinfonieorchester der UdSSR

Melodija

1949

5:05  4:48  8:49  18:42

 

MONO  Vielen dürfte dieser Cellist u.a. aus der Aufnahme des Beethovenschen Tripelkonzertes gemeinsam mit David Oistrach, Lev Oborin und Malcolm Sargent bereits bekannt sein. Er bildete das sogenannte Oistrach-Trio mit seinen beiden Partnern natürlich in erster Linie  für kammermusikalische Unternehmungen, die ebenfalls gut diskographisch dokumentiert sind.

Er macht mit einem ungemein kraftvollen, tonlich sehr ausgewogenen und in hohem Maße differenzierten Ton auf sich aufmerksam. Gegenüber dem Ton Rostropowitschs  wirkt sein Ton schlanker aber von einem nasalen Unterton, wie ihn die Franzosen einmal pflegten ist er weit entfernt. Das Orchester ist ihm mit seinem ebenfalls schlanken Klang ohne spezielle russische Akzente ein ausgezeichneter, gleichgesinnter Partner. Dynamische Kontraste werden sehr gut herausgearbeitet. Dabei wirkt der Gestus stilvoll, ja nobel. Auf ein übertriebenes Gesäusel oder Heraushämmern wird gänzlich verzichtet. Ein Saint-Saens aus der Stalinzeit hätten wir uns ganz anders vorgestellt.

Als ein Tribut an die antiquierte Aufnahmetechnik muss man den fehlenden Klangzauber im Menuett des 2. Satzes verstehen. Die Sordine macht sich kaum bemerkbar, sonst ist sie ein grundlegender Faktor für den entrückten Klang dieser Stelle. Auch das sehr trockene Klangbild wird das seinige dazu beigetragen haben. Man hört jedoch sehr gut das selbstverständlich phrasierte, das wohlgeformte und fein ausbalancierte Cellospiel und das ganz vorzüglich aufeinander abgestimmte Zusammenspiel. Der durchaus spannungsvolle Aufbau wird in großen Bögen gedacht, was besonders auffällt, da das Konzert gerne auch einmal wegen seiner eigentlich schon ein wenig rhapsodischen Struktur zum Zerfall in Einzelteile neigt. Aber nur bei minderen Einspielungen. Bei Knushevitzky ganz gewiss nicht.

Im 3. Satz überrascht das Orchester mit leichtem, lockeren und angenehm angetriebenen Spiel und einem erfrischendem Gestus. À la francaise, keineswegs à la russe. Teilweise jedoch auch stürmisch bewegt. Das Cello behält jedoch (auch akustisch) die Hauptrolle, das Orchester bietet jedoch auch genug Paroli, dass es keine einseitige Angelegenheit wird. Ein paar kleine Ungereimtheiten gibt es im Cellopart nur in den ganz schnellen Passagen. Sie mindern das Hörvergnügen kaum. Auffallend an dieser Einspielung ist, dass man immer das Gefühl hat, man hört keinen Phrasen zu, sondern konkreten Aussagen. Wie in einem Gespräch. Ein Qualitätsgefälle zu Rostropowitschs russischer Einspielung von 1953 kann man nicht ausmachen.

Klanglich steht das Cello klar und deutlich vor dem Orchester. Es klingt viel besser als man es vom Alter der Aufnahme und der Provinienz erwartet hätte. Die Transparenz ist ausgezeichnet. Nur am sehr trockenen Gesamtklang ohne jede Raumanmutung merkt man den damaligen Stand der Technik dann doch. Den Klang des Cellos kann man dagegen nur loben.

 

______________________________________________________________________________

 

4-5

Leonard Elschenbroich

Stefan Blunier

BBC Scottish Symphony Orchestra, Glasgow

Onyx

2016

5:37  5:03  8:17  18:17

 

Leonard Elschenbroichs geradliniges Cellospiel überzeugt im Vergleich mit geschmeidigen Läufen, einem vollen tragenden Ton und mit einer sehr angenehmen, warmen Timbrierung bei ziemlich feingeschliffener, leichter Tongebung. Er erscheint etwas weniger gespannt und durchdringend zu sein (jedenfalls lässt es diese Einspielung vermuten) als der von Natalie Clein nur drei Jahre zuvor mit demselben Orchester und etwas weniger schattierungsreich als der Sol Gabettas, deren Celloton aber eine ähnliche Wärme offeriert. Auch geht er nicht so in die Vollen wie Jaqueline du Pré oder Ofra Harnoy. Die Balanace, die Cellist und Dirigent gefunden haben, erscheint dem Ideal sehr nahe zu kommen. Beim Orchester liegt der Vergleich zur Einspielung, die Andrew Manze mit dem gleichen Orchester drei Jahre zuvor mit Cellistin Natalie Clein gemacht hat, natürlich nahe. Beide Dirigenten gemeinsam mit dem schottischen Orchester führen jeweils zu außergewöhnlich luziden, transparenten, inspirierten Ergebnissen, die zu den stimmigsten Darstellungen des Orchesterparts überhaupt gehören. Gerade Stefan Blunier scheint einen besonderen Draht zur feinen Struktur des Orchesterparts entwickelt zu haben. Er inspiriert vor allem die Streicher zu einem noch etwas wärmeren, empathischeren Ausdruck als dies Andrew Manze gelingt. Der Klang passt auch einfach ganz ausgezeichnet zu dem des Cellos. Kaum vorstellbar, dass man sich diesbezüglich annähern konnte. Dafür reicht doch die Probenzeit eigentlich gar nicht aus. Der Celloklang von Natalie Clein hätte jedenfalls nur drei Jahre zuvor weit weniger gut gepasst. Vielleicht hätte man sich aber auch da anpassen können. Der Solist hätte es in diesem Anpassungsprozess jedenfalls leichter als das Orchester. Manche Solisten würden aber auch lieber als Solitär herausstechen wollen als ein besonderes stimmiges Harmonieren anzustreben.

Stefan Blunier gelingt es auch im 2. Satz dem Orchester berückend weiche Klänge zu entlocken. Der Gestus ist elegant und sehr einfühlsam, aber keineswegs zuckrig oder kitschig. Das gewählte Tempo wirkt goldrichtig, zügig aber nicht übereilt. Die Tanzbewegung wirkt nicht steif, das Menuett aber auch nicht wie in einem Zauberland verklärt. Die Holzbläser gefallen außerordentlich (was allerdings auch für die Aufnahme mit Natalie Clein und Andrew Manze gilt, was nicht verwundert, denn es sind ja höchstwahrscheinlich dieselben Musiker). Das Orchester wirkt bei Herrn Blunier dem Cellisten sehr zugewandt, keine Regung scheint ihm zu entgehen. Der Cellist selbst wirkt in seiner Spielweise im 2. Satz (was genauso auch für den 3. gilt) etwas mehr klassizistisch ausgerichtet als z.B. Sol Gabetta, phrasiert etwas schlanker und wagt auch etwas weniger Ausdruck als etwa Jacqueline du Pré. 

Eine sehr schön intonierte Oboe eröffnet dann den 3. Satz. Stefan Bluniers Tempo wirkt sehr temperamentvoll, er hetzt aber nicht so wie Barenboim, lässt es mehr strömen. Auch dies nur ein Detail, das aber zur Geschlossenheit des Stücks ungemein beträgt. Alles gehört hier mehr zueinander, kommt mehr aus einer Quelle heraus, wirkt nicht so sehr als einzelne Passage, wie es bei Barenboim der Fall ist. Herr Blunier wahrt die fragilen Proportionen und Zusammenhänge auf ganz besondere Weise und ist dem Werk ein besonders guter Anwalt, auch da er gleichermaßen die Details nicht aus dem Auge verliert. Der Blick auf das Große und Ganze scheint auch dem Cellisten eigen zu sein. Ihm gelingt es, sein Spiel nicht wie ein Ego-Trip erscheinen zu lassen, sondern als ein (allerdings besonders wichtiger) Teil des Ganzen.

Das Orchester klingt hier runder, sonorer und voller als bei Manze. Es wirkt sehr transparent und offen.  Die Klangfarben wirken warm-leuchtend. Die Balance zwischen Cello und Orchester kommt dem Ideal sehr nahe, auch der Anteil, der nicht von den Musikern, sondern von den Technikern verantwortet wird.

 

_________________________________________________________________________

 

4-5

Natalie Clein

Andrew Manze

BBC Scottish Symphony Orchestra, Glasgow

Hyperion

2013

5:52  5:01  8:38  19:31

 

High-Res-Download  Natalie Cleins Ton wirkt besonders straff und energisch. Die Intonation wirkt sehr sicher, der Gestus von einer gewissen Dringlichkeit angetrieben. Das Vibrato setzt sie sehr flexibel ein. Wie bei du Pré und Harnoy scheint ihr der leidenschaftlich-emotionale Ausdruck sehr am Herzen zu liegen. Klangfarblich wirkt ihr Ton, gerade auch wenn man den Ton mit dem des Cellos von Leonard Elschenbroich vergleicht deutlich kühler. Manzes Orchesterbehandlung wirkt deutlich temperamentvoller als die Ari Rasilainens in der Einspielung mit Sol Gabetta. Einzelne Details der Holzbläser verschwinden jedoch bisweilen hinter dem Cello. Das passiert in der Einspielung von Stefan Blunier drei Jahre später nicht. Gerade im Animato des 1. Satzes sollte das Holz besser durchkommen, da gebührt ihm eigentlich sogar die Vorfahrt gegenüber dem Cello. Im Allegro molto sollten es gleichberechtigter Partner sein. Natalie Clein ist jedenfalls auch bereit sich zurückzunehmen, wenn es die Partitur erfordert. Ihr weiter dynamischer Ambitus, das noch als Ergänzung, erscheint enorm.

Im 2. Satz klingt Natalie Clein weniger in himmlischen Höhen schwebend und nicht so verspielt wie Sol Gabetta, sie wirkt konkreter und etwas bodenständiger. Sie bleibt auch meist sehr präsent. Die Triller-Passage (T. 298-312) könnte etwas zurückgenommener wirken, da bleibt sie zu weit im Vordergrund und rivalisiert zu sehr mit dem Holz, das in diesem Moment mehr zu sagen hat.

Die klangschöne Oboe im 3. Satz kommt uns bereits von obiger Einspielung bestens bekannt vor. Das Orchester legt einen ziemlich drängenden Gestus an den Tag. Natalie Clein ist ihm aber auch ein temperamentvollerer Partner als Elschenbroich in der Aufnahme mit Stefan Blunier. Sie fordert das Orchester immer noch mehr heraus, während Elschenbroich und Blunier mehr eines Sinnes sind. So ergibt sich ein mitunter eher schlagkräftiges Concertare. Clein intoniert immer wieder mit ihrer durchschlagskräftigen und breiten Dynamik sehr prägnant über alle Oktaven hinweg. Aufgekratztes Finale.

Der Klang wirkt ungewöhnlich klar. Das Orchester wird sehr gut gestaffelt. Allerdings wirkt das Holz passagenweise in den Hintergrund versetzt, was aber auch an dem sehr präsenten, fordernden Cello liegt. Räumlichkeit und Präsenz gefallen. Meist ausgezeichnetes Verhältnis von Cello und Orchester, das aber einem dynamischen musikalisch bedingten Auf und Ab unterliegt. Das Cello wirkt sehr körperhaft aufgenommen und schon allein dadurch besonders in den Fokus gerückt.

 

____________________________________________________________________________

 

4-5

Jacqueline du Pré

Daniel Barenboim

Philadelphia Orchestra

Teldec

1971. Live

5:41  5:09  8:31  19:21

 

Die Unterschiede zur Londoner Studioproduktion sind vor allem der Live-Situation und dem anderen Orchester geschuldet. Ansonsten ergeben sich noch ein paar bemerkenswerte Details. Du Pré agiert eher noch ein wenig temperamentvoller als im Studio, anscheinend fühlte sie sich durch die Live-Situation noch mehr herausgefordert. Zumindest zu Beginn erscheint ihr Spiel jedoch ein wenig undifferenzierter, ihr Ton ein wenig kühler, nicht mehr ganz so warmherzig. Das könnte aber auch schon an einem anderen Mikrophon gelegen haben oder aber auch an einem Instrumentenwechsel. Nach wie vor schöpft sie aber aus dem Vollen und gibt freigiebig Emotionen preis. Das Orchester ist nun leichtfüßiger unterwegs, leider aber auch distanzierter, auch im gehörten räumlichen Abstand (25.Sitzreihe statt 5.Sitzreihe in London), sodass den eng verzahnten Wechselspielen mit dem Cello der enge Kontakt zu fehlen scheint.

Das Menuett wirkt nicht mehr ganz so erdgebunden wie noch in London. nicht mehr so schwer artikuliert und im Tempo etwas zügiger. In eine abgehobene Sphäre der nostalgischen Verklärtheit bringt Barenboim diese Passage aber auch in Philadelphia nicht. Das dolce ab T. 241 gelingt der Cellistin unübertroffen ausdrucksvoll, allerdings mit sehr viel Vibrato. Im weiteren Verlauf lässt du Pré den Emotionen ungehemmt ihren Lauf. Das Niveau des Orchesterspiels übertrifft das des NPO im Studio deutlich. Vielleicht auch eine Folge der in den vergangenen drei Jahren gewonnenen Erfahrung des Pianisten in seinem neuen Beruf.

Im 3. Satz läst das Orchester ein erheblich schlankeres Musizieren hören als die Londoner. Die Holzbläser agieren subtiler, das Zusammenspiel von Solistin und Dirigent erscheint nun aus einem blinden Vertrauen heraus perfektioniert worden zu sein. Du Pré geht bis an die Grenzen dessen, was sich aus dem Cello herausholen lässt. Die schnellen Partien wirken nun noch ein wenig ungeduldiger und drängender, aber nicht mehr so ausgewogen und in ihrem emotionalen Gehalt ausmusiziert. Auch die schnellen Passagen des Orchesters erscheinen noch hitziger von Barenboim inszeniert. Das wirkt so noch emotionaler aber auch vordergründiger auf uns. Ob es des Guten schon zuviel ist, muss jeder selbst entscheiden. Wir ziehen die insgesamt wärmere Atmosphäre und die größere Nähe der Londoner Aufnahme insgesamt auch künstlerisch vor.

Klangtechnisch hören wir nun ein Cello mit erheblich weniger Wärme, das Orchester wirkt erheblich distanzierter, aber noch genügend transparent und plastisch.

 

_____________________________________________________________________________

 

4-5

Mstislav Rostropowitsch

Grigory Stolyranov

All-Union Radio Symphony Orchestra Moskau

Melodija, Westminster, DG

1953

5:52  5:08  8:50  19:50

 

MONO  Wie fast immer bei den älteren Einspielungen begegnen wir auch hier einem angetriebenen Gestus. Rostropowitsch zeigt auch schon in dieser, seiner frühesten Einspielung sehr reiche dynamische Abschattierungen und artikulatorische Nuancierungen. Tonlich bietet er bereits seinen voll erblühten Farbenreichtum, der ihn unter anderem so berühmt gemacht hat. Auch in Moskau nimmt er aber seine Cellostimme schon sehr werkdienlich zurück und lässt das Orchester gut durchscheinen.

Das Menuett im 2. Satz klingt schon schön weich und angenehm zurückhaltend. Das haben wir von diesem Orchester (es mag dasselbe sein wie das in der Produktion mit Knushevitzky, nur wurde sein Name anders übersetzt) anders erwartet, ist es doch zumeist recht derb, mit viel Kraft und mitunter zügelloser Dynamik spielend zu hören gewesen, aber es ist ja bisher auch mehr mit russischer Musik in Erscheinung getreten). Das Holz klingt auch hier erfreulich wenig hart. Der Cellist spielt sehr souverän, mit innigem dolce und wagt auch echtes pp. Das Stück wirkt hier ein wenig wie ein Nachtstück mit fahlem Mondschein. Vielleicht schlägt da aber auch besonders die lediglich schwarz-weiße Klangtechnik durch und kühlt das Atmosphärische recht weit herunter.

Der 3. Satz klingt urmusikalisch, auch in den schnellen Passagen, versehen mit einer stetigen Steigerung. Hier klingt das Cello bereits wieder herausragend warm und sonor, es scheint nun also auch in Moskau wieder die Sonne. Besonders das reichhaltige tiefe Register des Cellisten fällt hier auf. Bei der Reprise des 2. Themas T. 552, unsere prominente Stelle für den Vergleich der Partiturgenauigkeit, geht Rostropowitsch allerdings dieses Mal volle Pulle statt pp. Erst 1977 mit Giulini erfolgte hier ein Umdenken bei Rostropowitsch. T. 564, bei der Wiederholung derselben Stelle, klingt es dann korrekterweise im keineswegs säuselnden pp. Bei diesem pp haben die Cellist(inn)en dann seltsamer Weise nie Probleme partiturgenau zu sein.

Das Cello steht voll klingend, klar und dynamisch vor dem Orchester. Das Orchester gilt als gleichberechtigter Partner, bleibt jedoch weniger dynamisch und weniger farbig leicht zurückgesetzt.

 

_________________________________________________________________________________________

 

4-5

Pierre Fournier

Walter Süsskind

Philharmonia Orchestra London

EMI

1947

5:30  4:25  8:42  18:37

 

MONO  Auch Pierre Fournier, hier in der ersten seiner drei Aufnahmen nimmt den ersten Satz dramatischer und klanglich härter als es die Cellist(inn)en heute tun (Ausnahmen bestätigen die Regel). Für Fournier gilt dies auch im Vergleich zu seinen beiden späteren Einspielungen von 1960 und 1977, bei denen sein Cello durchaus wärmer klingt, sodass wir annehmen, dass er sein Instrument gewechselt haben könnte. Mit Süsskind gelingt ein hervorragendes gemeinsames Concertare. Er begleitet sehr aufmerksam und schärft den Orchesterpart dramatisch an.

Im 2. Satz weht eine frische Prise durch das Menuett. Das frische Tempo verbreitet wenig Nostalgie und auch wenig Melancholie. Fourniers Part gleicht mehr einer flammenden Rede, sein dolce hat auch nichts zartes oder weiches. Aber auch in jüngeren Jahren zeigt sein Ton schon die für ihn typische Noblesse. Das Staccato des Philharmonia-Holzes wirkt allerdings zu spitz und gestochen.

Im 3. Satz klingen die sf und die fp des PO fast wie Peitschenhiebe, der Gestus wirkt enorm druckvoll. Auch Fourniers p klingt bei unserer Vergleichsstelle sehr robust (hier gefühltes mf), das pp wie üblich dann enorm viel leiser. Das finale Allegro molto hat schon fast die unnachahmliche atemlose Stretta-Wucht der Feuermann-Smallens-Einspielung auf die wir am Ende des Vergleiches noch gesondert kurz eingehen wollen.

Die alte Aufnahme rauscht vernehmlich, ist aber ansonsten sehr gut restauriert worden. Die Violinen klingen nur wenig verfärbt, der Gesamtklang bemerkenswert weich insgesamt aber sehr trocken.

▼ eine weitere Aufnahme Pierre Fourniers folgt weiter unten in der Liste

 

________________________________________________________________________________

 

4-5

Yo Yo Ma

Lorin Maazel

Orchestre National de France, Paris

CBS-Sony

1979

5:07  5:14  8:30

18:51

 

Yo Yo Ma machte mit dieser Produktion seine erste Konzert-Aufnahme für das Label, dem er über Jahrzehnte treu bleiben sollte. Es war zugleich auch eine der allerersten Digitalaufnahmen der CBS. Die Herangehensweise wirkt sehr temperamentvoll, virtuos und musikalisch unverstellt. Das heißt, er gestaltet seinen Part nur so weit detailfixiert, dass die große Linie nicht unbotmäßig gestört wird. Das pure Schönspielen wird bisweilen durchaus bis in schroffe Tongebungen hineingesteigert. Es steht ihm dabei ein sehr schöner, offener, frei ausschwingender, keineswegs spröder Ton zur Verfügung. Seine Spielweise wirkt souverän, leicht, aber dennoch ausdrucksvoll. Auftrumpfende Gesten werden weitgehend vermieden, was sich von Lorin Maazels Orchesterleitung nicht ohne weiteres behaupten lässt. Das Orchester präsentiert sich dieses Mal allerdings recht aufmerksam und insgesamt sattelfest.

Das Menuett im 2. Satz, das vom ONdF ziemlich klangschön gespielt wird, kommt ohne artikulatorische Überraschungen aus, wird wie in einem durchgespielt. Das Notenbild wird zwar wiedergegeben, aber andere Dirigenten haben sich dazu mehr einfallen lassen und die fehlenden Vortragszeichen ein wenig „sinngemäß“ ergänzt. Yo Yo Mas Cello schwebt hier nicht über den Dingen, wirkt auch gar nicht grüblerisch. Man gewinnt den Eindruck, dass er aus dem Satz ein kleines Scherzo herauszaubert. Elemente dafür sind ja auch vorhanden. Für uns war es eine willkommene Abwechslung.

Im 3. Satz ist das Orchester dann wirklich „gut bei Stimme“. Es klingt gut, wirkt erneut sehr aufmerksam und homogen. Maazel neigt hier zur Zuspitzung und zum saftigen Ausspielen. Manches mag dabei ein wenig überpointiert werden, aber 1979 war noch nichts von der seiner sich später mitunter einstellenden stoischen Haltung zu bemerken. Der virtuos und durchaus mit viel Fingerspitzengefühl gestaltete Cellopart passt aber sehr gut. Auch Yo Yo Ma spielt das 2. Thema in der Reprise nicht p. Fröhlicher Kehraus.

Die Digitaltechnik war noch nicht ausgereift. Das hört man auch dieser Aufnahme an. Sie klingt weniger transparent, ein wenig verhangen, aber die Balance von Cello und Orchester ist gelungen.

 

____________________________________________________________________________________

 

4-5

Emmanuelle Bertrand

James Gaffigan

Luzerner Sinfonieorchester

Harmonia Mundi

2014

5:41  5:04  8:44  19:29

 

MP3 Download  Das Cello Emmanuelle Bertrands klingt etwas weniger sonor als der von Natalie Clein und ist nicht ganz so warm timbriert als das von Sol Gabetta, aber reich an Farben. Ihr Gestus wirkt poetisch, spontan empfunden und eher leidenschaftlich.

Das Orchester steuert wilde Crecendos bei Gaffigan spielt die Dynamik des Orchesterparts voll aus, erweitert so den Ausdrucksrahmen des Cellos besonders. Von der Tendenz her ist das jedoch generell die Aufgabe des Orchesterparts in diesem Konzert, hier bemerkt man es nur besonders deutlich.

Im 2. Satz mit einem zierlichen Menuett fällt das besonders warmherzige Cellospiel der Cellistin auf. Im 3. Satz schafft das Orchester erneut ein feuriges, aufgeheiztes Klima. Die sf werden sehr gut herausgestellt. Trotz des Feuers hören wie ein leichtes und luftiges Spiel. Kompliment an das auf internationalem Parkett eher wenig bekannte Orchester. Die Cellistin nimmt das Feuer auf, wirkt aber in den schnellen Passagen nicht ganz so sauber wie z.B. Johannes Moser oder Natalie Clein. Als ganzes erscheint auch dieser Satz aber großartig gestaltet. Diese Einspielung wirkt nicht imposant (wie z.B. die von Rose und Ormandy) oder über jeden Zweifel erhaben (wie die von Johannes Moser), aber fesselnd an A bis Z.

Der Klang ist offen, luftig und transparent, wunderbar räumlich, dynamisch und (trotz MP3-Datei) farbenfroh.

 

__________________________________________________________________________

 

4-5

Han Na Chang

Mstislav Rostropowitsch

London Symphony Orchestra

EMI

1995

5:33  4:45  8:50  19:08

 

Die zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade einmal elfjährige Cellistin (Rostropowitsch: „Ich habe in diesem Alter nicht so gut gespielt.“) verfügt bereits über einen großen, geschmeidig wirkenden, vollen, weichen und präzisen Ton. Ihre Darbietung stellt keine Zurschaustellung eines Wunderkindes dar, sondern darf als vollgültig gelten. Im direkten Vergleich mit ihren gereifteren Berufskolleginnen bemerkt man allerdings schon, dass ihr Spiel etwas weniger vital als das z.B. von Sol Gabetta oder weniger straff und prall als das von Camille Thomas oder Natalie Clein ist. Auffallend an dieser Einspielung ist auch das ganz besonders aufmerksame, abgerundete, enorm detailreiche, weit ausgreifende und extrem dynamische Orchesterspiel. Der dirigierende Cellist, damals war er eigentlich eher schon der noch cellospielende Dirigent kennt eben seit Jahrzehnten beide Seiten, kann sich besonders gut in beide Rollen einfühlen. Er und das Orchester bereiten dem Spiel der jungen Cellistin jederzeit den bestmöglichen Rahmen.

Im zweiten Satz lauschen wir dem herrlichen Legato der Cellistin und ihrem bestechend warmen, sogar sinnlich wirkenden Ton. Ihre Technik wirkt bereits voll ausgereift und man hat das Gefühl, dass sie weiß, was sie da spielt. Das Orchester bietet Luxusklang mit hoher Nuancierungskunst. Die Begleitung wirkt eng verzahnt.

Der 3. Satz wirkt sehr kontrastreich. Die Cellistin überzeugt mit sagenhafter Pianokultur, aber auch den schnellen Passagen bleibt sie kaum etwas schuldig. Der Orchesterpart erscheint sehr profiliert und mitreißend virtuos und erneut besonders liebevoll gestaltet. Allerdings kann man das Gefühl haben, dass die Spannung ab O ein wenig durchhängt. Vielleicht gibt man dem Tempo hier doch eine Spur zu sehr nach. Auf uns wirkte diese Darstellung besonders romantisch.

Der Klang der Einspielung erscheint weich und gerundet, sehr transparent und weiträumig. Die Klangfarben besonders warm. Das Verhältnis von Cello und Orchester geglückt. Auch das Produktionsteam tat also alles, um das Debüt-Album der Cellistin zu einem Erfolg werden zu lassen.

 

___________________________________________________________________________________

 

4-5

André Navarra

Charles Munch

Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris

Erato

1965

5:12  4:32  8:17  18:01

 

High-Res-Download  André Navarra Celloton wirkt robust, klar, etwas nasal getönt, tendenziell ein wenig monochrom. Sein Spiel erscheint zum Beispiel gegenüber dem eines Johannes Moser weniger nuanciert in Artikulation und Farbe. Der Orchesterpart wirkt, wie bei vielen der älteren Einspielungen stürmisch und straff geführt.

Das Menuett im 2. Satz erscheint tänzerisch leicht in einem fließenden Tempo. Das Orchester überzeugt hier, wie übrigens bereits fünf Jahre zuvor in der Einspielung mit Pierre Fournier und Jean Martinon. Das Cellospiel wirkt charaktervoll und fordert stets den vollen solistischen Anspruch. Das Orchester hält jedoch voll dagegen, sodass sich doch wieder ein schönes gemeinsames Musizieren ergibt. Der Orchesterpart wirkt allseits und jederzeit sehr gut durchgeformt.

Auch dem 3. Satz verleihen Navarra und Munch hohe Dringlichkeit. Die Gischt schlägt hoch beim Lamoureux Orchester. Der Orchesterpart wirkt so stürmisch und durchaus ein wenig aufgewertet. Auch die Tempogestaltung und die Detailausleuchtung überzeugt. Aber wie so oft bei den älteren Generationen (nicht nur der Cellisten) verwendet man weniger Akribie darauf ein p von einem f unterscheidbar zu machen. Das Cello mogelt sich so, trotz eines Lamoureux in Geberlaune, immer wieder auch bei Begleitfiguren des Cellos in den Vordergrund.

Auch aufnahmetechnisch wird das Cello klar und sehr präsent abgebildet deutlich vor das Orchester gestellt. An Präsenz mangelt es dem Orchester jedoch auch nicht. Es klingt bisweilen etwas hell, fast ein wenig schrill in den hohen Lagen der Violinen.

 

________________________________________________________________________________

 

4-5

Gabriel Schwabe

Marc Soustrot

Malmö Symphony Orchestra

Naxos

2017

5:28  4:52  8:20  18:40

 

High-Res-Download  Gabriel Schwabes Cello-Ton scheint aus der französischen Schule nahe zu stehen (Fournier, Navarra, Gendron und Paul Tortelier, dessen Aufnahme leider bei unserem Vergleich nicht dabei war). Am ehesten ähnelt er aber dem Ton des Cellos von Janos Starker. Am besten zu erkennen an dem silbrig hellen Glanz, der Offenheit und der Leichtigkeit der Tongebung. Auch stehen die farblichen Nuancierungen weniger im Vordergrund. Die Wärme im Ton, wie man ihn von Rostropowitsch, du Pré oder auch Gabetta hören kann, darf man nicht unbedingt erwarten. Gegenüber den älteren Cellisten wirkt der Ton aber bei Gabriel Schwabe erheblich weniger rau und das Spiel deutlich differenzierter im Artikulatorischen und in der Dynamik.

Vom Orchester, das auch schon beim Vergleich des 2. Klavierkonzertes von Saint-Saens vertreten war, haben wir nicht viel erwartet. Umso überraschender war es dann, wie hellhörig schlank und beschwingt es sich mit Gabriel Schabe zusammen anhörte. Der Dirigent war auch bereits bei den Klavierkonzerten Marc Soustrot. Inzwischen hat man in Malmö von Camille Saint-Saens nicht nur alle Cello- und Klavierkonzerte eingespielt, sondern auch alle Sinfonien. Das nur ergänzend.

Auch das Menuett erklingt vom Orchester sehr zügig und tänzerisch, exakt, aber nicht übermäßig liebevoll gestaltet. Im Verlauf sind die Holzbläser allerdings recht prononciert. Für die liebevolle Gestaltung ist in dieser Einspielung der Cellist zuständig. Die kleine Kadenz ist ein Musterbeispiel für leichthändiges, hingetupft-filigranes Cellospiel.

Im 3. Satz erfreut ein temperamentvolles, quicklebendiges aber nicht wild gewordenes Orchester. Gabriel Schwabe ignoriert die zahlreichen leisen Passagen nicht wie viele andere, er überlässt nicht zuletzt deshalb der sanft-melancholischen Note einen weiten Raum. Er scheint überhaupt tief in die Partitur geschaut zu haben und besticht ähnlich wie Johannes Moser mit haarfeiner Genauigkeit. Auch die temperamentvolle Schlusssteigerung verhilft der Einspielung zu einem sehr erfreulichen Gesamteindruck.

Das Klangbild wirkt sehr plastisch, körperhaft, präsent, farbig, leicht, luftig und räumlich. Die Balance zwischen Cello und Orchester wirkt exzellent.

 

______________________________________________________________________________

 

4-5

Anne Gastinel

Emanuel Krivine

Orchestre National de Lyon

Auvidis Valois

1995

5:25  5:01  8:25  18:51

 

Das klangvolle Spiel Anne Gastinels wirkt ausgereift, geschmeidig und sehr sauber. Die reiche Farbpalette einer Sol Gabetta oder der so gespannte, eindringliche Ton einer Natalie Clein ist dagegen weniger zu hören. Mit dem Orchester kommt man zu einem frischen Musizieren und einem organisch wirkenden Miteinander.  Passagenweise wirkt das Orchester jedoch ein wenig zu defensiv und zu weit im Hintergrund. Es könnte deutlichere Akzente setzen (T.146-165) und das Animato ab T. 91 ist kaum spürbar. Das Allegro molto ab T. 111 hingegen schon. Die Tempogegensätze wirken gegenüber der Einspielung eines Feuermann geradezu eingeebnet, aber das ist bei fast allen anderen Einspielungen auch der Fall.

Der 2. Satz wird vom Orchester zwar klangschön aber ohne besondere Raffinesse, fast schon ausdruckslos dargeboten. So wie ein im Hintergrund ablaufender Film, der mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun hat. Die Cellistin überformt hier aber mit besonders ausdrucksvoller süßer Melancholie.

Im 3. Satz erlebt man das Orchester recht temperamentvoll, geschmeidig und elegant, zuverlässig und klangschön. Es setzt aber kaum besondere Akzente, überlässt der Cellistin ein wenig zu sehr die Bühne. Man kann es auch positiver formulieren: Er überlässt ihr galant den Vortritt. Krivine, ein Kavalier alter französischer Schule also. Das trifft es auch. Sie spielt ihren Part schlanker und nicht so überbordend emotional wie Jaqueline du Pré, aber auf ihre Art ebenfalls hinreißend. Sie nimmt die Partitur ernst, spielt sehr genau und lässt immer wieder (an den richtigen Stellen, versteht sich), ein sehr schönes p hören. Das finale Allegro molto hat ordentlich Zug, bleibt aber auch schön locker.

Der Klang wirkt klar, transparent und weiträumig. Auch das Cello klingt klar und deutlich, wirkt aber vielleicht ein wenig zu sehr vom Orchester getrennt.

 

_________________________________________________________________________________

 

4-5

Arto Noras

Jukka-Pekka Saraste

Finnisches Radio-Sinfonieorchester, Helsinki

Finlandia

1990

5:53  4:54  8:47  19:34

 

Von Arto Noras hören wir sehr solides Cellospiel, das eigentlich kaum Wünsche offenlässt. Das Zusammenspiel wirkt gleichberechtigt. Das Animato und das Allegro molto (unsere scharf beobachteten Stolpersteine, was die Tempogestaltung betrifft) werden sehr schön herausgearbeitet: Eine Seltenheit. Insgesamt wirkt der Satz jedoch eine Kleinigkeit zu gemütlich.

Das Menuett im 2. Satz klingt sehr schön zart und sanftmütig, verliert das Tänzerische aber nicht aus den Augen. Der Cellist garniert das ganze mit einem wunderbar warmen Celloton.

Im 3. Satz läst Saraste das Orchester aufbrausen. Sehr gutes ff bei T. 403. Beim sehr schnellen Figurenwerk wirkt die Artikulation nicht mehr so klar. An Rostropowitsch 1956 oder Johannes Moser darf man nicht unbedingt denken. Dafür ist die Tiefe aber wunderbar sonor.

Der Klang der Aufnahme holt das Cello nur leicht in den Vordergrund. Das Orchester wirkt recht präsent, nur das Holz weniger. Gute Dynamik und gute Staffelung. Das Klangbild könnte jedoch etwas transparenter sein und ein wenig mehr Brillanz wäre auch wünschenswert.

 

_____________________________________________________________________________________

 

4-5

Andreas Brantelid

Michael Schoenwandt

Nationales Sinfonieorchester des Dänischen Rundfunks

EMI

2008

5:25  4:58  8:29  18:47

 

Auch auf Andreas Brantelids Debüt-Album, das er 21jährig einspielte, durfte das 1. Cellokonzert mitwirken. Es zeigt ein weites Dynamikspektrum einen schönen, recht satten Ton, bleibt aber zunähst zurückhaltender und erzeugt auch nicht das Spannungsniveau, das andere Einspielungen hier offerieren. Er wirkt ein wenig weniger nuanciert (als z.B. Moser oder Gabetta) und wirkt ein wenig kühl (nicht im Tonlichen, eher vom Gestus her).  Das Orchester nutzt einen üppig besetzten Streicherchor, wirkt insgesamt recht klangmächtig aber dessen ungeachtet teilweise ziemlich ausdrucksvoll und verursacht teilweise eine geradezu aufgeheizte Stimmung. Mitunter wirkt es sogar temperamentvoller als der Solist.

Auch im 2. Satz wirkt sich die große Streicherbesetzung nicht nachteilig aus. Sehr sinnlich wirkt der weiche Klang mit der aufgesteckten Sordine. Im Konzert wäre der Sachverhalt vielleicht ein anderer und die große Besetzung würde auch bei diesem für das Cello so genial komponierten und instrumentierten Werk das Soloinstrument öfter zudecken. Nicht so bei dieser geglückten Aufnahme. Der Solist spielt nun ebenfalls mit weichem, einschmeichelndem Ton, bleibt aber nach wie vor etwas weniger nuanciert. Der Gesamtklang könnte hier auch ein wenig luftiger klingen.

Im 3. Satz gefallen die Holzbläser sehr. Der Gestus bekommt wieder einen deutlichen Zug nach vorne. Der Cellist bleibt auch in den schnellen, Virtuosität erfordernden Passagen makellos Das Orchester agiert zupackend und krönt seine gute Arbeit mit dem abschließenden Molto Allegro, das man hier als Stretta erlebt.

Der Klang bildet das Cello kleiner und entfernter ab als üblich. Dennoch gibt es an der Transparenz wenig zu mäkeln. Die Klangfarben wirken nicht besonders warm, aber auch nicht kühl. Häufiger vernimmt man Lautäußerungen des Cellisten, Atem- oder Arbeitsgeräusche, die eine Live-Aufnahme nahelegen.

 

_____________________________________________________________________________________

 

4-5

Zuill Bailey

David Wiley

Roanoke Symphony Orchestra

Delos

2005, Live

5:40  4:47  8:58  19:25

 

Wem der Name des Orchesters nichts sagt, steht damit sicher nicht alleine. Es kommt aus einer recht kleinen Stadt Virginias deren Name sich aus dem des Indianerstamms herleitet, der vor der Eroberung Amerikas auf diesem Fleckchen Erde lebte. Es wird, das nur der Vollständigkeit halber, Rounouk ausgesprochen. An der Leistung des Orchesters ist aber nichts Exotisches. Es kann locker mit Orchestern entsprechender Stadtgrößen aus Mitteleuropa mithalten.

Doch zuerst wieder zum Solisten, der ebenfalls in Deutschland weniger bekannt sein dürfte. Sein Ton ist schlank geführt, klar, hat keinen nasalen Unterton. Sein Spiel zeigt ein schlackenloses Legato, keinerlei technische Probleme und einen leidenschaftlichen Zugang. Er wirkt jederzeit besonders wach und sein Spiel präsent. Das Spiel von Cellist und Orchester wirkt dynamisch weit gespreizt, wechselt von fast atemloser Rasanz bis zu einer sehr gefühlvollen Innenschau. Das nahtlose Miteinander imponiert.

Das Menuett klingt sehr diesseitig und unverzärtelt in einer gewissen barocken Strenge. Zuill Bailey bleibt hier stets gleichsam mit beiden Beinen am Boden und sucht keine himmlischen Sphären auf, wie es Sol Gabetta vorgemacht hat. Er ist hier mehr der differenzierte Erzähler. Das emphatische Mitfühlen ist hier vielleicht nicht so „sein Ding“.

Die Oboe im 3. Satz klingt etwas härter als von den anderen neueren Aufnahmen aus Europa gewohnt, wie auch der gesamte Orchesterklang nun doch auch Grenzen im Raffinement oder der Subtilität hören lässt. Bei „Un peu moins vite“ (Ein wenig weniger schnell) wird rabiat abgebremst und alsbald wieder das Tempo abrupt angezogen. Ein äußerlicher Effekt, der auch die zweifellos üppig vorhandenen virtuosen Fähigkeiten ins rechte Licht rücken soll. Immer wieder werden nicht nur im Tempo starke Gegensätze bemüht, die schnellen Triolen besonders schnell gespielt, die langsamen dann besonders langsam. Tonleitern werden wie steigende Kaskaden abgeschossen. Man macht aus Saint-Saens erstem Cellokonzert ein Virtuosenkonzert par Excellance. Noch nicht erwähnt wurde des Cellisten schnelles, sportliches Vibrato, das einem erregt wirkenden Ton sehr zugute kommt. Das Finale wird sehr wirkungsvoll gesteigert. Dem Orchester hätten wir im 3. Satz noch ein paar wieselflinke Streicher mehr gewünscht. Enthusiastischer Applaus in Roanoke.

Die Aufnahme wirkt sehr präsent auch (und vor allem) die Holzbläser. Dennoch ist die Räumlichkeit gut, aber nicht übermäßig transparent, dazu sitzt man gleichsam zu eng beisammen. Das Cello wird gut ins Orchester eingebettet.

 

__________________________________________________________________________________________

 

4-5

Gregor Piatigorsky

Frederick Stock

Chicago Symphony Orchestra

RCA-Sony

1944

4:54  4:27  7:57  17:18

 

MONO  Jetzt ist die ältere Generation mit einem ihrer prominentesten Vertreter am Zuge. Gekennzeichnet durch extrem drängendes Cellospiel, das vom Orchester sogar noch verstärkt wird. Mit deutlichen, aber nie unmusikalisch wirkenden Rubati nimmt man sich deutlich mehr Freiheiten als die jüngeren Generationen das wagen würden. Der Ton wirkt frei erzählend. Das Allegro molto wirkt wie durchgepeitscht. Vorbild könnte ein ortsüblicher Tornado gewesen sein. Übertroffen wird diese „Windgeschwindigkeit“ nur noch von Emanuel Feuermann, für den wir uns dieses Mal eine eigene Kategorie einfallen lassen mussten. Davon jedoch ganz weit unten mehr.

Auch das Menuett im 2. Satz nimmt, wahrlich „Con moto“, fast schon hektische Züge an. Piatigorskys langer Triller ist so laut und durchdringend, dass er die Holzbläser total überdeckt. Ein Effekt, der auch dem Stand der damaligen Technik geschuldet sein mag. An mehreren anderen p-Stellen wirken sowohl der Cellist als auch das Orchester sehr um ein richtiges p bemüht.

Im 3. Satz wirkt das Tempo Stocks fast schon hektisch. Man kommt hier den Tempo-Exzessen von Herrn Smallens in der Einspielung mit Feuermann noch am nächsten. Das wirkt wie ein Sturmlauf. Geschwindigkeit ist eben keine Hexerei. Die Temporelationen bleiben jedoch gewahrt, es wird also durchaus mit hohem Ernst musiziert. Überhaupt herrscht hier ein hoher Gestaltungswille. Piatigorsky versucht sogar noch die schnellsten Läufe zu gestalten. Beim Molto allegro lässt man dann aber förmlich die Fetzen fliegen. Das ist schon extrem begeisternd oder auch belustigend, wie man es sehen möchte.

Ingesamt ein hoch interessantes Dokument aus einer vergangenen Interpretenzeit. Möchte man weinen, dass sie vorbei ist oder nicht?

Der Klang ist wenig brillant, es rauscht ziemlich stark (hochfrequent).Die Transparenz ist meist nur ausreichend. Man gewöhnt sich aber schnell daran und hört dann nur noch gebannt zu. Zur Gesamtspielzeit: Nein, da wurde nichts gekürzt.

 

____________________________________________________________________________

 

 

 

4

Luigi Piovano

Piero Bellugi

Orchestra del Teatro Marruchino, Chieti

Eloquentia

2003

5:48  5:04  8:56  19:48

 

Diese Einspielung aus der recht kleinen Abbruzzenstadt Chieti (das größenmäßige europäische Pendant zum amerikanischen Roanoke) überrascht mit hoher Werktreue, gut herausgearbeiteten Akzenten, einer enorm breiten dynamischen Palette (von pp (!) bis ff) und einem sehr guten Zusammenspiel. Der Cellist verfügt über eine hohe, gleichsam natürlich wirkende Musikalität und einen feinen eher dunklen, weichen und gut gerundeten Celloton. Das Orchester gehört klanglich nicht der obersten Güteklasse an, denn es klingt nicht ganz homogen, vor allem die Streicher erscheinen weniger brillant und vor allem auch ein wenig zu dünn besetzt. Die Bläser hingegen wissen voll zu überzeugen.

Das Menuett des 2. Satzes wird sehr schön gespielt, einfach und stimmig. Der tänzerische Gestus bleibt gewahrt, trotzdem wirkt es sehr gefühlvoll. Hier, im virtuosen Anspruch nicht gefordert, klingt das Orchester unangestrengt und insgesamt sehr gut (der beste der drei Sätze). Der Cellist lässt ein wunderbares dolce hören. Bestes Miteinander.

Im 3. Satz wird erwartungsgemäß keine „Hetzjagd“ wie bei Piatigorky/Stock entfacht, da käme das Orchester auch gar nicht mehr mit. Man liegt hier auf der nostalgischen, gefühlvollen Seite. Dennoch gestaltet man im weiteren Verlauf das Tempo sehr gegensätzlich, also rhapsodisch. Immer wieder erfreut aber auch die Detailgenauigkeit. Der Cellist bekommt auch mit den schnellen Läufen bestens zu recht, reizt die Dynamik seines Instruments immer voll aus. Vor allen das pp besticht. Das bekommen nicht viele so überzeugend hin. Sein Vortag wirkt sehr musikalisch und fein austariert. Das Orchester wirkt im 3. Satz leider doch etwas provinziell, woran wie bereits erwähnt in erster Linie die Homogenität und auch die geringe Anzahl an Violinen großen Anteil haben. Der 3. Satz macht es hörbar, dass der Cellist in einer anderen Liga als das Orchester spielt.

Das Klangbild wirkt hochprofessionell. Es klingt sehr angenehm, weich und abgerundet, dunkel timbriert und sehr ausgewogen. Die Balance ist gut, die Klangfarben sehr schön.

 

_______________________________________________________________________________

 

4

Jan Vogler

Thierry Fischer

NDR Radiophilharmonie Hannover

Berlin Classics

2001

5:37  4:51  8:42  19:10

 

Der Cellist überzeugt mit solidem Spiel und verfügt über einen warmen, abgerundeten Ton. Das Animato bei C wirkt ein wenig behäbig. Weder vom Cellisten noch vom Orchester werden die Gegensätze gesucht, die dynamischen wirken sogar ein wenig eingeebnet. Die lyrischen Abschnitte scheinen dem Cellisten (und auch dem Dirigenten) bereits im 1. Satz besonders am Herzen zu liegen.

Im 2. Satz sind sowohl der Cellist als auch das Orchester mehr in ihrem Element. Warme Kantabilität und geschmeidiges Spiel kommen in diesem Satz besonders gut zur Geltung.

In dieser Einspielung schleichen sich die Mitwirkenden in den 3. Satz hinein, das macht den Übergang noch nahtloser, Es werden keine Temperamentsausbrüche riskiert. Wie der 1. Satz wird auch der 3. auf seine lyrischen Parameter, seinen poetischen Gehalt hin abgetastet. Dem Orchester steht dazu das warm getönte Holz bestens zu Gesicht. Erst ab T. 436 geht es zügiger voran. Die schnellen Läufe des Cellisten wirken nun etwas weniger souverän. Erst ab Allegro molto wird es dann richtig temperamentvoll. Die rhapsodische Gestalt wird wenig betont. Das Klassizistische der Komposition überwiegt.

Das Cello wirkt nicht sehr präsent. Das Orchester gar etwas entfernt. Der Klang ist weich und abgerundet. Er wirkt sehr farbig, aber wenig dynamisch.

 

_________________________________________________________________________________

 

4

Mischa Maisky

 

Orpheus Chamber Orchestra

DG

1997

5:10  4:59  8:12  18:21

 

Die Leistung Mischa Maiskys in dieser Einspielung ist bewunderungswürdig. Sie wirkt besonders virtuos und präzise und kommt dabei sogar ohne Dirigenten aus. Verglichen mit der Einspielung Lloyd Webbers bringt Maisky viel mehr Schattierungen, deutlichere Akzente und einen wärmeren Ton mit in seine Darstellung ein. Was besonders auffällt ist jedoch, dass er eine gewisse Aufregung besonders in ohnehin schon schnellen Partien mit einbringt, die auch auf die Passagen der Entspannung übergreifen. Das wirkt überstürzt und bringt das Werk aus der Balance. Dennoch bleibt sein Spiel dank einer herausragenden Technik stets absolut sicher und brillant, dabei auch von der Tongebung her herausragend. Seine Läufe erinnern aber meist an den Flug eines dicken, pummeligen Insektes, den ein anderer Komponist später noch vertonen wird. Wir sind uns nicht sicher, ob Saint-Saens auch in seinem Cellokonzert bereits eine Annäherung an die zoologischen Aspekte im Cellospiel im Sinn hatte, wie später bei seinem „Schwan“. An Verve, auch von Seiten des Orchesters mangelt es dieser Einspielung gewiss nicht und auch der Kontrastreichtum (echtes p!) wirkt herausragend. Ingesamt schießt Maiskys Gestaltung aber etwas über das Ziel hinaus.

Im 2. Satz beeindruckt das ungemein hellhörige, detailreiche und feinfühlige Spiel des Orchesters. Maisky artikuliert besonders sorgsam und modelliert jede Phrase detailreich aus

Im 3. Satz passt der auch hier wieder anzutreffende Gestus aus dem 1. Satz nun viel besser. Er wirkt ausdrucksvoll aufgeladen, wobei die Übergänge mitunter nicht bruchlos sondern bewusst abrupt gestaltet werden. Das wirkt besonders rhapsodisch. Maisky erreicht so eine besonders lebendige Wirkung, bringt den Formzusammenhang aber nahe ans Zerreißen. Da das Rhapsodische aber auch kompositorisch im Werk verankert ist, passt das gar nicht schlecht, auch wenn die Gegensätze genussvoll aufeinanderprallen. Für den Hörer ergibt sich eine Art Überemotionalität, die ihn entweder jubeln lässt oder vor der er sich lieber wegducken möchte. Eines kann man der Einspielung Maiskys jedenfalls nicht absprechen: in dieser Form ist sie einzigartig. Die Bewertungszahl ist die Quersumme aus jubeln und wegducken.

Der Klang der Aufnahme ist prall, offen, dynamisch und gut gestaffelt. Präsenz und Räumlichkeit sind ebenso gut ausbalanciert wie die von Cello und Orchester.

 

___________________________________________________________________

 

4

Steven Isserlis

Michael Tilson Thomas

London Symphony Orchestra

RCA

1992

5:36  4:39  8:23  18:38

 

Da Steven Isserlis Darmsaiten für sein Cello vorzieht, klingt der Ton seines Cellos sehr weich, rund und besonders ausgewogen aber zumindest, wenn man von dieser Einspielung ausgeht, auch weniger brillant. Wenn man hier ein kleines Problem ausmachen will, dann ist es jedoch die Hergehensweise des Orchesters, zumindest teilweise. Es folgt zwar auf nahezu makellose Weise den Noten, bleibt aber viel zu sehr im Hintergrund, was sicher auch aufnahmetechnisch bedingt ist. Es fehlt aber auch am rechten Impetus. Man spürt nur wenig Zug und überhaupt keinen Biss. Bei Allegro molto kommt auch nicht ansatzweise ein neues Tempo. MTT zieht mehr oder weniger alles in einem Tempo durch. Ohne Elan wirkt es hier dann saft- und kraftlos. Auch das Animato bleibt ohne spürbare Auswirkungen. Kein accellerando, kein rallentando. Keine Rhapsodie, nur Klassizismus. Für den ersten Satz gilt: Hier wurde ein wenig an Esprit gespart. Das Cellospiel sollte hiervon jedoch ausgenommen werden, es wehrt sich allerdings auch nicht so sehr, dass es Dirigent und Orchester mitreißen könnte.

Im 2. Satz ergibt sich ein ganz anderes Bild. Jetzt spielt das Orchester mit viel mehr Raffinement. Investiert sehr viel in ein besonders elegantes Menuett, schöpft klanglich aus einem reichen Reservoir an Klangfarben. Mit der Sordine klingt es wunderbar weich und sanft, aber nicht verzärtelt oder überzuckert. Hier stellt man sich kaum muffige Perücken vor, aber vielleicht eine besonders reichhaltige Melange, die bei so einer Tanzveranstaltung geherrscht haben mag, wenn sich die feinen Parfums aus der Provence miteinander vermischt haben. Steven Isserlis begeistert hier ebenfalls mit reichem Farbspektrum, was seinem Cello offenkundig auch freigiebig zu entlocken ist. Dieses Satz würde, wenn es sich um eine schulische Prüfung handeln würde, die Note 1+ erhalten müssen. Besonders stimmig, besonders schön.

Im 3. Satz musiziert das Orchester dann wieder mit makelloser Virtuosität, aber kaum mit agilem Vorwärtsdrang. Die Soli des LSO bringen mehr Emotionen ins Spiel. Makellose Ausführung auch vom Cellisten, besonders seine leisen oder bei ihm die fast stillen, introvertierten Passagen wirken noch länger nach. Die temperamentvollen dagegen verpuffen etwas, ohne nachhaltigen Effekt zu hinterlassen.

Der Klang der Einspielung wirkt sehr weiträumig, weich und abgerundet. Das Orchester erscheint aber besonders im 1. und 3. Satz zu weit im Hintergrund, sodass es dem Cellisten kaum ein vollwertiger Partner ist. Das Cello klingt weniger brillant als die besten des Vergleiches, vielleicht aber etwas intimer. Der Gesamtklang wirkt wenig dynamisch, die Staffelung ein klein wenig diffus.

 

_________________________________________________________________________

 

4

Janos Starker

Antal Dorati

London Symphony Orchestra

Mercury

1964

5:36  4:28  8:31  18:35

 

Janos Starkers Cello, derselben Generation wie die großen Exponenten der französischen Schule (Navarra, Fournier, Gendron und Tortelier) angehörend, ähnelt diesen auch ein wenig im Ton. Ebenfalls mit einer leicht nasalen Tönung versehen ist sein Ton jedoch noch ein wenig silbriger gefärbt. Es fehlt, gerade im Vergleich etwa zu Rostropowitsch, Moser oder sogar Gabetta ein wenig an Fülle und Körper. Er passt aber in dieser Aufnahme sehr gut zum LSO, das ebenfalls sehr offen, klar und frisch klingt. An Präsenz mangelt es beiden nicht. Das gemeinsame Spiel ist rhythmisch prononciert und feurig. Völlig unsentimental im Lyrischen. Was auffällt und heutzutage den meisten Musikfreund(inn)en weniger gefallen dürfte ist das fast permanente Dauervibrato. Kein anderer Solist macht so exzessiv Gebrauch davon. Manche(r) würde es heute als aufdringlich bezeichnen.

Das Menuett im 2. Satz erklingt zügig und besonders tänzerisch. Klanglich ebenfalls sehr schön, fast so schön wie 28 Jahre später mit MTT. Hier fliegen die Perücken aber ganz schön umher, drohen vielleicht auch zu verrutschen. Dorati hat aber alles im Griff und trotz seines silbrigen Tons gelingt Starkers Vortrag hier mit anrührender Wärme. Überhaupt darf nicht der Eindruck entstehen, es würde seinem Spiel an Musikalität fehlen, ganz im Gegenteil, nur das Vibrato ist derzeit nicht mehr up to date.

Im 3. Satz bricht dann Doratis magyarisches Feuer wieder durch. Trotzdem prägt der Cellist auch den letzten Satz mehr als das Orchester. Man kann vielleicht schreiben, dass ein gutes musikalisches Miteinander der beiden Landsleute herrscht (man spricht buchstäblich ja auch dieselbe Sprache), aber der Cellist ergreift doch die Vorherrschaft. Ab O hängt dann die Spannung sogar ein wenig durch, ein tiefgreifender Ruhepol, der uns da gegönnt wird und mit brillanten Flageoletts beendet wird (Kadenz).

Ein sehr musikalischer Vortrag, der leider von sehr starkem Vibrato des Solisten beeinträchtigt erscheint. Heute macht man das nicht mehr so.

Wie oft bei Mercury-Produktionen liegt ein leichtes Rauschen in der Luft. Wie immer erleben wir hohe Transparenz und natürlich wirkende Präsenz. Dieses Mal wird uns, wahrscheinlich wegen des zusätzlichen Solo-Instrumentes nicht die einzigartige Dirigentenperspektive (hautnah dran am Puls des Orchesters, noch mehr als in der ersten Reihe) gegönnt, wie bei den reinen Orchester-Aufnahmen Mercurys. Das Cello wirkt aber mehr ins Orchester eingebettet als üblich. Relativ wenig Bass.

 

__________________________________________________________________________

 

4

Julian Lloyd Webber

Jan Pascal Tortelier

English Chamber Orchestra

Philips

1990

5:26  5:02  8:20  18:48

 

Bei Lloyd Webber gibt es nur relativ wenig Vibrato zu hören. Sein Ton wirkt gewandt, aber auch ein wenig eintönig. Es gibt kaum einmal Unterschiede zwischen p und f, die sf werden nur schwach akzentuiert. Ein animato nicht hervorgehoben. Das Allegro molto dirigiert Tortelier, ähnlich MTT mit dem Allegro non troppo in einem durch. Das Zusammenspiel erscheint präzise, ein aufeinander Eingehen bemerkt man nicht, da alles der Einfachheit halber geradeaus durch geht.

Dem Menuett, das sehr schön gespielt wird, fehlt ein wenig der besondere Zauber oder die nostalgisch inspirierte Herzlichkeit. Der Beitrag des Orchesters erscheint ein wenig neutral. Das Cello verströmt etwas mehr Anteilnahme.

Den 3. Satz beginnt das gut besetzte Orchester mit kühler Verve. Obwohl man bei K nur leicht mit dem Tempo nachlässt („Un peu plus vite“), was eigentlich partiturkonform ist, behält alles irgendwie den gleichen Gestus. Die schnellen Partien wirken wie durchgepeitscht, die langsameren ohne besondere Finesse, Empathie oder Zauber abgeliefert. Allerdings auf sehr hohem Niveau, gleichsam hochglanzpoliert.

Der Klang ist das Glanzstück dieser Einspielung. Er präsentiert sich offen, weiträumig, voll und brillant. Das Cello dominiert ein wenig den sehr dynamischen Gesamtklang.

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

3-4

Gautier Capucon

Lionel Bringuier

Orchestre Philharmonique de Radio France, Paris

Erato

2013

5:44  5:14  9:07  20:05

 

Gauthier Capucons Cello erscheint tonlich etwas flexibler als Lloyd Webber. Sein Spiel strahlt aber trotz eines mitunter reichlichen und recht breiten Vibratos weniger den Hörer vereinnahmende Wärme aus. Klanglich steht er den älteren Franzosen etwas näher als z.B. dem Klang eines Rostropowitsch. Dazu erscheint das Spiel auch nicht so engagiert und nuanciert wie das von z.B. Johannes Moser oder Camille Thomas. Das Animato erscheint bei C nur wenig leidenschaftlich. Das Orchester spielt solide, lässt aber in keiner Weise aufhorchen.

Der 2. Satz erklingt mit viel Wehmut (Seufzermotive werden sehr deutlich hervorgehoben) und mit poetischem Cellogesang, dessen Klang aber auch hier (z.B. gegenüber etwa Sol Gabetta) ein wenig Wärme fehlt.

Dem Orchester fehlen auch im 3, Satz gegenüber vielen anderen die Strahlkraft und der leidenschaftliche Zug. Ein wenig Betulichkeit mischt sich in den Gestus. Das 2. Thema aber nimmt bei seiner Reprise in schönstem p. Wie schön. Andererseits wird das Diminuendo auf der Fermate (T.551) missachtet. Ganz im Gegenteil gibt Capucon hier volles Vibrato und volles ff.  Die Reprise des 2. Themas T. 552 kommt dann auch wieder viel zu laut, aber das machen ja viele so (aber nicht alle). Die Wiederholung T. 564 folgt dann angemessen in pp.

Recht ausgewogene Balance zwischen Cello und Orchester. Das Klangbild wirkt kühl und für so eine neue Aufnahme ziemlich farbschwach. Auch die Transparenz und die Staffelung lassen etwas zu wünschen übrig.

 

__________________________________________________________________________

 

3-4

Angelika May

Vaclav Neumann

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1987

6:04  5:04  8:42  19:50

 

LP  Auch Angelika Mays Celloton wirkt sehr homogen, aber nicht auffallend brillant. Der Gestus im 1. Satz könnte ein wenig flexibler sein. Das Allegro molto des Orchesters fällt gegenüber dem Allegro non troppo kaum auf, bleibt viel zu zurückhaltend. Generell erschein auch hier die Temponahme zu vereinheitlicht. Das Dirigat Neumanns wirkt aufmerksam und sachdienlich, macht aber nicht viel Aufhebens von sich.

Das Menuett im 2. Satz erklingt echt flott und ohne Geheimnisse. Trotz Sordine wirkt der Klang nicht sonderlich weich. Das Cello ist nicht im notierten pp zu hören, Frau May setzt auf den großen, aber recht differenzierten Ton. Das Orchester wirkt im weiteren Verlauf sehr dezent und um freies Geleit für die Cellistin besorgt.

Im 3. Satz fällt besonders das besonders zügig gespielte 2. Thema auf. Bei Frau May hören wir an unserer Vergleichsstelle kein Unterschied zwischen p und pp, aber immerhin kein f statt des p. In den schnellen Passagen wirkt sie im Vergleich der Besten nicht wie eine Übervirtuosin. Sehr sichere Flageoletts in der kleinen „Minikadenz“. Dem 3. Satz fehlt es ein wenig an Esprit und an der leichtfüßigen Virtuosität.

Diese Einspielung wirkt „uneitel“ und handwerklich gediegen. Bemerkenswerte persönliche Zugaben sind uns nicht aufgefallen.

Das Cello klingt deutlich im Vordergrund, das Orchester ein wenig nach hinten versetzt. Es wirkt transparent und luftig, aber nicht gerade präsent. Es gibt keine Verfärbungen und keine Härten (eine noch recht frühe Digital-Aufnahme), wie sie gerade in dieser Zeit bei Supraphon oft anzutreffen sind. Der Klang wirkt farbiger als der der Einspielung mit Gauthier Capucon, obwohl sie 26 Jahre älter ist.

 

__________________________________________________________________________

 

3-4

Josef Chuchro

Alois Klima

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

ca. 1958

5:43  4:44  8:54  19:21

 

Mono  Josef Chuchros Cellospiel wirkt, man kann schon fast sagen, gemäß der Zeit in der es eingespielt wurde vom Gestus her weniger französisch-elegant als unverzärtelt und herb. Wie bei vielen seiner Zeitgenossen könnten die Unterschiede von p und f viel deutlicher sein. Trotz des leicht angerauten Tons wirkt die Darstellung des 1. Satzes aber nicht vordergründig oder gar burschikos, sondern durchaus formbewusst. Auch das Orchester agiert mitunter mit einem urwüchsigen Temperament, teilweise jedoch auch etwas hemdsärmelig.

Ähnlich der späteren Einspielung unter Vaclav Neumann wirkt die Tschechische Philharmonie im Menuett des 2. Satzes trotz der Sordine wenig zärtlich und eher robust als elegant. Der Cellist lässt die leise Kantabilität recht laut erklingen, viel süße Melancholie findet man in seinem geradlinigen Spiel nicht.

Der 3. Satz klingt dann relativ monochrom, Auch kann man ergänzen, dass das Spiel mit abschattierenden Farben nicht Chuchros Sache ist. Es wird auch klar, dass das Erscheinen Rostropowitschs im Westen während der 50er Jahre so für Furore gesorgt hat. Chuchro bevorzugt stets das kraftvolle Spiel, ist zwar mit allen virtuosen Mitteln gesegnet, setzt aber wenig Akzente. Bei Molto allegro zieht Klima das Tempo strettaartig an. Insgesamt bleibt das Orchester in diesem Satz aber eher wenig profiliert.

Das Cello steht dicht vorm Mikrophon, ihm ist volle Präsenz und die volle Aufmerksamkeit ziemlich sicher. Der Klang des Cellos wirkt recht homogen, könnte aber etwas brillanter sein. Das Orchester wirkt stark streicherdominiert. Wenig Raumklang, wenig Transparenz.

 

___________________________________________________________________________

 

3-4

Christine Walevska

Eliahu Inbal

Orchestre National de l´Opéra de Monte Carlo

Philips-Pentatone

1973

5:14  4:35  8:14  18:03

 

SACD Quadro Christine Walevska beweist eine wirklich sehr gute Fingerfertigkeit und Bogentechnik und legt ein drängendes jugendlich-frisches Temperament an den Tag. Jedoch wirkt ihre Art der Virtuosität ein wenig aufgesetzt und noch ein wenig wie erübt. Man vermisst die Selbstverständlichkeit, die keine Bewunderung mehr erheischen will, sagen wir einmal eine „musikgewordene Virtuosität“. Ihr Spiel wirkt auch ein wenig aufgeregt und mit reichlich und ziemlich einheitlichem Vibrato versehen. Ihr Ton wirkt aber wenig rau und durchaus sonor. Inbal versucht Ormandys Stil zu kopieren und verwechselt das eigentlich biedere Orchester aus Monaco mit dem Philadelphia Orchestra. Er versucht anscheinend dessen Klang mit größtmöglicher Theatralik und mit Alfresko-Stilistik zu kopieren. Dazu fehlt zum Erfolg jedoch die damals überrumpelnde Klasse der Amerikaner. Die Oboen klingen gnadenlos hell und dünn. Dennoch machen Inbal und sein interpretatorisches Imponiergehabe mit dem drei Mal innerhalb von ein paar Jahren im Vergleich vertretenen Orchester den bei weitem motiviertesten und effektvollsten Eindruck von den dreien.

Im 2. Satz, den Inbal ebenfalls recht zügig nimmt, wirkt der Cello-Ton nicht immer ganz intonationsrein. Alle Kantilenen werden mit Espressivo-Drückern versehen. Das erscheint bisweilen wie eine schlecht verstandene Kopie von Jacqueline du Pré. Die klanglich dünnen Oboen fallen erneut aus dem Gesamtklang heraus.

Im 3. Satz wirken Dauervibrato und das hochgezüchtete Espressivo der Cellistin auf Dauer einfach ermüdend. Das Orchester macht hier einen vitalen Eindruck.

Philips brachte seine Quadro-Aufnahmen während der 70er Jahre nur kurz, wenn überhaupt auf den Markt, die DG nahm sie zwar auf, veröffentlichte aber ausschließlich die Stereo-Versionen davon. Pentatone holte dies für beide Labels Jahrzehnte später auf SACD nach. Das Cello klingt hier enorm plastisch und körperhaft. Das Orchester großräumig, transparent und sehr gut gestaffelt. Die Dynamik ist gut, die Klangfarben sind tiefgründig und wirken satt (wenn man einmal die Oboen und Fagotte außen vorlässt).

 

______________________________________________________________________________________

 

3-4

Maria Kliegel

Jean-Francois Monnard

Bournemouth Sinfonietta

Naxos

1995

5:43  5:05  8:25  19:13

 

Maria Kliegels Cello ähnelt klanglich dem von Maurice Gendron (wenig Schmelz, ein klein wenig rau), jedoch entlockt sie dem Cello auch bereitwillig sanftere Töne. Die Cellistin überragt die Qualität des Orchesterspiels, das mir guter Präsenz der Holzbläser punktet aber bei den Streichern nur wenig Abrundung hören lässt.

Auch beim Menuett fehlt ein wenig Klangzauber, an das LSO mit MTT oder Dorati darf man nicht denken. Dennoch überzeugt das Orchester im 2. mehr als im 1. Satz. Das Cello erscheint ein wenig einfarbig und mit viel Vibrato. Wie bei Gendron tiefe, pralle Basslage.

Die Solobläser des Orchesters können wie später auch das ganze Ensemble im 3. Satz kaum mit brillanten Passagen oder besonderem Esprit aufhorchen lassen. Es wirkt allenfalls als Sekundant oder Stichwortgeber für die Cellistin. Es gefällt aber immer noch besser als das Orchester der Gendron/Benzi-Einspielung. Auch hier ist die Cellistin mit ihrem temperamentvollen, ausdrucksstarken Auftritt jedoch eine Klasse besser.

Der Gesamtklang bietet kaum eine Staffelung in die Tiefe, bietet keine blitzblanke Transparenz, wenig Brillanz und Glanz. Nur das Holz wirkt schön präsent. Wie so oft bei diesem Label wirken die Klangfarben wenig intensiv, also fast schon matt.

 

________________________________________________________________________________

 

3-4

Maurice Gendron

Roberto Benzi

Orchestre National de l´Opéra de Monte Carlo

Philips

1969

5:24  4:44  7:33  17:41

 

Der Ton des Cellos von Maurice Gendron macht einen kernigen, gut fokussierten Eindruck. Er wirkt nicht besonders breit oder sonor und seine Spielweise wirkt insgesamt eher weniger nuanciert. Irritiert waren wir etwas von einem leichten Hang zum Larmoyanten in seiner Tongebung. Die Tempi wirken sehr zügig und durchaus angetrieben. Das Orchester hat, besonders aufnahmetechnisch bedingt, eher mit einer bloßen Begleitfunktion vorlieb zu nehmen. Dazu unten noch die gewohnten Details.

Der 2. Satz wird von den Streichern des Orchesters und in erster Linie auch vom Cello klanglich einfach schön vorgetragen. Hier, in den kantablen Passagen überzeugt auch Gendrons Ton mehr und erreicht ein höheres Maß an Wärme. Leider kann das Holz nicht dieses Niveau halten. Besonders dünn klingt sein staccato.

Dem 3. Satz geht es ähnlich wie dem ersten. Das Orchester klingt einfach für heutige Ohren zu schmalbrüstig, ausgedünnt und wenig sinnlich. Mit der Gestaltung des Tempos des zweiten Theama kann man überraschen, es wird ungewöhnlich schnell vorgetragen, vielleicht um auch jeden Funken von Larmoyanz schon im Keim zu erticken. In den schnellen Partien, die auf dem Papier eigentlich gar nicht so schwierig aussehen unterlaufen dem Cello einige Intonationstrübungen (das passiert eigentlich in kleinerem Umfang recht häufig bei diesen Passagen). Daran sieht man nicht zuletzt, dass die Anforderungen an den Solisten ganz enorm sind. Das Dirigat wirkt durchweg temperamentvoll aber leider auch etwas zu vordergründig.

Das Cello wird von der Klangtechnik klar und prägnant in den Vordergrund gestellt. Beim Orchester wirken nur die Streicher präsent genug. Das Holz ist zu weit entrückt und leidet unter der mangelnden Präsenz. Das lässt die Einspielung pauschale klingen als sie gedacht war.

 

____________________________________________________________________________

 

3-4

Pierre Fournier

Josif Conta

Orchestre National de l´Opéra de Monte Carlo

Préludio

1977

5:35  4:55  8:42  19:12

 

MP3 Download  Sicher, Monte Carlo ist ein schönes Fleckchen und hat auch fiskalisch eindeutige Vorteile aufzuweisen. Aber dass man es zur Aufnahme dieses einen Stückes gleich drei Mal innerhalb von acht Jahren heranzieht, verblüfft dann doch. Zumal es an der Qualität des Orchesters eigentlich nicht liegen konnte. Es kann in Fourniers dritter Einspielung in keiner Weise mit den beiden anderen Orchestern mithalten. Am besten gefällt von den dreien das Lamoureux Orchester, das uns in jener Zeit als das Beste Frankreichs begegnet, zumindest einmal in unserem Vergleich. An der Qualität des monegassischen Orchesters, vor allem des Holzes hat sich auch 1977 nichts geändert. Fournier spielt auch in seiner „Altersaufnahme“ (er machte sie mit 71 Jahren) immer noch den vollen, sonoren Ton wie 1960. Man kann ihn unter all den am Vergleich beteiligten Solisten alleine an seinem Ton sofort identifizieren. (1947 würde es deutlich schwieriger fallen, da hatte er wahrscheinlich noch ein anderes Instrument). Technisch ist sein Spiel allerdings nicht mehr über jeden Zweifel erhaben. Auch die gebotene Transparenz der Holzbläser-Einsätze wie auch der umspielenden Celloskalen (ab T. 144) sind lange nicht so klar zu hören wie in den beiden (!) Einspielungen zuvor. Wir erinnern: Die erste stammt aus dem Jahr 1947 und wurde noch monaural aufgezeichnet.

Dem 2. Satz fehlt die klangliche Delikatesse des Lamoureux. Fourniers Ton wirkt ein klein wenig brüchiger, nicht mehr ganz so prall und glanzvoll, aber immer noch sehr gesanglich. Ein Teil des Effektes könnte allerdings auch auf die Klangtechnik zurück gehen, die nämlich eigentlich ihres Aufnahmejahres unwürdig ist.

Im 3. Satz spielt das Orchester lange nicht so impulsiv wie in den beiden älteren Einspielungen mit dem PO und dem Lamoureux. Jede geforderte Temperamentsentfaltung scheint ihm schwer zu fallen. Auch bei Fournier wirkt das tückische schnelle Figurationenwerk nicht mehr so leichtgängig und traumwandlerisch sicher wie zuvor. Die Aufnahme brummt ab 15:50 für ca. 10 Sekunden lang. Das wirkt editorisch schlampig.

Fournier spielt deutlich vom Orchester abgesetzt und vor ihm. Er hat eindeutig die „Hauptrolle“. Er klingt dessen ungeachtet lange nicht so rund und prall aufgenommen wie in Paris 1960. Die Aufnahme als Ganzes ist weit weniger dynamisch als die in Paris. Das Orchester klingt nicht richtig frei, etwas belegt also und weniger brillant.

 

________________________________________________________________________________

 

 

 

3

Esther Nyffenegger

Werner Andreas Albert

Nürnberger Symphoniker

Colosseum

1975

5:53  4:55  8:50  19:38

 

Bei dieser Einspielung müssen wir mit der technischen Realisierung beginnen, denn sie nimmt wie eine feindliche Übernahme Besitz von der musikalischen Darbietung. Das Cello der Cellistin aus der Schweiz wird nämlich so groß abgebildet, dass es die gesamte Breite des heimischen Klangraumes einnimmt. Das will sagen, es hat die gleiche virtuelle akustische Ausdehnung wie alle Streicher des Orchesters. Zudem wird das Celli nicht fokussiert, sondern mit einer Aura des Unwirklichen umgeben. Auch das Orchester ist recht hallig aufgenommen mit dem Ergebnis, dass es nur undifferenziert im Raum abgebildet wird. Es bildet sich also eine Art wabernder Klangwolke. Zudem wirkt der Gesamtklang auch recht kühl. Das nimmt der Einspielung natürliche Wärme weg.

Das Spiel der solchermaßen von der Technik im Stich gelassenen Cellistin wirkt sehr sicher und mir einer breiten Farbpalette versehen. Sie hat das Große und Ganze mehr im Blick als das Detail. Crescendi und ihr dolce werden nicht als solche erkennbar. Sie spielt sehr auf Linie und ist noch kaum an einer gestischen Charakterisierung interessiert.

Das Menuett artikuliert das Orchester ein wenig plump. Die Cellistin nutzt die Cantabilität ihres Parts für vollem Sound und Dauerespressivo. Die Differenzierungskunst einer Sol Gabetta (und anderer) ist sehr weit entfernt Ein p wird schnell einmal von einem f überfahren.

Auch das 2. Thema im 3. Satz erfreut sich des ganzen Klangvermögens des Cellos statt eines belebten p. Überhaupt spielt Frau Nyffenegger hier etwas zu unbekümmert über die Noten hinweg, aber absolut mühelos und technisch sattelfest. Ihr Cello wird aber auch durch die Technik zu dem eines Riesen aufgebläht, das bringt die Relationen sowieso schon durcheinander. Vom Charme des Stückes bleibt so nicht mehr viel übrig. Schon alleine wegen des verfehlten Klangbildes ist diese Einspielung nicht empfehlenswert.

 

_____________________________________________________________________________________

 

3

Kerstin Feltz

Doron Solomon

Vogtland Philharmonie Greiz-Reichenbach

Ars

2002

5:57  4:50  9:18  20:05

 

SACD  Im 1. Satz lässt es die Cellistin ein wenig ruhiger angehen als die anderen, singt ihren Part aber schön aus und legt sehr großen Wert auf feine Nuancen. Ihrem sonoren Ton fehlt ein wenig das anspringende Temperament. Die lyrische Seite der Musik wird plastisch wiedergegeben, die technische Brillanz von Bailey oder Clein aber nicht erreicht. Dem Orchester fehlt es an Homogenität. Insgesamt fehlt es der Darbietung am Schwung und an der spezifischen, romantisch auffahrenden Attitüde.

Der 2. Satz wird dagegen recht zügig intoniert, die letzte Finesse fehlt dem Orchester auch hier, besonders den Streichern. Das Holz dagegen klingt durchaus voll und mit Ausdruck. Kerstin Feltz dagegen spielt den „langsamen Satz“ sehr ausdrucksstark und nuancenreich. Hier scheint sie in ihrem Element zu sein.

Fast schüchtern beginnt das Orchester den 3. Satz, die Oboe klingt top. Den Streichern fehlt es dann an Brillanz und Agilität. Ihr Spiel wirkt ein wenig schwerfällig. Mit „Un peu moins vite“ wird in dieser Einspielung beinahe schon ein zweiter langsamer Satz eröffnet, so wird hier abgebremst. Frau Feltz´ Spiel fehlt in den schnellen Passagen die letzte Präzision, die Intonation leidet dann auch etwas. Auch hier gelingen die lyrischen Abschnitte viel besser, wenn auch bisweilen etwas zu sehr in sich versunken. Auch das Orchester offenbart Schwächen in Homogenität und Zusammenspiel, auch an Differenzierungsvermögen, wenn das Tempo flink gesteigert werden soll.

Der Klang der Aufnahme wirkt ansprechend transparent, das Orchester tief in den Raum hinein gestaffelt. Es fehlt ihm aber etwas Präsenz. Das Cello steht nicht an der Rampe, sondern wird recht weit ins Orchester eingebettet. Die Balance zwischen Cello und Orchester erscheint ausgewogen. Insgesamt klingt die Aufnahme voll und warm timbriert, aber dynamisch gebremst.

 

______________________________________________________________________________________

 

3

Matt Haimovitz

James Levine

Chicago Symphony Orchestra

DG

1988

5:31  5:06  8:51  19:28

 

Bei dieser Einspielung versuchte man zusammenzubringen was einfach nicht zusammenpasst. Matt Haimovitz war bei seiner Debüt-Aufnahme gerade einmal 18 Jahre alt. Er spielt mit kräftigem, vollem Ton und extrem rubatoselig bis willkürlich. Das Zusammenspiel mit dem präzisen Orchester erscheint häufig gefährdet. Es ist mehr ein nebeneinander als ein miteinander. Das Orchester selbst trumpft extrem selbstbewusst auf, teilweise wirkt die zur Schau gestellte Leidenschaft vordergründig, teils protzig.  Levine zieht den 1. Satz ungerührt durch und achtet dabei nicht sonderlich auf die Befindlichkeiten seines Solisten. Haimovitz macht bisweilen den Eindruck als wäre der Rhapsodiecharakter des Stückes alles, der Formzusammenhang nichts. Sein Gestus ist ein Wechselspiel aus Hetzten und Schmachten. Er kümmert sich seinerseits auch nicht sonderlich um das Orchester. Letzten Endes überwiegen die Ungereimtheiten deutlich. Der Satz wirkt zerrissen und vogelfrei.

Im 2. Satz trumpft nun der Cellist auf. Sein dolce wirkt aufgemotzt.  Die Akzente wirken wie „Drücker“. Das p wirkt oft viel zu mächtig. Zarte Nostalgie oder Melancholie gibt es hier nicht. Das Orchester klingt wie immer brillant und großartig. Hier wäre jedoch weniger mehr.

Im 3. Satz begegnet uns wieder die rhapsodische Tempowahl aus dem ersten Satz. Wie in der Chicagoer Rushhour geht es mal schnell vorwärts, mal stockt es dann wieder. Ein Wechselbad für den Zuhörer. Jede Chance aufs Gas zu drücken wird weidlich ausgenutzt. Dabei wirkt der Cello-Ton sehr lebendig. Der Gesamteindruck mag sportlich und durchtrainiert wirken aber trotz einiger gelungener Passagen bleibt die Poesie gänzlich auf der Strecke. Brillante und virtuose Schlusswirkung.

Das Orchester klingt sehr klar und dynamisch auftrumpfend. Sehr präsent und kraftvoll. Das Cello wird jedoch nie zugedeckt, sondern ebenfalls sehr präsent. Die Aufnahmetechnik war also sehr aufmerksam und wurde beiden Hauptbeteiligten gerecht. Voll, brillant und sehr farbig.

 

_________________________________________________________________________________

 

 

 

2

Dinh Huai Xuan

Bogdan Postolache

Bukarest Symphony Orchestra

Cello Fondamento

2019, Live

6:15  5:37  8:40  20:32

 

Download  Sind wir hier vielleicht Zeugen einer Aufnahmeprüfung zur Bukarester Musikhochschule? Schon gleich zu Beginn sind die Unsicherheit der Läufe und die Intonationstrübungen bei der Cellistin unüberhörbar. Hofften wir da noch, dass sich dies mit zunehmender Dauer bessert, da die Cellistin vielleicht nur sehr, sehr nervös oder indisponiert bei ihrem Auftritt war, wird es jedoch leider mit der Zeit immer schlimmer. Bei jeder Passage merkt man Ihrer Darbietung an, wie schwer das Stück eigentlich zu spielen ist und dass diese Schwierigkeiten von ihr in keiner Weise bewältigt werden. In Bukarest gönnt man sich sehr lange Satzpausen, wahrscheinlich um sich zu erholen oder wieder zu sammeln. Oder überlegt man aufzuhören? Der Komponistenwille wird jedenfalls damit konterkariert.

Im 2. Satz haben wir genug Zeit, auch einmal auf das Orchester zu schauen. Es wirkt immerhin halbwegs professionell und deutlich besser vorbereitet als die Cellistin. Die Streicher wirken aber dünn. Seitens der Cellistin wirkt der 2. Satz kaum noch anhörbar, da die Intonationsprobleme überhandnehmen. Der Übergang (vor accelerando bei T. 297) wirkt total verhunzt. Das Konzert nahm nun schon unfreiwillig komische Züge an. Wir mussten an die Gerard Hoffung Konzerte aus dem London der 60er Jahre denken, nur war das Bukarester Konzert sicher nicht zur Belustigung gedacht.

Der Gipfel wartet allerdings im abschließenden 3. Satz. Von einer Durchformung in technischer oder gar musikalischer Hinsicht kann nun bei der Cellistin gar keine Rede mehr sein. Zu all den aus den ersten beiden Sätzen bekannten Untugenden kommt nun noch ein gefühlt quälend langsames Tempo hinzu. Dieses verzögert zusätzlich das Ende, das uns von der musikalischen Misere erlöst. Man merkt wie der Dirigent immer mehr mit dem Tempo nachgibt, damit sich die Cellistin wieder fangen kann, aber diese Hoffung war trügerisch. Schlecht beraten war die Cellistin, der Veröffentlichung dieses Konzertdokumentes zuzustimmen. Trotz allem begeisterter Applaus in Bukarest (!?). Freundlich wäre genug gewesen.

Das Orchester klingt weiträumig und gut gestaffelt, aber ein wenig diffus im Gesamtklang. Das Cello ist als die zentrale Hauptsache deutlich vom Orchester abgesetzt. Der Klang wirkt professionell.

 

______________________________________________________________________________________________

 

 

 

Die Exzentriker, die nirgendwo dazupassen (wollen) und besonders durch Individualität auffallen.

 

 

Emanuel Feuermann

Arthur Smallens

New York Philharmonic Symphony Orchestra (heute: New York Philharmonic)

Cello Classics

1939, Live und 2004

5:05  4:04  7:03  16:10

 

Die älteste Aufnahme unseres Vergleiches ist nun bereits 83 Jahre alt. Eine der zahlreichen Besonderheiten dieser Einspielung ist, dass ein im Original fehlender, ca. 20 Sekunden langer Abschnitt des Live-Dokumentes vom Cellisten Steven Isserlis im Jahr 2004 eigens für diesen Anlass aufgezeichnet und in die alte Einspielung hineinkopiert wurde. Wenn man es nicht wüsste, würde es kaum auffallen, denn der neue Beitrag wurde dem historischen Klang hervorragend angepasst und Isserlis spielt seinen Beitrag à la manière de Feuermann.  Eine weitere Besonderheit ist ein kleiner Schnitt im 3. Satz 7 Takte vor P (also T. 576) bis Molto allegro (T.587). Dramaturgisch und von der „gewonnenen“ Zeit her betrachtet: Nonsens. Übrigens der einzige Schnitt im gesamten Vergleich.

Feuermann und sein Dirigent sind sich im Gestus, den das Konzert annehmen soll, einig. Und der ist die dritte Besonderheit der Einspielung. Anscheinend wollte man den Eindruck vermeiden, bei dem Stück könne es sich um ein Salonstück minderen Ranges handeln. Das gelang eindrucksvoll. Das Mittel der Wahl ist ein Tempo von beispielloser, teilweise sogar den Zuhörer(innen) den Atem raubenden Rasanz.  Das Konzert wird zu einer die Tempogegensätze deutlich abgrenzenden Rhapsodie, wobei besonders sie schnellen Tempi ins Pfeilschnelle gesteigert werden.

Auch der 2. Satz bleibt von der Rosskur nicht verschont. Es wirkt besonders diesseitig und bar jeden klanglichen Zaubers. Der tänzerische Charakter überwiegt. Hier kommt viel Rubato ins Spiel.

Der 3. Satz wird von Arthur Smallens unglaublich straff und sozusagen mit Siedehitze angegangen. Feuermann nimmt hier zunächst das Tempo wieder raus und beginnt mit dem Orchester einen Schlagabtausch, der so im Vergleich noch nicht zu hören war. Feuermanns Technik erweist sich als unter diesen Bedingungen sagenhaft sicher. Das rhapsodische Rubato überträgt sich auf die Hörer als ein wahres Wechselbad der Gefühle. Die beiden Hauptakteure des Live-Konzertes wirft es jedoch nicht ansatzweise aus der Bahn. Auch das Orchester nicht. Das abschließende Allegro molto offenbart eine wie unter Starkstrom gesetzte Schluss-Stretta. Das muss man unbedingt gehört haben, sonst würde man den nur mit Worten geschilderten aberwitzigen Drive gar nicht glauben. Feuermann lässt es sich nicht nehmen und spielt die letzten Takte als einziger im Vergleich mit dem Orchester bis zum Schlussakkord mit.  Explodierender Beifall in New York. Man könne dieser Darbietung ohne mit der Wimper zu zucken die Bestnote geben. Alleine schon wegen Elektrifizierung der Hörerschaft.

Allerdings könnte der Klang die Höchstwertung auch wirksam verhindern (zudem ist die Einspielung ja auch nicht ganz „echt“ und auch nicht ungeschnitten), aber für uns überwiegt die hohe Kunst vor der schnöden Technik (also Endnote 5*). Die Technik stellt das Cello riesengroß aber gut fokussiert (also nicht wie bei Nyffenegger auch noch über die ganze Breite) vor das Orchester. Dem Orchester bleibt teilweise nur das Versinken in die Unhörbarkeit. Der Gesamtklang wirkt topfig. Zudem hört man auch ein starkes Knistern der auf CD überspielten Schallplatte. Oder ist das die prickelnde Atmosphäre im Konzertsaal? Die Holzbläser der New Yorker haben in dieser alten Aufnahme ganz schlechte Karten, dass sie überhaupt gehört werden. Dafür gäbe es vielleicht eine 2 oder auch nur eine 1. Deshalb möge jeder seine eigene Gesamtnote ermitteln. Alles ist möglich. Machen Sie mit.

 

________________________________________________________________________________

 

 

Gavriel Lipkind

Anthony Hermus

Sinfonia Varsovia

Lipkind Productions

P 2006 

6:32  6:00  9:58  22:30

 

Die Gesamtspieldauer spricht hier bereits Bände. Die einzige Gemeinsamkeit, die diese audiophil klingende Einspielung mit der von Feuermann gemeinsam hat, ist, dass auch Lipkind und Hermus eine Rhapsodie aus dem Konzert machen. Ansonsten ist sie das genaue Gegenteil und zwar in nahezu allen anderen Bereichen. Schattierungsreicher als Lipkind dies tut, lässt sich ein Cello wahrscheinlich gar nicht spielen. Sein Klang ist auch wundervoll vollmundig, weich und sinnlich. Jeder Ton erscheint einerseits auf seine Ebenmäßigkeit hin sorgfältig überprüft worden zu sein, andererseits spart das geschmeidige und extrem leuchtkräftige Spiel auch nicht mit kräftiger Farbgebung. Trotz der extrem langen Spielzeit (wir haben hier die mit Abstand langsamste Einspielung überhaupt vor uns) wirkt der Gestus mitunter (aber wirklich nur mitunter) sogar frisch und vorantreibend, besonders was das Orchester betrifft. Das Orchester macht überhaupt einen glänzenden und brillanten Eindruck. Da scheint auch nicht mit Probenzeit gespart worden zu sein.

Der p-Einsatz des Cellisten bei T. 60 wirkt extrem leise, wie es bisher noch niemand gewagt hat. Mitunter wirkt es aber auch geschmäcklerisch, was der Cellist da so macht und die heraufbeschworene Oase der Ruhe wirkt aufgesetzt. Aber nur wenn man es mit den anderen Aufnahmen vergleicht. Wenn man sie allein für sich nimmt, würde man vielleicht auch einfach nur staunen. Das Animato wird deutlich hörbar, ebenso das Allegro molto sehr schön und prägnant herausgearbeitet wird. Die Erarbeitung der Partitur wirkt zumeist extrem gewissenhaft und genau. Auch ab D hören wir exzellente p-Kultur. Die dynamischen Gegensätze werden weit ausgereizt.  Bei T. 177 kommt die Wiederholung des extremen dolce. Das wirkt bei Lipkind ermattet, entkräftet und farblos klingend genau auf den Punkt gebracht, wie nur noch hingehaucht und wie schwindend. Gleichzeitig ist er aber auch an dieser Stelle extrem langsam unterwegs, was dann wieder weniger mit der Partitur zu belegen ist. Klanglich ist das alles einfach phantastisch gelungen.

Noch ein paar Sätze zu den anderen beiden Sätzen. Das Menuett im 2. Satz wirkt vom Tempo her selbstvergessen, sanft und melancholisch. Der Cellist sucht entlegenste pp-Regionen auf, dass man kaum aus dem Staunen rauskommt. Das Espressivo hebt sich ganz deutlich vom dolce ab.  T. 291 wird extrem lange als Fermate ausgehalten (da steht diesmal aber keine). Der Satz wirkt wie ein Kabinettstückchen aus lauter Preziosen. Eine ganz eigene Sicht auf diesen Satz.

Auch im 3. Satz macht das Orchester wieder einen hervorragenden Eindruck, auch das Holz klingt klasse. Das Zusammenspiel wirkt sehr sicher. Das 2. Thema wirkt stark verlangsamt. Echtes p. Starkes Rubato. Der „Stokowski unter den Cellisten“, wie wir ihn mal nennen wollen, zelebriert das Stück nach allen Regeln der Cello-Kunst. Er lässt aber auch keine Chance aus um zu brillieren. Vom Cellistenhandwerk her betrachtet würden wir Lipkinds Spiel als herausragend ansehen, vom künstlerischen her als ziemlich exzentrisch. Er spannt den Schönspielmodus schon sehr, sehr stark. Ob es bereits überspannt ist, muss wieder jeder für sich entscheiden. Faszinierend wirkt es schon.

Die Aufnahme selbst wirkt sehr gelungen. Alles klingt hier einfach schön, weich und rund. Das Umfeld wirkt weiträumig und komfortabel, sehr brillant und sehr farbig. Der Orchesterbass klingt profund. Das Cello wirkt sehr plastisch. Hier liegt ein audiophiler, genießerischer Top-Klang vor. Auch das genau gegenteilig zur Aufnahme mit Feuermann.

 

 

28.2.2022