Gioacchino Rossini

Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“

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Werkhintergrund:

 

Es ist der Schweizer Mythos schlechthin: der Freiheitskampf Wilhelm Tells, dem es gelingt, gemeinsam mit den Urkantonen die Habsburger Gewaltherrschaft abzuschütteln. Die Faszination und Strahlkraft dieser Figur war und ist enorm und hat ihre Spuren in der Kulturgeschichte vieler Länder hinterlassen, besonders natürlich in der Schweiz. Fasziniert von dieser Geschichte war auch der deutsche Dichter Friedrich Schiller, der daraus 1804 ein berühmtes Schauspiel-Drama machte. Dass die berühmteste Opernversion des Stoffes ausgerechnet vom Italiener Gioachino Rossini stammt, der sich dabei an Schillers Drama anlehnte und in Paris uraufgeführt wurde, ist in diesem Sinne bezeichnend. Die Frage nach den Bedingungen von Freiheit kennt eben keine Grenzen, und jede Generation steht immer wieder vor der Frage, welche Mittel in welcher Situation gerechtfertigt und richtig sind, um die Freiheit des Einzelnen wie der Gemeinschaft zu garantieren oder erneut zu erlangen, sollte sie verloren sein. Rossini jedenfalls lässt vor allem diejenigen hoffen, die an die Liebe glauben, die zwischen verfeindeten Parteien zu Frieden führen kann.

"Wilhelm Tell" – die Oper über den Aufstand der Schweizer gegen den tyrannischen Landvogt namens Gessler ist auch ein Werk über Patriotismus, Freiheitsdrang und die Liebe eines Vaters. Tell, der Aufwiegler, wird gezwungen, seinem Sohn einen Apfel vom Kopf zu schießen. Was für ein grausames Spiel! Doch am Ende triumphiert das unterdrückte Volk.

Riesige Chorszenen stehen im Mittelpunkt der Oper. Rossini hatte seine Librettisten extra gebeten, Schillers Schauspiel entsprechend umzuarbeiten. Denn Massenszenen sind in der französischen Grand Opéra gefragt. Der Italiener Rossini betritt tatsächlich neue Wege. Nach fünf Jahren als Direktor des „Théâtre italien“ in Paris schreibt er seine erste französische Oper. Dafür studiert Rossini die Sprache, passt seinen Kompositionsstil an und verzichtet sogar auf seine berühmten ausladenden Koloraturen. Ob er nicht doch noch Karriere als französischer Komponist machen könnte? Plant Rossini nun eine Karriere als französischer Komponist? In erster Linie will er eines: Sicherheit. Eine lebenslange Leibrente vom französischen König, das wünscht er sich. Rossini versucht sie zu erzwingen, indem er die letzten beiden Akte wenige Monate vor der geplanten Uraufführung zurückzieht. "Wenn noch weiter gezögert wird, den definitiven Vertrag zu unterzeichnen, wird es unmöglich sein, 'Guillaume Tell' diesen Frühling zu bringen, wie Sie es wünschen", schreibt Rossini verärgert. Erst als der König ihm eine Leibrente von jährlich 6.000 Francs zusichert, können die Proben fortgesetzt werden. Am 3. August 1829 feiert "Wilhelm Tell" schließlich an der großen Oper in Paris seine Uraufführung. (Quelle: Wikipedia)

Danach ging er in den Halbruhestand (er komponierte weiterhin Kantaten, geistliche Musik und weltliche Vokalmusik). Es ist seine letzte Opern-Komposition, denn auf dem Höhepunkt seiner Karriere schickt Rossini sich selbst sozusagen in Rente. „Ein Erfolg mehr würde mein Renommée nicht vergrößern, ein Misserfolg könnte es beeinträchtigen. Ich habe weder Lust zu dem einen, noch möchte ich mich dem anderen aussetzen.“ Außerdem ist er ausgebrannt, man würde heute vielleicht dazu sagen: „Er hat Burnout“, nachdem er über Jahre teilweise wie im Akkord eine Oper nach der anderen herausgegeben hatte. In den nächsten 40 Jahren widmet er sich weniger dem Komponieren als vielmehr seinem Leibgericht: mit Gänseleber gefüllten Cannelloni. Rossini stirbt 1868 als wohlhabender Mann mit 76 Jahren. Sein galoppierendes Vermächtnis, die Tell-Ouvertüre: unsterblich.

Die Handlung folgt, dies nur ganz kurz (die Oper dauert vier Stunden) um zu ermessen, worum es dann später in der Ouvertüre geht, in ihren Grundzügen dem Schauspiel Schillers, wir zitieren dazu den Artikel aus Wikipedia, denn nicht jeder hatte das „Glück“ wie der Autor, Schillers Schauspiel in der Mittelstufe des Gymnasiums behandeln zu dürfen: „Im Gegensatz zu den dort (im Schauspiel) vorherrschenden Diskussionen und moralischen Entwicklungen legt das Libretto naturgemäß größeren Wert auf lyrische Situationen, in denen der Stillstand der Handlung die Entfaltung des Gesangs erlaubt. Die Anzahl der handelnden Personen wurde von 42 auf 11 reduziert und die Habsburgererbin Berta von Brunegg durch die Prinzessin Mathilde ersetzt, die sich im Verlauf der Oper auf die Seite der Schweizer schlägt. (Anm.: Prinzessinnen machen sich, zumindest in der Oper, immer gut.)

Sie spielt im tiefsten Mittelalter in den Alpen, etwa um das Jahr 1300: Die Herrschaft der Habsburger, eine damals mächtige Adelsfamilie, „stinkt“ der Schweizer Bevölkerung gewaltig – allen voran, der als Verwalter eingesetzte Vogt. Einmal ließ dieser zum Beispiel einen Hut auf einer Stange aufstellen. Wer daran vorbeikam, sollte sich demütig verbeugen. Wilhelm Tell jedoch verweigerte dies. Umgehend landete er vor dem Vogt, der sogleich eine weitere teuflische Idee hatte: Wenn es Tell vermag, so der Vogt, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen, blieben Vater und Sohn von Strafe verschont. Das Kunststück gelingt, doch der grausame Vogt hält sich nicht an sein Versprechen und nimmt Tell fest, um ihn letztlich umbringen zu lassen. Doch eines nach dem anderen.

Zu Beginn feiern Dorfbewohner im Kanton Uri eine dreifache Hochzeit. Den Vorsitz führt der alte Melcthal. Dessen Sohn Arnold liebt die Habsburgerprinzessin Mathilde und muss sich zwischen Liebe und Vaterland entscheiden. Das Fest wird durch den Hirten Leuthold unterbrochen, der sich auf der Flucht vor den Habsburger Soldaten unter ihrem Anführer Rodolphe befindet. Tell bringt Leuthold über den Vierwaldstättersee in Sicherheit. Rodolphe lässt Melcthal festnehmen und das Dorf in Brand stecken.

Im zweiten Akt treffen sich Arnold und Mathilde und versichern einander ihre Liebe. Als Arnold erfährt, dass sein Vater von den Soldaten getötet wurde, beschließt er endgültig, sich dem Freiheitskampf anzuschließen. Er ist auch der Tenor, was man als Kenner von Opern allgemein daher schon von ihm hat erwarten können, schließlich heißt es „Heldentenor“ und nicht Heldenbariton oder gar Heldenbass. Die Vertreter der drei Urkantone ernennen Tell, der ist der Bariton, zu ihrem Anführer und schwören, bis zum Tod für die Freiheit zu kämpfen.

Der dritte Akt zeigt ein Fest zu Ehren der Habsburger, bei dem der Reichsvogt Gessler die Einwohner demütigt, indem er sie zwingt, sich vor einer Stange mit seinem Hut zu verbeugen. Als Tell sich weigert, befiehlt er ihm, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Jemmy herunterzuschießen. Tell gelingt das Kunststück. Der zweite Pfeil aber war, wie Tell Gessler erklärt (warum ist der auch so ehrlich?), für diesen gedacht, wenn er danebengetroffen hätte. Tell wird von Gessler festgenommen, obwohl ihm zuvor Straffreiheit zugesagt wurde.

Im vierten Akt beraten die Schweizer über ihr weiteres Vorgehen. Während Tell von Gessler und seinen Soldaten über den See transportiert wird, bricht ein Sturm los. Nur Tell selbst (als Ortskundiger) kann das Schiff noch steuern und wird zu diesem Zweck von seinen Fesseln befreit. Er springt an Land und überlässt die Soldaten ihrem Schicksal. Unterdessen hat Jemmy seine Hütte in Brand gesteckt, um den Aufständischen das Signal zum Beginn der Kämpfe zu geben. Da sich Gessler und die Soldaten vor dem Sturm retten konnten, erschießt Tell Gessler mit seiner Armbrust. Arnold verkündet, dass auch die Festung Altdorf bezwungen wurde. Somit steht der Freiheit nichts mehr im Wege: Finale.

Übrigens: „Angeblich brachte der Tenor Gilbert Duprez in dieser Partie des Arnold 1837 erstmals in der dokumentierten Geschichte des Gesangs das Hohe C mit der Bruststimme heraus – statt wie üblich mit der Kopfstimme. Dem Komponisten gefiel das gar nicht: Rossini soll den dabei produzierten Klang mit dem Kreischen eines Kapauns, dem die Kehle durchgeschnitten wird, verglichen haben.

Es fällt jedenfalls auf, dass die Partie des Arnold hier noch exponierter ist als die Titelpartie des Wilhelm Tell, die Rossini, wie bereits erwähnt, einem Bariton zugedacht hat. Das ist einer der vielen Unterschiede der 1829 vollendeten Oper zu Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“-Drama von 1804. Der Grund liegt auf der Hand: Schiller schrieb zwar das populärste, aber bei weitem nicht einzige Theaterstück über den sagenhaften Kampf der Schweizer gegen die Habsburger, so wie auch Rossinis für Paris komponierte Oper nicht die erste „Tell“-Oper ist. Da muss variiert werden.

Mit dem umfangreichen Vierakter des italienischen Komponisten brach ein neues Opernzeitalter an. Am Vorabend der Juli-Revolution von 1830, die das französische Bürgertum erheblich stärkte, schuf Rossini mit „Guillaume Tell“ eine Blaupause für die literarisch und politisch hochsensible Form der Grand Opéra mit ihren Massenszenen und Balletteinlagen. Die Wirkung war enorm: Hector Berlioz, eigentlich ein heftiger Kritiker Rossinis, hielt diese Oper für ein Meisterwerk. Richard Wagner tat es ihm gleich, und was wären Giuseppe Verdis Annäherungen an die französische Oper (Don Carlos) ohne diese Vorlage?

Sein bahnbrechender, schwer zu besetzender und aufwendig zu inszenierender „Tell“ geriet im 20. Jahrhundert – vom populären Galopp aus der Ouvertüre abgesehen – ein wenig in Vergessenheit. Neben vielen Einzelstücken hat der Plattenmarkt nur fünf bis sechs offizielle Gesamteinspielungen hervorgebracht, deren erste 1972 entstand und ebenso prominent besetzt ist wie die folgenden Aufnahmen. Die jüngste Produktion, die 2010 unter Antonio Pappanos Leitung in Rom entstand, gibt mit einer exzellenten jüngeren Sängerriege allerdings Anlass zu der Hoffnung, dass die immense Herausforderung dieses Werkes auch künftig angenommen werden wird.“ (Deutschlandradio Kultur) Inzwischen gibt es eine noch jüngere Naxos-Produktion aus dem Schwarzwald, von der, wie von den anderen Gesamtaufnahmen, die Ouvertüre in unserem Vergleich vertreten ist.

Die Ouvertüre ist einer der größten Klassik-Hits aller Zeiten.

Sie ist besetzt für: eine Piccoloflöte, eine Flöte, zwei Oboen (erste oder zweite Oboe verdoppelt ein Englischhorn), zwei Klarinetten in A, zwei Fagotte, vier Naturhörner in G und E, zwei Trompeten in E, drei Posaunen, Pauken, Triangel, Bassdrum und Becken sowie Streicher.

Die etwa 12-minütige Ouvertüre zeichnet ein musikalisches Bild vom Leben in den Schweizer Alpen, dem Schauplatz der Oper. Hector Berlioz, der Rossinis Werke, wie bereits erwähnt, normalerweise nicht sonderlich schätzte, beschrieb sie als „eine Symphonie in vier Teilen“. Aber im Gegensatz zu einer echten Symphonie mit ihren klaren Sätzen gehen die Teile der Ouvertüre ohne Pause von einem zum nächsten über. Allerdings findet auch eine symphonische Verarbeitung verschiedener Themen im klassischen Sinne nicht statt. Die Ouvertüre ist also vierteilig und unterscheidet sich damit in ihrem Aufbau und in ihrer Funktion deutlich von den anderen Rossini-Ouvertüren. Sie kündigt bereits „die Handlung der Oper durch deskriptive musikalische Mittel“ an: Jeder der Teile ist ein „Hit“ für sich und gemeinsam sind sie unschlagbar.

 

  1. Vorspiel: Morgendämmerung

Das Präludium ist ein langsamer Abschnitt in E-Dur und in einer ABA-Coda-Struktur, besetzt mit fünf Solocelli, begleitet von Kontrabässen. Es beginnt in e-Moll mit einem Solocello, das wiederum von weiteren Celli und den Kontrabässen „beantwortet“ wird. Ein drohender Sturm wird durch zwei sehr leise Paukenwirbel (1. auf E, 2. auf B) angedeutet, die an entfernten Donner erinnern. Der Abschnitt endet mit einem sehr hohen, anhaltenden Ton des ersten Cellos. Die Dauer beträgt etwa drei Minuten. Dieses Andante für fünf Solocelli beschrieb Hector Berlioz als „Ruhe und tiefe Einsamkeit, die feierliche Stille der Natur, wenn die menschlichen Leidenschaften schweigen“.

  1. Sturm

Dieser dynamische Abschnitt in e-Moll und in einer ABA-Struktur wird vom gesamten Orchester gespielt. Es beginnt mit den Violinen und Bratschen. Ihre Phrasen werden durch kurze Blasinstrumenteneinsätze von jeweils drei Tönen unterbrochen, zunächst durch Piccoloflöte, Flöte und Oboen, dann durch Klarinetten und Fagotte. Der Sturm bricht mit dem Einsatz von Hörnern, Trompeten, Posaunen und Bassdrum (Gran Cassa) in vollem Umfang los. Die Lautstärke und Anzahl der Instrumente nehmen mit dem Abklingen des Sturms allmählich ab. Der Abschnitt endet mit dem alleinigen Flötenspiel. Er dauert auch etwa drei Minuten.

  1. „Ranz des vaches“ (franz.): Kuhreihen (auch Kühreihen, Kuhreigen und Kühreigen) ist eine Gattung von Hirtenliedern, mit denen in den Schweizer Alpen und im Höheren Mittelland früher die Kühe zum Melken angelockt wurden.

Dieser pastorale Abschnitt in G-Dur und in ABA-Coda-Form, der die Ruhe nach dem Sturm symbolisiert, beginnt mit einem Ranz des vaches oder „Ruf an die Kühe“ mit dem Englischhorn. Anschließend spielt das Englischhorn abwechselnd mit der Flöte und gipfelt in einem Duo, das von dem Triangel im Hintergrund begleitet wird, die Glocken der Kühe assoziierend. Die Melodie erscheint in der Oper mehrfach, auch im letzten Akt, und nimmt den Charakter eines Leitmotivs an. Die Dauer beträgt etwas mehr als zwei Minuten. Richard Osborne hielt es für „das schönste [der] vielen Englischhornsoli“ Rossinis.

Eine Besonderheit der Oper Guillaume Tell ist die wiederholte Verwendung von Kuhreihen. Insgesamt verarbeitete Rossini zehn solcher Melodien, die er vermutlich George Tarennes „Recherches sur les Ranz de vaches ou sur les chansons pastorales des bergers de la Suisse“ aus dem Jahr 1813 entnahm. Er nutzte sie auf unterschiedliche Weise, um ein einheitliches Lokalkolorit zu schaffen. Oft enthält die musikalische Struktur lediglich Fragmente daraus, gelegentlich wird eine solche Melodie aber auch zu einem echten Thema ausgeweitet und bei wiederholtem Auftreten variiert. Ein Beispiel dafür ist ein Thema, das schon Rousseau in seinem Dictionnaire de musique von 1768 zitierte, das auch bei Tarenne enthalten ist. Bei Rossini bildet er im zweiten Akt die Ruderschläge auf dem See ab, wird zu Beginn des vierten Akts zum Kampfaufruf Arnolds und kehrt auch als Motiv der Befreiung im Finale wieder. (Quelle: Wikipedia)

  1. Finale: Marsch der Schweizer Soldaten

Das Finale, auf Englisch oft „March of the Swiss Soldiers“ genannt, steht wie das Präludium in E-Dur, ist aber ein ultradynamischer Galopp, der von Trompeten angekündigt und vom gesamten Orchester gespielt wird. Es spielt auf den letzten Akt an, der den siegreichen Kampf der Schweizer Soldaten um die Befreiung ihres Heimatlandes von der österreichischen Unterdrückung erzählt. Der Abschnitt in einer Intro-ABA-Coda-Form dauert etwa drei Minuten. Wir bemerken, die ABA-Form hatte es Rossini angetan.

Bereits das Englischhornsolo in der Ouvertüre gehört zu den bekanntesten Melodien, getoppt wird es noch durch Wilhelm Tells Ritt, den man wohl als bekannteste Reitermusik der bisherigen Musikgeschichte beschreiben kann. Unvergessen ist das Fanfarensignal, auf das die Streicher mit wilden Rhythmen und begleitet von feurigen Bläsereinwürfen den Galopp des Pferdes nachzeichnen, auf dem der Held der Geschichte dem Kampf entgegeneilt. Ruppige Staccati, stampfendes Blech und Schlagwerk, fliehende Holzbläser… malerischer hätte diese Musik nicht sein können.

Obwohl es in der Oper eigentlich keine Kavallerieangriffe gibt, wird dieses Segment, der Galopp, in populären Medien häufig verwendet, um galoppierende Pferde, ein Rennen oder einen Helden, der zur Rettung reitet, zu bezeichnen. Seine bekannteste Verwendung in dieser Hinsicht ist die Titelmusik für „The Lone Ranger“, einer Serie, die in Amerika bekannter war als bei uns. Dieser Sprachgebrauch ist so berühmt geworden, dass der Begriff „Intellektueller“ definiert wurde als „ein Mann, der der Wilhelm-Tell-Ouvertüre zuhören kann, ohne an den Lone Ranger zu denken“. Das Finale wird von Johann Strauss sen. in seinem Wilhelm Tell Galop (op. 29b) zitiert, der nur wenige Monate nach der Pariser Uraufführung des Originals veröffentlicht und uraufgeführt wurde und von Dmitri Schostakowitsch im ersten Satz seiner Sinfonie Nr. 15.

Die Ouvertüre wird von David Wondrich als „häufiges Plünderungsziel von Blaskapellen in den Jahren, in denen sie die amerikanische Musiklandschaft dominierten“ beschrieben und spielt eine herausragende Rolle in Walt Disneys Mickey-Mouse-Cartoon „The Band Concert“. Sie wurde auch in Cartoons verwendet, die klassische Musik parodieren (z. B. Bugs Bunnys „Ouvertüren zur Katastrophe“, in dem das Finale der Ouvertüre von Daffy Duck und Porgy Pig aufgeführt wird) oder Western (z. B. „Bugs Bunny reitet wieder“). Das Finale wurde auch mit einem speziell geschriebenen Text von Daffy Duck in „Yankee Doodle Daffy“ gesungen. (Quelle: erneut Wikipedia)

Als eines der am häufigsten verwendeten Stücke klassischer Musik in der amerikanischen Werbung erscheint die Ouvertüre (insbesondere ihr Finale) in zahlreichen Anzeigen, wobei die Psychologin Joan Meyers-Levy darauf hindeutet, dass sie sich besonders für diejenigen eignet, die sich an männliche Verbraucher richten. Es wurde in einer Hip-Hop-Version von DJ Shadow zur Begleitung der Werbekampagne „Defy Convention“ für Reebok-Sportschuhe im Jahr 2001 und in einer elektronischen Version für eine Honda Civic-Kampagne im Jahr 2008 verwendet.

Zu den Filmen, in denen die Ouvertüre eine herausragende Rolle spielt, gehört Stanley Kubricks „Clockwork Orange“, wo während einer Orgien-Szene im Zeitraffer eine elektronische Neubearbeitung des Finales durch Wendy Carlos abgespielt wird. Der weniger häufig gehörte Einleitungsteil der Ouvertüre wird später im Film als düstere Stimmungsmusik verwendet.

„Egal, ob in weltbekannten Serien, wie „Scrubs“ oder „Simpsons“, in Kinoproduktionen, wie „Good Bye, Lenin!“ oder „Clockwork Orange“… Rossinis Musik scheint allgegenwärtig. Auf imdb erreicht diese Ouvertüre in der Kategorie Soundtrack sage und schreibe über 500 Referenzen und liegt damit sogar noch vor Beethoven.“ (Daniel Janz, Klassik-begeistert.de)

In den letzten Jahren ist es endlich etwas ruhiger geworden um die „Wilhelm Tell“- Ouvertüre, jedenfalls fällt sie uns nicht mehr so im täglichen Leben auf. Es scheint aber nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der „Steinbruch“, aus dem man sich die besten Teile ziemlich leicht herausbrechen kann, wieder eröffnet wird.

Es scheint jedenfalls an der Zeit, diese Musik unvoreingenommen, ohne das lästig überfüllte Gedächtnis, wie neu zu hören, damit sie ihren ursprünglichen Zauber wieder entfalten kann.

(Die beim Vergleich verwendete Partitur war von Kalmus, Orchestra Library A 1942.)

 

 

Text zusammengestellt bis 11.6.2023

 

 

 

Monsieur Rossini zur Zeit der Komposition des "Wilhelm Tell", ca. 1829.

 

 

 

Übersicht über die gehörten Einspielungen, die Rezensionen wie gewohnt, en detail, im Anschluss.

 

5

Pierino Gamba

London Symphony Orchestra

Decca, auch als XRCD

1960

11:26

 

5

Claudio Abbado

Chamber Orchestra of Europe

DG

1989

10:54

 

5

Fritz Reiner

Chicago Symphony Orchestra

RCA

1958

11:54

 

5

Eduard van Beinum

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Decca-Membran

1952

11:35

 

5

Roy Goodman

Hanover Band

RCA

1995

11:06

 

5

Artur Rodzinski

Columbia Symphony Orchestra

Columbia – BnF

1950

11:11

 

5

Sir Malcolm Sargent

Wiener Philharmoniker

EMI

1960

12:27

 

5

Alexander Liebreich

Münchner Kammerorchester

Sony

2010

11:12

 

5

Neville Marriner

Academy of Saint-Martin-in-the Fields

Philips

1976

11:01

 

5

Neville Marriner

Academy of Saint-Martin-in-the-Fields

EMI

1987

11:16

 

5

Colin Davis

Royal Philharmonic Orchestra, London

EMI

1961

11:30

 

5

Thomas Hengelbrock

Sinfonieorchester des NDR Hamburg (heute: NDR Elbphilharmonie Orchester)

NDR, Live, unveröffentlicht

2011

10:47

 

5

Artur Fiedler

Boston Pops Orchestra

RCA

1956

11:44

 

5

Paul Paray

Detroit Symphony Orchestra

Mercury

1959

11:06

 

 

 

4-5

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1953

11:56

 

4-5

Charles Dutoit

Orchestre Symphonique de Montréal

Decca

1992

11:23

 

4-5

Mariss Jansons

Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks

BR, Live-Sendung,

bisher unveröffentlicht

2018

11:25

 

4-5

Fabio Luisi

Orchester der Wiener Staatsoper

Orfeo, Live

1998

11:32

 

4-5

Yehudi Menuhin

Sinfonia Varsovia

Sony, Classic FM

1998

12:03

 

4-5

Riccardo Chailly

National Philharmonic Orchestra

Decca

1979

12:15

 

4-5

Claudio Abbado

London Symphony Orchestra

RCA

1978

11:25

 

4-5

Riccardo Muti

Philharmonia Orchestra London

EMI

1979

11:24

 

4-5

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS-Sony

1963

11:23

 

4-5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DG

1971

11:54

 

4-5

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS-Sony

1968

11:47

 

4-5

Christian Benda

Prague Sinfonia Orchestra

Naxos

2011

11:35

 

4-5

Antonio Pappano

Orchestra dell´ Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

EMI

2010, Live

11:23

 

4-5

Lamberto Gardelli

Royal Philharmonic Orchestra, London

EMI

1972

12:10

 

4-5

Karel Ancerl

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1960

11:11

 

4-5

Riccardo Chailly

Orchestra Filarmonica della Scala di Milano

Decca

1995

11:30

 

4-5

Giuseppe Patané

Bamberger Symphoniker

BMG

1987

11:11

 

4-5

Carlo Maria Giulini

Philharmonia Orchestra London

EMI

1962

12:15

 

4-5

Sir Thomas Beecham

London Philharmonic Orchestra

EMI

1934

11:31

 

4-5

Peter Maag

Orchestre des Concerts du Conservatoire de Paris

Decca, heute: Sunday Records Club

1960

12:23

 

4-5

Myung Whun Chung

Orchestra dell´Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

DG

2001

11:02

 

4-5

Riccardo Muti

Orchestra del Teatro alla Scala di Milano

Philips

1989, Live

11:08

 

4-5

Yevgeni Svetlanov

UdSSR State Symphony Orchestra

Melodija, Essential Media Group

1983

11:20

 

4-5

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1939

11:11

 

 

 

4

Rossen Milanov

Philadelphia Orchestra

PHI, Eigenlabel des Orchesters

2005, Live

11:49

 

4

Herbert von Karajan

Philharmonia Orchestra London

EMI

1960

11:56

 

4

Gianluigi Gelmetti

RSO Stuttgart des SWR

EMI

1992

10:58

 

4

Alfred Scholz

vielleicht irgendein Londoner Orchester

Warner Music Group, X 5 Music Group, VMS u.v.a.

P ca. 1988

12:46

 

4

Yoel Levi

Atlanta Symphony Orchestra

Telarc

1992

11:10

 

4

Roger Norrington

London Classical Players

EMI

1990

11:38

 

4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DG

1983

11:37

 

4

Antonio Fogliani

Virtuosi Brunensis

Naxos

2015

11:13

 

4

Carlos Paita

Royal Philharmonic Orchestra, London

Lodia, vormals Decca Phase 4

1975

12:06

 

4

Philippe Bach

Meininger Hofkapelle

Deutschlandfunk Kultur, Live und unveröffentlicht

2023

11:16

 

4

Igor Markevitch

Orchestre de la Radiodiffusion Francaise (heute: Orchestre National de France)

EMI

1957

11:47

 

4

Tullio Serafin

Orchester der Oper Rom

1963

DG-Belart

1963

 

4

Erich Kunzel

Cincinnati Pops

Telarc

1985

12:20

 

4

Michael Halasz

Zagreb Festival Orchestra

Naxos

1989

12:05

 

4

Yuri Simonov

UdSSR Maly Symphony Orchestra

Russian Disc Society

AD ?, Live

12:24

 

4

Hermann Scherchen

Orchester der Wiener Staatsoper

Archiphon, Westminster, Heliodor, LP pure

1957

11:29

 

4

Andrey Boreyko

RSO Stuttgart des SWR

SWR, Live, unveröffentlicht

2010

11:35

 

4

Christoph Poppen

Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern

SR, Live, unveröffentlicht

2022

11:55

 

4

Gustav Kuhn

Orchestra Filarmonica Marchigiana

Arte Nova

2000

12:47

 

4

Klaus Arp

Rundfunkorchester des SWR Kaiserslautern

Arion

1995

11:11

 

 

 

3-4

Sergiu Celibidache

Münchner Philharmoniker

EMI

1993, Live

14:19

 

3-4

Alceo Galliera

Philharmonia Orchestra London

EMI-BnF

1956

11:39

 

3-4

Alfred Scholz

South German Philharmonic Orchestra

Red Note, OMP, Warner Musiv Group und zahllose Labels mehr

P ca. 1977

11:03

 

 

 

3

Hans Swarowsky

Wiener Symphoniker

Supraphon-BnF

1961?

10:56

 

3

Fernando Previtali

Orchestra dell´ Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

DG-BnF, Everest, Ricordi

1961

12:25

 

3

Fernando Previtali

Orchestra Sinfonica della RAI di Roma

EMI, Maestro, BnF

1955

13:01

 

3

Nino Sanzogno

Orchestra Sinfonica della RAI di Milano

Myoto Historical

1954

11:43

 

3

Jésus Etcheverry

Orchestre Symphonique Etcheverry

Pacific-BnF

1964?

11:08

 

3

Riccardo Muti

Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino

Opera d´oro

1972, Live

11:37

 

3

Mario Rossi

Orchestra Sinfonica delle RAI di Milano

Maestro

1956, Live

11:06

 

3

Vittorio Gui

Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino

Maestoso, World Record Club

P 1958

11:15

 

3

Paul van Kempen

Berliner Philharmoniker

DG

1952

12:18

 

3

Roberto Benzi

Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris

Philips, Harrison James Music

1961

12:38

 

3

Sir Henry Wood

New Queens Hall Orchestra

Columbia

1928

11:01

 

 

 

2

Massimo Freccia

Orchestra Filarmonica di Roma

Readers Digest (RCA), Astory Classical

1960

11:03

 

 

 

Die Rezensionen detailliert, ausführlich und vergleichend:

 

 

5

Pierino Gamba

London Symphony Orchestra

Decca, auch als XRCD

1960

11:26

 

1960, also im Alter von zwar immer noch jungen aber keinesfalls kindlichen 24 Jahren, firmierte der Dirigent noch unter der „Verniedlichungsform“ seines eigentlichen Vornamens Piero, der erst später zum Tragen kam. Zu seiner Körpergröße können wir nichts schreiben, was sein Dirigat der „Tell“-Ouvertüre anlangt hingegen schon. Bereits bei dem Vergleich der Ouvertüre Rossinis zu „Semiramis“ fiel uns seine Einspielung positiv aber nicht unbedingt als überragend auf. Auch beim „Tell“ beginnt das Spiel des LSO mit einem sehr schönen Cellosolo und einem sehr stimmungsvollen von den Bässen begleiteten Celloquintett, das zwar bereits durch die Transparenz der Stimmen auffällt aber sonst nicht unbedingt durch noch viel mehr. Sobald der Sturm aufzieht fallen bereits die präsenten animierenden Bässe auf und das superdynamische erste ff des ganzen Orchesters lässt einen nicht zur aufhorchen, sondern fast zusammenzucken. Die Posaunen spielen ihre Staccato-Einsätze mit scharfer, jedoch nicht schneidender, voller Kraftentfaltung. Das LSO jener Jahre zählte ganz ausgezeichnete Blechbläser in seinen Reihen. Jedes der weltbekannten Londoner Orchester wollte natürlich die besten verpflichten (wie auch die besten Holzbläser oder Streicher, aber das steht auf einem anderen Blatt) um die Konkurrenz zu übertrumpfen und es gab ja damals schon das Philharmonia, das Royal Philharmonic und das London Philharmonic Orchestra, wenn wir vom Orchester der BBC und von Covent Garden einmal absehen wollen, deren Finanzierung jeweils als gesichert gelten durfte, auch ohne um das Publikum mit der besten Qualität werben zu müssen. Die Stadt lockte ja sowieso schon die Crème de la Crème an. Zahlreiche Aufnahmen aus jener Zeit beweisen es, das LSO hatte wohl damals das beste Blech. Auch diese Einspielung kann als Beweis dazu dienen. Die sf sind heftig, aber das ganze Orchester spielt ungemein brillant, explosiv, straff und absolut begeisternd. Und um es gleich vorwegzunehmen, ein weiterer alter Bekannter hatte erneut seine guten Ohren und seinen Sachverstand mit dabei, der Guru unter den Tontechnikern der Decca, Kenneth Wilkinson. Wenn man es nicht im Inneren der XRCD nachlesen könnte, wüsste man es sogleich durch den unnachahmlich animierenden Klang der Aufnahme. Aber wir wollen nicht zu früh ins Schwärmen kommen, denn die für die Londoner Orchester jener Zeit so heiklen Passagen für die Solo-Holzbläser kommen ja erst noch.

Aber auch das Englischhorn-Solo klingt sehr kantabel zwar nicht gerade balsamisch aber jedenfalls besser als das der zeitnahen Konkurrenz-Einspielungen aus Boston (Fiedler), Wien (Sargent) oder Detroit (Paray). Mit der Flöte entspinnt sich ein sehr gefühlvolles Duo in bester Äquilibristik, auch räumlich. Wilkinson verzichtet auf Mätzchen (die übrigens auch nicht in der Partitur stehen) und versetzt das Englischhorn (wie oft) oder die Flöte (wie nur selten) nach hinten, damit sich ein aus der „Symphonie fantastique“ (dritter Satz) bekannter Effekt von räumlicher Weite einstellt. Nur so, also wenn sich beide Solisten auf „Augenhöhe“ begegnen, kann sich ein inniges Umschlingen der Stimmen ergeben, so wie in Gambas Einspielung. Die Flöte umspielt zurückhaltend, gefühlvoll, fast zärtlich, wenn sie nicht zugleich auch noch so brillant wäre, und lässt dem Englischhorn galant und flockig-leicht den akustischen Vortritt. Nach den 72 gehörten Einspielungen lässt sich sagen: So hat es den besten Effekt, so sollte es sein. Allzu oft klingt es in anderen Einspielungen jedoch nicht auf diese Weise.

Der abschließende Galopp beginnt mit Trompeten und Hörnern in allerbester Strahlkraft, schließlich wollen sie den Posaunen in der Sturmmusik keinesfalls nachstehen. Mr. Wilkinson hatte seine Mikros zu diesem Zweck goldrichtig positioniert. Das Orchester spielt wunderbar straff, mit hinreißenden Crescendi, überschwänglich, ausgelassen und ganz besonders dynamisch. Zum Niederknien. Gerade die Akzente des Blechs gelingen herausragend lebendig. Ein atemberaubendes Finale. Gamba verbindet in seiner Einspielung die Italianità Abbados mit der unwiderstehlichen Attacke van Beinums und Reiners.

Von der Einspielung lagen uns zwei Pressungen auf CD vor, einmal die Normal-CD aus der Box „The Analogue Years“ und die XRCD, die mit allen Finessen, die die japanischen, audiophil angehauchten Technikesoteriker hergeben, überspielt und gepresst wurde. Die Krone geht ohne jeden Zweifel an „Made in Nippon“. Einzig das leichte Rauschen wirkt hier noch präsenter, offener, was vielleicht nicht jedem gefallen mag. Dafür wird jedoch eine umwerfende Transparenz und Präsenz geboten verbunden mit einem selten offenen und zum Greifen plastischen, unmittelbar anspringenden, wunderbar räumlichen Gesamtklang. Das Ganze klingt quicklebendig.

Die Normal-CD klingt matter, weniger räumlich, weniger dynamisch, weniger anspringend. Von den audiophilen „Oldies“ von Mercury (Paray) und RCA (Fiedler und Reiner) ist sie die musikalisch mitreißendste und auch klanglich hat sie, wenn auch nur als XRCD den dreien noch die berühmte Nasenspitze voraus. Erneut eine Meisterleistung Kenneth Wilkinsons, die als XRCD in vollen Zügen zu genießen ist.

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5

Claudio Abbado

Chamber Orchestra of Europe

DG

1989

10:54

 

Von Claudio Abbado gibt es zwei Einspielungen der „Tell“-Ouvertüre. 1978 ging dieser eine Aufnahme mit dem LSO für RCA, für die Abbado nur sehr wenige Einspielungen machte, voraus. Eine Eigenheit, die sich der größte Teil der Einspielungen zunutze macht, findet man auch in dieser Aufnahme wieder. Die Celli sind mittig links vom Dirigenten positioniert, die Kontrabässe rechts. So ergibt sich bereits zu Beginn der Ouvertüre ein breites Klangbild, ganz anders als bei der amerikanischen Aufstellung, wenn die Celli und die Bässe rechts vom Dirigenten spielen. Sie findet man in diesem Vergleich überhaupt nur ein paar Mal. In dieser Einspielung hören wir die Celli sozusagen in Großaufnahme, sodass die gesamte virtuelle Hör-Bühne zuhause ausgefüllt wird. Die Spielanweisung „dolce“ (zu Deutsch: „süß“) wird von den Cellisten des COE exemplarisch umgesetzt. Das erste Cello führt, die anderen folgen kammermusikalisch differenziert und äußerst transparent. Recht zügig geht es voran, sodass trotz schönsten Spiels die Elegie nicht überhandnimmt.

Die Gewitterstimmung lässt Abbado wie kaum ein zweiter spannend und geheimnisvoll im pp entstehen, die Pauken setzen bei B fast unmerklich ein, das folgende Crescendo kommt fast wie aus dem Nichts und steigert sich auf explosive Weise bis dann das ganze Orchester im ff in den schönsten Farben strahlt. Das reißt mit, zumal die Posaunen mächtig auf Zack sind und sozusagen der Windstärke den Marsch blasen. Aber Abbado wäre nicht Abbado, wenn selbst dabei nicht ein Schuss Eleganz mitschwingen würde. Er verzichtet auf ein übermäßiges Exponieren dieser (lautesten) Instrumente und achtet auf eine weich gerundete Artikulation. Eine feine Musikalität ist wie so oft der wichtigste Trumpf in Abbados Spiel. Die sf dagegen haben gehörigen „Schmackes“.

Im Andante, der „Pastoralen“ in dieser Ouvertüre gewissermaßen, werden Englischhorn und Flöte gleichermaßen ausgezeichnet geblasen, feiner und präziser geht es eigentlich nicht, versehen mit wunderbarer Kantabilität und gleichermaßen brillant. Die Äquilibristik erreicht eigentlich den Bereich der Vollkommenheit. Das klingt wunderbar imaginativ. Einfach perfekt ausgewogen und so stimmungsvoll, dass man die frisch vom Regen begossene Weide fast riechen kann, mitsamt ihren Kühen.

Auch beim COE setzen die Trompeten und Hörner beim Allegro vivace wunderbar strahlend ein, die Rhythmik wirkt straff aber auch elegant, woran man diese Einspielung unter all den anderen immer heraushören könnte. Da kommt auch die 78er mit dem LSO nicht heran. Der straff-sportive Gestus bekommt einen sehr fröhlichen bis überschwänglichen Ausdruck. Das ist ein gemeinsames Musizieren auf höchstem Niveau. Extrem brillant im ganzen Orchester, das auch im ff des Tutti noch bestechend klar klingt.

Das Klangbild ist kristallklar, sehr räumlich, sehr dynamisch, lebendig, natürlich und sehr differenziert. Es gibt auch keine Anzeichen einer Infektion mit „Digitalitis“, die die Digitalaufnahmen in den 80er Jahren noch oft heimsuchte.

 

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5

Fritz Reiner

Chicago Symphony Orchestra

RCA

1958

11:54

 

Nur zwei Jahre nach der ersten Einspielung der Ouvertüre für das „Living Stereo“-Label durch Artur Fiedler gab es bereits die zweite, nun als Teil einer ganzen LP mit Ouvertüren von Rossini. Sogar in Chicago rückte man von der amerikanischen Sitzordnung ab und die Celli nahmen etwas links von der Mitte Platz, die Bässe ebenfalls nicht wie so oft dahinter, sondern rechts vom Dirigentenpodium. Auch hier konnte der an der neuen Stereo-Technik interessierte Hörer die Vorzüge des weiterentwickelten, noch puristisch praktizierten Aufnahmeverfahrens bestens kennenlernen, denn es ergibt sich bereits mit dem ersten Einsatz der Bässe ein die gesamte Breite des Hörraumes einnehmendes Klangpanorama. Die Spielweise der Chicagoer Cellisten erscheint sehr kantabel und erstaunlich sanftmütig, eine Eigenschaft, die man nicht ohne weiteres der Musizierweise des gestrengen Fritz Reiner zuordnen würde. Dass das Celloquintett minutiös austariert erscheint, passt dagegen schon viel eher zum gewohnten Bild.

Chicago scheint ein Epizentrum für Alpenstürme zu sein. Er braut sich dieses Mal jedenfalls sehr spannend zusammen und entlädt sich mit einem sehr kräftigen ersten ff des Tutti. Die Posaunen-Staccati sitzen auf dem Punkt, oder sollte man besser auf den Punkten schreiben? Die Gran Cassa hat einen der ersten echt fulminanten Auftritte der Stereo-Aufnahmegeschichte. Das Orchester befindet sich in seinem ureigensten Element, zu erkennen unter anderem an der makellosen Präzision und der tollen Dynamik.

Beim Auftritt der beiden Holzbläser-Solisten gefällt der Part des Englischhorns deutlich besser als das der audiophilen Mitbewerber aus Boston mit Artur Fiedler und Detroit mit Paul Paray. Auch die Flöte besticht bereits damals mit einem wohldosierten geschmackvollen Vibrato, das damals noch vielerorts ziemlich ungezügelt erklang. Beide Solisten spielen auf gleicher Höhe, was soviel heißt, dass keiner von den beiden auf den „Nachbarberg“ versetzt wurde, um ein weites Klangpanorama zu erhalten. Es wird keine Echowirkung künstlich aufgebaut und beide Solisten spielen exakt gleich laut, wie es die Partitur fordert.

Der Galopp beginnt mit den besonders hervorgehobenen, überaus strahlenden und präsent klingenden Trompeten. Die Spielweise des Chicagoer Präzisionsensembles ist an Perfektion wohl nicht zu überbieten, wirkt aber hier alles andere als steril. Im Gegenteil ganz besonders straff und furios. Das Schlagwerk wird stark exponiert, wird aber dadurch keineswegs lästig, was bei anderen Ensembles oft der Fall ist. Der Aplomb wirkt noch virtuoser als bei Fiedler. Rossinis Anweisung „Tutta forza“ wird voll und ohne Abstriche machen zu müssen umgesetzt. Da verschleift nichts. Sagenhaft virtuos das Ganze und man staunt nicht wenig, was für ein tolles Orchester da aufspielt. Gerne hätten wir auch noch die Cleveländer mit George Szell gehört. Leider hat man uns in der Rossini-Ouvertüren-Sammlung dieses Orchesters den „Tell“ vorenthalten. Im Gegensatz zu Gamba und vor allem Abbado hören wir bei Reiner jedoch eine gehörige Portion „Drill“ mit, was an dieser Stelle jedoch durchaus mitschwingen darf, gehören doch die Schweizer Freischärler um Wilhelm Tell gewissermaßen doch auch zu einer Art Militär im weiteren Sinn dazu.

Wie in der 56er Fiedler-Einspielung rauscht es auch bei Reiner recht stark. Davon sollte man sich jedoch nicht stören lassen, denn die Offenheit, Transparenz und Dynamik gehören zum Besten dieses Vergleiches. Im uns vorliegenden Remaster klang es jedoch etwas weniger präsent als von den besten Reiner-Aufnahmen gewohnt. Beim Remastering hat man die Aufnahme offenkundig dem heutigen Zeitgeschmack ein wenig angepasst und die lebendige, hautnahe Präsenz ein wenig räumlich vergrößert und dadurch ein wenig Unmittelbarkeit weggenommen oder auch, wenn man so will „geopfert“.

 

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5

Eduard van Beinum

Concertgebouw Orchester Amsterdam

Decca-Membran

1952

11:35

 

Mono  Gegenüber den ersten drei bisher genannten Einspielungen hat die van Beinums den Nachteil, dass sie nur monaural aufgenommen wurde und dass die ungemein präsent aufgenommenen Celli zu Beginn (da fällt es zumindest am meisten auf) mit einem sehr starken, fast schon „zittrig“ zu nennenden Vibrato aufspielen. Besonders beim Solocello fällt das als Eigentümlichkeit (heutzutage) negativ auf. Damals mag es noch das Nonplusultra gewesen sein. Ihm fehlt durch den nasal geprägten Ton zudem auch noch eine gewisse mitfühlende Wärme. Dabei muss man das Spiel als besonders expressiv bezeichnen. Die bei anderen mehr oder weniger „süße“ Melancholie wird zur Elegie gesteigert.

Beim Allegro spielt das Holz bei seinen Einwürfen mit den jeweils drei Tönen nicht gerade pp, aber das mag aufnahmetechnische Gründe gehabt haben. Nichtsdestotrotz gelingt es van Beinum eine berstende Spannung zu erzeugen. Der Gestus ist schon zu Beginn nervös und aufgeregt, man erwartet offensichtlich eine Naturkatastrophe, vielleicht ein Synonym für den sich abzeichnenden Krieg. Das Crescendo gelingt außerordentlich soghaft, die ff-Entladung des Tutti mächtig. Die Posaunen spielen ein herausragend „hartes“ Staccato, das von keiner anderen Einspielung auch nur annähernd erreicht wird. Die Mono-Technik hatte ein gutes Gespür dafür sie zudem auch akustisch ins rechte Licht zu rücken. Sie treiben gewissermaßen das ganze Orchester an, sind also in übertragenen Sinn die den Sturm anfachenden Elemente.  Spätestens jetzt ist es völlig egal, ob man einer Mono- oder einer Stereo-Aufnahme lauscht, man wird in die Musik hineingezogen und vergisst die klanglichen Einschränkungen, die es zuvor noch gegeben haben mag. Die sf klingen berstend wie auch bei Abbado, Gamba oder Reiner nicht. Mächtiger Aufruhr im Concertgebouw, dessen eigentlich „warmherziges“ Orchester selten mit dieser Attacke zu hören ist wie hier. Keine andere Aufnahme bringt den Sturm als Urgewalt und Gefahrenmoment so deutlich rüber. Neben dem aufgetriebenen Spiel ist dafür eine ganz enorm gespreizte Dynamik verantwortlich, die modernere Einspielungen deutlich in die Schranken weist. Eine zum Vergleich zu dieser Ausgabe, die auf CD vorlag, herangezogene digitalisierte LP der Einspielung klang im Vergleich sehr matt, wie ein schwacher Abklatsch oder wie der dritte Aufguss.

Im Andante, oder auch „Pastorale“ zu nennenden dritten Abschnitt spielt das Englischhorn des Orchesters noch recht hart und hell, also ganz anders als heutzutage. Das Duo mit der Flöte erklingt jedoch hervorragend ausbalanciert, obgleich die Flöte bereits sehr voll und rund klingt. Das ist schon ein echtes Kunststück, die beiden extrem divergierenden Klang-Welten harmonisch zusammenzubringen. Es gelingt!

Das Allegro vivace beginnt mit Trompeten und Hörnern (!) mit imponierender Strahlkraft. Der Galopp selbst wirkt ein wenig gebremst, jedoch rhythmisch scharf umrissen und sehr präzise ausgeführt. Das „Tutta forza“ wird wie in Chicago vollumfänglich umgesetzt. Das Blech klingt wie das des LSO geradezu zum Niederknien. Wir hören hier ein ganz besonders motiviertes Spiel des ganzen Orchesters.

Der Klang der Aufnahme (zumindest in dieser Version von Membran, die Einspielungen van Beinums auf vier CDs präsentiert) ist obwohl monaural sehr transparent, prall und sehr dynamisch. Leider wenig räumlich und mitunter ein wenig gepresst. Er kann sein Alter also nicht ganz verheimlichen. Das Blech wurde mit ungeheuerer Strahlkraft eingefangen, die gesamte Aufnahme klingt keineswegs topfig wie so viele andere aus den 50ern. Bei Edition Beulah klingt die Aufnahme gleich um ein paar Klassen schlechter.

 

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5

Roy Goodman

Hanover Band

RCA

1995

11:06

 

Da dies gemeinsam mit der Einspielung der London Classical Players unter Roger Norrington die einzigen beiden mit historischen Instrumenten gespielten Aufnahmen sind, haben wir keine eigene Klasse eröffnet. Es sollte jedoch eigens darauf hingewiesen werden, dass das ganze Orchester ohne Vibrato spielt, was natürlich besonders bei den solistischen Passagen ohrenfällig wird. Im Celloquintett führt das zu einem Spiel, das jeder Veräußerlichung abhold ist. Auf eine besonders einsame und intime Art erscheint die Melancholie hier, ohne deshalb weniger sinnlich zu wirken.

Das pp zu Beginn der Sturmmusik wird ernst genommen, dem Holz gelingt dies nicht ganz so leise, ohne deshalb gleich ungehobelt zu wirken. An T. 86 wird ein mächtiges Crescendo angelegt, das in einer tollen ff-Entladung des ganzen Orchesters mündet. Wenn man die Einspielung van Beinums frisch im Ohr hat, erscheinen die historischen Posaunen jedoch nicht fulminant genug und zu weich gespielt, aber das wäre ein unfairer Vergleich, denn auch aufnahmetechnisch erscheinen sie lange nicht so exponiert. Die Hörner leisten dafür einen besonders intensiven Beitrag zur summa summarum leidenschaftlichen und mitreißenden Gesamtgestaltung der Sturmmusik.

Das würzig und farbenreich klingende Englischhorn erklingt mit einem markant unterbrochenen Legato und sauberer Artikulation und Intonation sehr zurückhaltend und verinnerlicht, während die Flöte frech „herumtriolt“. Bei aller Frechheit vergisst sie jedoch nicht, dass dem Englischhorn ganz leicht der Vortritt zu gewähren ist. Es ergibt sich eine ganz eigene Ausdruckskraft dieser Passage, die stimmig  und ganz besonders atmosphärisch wirkt.

Auch im Allegro vivace, dem Galopp, machen die tollen Hörner mit einem superben Crescendo auf sich aufmerksam, sodass die markigen Trompeten fast als zweite Sieger erscheinen. Beide spielen das vorgeschriebene ff. Bei Goodman bewahrt sich der Galopp tatsächlich noch viel von seinem eigentlichen Wesen. Eigentlich ist er nämlich ein Tanzes. Bei all den Zeichentrickfilmen, die man als Kind oder Jugendlicher gesehen hat, ist das längst zugunsten der Verfolgungsjagden aus dem Fokus geraten. Hier nun wirkt das Tempo mäßig, die Artikulation wirkt leicht, locker und geschmeidig. Unforciert und ohne „Drill“ wirkt der Ablauf doch pointierter und rhythmischer als bei den mehr oder weniger gelungenen Hochgeschwindigkeitsexzessen anderer Einspielungen. Es herrscht ein echter Jubel, dem sich die Hörenden trotz des mäßigen Tempos kaum entziehen können. Eine ungemein stimmige Einspielung mit der besonderen Würze der rustikalen Klangfarben der Originalinstrumente.

Innerhalb der Diskographie der Hanover Band fällt der gegenüber den Einspielungen bei Nimbus oder vereinzelt auch Hyperion wesentlich knackigere Sound positiv auf. Die übermäßige Halligkeit dieser Labels ist einer genau umrissenen präzisen Räumlichkeit gewichen. Die Klangfarben gefallen sehr, ebenso wie die markige Dynamik und das ungewohnt straff wiedergegebene Orchesterspiel, auf das wir fast nicht gebührend hingewiesen hätten.

 

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5

Artur Rodzinski

Columbia Symphony Orchestra

Columbia – BnF

1950

11:11

 

MONO  Die Einspielung wurde von einer Single-Platte aus den Beständen der Bibliothèque nationale de France, bei der die Ouvertüre beide Seiten einnimmt, digitalisiert. Die klanglichen Ergebnisse aus dieser Provenienz sind meist seriös und können sich auch in diesem Fall hören lassen. Die Celli spielen direkt vor der Nase der Hörenden. Ihr Vibrato ist angenehm, die Artikulation wunderbar kantabel. Allerdings, wie so oft bei älteren Mono-Einspielungen: Das pp wurde deutlich zum Lauten hin angehoben, wirkt also, um die angestrebte Stimmung zu erzielen, einfach zu laut. Das Allegro der Sturmmusik erklingt mit angezogenem Tempo und in einem besonders straffen Gestus. Der ff-Einsatz des Tutti klingt gut zusammen und mit geballter Kraft. Die Posaunen kommen zwar nicht so laut zur Geltung aber spielen mit kraftvoll vorantreibendem Impetus. Hohes Tempo gleich hohe Windstärke, diese Rechnung geht hier auf. Der Vierwaldstätter See schlägt gefährlich hohe Wellen. Während die „Pastorale“ wenig berichtenswertes (d.h. aus der „Norm“ fallendes) bereithält, beginnt der Galopp mit scharf artikulierten Trompeten. Sehr beweglich und gut rhythmisiert bekommt diese Passage einen fast schon aberwitzigen Drive mit. Die supervirtuosen Streicher müssen ob der geforderten Rasanz bis an ihr Limit gehen. Ein Spiel unter Hochspannung. Das wäre, da wir auf eine Einspielung von ihm müssen, sehr wahrscheinlich ähnlich auch bei Ferenc Fricsay so zu hören gewesen. Eine ähnliche Rasanz wurde selbst von Toscanini nicht ganz erreicht. Heutzutage, mit den Trickfilmen im Hinterkopf, kommt man kaum umhin die Satire gleich mit zu hören. Wahrscheinlich gibt es in dem Schallplatten-Orchester einen ganz hohen Anteil an New Yorker Philharmonikern und Mitgliedern des NBC Symphony Orchestra, die solche mörderischen Tempi bereits vom italienischen Meister gewöhnt waren. Jedenfalls haben sie das Tempo drauf.

Der Klang wirkt wie bereits angedeutet sehr präsent, sogar die Geräusche von den Stühlen der Musiker (knarren und ächzen) sind sehr gut zu hören, ohne dass sie nerven würden. Leider werden die vom Orchester zweifellos gelieferten dynamischen Kontraste von der Technik zu wenig hörbar gemacht. Das gelang bei van Beinum geradezu drastisch besser.

 

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5

Sir Malcolm Sargent

Wiener Philharmoniker

EMI

1960

12:27

 

Ganz anders als in der vorstehenden Einspielung klingen die Celli bei den Wiener Philharmonikern. Auch sie sitzen übrigens links mittig vor dem Dirigenten, mit Bässen über die gesamte Breite verteilt klingt ihr Spiel makellos und besonders beseelt, wie nur ganz selten. Schöner kann man sich das kaum vorstellen. Der fantastische Klang der Violinen, der Streicher allgemein wirkt auch in die Sturmmusik hinein. Das ff des ganzen Orchesters klingt klasse, ebenso die herausragenden sf. Auch die Posaunen und Hörner klingen super. Das Orchester scheint sich mit dem Dirigenten sehr wohl gefühlt zu haben.

Geschmacksache dürfte der Klang des Englischhorns sein. Er ist besonders stark dem Klang der Schalmei verpflichtet, klingt also urwüchsig und weist ins tiefe Mittelalter der Handlung. Die Philharmoniker selbst haben sich unterdessen längst von diesem Klang abgewendet. Was auch im mittelalterlichen Ambiente wenig zu goutieren ist, sind die Intonationsprobleme des Solisten und die Probleme die Phrasierung ohne unangebrachte Zwischenatmung durchzuhalten. Die Flöte spielt in diesem Duo um Längen besser.

Trompeten und Hörner(!) klingen im Allegro vivace herausragend. Da Sir Malcolm den Philharmonikern ein maßvolles Tempo gönnt, haben wir Gelegenheit uns dem herrlichen Klang der Wiener Violinen hinzugeben. Sie spielen mit sehr differenzierter Artikulation ohne jeden „Drill“ und sagenhaft dynamisch. Champagnerlaune inklusive.

Diese Einspielung lag uns, wie die van Beinums in zwei Versionen vor. Die EMI-CD rauschte zwar zart (Analog-Rauschen, nicht mehr), nahm aber mit ihrer hervorragenden Dynamik und ihrem klaren, ungemein körperhaften Klang der Superlative sehr für sich ein.

Der Download bzw. das Streaming der digitalisierten LP. von Beulah ins Netz gestellt, war sogar als Stereo-Klang zu identifizieren aber um Klassen stumpfer, erheblich weniger transparent, weniger dynamisch und drastisch weniger körperhaft. Es klang im Tutti reichlich dicht und am Ende sogar verzerrt. In einem Wort zusammengefasst: stümperhaft. Der Clou dann noch: Als Orchester soll hier das Royal Philharmonic Orchestra London fungiert haben. Eine weitere Einspielung mit Sir Malcolm konnten wir bei unserer Recherche allerdings nicht finden, zudem gab es keine Unterschiede im Tempo und das Englischhorn hätte eigens aus Wien eingeflogen werden müssen, denn es klingt ganz deutlich nach Wien. Zudem hat man das RPO bei EMI ein Jahr später mit Colin Davis um eine eigene Einspielung gebeten, bei der das britische Englischhorn eine sehr gute Figur abgab. Da scheinen echte „Spezialisten“ bei Beulah am Werke zu sein, die ihrem Metier wahrlich gewissenhaft nachgehen…

 

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5

Alexander Liebreich

Münchner Kammerorchester

Sony

2010

11:12

 

In dieser Aufnahme gesellen sich zu den Streichern des MKO die Bläser und Schlagzeuger des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Um das eröffnende „Morgengrauen“ in den Alpen muss man sich keine Sorgen machen, denn die Cellist(inn)en spielen ganz hervorragend. Der Sturm profitiert von einer mächtig donnernden Gran Cassa, während die „Einpeitscher“ des Sturmwindes, die Posaunen eher weich und rund als markig zu Werke gehen. Insgesamt wirkt der Sturm sehr virtuos und farbig.

Der pastorale Abschnitt führt uns exzellente Solisten-Leistungen zu Gehör. Ein brillantes Duo der Superlative. Allenfalls könnte man der Flöte vorwerfen, dass sie sich mitunter ein wenig nach vorne mogelt. Da stellt sich der virtuose Geist ein wenig vor das Gebot der Äquilibristik.

Das Vivace des Allegro kommt locker, geschmeidig und federnd. Es wird sehr brillant, differenziert und pointiert gespielt. Von militärischem „Drill“ spürt man in dieser modernen Einspielung nichts mehr. Eine Erkenntnis am Rande: Das MKO braucht sich an guten Tagen auch vor der Academy of St. Martin in the Fields oder dem Chamber Orchestra of Europe nicht zu verstecken.

Der Klang der Einspielung wirkt voll, rund, sehr plastisch und körperhaft. Die Dynamik ist, nicht zuletzt durch die fulminante Gran Cassa, ausgezeichnet.

 

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5

Neville Marriner

Academy of Saint-Martin-in-the Fields

Philips

1976

11:01

 

Vom Vergleich der „Semiramide“-Ouvertüre noch in bester Erinnerung, weiß auch der „Tell“ in Marriners Einspielung sehr zu gefallen. Anders als bei „Semiramide“ gefällt aber auch das Remake bei EMI mit der damals neuen Digitaltechnik aufgenommen sehr gut, sogar fast genauso gut wie das analoge Vorbild bei Philips elf Jahre zuvor.

Erneut erfreut das schlanke Musizieren, sogar bereits beim Celloquintett. Sehr zurückhaltend, fein, stimmungsvoll, very british, very sophisticated.

Der Sturm wirkt kompakt, ein wenig gedrungen, wuselig und trocken. Und sehr präzise. Fast klingt es ein wenig nach Etüde. Man kann annehmen, dass Marriner hier nicht mehr Show machen wollte als nötig. Es klingt etwas kleiner im Format als z.B. in Chicago. Der Sturm bleibt sozusagen ein Theatersturm, völlig zurecht möchte man ergänzen.

Auch in London spielen für uns hervorragende Solisten an Englischhorn und Flöte. Das Zusammenspiel wirkt beseelt, das „dolce“ des Englischhorns herausragend. Was besonders hervorzuheben ist: Es klingt alles vorschriftsmäßig leise und trotzdem geht der Vortrag nah. Sogar der Triangel klingt zurückhaltend. Marriner und die Techniker lassen sich nicht zu einem Blow-Up der drei wichtigesten Instrumente dieser Passage verführen.

Der finale Galopp klingt furios, rhythmisch betont trocken. Hier werden sozusagen Cracker serviert und keine Pralinen. Das Straffe und Herbe, die besondere Akkuratesse gefällt bei dieser Virtuosität ganz besonders. Seriosität steht hier vor Überschwang. Weniger Glanz als beim Chamber Orchestra of Europe und Abbado.

Der Klang der Philips-Aufnahme wirkt sehr plastisch, eher schlank und straff als wohl gepolstert aber alles andere als dünn. Er wirkt sehr reich an Klangfarben.

 

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5

Neville Marriner

Academy of Saint-Martin-in-the-Fields

EMI

1987

11:16

 

Klanglich wirkt die Academy nun weiträumiger aufgenommen und etwas fülliger. Der Klang ist ebenfalls sehr transparent. Die Timbrierung der Klangfarben ist nun weniger warm. Der hinzugekommene kühle „Touch“ ist auf die verwendete Digitaltechnik zurückzuführen. Seltsamerweise wirkt er beim „Tell“ weniger störend als bei „Semiramide“.

Das Spiel des Celloquintetts ist erneut sehr differenziert und zurückhaltend, erneut getragen von einer hervorragend genauen Artikulation, eben erneut very british.

Der Sturm wirkt nun etwas dynamischer, die Posaunen mit einem sehr flinken Staccato weniger gewichtig und insgesamt etwas zügiger. Erneut hören wir die schlanke Tongebung eines sehr virtuosen Kammerorchesters und keinen aufgesetzten Naturalismus.

In der pastoralen Szene wirkt das Holz nun weiter weggerückt. Das Englischhorn ist noch weiter entfernt als die Flöte. Man bekommt einen weiten Blick über die Schweizer Alm suggeriert.

Die Tongebung bei Trompeten und Hörnern wirken nun gelassener. Kein Übereilen, kein Trickfilm Déjà-vu. Es klingt nun nicht mehr ganz so flink wie ´76, vielleicht noch ein wenig seriöser, aber immer noch betont trocken und straff. Ein Rossini der goldenen Mitte, sehr sauber, sehr transparent. Ein wenig mehr Feuer wäre sicher noch drin gewesen, locker. Aber nichts übertreiben heißt hier die Devise.

 

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5

Colin Davis

Royal Philharmonic Orchestra, London

EMI

1961

11:30

 

Insgesamt wirkt auch dieses Celloquintett aus London sehr präsent, seltsamerweise wirkt jedoch gerade das erste Cello gegenüber den anderen zurückgesetzt. Die Pauke schwillt ganz deutlich an, dass auch niemand die Vorboten des Sturmes überhört. Insgesamt wirkt die Darbietung der Celli sehr expressiv gespielt und auf uns Hörende sehr intensiv.

Im Sturm kommt Mr. Davis richtig zur Sache. Die Stimmen der Hörner werden deutlich herausgearbeitet. Der ff-Einsatz des Tutti wirkt sehr engagiert. Das Unwetter wirkt sehr stürmisch und strahlt durchaus Gefahr aus. Die Posaunen brillieren mit superbem Staccato. Das Orchester spielt sehr dynamisch und man merkt dem Beecham-Orchester an, dass es damals eines der besten überhaupt war.

In der pastoralen Sequenz klingt das Englischhorn gar nicht wie das typische „Philharmonia“-Englischhorn dieser Zeit. Ob man eigens eins vom Kontinent eingeflogen hat? Das soll öfter vorgekommen sein, wenn ein Dirigent andere Vorlieben hatte. Beispiele sind uns im Moment leider nicht präsent… Mit der Flöte zusammen gelingt eine einnehmende, sehr stimmungsvolle Darbietung. Das Englischhorn beteiligt sich mit seinem flüssigen, kantablen, gar nicht einmal so herben Beitrag sehr gut am Gesamtgelingen.

Die immense Qualität des Orchesters merkt man auch dem Galopp an. Trompeten und Hörner werden sehr gut hervorgehoben, das Spiel wirkt sehr transparent. Besonders die Trompeten und die Posaunen sind wegen der markigen Einsätze hervorzuheben. Die Streicher spielen sehr virtuos. Das Orchester scheint in einer sehr gut gelaunten Verfassung gewesen zu sein und erreicht fast das Niveau des LSO mit Gamba.

Das Rauschen ist erneut ziemlich deutlich. Der Gesamtklang ist für die Zeit (und für EMI-Verhältnisse) ungewöhnlich transparent, sehr dynamisch und recht körperhaft. Der Bass kommt schon sehr gut zum Tragen. Von den zahlreichen EMI-Einspielungen der Ouvertüre aus den 50er und 60er Jahren gefällt diese mit der Sargents gemeinsam am besten.

 

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5

Thomas Hengelbrock

Sinfonieorchester des NDR Hamburg (heute: NDR Elbphilharmonie Orchester)

NDR, Live, unveröffentlicht

2011

10:47

 

Dieses Konzert fand ganz am Anfang der Zeit statt, in der der Dirigent Chef des Orchesters war. Die Celli spielen ohne Vibrato und wirken recht deprimiert, erst mit dem Paukenwirbel kommt mehr Bewegung ins Spiel, scheint sich die Stimmung aufzuhellen. Anscheinend freut man sich in Hamburg bereits da auf einen zünftigen Sturm in den Schweizer Alpen spielen zu dürfen.

Das Blech spielt dann auch rasant, die Posaunen allerdings erstaunlich weich, also ohne das harte Staccato eines van Beinum oder Reiner. Sehr anschaulich wirkt es trotzdem und vor allem auch sehr transparent, gerade wenn man bedenkt, dass wir „nur“ einem Mitschnitt aus dem Radio lauschen. Die Holzbläser in der Pastoralen lassen nichts anbrennen, klingen und spielen sehr schön (und ohne Vibrato). Das Englischhorn bleibt dominierend, die Flöte bei aller Grazie untergeordnet.

Vollends begeistert das Spiel des Orchesters dann beim Allegro vivace. Das Spiel ist locker und geschmeidig mit einem luftigen Rhythmus, ohne jeden militärischen Drill versehen und dabei sehr beschwingt. Es wird ein hohes Maß an Fröhlichkeit zum Ausdruck gebracht. Wer hätte das von den Hanseaten so ohne weiteres erwartet? Trotz des perfekten Spiels und der Frische der Darstellung wird keine Hochglanzvirtuosität zur Schau gestellt. Das macht die Darbietung auch noch sympathisch.

Der Klang der Übertragung war offen und dank hervorgehobener Gran Cassa sehr dynamisch, sehr transparent und bassstark.

 

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5

Artur Fiedler

Boston Pops Orchestra

RCA

1956

11:44

 

Auch in dieser ganz frühen Stereo-Aufnahme der RCA spielen die Celli von links mittig, die Bässe von rechts. Das Quintett wird gut gespielt, aber klang auch schon poetischer und sehnsuchtsvoller. Der Sturm liegt den Mitwirkenden besser in den Fingern. Die Gran Cassa kommt bereits ziemlich prominent zum Tragen, Posaunen und Hörner ebenfalls. Die sf werden gut hervorgehoben. An den Impetus des Concertgebouw-Orchesters unter van Beinum oder an die geschliffene Eleganz des COE unter Abbado kommen die Bostoner dieses Mal nicht ganz heran.

Das Englischhorn in der pastoral klingenden Passage klingt besonders schalmaienhaft und bildet ähnlich wie in der Wiener Aufnahme mit Sir Malcolm Sargent einen denkbar großen Kontrast zur hier ganz besonders kantablen, geschmeidig gespielten Flöte. Als Hirtenweise, die aus dem Mittelalter herüberklingen soll, mag das dieses Mal „ungeahndet“ durchgehen. Up-to-Date klingt das jedoch schon lange nicht mehr. Die ebenfalls prominent ins Klangbild sich einfügende Triangel klingt so laut, dass sie als Kuhglockenimitation bestens geeignet erscheint. Insgesamt wirkt die Szene so urig, dass man Boston fast schon in den Schweizer Alpen, unweit des Vierwaldstätter Sees verorten könnte.

Die Trompeten, die den Galopp einleiten werden bei ihrem ff mit herrlichem „Schmackes“ gespielt. Man sieht vorm inneren Auge geradezu, wie Herrn Fiedler ein Lächeln über das Gesicht zieht. Der Zugriff ist temperamentvoll und dynamisch, der Rhythmus angeschärft und feurig. Klanglich wird da bereits fast mit den ersten Versuchen (die liegen gerade mal zwei Jahre zurück) bereits ein stereophones Klang-Feuerwerk abgebrannt. Die 5 gibt es vor allem wegen des Allegro vivace.

Leichtes Rauschen wie eigentlich immer bei den Aufnahmen jener Zeit. Es begeistert auch heute noch die hautnahe Präsenz und die sagenhafte Transparenz, auch im ff des Tutti. Da wurde für lange Zeit ein Standard gesetzt, der lange nicht übertroffen wurde.

 

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5

Paul Paray

Detroit Symphony Orchestra

Mercury

1959

11:06

 

Heute mag es vielleicht seltsam anmuten, dass sich das (allerdings recht kurzlebige) Label Mercury für eine Vielzahl seiner Orchester-Aufnahmen Detroit ausgesucht hatte. Aber New York und Philadelphia waren bereits bei CBS unter Vertrag, Chicago und Boston bei RCA. Außerdem war die Stadt damals „die“ Autostadt überhaupt und man prosperierte ungemein. So konnte man sich in Detroit durchaus ein teures Orchester mit ausgewählten Musikern und einen Dirigenten von Format leisten. Obwohl der Dirigent aus Frankreich kommt spielt dieses Orchester als eines der wenigen die „Tell“-Ouvertüre in der amerikanischen Sitzordnung. Die Celli sitzen somit rechts vom Dirigenten, die Bässe noch weiter rechts. Man verzichtet also auf die optimale Präsentation der neuen Technik und belässt das Celloquintett und die begleitenden Bässe auf einer Seite, der rechten. Trotzdem klingt es herausragend transparent und sehr profund, Zudem flüssiger vom Tempo her als bei Fiedler, ohne aber hastig zu sein. Eine Eigenschaft mit der der Dirigent bei anderen Gelegenheiten schon aufgefallen ist.

Der Sturm hat vergleichsweise wenig Spannung und wird ein wenig zu etüdenhaft gespielt, das Crescendo hingegen mitreißend und soghaft, der ff-Einsatz des vollen Orchesters gelingt dann herausragend. An stürmischem Temperament mangelte es dem Orchester damals nicht. An die Perfektion der Chicagoer unter Reiner kommt es jedoch nicht heran.

Das Englischhorn klingt sogar noch etwas besser, das heißt etwas voller und nicht ganz so schalmaiend wie in Wien oder Boston. Die relativ große Entfernung zur Flöte soll wahrscheinlich die neuen Errungenschaften der Stereo-Technik ins rechte Licht rücken und die Weite des Ortes der Handlung suggerieren.

Trockener, rasanter und feuriger als in dieser Einspielung lässt sich der Galopp kaum noch spielen. Paray lässt das Aufnahmeequipement ein uns andere Mal fast zum Übersteuern bringen bis weit in den roten Bereich. Wir hören so auch einmal wie die Piccoloflöte nach Herzenslust geblasen wird. So deutlich hört man sie im ganzen Vergleich nicht mehr. Insgesamt wirkt der Galopp, ja die ganze Ouvertüre jedoch kühler dargeboten als bei van Beinum, Abbado, Fiedler oder Sargent. Dennoch kann man sich der mitreißenden Rasanz des Finales kaum entziehen. In jedem Fall gibt Monsieur Paray der „Tell“-Ouvertüre ein ganz eigenes Profil. Man würde sie unter den 72 Einspielungen sofort erkennen. Das alleine ist schon eine Kunst.

Die „Living Presence“ rauscht ein wenig lauter als die beiden „Living Stereos“. Ansonsten klingt sie sagenhaft offen, transparent und dreidimensional. Die Basswiedergabe ist herausragend.

 

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4-5

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1953

11:56

 

MONO  Von Arturo Toscanini lagen uns zwei Einspielungen der Ouvertüre vor. Die erste mit demselben Orchester ebenfalls für RCA stammt von 1939. Das Remake von 1953 fand eine sehr große Verbreitung. Alleine bei uns lag es fünf Mal in jeweils verschiedenen Kopplungen (Kompilationen) vor. Die aufziehende Stereo-Revolution hat sie gerade einmal um ein Jahr verpasst.

Die Celli kommen hier natürlich komplett aus der Mitte. Das Quintett hört sich an, als wären nicht fünf sondern 12 Celli daran beteiligt. Anscheinend ließ Toscanini jede Stimme zumindest verdoppelt. Die Wirkung ist somit orchestral und trotz der Mono-Technik sehr voluminös. Toscanini ist der einzige Dirigent, der so vorgeht. Selbst Karajan, sonst des Verdoppelns nicht abgeneigt, sah sich dazu nicht veranlasst.

Im Sturm bewährt sich das Orchester vortrefflich. Der Impetus ähnelt sehr dem bei Reiner gehörten. Man spielt mit viel Biss.

Die Gran Cassa spielt straff und voluminös, das Holz klingt etwas härter als in Chicago.

Das Englischhorn klingt nicht ganz frei von Unreinheiten und wirkt etwas quäkend und erinnert erneut an eine Schalmei, wird aber mit Emphase gespielt, wie auch die sehr klangschöne Flöte. Das Englischhorn führt, die Flöte untermalt. Der Triangel klingt bereits sehr präsent. Toscanini lässt sogar etwas Rubato zu.

Beim Galopp kommen zu Beginn die Trompeten und Hörner sehr präsent zum Zuge. Wie bei Reiner wirkt der Rhythmus sehr straff, nicht ganz so feurig aber noch etwas militärischer, zackiger. Die Dynamik steht gegenüber den nur wenig nachfolgenden Aufnahmen von Fiedler und Reiner nur wenig nach, wirkt aber für ´53 herausragend und kommt an die Glanzleistung bei van Beinum fast heran. Das Orchester macht richtig „Alarm“ und spielt enorm beherzt.

Obwohl nur Mono wirkt die Aufnahme sogar ein wenig räumlich differenziert und erstaunlich transparent. Akustisch ist dies eine der allerbesten Toscanini-Einspielungen überhaupt. Auch der Frequenzbereich wirkt erfreulich weit.

 

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4-5

Charles Dutoit

Orchestre Symphonique de Montréal

Decca

1992

11:23

 

Wie gewohnt füllen die Celli und die Kontrabässe wieder die komplette Breite des heimischen Hörraumes.  Wie in den 90er üblich will man viel Raum hören, weshalb die Musiker ein wenig nach hinten versetzt erscheinen. Im Zusammenklang werden erstes und zweites Cello deutlich vor den anderen bevorzugt.

Die Sturmmusik wirkt sehr gut, profitiert von den stark exponierten, kräftigen Posaunen.

Das Englischhorn spielt für ein notiertes pp sehr laut und klingt auch sehr präsent gegenüber den zurückgesetzten Celli zu Beginn, denen ein echtes pp, wie von Rossini gewünscht, noch genügte. Da haben die Decca-Techniker die Balance etwas aus den Ohren verloren. Das kommt davon, wenn jeder einzelne Abschnitt mit den jeweils besten Einstellungen aufgenommen wird und sie anschließend zusammengefügt werden. Man verliert leicht den Blick auf das Ganze. Ähnliches gilt auch für die Flöte, die noch weiter nach vorne zu kommen scheint. Nichtsdestotrotz klingt sie ganz ausgezeichnet und das Duo mit dem Englischhorn wirkt als gemeinsame Darbietung sehr musikalisch, wenngleich die Flöte das Duo zu dominieren sucht. Sie spielt sehr lebendig, umgarnt das fast schon bemitleidenswerte Englischhorn mehr als es die musikalische Etikette im Duo eigentlich erlaubt (spielt es an die Wand, wie die Musiker gerne sagen). Verkehrte, aber einfach umwerfend gespielte Welt.

Der Galopp profitiert vom ungemein geschmeidigen Spiel des ganzen Orchesters in bester Transparenz. Mitunter, wenn man sehr gut aufpasst, hört man leichte Koordinationsmängel im Zusammenspiel bei den Hörnern.

Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent, auch im ff des Tutti. Auch die Staffelung gelingt überzeugend. Er ist auch dynamisch und ausgewogen, wenn man vom Blow-Up im pastoralen Abschnitt einmal absieht.

 

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4-5

Mariss Jansons

Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks

BR, Live-Sendung,

bisher unveröffentlicht

2018

11:25

 

Auch im Mitschnitt (in 5.1-Technik) aus dem Herkulessaal sitzen die Celli links, die Bässe rechts vom Dirigenten. Die Celli spielen mit warmem Klang und einem sehr gefühlvollen, betörenden Vibrato. Die Pauke spielt ihre beiden Einsätze während der „Morgendämmerung“, wie der erste Abschnitt mitunter auch genannt wird. mit einem auffallend starkem Crescendo, sodass jedem auffallen muss, dass sich da etwas Unheilschwangeres ankündigt.

Im Sturm selbst spielen die Posaunen ihr Staccato sehr weich und abgerundet. Das Tempo bleibt gelassen. Der Sturm ist aber auch ohne hohe Windgeschwindigkeit ziemlich heftig, was nicht zuletzt an der kontrastreichen Gestaltung liegen mag. Die Transparenz des Mitschnitts ist auch im Tutti ganz hervorragend.

Das pastorale Duo ist klanglich und räumlich bestens austariert. Die musikalische Darstellung wirkt ausgereift, wie aus einem Guss. Flöte und Englischhorn auch einzeln betrachtet spielen auf höchstem klanglichem Niveau.

Der abschließende Galopp klingt sehr kontrastreich und effektvoll. Hervorzuheben ist der volle, geradezu üppige Orchesterklang. Man scheint bei der Besetzung der Streicher nicht gespart zu haben. Besonders die p-Stellen lassen aufhorchen durch ihren substanzreichen Sound und den fließenden Rhythmus. Den schweizerischen Freiheitskämpfern eine raue und harte Gangart zu unterstellen zu wollen, wäre angesichts der sublimierten Spielweise des Münchner Orchesters eine glatte Fehldeutung.

Die Staffelung des Orchesters gelingt ganz hervorragend. Auffallend ist die mächtige Gran Cassa. Da macht sich vielleicht auch der separate Kanal für den Subwoofer verstärkend bemerkbar. Den kann jedermann jedoch selbst so einstellen, wie er/sie es für richtig erachtet. Und manche mögen es kräftiger, andere zurückhaltender.

 

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4-5

Fabio Luisi

Orchester der Wiener Staatsoper

Orfeo, Live

1998

11:32

 

Aus einer GA In dieser Live-Einspielung aus der Staatsoper sitzen zur Abwechslung die Celli und die Bässe beide einmal links. Trotzdem klingt das Celloquartett sehr differenziert und transparent und die Bässe dazu sehr profund. Der Vortrag wirkt besonders „bewusst“ gestaltet und ist von ausgezeichneter Klangqualität.

Bei den Live-Gesamtaufnahmen muss man natürlich mit einbeziehen, dass das Hauptaugenmerk der Klangtechnik auf den Sängern liegen wird, sodass das Orchester unter Umständen nicht so präsent und differenziert wegkommt wie bei Konzertaufnahmen. Diesen Eindruck hat man in Wien nicht, wenngleich die Posaunen im Sturm nicht so exponiert erscheinen, wie es nach Kenntnis so vieler Einspielungen wünschenswert gewesen wäre. Man wird aber durch ungemein präsente Hörner entschädigt. Das Spiel des Orchesters ist exzellent.

Auch 1998 lässt das Englischhorn in Wien noch einen Klang angelehnt an eine Schalmei hören. Der Vortrag ist jedoch gegenüber 1960 erheblich differenzierter, musikalisch ausgefeilter und intonationssicherer. Mit der Flöte stellt sich völlige Äquilibristik ein. Beider Vortrag bleibt Teil des orchestralen Gesamtgeschehens, wird also nicht eigens von der Technik herausgestellt.

Der Galopp profitiert vom exzellenten Blech und vom anspringenden Vivace. Die Kontraste werden ausgereizt. Sehr gute Transparenz auch im ff des Tutti. Das Spiel des Orchesters wirkt engagiert, was sehr erfreulich ist, hat man doch noch vier Stunden Grand Opéra vor sich. Der Orchesterklang wirkt trotz der Aufnahme im Orchestergraben ausgewogen. Nur dynamisch wirkt er ein wenig gebremst (wie bereits erwähnt, da müssen noch Reserven für die Sänger bleiben).

Trotz dieser Einschränkung wirkt der Klang der Einspielung offen, voll und körperhaft. Einige Geräusche von der Bühne und vom Publikum kommen auch schon bei der Ouvertüre durch. Das wirkt nicht störend oder gar lästig und steigert durchaus die Live-Atmosphäre.

 

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4-5

Yehudi Menuhin

Sinfonia Varsovia

Sony, Classic FM

1998

12:03

 

Das Celloquintett in dieser Einspielung wirkt sehr kantabel und innig. Dass das Orchester damals sehr gut besetzt war erkennt man schon in der Sturmmusik ganz gut. Der erste Einsatz des Tutti bei C ist gut zusammen, sehr kräftig und wuchtig. Die Posaunen klingen gut akzentuiert, die Gran Cassa füllig und gut konturiert. Bei Lord Menuhin hat das Unwetter einen beschwingten Gestus, der zwar wenig Angst und Schrecken verbreitet, aber besonders musikalisch wirkt. Man vergisst nicht, dass man in der Oper sitzt.

Auch Englischhorn und Flöte sind ausgezeichnet besetzt, spielen klangvoll, geschmeidig und intonationssicher. Ein Duo auf Augenhöhe mit einem leichten Übergewicht der Flöte, die ganz hervorragend zur Geltung kommt. Dass die Flöte das brillantere Instrument ist wird so ein klein wenig überdeutlich.

Das Allegro vivace beginnt mit warm und weich klingenden Trompeten. Das Tempo treibt Menuhin gut an, das Vivace nimmt er wörtlich. Die lebendige Gestaltung bevorzugt allerdings ein klein wenig die Stimmen der Violinen. Wer möchte es dem Lord verübeln, dass er auf „sein Instrument“ besonderes Ohrenmerk hat? Insgesamt entfacht der Galopp viel Drive und ordentlich „Schmackes“. Eine sehr gelungene Darstellung, die dem Orchester ein hohes Maß an Virtuosität bescheinigt.

Auch die Klangqualität ist sehr gelungen. Sie wirkt klar und räumlich, voll, rund und ziemlich körperhaft. Das Orchester wird gut gestaffelt abgebildet und bringt warme Klangfarben mit.

 

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4-5

Riccardo Chailly

National Philharmonic Orchestra

Decca

1979

12:15

 

GA  Von Signore Chailly liegen uns zwei Einspielungen vor. Während diese aus einer Gesamtaufnahme aus dem Studio (das ist eine Seltenheit) entnommen wurde gibt es noch eine mit dem Orchester der Mailänder Scala, die aus einer CD mit einer Sammlung von Ouvertüren Rossinis entstammt. Insgesamt ist der älteren Aufnahme der Vorzug zu geben, denn der Klang wirkt satter und das Orchester plastischer und brillanter. Die spätere Einspielung erscheint allerdings zügiger.

Schon die Celli zeigen die Unterschiede der beiden Einspielungen deutlich auf. Das Quintet spielt langsamer und beschaulicher. Die Szene wirkt so idyllischer, was den nachfolgenden Sturm noch kontrastreicher werden lässt. Der Klang der Celli ist zudem voller und weicher als in Mailand, zudem transparenter.

Im stürmischen Allegro werden die Posaunen gut exponiert, wirken allerdings mehr bremsend als aufpeitschend. Die sf werden gut hervorgehoben und die Hörner machen plastisch auf sich aufmerksam.

Englischhorn und Flöte klingen sehr deutlich und klar aus den Lautsprechern. Seine Soli spielt das Englischhorn in wiegendem Rhythmus. Dem Hirten, der da seinen Kuhreigen anstimmt, muss eine ausgezeichnete Musikalität attestiert werden. Die Flöte wirkt völlig gleichwertig.

Der Galopp wird vom brillanten und impulsiven Blech ganz gut angetrieben. Das Tutti klingt erheblich brillanter als in Mailand. Das Spiel des Londoner Plattenorchesters wirkt sehr sauber, der Gesamtklang ein wenig „gedrungen“. Auch das Spiel in diesem abschließenden „Showpiece“ wirkt eher gediegen als spritzig.

 

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4-5

Claudio Abbado

London Symphony Orchestra

RCA

1978

11:25

 

Schon das Celloquintett klingt etwas distanzierter als in der späteren Einspielung Abbados mit dem COE (1989). Es klingt auch orchestraler, weniger kammermusikalisch, verfügt aber über wunderbar warme Klangfarben. Während in dieser Aufnahme das erste Cello links spielt, werden die anderen Celli und die Bässe rechts abgebildet, sodass erneut die komplette Hör-Bühne ausgefüllt wird.

An der Sturmmusik merkt man, dass das LSO stärker besetzt ist als das COE. Dennoch spielt es weniger pp und weniger geheimnisvoll. Gleich von Beginn an herrschen hier jedoch höhere Windstärken. Die Posaunen wirken noch exponierter und spielen ihr Staccato härter. Dynamisch wirkt der Sturm nicht so geweitet wie 1989. Zudem klingt das COE knackiger.

Das Andante des pastoralen Abschnitts nimmt Abbado ein wenig langsamer als 1989. Das Englischhorn klingt nicht so weich und rund, deutlich schalmeienhafter und weiter entfernt als beim COE. Es ist auch von der Flöte markant abgerückt worden, weiter als es der Abstand in der normalen Konzertaufstellung suggerieren würde. Das Bild passt jedoch noch, denn das „Gespräch“ zwischen den beiden wird noch als Dialog wahrnehmbar. Von einem engen musikalischen Umschlingen kann jedoch kaum die Rede sein.

Im Allegro vivace klingen die Trompeten und Hörner herrlich. Der Gestus ist überschwänglich, das Spiel rhythmisch pointiert. Man merkt, dass hier ein größer besetztes Orchester musiziert als das COE, dennoch klingt es weniger prall. Auch nicht ganz so straff und federnd. Das COE wirkte zudem noch ein wenig inspirierter. Es mag sein, dass der groß dimensionierte Aufnahmeraum das schlanke und knackige Spiel ein wenig unterläuft. Das Zusammenwirken von Orchester und Aufnahmeraum gelang den Technikern der DG stimmiger,

Der Klang der Aufnahme ist großräumig und vor allem sehr breit. Das Orchester wirkt wie in der DG-Aufnahme ebenfalls transparent jedoch distanzierter. Die Klangfarben wirken noch weich und warm, sie geben die Aufnahme eindeutig als eine analoge aus.

 

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4-5

Riccardo Muti

Philharmonia Orchestra London

EMI

1979

11:24

 

Ein Jahr später als Abbado wurde sein großer Antipode, wenn es um die italienische Oper ging, von seiner Plattenfirma ins Aufnahmestudio gebeten. Auch diese Einspielung gibt sich sogleich als analog zu erkennen. Es gibt übrigens noch zwei weitere Einspielungen Mutis von der Ouvertüre, eine im Rahmen einer Gesamtaufnahme der Oper für Philips aus Mailand und einen weiteren klanglich völlig misslungene Live-Mitschnitt aus Florenz, den man besser nicht veröffentlicht hätte. Beide werden im Vergleich gelistet.

Die Celli und Bässe nehmen erneut die gesamte „Sonicstage“ ein. Die Celloelegie klingt sehr warm und weich gerundet.

Im Sturm werden die Posaunen sehr gut exponiert, von den Hörnern hört man indes wenig. Immer wieder werden sie in Aufnahmen durch den indirekt abgestrahlten Klang benachteiligt. Hellhörige Techniker sorgen durch spezielle Reflektoren für Abhilfe, wenn der Raum ungünstig ist. Aber auch ohne Hörner gelingt es Muti und dem Philharmonia das Unwetter tumulthaft geschärft zu steigern.

Wie zehn Jahre später in Milano sind Englischhorn und Flöte gleichberechtigte Partner. Seltsam ist es jedoch, dass das Englischhorn links von der sowieso schon links positionierten Flöte zu hören ist. Diese pastorale Passage klingt in London sehr melancholisch und träumerisch.

Beim turbulenten, fast rasenden Galopp scheint das ehrwürdige Philharmonia Orchestra fast Feuer zu fangen. Zum Ende hin baut Muti noch eine mitreißende Stretta-Wirkung mit ein. Im ff des Tutti klingt das Orchester leider nicht mehr sonderlich transparent. Da sind Abbado (COE) und sogar van Beinum in der Mono-Aufnahme von 1952 besser davongekommen.

Diese Einspielung ist wie die von Abbado (LSO, 1978) großräumig und weich gerundet. Die Dynamik ist gut. Leider ist der Gesamtklang zu hallig geraten, was besonders für die Transparenz negative Auswirkungen mit sich bringt.

 

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4-5

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS-Sony

1963

11:23

 

Leonard Bernstein ist auch bei der „Tell“-Ouvertüre einer der wenigen Anhänger der amerikanischen Sitzordnung. Die Celli spielen also rechts von ihm, die Bässe ordnen sich dahinter an. Obwohl sich die Celli nun einmal nicht über die gesamte „Sonicstage“ verteilen, sind die Stimmen doch sehr transparent und gut zu differenzieren. Das erste Solocello ist harmonisch in die Gruppe integriert.

In der Sturmmusik erreicht Bernstein und sein Orchester eine anschauliche Bildhaftigkeit. Der erste ff-Einsatz des Tutti lässt er nicht mit aller Kraft spielen. Die Posaunen spielen gut, lassen aber die anscheinend unnachahmlich scharfe Attacke der Amsterdamer unter van Beinum vermissen.

Im beschaulichen pastoralen Andante spielt das Englischhorn schon mit einem recht milden Ton, der kaum noch an die Härte früherer Zeiten erinnert. Das Timbre gefällt schon ganz gut. Die Flöte ist nur wenig präsenter und nimmt bei aller entfalteten umspielenden Virtuosität Rücksicht auf die Weise des Englischhorns und deckt sie nicht zu. Denn sie sind beide eng beieinander positioniert.

Das Orchester zeigt sich beim Galopp von der feurig-virtuosen Seite und wie schon erwartet bekommen die Hörenden gegen Ende auch noch eine ekstatische Steigerung serviert. Das Tutti wirkt ziemlich voluminös, was auf eine opulentere Besetzung der Streicher schließen lässt, dennoch bleibt die Transparenz ganz gut erhalten. Bernstein gefällt mit „Tell“ viel besser als mit „Semiramis“.

Generell wirkt der Klang der Aufnahme sehr transparent (wenn man von den leichten Einschränkungen im ff des Galopps einmal absieht) räumlich und gut gestaffelt. Die Bühne wirkt ziemlich breit. Die Dynamik ist gut, aber nicht herausragend. Das neuere der beiden uns vorliegenden Remaster (aus der Bernstein Gesamt-Edition) klingt besser als das ältere (Royal Edition).

 

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4-5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DG

1971

11:54

 

Von HvK liegen uns drei Einspielungen vor. Die erste von 1960 entstand noch mit dem Philharmonia Orchestra London für EMI, die dritte als Digital-Remake dann wieder mit den Berlinern für die DG (1983). Die mittlere von 1971 konnte uns am besten gefallen.

Die Celli wirken fülliger, weicher, körperhafter und geschmeidiger gespielt als 1960 (und als 1983). Es klingt traumhaft schön und sehr expressiv. Die Artikulation wirkt durchaus noch schlank, das Vibrato geschmackvoll. Zudem ist der sehr hohe Spitzenton des ersten Cellos am Ende der ersten Szene (T. 47) von den drei Einspielungen deutlich am saubersten und brillantesten gelungen.

Die Sturmszene mit einem sehr spannenden Einstieg und einem tollen Crescendo bietet auch das beste ff des Tutti (C, T. 92) innerhalb des Trios an Karajan-Einspielungen, weil kräftig und präzise. Die Posaunen (viel klarer als in London) klingen ganz hervorragend und bestechen mit einem recht scharf artikulierten Staccato (für Karajan-Verhältnisse).

Im pastoralen Andante wird dem Englischhorn ein prominentes Plätzchen genau in der Mitte des Orchesters gegönnt.  Es erscheint sogar noch mit einem „Halo“ versehen, wenn man so will ein säkularer Heiligenschein, eine leichte Hall-Aura. Es dominiert damit sogar die Flöte, die man sich voller und sonorer, einfach schöner kaum vorstellen könnte.

Trompeten und Hörner im flott angetriebenen Galopp lassen keine Wünsche offen. Das Orchester spielt sehr virtuos, klingt aber insgesamt ein wenig „speckig“. Klanglich nicht aber rhythmisch, denn der Rhythmus ist eigentlich feurig. Im Gesamteindruck neigt der Klang dazu an Transparenz zu verlieren, vor allem im ff. Dann wirkt auch die Dynamik ein wenig eingebremst. Das macht die Neueinspielung von 1983 aber auch nicht besser.

Der Klang ist 1971 erheblich farbiger als 1960, auch transparenter und fülliger. Der Orchesterklang wirkt überaus reichhaltig, alles andere als schlank im engeren, klassischen Sinn. Im Gegenteil, er wirkt im besten Sinn vielschichtig, neigt an manchen Stellen aber zur Opulenz. Diese Einspielung ist der Tipp für die Klang-Gourmets und diejenigen, die einfach einmal im Luxus(klang) schwelgen möchten.

 

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4-5

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS-Sony

1968

11:47

 

Wie Leonard Bernstein hat sich auch Eugene Ormandy für die Beibehaltung der amerikanischen Sitzordnung entschieden. Celli und Bässe sitzen hier also rechts vom Dirigenten. Das Celloquintett klingt sehr voluminös und großformatig. Auf ein p oder gar pp wird zugunsten eines raumfüllenden f verzichtet. Es ist zudem nicht nur der Klang großformatig, auch die Spielweise. Ein größerer Kontrast zum Spiel der Londoner Academy ist kaum vorstellbar.

Auch die Vorahnungen zum eigentlichen Sturm beginnen schon in einem gesunden mf, statt im pp. Das kennt man schon alles von vielen Einspielungen aus Philadelphia, das Spiel ist meist auf größtmögliche Wirkung ausgelegt, gerade bei „Showpieces“, zu denen man auch die „Tell“-Ouvertüre zählen darf. Das eigentliche ff gelingt dann jedoch passgenau und ordentlich „gepfeffert“. Genau wie die folgenden sf. Die Posaunen spielen prall, wuchtig und ziemlich mächtig ihre Staccato-Passagen. Wir hören eine Sturmmusik der Superlative. Bei Beinum, Gamba und Reiner tost es noch etwas mehr und es bleibt noch transparenter.

Das Englischhorn auch in diesem Orchester klingt 1968 noch etwas nasaler als heute oder auch in der Aufnahme mit Rossen Milanov von 2005. Es wird wie in vielen anderen Aufnahmen auch nach hinten versetzt, während die Flöte unbeschwert im Vordergrund trällern darf. Zu einem richtigen Ruhepol zwischen Sturm und Galopp wird der pastorale Abschnitt bei Ormandy nicht, denn dazu ist er einfach zu laut.

Die Trompeten zu Beginn des Galopps sind sehr vordergründig und enorm laut zu hören, sollen wohl eine Art Weckruf sein, falls irgendjemand im Parkett während des Alpen-Idylls eingeschlafen sein sollte. Obwohl die Hörner von Rossini auch ein ff mit auf den Weg bekommen, klingen sie sehr viel schwächer. Der Galopp selbst erhält viel Glanz und Gloria, rhythmisch ist er jedoch weniger straff als bei Marriner oder Reiner zu hören. Dennoch groß-artig, mehr groß, viel weniger artig allerdings und vor Selbstbewusstsein nur so strotzend.

 

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4-5

Christian Benda

Prague Sinfonia Orchestra

Naxos

2011

11:35

 

Diese Einspielung der Ouvertüre ist Teil einer Gesamtausgabe aller Ouvertüren von Rossini. Sie ist auch als Pure-Audio-Blu-Ray erschienen und als solche wurde sie von uns gehört. Die Musik wird sowohl in DTS Master Audio 24 Bit und 96 KHz (5.1) als auch im Stereo-Ton in derselben Auflösung, allerdings PCM kodiert, präsentiert. Wir haben das erste Format ausprobiert. Dabei sitzt man virtuell selbst mit im Orchester. Jede einzelne der Cellostimmen sind nun nicht nur bestens herauszuhören, man könnte quasi selbst um sie herumgehen, wenn man es denn wollte. Kantabel und gefühlvoll gespielt wird auch.

Dass das kammermusikalisch besetzte Orchester aus Prag spielt besser als das Brünner Orchester in der Opern-Gesamtaufnahme aus demselben Haus 2015 (weiter unten in der Liste), hört man in der Sturmmusik sofort. Dieses Mal wurde allerdings nicht Live aufgenommen und man hatte auch nicht noch vier Stunden Oper vor sich. Das Spiel der Prager ist vorantreibend, bestens akzentuiert und mitreißend. Mitunter hat man das Gefühl, der Sturm wolle einem was zurufen. Das Spiel ist ungeheuer dynamisch (auch wegen der verbesserten Technik), während die Virtuosität der Prager nicht mit der des LSO, COE oder CSO mithalten kann.

Das Englischhorn stellt den Gestus, dass der Hirte damit die Kühe zu sich ruft, bestens heraus. Auch dass die Flöte ihm antwortet kommt besser heraus als bei den allermeisten anderen Einspielungen. Beide Stimmen schweben wie losgelöst im Raum, schwerelos sozusagen und fluten ihn mit Klang.

Auch der Galopp ist in bester Brillanz zu hören. Trompeten und Hörner machen für das ganze Orchester die Marschrichtung bereits von Anfang an klar. Es folgt lebendiges Musizieren auf sehr hohem Niveau.

Der Klang der Scheibe ist von herausragender Präsenz, Transparenz und Körperhaftigkeit. Dynamik gibt es bis zum Abwinken. Das musikalische Geschehen spielt sich je nach Einstellung der fünf Kanäle vor dem Hörer ab, oder man kann sich auch ganz vom Orchester einhüllen lassen. Dies ist unsere audiophile Einspielung für alle Hörer mit einer gut eingestellten Fünf-Kanal-Abspielmöglichkeit. Die Blu-Ray dürfte erheblich günstiger zu bekommen sein als die XRCD mit der Einspielung Gambas, die unsere audiophile Stereo-Empfehlung wäre. Ein ganz besonderes Bad im Klang und ein entsprechendes großes Vergnügen versprechen sie beide.

 

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4-5

Antonio Pappano

Orchestra dell´ Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

EMI

2010, Live

11:23

 

GA In Rom hat man Celli und Bässe links vom Dirigenten positioniert, weshalb das Celloquintett dieses Mal als ganzes links verbleibt und nicht die ganze Breite der „Soundstage“ ausfüllt (wie bei Fabio Luisi in Wien). Man spielt sehr subtil, leise, differenziert und wirkt dabei sehr bekümmert.

Auch beim Zusammenbrauen des Sturms, der als ganzes spannend und durchaus dramatisch wirkt, beginnt wunderbar leise. Schade, dass dann das Losbrechen der Gewalten nur in einem sehr gedämpft wirkenden ff geschieht. Das wirkt wenig urgewaltig, zumal auch der Posaunen-Einsatz nicht mit der ultimativen Strahlkraft erfolgt. Kein Blitz und kein Donner also? Das wäre fast so, wenn die Gran Cassa nicht prominent zum Einsatz gebracht werden würde.

Sehr gefällig klingt das warm timbrierte, vollmundige Englischhorn, das auf derselben Ebene wie die Flöte und in bester Äquilibristik spielt und wie die Celli sehr subtil wirkt. Da spielen echte Künstler auf der „römischen Alm“.

Dass die Trompeten und Hörner den Galopp nicht mit der ultimativen Strahlkraft eröffnen haben wir von den anderen Tell-Ouvertüren aus Gesamteinspielungen schon gehört. Sie müssen noch weitere vier Stunden aufmerksam bleiben und beste Qualität abliefern, da darf man sein Pulver nicht bereits so früh komplett verschießen. In Hinsicht auf rhythmische Schärfe bleibt man in Rom in der Komfortzone und damit weit hinter den „Cracks“ der Vergangenheit zurück. Man sucht in Rom immer das warme, weiche, süffige Allegro, so als hätte Herr Pappano nicht bei Georg Soli in Frankfurt, sondern bei Karajan in Berlin gelernt. Die militärische Attitüde wird weitmöglich gemieden und auch dynamisch bleibt man deutlich hinter den Temperamentsmusikern der 50er und 60er Jahre (Gamba, Reiner, Paray, Toscanini aber auch Fiedler und Sargent) zurück. Das subtil geschliffene nuancierte Spiel geht deutlich vor feurigem Temperament.

Der Klang der Live-Aufnahme wirkt natürlich wie man ihn in einem (sehr guten) Theater oder Konzerthaus erwarten würde, sehr gut gestaffelt und sehr transparent. Man hört eine breite und tiefe Bühne gleich mit. Dynamisch befindet man sich leider nicht auf demselben Level.

 

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4-5

Lamberto Gardelli

Royal Philharmonic Orchestra, London

EMI

1972

12:10

 

GA   Dies ist sozusagen die Vorgänger-Gesamtaufnahme bei EMI. Sie wurde, wie in den prosperierenden 70er und 80er Jahren üblich, noch unter Studiobedingungen gemacht. Celli und Bässe werden erneut transparent über die ganze Breite verteilt. Das Spiel des Celloquintetts erscheint sehr sorgfältig, stimmungsvoll, geradezu liebevoll.

Der Londoner Sturm bringt ein gutes Crescendo und einen guten ff-Einsatz mit, die Posaunen agieren jedoch relativ zurückhaltend, mit weniger Attacke. Die Streicher haben den Sturm insgesamt ziemlich im Griff.

Englischhorn und Flöte wurden dieses Mal sehr dicht zusammengesetzt, so als hätte sich die erste Oboe dieses Mal das Englischhorn geschnappt, was heutzutage unüblich ist, zu Rossinis Zeiten, wie man dem Besetzungsplan entnehmen kann, aber durchaus möglich war.

Infolge der engen Positionierung wirkt das Duo tatsächlich auch musikalisch eng „umschlungen“. So eng verzahnt gefällt uns das Duo am besten, auch wenn keine „alpine“ räumliche Weite spürbar wird. Es ist atmosphärisch bestens gelungen. Auch bei Gamba hat man so großen Erfolg.

Trompeten und Hörner klingen wunderbar voll und sonor, werden auch bestens exponiert. Das Tempo ist allerdings moderat, sodass man rhythmisch exakt und sorgfältig akzentuieren kann. Der Galopp wird so nicht auf die Spitze getrieben. Eine humoristische oder gar satirische Wirkung bleibt völlig aus. Das RPO spielt ebenso gut wie bei Paita, klingt aber besser.

Die Aufnahme klingt voll, natürlich, räumlich, transparent, körperhaft und plastisch. Die Tiefenstaffelung ist sehr gut. Auch die Dynamik ist ganz in Ordnung, lediglich im ff erscheint der Klang mitunter ein klein wenig verzerrt.

 

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4-5

Karel Ancerl

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1960

11:11

 

Auch in Prag nutzt man die gesamte Breite, um die Celli groß und transparent zu präsentieren. Gerade das erste Cello kann nicht ganz mit der Legatokultur der Kollegen aus COE, LSO oder Berlin mithalten. Auch nicht mit deren Intonationssicherheit. Im Sturm hört man das Holz ganz ausgezeichnet heraus.

Es fällt auch auf, dass man es ungewohnt weit voneinander entfernt positioniert hat. Die Posaunen spielen gut, aber nicht so brillant wie beim LSO (Gamba).

Das Prager Englischhorn klingt nicht über alle Töne hinweg ganz ausgewogen. Besonders die Höhe klingt schwach. Die Flöte ist stets lauter zu hören und scheint das Englischhorn zu bedrängen. So wirkt das Duo nur sehr wenig als Dialog. Man redet sozusagen aneinander vorbei.                                                                                                                                                                                                                                              Im Allegro vivace eröffnen die Trompeten mit sattem Klang. Das Schlagwerk darf deftig lärmen, ohne dass es uns gestört hätte. Der Galopp wirkt rhythmisch sehr prägnant, musikantisch und frisch. Den Überschwang und die Eleganz Abbados erreicht Ancerl dieses Mal nicht ganz.                                Der Klang der Aufnahme ist offen und frisch, transparent, farbig und brillant. Auch die Dynamik kann sich hören lassen. Leider verdichtet sich der Klang im ff des Tutti. Trotzdem ein erstaunlich gelungener Gesamtklang für eine Supraphon von 1960.     

 

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4-5

Riccardo Chailly

Orchestra Filarmonica della Scala di Milano

Decca

1995

11:30

 

Auch in der Scala mag man das Celloquintett raumfüllend. Das erste Cello spielt ganz links, wie so oft bei der „Tell“-Ouvertüre. Man pflegt generell ein leises Espressivo, das allerdings gerade dort lauter wird, wo ein pp von Rossini vorgeschrieben wird. Ansonsten wirkt die Spielweise zurückhaltend und zart. Sehr ansprechend.

Der ff-Einsatz im Sturm gelingt dem Orchester der Scala gut, auch die Posaunen spielen staccato, sind jedoch lange nicht so „heiß“ in der Diktion wie bei van Beinum. Die Gran Cassa wird in Mailand unterbelichtet. Die Hörner kommen jedoch gut ins Bild. Bei Chailly, der gegenüber der älteren Einspielung das Tempo durchaus verschärft ist die Ouvertüre kein „Demo-Stück“. Er ist auffallend an der Entwicklung interessiert.

Das Englischhorn klingt weich, aber trotzdem kernig, spielt letztlich mit einem „süßen“ Klang, wie von Rossini in der Partitur gewünscht. Das kann man analog auch zur Flöte schreiben, sodass sich ein stimmiges Duo ergibt, das inspiriert wirkt und sehr differenziert spielt. Auf uns wirkte es sehr musikalisch, eines der besten.

Das Allegro vivace wirkt mit stimmiger Lebendigkeit, nicht übertrieben fröhlich, nicht lahm. Die Trompeten eröffnen brillant, auch die Hörner halten ein gutes Niveau. Die dynamischen Kontraste von pp bis ff könnten jedoch besser herauskommen.

Der Klang wirkt zeitgemäß: Sehr transparent, räumlich und natürlich, etwas nach hinten versetzt. Die Dynamik wird nicht übertrieben. Da hätten wir uns etwas mehr gewünscht.

 

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4-5

Giuseppe Patané

Bamberger Symphoniker

BMG

1987

11:11

 

Auch im Fränkischen versteht man es, einen guten Rossini zu spielen. Das Celloquintett wird klangschön gespielt und atmosphärisch gut getroffen.

Der Sturm bekommt einen präzisen ff-Einsatz des Tutti und erreicht hohe Windstärken. Die Posaunen wirken etwas glatt, windschlüpfrig sozusagen und wenig markig, spielen aber auch ziemlich rasant. Die Dynamik ist gut, insgesamt aber wenig erschreckend.

In Bamberg schickt man das Englischhorn zu einer etwas entfernteren Weide, dennoch korrespondieren Englischhorn und Flöte gut miteinander. Wichtig ist, dass die Flöte dem Englischhorn trotz der günstigeren Position nicht die Schau stiehlt. Das gelingt den Musikern und den Technikern erstaunlicherweise ganz gut.  

Die Trompeten eröffnen den Galopp weich getönt, die Hörner passen gut dazu. Der temperamentvolle Galopp nimmt den rasanten Gestus der Sturmmusik wieder auf, was der ganzen Ouvertüre spürbarer als sonst eine geschlossene Form gibt. Das Orchester spielt in sehr guter Verfassung, besser als wir es von der Einspielung der „Alpensinfonie“ von 1988 mit Horst Stein in Erinnerung hatten.

Der Klang der Aufnahme ist offen, präsent, warm und voll, sonor und transparent. Allerdings wird der Klang im ff des Tutti ziemlich dicht, was auf einen nicht optimalen Raum, mangelnde Präzision oder ein ungünstige Mikrofonaufstellung hinweisen könnte. Von „Digitalitis“ haben wir keine Spur gehört. Auch das hatten wir von der „Alpensinfonie“ anders in Erinnerung.

 

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4-5

Carlo Maria Giulini

Philharmonia Orchestra London

EMI

1962

12:15

 

Das Londoner Philharmonia Orchestra macht bei der „Tell“-Ouvertüre zumindest quantitativ das Rennen. Es gibt alleine in unserem Vergleich mit ihm fünf Einspielungen (Muti, Giulini, Karajan, Galliera und Alfred Scholz). Die 62er von Giulini klingt bereits erheblich transparenter als die Gallieras. Das Celloquintett ist schöner kaum vorstellbar. Das Spiel wirkt emphatisch, Giulini lässt sich mit Genuss Zeit dafür, dehnt aber nicht.

Die Entwicklung zum Sturm hin gestaltet Giulini spannend, bleibt zunächst wie gewünscht im pp. Das Orchester legt jedoch weniger Attacke ins ff. Die Posaunen spielen gut, kommen aber nicht exponiert genug zur Geltung. Bei Giulini bewegt sich die Dynamik auf den eigentlichen Höhepunkt des Sturmes zu, der dann auch die „Krönung“ durch die Dynamikspitze erfährt.

Der Spieler des Englischhorns hat sich sein bestes Rohr für sein Solo in dieser Einspielung aufgehoben. Es hört sich für Philharmonia-Verhältnisse der frühen 60er sehr gut an, wie schon bei Galliera, nur dass es nun noch plastischer und gefühlvoller klingt.

Der Galopp bekommt ein anspringendes Tempo mit, wobei das Orchester sehr sauber und virtuos mitzieht. Das Spiel ist profiliert und pointiert, bei prägnanter Beteiligung von Holz und Blech. Die Streicher spielen sogar sehr virtuos. Sehr ansprechende Darstellung mit einem Schuss authentischer Italianità.

Bereits deutlich plastischer, transparenter und dynamischer als bei Galliera wirkt die Aufnahme auch dynamischer, ohne jedoch gleich „Bäume auszureißen“. Auch die Klangfarben wirken nicht zu matt. Insgesamt klingt es dumpfer als bei den besten.

 

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4-5

Sir Thomas Beecham

London Philharmonic Orchestra

EMI

1934

11:31

 

MONO  Dies ist die zweitälteste Einspielung unseres Vergleiches (nach der von Henry Wood von 1928). Abstriche in klanglicher Hinsicht sind unvermeidbar und sollten niemanden, der sich für Aufnahmen klassischer Musik interessiert, überraschen. Nichtsdestotrotz erhalten die Celli im einleitenden Quintett schon ein erstaunliches Volumen.  Das oft zitierte Crescendo zum ersten ff des Tutti bei C gelingt super, das ff selbst richtig fetzig. Das Orchester, gerade einmal vor zwei Jahren, also 1932 von Sir Thomas höchstpersönlich gegründet, stürmt richtig beherzt los. Sogar die Posaunen kommen gut durch. Die „Pastorale“ erklingt bei Beecham mit dem flottesten Tempo. Der „Galopp“ beginnt mit superben Trompeten und Hörnern. Das erste ff des Tutti wirkt strahlend. Die Artikulation geradezu bissig. Erstaunlich ist es, wie gut in dieser alten Einspielung auch die Streicher, gerade im „Galopp“ bereits durchkommen und wie virtuos und wie gut sie zusammen sind. Insgesamt wird die Ouvertüre einfach mitreißend musiziert.

Das Rauschen gegenüber der dritttältesten Einspielung, der 39er Einspielung Toscaninis, wirkt deutlich gemindert. Die Musik (und nicht das Rauschen) ist so schon deutlich im Vordergrund zu hören. Der Klang hat bereits ein erstaunliches Volumen und ist überraschend dynamisch.

 

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4-5

Peter Maag

Orchestre des Concerts du Conservatoire de Paris

Decca, heute: Sunday Records Club

1960

12:23

 

Auch in Paris mochte man die Celli links mittig hören. So leise und intim hört man das Quintett allerdings selten. Dabei hat Rossini zur Anweisung espressivo gar keine Lautstärke notiert, es wäre so eigentlich alles erlaubt gewesen. Erst bei T. 11 gibt es ein p für die Bässe, ab T. 17 dann für alle fünf Celli. Genug Raum für Kontraste also, wenn man sie möchte. Bei Peter Maag bleibt man fast unter sich, während die Bässe deutlich heraushörbar werden, was fast ein Unikum darstellt. Ein Fünferrat ganz allein unter sich bei einer gar nicht so unterschwelligen Bedrohung, so nimmt man die erste Szene dieses Mal wahr.

Peter Maag nimmt die Hörner ganz genau unter die Lupe, so transparent kann man sie nur selten heraushören, während die Posaunen mit ihrem kantablen, weichen Spiel auffallen. In keiner anderen Einspielung ist der Sturm ein so musikalischer Geselle. Er swingt geradezu, sodass man gewillt ist sich zu erheben und das Tanzbein zu schwingen. Der Schweizer Dirigent hat eine sehr musikalische Sicht auf die Dinge geworfen.

Dies Musikalität macht vor dem pastoralen Duo nicht halt, sogar das Pariser Englischhorn singt und differenziert, dass es eine Wonne ist. Das hätte man aus dieser Zeit nicht unbedingt so erwarten können. Da hat die Anwesenheit des Dirigenten segenreich gewirkt, wie es scheint. An der bisweilen etwas wackeligen Intonation und an der teilweise spürbaren Atemnot des Spielers ändert aber auch er wenig.

Die Trompeten und Hörner eröffnen den Galopp schön impulsiv. Das Orchester hat Rhythmus drauf und spielt prononciert und lebendig. Es klingt wenig nach militärischem Drill, wirkt dennoch packend, aber in Punkto Virtuosität haben die Pariser gegen die Londoner Konkurrenz aus dem eigenen Haus (Gamba, auch 1960) und aus dem gleichen Jahr deutlich das Nachsehen. Obwohl uns die Einspielung durch ihre besondere Musikalität sehr gut gefällt, hat sie in der Repertoireplanung der Decca in den späteren Jahren keine Rolle mehr gespielt, während die Ouvertüren-Sammlung von Pierino Gamba bis heute immer in irgendeiner Form im Angebot blieb. Das ist eigentlich schade und hat sicher weniger mit der „Tell“-Ouvertüre zu tun.

Der zum Streaming angebotene „Datensatz“ von Sunday Club Records (eine CD ist uns bis heute nicht begegnet) ist völlig rauschfrei und klingt untypisch für eine Decca der frühen 60er Jahre ziemlich eingedunkelt. Mitunter hört man ein paar leise Laufgeräusche, die eigentlich nur von einer LP stammen können. Dafür ist die Streaming-Datei allerdings erstaunlich transparent.

 

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4-5

Myung Whun Chung

Orchestra dell´Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

DG

2001

11:02

 

Das sehr gefühlvoll und reizvoll klingende Celloquintett erstreckt sich erneut über die komplette Breite des Hör-Raums. Diese Aufstellung hat offensichtlich weltweit (wenn wir einmal von ein paar Ausnahmen absehen) für die „Tell“-Ouvertüre Schule gemacht.

Die Sturm-Sequenz profitiert von einer sehr tiefen und wuchtigen Gran Cassa, während die Posaunen zwar gut exponiert sind, aber ein wenig müde wirken.

Das Duo von Englischhorn und Flöte wirkt stimmig. Keiner der Partner wird in die Ferne weggerückt. Innerhalb des Solos wird der aufmerksame Hörende ein paar kleine Unstimmigkeiten in der Phrasierung entdecken können, aber der großen Linie und dem angenehmen Klang schaden sie nicht.

Die Trompeten im Galopp spielen recht brillant, während es den Violinen beim hohen Tempo an einer dem LSO, COE oder CSO (um nur einige zu nennen) vergleichbaren Geschmeidigkeit fehlt. Temperamentvoll klingt es trotzdem. Die Gran Cassa ist das Prunkstück, auch im Galopp.

Der Klang der Aufnahme ist sehr präsent, das Orchester hat aber wenig Tiefenstaffelung. Die Dynamik ist nicht zuletzt durch die mächtige Gran Cassa ein Trumpf der Einspielung. Insgesamt wirkt der Klang voll und prall.

 

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4-5

Riccardo Muti

Orchestra del Teatro alla Scala di Milano

Philips

1989, Live

11:08

 

GA  Sehr leise kommen das Celloquintett in dieser Gesamtaufnahme, die live in der Scala aufgenommen wurde „zu Wort“. Sie füllen im „heimischen“ Orchestergraben erneut die ganze Breite aus, was im Theater ganz sicher nicht der Fall war. Sie spielen sehr kantabel mit einem leichten, hellen Klang, der auch in Riccardo Chaillys Einspielung aus Mailand zu hören war.

Beim Sturm bleiben Posaunen und Hörner sehr zurückhaltend, werden auch kaum exponiert. Die Gran Cassa klingt hingegen gewaltig. Die absteigenden Tonleitern der Violinen hören wir im Legato, als würde Karajan vor dem Orchester stehen.

Das Englischhorn klingt auch sechs Jahre vor Chaillys Mailänder Einspielung schon sehr tonschön. Es steht mit der Flöte auf einer Ebene und umspielt es so schön, dass man schon beinahe von einem Liebesduett schreiben darf. Diese auffallende musikalische Zuneigung zueinander haben die beiden Mailänder(innen) dann bei Chailly wiederholen können.

Das Allegro vivace schnurrt dann zwar brillant aber auch ein wenig kühl ab. Die dynamischen Kontraste sind relativ gering. Der militärische Drill wirkt stark. Bereits nach der Ouvertüre gibt es tosenden Beifall in Mailand.

Die Staffelung gelingt auch im Orchestergraben sehr gut. Transparent, warm und voll klingt das ganze Orchester. Dynamisch wirkt der Ambitus eingeschränkt. Offensichtlich hat man die volle Bandbreite für die Stimmen der Sänger reserviert. Insgesamt gefällt der Klang aus Mailand besser als der hallige Klang der Londoner EMI-Einspielung Mutis.

 

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4-5

Yevgeni Svetlanov

UdSSR State Symphony Orchestra

Melodija, Essential Media Group

1983

11:20

 

Das Celloquintett klingt in Moskau sehr laut und präsent, weiträumig und ungemein expressiv. Die Transparenz der Stimmen ist hervorragend, der Klang selbst jedoch etwas hart und gläsern.

Im Sturm trumpft das Orchester mit einer bestechenden Dynamik auf, das Crescendo, wo sich der Sturm zum ff zusammenballt ist mitreißend gestaltet. Die Posaunen spielen intensiv, auch stechend scharf. Da herrscht Lebensgefahr. Leider wird das Orchester von der Technik dynamisch eingebremst, als hätte man mit einem Klang-Kompressor gearbeitet. Das gelingt zwar etwas subtiler als bei der zweiten russischen Einspielung mit Yuri Simonov, verdirbt aber doch ein wenig die Freude am Spiel dieses hervorragenden Orchesters. Wahrscheinlich wäre es sonst aber zu Verzerrungen des Klangs gekommen.

Flöte und Englischhorn klingen beide gut, sehr dynamisch und differenziert, denn man nutzt auch für die Soli die gesamte mögliche Dynamik des Aufnahmeequipments aus.  Vor allem die Flöte verfügt so über ein außerordentliches Klangvolumen. Insgesamt ist es noch stimmig. Ein Frage-Antwort-Spiel lässt sich kaum heraushören, da vor allem die Flöte „ihr Ding“ durchzieht, ohne sonderlich auf den Duopartner zu achten.

Das Allegro ist mehr als vivace. Vivacissimo und ungemein rasant. Man wird den Eindruck nicht los, dass Svetlanov die Kollegen aus dem Westen (besonders Reiner, Paray und Gamba) noch übertreffen möchte. Wenn die seltsam abregelnde Technik nicht wäre, könnte das auch gelingen. Das angestrebte „Westniveau“ der späten 50er und 60er Jahre wird jedoch alleine schon aus technischen Gründen nicht erreicht. Erkennbar bleibt jedoch ein staunenswertes Orchesterspiel mit „entwaffnender“ Virtuosität.

Der Klang ist großräumig dimensioniert und trotzdem sehr präsent, dynamisch und transparent. Im ff des Tutti bleibt davon leider nicht mehr viel übrig.

 

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4-5

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1939

11:11

 

Die erste Einspielung der Ouvertüre hat gegen die zweite einen ganz schweren Stand. Das Celloquintett ist deutlich weniger transparent zu hören, sodass wir uns in diesem Fall nicht trauern würden zu behaupten, Toscanini hätte die fünf Solo-Stimmen verdoppelt wie 1953.

Am Gestus ändert sich gegenüber ´53 lange nicht so viel wie am Klang. Der erste ff-Tutti-Einsatz während des Sturms wird genauso mitreißend gegeben, ebenso die heftigen sf. Auch die mit Autorität intonierenden Posaunen sind ´39 mit von der Partie. Der ganze Sturm wirkt hochgepeitscht und verheißt viel Unheil.

Das Englischhorn im ländlichen „Idyll“ posaunt ´39 lauter als die Posaunen im Sturm. Da hat man extra die Mikros (oder war es nur eines?) neu aufgestellt. Das Solo selbst wird jedoch besser geblasen als ´53 und das Instrument klingt auch nicht so quäkend. Der oder die Triangel bewegt sich fast komplett innerhalb des Rauschens. Man kann ihn mehr erahnen als ihn hören. Erst ganz zum Schluss „besiegt“ er das Rauschen heroisch.

Bei der Attacke der Trompeten erschrickt man fast und beim Tempo treibt Signore Toscanini das Orchester bis zur höchstmöglichen (aberwitzigen) Geschwindigkeit an. Trotz der de Facto bescheidenen Klangqualität meint man doch, dass es mit einer beherzten, zupackenden Dynamik agiert. Diese Einspielung empfehlen wir überhaupt nur wegen des Geschwindigkeitsrausches und dann nur an eingefleischte Schwarz-Weiß-Hörer, die auf ein warm wirkendes Farbbild verzichten können. Ansonsten sollte der Toscanini-Kenner zur 53er greifen.

Denn der Klang ist von der Farblosigkeit einmal abgesehen auch von lauten Rillengeräuschen und vom Rauschen arg gehandicapt. Das Rauschen ist fast so laut wie die fünf Solocelli.

 

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4

Rossen Milanov

Philadelphia Orchestra

PHI, Eigenlabel des Orchesters

2005, Live

11:49

 

Der bulgarische Dirigent war von 2000 an zunächst Assistenzdirigent und ab 2003 einer der Dirigenten des Philadelphia Orchestra. Er begleitete das Orchester auch als die Chefdirigenten 2003 „ausgewechselt“ wurden. Auf Sawallisch folgte Eschenbach.

In der Sturmmusik dominiert eine besonders deftige, tiefreichende Gran Cassa das Geschehen. Auch dynamisch wirkt das Orchester wie an die Gran Cassa angehängt. Die Posaunen werden nicht sonderlich beachtet. Der Sturm als Ganzes klingt zwar transparenter als bei Ormandy 37 Jahre zuvor, insgesamt bleibt die Wirkung jedoch zurück.

Das Duo Englischhorn/Flöte wirkt harmonisch abgestimmt und mit einem obligaten Triangel versehen. Insgesamt befanden wir das Idyll z.B. in der Einspielung von Yehudi Menuhin anschaulicher und atmosphärischer, stimmungsvoller.

Im Galopp treibt erneut die Gran Cassa die Dynamik mächtig (und mit tiefer Kraft) an. Die Trompeten beteiligen sich nun mit mehr Engagement, wenngleich der Gestus der Passage bedächtiger als bei Menuhin wirkt. Das Spiel des Orchesters wirkt locker und lässt wenig Affinität zum militärischen Drill hören. Durch die permanent sehr prominent beteiligte Gran Cassa stellen sich nolens volens Konnotationen satirischer Art ein. Nicht umsonst kam auch Schostakowitsch in seiner schroffen 15. Sinfonie zitatweise auf die Tell-Ouvertüre zu sprechen.

Der Klang der Live-Aufnahme ist voll, üppig, präsent und sehr transparent. Allerdings durchsetzt von teils starken Husten-Attacken. Dynamisch wirkt sie von der Gran Cassa einmal abgesehen etwas zurückhaltend.

 

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4

Herbert von Karajan

Philharmonia Orchestra London

EMI

1960

11:56

 

In seiner ersten Einspielung in diesem Vergleich lässt Herbert von Karajan das Celloquintett ungemein kontrastreich aufspielen. Dass Rossini teilweise auf eine Lautstärkebezeichnung verzichtet hat, nutzt er nachhaltig aus.

Etwas schneller als Giulini in seiner nur zwei Jahre später aufgezeichneten Einspielung lässt Karajan das Orchester ein ziemlich aufgebrachtes Unwetter zusammenbrauen. 1960 lässt der Dirigent die Posaunen noch ein ansprechendes Staccato spielen, was ihm später dann obsolet wurde. An die Urgewalt der zeitlich benachbarten Einspielungen von Gamba oder Reiner kommt er aber nicht heran. Da fehlt es auch dem Blech an der rechten Attacke.

Im pastoralen Abschnitt wird das Englischhorn deutlich nach hinten abgesetzt. Klanglich gibt es keine nennenswerten Unterschiede zu den zeitlich benachbarten Einspielungen von Galliera und Giulini. Die Flöte dominiert durch ihre Position und in der Lautstärke deutlich.

Der Galopp wird von klar und deutlich markierten Trompeten eröffnet. Die Hörner fallen da sehr deutlich ab. Das Orchester spielt sehr sauber und energetisch, zeigt sich von seiner virtuosen Seite. Das Spiel ist brillant, aber der Klang kommt gerade auch in Hinsicht auf die Brillanz nicht an die zeitgenössischen Konkurrenzaufnahmen von RCA, Decca oder Mercury heran.

Im neusten Remaster gehört wirkt das Rauschen reduziert, das Orchester klarer und auch vom umgebenden Raum erhält man einen präziseren Eindruck. Das Orchester wird ein wenig mit Hall umgeben und wirkt auch dadurch weniger straff als die Orchester bei Gamba, Reiner, Fiedler oder Paray. Die Klangfarben wirken immer noch ein wenig blass. Da konnte sich Karajan tatsächlich von der DG ein farbenfroheres Klangbild erhoffen und erhielt es dann ja auch.

 

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4

Gianluigi Gelmetti

RSO Stuttgart des SWR

EMI

1992

10:58

 

1992 entstand in Stuttgart eine weitere Rossini-Ouvertüren-Sammlung für EMI, die davon anscheinend gar nicht genug bekommen konnte. Erneut wird die ganze Breite für das Celloquintett genutzt. Es spielt sehr zurückhaltend und nutzt den Dynamikspielraum, wie dies Karajan 1960 machte, wenig aus. Das wirkt vielleicht weniger expressiv, zumal die Celli wenig präsent klingen. Sie wirken etwas zurückgesetzt. Auf die Bassgrundierung hat man hingegen besonders gut geachtet.

Die ff-Eruption im Sturm wirkt schwach, die Posaunen sind wenig exponiert und sie spielen auch ein sehr weiches Staccato. Der Sturm als Ganzes wirkt dynamisch gebremst. An Gamba, Reiner oder gar an van Beinum darf man nicht zurückdenken.  

Das Englischhorn-Solo klingt warm und sehr kantabel, mit sehr gutem Legato nutzt der Spieler oder die Spielerin die Errungenschaften der Permanentatmung. Dadurch, dass beide (Englischhorn und Flöte) nach hinten versetzt wurden bleibt die Harmonie und vor allem das Zusammenspiel gewahrt. So wirken beide schon ein wenig entrückt.

Trompeten und Hörner zu Beginn des Galopps klingen viel präsenter als die Posaunen im Sturm. Der Galopp erhält ein rasantes Tempo, wobei dennoch besonderen Wert auf ein langanhaltendes Legato gelegt wird. Dynamisch wirkt er indes wenig kontrastreich. Am Ende zieht Gelmetti das Tempo nochmals etwas an um eine Stretta vorzubereiten. Dennoch bleibt eine mitreißende Wirkung wie bei Gamba, van Beinum, Reiner und Co. Aus. Wegen der fehlenden Kontraste. Das Spiel der Stuttgarter ist besonders stark in den leisen Passagen.

 

Der Klang der Aufnahme wirkt sehr weich und stark abgerundet, die Transparenz ist auch im ff des Tutti noch gut. Der Dynamik fehlen die wünschenswerten starken Kontraste, wodurch die Einspielung etwas fader wirkt, als sie gespielt wurde.

 

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4

Alfred Scholz

vielleicht irgendein Londoner Orchester

Warner Music Group, X 5 Music Group, VMS u.v.a.

P ca. 1988

12:46

 

Vom dirigierenden Produzenten A. Sch. liegen uns vermeintlich zwei Einspielungen vor. Eine ältere sollte in den mittleren 70er Jahren entstanden sein. Sie unterscheidet sich sehr deutlich in allen Bereichen von der nun zur Rede stehenden, sodass durchaus auch ein anderer Dirigent beteiligt gewesen sein könnte. Mit den Angaben zu Dirigenten, Orchester, Aufnahmedaten (die fehlen bei allen Ausgaben) nahm man es nicht genau. So ließ man sich auch Phantasienamen für Dirigenten und Orchester einfallen, die es gar nicht gibt oder gab oder nahm anscheinend beliebig einen Namen aus einer Lotterie mit Namensschildchen drin. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man versucht mehr von einzelnen Einspielungen zu erfahren. Wir beschränken uns zunächst einmal auf die Einspielung, die 12:46 Minuten dauert, das ist nämlich ein selbst gemessener Wert, auf den man sich (halbwegs) verlassen kann. Die ältere dauert 11:03, die kommt dann weiter unten.

Von der 12:46 Minuten dauernden Version fanden wir als Orchesternamen das London Festival Orchestra, das London Philharmonic Orchestra, das Philharmonia Orchestra und das (New) Philharmonia Orchestra unter jeweils eigenen Labels vor. Selbstverständlich könnte auch ein Orchester, das nicht aus London kommt gespielt haben. Alles ist möglich. Lassen wir diese dilettantische Unkenntnis der Benamung Londoner Orchester (oder steckt ein Betrugsversuch dahinter, denn welches Orchester wurde denn nun für die Einspielung bezahlt?) beiseite und widmen uns der musikalischen Seite, denn so schlecht ist es um diese gar nicht bestellt.

Gegenüber der älteren Einspielung klingt das Celloquintett klanglich erheblich wärmer, mit mehr Ruhe und Feingefühl. Der Sturm wird sorgfältiger gespielt, wirkt viel weniger „geschludert“ als (vermeintlich) in den 70ern.

Englischhorn und Flöte spielen viel kantabler und mit „mehr Luft“. Sie zaubern sogar einen gewissen tänzerischen Gestus in die Musik, zwar sehr langsam, aber immerhin. Die Stimmen korrespondieren viel besser miteinander. Die „Szene“ wirkt nun viel stimmungsvoller.

Den Galopp spielt das Orchester nun viel besser. Es ist weniger „Drill“ zu spüren und es klingt auch im Tutti noch transparent. Anscheinend hat man auch mehr ins Aufnahmeequipment investiert. Der Gestus ist kaum wiederzuerkennen. Unterschiedlicher könnten beide Aufnahmen kaum sein. Sollte da tatsächlich derselbe Dirigent dahinterstecken? Wenn ja, dann hätte er viel dazugelernt oder er hätte vergessen, wie er es vor Jahren einmal dirigierte.

Auch der Klang hat sich spürbar verbessert, klingt viel transparenter und feiner, ist besser strukturiert und lässt das Orchester sogar ganz gut gestaffelt hören. Es wirkt jedoch erheblich weiter entfernt.

 

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4

Yoel Levi

Atlanta Symphony Orchestra

Telarc

1992

11:10

 

Das Cellospiel in der Einspielung aus Atlanta wirkt warm-getönt und kantabel im Ganzen sanft und geschmeidig jedoch weniger expressiv und weniger brillant.

Das pp zu Beginn des Sturms gelingt überzeugend, auch der Tutti -Einsatz im ff gefällt, die weich und rund spielenden Posaunen bekommen ein Staccato ganz gut heraus, an das COA unter van Beinum darf man jedoch nicht denken. Die ebenfalls weiche und gerundet klingende Gran Cassa fügt sich gut in die Szenerie ein. Was dem Sturm als Ganzes fehlt ist die unerbittliche Härte eines Reiner oder Toscanini.

Das Englischhorn klingt ein wenig nasal eingefärbt, spielt aber flexibel. Die Flöte spielt so leicht und locker, als ginge es hier um Vogelgezwitscher. Der Triangel ist gut hörbar aber nicht aufdringlich.

Zu Beginn des Galopps klingen die Trompeten erheblich strahlkräftiger als die Hörner (beide ff). Das Orchester spielt gedrungen und sportlich, weniger tänzerisch als stämmig. Flott wirkt er allemal, locker nicht unbedingt. Das Spiel könnte man noch als spritziger empfinden, wenn der Gesamtklang nicht so „speckig“ wäre.

Der Klang der Aufnahme ist präsenter und klarer als bei Kunzel, dessen Aufnahme beim gleichen Label sieben Jahre zuvor entstanden ist. Er wirkt auch etwas frischer und dynamischer.

 

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4

Roger Norrington

London Classical Players

EMI

1990

11:38

 

Bei EMI liebt man die Ouvertüren von Rossini. Alle paar Jahre wird eine neue Sammlung auf den Markt gebracht. 1990 war die Zeit offensichtlich dann reif für die erste Einspielung mit Originalinstrumenten und den Einsatz der Errungenschaften der historisch informierten Aufführungspraxis.

Das vibratofreie Spiel der Celli unterstützt den nachdenklich-grüblerischen Charakter der Spielweise noch zusätzlich. Ab dolce wird es dann sogar noch introvertierter, aber auch auf eine subtile Art sinnlich.

In der „Szene mit Sturm“ spielt die Streicher und das Holz zunächst ein sehr schönes pp. Das nachfolgende Crescendo wirkt dann lange nicht so feurig und stringent wie bei Goodman, die Entladung im ff wirkt dann wieder passgenau. Die Posaunen spielen schwach, die Gran Cassa ist gut hörbar, wird aber auf eine irritierend lockere Art angeschlagen. Das Tempo ist nur mäßig schnell, die Transparenz hoch, die Kontrastierung dann wieder erstaunlich zurückhaltend, gerade wenn man einmal an Norringtons Haydn-Interpretationen denkt. Der Sturm wirkt nur wenig bedrohlich.

Das Englischhorn klingt erstaunlich weich und voll, aber auch ziemlich matt. Es passt damit gut zur ebenfalls weich klingenden, wenig brillanten Flöte. Denn die Classical Players nutzten sicher keine Böhm-Flöte aus Metall, sondern eine hölzerne Traversflöte. So weich und zart gespielt wirkt diese „Szene auf Weideland“ zart und besonders gefühlvoll.

Den Galopp eröffnen die Trompeten und Hörner mit viel „Schmackes“. Das Orchester klingt auch im ff des Tutti transparent, es fehlt dem Galopp jedoch vergleichsweise an Temperament. Die Schweizer Kämpfer bereiten sich zwar noch nicht auf den Ruhestand vor aber insgesamt ist der Galopp etwas breit angelegt und weniger dynamisch.

Die Aufnahme wirkt sehr räumlich und transparent. Besonders die Streicher sind in ihrem Spiel sehr differenziert zu verfolgen. Die aufnahmetechnische Crux dieser Aufnahme, gerade im direkten Vergleich zur anderen historisch informierten Einspielung unter Roy Goodman, ist die relativ schlaffe Dynamik. Da steht sie auch hinter den besten aus des 50er und 60er Jahren deutlich zurück.

 

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4

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DG

1983

11:37

 

Diese dritte und letzte Einspielung Karajans entstand während des Silvester-Konzerts 1983 mit der üblichen Nachbearbeitung im folgenden Januar. Dabei war die Ouvertüre Teil eines „bunten“ Programms nach Wunschkonzert-Manier. Die Celli sitzen erneut links, die Bässe rechts vom Maestro. Dabei sitzen das erste (links) und das zweite (rechts) Cello sehr weit voneinander entfernt, nehmen so jeweils eine Solistenposition ein. Da sitzt alles perfekt und klingt auch ausdrucksvoll. Der letzte hohe Ton, das hohe F gelingt dem ersten Cellisten längst nicht so sauber und strahlend wie dem Kollegen in der Aufnahme von 1971 (vielleicht war er es auch selbst?).

Das erste ff in der Sturmmusik wird aus dem Crescendo heraus entwickelt, wirkt also nicht wie ein Hammerschlag oder Donner wie bei manch anderer Einspielung, die beim ff-Tutti-Einsatz noch extra eine Schippe Dynamik draufsetzt. Das hätte auch in Berlin noch energetischer gewirkt. Die Posaunen kommen nun nicht mehr so deutlich zur Geltung. Die sf und ff sind da und erfolgen locker, also ohne jede Anstrengung. Die Orchesterkultur ist noch immer staunenswert, wenngleich Dirigent und Orchester in dieser Phase der Zusammenarbeit bereits ziemlich zerstritten waren.

Beim pastoralen „Idyll“ spielt das Englischhorn hinter der Flöte, wirkt so auch weiter entfernt. Klanglich wirkt das Englischhorn weniger weich und rund als noch 1971, poetisch intoniert wird es noch immer.

Die Trompeten beim Galopp spielen nun mehr im hinteren Raum und klingen lange nicht mehr so präsent. Der Klang wirkt gegenüber ´71 nicht aufgelichtet, die Dynamikspitzen klingen jedoch etwas unkomprimierter. Beim Galopp rennen die schlanker und beweglicher klingenden Orchester unter Reiner, Gamba und van Beinum den Philharmonikern davon. Im Ganzen wirkt die Ouvertüre nicht mehr so inspiriert wie im Jahrgang 1971.

Weitgehend wirkt der Klang noch etwas klarer und transparenter als 1971, aber nicht im ff des Tutti. Da ist der Gesamtklang noch immer dicht und auch die Brillanz lässt dann spürbar nach. Für eine so frühe Digitalaufnahme klingt die Einspielung aber ganz ordentlich. Insgesamt gefällt die ´71er jedoch besser. Sie klingt wärmer und noch reichhaltiger, bringt die Vorzüge des opulenten Berliner Klangs noch besser zur Geltung. Das Orchester erkennt man, trotz des anderen Aufnahmeortes und der 12 Jahre, die dazwischen liegen, sofort wieder.

 

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4

Antonio Fogliani

Virtuosi Brunensis

Naxos

2015

11:13

 

GA  Diese Einspielung entstand, wenn wir das richtig verstanden haben, als ein Teil einer projektierten Gesamtaufnahme aller Rossini-Opern in der Trinkhalle zu Bad Wildbad im Schwarzwald. Das beteiligte Kammerorchester rekrutiert sich aus den beiden bekannten und traditionsreichen tschechischen Orchester aus Brünn (tschechisch: Brno), der Nationalphilharmonie und des Janacek-Theaters. Dass die Trinkhalle keine Philharmonie ist, hört man sofort, dazu später noch mehr.

Das Celloquintett klingt sehr zügig und energisch. Die Artikulation wirkt stark intensiviert mit fast schon übertrieben wirkenden Akzenten.

Der markant zu spielende ff-Einsatz des Tutti gelingt gut, die Posaunen laufen jedoch gerade nur so mit, statt voranzutreiben. Es wird sehr gut akzentuiert, insgesamt hören wir einen Theatersturm.

Der Galopp wird schmissig präsentiert. Das Orchester verfügt jedoch nicht über die fast schon „transzendente“ Virtuosität der Orchester aus Chicago, London (Gamba), der Berliner, Wiener oder des COE. Auch in diesem Teil der Ouvertüre fühlt man sich ins Theater versetzt. Die Akzente sitzen treffsicher, die Einwürfe des Blechs sind effektvoll, die Brillanz der Streicher wirkt reduziert.

Das Celloquintett wird mit reichlich Bühnengeräuschen versehen, die Trinkhalle scheint sogar als Theater zu dienen, man beschränkt sich also nicht auf eine konzertante Aufführung. Da wird richtig gewerkelt und noch manches schnell in Position gebracht. Schließlich wohnen wir einer Grand Opéra bei. Ansonsten wirkt das Orchester ziemlich dicht mikrofoniert. Der Raumklang wirkt reduziert, der Gesamtklang ziemlich trocken. Präsenz, Staffelung, Transparenz und Dynamik sind einer so neuen Einspielung nicht unwürdig.

 

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4

Carlos Paita

Royal Philharmonic Orchestra, London

Lodia, vormals Decca Phase 4

1975

12:06

 

Das Celloquintett klingt besonders kammermusikalisch, denn unter den fünf werden das erste und zweite Cello, das jeweils die Themen und Kantilenen zu spielen hat, nicht eigens hervorgehoben. Es wird differenziert, jedoch nicht übermäßig verfeinert gespielt.

Der Sturm braut sich spannend zusammen. Das ff des Tutti hätten wir uns vom Südamerikanischen Dirigenten heftiger erwartet („seine“ „Symphonie fantastique“ spart nicht an deftigsten Kontrasten). Die Posaunen werden nicht eigens herausgehoben. Die Eigenheiten der Phase-4-Aufnahmetechnik, das besondere „heranzoomen“ an einzelne Schallereignisse findet in dieser sehr späten Aufnahme in der diese Technik Verwendung fand, kaum mehr statt. Vielleich hat man bei Lodia auch eine Neuabmischung vorgenommen.

Dieselbe Beobachtung können wir auch beim klangschönen und ziemlich intonationssicheren Englischhornsolo und bei der Flöte machen. Sie sind gleichberechtigte Partner. Es gibt kein „Blow-Up“, obwohl die pastorale Szene ganz besonders dazu eingeladen hätte.

Beim Galopp werden Trompeten und Hörner sehr weit voneinander getrennt. Beide Gruppen kommen sehr gut zur Geltung. Der Rhythmus ist federnd, das Spiel des Orchesters weniger prall und jubelnd als bei Gamba oder Reiner, jedoch virtuos und sehr laut.

Erstaunlich natürlich präsentiert sich der Klang der Aufnahme. Es gibt keine Wechselspiele mit versetzten Aufstellungen und kein Aufblasen einzelner Soli, wie das noch zu Stokowskis-Phase-4-Zeiten praktiziert wurde. Die frühe Digitalisierung des analogen Ausgangsmaterials hört man der CD allerdings an. Sie klingt ein wenig hart und hat klanglich gegenüber der 1960er Einspielung Gambas aus demselben Haus deutlich das Nachsehen, jedenfalls bei der „Tell“-Ouvertüre.

 

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4

Philippe Bach

Meininger Hofkapelle

Deutschlandfunk Kultur, Live und unveröffentlicht

2023

11:16

 

Die Meininger Hofkapelle hat eine große Vergangenheit, waren doch einst Franz Liszt, Hans von Bülow, Richard Strauss und Kirill Petrenko ihre Leiter. Sie führte sogar die 4. Sinfonie von Johannes Brahms erstmals auf. Dass sie auch heute noch ein gutes Orchester ist, beweist sie in diesem Mitschnitt, der vom Schweizer Philippe Bach geleitet wurde. Er war von 2011 bis 2022 Chef des Orchesters.

Bereits das nachdenklich gestimmte Celloquintett klingt sehr schön. Im Sturm wirkt das Holz ziemlich laut, die Einwürfe mit den drei Tönen fällt so gegenüber den schön pp intonierenden Streichern ein wenig aus dem Rahmen. Die Posaunen machen eine gute Figur, die Hörner einen eher schwachen Eindruck, was aber auch an der Mikrofonaufstellung und Aussteuerung liegen könnte. Die Gran Cassa wirkt gewaltig. Die Dynamik ist gut und wird nicht unverhältnismäßig stark komprimiert wie beim Mitschnitt der Deutschen Radiophilharmonie.

Das Englischhorn spielt klangschön und dominiert das Duo mit der Flöte, das ist selten so zu hören. Es spielt indes nicht ganz intonationssicher.

Der Galopp wirkt vom Gestus her ein wenig betulich, jedoch durchaus dynamisch. Das Schlagwerk dominiert die Szenerie, während das Blech demgemäß etwas besser herauskommen könnte. Im Konzertsaal könnten die Proportionen anders gewesen sein. Insgesamt konnte man aus Thüringen eine gut dargebotene, sorgfältige und überzeugende Darbietung des traditionsreichen Orchesters hören, die zudem auch noch gut aufgenommen war.

Dank 5.0 Technik war der Klang ziemlich bassstark, sehr transparent und sehr dynamisch für eine Sendung im Radio.

 

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4

Igor Markevitch

Orchestre de la Radiodiffusion Francaise (heute: Orchestre National de France)

EMI

1957

11:47

 

MONO  Beim Celloquintett irritiert das ausufernde, fast schon zittrige schnelle Vibrato, das man als „Meckervibrato“ bezeichnen könnte. Dynamisch wirkt es hingegen differenziert. Irritierend ist außerdem, dass das Quintett während des Vortrages an Präsenz und Klangvolumen verliert. Plötzlich erscheint die Aufnahme dann als nur noch in Mono. Dies spürt man nur von der CD. Die digitalisierte LP aus Beständen der Bibliothèque Nationale de France erklingt von Beginn an in Mono.

Das Gewitter krankt an mangelnder Dynamik und Transparenz (die allerdings von der CD viel besser sind). Das Orchester lässt es an Präzision fehlen, mitunter klingt es sogar regelrecht durcheinander.

Im dritten Teil der Ouvertüre erfreuen Englischhorn und Flöte zwar mit gefühlvollem Spiel, das Englischhorn lässt jedoch einen urig schalmaienhaften Klang hören, dem nur wenig Feinschliff zugutekommt. Die Flöte dagegen klingt besonders klangvoll und virtuos. Dennoch hat man sich entschieden, die Flöte nach hinten zu setzen und das Englischhorn präsent zu halten.

Der Galopp klingt recht leicht und locker, rhythmisch ganz gut akzentuiert und temporeich. Man hört viel Schlagwerk, die Transparenz im ff lässt viel zu wünschen übrig. Die Aufnahme wirkt auch ein wenig distanziert.

 

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4

Tullio Serafin

Orchester der Oper Rom

1963

DG-Belart

1963

 

Auch in Rom mochte man das Celloquintett mit den Bässen so einspielen, dass es über fast die ganze Breite zu hören ist. Den Posaunen fehlt die direkte Ansprache, die sie beim CSO oder NBC haben. Auch als ganzes wirkt der Sturm harmloser, nicht bis zum Grenzbereich des Machbaren gesteigert. Er klingt sauber gespielt, klangschön und kommod, das Orchester scheint dabei seine Komfortzone nicht verlassen zu haben.

Das recht klangschöne Englischhorn wird wie auch die Flöte eigens etwas zurückgesetzt. Die Flöte klingt weniger virtuos, nicht so brillant wie man es von den besten Einspielungen kennt. Im Ganzen wirkt die Szenerie weniger ruhevoll, imaginativ und atmosphärisch.

Vor allem die Trompeten wirken zu Beginn des Galopps hervorgeheben. Wir hören viel weniger „Drill“ als bei Landsmann Toscanini, aber auch als bei van Beinum oder Reiner. Die Römer klingen rhythmisch weicher und auch erheblich weniger virtuos als NBC, CSO oder die Amsterdamer, um nur einige Beispiele zu nennen. Infolgedessen verschwimmt auch die Transparenz ein wenig.

Der Klang ist luftig, recht weiträumig und offen, Die Gran Cassa erfreut sich auch bei der Tontechnik großer Beliebtheit,  die Dynamik ist gut. Das Schlagwerk klingt jedoch ein wenig verschliffen und die Aufnahme wirkt weniger brillant als die in etwa zeitgleichen Aufnahmen mit Gamba (Decca) oder Sargent (EMI).

 

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4

Erich Kunzel

Cincinnati Pops

Telarc

1985

12:20

 

In Cincinnati spielt das Celloquintett so, wie man es im Konzert hören würde, leicht zurückgesetzt und daher weniger präsent und nicht gemeinsam mit den Bässen über die ganze Breite verteilt, sondern da wo man sie auch sehen würde. Es gibt auch kein „Blow-Up“ der beiden Solo-Celli. Die drei begleitenden Celli wirken jedoch noch etwas weiter zurückgesetzt. Das erste und zweite Cello führt immer deutlich. Ingesamt ein eher wenig kammermusikalischer Ansatz also, der da verfolgt wird. Die Nebenstimmen interessieren wenig.

Der Sturm klingt generell ziemlich leise, das Crescendo wirkt ziemlich lasch. Das ff gelingt ganz gut, besonders wegen der guten Gran Cassa. Die Posaunen sind gut hörbar, es fehlt ihnen jedoch an spürbarem Biss.

Englischhorn und Flöte sind reichlich weit entfernt, damit die Schweizer Alm auch nur weit und großartig wirkt. Zu einem innigen Zusammenspiel kommt es dadurch weniger, es fehlt einfach an Präsenz. Der Triangel trägt zwar zur stimmungsvollen Atmosphäre durchaus bei, kann aber die Gefahr von aufkommender Langeweile nicht entscheidend mindern.

Der Galopp hört sich zwar impulsiv aber auch etwas schwerfällig an, die Geigen spielen nicht wieselflink, die Kontraste wirken etwas plump und der Impetus könnte durchaus feuriger sein. Das Orchester wirkt nicht so sehr “auf Zack“ oder „unter Strom“ gesetzt. Allerdings zieht Kunzel gegen Ende das Tempo noch etwas an, um einen Stretta-Effekt zu erzielen.

Insgesamt ist der Klang der Aufnahme weniger präsent und dynamisch schwach, insbesondere für den Anspruch, den das Label an sich selbst stellt. Die Tiefenstaffelung gelingt ganz gut. Der Klang wirkt gut aufgeräumt, recht warm getönt, aber auch nicht gerade schlank.

 

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4

Michael Halasz

Zagreb Festival Orchestra

Naxos

1989

12:05

 

In dieser ersten von drei Naxos-Einspielungen der Ouvertüre spielen die Celli ebenfalls links, die Bässe rechts. Sie klingen heller als gewöhnlich und teils mit einem schnellen, nervös wirkenden Vibrato versehen. Zum Permanent-Vibrato fehlt nicht mehr viel. Der Charakter bekommt eine schmachtende Note. Positiv ist das wirklich leise pp.

Im Allegro des Sturms geht man mit dem pp deutlich unbekümmerter um, was Spannung wegnimmt. Die Holzbläsereinsätze klingen ein wenig beliebig, es gibt ab T. 86 wenig Crescendo, es folgt dann aber ein ambitioniertes ff. Gute Staccati der Posaunen.

Das Englischhorn spielt sein Solo wie eine Arie, legt alles rein. Eigentlich haben wir es bescheidener intoniert mehr gemocht. Die Flöte wirkt etwas zu vordergründig und scheint das Englischhorn sogar ein wenig zu stören. Der Triangel klingt zu unterschwellig.

Der Galopp, der innerhalb der Ouvertüre spieltechnisch die höchsten Hürden für die Orchester bereithält, muss ohne den Impetus der besten auskommen Auch in Sachen Präzision kann das Orchester nicht mit den besten mithalten. Während das Blech gut exponiert wird, hört man von der Gran Cassa gar nichts. Die Transparenz im ff des Tutti ist noch ganz gut. Zu einer angedeuteten Stretta zieht Halasz das Tempo eigens ein wenig an.

Die erste Naxos-Produktion ist noch eine der typischen aus der Anfangszeit. Sie klingt zwar recht räumlich aber weniger brillant und weniger farbig. Sie wirkt insgesamt solide kann aber nur wenig begeistern.

 

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4

Yuri Simonov

UdSSR Maly Symphony Orchestra

Russian Disc Society

AD ?, Live

12:24

 

In diesem Live-Mitschnitt klingt das Celloquintett überaus präsent. Das ganz leise pp beim Holz in der Sturmmusik ist auffallend. Das Spiel sehr akzentuiert. Das ff wirkt wie ein mächtiger Theaterdonner. Die Dynamik wird leider schon sehr früh abgeregelt. Diese Maßnahme ist auch von Mitschnitten deutscher Rundfunkanstalten (siehe DRP in Heidenheim) bekannt. In Moskau hat es eine total eingeebnete Dynamik zur Folge. Das ist schade, denn das engagierte Orchester hätte eine angemessenere Behandlung verdient gehabt.

Um das ländliche Idyll aufzunehmen, das nur von den beiden leise spielenden Instrumenten Englischhorn und Flöte dominiert wird, wird wieder ordentlich hoch geregelt, sodass das Englischhorn so laut ist wie das ff im Sturm. Die beiden Soli sind geprägt von einem besonders ausgeprägten Legato-Spiel. Das Umspielen der Flöte gelingt sehr schön während das Englischhorn leichte Intonationsschwächen nicht ganz überspielen kann.

Die Trompeten und Hörner zu Beginn des Galopps klingen monumental. Die Streicher zeigen ihre Virtuosität. Der Verlauf wirkt ungemein vital und zugespitzt. Die Dynamik der Gran Cassa wiederum total eingeebnet. Die Dynamikspitzen generell verschliffen, Zwischendurch wird dann auch mal etwas abgeregelt um dann wieder hoch zu regeln. Die Technik macht einen letztlich amateurhaften Eindruck, versucht vielleicht aber auch nur Unzulänglichkeiten der technischen Ausstattung zu kompensieren.

Die Aufnahme klingt im Ganzen großformatig, die Klangfarben wirken gut, ein blecherner oder stählern wirkender Gesamtklang wurde vermieden. Das Problem die immense Dynamik eines Orchesters auf einen Tonträger zu übertragen, sodass es nicht zusammengestaucht wirkt, konnte nicht ansatzweise gelöst werden.

 

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4

Hermann Scherchen

Orchester der Wiener Staatsoper

Archiphon, Westminster, Heliodor, LP pure

1957

11:29

 

Das Celloquintett klingt dieses Mal von ganz links außen. Es stimmt einen klagenden Gestus an.  Die Posaunen in der Sturmmusik klingen „schnoddrig“, klingen nicht nach einem richtigen Staccato. Das Gewitter wird allerdings gut gesteigert.

Natürlich ist auch in dieser Einspielung das schalmaienhaft klingende Englischhorn mit dabei, es klingt besonders in der Höhe schwach. Ihm ist es besonders zu verdanken, dass sich kein fühlbares Idyll einstellen will.

Im schmissigen Galopp sind das Orchester und sein Dirigent einer drastischen Dynamik nicht abgeneigt. Die Wirkung ist sehr lebendig.

Die Digitalisierung von LP pure weist ein beständiges Rauschen und ein leichtes Knistern auf. Offensichtlich hat man in diesem Fall auf eine gut erhaltene LP zurückgreifen können. Es klingt recht transparent, obwohl das Orchester über weite Teile linkslastig abgebildet erscheint.

 

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4

Andrey Boreyko

RSO Stuttgart des SWR

SWR, Live, unveröffentlicht

2010

11:35

 

Das Celloquintett spielt mit mehr Vibrato als die Cellisten bei Hengelbrock im Mitschnitt aus Hamburg. Der Sturm klingt ebenfalls transparent, recht tumulthaft, aber kaum existenziell gefährlich. Die Gran Cassa wirkt weniger stark gefordert. Der Sturm als Ganzes wirkt leichtgewichtiger.

Englischhorn und Flöte wirken ganz zart und introvertiert, spielen geradezu mit filigranem Feinschliff. Der Triangel ist kaum zu hören Das pp wirkt auch als pp. Ein ganz beschauliches Stimmungsbild.

Die Hörner im Galopp werden auffallend weit außen platziert, sind aber gut hörbar. Das Orchester klingt etwas massiver als das des NDR bei Hengelbrock, nicht zuletzt durch das exponierte Schlagwerk. Der Triangel ist nun wieder sehr gut zu hören. Dem Blech weist der Dirigent keine besondere Rolle zu. Bis auf die auffallend starken Hörnern erscheint es etwas stiefmütterlich behandelt. Der Orchesterklang wirkt dadurch zu einheitlich.

Der Klang der Aufnahme ist offen und transparent. Das Werk stellt die Rundfunktechniker vor keine Probleme, die nicht zu lösen gewesen wären.

 

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4

Christoph Poppen

Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern

SR, Live, unveröffentlicht

2022

11:55

 

Das Orchester war bei dieser Aufnahme bei den Opernfestspielen Heidenheim zu Gast. Das Celloquintett wird sehr zügig und mit vollem, kräftigem Ton vorgetragen (also kaum pp, wie Rossini in seiner Partitur es teilweise wollte). Da es sich aber, den Publikumsgeräuschen nach zu urteilen, um ein Freiluftkonzert handelte, spielt man wegen der fehlenden Raumresonanz und dem großen Auditorium wahrscheinlich gerne lauter als üblich. Den Mikrofonen entging das nicht.

Auch bei Christoph Poppen, dem ehemaligen Chefdirigenten (2006 bis 2011), bekommt die Gran Cassa im Sturm großes Gewicht. Die Posaunen spielen deutlich und kommen auch deutlich heraus, die Dynamik wirkt jedoch stark abgeregelt. Das ganze Orchester rückt dann im ff vom Zuhörer am Radio ab. Da geht viel vom live erzielten Effekt verloren. Nach dem Gewitter (dem ff-Ausbruch) bekommt das Orchester wieder die vorherige, hervorragende Präsenz zurück. Anscheinend haben die Rundfunktechniker den Mitschnitt für den Konsum im Auto zurechtgemixt, da darf es nämlich weder zu leise noch zu laut werden, damit die leisen Passagen nicht in den Fahrgeräuschen verschwinden bzw. damit der Fahrer nicht allzu oft nachregeln muss und den Verkehr aus den Augen verliert. Dem ungestörten, aufmerksam lauschenden Zuhörer zuhause entgeht diese Manipulation natürlich nicht. Für den Kunstgenuss ist dieses Vorgehen abträglich. Auch das Spiel des Orchesters verliert so an erfahrbarer Qualität. In den heimischen Auditorien gelingen die Aufnahmen unmittelbarer und mit weniger spürbaren Eingriffen versehen.

Das Duo Englischhorn-Flöte spielt dann wieder sehr klangvoll, ja klangüppig auf. Es ist nun wieder präsent und dynamisch hörbar.

Im Allegro vivace dann wieder dasselbe Spielchen. Der Pegel geht nach unten, das Orchester rückt ab. Das wirkt weniger subtil, als es sich die verantwortlichen Techniker vielleicht vorstellen. In diesem Fall fiel es jedenfalls unangenehm auf. Die Transparenz ist auch im Galopp gut. Besonders das ziemlich laute Schlagwerk fällt auf, währen der Rest vom Orchester sich dahinter scheinbar weg duckt. Das Orchester spielt mit hoher Präzision, nicht gerade vor Temperament überschäumend, woran das „Herumspielen“ an der Dynamik sicher nicht unschuldig ist. Der Klang des Orchesters wird scheinbar immer leiser, je mehr es aufdreht. Wegen der plumpen Manipulation mussten wir den Vortrag leider etwas zurückstufen.

Zum Klang gibt es nun nicht mehr viel zu schreiben. Er ist teilweise sehr präsent (in den Abschnitten 1 und 3) und transparent, teils dynamisch stark zurechtgestutzt (in den Abschnitten 2 und 4).

 

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4

Gustav Kuhn

Orchestra Filarmonica Marchigiana

Arte Nova

2000

12:47

 

Die Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“ mit Gustav Kuhn und seinem italienischen Orchester gefällt besser als sein Betrag zur Diskographie zur Ouvertüre zu „Semiramis“. Das Celloquintett wir in aller Breite ausmusiziert, jedoch ganz und gar nicht undifferenziert und durchaus anschaulich. Den geforderten Lautstärken wird man sehr gut gerecht und die Darbietung klingt räumlich und sehr transparent.

Das Crescendo zum ff des Tutti im Sturm gelingt gut, die Posaunen spielen markig. Der Klang des Orchesters wirkt ein wenig ausgezehrt, jedoch wirkt auch das ff im Tutti des Orchesters noch transparent. Man hat sich gut auf diese Einspielung vorbereitet. Es erreicht dennoch nicht die virtuose „Überzeugungskraft“ der besten. Das nimmt dem Sturm dann doch ein paar Windstärken.

Wie auch schon im Celloquintett überzeugen die solistischen Beiträge auch im pastoralen dritten Teil noch mehr als das Orchester als Ganzes. So wird auch das Englischhorn-Solo gefühlvoll vorgetragen, wenngleich ihm die klangliche Verführungskraft der besten doch noch ein wenig abgeht. Die virtuosen Umspielungen der Flöte wirken durch das gemächliche Tempo Kuhns eingebremst. Wir hatten den Eindruck, dass der Solist/die Solistin gerne eine wenig schneller und jubilierender gespielt hätte. Da hat der Dirigent nicht mitgemacht.

Zur Eröffnung des Galopps gelingt es Trompeten und Hörner tatsächlich einmal fast gleich laut zu spielen. Das Orchester spielt den letzten Teil der Ouvertüre mit einigem Schwung, jedoch fehlt ihm auch hier die virtuose Geschmeidigkeit und die machvolle Attacke. Es klingt zwar immer noch transparent, was für einige Präzision spricht, aber es klingt doch meist dünner als man es von vielen anderen Orchestern des Vergleiches gewöhnt ist.

Der Klang der Aufnahme ist transparent und natürlich, jedoch wenig prall und voll.

 

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4

Klaus Arp

Rundfunkorchester des SWR Kaiserslautern

Arion

1995

11:11

 

Ob es ein Zufall ist, dass so viele Einspielungen genau bei 11:11 Minuten zu Ende sind?

Das Celloquintett wird sehr zügig gespielt. Dank einer leichten Hallzugabe ergibt sich ein gut klingender Cello-Schmelzklang. Die Bässe werden hingegen deutlich von den Celli abgegrenzt.

Das Aufziehen des Sturmes gelingt dem Orchester spannend, die Entladung im ff dann etwas gebremst. Der Sturm klingt anschaulich aber nicht mitreißend. Es fehlt dem Orchester als Ganzes an „echter“ Spritzigkeit und an der Fähigkeit dynamische Reserven zu mobilisieren. Vor allem fehlt es dem Blech am nötigen Biss.

Englischhorn und Flöte bilden ein gutes Duo. Da gibt es klanglich und artikulatorisch nicht viel zu meckern. Das Solo des Englischhorns macht allenfalls einen etwas zu ausgezählten Eindruck. Da hört man jeden Taktstrich mit. Mit anderen Worten: Der Vortrag könnte etwas freier klingen.

Der abschließende Galopp ist der beste Abschnitt. Das Orchester wirkt nun spritziger, wenn auch nicht unbedingt packend.

Der Gesamtklang der Einspielung neigt zum Schmelzklang. Dennoch gefällt die Einspielung klanglich besser als der über Gebühr manipulierte Mitschnitt der DRP, des Nachfolgeorchesters (mit dem Rundfunksinfonieorchester Saarbrücken fusioniert), wenngleich der Mitschnitt von 2022 transparenter und farbiger klingt.

 

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3-4

Sergiu Celibidache

Münchner Philharmoniker

EMI

1993, Live

14:19

 

Die deutlich von der Norm abweichende „Spielzeit“ des Mitschnittes unter Celibidache weist bereits die Richtung. Der Dirigent hat die für ihn nur relativ (z.B. in Relation zum Konzertsaal) geltenden Tempoangaben auch für die „Wilhelm Tell“-Ouvertüre umgesetzt.

Das bedeutet für das Andante des Celloquintetts bereits ein sehr langsames Zeitmaß, das genügend Zeit lässt die Phrasierung aus zu modellieren. Das erste Cello führt sehr deutlich, was den ansonsten von Celibidache propagierten kammermusikalischen Ansatz ein wenig unterläuft. Das Vibrato wirkt angenehm zurückhaltend, der Klang der Celli und der Bässe sehr warm getönt. Die Celli spielen innerhalb der „natürlichen“, oder sagen wir besser gewohnten Orchestersitzordnung, werden also nicht über die ganze Breite verteilt.

Der Sturm braucht einen sehr langen Anlauf um einigermaßen auf Touren zu kommen. Er nähert sich sehr langsam. Dabei wird sehr wenig Spannung erzeugt und auch das Crescendo ist wenig prickelnd. Der ff-Entladung fehlt der „Pepp“. Wehmütig denkt man an van Beinums Geniestreich zurück. Die Posaunen erzeugen ein nur stumpfes Staccato. Insgesamt wirkt die Sturmsequenz sehr breit und getragen. Es fehlt der Attitüde jede Spritzigkeit oder Italianità. Auf uns wirkte dieser Abschnitt sogar ziemlich träge. Als Wetter könnte man sich ein Sturm in einer Nebelsuppe im November vorstellen, aber Nebel und Sturm schließen sich eigentlich aus.

Viel besser gefällt dann die idyllische Pastorale. Das Englischhorn klingt sehr weich und füllig und spielt mit der Flöte ein bestens abgestimmtes Duo. Es gibt keine das Zusammenspiel gefährdende Distanz zwischen den beiden Solisten zu überwinden. Dass sehr wenig Bewegung in der Musik verbleibt kann man sich leicht erklären: Die Kühe müssen mit dem „Kuhreigen“ erst langsam aus dem Halbschlaf geweckt werden, man will sie keinesfalls stressen. Das ergibt dann auch die bessere Milch. Klanglich ist diese Passage allerdings ein Hochgenuss. Man muss aber darauf achten, bei dieser „Meditationsmusik“ nicht einzuschlafen, wenn man bereits müde sein sollte. Ansonsten bestens zur Entspannung geeignet.

Die Trompeten sind als „Weckruf“ sehr gut geeignet, denn sie erklingen bestens exponiert. Die Hörner erheblich weniger. Der Galopp ist, wie bereits der Sturm, wenig prickelnd geraten. Er soll bei Celi vielleicht seriöser wirken, als er ist. Eben nach Grand Opéra und nicht nach Buffa klingen. Die Musizierhaltung ist auch hier auf äußerste Differenzierung und die Herstellung bester Transparenz aus. Uns scheint es, dass das Stück, und davon insbesondere der Galopp, kein geeignetes Objekt für Celibidaches mitunter wenig flexible Musizierhaltung darstellt. Der Gestus wirkt einfach zu gebremst und der Hang zur Monumentalität der sich mit dem Tempo und der akribischen, auch dynamisch breitbandigen Spielweise des Orchesters gemeinsam ergibt, passt einfach nicht so recht zum Stück. Orchestral sehr sauber musiziert, fehlt einfach das Brio und die mitreißende Verve. Der Klang aus dem Herkulessaal ist füllig, weich und voll.

 

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3-4

Alceo Galliera

Philharmonia Orchestra London

EMI-BnF

1956

11:39

 

MONO  Auch diese Einspielung wurde von einer alten Mono-Single digitalisiert, auf der die Ouvertüre beide Seiten der Platte einnahm. Man kann so ermessen, wie es vielleicht vor fast 70 Jahren in den heimischen Wohnzimmern geklungen haben mag. Für das Philharmonia Orchestra scheint es die erste Einspielung der Ouvertüre gewesen zu sein, jedenfalls war es die erste, die für uns zu beschaffen war.

Das Celloquintett ist noch ganz gut durchhörbar. Der Klang konzentriert sich naturgemäß auf die Mitte der möglichen Klangbühne. Damals konnte man eine wesentlich natürlichere räumliche Abbildung einfach noch nicht herstellen.

Das Crescendo im Sturm klingt schon ziemlich mächtig, bleibt aber weit hinter der noch etwas älteren Einspielung van Beinums zurück. Die Posaunen werden kaum exponiert. Das Spiel des Orchesters ist sauber, bleibt aber im Effekt etwas hinter den Einspielungen von Karajans oder Giulinis zurück.

Das Englischhorn spielt und klingt erstaunlich gut, voller als man es gewöhnlich in jener Zeit von diesem Orchester hört. Es bildet ein stimmiges Duo mit der leicht und flexibel intonierenden Flöte. Beide wirken gleichermaßen distanziert und spielen keineswegs an der Rampe. Trotz der klanglichen Abstriche gelingt eine ruhig und entspannt gespielte, atmosphärisch gute Darbietung des pastoralen Idylls.

Für den Galopp wählt Signore Galliera ein gespanntes Tempo. Seiner temperamentvollen Darbietung geht jedoch die wünschenswerte Transparenz und Dynamik weitgehend ab. Die Einspielung ist von der technischen Entwicklung überholt worden.

Man vernimmt kaum Abspielgeräusche, jedoch ein leises Rauschen. Dynamisch wirkt die Einspielung zumindest in dieser Form schwach und von der Technik eingeebnet. Denn das Orchester bringt bereits alles mit, was die neueren Einspielungen auszeichnet.

 

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3-4

Alfred Scholz

South German Philharmonic Orchestra

Red Note, OMP, Warner Musiv Group und zahllose Labels mehr

P ca. 1977

11:03

 

Die Angaben, die wir von der Einspielung machen konnten sind wahrscheinlich unglaubwürdig. In anderen Editionen firmiert das Orchester, dass es gar nicht gibt und unserer Recherche nach auch nie gegeben hat, auch als Bamberg Symphony Orchestra. Es wird vielerorts angegeben, es handele sich um eine Digitalaufnahme, dem widerspricht jedoch das ziemlich starke Rauschen. Als Dirigenten fungieren ebenfalls beliebige Namen, so z.B. Alberto Lizzio, Henry Adolph, Christian Reiner (nicht Fritz Reiner), also die üblichen Namen unter denen Alfred Scholz auch bei der Veröffentlichung anderer Werke bereits firmiert hat.

Darauf, dass diese erste Einspielung von Alfred Scholz ganz anders klingt und musiziert wird als die zweite, haben wir dort bereits hingewiesen und der Vermutung Ausdruck verliehen, dass vermutlich zwei verschiedenen Dirigenten hinter den Einspielungen stecken könnten. Bei diesen Editionen ist nichts sicher, alles anzuzweifeln. Wenn irgend möglich sollte man einen großen Bogen um die Elaborate dieser seltsamen Geschäftspraktiken machen, um sie nicht noch zu fördern. Selbst wenn nur noch die Nachfahren des Alfred Scholz profitieren sollten. Der mindeste Vorwurf, der sich ergeben könnte, ist Etikettenschwindel.

Das Celloquintett wird zügiger genommen als in der zweiten Einspielung. Es klingt deutlich heller und rauer.

In der Sturmszene spielt das Holz (pp) viel zu laut. Die Streicher spielen ein wenig uneben. Der ff-Effekt bei C (T. 92) verpufft. Die sf klingen recht scharf, das Blech exponiert. Das Spiel des Orchesters allgemein klingt rau und ist teils ungehobelt (vor allem das Holz). Viel geprobt wurde da nicht.

Das Englischhorn spielt nicht gerade dolce und nicht gerade intonationssicher. Hart spielt es aber auch nicht. Das Tempo ist so flott, dass kein Raum für Beschaulichkeit bleibt, auch nicht für pastorales Durchschnaufen.

Auf den Galopp haben sich Trompeten und Hörner offenbar schon gefreut. Sie schmettern ordentlich drauflos. Viel militärischer Drill, viel Schlagwerk, viel Tempo, das sind die Zutaten, die dann den weitaus besten Teil dieser Einspielung ergeben.

Das starke Rauschen ist ein Grund der Angabe, es handele sich um eine DDD-Aufnahme, zu misstrauen. Außerdem wäre das Produktionsjahr 1977, falls es überhaupt stimmt sehr früh für eine Digitalaufnahme. Da gab es allenfalls „geheime“ Experimente oder ein paar japanische Veröffentlichungen von Denon. Die Aufnahme wirkt noch recht transparent macht aber insgesamt keinen edlen, sondern einen billigen Eindruck. Wie das ganze Erscheinungsbild all dieser zahlreichen Editionen, die es mit dieser Aufnahme bereits gab.

 

 

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3

Hans Swarowsky

Wiener Symphoniker

Supraphon-BnF

1961?

10:56

 

MONO  Auch diese Einspielung gibt es als Streaming-Datei der eine digitalisierte Single zugrunde liegt. Also wird der Fluss der Musik wieder durch einen Wechsel der beiden bespielten Plattenseiten kurz unterbrochen. Eigentlich hätte man in der Bibliothèque Nationale de France auch eine Stereo-Version finden können, denn 1961 nahm man bei Supraphon bereits Stereo auf. Aber der „Streamer“ muss sich mit Mono begnügen.

Das Vibrato der Celli ist durchaus wohltuend, irritierend jedoch das stark nasal eingefärbte Solo-Cello.

Den Symphonikern gelingt ein sehr gutes „fetziges“ ff im Sturm und die Posaunen spielen mit einem guten Impetus. Der Sturm als Ganzes bringt hohe Windstärken mit. Das schalmaienhafte Englischhorn bringt allerlei Intonationsprobleme mit und der Vortrag ist nicht frei von Problemen mit der Atmung. Zudem wirkte er auf uns langweilig und gelangweilt heruntergedudelt. Die Flöte macht es viel besser, der Triangel tönt aufdringlich.

Der Galopp bringt ein hohes Tempo und es wird für einen guten, passenden Impetus gesorgt. Nicht nur das allzu schrille Schlagwerk, sondern der schlechte Klang als ganzes sorgt dafür, dass trotzdem keine Freude für die Ohren aufkommt.

Das ff bringt eine mangelnde Transparenz mit und lässt den Klang schrill werden. Dies ist noch eine der besten unter den schlechten Aufnahmen.

 

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3

Fernando Previtali

Orchestra dell´ Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

DG-BnF, Everest, Ricordi

1961

12:25

 

MONO  Diese Aufnahme erschien einmal bei der DG innerhalb einer 2 LP umfassenden Rossini-Ouvertüren-Edition mit diesem Dirigenten und diesem Orchester in Stereo. Es liegen uns mit Fernando Previtali zwei Einspielungen vor, die erste von beiden stammt von 1955 und wurde mit dem Orchester des Italienischen Rundfunks aus Rom aufgenommen. Leider unterscheiden sie sich auch klanglich kaum, was erneut auf die mangelhaften Digitalisierungen zurückzuführen sein dürfte.

Das Celloquintett hat ein ganz ähnliches Tempo wie 1955. Ziemlich langsam. Auch der Sturm bringt die gleichen Meriten zur Geltung wie beim Römischen Rundfunkorchester. Die Posaunen sind gut hörbar und spielen mit Kraft und Ausdruck.

Das Englischhorn klingt zwar auch bei Santa Cecilia noch nicht balsamisch, es wird aber von weniger Intonationstrübungen in Mitleidenschaft gezogen. 

Auch beim Galopp klingen die Trompeten und die Hörner erneut sehr präsent und durchdringend, auch die Posaunen gefallen erneut. Insgesamt wirkt die sicherlich gute Interpretation auf diesem Medium klanglich aus der Zeit gefallen.

Sie rauscht in dieser Darreichungsform sogar noch stärker als die 55er. Sie kann klanglich keinerlei Verbesserungen für sich geltend machen.

 

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3

Fernando Previtali

Orchestra Sinfonica della RAI di Roma

EMI, Maestro, BnF

1955

13:01

 

MONO  Das Celloquintett wird sehr langsam und sensibel gespielt, wirkt getragen, zurückhaltend und gefühlvoll. Dies könnte fast eine „Jugendaufnahme“ von Sergiu Celibidache sein.

Das ff im Sturm hat eine erstaunliche Durchschlagskraft. Er wird überhaupt durchaus beherzt gespielt, dem Rubato generell ziemlich zugewandt.

In der kleinen „Pastoralen“ hören wir ein ungleiches Duo: Das Englischhorn ist nicht frei von z.T. erheblichen Intonationsmängeln. Die Flöte gefällt nahezu ungetrübt.

Der Galopp beginnt mit klar zu hörenden Trompeten und Hörnern, die mit der gebotenen, rhythmischen Schärfe gespielt werden. Das Orchester klingt hell und spielt temperamentvoll und mit viel Elan auf. Leider klingt es auch hier aufnahmetechnisch sehr antiquiert. Schade, dass man bei diesen gelungenen Darbietungen von Frenando Previtali nicht auf die beste Quelle (ggf. das Mutterband) zurückgegriffen hat.

Es klingt mulmig. Wenn man sich die Aufnahme von Fiedler dagegen anhört (von 1956) oder auch van Beinum (1952) liegen da in Hinsicht auf Transparenz und Dynamik Welten dazwischen. Die Pressung der digitalisierten LP war gut, es sind nur leise und auch nur selten Laufgeräusche zu hören. Die Maestro-Version klingt etwas offener als die BnF-Version, weist aber erheblich mehr Schleifgeräusche und Knackser auf.

 

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3

Nino Sanzogno

Orchestra Sinfonica della RAI di Milano

Myoto Historical

1954

11:43

 

GA  Mono  Nino Sanzogno war ein Schüler von Hermann Scherchen. Leider kommen im Fall dieser Einspielung zu den Geräuschen, die eine schlecht gepresste und zudem wahrscheinlich noch „abgenudelte“ Platte mitbringt auch noch viele Geräusche der Live-Aufführung hinzu. Und es handelt sich nicht, wie man vielleicht vermuten könnte um eine halbszenische oder konzertante Aufführung, was nahe läge, da ein Rundfunk- und kein Opernorchester beteiligt ist, sondern den Geräuschen nach zu urteilen passiert da auf der Bühne pralles Theater, auch schon während der Ouvertüre. Der Klang ist dumpf, jedoch ziemlich präsent. Es klingt mehr nach 40er als nach Mitte 50er Jahre. Noch ein paar Details: Das Englischhorn wird ebenfalls von den Geistern einer schlechten Intonation heimgesucht. Jedoch plagt sich sein Spieler nicht so eklatant damit herum wie sein Kollege beim Römischen Funkorchester. Der Galopp wirkt flott, aber seltsam kurz angebunden, ähnlich wie bei Paul Paray, allerdings ohne dessen Perfektion und ohne dessen Klangqualität, die um Äonen besser ist.

 

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3

Jésus Etcheverry

Orchestre Symphonique Etcheverry

Pacific-BnF

1964?

11:08

 

MONO  Auch diese Einspielung wäre musikalisch nicht uninteressant. Sie ist durchweg temperamentvoll und das Orchester macht einen guten Eindruck. Es fallen weder Besonderheiten im positiven Sinn noch Nachlässigkeiten oder Versäumnisse auf. Von ihrem Klang her ist sie jedoch längst überholt. Auch hier dienen die zwei Seiten einer Single-Platte als Ausgangsmaterial für die Digitalisierung. Die Pressung war, wie zumeist, wenn die BnF die Platten zur Verfügung stellt, in Ordnung. 

 

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3

Riccardo Muti

Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino

Opera d´oro

1972, Live

11:37

 

GA MONO  1972 und Mono, das spricht nicht für eine Aufnahme unter professionellen Bedingungen. Da war Stereo längst etabliert. Es hört sich auch eher nach einem sogenannten „Raubmitschnitt“ an, den eine glühender Verehrer oder ein skrupelloser Geschäftemacher heimlich im Parkett sitzend mit seinem kleinen Diktiergerät oder einem ähnlichen vielleicht auch für die Spionage geeigneten kleinen Aufnahmegerät gemacht hat.

Die Celli spielen zwar mit viel Emphase, klingen aber als wären sie aus Blech und nicht aus Holz. Die Technik ist dem ff des Orchesters nicht gewachsen, es ergibt sich im Sturm ein Klangbrei aus dem nur die Posaunen wie Nebelhörner heraustönen. Der Gestus muss bei der Aufführung im Theater jedoch gepasst haben, jedenfalls ist durchaus noch ein feuriger Zugriff spürbar.

In der kleinen „Pastoralen“ hören wir die Hustenanfälle des Publikums lauter als das Englischhorn. Die Flöte hört man kaum. Unter diesen musikalisch rudimentären Umständen stellt sich die gewünschte Stimmung nur ein, wenn man an eine andere Einspielung denkt.

Der Galopp beginnt ungestüm, auch wenn die Hörner nicht gerade „sattelfest“ wirken. Muti fordert das Blech sehr, auch das Schlagwerk mag ins schwitzen gekommen sein. In Natura mag das ein Erlebnis gewesen sein, von dieser Konserve gehört jedoch nicht. Nach der Ouvertüre gibt es tosenden Beifall für die Mitwirkenden. Sogar noch begeisterter als in Mailand 1989.

Der laienhafte „Raubmitschnitt“ wirkt eingedunkelt und verzerrt. Es gibt viel nervös wirkende Unruhe im Auditorium (unentwegte Hustenattacken). Klanglich werden wir hier wie mit einer Zeitmaschine in die 40er Jahre zurück katapultiert, nur die aufgedunsenen Bässe gab es damals noch nicht zu hören.

 

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3

Mario Rossi

Orchestra Sinfonica delle RAI di Milano

Maestro

1956, Live

11:06

 

MONO  Neben dem sehr temperamentvollen impulsiven Spiel hört man in dieser Einspielung nur ein ziemliches Durcheinander. Transparenz ist hier nicht anzutreffen. Hier reisen wir mit unserer imaginären Zeitmaschine sogar in die 30er Jahre zurück. Die Flöte in der kleinen „Pastoralen“ ist mitunter kaum als solche zu identifizieren. Englischhorn und Flöte spielen nicht zusammen, sondern wie nebeneinander her. Der Galopp ist sehr temperamentvoll, Toscanini stand da Pate. Was man hören kann ist, dass die Interpreten keine Angst vor einem martialischen Gestus hatten. Die Interpretation hätte einen viel besseren Klang verdient.

Er ist anscheinend plump entrauscht worden und das was übrig geblieben ist, wirkt dumpf und distanziert, sogar die Publikumsgeräusche. Teilweise gesellt sich auch noch ein leichter Brumm zum klanglichen Fiasko hinzu.

 

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3

Vittorio Gui

Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino

Maestoso, World Record Club

P 1958

11:15

 

MONO  Das kantable Spiel der Celli wirkt sehr defensiv, die Stimmung wirkt gedrückt um nicht zu schreiben: deprimiert. Das Gewitter lässt ein gutes Crescendo und ein markiges ff hören, die Posaunen sind voll da, die sf ebenfalls. Was man von dem anscheinend gut vorbereiteten Orchester hören kann ist jedoch mehr zu erahnen, als zu hören, denn die Transparenz ist schlecht.

Das Duo Englischhorn-Flöte ist sehr weit entfernt. Klangcharakteristik und sogar das Spiel selbst ist kaum erkennbar, wie bereits Teile des ersten Teils (Celloquintett). Das, was man erahnen kann, wirkt zurückhaltend und sogar ziemlich poetisch.

Der Galopp lässt erneut ein sehr ansprechendes, temperamentgeladenes, überschäumendes Spiel hören Die Klangtechnik ist höchstens miserabel zu nennen. Und das ist schon aufgerundet.

Die auch in diesem Fall digitalisierte Schallplatte lässt es ordentlich rumpeln und schleifen. Die Transparenz nähert sich dem 0-Level und die Dynamik…reden wir von was anderem.

 

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3

Paul van Kempen

Berliner Philharmoniker

Edition Beulah, ehemals DG und Decca

1951

12:18

 

MONO  Diese Einspielung wurde von der DG aufgenommen, es gibt jedoch auch (alte) Schallplatten, die mit dieser Einspielung von Decca veröffentlich wurden, obwohl bei Decca im Jahr darauf bereits eine Aufnahme mit Eduard van Beinum (siehe oben) auf den Markt gebracht wurde. Paul van Kempen kommt übrigens nicht aus Kempen (Kreis Viersen) sondern aus Zoeterwoude, Südholland. Da er bereits vor der Machtübernahme die deutsche Staatbürgerschaft annahm und auch während der dunklen Zeit mit der deutschen Kultur geliebäugelt hatte, hatte er nach dem Krieg in den Niederlanden einen schweren Stand und keine Chance, seinen erwünschten Posten als Chef beim Concertgebouw-Orchester zu erlangen und war auch dann noch mehr in Deutschland tätig. Zuletzt in Bremen.

Im Gegensatz zur in etwa zeitgleich erschienenen Aufnahme van Beinums spielen die Cellisten der Berliner mit erheblich weniger Vibrato. Der Sturm zeigt ein sehr gutes Crescendo, die ganze Sturmmusik wirkt stark angetrieben. Die Posaunen jedoch viel weniger exponiert. Sie spielen auch lange nicht so „einpeitschend“ wie in Amsterdam. Die Streicher lassen im ff jedoch einen tollen Impetus erkennen.

Das Andante nimmt van Kempen viel langsamer als van Beinum. Dem Englischhorn fehlt noch der klangliche Feinschliff späterer Jahre, während die Flöte schon nahezu schwerelos dahinjubiliert. Das Solo des Englischhorns klingt sehr einfach, wie man es sich von einem Hirten gespielt vorstellen könnte.

Das Allegro vivace erhält im Galopp einen federnden Rhythmus. Das Tempo ist mäßig, das Orchester spielt sehr sauber. Die Bläserstimmen sind deutlich. Insgesamt also eigentlich eine mehr als gelungene Einspielung.

Auch hier wurde der Einspielung (von Beulah) keine Neuüberspielung vom Mutterband spendiert, auch hier, wie bei den zahlreichen italienischen Aufnahmen wurde von einer alten, in Mitleidenschaft gezogenen Schallplatte digitalisiert. Sie klingt fast genauso muffig wie die italienischen. Die Einspielung van Beinums aus demselben Jahr mutet dagegen an wie ein schöner Traum. Sie wurde aber auch gewissenhaft mit einer professionellen Neuüberspielung ins neue Medium überführt. Eine seriöse Neuabmischung der Einspielung van Kempens vom Masterband direkt aus der DG-Zentrale, wäre wünschenswert und klänge vermutlich entscheidend besser.

 

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3

Roberto Benzi

Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris

Philips, Harrison James Music

1961

12:38

 

Obwohl man in diesem Fall eine Stereo-Platte zur Verfügung hatte, verbreitet das Celloquintett keinerlei Raum-Anmutung. Es werden keine großen Bögen gespannt, reichlich Vibrato genutzt und das Tempo wirkt ein wenig gezogen.

Das Holz spielt zu Beginn des Sturms ohne Geheimnisse und ohne Spannung, beim ff ist die Pressung der Schallplatte mehr als gefährdet. Die Abtastung verzerrt den Klang des Orchesters und macht ihn schrill. Das ist kein Genuss.

Das Englischhorn klingt hart und ist intonatorisch verunsichert, spielt aber bewegt und lässt eine gute Dynamik hören.

Der Galopp wirkt weniger leicht und virtuos und zunächst auch noch gebremst. Das Zusammenspiel gelingt nicht ganz perfekt. Es wird jedoch gut gesteigert und die Wirkung ist schließlich temperamentvoll.

Wir können nicht nachvollziehen, dass die Anbieter solcher Digitalisierungen sich nicht wenigstens die Mühe machen, eine anständig erhaltene Pressung zu suchen. Dann wäre der Musik schon viel gedient. So klingt die Aufnahme sehr hell, viel heller als z.B. die Aufnahme Maags ein Jahr zuvor. Da war die Pressung der Schallplatte in Ordnung. Dem gehörten Klang nach zu urteilen hat man bei Philips bei dieser Einspielung wenig Raumanteil mit aufgenommen, es klingt zwar nach Stereo, aber wenig räumlich.

 

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3

Sir Henry Wood

New Queens Hall Orchestra

Columbia

1928

11:01

 

Mono  Sir Henry Wood war der Gründer der weltbekannten Londoner Proms-Konzerte, die ursprünglich nicht in der Royal Albert Hall, sondern in der Queens Hall stattfanden. Er war auch der erste Dirigent dieser beliebten sommerlichen Konzertreihe. Von einer Aufnahme dieses Alters darf man keine Wunderdinge erwarten. So klingt das Celloquintett sehr weit entfernt. Das pp der Streicher zu Beginn der Sturmmusik geht fast im Rauschen unter. Das Crescendo ist ziemlich mächtig, das ff des Tutti ebenfalls. Der Sturm klingt zwar antiquiert, aber ausdrucksstark.

Das Andante mit dem schönen Kuhreigen wird sehr zügig gespielt und weitgehend von Rauschen überlagert. Es wirkt dadurch wenig stimmungsvoll.

Das Spiel im letzten Teil, dem Galopp, wirkt kontrastreich und es wird mit anspringendem Temperament musiziert. Der Rhythmus wirkt klar, das ff drastisch (vor allem beim „Tutta forza“). Es sind keine Einschränkungen in Sachen Virtuosität spürbar. Es ist gut möglich, dass die damalige Technik dieses an die Grenze kommen noch überhöht darstellt. Insgesamt würden wir dieser Einspielung aus klanglichen Gründen nur dokumentarischen Wert zubilligen. Das klangsinnliche Moment fehlt völlig. Das Rauschen ist sehr stark, die Schleifgeräusche von der Platte demgegenüber recht leise. Und trotz ihres Alters gibt es noch eine Einspielung, die noch schlechter klingt. Siehe unten.

 

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2

Massimo Freccia

Orchestra Filarmonica di Roma

Readers Digest (RCA), Astory Classical

1960

11:03

 

Mono  Wenn man bedenkt, wie gut viele Einspielungen aus der Readers Digest -Reihe klingen, muss die Digitalisierung dieser Einspielung besonders enttäuschen. Die Celli sind so stark verzerrt, dass man als Hörer meint, selbst unter Wasser zu tauchen, während das Orchester irgendwo außerhalb, vielleicht am Beckenrand, vielleicht aber auch an der Besucherkasse aufspielt. Anscheinend hat man die Datenrate so stark gedrosselt, dass ganz enorme Verzerrungen erfolgen. Wahrscheinlich stammt die Digitalisierung aus der Zeit, als die Datenrate bei Download oder Streaming noch ein großes Problem war. Eine Entschuldigung ist das jedoch nicht. Vom stürmischen, pastoralen und galoppierenden weiteren Verlauf ist nur noch Kauderwelsch übriggeblieben. Wir haben unsere Hörsitzung vorzeitig abgebrochen. Die Einordnung in unser Bewertungssystem erfolgt unter Ausschluss von Orchester und Dirigent und gilt ausschließlich den Digitalisierungsspezialisten bei Astory Classical. Wir haben auch bei der 2 wieder großzügig aufgerundet.

 

 

 

Vergleich fertiggestellt am 27.6.23