Wolfgang Amadeus Mozart

Oboenkonzert C-Dur bzw. Flötenkonzert D-Dur   KV 314

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Werkhintergrund:

 

Die Oboe inspirierte von der Barockzeit bis heute zahlreiche Komponisten. Gibt es in der Barockzeit noch eine Fülle von kleinen Konzerten, dünnte sich das Angebot in Klassik, Romantik und Moderne immer weiter aus, sodass im Prinzip nur die „Leuchtturmwerke“ von Joseph Haydn, Richard Strauss, Ralph Vaughan-Williams und Bernd Alois Zimmermann als Meisterwerke übrigbleiben. Prächtige Soli in herausragenden Orchesterwerken für das Instrument lassen wir in unserer kleinen Retrospektive einmal außen vor, da haben die Solisten im Orchester keinen Grund, sich zu beschweren. Bei Mozart kommt die Oboe als Soloinstrument eher selten vor. Besonders nachhaltig jedoch im Oboenquartett KV 370 und natürlich im Oboenkonzert KV 314. Nun also los. Bühne frei! Achtung, Oboe!

Welche Wonne, welche Lust, trällert sie ein Lied – lustig und gewitzt. Es gibt eine dramatische Szene à la Rondo. Sie schlüpft von einer Rolle in die Nächste. Redend, singend, sprudelnd. Wie das Blondchen, die aufmüpfige Kammerzofe aus der "Entführung aus dem Serail", Feuer und Flamme für die Idee der Freiheit. Und in konspirativem Kontakt mit den beiden potentiellen Befreiern. In dieser Arie freut sie sich, die Nachricht an ihre entführte und in brenzliger Situation im Serail einsitzenden „Herrin“ von der bereits geplanten, nahen Befreiung überbringen zu dürfen. Doch Blondchen war erst 1782 mit heller Stimme über die Opernbühne in Wien gewirbelt, als die Oper ihre Premiere hatte. Eine instrumentale Opernszene hatte Wolfgang Amadeus Mozart schon 1777 komponiert. Als junges Genie, 21 Jahre alt, voller Tatendrang. Endlich raus aus der Enge Salzburgs – und raus in die weite Welt. Aus seinem Sohn sollte etwas werden, das hatte Leopold Mozart, strategisch denkend, ja schon lange beschlossen. Und schickte ihn auf Reisen – nach Paris. Das erste Mal ohne den Vater. Ob da Gutes bei rauskommt?

Der Filius schickte Briefe aus Mannheim, einer Zwischenstation auf dem Weg nach Paris, da tauchte eine merkwürdige Vokabel auf: die "Weberische". Eine Sechzehnjährige hatte Wolfgang Amadeus Mozart den Kopf verdreht: Aloysia Weber, begabt mit offensichtlich wunderschöner Stimme und dem Temperament einer Diva. Aus der Feder des jungen Mozart flossen Konzertarien, denn er träumte von Reisen mit der Angebeteten nach Italien. Außerdem kreuzte ein Musiker seinen Weg, der sogar in Gerbers Lexikon der Tonkunst stand als der beste Oboist weit und breit, berühmt für die Kunst zu singen mit Herz und Verstand. "Der Hautboist, dessen Namen ich nicht mehr weis, welcher aber recht gut bläst, und einen hübschen feinen Ton hat. ich habe ihm eine Präsent mit den Hautbois Concert gemacht, es wird im Zimmer bey Cannabich abgeschrieben, der Mensch ist närrisch vor freude." Dies schrieb Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Herrn Papa – der war weniger entzückt, der Filius nämlich knapp bei Kasse. Dies im November 1777. Geschenkt??? Das wäre mit dem Papa an der Seite nicht passiert.

Der Mannheimer Oboist, Friedrich Ramm, brillierte trotzdem mit Mozarts Konzert bei mindestens fünf Aufführungen. Und es erzielte jedenfalls: "einen großen Lärm", wie der Komponist nebenbei bemerkte und damit den Applaus meinte. Der dachte allerdings nicht nur an Aloysia, sondern auch ans Geldverdienen. Und die Reise nach Paris, ein hoffnungslos überteuertes Pflaster. Deshalb vermutlich wurde dem „Oboen-Schlachtross“, wie Mozart sein Oboenkonzert nannte, ein neues Kostüm verpasst. Ein reicher Dilettant hatte Flötenmusik bestellt: Quartette und drei Konzerte. Mozart griff zur Feder, setzte das Konzert einen Ton höher – nach D-Dur. Davon später mehr, wenn wir uns dem Flötenderivat genauer widmen werden. Wir merken uns noch: Die Oboenstimme ging dabei verloren. Ein genialer Komponist, aber offensichtlich hielt er nicht immer genug Ordnung. Er hielt nicht nur seine Gulden nicht zusammen, sondern auch seine Notenblätter. Vielleicht hat er sie auch verschwinden lassen, um zu vertuschen, dass es in Mannheim ein Oboenkonzert von ihm je gegeben hatte? Das konnte er nach fünf Aufführungen jedoch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen haben. Also vergessen wir den Gedanken besser wieder.

Alfred Einstein, nicht zu verwechseln mit dem genialen Physiker Albert Einstein fast gleichen Namens (die beiden waren ja auch Cousins), vermutete in seinem 1945 erschienenen Buch Mozart: sein Charakter, sein Werk wegen Referenzen in Mozart-Briefen zu einem existierenden Oboenkonzert und Hinweisen in der Orchestrierung des zweiten Flötenkonzerts, die vermuten ließen, dass es nur eine Adaption des Oboenkonzertes sei, das zu dieser Zeit noch als verschollen galt. Bernhard Paumgartner publizierte erst 1950 (was ging dabei in dem Mann vor, er hätte es schon 30 Jahre vorher verraten können?!)), dass er bereits 1920 am Mozarteum Salzburg den Stimmensatz des Oboenkonzertes KV 314 gefunden hatte, was endgültig zu der Gewissheit führte, dass man es eigentlich mit einem Oboenkonzert zu tun hat. Der Stimmensatz war jedoch noch voller Fehler, doch das originale KV 314 kam immerhin wieder zum Vorschein – als Oboenkonzert. Erst der Oboist Ingo Goritzki machte sich dann akribisch-wissenschaftlich auf Spurensuche. Albrecht Mayer (einer der beiden Solooboisten der Berliner Philharmoniker) äußerte sich dazu in einer Episode der Sendereihe auf BR Klassik: „Das starke Stück“ über die Gründe von Mozarts Bearbeitung seines Oboenkonzerts: "Er war kein großer Freund der Flöte. Das weiß man aus der Korrespondenz mit seinem Vater. Er sagt da: 'Und dann bin ich immer gleich stuff, wenn ich für ein Instrument schreibe, das ich nicht leiden kann.' Er musste also irgendetwas nehmen."

Klingende Beweisführung: Der Tonumfang – zu klein für die Flöte, zu wenig virtuoses Spielwerk, stattdessen klingen Figuren, redend, singend, ein Konzert für Oboe eben. Eine kleine Reiseskizze mit einer Notiz Mozarts ist nur überliefert mit dem Anfang der Solostimme in C-Dur. Eine merkwürdige Tempobezeichnung steht über dem ersten Satz: Dazu wieder Albrecht Mayer: "Allein schon der Titel 'Allegro aperto'. Ein 'offenes Allegro', das muss ja irgendeinen Charakter haben. Es ist vielleicht wirklich etwas Offenes, etwas auch Rezitativisches, da kommen immer diese kleinen Breaks, und dann geht’s wieder im Tempo weiter. Und das ist ja schon eigentlich unglaublich revolutionär." Effektvolles Wechselspiel von Virtuosem und Gesangvollem – die Oboe: einer launischen Diva gleich.

Szenenwechsel: Der langsame Satz "Adagio non troppo" klingt, als ob Mozart die Worte von Johann Mattheson befolgt hätte. Der hatte einmal gesagt, dass die Oboe der Menschenstimme wohl am nächsten käme, wenn sie mit der ganzen Wissenschaft der Sangeskunst traktiert werde. Ansonsten wünsche er sich lieber eine gute Maultrommel oder ein Kamm-Stückchen zu hören. Mozart entschied sich jedenfalls für die Oboe. "Man muss sich schon überlegen, wie langsam es ist", bemerkt Oboist Mayer zu diesem Satz. "Geht es wirklich auf Achtel oder auf Drei? Ich denke ganz bestimmt, es muss auf Drei gehen und nicht in diesen Achteln, das spürt man allein schon an der Bassbewegung. Diese Achtel deuten schon so etwas an wie einen Herzschlag. Es hat auch etwas Fließendes. Das ist zum Beispiel etwas, das so unglaublich oboistisch ist. Das kann ich mir auf der Flöte überhaupt nicht vorstellen." Andere spielen den Satz nichtsdestotrotz schneller als es Albrecht Mayer tut, wieder andere langsamer. Farbwechsel, Eintrübungen nach Moll – eine Musik, die nur scheinbar naiv und unbedarft daherkommt. Jede Note hat Bedeutung, ein Ausloten von Nuancen.

Und an denen hat auch Albrecht Mayer seinen Spaß, besonders im letzten Satz. "Da gibt es diese Stelle kurz vor der Reprise, wo die Oboe so quasi ins Blaue hineinspielt und einfach aufhört. Und dann fängt man wieder an und weiß nicht: Wie wollte Mozart sowas? Wollte er einfach, dass es weitergeht, oder kann man so einen Break machen, dass es einfach wie ein kleiner Schluckauf klingt. Also ich betone einfach diesen Schluckauf-Charakter, weil ich finde: Das hat viel mehr Witz." Das vergnügte Blondchen mit Schluckauf? Ein Scherz für den Konzertsaal, inszeniert wie auf der Opernbühne. Mozart reiste weiter nach Paris, unglücklich verliebt. 1782 wirbelte Blondchen erstmals über die Opernbühne. Welche Wonne, welche Lust, trällerte sie vergnügt mit Tönen, mit denen hatte die Oboe allerdings schon einige Jahre früher ihre Witze gemacht. Soweit Albrecht Mayer im Beitrag des BR.

Wie war das jetzt nochmal genau mit dem Flötenderivat? Wir legen Wert darauf, dass es sich bei dem hier zur Rede stehenden Werk eigentlich um ein Oboenkonzert handelt. Wolfgang Amadeus Mozart Beziehung zur Flöte war nämlich – um einer oft kolportierten Mär ihren kleinen Auftritt zu geben – von Herausforderungen geprägt. Das wollen wir doch noch etwas genauer wissen. Just im Zusammenhang mit der Entstehung einiger Flötenwerke, darunter auch das KV 314, ließ sich Mozart in einem Brief an seinen Vater am 14. Februar 1778 zu jenen Worten hinreißen, die wohl der Ursprung für dieses Gerücht sein dürften: «Ich habe hier keine ruhige Stunde […] Zu allen Zeiten ist man auch nicht aufgelegt zum Arbeiten. Hinschmieren könnte ich freylich den ganzen Tag fort; aber so eine Sach kommt in die Welt hinaus und da will ich halt, daß ich mich nicht schämen darf, wenn mein Name darauf steht. Dann bin ich auch, wie Sie wissen, gleich stuff (Anm.: widerwillig), wenn ich immer für ein Instrument (das ich nicht leiden kann) schreiben soll.» In der Tat, so äußerte sich der 21-jährige Wolfgang über die Flöte. Diesen Brief zitierte auch bereits Albrecht Mayer in der genannten Sendung des BR. Und doch: Eine seiner berühmtesten Opern trug später den Titel „Die Zauberflöte“ und maß der magischen Wirkung von Flötentönen überirdische Kräfte bei. Das hätte mit einer „Zauberoboe“ einfach nicht funktioniert. Und Mozart schrieb in zahlreichen späten Werken (besonders in den letzten Klavierkonzerten) unglaublich schöne Solostellen für die Flöte – es ist daher erlaubt anzunehmen, dass sich seine Meinung über das Instrument im Lauf der Jahre änderte.

Doch zurück in die schon späteren 1770er-Jahre, als Mozart noch in Salzburg beheimatet war und daran arbeitete, sich in Europa als Komponist vorzustellen und Kontakte zu knüpfen. Wahrscheinlich komponierte er noch dort das Oboenkonzert, für den Oboisten Giuseppe Ferlendis. Nun befinden wir uns aber bereits in Mannheim 1778, wo Mozart als Gast im Haus des bekannten Komponisten und Flötisten der berühmten Mannheimer Hofkapelle Johann Baptist Wendling logierte. Im Haus der Wendlings hatte Mozart die Bekanntschaft mit einem begüterten und musikbegeisterten Niederländer namens Ferdinand Dejean gemacht. Der hatte einige Jahre als Arzt der Vereinigten Ostindischen Kompanie in Batavia (Indonesien) verbracht, was ihm bei Mozart den Spitznamen «Indianer» einbrachte. Als weitgereister Musikfreund war Dejean zwar zu einigem Vermögen gekommen, seine virtuosen Fertigkeiten auf der Flöte waren jedoch bescheiden; womöglich schrieb Mozart auch deshalb nur mit wenig Lust an den Werken, die Dejean bei ihm in Auftrag gab.

Der Auftrag umfasste „3 kleine, leichte und kurze Concertln und ein Paar quattro auf die flötte“, wie Mozart an Vater Leopold schrieb. Für den Auftrag wurden 200 Gulden als Honorar vereinbart. Das war eine Menge, denn sein Jahressalär in Salzburg betrug etwa ungefähr 150 Gulden. Weil Mozart aber nur zwei Konzerte (KV 313 und 314) sowie ein Quartett (KV 285) liefern konnte, erhielt er lediglich 96 Gulden. Und damit war es der Abstriche noch nicht genug: Eines der beiden Flötenkonzerte für Dejean war bereits ein Jahr zuvor in einer anderen Tonart (wir erwähnten es bereits), an einem anderen Ort, für einen anderen Solisten und obendrein für ein anderes Soloinstrument entstanden. Der Steckbrief lautet: Konzert für Oboe und Orchester C-Dur (KV 314), entstanden im Frühjahr oder Sommer 1777 für den neuen Oboisten der Salzburger Hofkapelle Giuseppe Ferlendis. Dies nur eine kleine didaktische Wiederholung. Der aufmerksame Leser weiß das bereits. Das Oboenkonzert führte Mozart im Gepäck mit sich, als er im Herbst nach Mannheim reiste. Dort machte, wie gesagt Herr Mozart dem Herrn Ramm „ein Praesent mit dem Hautbois Concert“. Der führte das Konzert allein bis Ende 1777 mehr als fünf Mal auf. Als kurz darauf der bereits vorgestellte Ferdinand Dejean seine Flötenwerke bei Mozart in Auftrag gab und die Zeit offenbar knapp wurde, ging Mozart also kein kleines Risiko ein, indem er das in Mannheim wahrscheinlich gut bekannte Oboenkonzert in nur minimal veränderter Form als Flötenkonzert lieferte. An dieser Stelle soll angemerkt sein, dass die Wiederverwendung von Kompositionen für andere Zwecke zu Mozarts Zeit eine übliche Praxis darstellte. Nachdem der Komponist am 15. Februar 1778 mit den Kollegen und Wendling nach Paris abreisen wollte, dürfte er unter großem Zeitdruck gehandelt haben und obendrein mit Schmetterlingen im Bauch zu viel an die „Weberische“ dachte und so lässt sich annehmen, dass Mozart das originale Flötenkonzert in G-Dur (KV 313) zuerst schrieb und, der Not gehorchend, noch vor der Abreise sein Oboenkonzert (um einen Ganzton nach oben transponiert) als zweites Flötenkonzert an Dejean lieferte.

„In seinem Konzert für Flöte und Orchester D-Dur KV 314 greift Mozart auf einige bewährte Stilmittel zurück, die er bereits in anderen Instrumentalkonzerten angewandt hatte“, so in einem Beitrag auf der Website des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters von Alexander Moore: „Sangliche, einprägsame Themen und ein reizvolles Wechselspiel zwischen groß angelegten Tuttistellen und kammermusikalisch angelegten Stellen charakterisieren das Werk. Die Verwendung des bereits ein Jahr zuvor entstandenen Oboenkonzerts als buchstäbliche Blaupause war, wie bereits erwähnt, zu Mozarts Zeit ganz üblich. Zu bedenken ist auch, dass der individuelle Komponierstil für einzelne Instrumente damals noch nicht in vollem Umfang ausgereift war. Instrumentalkonzerte für Blasinstrumente waren sich in ihrer Konzeption grundsätzlich oft ähnlich und damit leichter austauschbar. Der Solopart des Doppelrohr-Holzblasinstruments schimmert auch insofern noch durch die Partitur des Konzerts KV 314, als die Flöte ihre hohe Lage nie ausnützt und stets im Tonumfang der Oboe bleibt.

Der erste Satz (Allegro aperto) eröffnet mit einer für die frühe Klassik typischen, anmutigen Einleitung. Durch Synkopen und Sekundvorhalte erhält die Musik eine drängende Kraft. Mit einem elegant-verspielten Thema eröffnet die Flöte das solistische Geschehen, das Seitenthema findet sich später wieder in der Klaviersonate C-Dur KV 545. Mit einer prägnanten Trillerfigur und einer absteigenden Dreiklangsbrechung stellt Mozart ein weiteres Thema für den Solopart vor, das im Wechselspiel mit Soloinstrumenten des Orchesters fortgesponnen wird. Die Durchführung ist kurz angelegt und bringt den Kopfsatz zu einem stimmigen Abschluss.

Erzählend und sanglich ist der langsame Satz (Andante ma non troppo) angelegt. Getragen erklingt das Hauptthema, bewegter das Thema des Seitensatzes. Nach alter Setzweise lässt Mozart im Trio nur die beiden Violinen(gruppen) die Flöte begleiten.

Als Arie «Welche Wonne, welche Lust herrscht nunmehr in meiner Brust» des Blondchens in der «Entführung aus dem Serail» wurde das Thema des Rondo-Hauptsatzes (Allegro) später bekannt, wodurch das Flötenkonzert von der Atmosphäre in die Nähe des Singspiels und der Opera buffa rückt. Die ausgelassene Bewegung des Themas im 2/4-Takt erklingt auch in den Couplets: ein charmantes musikalisches Spiel, in dem Mozart auch Anklänge an das Hauptthema des Kopfsatzes versteckt.“ Soweit Alexander Moore. Eigentlich könnten alle drei Sätze, leicht abgewandelt und etwas gekürzt ebenso gut in einer Oper oder einem Singspiel Mozarts stehen. Die Einfälle wären passend.

Für die Oboist:innen (und nicht minder für die Flötist:innen) ist das Mozart-Konzert ein ganz wichtiges. Jeder Profi hat es in seinem Repertoire, das heißt besser, muss es im Repertoire haben, denn es wird als Standard-Werk (oder auch Pflicht-Stück) bei fast jedem Probespiel verlangt, wenn es bei der Bewerbung um die erhoffte neue Stelle ernst wird. Es bietet dessen ungeachtet über den „Nutzwert“ hinaus strahlendes C-Dur (bzw. D-Dur), virtuose Läufe und gesangliche Linien. Ein wirklich schönes Stück ist es allemal. Wenn es im Gesamtschaffen Mozarts nicht zu seinen wichtigsten Kompositionen gehört, sind daran besonders spätere Werke schuld wie die vier letzten Sinfonien, die Klavierkonzerte von der Nr. 9 bis zur Nr. 27, das unnachahmliche Klarinettenkonzert, von der Machart her wie „gottgesandt“, einige Opern und weitere Werke mehr, die man sowohl in der Kammermusik als auch noch im Bereich der geistlichen Musik (Requiem, Messe c-Moll) finden kann. Jedoch wäre KV 314 aus der mittleren Schaffensperiode, wenn man das bei Mozarts kurzer Lebensspanne überhaupt schreiben darf, für alle anderen Komponisten der Zeit ein Geniestreich allerersten Ranges gewesen.

Ist das Konzert nun als Oboenkonzert oder als Flötenkonzert besser, schöner oder sympathischer? Weder noch. Mozart mochte die Flöte wahrscheinlich weniger, weil sie zu seiner Zeit, einer Zeit ohne Klappen (!), man kann es sich vorstellen, schlecht genau zu intonieren war. Der Mund (die Lippenform und die Rachenformung) musste dabei bei der richtigen Intonation mächtig mithelfen. Was für eine Arbeitsleistung! Es gelang damals sicher nur ganz wenigen Instrumentalisten richtig gut. Weshalb hätte man sonst auch die Instrumente weiterentwickeln sollen? Ob das bei den Oboen jener Zeit anders war, denn die mussten ja genauso (fast) ohne Klappen auskommen? Die Anfänge der historisch informierten Aufführungspraxis erinnert jedoch daran, dass es sehr wohl auch bei diesen alten Instrumenten Probleme genug zu meistern gab. Aber wahrscheinlich gelang es mit der Oboe damals doch etwas besser, denn Mozart mit seinem feinsten Gehör, mochte explizit die Flöte nicht, Vielleicht auch wegen des hellen, leicht schrillen Tons? Oder wegen der Charaktere der Flötisten, die er kennenlernte? Genauso mochte er aber auch die Trompeten oder die Harfe nicht. Begeistert war er hingegen von der Klarinette, wenn sie gut geblasen wurde.

Fest steht allerdings, dass der Ton der Oboe, natürlich auch in unseren hier vorgestellten Einspielungen meist voller, pastoser, erdiger, aber auch zumeist unbeweglicher klingt und in der Vorstellung beim Publikum ganz andere Klangfarben hervorruft. Klingt sie nun mehr braun oder blau oder doch eher dunkel-moosgrün? Jedenfalls nicht golden oder silbrig wie die (edel)metallenen heutigen Konzertflöten. Die bestehen mittlerweile aus bis zu 150 verschiedenen Bauteilen. Passen zur Musik Mozarts deshalb nicht sowieso die originalen aus Holz besser? Wäre diese Frage nebenbei nicht auch noch zu klären?

Die Flöte hat jedenfalls ein etwas bergigeres Notenbild verpasst bekommen, bisweilen größere Intervallsprünge, virtuoser anmutende Läufe. Aus Triolen werden 1/16-Läufe und der zweite Satz glänzt mit allerlei Verzierungen. Da kommen die Solist:innen gerne einmal in die Gefahr eitel und selbstverliebt zu wirken. Das hellere und strahlendere D-Dur geht ebenfalls bereits in diese Richtung. Sie haben ja auch kaum Widerstand bei der Tonerzeugung zu überwinden. Es fällt alles leichter, der Körper wird weniger belastet. Das merkt man dem Spiel deutlich an. Da kann die Anmutung der Tonerzeugung schnell einmal den stilistischen Rahmen sprengen. Übrigens: Der zweite Satz hat bei der Flötenversion eine andere Tempobezeichnung. Andante ma non troppo. Für die Oboe lautet sie: Adagio non troppo. Die letzte ist für Mozart ganz untypisch, weshalb sie oft ignoriert wird. Wen wundert es, dass sich da viele dort bedienen, wo es besser gefällt? Ähnlich ist es beim dritten Satz. Da darf die Flöte ein Allegro anstimmen, während es die Oboe mit einem Rondo Allegretto etwas ruhiger angehen darf. Das modifiziert nicht nur die Spielzeiten der beiden Sätze, sondern auch die Charaktere.

Mit einer Oboe eitel rüberzukommen fällt schon schwerer. Das C-Dur wirkt einfach schon gelassener (meist schon zu Beginn im Orchester, wenn man noch gar nicht weiß, welches Soloinstrument denn nun kommt) und bevor es eitel werden könnte, geht dem Solisten die Luft aus oder, etwas überspitzt formuliert, der Kopf platzt wegen des hohen Drucks, weil die Luft ja kaum, obwohl regelrecht gepresst, durch das dünne Doppelrohrblatt entweichen kann. Aber sie muss durch, sonst wird das nichts. Man wird vom Instrument automatisch zur Bescheidenheit erzogen, will man mit ihm alt werden. Die Lösung heißt, eine gewisse Meisterschaft schon im Rohrbau zu erlangen, darauf lässt sich dann aufbauen. Das Rohr muss leicht schwingen, genügend offen und damit luftdurchlässig sein und im Verbund mit dem Instrument voll und rund klingen. Und zudem sollte man sich mit guter Atemführung bis zur Permanentatmung (oder auch Zirkularatmung genannt) perfektionieren, dann gibt es kaum noch Probleme und die künstlerische Arbeit kann beginnen.

Nach über 80 Versionen mit den diversen Solo-Instrumenten gefiel uns die Oboen-Version im zweiten Satz einfach besser, während man bei den lebhafteren, zügigeren Sätzen eins und drei doch wohl individuell entscheiden muss, welche Version zu favorisieren wäre. Die Oboe bringt eine breitere, variantenreichere Klangpalette mit ein. Das ist aber ganz subjektiv und jeder kann durchaus andere Prioritäten finden. Die Oboen-Versionen unterscheiden sich irgendwie auch untereinander stärker voneinander. Das mag auch am selbstgebauten Mundstück liegen. Schon das verwendete Holz bringt Unterschiede (Arundo donax, wie die Pflanze botanisch heißt), mal ist es weicher, mal ist es härter. Man hat es im Mund. Die Flöte wird nur rangehalten. Die Flöte hat durch ihren leichteren Gang, fast wie bei den Models auf dem Mode-Laufsteg, da ihre Vorzüge, aber Vorsicht, gerne legt man dabei zu viel Makeup auf und Mozart tritt zugunsten der Eigenprofilierung der Solistin oder des Solisten weiter zurück. Insgesamt sind sich die Flötenversionen untereinander ein wenig ähnlicher, zumindest in unseren Ohren.

Und wie ist es nun mit den Instrumenten der Barockzeit? Sie scheinen durch ihre leichtere Ansprache differenzierter zu spielen zu sein, der resultierende Nuancenreichtum spricht für sie. Besonders für die Barockoboe aber auch für die Traversflöte. In größeren Räumen wären jedoch die klassischen Instrumente „mit den vielen Klappen“ im Vorteil, denn sie können lauter spielen, klingen meist etwas ausgewogener und intonationssicherer, können größere Räume besser füllen und sich gegen größere Orchester besser durchsetzen, besonders wenn sie beherzt gespielt werden. Auf der Tonkonserve gelten jedoch andere Regeln. Da ist die Tontechnik gefordert, einen harmonischen Gesamtklang hervorzubringen. Für die Herstellung einer perfekten Balance ist sie wahrscheinlich wichtiger als die Musiker selbst. Das gute an der Fülle von verschiedenen Versionen ist, dass für jeden Geschmack etwas dabei sein sollte. Wir wollen dabei helfen, schon im Vorfeld den Fokus auf die individuell passenden Einspielungen zu lenken.

 

Kleiner Zusatznutzen: Die Solist:innen, ob sie nun mit einer Oboe oder einer Flöte spielen, sind oder waren nach ihrer Ausbildung zuallermeist zuerst im Orchester tätig und haben danach oder auch parallel dazu eine Lehrtätigkeit an einer Hochschule übernommen. Nur in ganz seltenen Fällen haben sie alles auf eine Karte gesetzt, den Orchesterdienst hinter sich gelassen und ausschließlich eine Karriere als Solist:in verfolgt (z.B. James Galway, Jean-Pierre Rampal und, wenn wir das richtig sehen, Ana de la Vega). Während die passionierten Musikhörer:innen wenig davon haben, wenn wir angeben würden, an welcher Musikhochschule unterrichtet wird oder wurde, könnte es von größerem Interesse sein zu erfahren, in welchem Orchester sie spielen oder gespielt haben. So könnte man bei anderer Gelegenheit ihren Soli bei Werken der musikalischen Weltliteratur lauschen. Dvoraks Achte Sinfonie mit James Galway oder Karlheinz Zöller hinter dem Pult der ersten Flöte sollte man nicht verpassen. Besonders wenn zugleich auch noch ein Lothar Koch oder Hansjörg Schellenberger daneben sitzen sollte. Kaum weniger interessant könnte es sein, wenn Emmanuel Pahut und Albrecht Mayer gemeinsam mit ihrem Orchester Schuberts Neunte intonieren würden. Deshalb nennen wir die betreffenden Orchester, soweit sie uns bekannt sind, um so ein Wiederhören zu befördern.

Noch ein Wort zu den verwendeten Kadenzen, die teils eine beträchtliche Länge im Satzgefüge einnehmen. Jeder Satz sollte gemäß der Partitur mit einer ausgestattet werden. Und tatsächlich verzichtet auch keiner der Solisten darauf. An der Stelle, wo sie zu spielen wäre, steht ja auch in keinem Fall: „Cadenza ad libitum“. Mozart selbst hat aber für keinen der Sätze eine Kadenz aufgeschrieben oder vielleicht korrekter: hinterlassen. Bei zahlreichen Einspielungen kann man der CD-Hülle keinen Autoren der Kadenzen entnehmen. Dort wo der Verfasser erwähnt wird, ist es zumeist der Solist selbst. Nur in ganz wenigen Fällen verwenden die Solisten eine Kadenz, die sie bei einem Komponisten eigens in Auftrag gegeben haben oder sie verwenden die Kadenz eines Lehrers, um ihn zu ehren. Ein einziges Mal (wenn uns nichts entgangen ist) verwendet ein Oboist die Kadenz eines anderen Oboisten: Francois Leleux spielt Kadenzen von Heinz Holliger, der ja auch ein ausgezeichneter Komponist ist. Um das Thema Kadenz in Summe abzurunden und abzuschließen: Ein zweiter Mozart hat sich in keinem Fall als Verfasser derselben erkennen lassen, die meisten Kadenzen passen aber gut zum Werk, dem sie den letzten Schliff geben sollten. Als solistische Visitenkarte taugen sie allemal. Nur wenn einmal eine besonders aufgefallen ist, erwähnen wir es ganz kurz.

Noch ein kleiner Hinweis zum Schluss: Durch die unterschiedlichen Längen der Kadenzen in jedem einzelnen der Sätze modifiziert sich dessen Gesamtlänge. Es ist deshalb fast nicht möglich von der gemessenen Zeit auf das vorgelegte Tempo zu schließen. Das sollte man beim Studium der Spielzeiten, die sowieso meist nur eine wage Richtung vorgeben, stets im Hinterkopf haben.

Und nun viel Spaß beim Vergleichen.

 

 

(Die für den Vergleich verwendete Partitur der Oboenfassung stammt von Bärenreiter, 1981 in einer Online-Publikation der Stiftung Mozarteum von 2006 (sie kann einfach heruntergeladen werden). Die Taschenpartitur der Flötenfassung von Edition Peters Nr. 818 war noch älteren Datums, stammt noch aus der ehemaligen DDR und verschweigt überhaupt ein Datum. Beide repräsentieren also nicht gerade der Forschung neuesten Stand, waren aber immerhin passend zu den meisten Einspielungen, die meistens ebenfalls bereits auf Jahrzehnte zurückblicken könnten.)

 

 

zusammengestellt bis 14.1.2023

 

 

 

Mozart im Jahr 1781. Detail aus einem Gemälde von Johann Nepomuk della Croce.

 

 

 

 

 

Übersicht über die zum Vergleich gehörten Aufnahmen:

Die Rezensionen befinden sich wie üblich im Anschluss.

 

 

Versionen gespielt mit einer fast klappenlosen Barockoboe:

 

 

5

Paolo Grazzi

Alfredo Bernadini

Ensemble Zefiro

Sony

2006

6:57  7:08  5:34  19:39

 

5

Marcel Ponseele

Ton Koopman

Amsterdam Baroque Orchestra

Erato

1993

6:49  6:04  5:23  18:16

 

5

Katharina Arfken

Petra Müllejans

Freiburger Barockorchester

Harmonia Mundi

2006

7:28  6:21  5:55  19:44

 

 

4-5

Michael Niesemann

ohne zusätzlichen Dirigenten

Concerto Köln

Capriccio

1990

6:38  6:39  5:09  18:26

 

4-5

Frank de Bruine

Kenneth Montgomery

Orchestra of the 18th Century

Glossa

2015

7:12  7:21  6:17  20:50

 

4-5

Michel Piguet

Christopher Hogwood

Academy of Ancient Music

L´Oiseau lyre, Decca

1984

6:42  6:23  5:43  18:48

 

4-5

Hans-Peter Westermann

Nikolaus Harnoncourt

Concentus Musicus Wien

Teldec

1999

7:27  6:21  6:07  19:55

 

 

3-4

Helmut Hucke

Franzjosef Maier

Collegium Aureum

Deutsche Harmonia Mundi, EMI, auch RCA

1984

7:10  6:25  5:48  19:23

 

 

Versionen gespielt mit einer hölzernen Traversflöte:

 

 

5

Christian Gurtner

Martin Haselböck

Orchester Wiener Akademie

Novalis, auch Sonora

1995

6:29  6:01  5:08  17:38

 

5

Konrad Hünteler

Frans Brüggen

Orchestra oft he 18th Century

Philips später auch Decca

1993

7:35  6:16  5:33  19:24

 

 

4-5

Barthold Kuijken

Sigiswald Kuijken

La Petite Bande

Deutsche Harmonia Mundi

1986

6:31  6:00  5:06  17:37

 

4-5

Hans-Martin Linde

ohne zusätzlichen Dirigenten, der Solist dirigiert auch das Orchester.

Linde Consort

EMI

1985

7:23  6:16  5:26  19:05

 

 

4

Frans Vester

Frans Brüggen

Mozart-Ensemble Amsterdam

Seon, Pro Arte, Philips, RCA

1971

7:20  6:37  5:56  19:53

 

 

Versionen mit der klassischen Klappenoboe, wie sie auch heute noch in den Sinfonieorchestern Verwendung findet:

 

 

5

Heinz Holliger

Ohne zusätzlichen Dirigenten, der Solist dirigiert auch das Orchester.

Academy of St.-Martin-in-the-Fields

Philips

1983

6:47  7:26  5:30  19:43

 

5

Olivier Stankiewicz

Jaime Martin

London Symphony Orchestra

LSO LIVE

2019

7:19  6:44  6:14  20:17

 

5

Gerhard Turetschek

Karl Böhm

Wiener Philharmoniker

DG

1973

7:37  8:56  6:31  23:04

 

5

Martin Gabriel

Johannes Wildner

Wiener Mozart-Akademie

Naxos

1989

7:08  7:36  5:56  20:40

 

5

Lajos Lencses

Jörg Faerber

Württembergisches Kammerorchester Heilbronn

Carus

1991

7:05  6:15  5:07  18:27

 

5

Alexei Ogrintchouk

Der Solist ist auch Dirigent in Personalunion

Litauisches Kammerorchester, Wilnius

BIS

2012

6:46  7:17  5:38  19:41

 

5

Bart Schneemann

Lev Markiz

Niew Amsterdam Sinfonietta

Brilliant

1994

7:23  7:02  6:06  20:31

 

5

Gordon Hunt

Andrew Litton

London Philharmonic Orchestra

EMI

1987

8:32  7:38  5:41  21:51

 

5

Burkhard Glaetzner

Hartmut Haenchen

Kammerorchester Carl-Philipp-Emanuel-Bach, Berlin

Capriccio

P 1989

7:55  7:48  5:11  20:54

 

5

Randall Wolfgang

ohne zusätzlichen Dirigenten

Orpheus Chamber Orchestra

DG

1987

7:08  7:23  5:34  20:05

 

5

Douglas Boyd

Paavo Berglund

Chamber Orchestra of Europe

ASV, auch im Eigenlabel des Orchesters erschienen

1986

6:50  6:43  5:49  19:22

 

5

Heinz Holliger

Edo de Waart

New Philharmonia Orchestra London

Philips

1970

8:17  8:16  5:39  22:12

 

5

Francois Leleux

Colin Davis

Sinfonieorchester des BR, München

BR Klassik

2001, Live

7:05  7:13  6:40  20:58

 

 

4-5

Alexei Ogrintchouk

Henk Rubingh, als Konzertmeister

Concertgebouw Chamber Orchestra, Amsterdam

Pentatone

2005

6:40  7:51  5:44  20:15

 

4-5

Alexandre Gattet

David Grimal mit seiner Geige (wie einst Johann Strauß)

Les Dissonances

Eigenvertrieb des Orchesters

2014, LIVE

7:22  5:37  5:46  18:45

 

4-5

Francois Leleux

zugleich auch Dirigent in Personalunion

Camerata Salzburg

Sony

2008

7:16  6:49  6:26  20:51

 

4-5

Veit Stolzenberger

Dorian Wilson

Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern

SWR, unveröffentlicht

2015, Live

7:45  7:10  6:05  21:00

 

4-5

Albrecht Mayer

Claudio Abbado

Mahler Chamber Orchestra

DG

2005

7:53  6:54  6:10  20:57

 

4-5

Simon Dent

Vladislav Czarnecki

Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim

Amati

1991

7:10  7:53  5:00  20:03

 

4-5

Andrew Knights

Richard Studt

Bournemouth Sinfonietta

Guild

1998

7:07  7:58  5:58  21:03

 

4-5

Neil Black

Neville Marriner

Academy of St.-Marti-in-the-Fields

Philips

1972

7:36  7:48  5:50  21:14

 

4-5

Lucas Macias Navarro

Claudio Abbado

Orchestra Mozart

Claves

2013

7:07  7:07  5:24  19:38 

 

4-5

Horst Schneider

Hans Rosbaud

Sinfonieorchester des SWF, Baden Baden

SWR-Klassik

1957

7:41  6:23  5:42  19:46

 

4-5

Jirí Mihule

Vaclav Neumann

Tschechische Philharmonie, Prag

Panton-Supraphon

1976

5:52  8:25  4:45  19:02

 

4-5

Ramon Ortega Quero

Christian Zacharias

Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks

2011, Live

Sendung des BR, unveröffentlicht

6:58  6:50  5:25  19:13

 

4-5

John Mack

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Decca

1994

7:36  7:38  5:59  21:13

 

4-5

Ingo Goritzki

Wojchech Rajski

Polish Chamber Philharmonic Orchestra

Claves

1993

7:40  7:36  5:57  21:13

 

4-5

Jürg Schaeftlein

Leopold Hager

Mozarteum Orchester Salzburg

Teldec

1979

7:07  6:36  5:32  19:15

 

4-5

Hansjörg Schellenberger

James Levine

Berliner Philharmoniker

DG

1989

7:38  7:55  5:50  21:23

 

4-5

Thomas Indermühle

Leopold Hager

English Chamber Orchestra

Novalis, Sonatina

1989

8:10  6:26  5:38  20:14

 

4-5

Heinz Holliger

Hans Stadelmair

Münchner Kammerorchester

DG

1964

7:38  7:26  5:38  20:42

 

4-5

Pierre Pierlot

Jean-Pierre Rampal

English Chamber Orchestra

Erato

1969

7:11  6:09  5:53  19:13

 

4-5

Emmanuel Rey

Justus Frantz

Philharmonie der Nationen

Label wird nicht genannt

1995-98 vermutet

7:35  7:27  5:50  20:52

 

4-5

Lothar Koch

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

EMI

1972

7:20  7:19  5:24  20:03

 

4-5

Lothar Koch

ohne zusätzlichen Dirigenten

Philharmonische Solisten Berlin

EMI

1969

7:10  7:29  5:23  20:02

 

 

4

Christina Gomez Godoy

Daniel Barenboim

West Eastern Divan Orchestra

Warner

2021

7:47  7:10  6:04  21:01

 

4

Kurt Mahn

Herbert Blomstedt

Staatskapelle Dresden

Eterna, Edel, Berlin Classics

1973

8:03  7:14  5:51  21:08

 

4

Ray Still

Claudio Abbado

Chicago Symphony Orchestra

DG

1984

7:35  6:58  5:44  20:17

 

4

Miklos Barta

Alain Lombard

Orchestra della Svizzera Italiana, Lugano

RBM

2001

7:38  6:38  5:36  19:52

 

4

Sarah Francis

Howard Shelley

London Mozart Players

Hyperion

1990

6:57  6:06  5:24  18:27

 

4

John de Lancie

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS-Sony

1961

7:55  8:06  6:19  22:20

 

4

Maurice Bourgue

Daniel Barenboim

Orchestre de Paris

EMI

1974

7:48  7:13  6:19  21:20

 

 

3-4

Bozo Rogelja

Kurt Redel

Camerata Labacensis

Cascade und allerlei andere Label

1986

7:34  5:48  6:04  19:26

 

3-4

Lothar Faber

Erich Kleiber

Kölner Rundfunksinfonieorchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln)

Medici Arts

1956, Live

7:14  5:12  4:58  17:24

 

3-4

Léon Goossens

Colin Davis

Sinfonia of London

EMI

1960

7:58  6:12  6:13  20:23

 

3-4

Haakon Stotijn

Otto Klemperer

Concertgebouw-Orchester Amsterdam

Archiphon

1957, Live

7:18  7:39  6:10  21:07

 

 

Versionen mit einer mehr oder weniger (edel)metallenen Böhm-Flöte, ebenfalls ausgestattet mit einer hohen Anzahl an Klappen:

 

 

5

Alain Marion

Jean-Jacques Kantorow

Orchestre d´Auvergne

Aria, Virgin

1991

6:52  5:50  4:59  17:41

 

5

Jean-Pierre Rampal

Theodor Guschlbauer

Wiener Symphoniker

Erato

1965

7:26  7:37  5:34  20:37

 

5

Magali Mosnier

Daniel Giglberger als Konzertmeister

Münchner Kammerorchester

Sony

2014

7:28  6:24  5:43  19:35

 

5

Ana de la Vega

Stephanie Conley als Konzertmeisterin

English Chamber Orchestra

Pentatone

2016

7:35  6:16  5:09  19:00

 

 

4-5

Jacques Zoon

Claudio Abbado

Orchestra Mozart

DG

2006

7:05  6:25  5:09  18:39

 

4-5

Emmanuel Pahut

Claudio Abbado

Berliner Philharmoniker

EMI

1999

7:23  5:53  5:15  18:31

 

4-5

Karlheinz Zöller

Bernhard Klee

English Chamber Orchestra

DG

1974

7:36  6:39  5:05  19:20

 

4-5

James Galway

Neville Marriner

Academy of St.-Martin-in the-Fields

RCA

1995

8:09  6:53  5:42  20:44

 

4-5

Patrick Gallois

betätigt sich auch als Dirigent

Swedish Chamber Orchestra, Örebro

Naxos

2022

5:55  6:37  5:07  17:39

 

4-5

Wolfgang Schulz

Leopold Hager

Mozarteum Orchester Salzburg

Teldec

1977

7:23  6:55  5:30  19:48

 

4-5

Jean-Pierre Rampal

Zubin Mehta

Israel Philharmonic Orchestra

Sony

1988

7:10  6:54  5:37  19:31

 

4-5

Claude Monteux

Pierre Monteux

London Symphony Orchestra

Decca

1963

8:30  6:35  5:25  20:30

 

4-5

Sharon Bézaly

Juha Kangas

Ostbottnisches Kammerorchester

BIS

2004

7:17  6:22  5:21  19:00

 

4-5

Samuel Coles

Sir Yehudi Menuhin

English Chamber Orchestra

Virgin, EMI

1990

7:33  7:03  5:39  20:15

 

4-5

Lukas-Peter Graf

Raymond Leppard

English Chamber Orchestra

Brillant-Claves

1984

7:23  7:06  6:00  20:29

 

4-5

Aurèle Nicolet

Karl Richter

Münchner Bach-Orchester

Telefunken

1960

7:52  7:00  5:35  20:27

 

4-5

Aurèle Nicolet

David Zinman

Concertgebouw-Orchester Amsterdam

Philips

1978

7:06  7:16  5:22  19:44

 

 

4

James Galway

Rudolf Baumgartner

Lucerne Festival Strings

1974

RCA

8:15  6:28  5:25  20:08

 

4

Eugenia Zukerman

Pinchas Zukerman

English Chamber Orchestra

CBS-Sony

1977

7:36  8:59  5:48  22:23

 

4

Irina Grafenauer

Neville Marriner

Academy of St.-Martin-in-the-Fields

Philips

1989

7:55  6:16  6:03  20:14

 

4

Johannes Walter

Herbert Blomstedt

Staatskapelle Dresden

Eterna, Berlin Classic

P 1975

8:11  7:01  5:19  20:31

 

4

Hubert Barwahser

Colin Davis

London Symphony Orchestra

Philips

P 1964

6:52  6:55  5:34  19:21

 

4

André Pepin

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1957

8:09  5:15  5:37  19:01

 

4

Arife Gülsen Tatu

ohne Dirigent

Salzburger Mozart-Solisten

Cascade, Aurophon, Onyx, Point Classics

P 1989

8:02  8:04  5:31  21:37

 

4

James Galway

auch Dirigent in Personalunion

Chamber Orchestra of Europe

RCA

1985

8:00  6:28  5:29  19:57

 

Panflöte als Soloinstrument:

 

5

Simion Stanciu, genannt Syrinx

Hans Graf

Mozarteum-Orchester Salzburg

Erato

1990

8:15  7:07  5:51  21:13

 

 

Irrungen und Wirrungen bei der Instrumentenwahl:

 

Cello als Soloinstrument:

 

1-5

Sol Gabetta

Sergio Ciomei

Kammerorchester Basel

RCA

2008

7:26  6:52  6:35  20:53

 

Trompete als Soloinstrument:

 

1-5

Maurice André

Edmond de Stoutz

Zürcher Kammerorchester

EMI

1990

7:01  6:08  5:34  18:43

 

1-4

Maurice André

Sandor Frigyes

Franz-Liszt-Kammerorchester Budapest

Erato

1977

6:46  7:18  5:46  19:50

 

1-4

Gabor Boldocki

Howard Griffiths

Zürcher Kammerorchester

Sony

2003

7:53  6:07  5:41  19:41

 

 

 

Vergleich in detaillierten Rezensionen:

 

 

Versionen gespielt mit einer fast klappenlosen Barockoboe:

 

 

5

Paolo Grazzi

Alfredo Bernadini

Ensemble Zefiro

Sony

2006

6:57  7:08  5:34  19:39

Den italienischen Oboisten Paolo Grazzi kann man außer mit Zefiro auch auf Aufnahmen mit der Accademia Bizantina, dem English Consort, I Barocchisti, Il Giardino Armonico, Hesperion XX, den „Le Concert des Nations“, Europa Galante und last but not least dem Concentus Musicus Wien hören. Das liegt daran, dass diese Orchester der „Alten-Musik-Szene“ insbesondere für Bläser keine Festanstellung bieten können, wie es bei den größeren, staatlich oder städtisch subventionierten, klassischen Orchestern der Fall ist. Sie sind meist als Freelancer und projektbezogen tätig.

Schon die Orchestereinleitung nimmt für diese Einspielung ein. Fein ausgewogen, differenziert und lichtdurchflutet wird sie sehr weich, transparent und mit vitalem Schwung dargeboten. Das gute Ensemblespiel fällt auf. Grazzis Instrument sprich bestens an. Sein besonders nuanciertes, frisches Spiel meidet auch die nachdenklicheren Töne im ersten Satz nicht. Es sind keinerlei Atemgeräusche zu hören und auch alle weiteren Geräusche der Instrumentenbearbeitung (es sind ja noch zwei Klappen dran, die klappern oder deren Scharniere ächzen könnten). Er erreicht nicht ganz das Feuer von Katharina Arfken, spielt jedoch dafür nuancenreicher. Das Zusammenspiel mit dem Orchester ist superb.

Im zweiten Satz erscheint das eindringliche Spiel in einem besonders angemessenen, stimmigen Tempo. Der Oboenton wirkt für eine Barockoboe wunderbar ausgewogen und der Nuancenreichtum lässt auch in diesem Satz keine Wünsche offen. Er mutet fast schwerelos schwebend an. Und das ist eine Kunst, auch der Aufnahmetechnik. Das Orchester, das in dieser Einspielung ein besonderes musikalisches Gewicht (allerdings fernab von jeder klanglichen Schwere) erhält, spielt mit dem Solisten besonders eng verzahnt. Man hört auf- und atmet miteinander.

Im dritten Satz stimmt einfach alles. Das ist der Rhythmus bei dem jeder mit muss. Die hohe Kunst des Oboeblasens mit gleichgesinnten Mitstreitern. Mozart hätte wohl seine helle Freude daran gehabt.

Der Klang der Einspielung ist mustergültig transparent. Die Balance von Solo und Orchester ist absolut stimmig. Die Oboe wird nicht übermächtig vor das Orchester gestellt. Es wird aber auch klanglich eine exzellente Balance von Fülle und Präsenz, von Körperhaftigkeit und Frische erzielt. Die Tiefenstaffelung kann sich für so ein kleines, überschaubares Orchester hören lassen.

 

5

Marcel Ponseele

Ton Koopman

Amsterdam Baroque Orchestra

Erato

1993

6:49  6:04  5:23  18:16

Marcel Ponseele ist weitgehend solistisch tätig, außer in Aufnahmen mit dem ABO und Ton Koopman kann man ihn mit der „Petite Bande“ und den Kuijkens hören aber auch mit den beiden belgischen Orchestern Philippe Herrweghes, der „Chapelle Royale“ und dem „Orchestre des Champs-Elysées“. Und natürlich auch mit seinem von ihm gegründeten Orchester „Il Gardellino“.

Die Orchestereinleitung klingt viel weicher und geschmeidiger als mit dem Freiburger Barockorchester oder dem Concerto Köln, sehr vital, aber nicht so sturmbewegt wie bei den beiden „deutschen“ Orchestern. Ponseeles Oboenton ist geschmeidiger, ein wenig ausdrucksvoller und etwas fülliger als bei Herrn Niesemann, dessen Phrasierung im Gegenzug jedoch noch mehr gestochen scharf umrissen wirkt. Ausdrucksvoll und beredt wirken beide.

Im zweiten Satz tritt der wundervoll singende Ton der Oboe Ponseeles noch besser hervor. Er wird sogar mit einem ganz leichten Vibrato bereichert, was man bei Aufnahmen in der historisch orientierten Aufführungspraxis selten zu hören bekommt. Er wirkt so der menschlichen Stimme besonders nah. Bravo. Herr Ponseele hat auch den langen Atem für die Cantilenen dieses Satzes. Sie gelingen ihm berührend schön.

Im dritten Satz spielt das Orchester noch ein wenig weicher als bei Paolo Grazzi, an der Präzision und am Zusammenspiel gibt es nicht das Geringste auszusetzen. Der besonders belebte Oboenton erinnert an die spezielle Wiener Oboe, die uns Herr Turetschek so lebendig nahegebracht hat (in der Aufnahme mit Karl Böhm weiter unten), allerdings in einem anderen Tempo. Ob sich Marcel Ponseele davon inspirieren ließ?

Allerdings ist Zefiro noch näher dran am musikalischen Geschehen, geht noch mehr aus der puren Begleitfunktion heraus als das ABO. Koopman wirkt so ein wenig distinguierter oder wenn man so will, eine Spur akademischer.

Die Aufnahme klingt weicher, sagen wir ruhig einmal weniger pur und etwas luxuriöser als beim FBO oder „am pursten“ beim Concerto Köln. Das Orchester wird weiter in den Raum hineingestellt, klingt sehr transparent und „aufgeräumt“. Die Freiburger klingen jedoch dynamischer und die Barock-Punker aus Köln lassen es mit noch mehr Drive angehen und richtig krachen.

 

5

Katharina Arfken

Petra Müllejans

Freiburger Barockorchester

Harmonia Mundi

2006

7:28  6:21  5:55  19:44

Katharina Arfken spielt die Solo-Oboe beim FBO und beim Brandenburg Consort. Hören kann man sie auch bei der Akademie für Alte Musik, Berlin oder bei den English Baroque Soloists. Interessant zu wissen ist vielleicht noch, dass sie Schülerin u.a. von Michel Piguet war, der bei unserem Vergleich ebenfalls vertreten ist. Sie hat auch sozusagen seinen Lehrstuhl bei der Schola Cantorum Basiliensis übernommen.

Die Orchestereinleitung kommt sehr energetisch, fast schon dramatisch. Die Oboe klingt prominent aber nie aufdringlich, nutzt eine differenzierte Dynamik und beeindruckt mit nuancenreicher Artikulation. Klappengeräusche sind nicht zu hören, auch Atemgeräusche weiß die hervorragende Oboistin fast gänzlich von den Mikros fernzuhalten, obwohl sie sehr präsent ins Klangbild kommt. Eine hervorragende Spieltechnik ist hierfür Voraussetzung. Das Spiel der Herren Grazzi und Ponseele wirkte nicht dynamischer aber noch ausgewogener, etwas feiner und souveräner auf uns.

Im zweiten Satz erfreut der weiche, anschmiegsame Ton von Katharina Arfken ganz besonders, denn er verfügt zugleich über eine hohe Leuchtkraft. Ihre Gestaltung wirkt expressiv und stark differenziert in Dynamik und Artikulation. Die Lage des Alleinseins, in der sich unsere Heldin (die Sopranlage der Oboe legt diese Vermutung nah, dass es sich um ein weibliches Wesen handeln könnte, dem hier Ausdruck verliehen werden soll) oder aber unser Held sich in dieser Lage befindet und dieses die Melancholie und Sehnsucht wachsen lässt. Dies bringt die Solistin plastisch zum Ausdruck.

Den dritten Satz bringen Frau Arfken und das Orchester mit viel Temperament und quasi einem „Lächeln im Gesicht“ (im übertragenen Sinn natürlich nur, beim Oboenspiel kann man nicht noch lächeln, das ginge nicht gut). Blonde (auch Blondchen genannt) in der „Entführung“ wäre sich hier als eine taffe Person, eine mutige Draufgängerin oder voll von aufmüpfiger, burschikoser oder rebellischer Entschlossenheit vorzustellen. Das Serail müsste sich auf einen stürmischen Angriff gefasst machen. Im Orchester sind die Tuttibläser immer sehr gut zu hören, die langen Skalen der Oboe hätten vielleicht noch mehr Differenzierung vertragen können. Die Ansprache der Oboe scheint hervorragend zu sein, sie geht los wie eine Flöte. Insgesamt eine tolle Einspielung, erheblich temperamentvoller als de Bruine mit Kenneth Montgomery.

Das Klangbild wird sowohl von der anspringenden Präsenz des Orchesters als auch der jederzeit deutlich hervorgehobenen Oboe dominiert. Dabei klingt das Orchester lange nicht so schlank wie Zefiro oder das ABO, sondern steht auf der eher fülligen, kräftigen und prallen Seite. Bisweilen klingt es schon deftig. Eine eigene Lesart wird so kongenial ins rechte Licht gerückt.

 

 

 

4-5

Michael Niesemann

ohne zusätzlichen Dirigenten

Concerto Köln

Capriccio

1990

6:38  6:39  5:09  18:26

Michael Niesemann ist ein Gründungsmitglied von Concerto Köln, er ist aber auch bei den English Baroque Soloists und dem Orchestre Revolutionaire et Romantique zu hören. Concerto Köln macht einen sehr klein besetzten Eindruck bei dieser Einspielung. Das Spiel ist dessen ungeachtet extrem impulsiv und kontrastreich, von einem hohen Energielevel durchdrungen, schlank, transparent und wir wissen nicht, wie wir es besser formulieren könnten: rockig. Das Orchester kann aber auch richtig leise, was besonders betont werden darf, denn in der gesamten Diskographie kommt das nicht eben oft vor. All diese Eigenschaften lassen sich auch auf den Oboisten übertragen. Die Technik scheint makellos, jedenfalls hörten wir nicht gegenteiliges. Das flinke Spiel ist bar jedes Problems bei der Atemführung, von den beiden Klappen hören wir fast gar nichts. Die Artikulation ist enorm flexibel, wirkt katzenähnlich geschmeidig und wie immer auf dem Sprung. Diese Flexibilität muss und will ohne großen und schweren Ton auskommen. Wir hätten ihm ein wenig mehr Fülle gewünscht, aber das wäre vielleicht die Quadratur des Kreises gewesen. Verblüffend an der Gestaltung des ersten Satzes ist, dass trotz des stürmischen Impetus die Musik eher kammermusikalisch leise geprägt und gerade im direkten Vergleich mit der 16 Jahre später entstandenen Freiburger Einspielung wie eine fast stille Angelegenheit wirkt. So unterschiedlich ist die jeweilige Dynamik der Aufnahmen ausgeprägt.

Die Phrasierung wirkt im zweiten Satz höchst ausdrucksvoll aber eher kleinteilig. Das Orchester hätten wir uns gerade in diesem Satz ein wenig üppiger besetzt gewünscht. Es klingt im Verhältnis zur Oboe ein wenig zu dünn. Auch seine Farben wirken etwas ausgedünnt-strohig. Übrigens wirkt ein Cembalo mit.

Im dritten Satz kommt das Orchester voll aus der Reserve, teilweise gar stampfend, weiß es aus dem Rhythmus stürmische Funken zu schlagen. Die Oboe wirkt besonders jugendlich und tatendurstig. Hier könnte sie etwas lauter spielen bzw. von der Technik vom Pegel her etwas besser unterstützt werden. Das alles wirkt extrem temperamentvoll und lebendig. Köln war damals das Zentrum des Barock-Rock, hier ist es wieder einmal nachzuhören.

Der Klang der Aufnahme wirkt sehr transparent und sehr, sehr schlank. Für manch einen Klang-Kulinariker wirkt er vielleicht ein wenig zu trocken und wenig sinnlich.

 

4-5

Frank de Bruine

Kenneth Montgomery

Orchestra of the 18th Century

Glossa

2015

7:12  7:21  6:17  20:50

Frank de Bruine spielte die 1. Oboe der Academy of Ancient Music für mehr als 30 Jahre, ähnlich wie auch beim Orchester des 18. Jahrhunderts. Häufig kann man ihn auch auf Aufnahmen mit der Hanover Band hören.

Das Orchester spielt vibratolos wie üblich, aber wenig schlank, sondern ziemlich kräftig, fast massiv. Auch der Ton der Oboe wirkt warm und farbig, ist also so etwas wie der Gegenentwurf zum Ton Niesemanns.  Er verfügt über den wärmsten Ton der Barockoboisten. Ist also so etwas wie es Lothar Kochs Ton bei der klassischen Oboe war. Das behände und grundsätzlich fein ziselierte Spiel wird durch gelegentliche Intonationsschwankungen eingetrübt. Die dynamische Spannweite erscheint hingegen recht gering. Allerdings steuert de Bruine eine burschikose Kadenz zum ersten Satz bei, die einen zum Schmunzeln bringt.

Im zweiten Satz besticht de Bruine mit seiner ungehemmten, frei wirkenden Phrasierung und dem besonders schön gerundeten, weichen Staccato. Die Stimmung wirkt klagend und affektgeladen.

Auch die Einleitung zum dritten Satz bringt das Orchester wieder klanglich massiv heraus. Sie wirkt besonders kräftig akzentuiert, aber nicht schwerfällig. Das Orchester spielt, wenn es die Oboe zu begleiten hat, merklich transparenter, als wenn es alleine spielt. Dank des maßvollen Tempos hören wir hier einen Satz mit gemütsvoller Ausstrahlung ohne dringliche Hektik. Das Orchester ist hier mehr gleichberechtigter Partner als in den meisten anderen Einspielungen. Man jubiliert mit Maß und gemeinsam.

Der Klang der Aufnahme ist weniger transparent als bei Decca mit der Academy of Ancient Music, aber offener und erheblich fülliger. Das besonders klar abgebildete Soloinstrument hebt sich deutlich vom voluminösen Orchester ab. Ungewöhnlich in diesem Vergleich aber auch insgesamt für eine Einspielung von Orchestermusik Mozarts ist die ziemlich satte, kräftige Bassfülle. Der warme Gesamtklang schmeichelt sich tüchtig bei der Hörerschaft ein und kann als Gegenentwurf zum schlanken bis dünnen Klang des Concerto Köln gelten.

 

4-5

Michel Piguet

Christopher Hogwood

Academy of Ancient Music

L´Oiseau lyre, Decca

1984

6:42  6:23  5:43  18:48

Der Schweizer Oboist war von 1962 bis 64 Oboist beim Tonhalle Orchester Zürich, bevor er zur Barockoboe wechselte. Er spielt ebenso auch die Barockflöte, die sich grifftechnisch nicht so deutlich von der Barockoboe unterscheidet. Er postulierte das Spiel in ungleicher Stimmung und hinterfragte auch sonst gerne die gewohnten Praktiken. Er war u.a. auch der Lehrer von Katharina Arfken.

Das Orchester, unterstützt von einem nicht in die Partitur aufgenommenen Cembalo, spielt ein wenig schneller und schlanker als das FBO, erreicht aber nicht denselben stürmischen Drive. Auch beim Concerto Köln wirkt der Gestus noch ein wenig stürmischer. Das Spiel der AAM wirkt jedoch leichter und lockerer, das Prinzip der Klangrede wird etwas zurückhaltender gehandhabt. Der Klang der Oboe wirkt etwas offener als bei Arfken, die Phrasierung glasklar. Ungelöste Atemprobleme gibt es keine, allerdings ein paar rhythmische Eigenwilligkeiten.

Wie in einigen Einspielungen mehr misstraut man auch in dieser der für Mozart untypischen Tempoangabe „Adagio non troppo“ und entscheidet sich für ein flüssiges Andante mit einem beredten, leichter wirkenden Gestus (als z.B. Arfken und Müllejans). Die Oboe kommt in diesem Satz ungeschmälerter zur Geltung, während sie im ersten bisweilen ein wenig leise erschien. Für unseren Geschmack wirkt das gewählte Tempo mit der leichten Spielweise etwas zu hurtig und nimmt dem Satz die Ausdruckstiefe.

Im dritten Satz strahlt das schnellere Tempo nun seltsamerweise mehr Ruhe aus, wirkt nun sogar im Gegensatz zum Tempo des zweiten gebremst. Dies war bei Arfken nicht spürbar. Auch der kräftigere Ton Arfkens gefällt gegenüber dem leicht heiseren Ton Piguets etwas besser. Aber das sind nur Nuancen. Die Tuttibläser sind auch bei der AAM schön präsent, während sie bei den Einspielungen mit den klassischen Orchestern oft weit in den Hintergrund verbannt werden.

Das Orchester klingt glasklar. Die Oboe erscheint vor allem im ersten Satz nicht so prominent vor das Orchester gestellt, sondern wird mehr in den Orchesterklang integriert. Deutlich hörbar bleibt sie dennoch. Das FBO klingt im Vergleich deutlich opulenter, die AAM seidiger. Einen deutlichen Bass vermisst man leider bei der Decca-Aufnahme. Obwohl man keinerlei Hall vernimmt, wirkt die Einspielung nicht trocken. Etwas flächiger als das FBO wirkt sie aber schon. Das Cembalo verleiht der Einspielung noch einen barocken Retro-Charme, der wahrscheinlich nicht authentisch ist, aber darüber streiten sich vielleicht noch immer die Gelehrten.

 

4-5

Hans-Peter Westermann

Nikolaus Harnoncourt

Concentus Musicus Wien

Teldec

1999

7:27  6:21  6:07  19:55

Hans-Peter Westermann war zunächst Mitglied im Orchester der Deutschen Oper Berlin und anschließend beim WDR Sinfonieorchester Köln. Er ist bereits seit 1982 freiberuflich tätig. Ihn kann man außer beim Concentus Musicus auch bei der Capella Coloniensis, den Sonatori Gioiosa Marca oder Anima Eterna hören.

Die Orchestereinleitung und in der Folge den gesamten Beitrag des Orchesters zum Konzert kann man als sehr stark kontrastierend, hellhörig aber auch sehr kraftvoll, bisweilen gar gewaltsam bezeichnen. Immer wieder gibt es allerlei mitunter auch starke Temposchwankungen, die über ein feinfühliges Rubato weit hinausgehen. Harnoncourt als ein später Nachfahre eines Leopold Stokowski? Das würde überraschen, wenn man es nicht schon häufiger bei ihm gehört hätte. Tonlich ist am Oboenspiel überhaupt nichts zu kritisieren und wenn man einmal von der mehr oder weniger zwangsweise verordneten Tempo-Völlerei (als Gegensatz zur Tempo-Askese) des Küchenchefs absieht, auch artikulatorisch und in der Phrasierung nicht. Vom Wechselspiel bleibt Herr Westermann nicht verschont, sein Part wird zwangsläufig mit in den Teig eingerührt.

Auch im dritten Satz gibt es ungewöhnliche Phrasierungen zuhauf, vor allem beim Concentus häufen sich die Staus, die sich mit den anschließenden Freiläufen abwechseln. Fast wie bei den Staus auf den Autobahnen zur Ferienzeit. Das hört man sonst bei keiner anderen Einspielung so. Wir empfanden das als eine willkommene Abwechslung, nach zuvor bereits 77 gehörten Alternativen. Stilistisch erscheint das Vorgehen zumindest fragwürdig. Und übertragen auf die „Entführung“ und auf Blondchens Arie, fände man das Stopp and Go schon verwunderlich. Die Kadenzen wirken launisch, bisweilen sogar witzig. Harnoncourt und Westermann lassen es jedenfalls krachen. Das dürfte die Geister der Hörerschaft spalten. Aber eines ist es mit Sicherheit nicht: Langweilig.

Das Klangbild unterstützt die Interpreten sehr gut. Es ist recht transparent, dynamisch und sehr farbenfroh.

 

 

 

3-4

Helmut Hucke

Franzjosef Maier

Collegium Aureum

Deutsche Harmonia Mundi, EMI, auch RCA

1984

7:10  6:25  5:48  19:23

Das Collegium Aureum, es wurde auf Anregung der in Freiburg ansässigen Produktionsfirma „Deutsche Harmonia Mundi“ bereits 1962 in Köln gegründet, begann als eines der ersten Ensembles mit der für das entsprechende aufzuführende Musikstück korrekten Verwendung des zur Uraufführung gebräuchlichen Instrumentariums. Die passenden Spieltechniken kamen erst später (und von anderen Ensembles eingeführt) hinzu.

Trotz eines ziemlich gelassenen Tempos wirkt der Gestus im ersten Satz ziemlich aufgeregt. Das Orchesterspiel erscheint wenig differenziert und monoton. Hucke spielt noch sehr an der Linie orientiert und kaum an einer Rede mit Worten. Da er dynamisch so gut wie gar nicht differenziert, wirkt das Spiel eindimensional und schon fast langweilig. Im zweiten Satz finden Solist und Orchester nicht richtig zusammen. Im letzten wirkt das Orchester immer wieder grob (vor allem die Hörner), die klangliche Freiheit der Oboe wird so mehrfach bedroht und eingeschränkt. Trotz des recht flotten Tempos wirkt der Gestus ziemlich schaumgebremst. Bisweilen sind leise Klappengeräusche zu hören. Die Leichtigkeit und den Charme der anderen Aufnahmen mit Originalinstrumenten vermisst man weitgehend.

Der Klang wirkt ziemlich hallig und er ist kaum transparent zu nennen. Die frühe Digitalaufnahme zeitigt harte Höhen. Eine Staffelung des Orchesters darf man nicht erwarten. Es wird sehr dick gewebt, die schweren Bässe belasten zudem den Gesamtklang. Dennoch strahlt die Aufnahme wenig Wärme aus. Die Oboe schwingt kaum einmal frei aus. Es klingt generell flächig und sehr wenig körperhaft. Das war bei zwei Pressungen unterschiedlicher Provenienz gleich. Bei Decca war man 1984 mit Piguet und Hogwood wesentlich schlanker und knackiger unterwegs. Nach dem Karajan-Mulm von 1970 ist dies die zweitschlechteste Aufnahmequalität des gesamten Vergleiches.

 

 

Versionen gespielt mit einer hölzernen Traversflöte:

 

 

5

Christian Gurtner

Martin Haselböck

Orchester Wiener Akademie

Novalis, auch Sonora

1995

6:29  6:01  5:08  17:38

Flott, agil mit höherer Dringlichkeit und fast schon neckisch beginnt das Orchester den Satz. Die Flöte gesellt sich leicht und flockig artikulierend, sehr gelöst und souverän hinzu. Zum sanften Ton, den die Traversflöte der neueren, brillanter klingenden Klappenflöte voraushat, kommt hier auch eine gewisse Frische. Insgesamt wird hier mit elanvollem Drive musiziert. Der Gesamtklang wirkt stimmig, voller und runder als bei den älteren Aufnahmen mit der Traversflöte, auf die wir noch ein wenig weiter unten zu sprechen kommen. Auch im zweiten Satz wirkt der Orchesterpart gegenüber den älteren Einspielungen aufgewertet. Das Flöten- und Orchesterspiel nehmen mit einer beredten, doch nicht übertriebenen Artikulation für sich ein.

Im dritten Satz werden die Bläserpartien im Orchester sehr gut und frisch herausgearbeitet. Man riskiert mehr Virtuosität (und kann es vielleicht auch schon einfach besser) als in den älteren Traversflöten-Einspielungen. Der Gestus wirkt nun tänzerischer, vorantreibend und keck. Eine nette Besonderheit hat man bei T. 237 eingebaut: Die Imitation von orientalischer Musik, wie Mozart es auch in der „Entführung“ praktizierte. Ein Effekt der hier ohne zusätzliche Instrumente auskommt und auch in der Kadenz nochmals gebracht wird.  Die thematische und inhaltliche Nähe zur späteren Oper wird den Hörer:innen so noch offensichtlicher vor Ohren geführt.

Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent, rund, offen und sehr gut gestaffelt. Die Flöte wirkt ausgezeichnet in den Orchesterklang integriert. Die Dynamik wirkt knackig. Die Basswiedergabe ist sehr erfreulich. Der Gesamtklang ist brillanter als bei den Einspielungen mit Traversflöte, die ein älteres AD haben. Die Sonora-Version klingt erheblich stumpfer und flacher. Sie sollte gemieden werden und stattdessen nach dem Original auf Novalis Ausschau gehalten werden. Leider gibt es das klanglich hochwertige schweizerische Label Novalis schon seit einigen Jahren nicht mehr.

 

5

Konrad Hünteler

Frans Brüggen

Orchestra oft he 18th Century

Philips später auch Decca

1993

7:35  6:16  5:33  19:24

Konrad Hünteler war Schüler von Hans-Martin Linde und Aurèle Nicolet. Außer beim Orchester des 18ten Jahrhunderts kann man ihn auch mit dem Collegium Aureum, der Capella Coloniesis und den London Classical Players hören.

Die Einleitung wie auch der nachfolgende Orchesterpart wirkt nun nicht mehr ganz so frisch wie bei Haselböck, wird aber mit einem Schuss Melancholie versehen. Es wird auch in größeren Bögen musiziert. Hünteler bläst einen feinen, runden, virtuosen Ton, der zudem mit einer gewissen sinnlichen Verführungskraft ausgestattet ist. Man könnte ihn demgemäß als den James Galway oder den Wolfgang Schulz der Traversflöte bezeichnen. Ebenso leicht wie Christian Gurtner artikulierend, erzählt Konrad Hünteler noch mehr eine Geschichte.

Im zweiten Satz wird das Orchester mit sehr viel mehr Charakter ausgestattet als bei den allermeisten anderen Einspielungen, teilweise wirkt der Orchesterpart sogar dramatisch aufgeheizt. Brüggen, selbst einmal Flötist gewesen, reizt hier den Orchesterpart voll aus. Das gelang ihm in seiner älteren Einspielung mit Herrn Vester als Solisten noch deutlich weniger überzeugend. Der Ton der Flöte kontrastiert sehr gut dazu. Ungemein klar, farbig und mit dem typischen, einnehmenden Ton gefällt Hünteler im langsamen Satz fast noch besser.

Leider werden im dritten Satz die Bläser des Orchesters nicht so schön exponiert wie bei Haselböck. Die Flöte, weich klingend und technisch und musikalisch frei von jeder Hürde, wirkt nicht so hinreißend vital wie bei Gurtner und Haselböck. Die Kadenzen wirken einfallsreich, die letzte zitiert ebenfalls kurz aus der „Entführung“. Sehr passend.

Der Klang ist nicht so anspringend präsent und frisch wie in der vorgenannten Novalis-Einspielung. Zudem auch etwas hallig, Aber farbig und dynamisch. Wir haben die Aufnahme in einer neueren, günstigen AMSI-Version von Decca gehört, die gegenüber dem Original die Räumlichkeit etwas weitet, aber klanglich nicht mehr ganz so prall und farbig wirkt.

 

 

 

4-5

Barthold Kuijken

Sigiswald Kuijken

La Petite Bande

Deutsche Harmonia Mundi

1986

6:31  6:00  5:06  17:37

Auch in dieser Einspielung wird das Orchester von einem Cembalo unterstützt. Das Orchester beginnt etwas flotter und drängender als bei Hans-Martin Linde. Die Flöte Kuijkens klingt nicht nur deutlich lauter als die Lindes, ohne jedoch an eine moderne Böhm-Flöte heranzukommen. Er spielt sie auch dynamischer als sein deutscher Kollege. Sein p ist leiser, sein f lauter. Er spielt sie frischer und jugendlicher, was auch schon beim Orchester zu bemerken war. Ohne weniger locker zu wirken klingt es bei Linde jedoch wärmer und wenn man so will: „herzlicher“. Bei Kuijken sprudelt es etwas extrovertierter und unaufhörlich wie ein Springbrunnen.

Auch im zweiten Satz erfreut die ungemein leichte Diktion des Flötisten, der seinen Part technisch perfekt meistert und ausdrucksvoll gestaltet. Auffallend bei diesem Satz ist, dass das Orchester nun lauter gewichtet wird als das Soloinstrument.

Der dritte Satz wirkt erheblich intimer als es mit einer modernen Böhm-Flöte aus Metall möglich wäre. Das Orchester punktet mit seinen exponierten Tutti-Bläsern. Vergleichbar mit dem angeschlagenen Tempo wäre bei den Böhm-Flötisten allenfalls noch Alain Marion, aber wie verschieden sind die Wirkungen auf den Hörer! Die sind größer als die Unterschiede von der barocken Flöte zur barocken Oboe.

Der Klang der Einspielung wird sehr breit abgebildet. Das kleine Orchester wirkt ausgesprochen durchsichtig, ein Eindruck, der vom unterstützenden Cembalo noch befördert wird. Man könnte fast von holographischer Klarheit reden.

 

4-5

Hans-Martin Linde

Ohne zusätzlichen Dirigenten, der Solist dirigiert auch das Orchester.

Linde Consort

EMI

1985

7:23  6:16  5:26  19:05

Hans-Martin Linde war so etwas wie ein Renaissance-Mensch. Er war Allround-Musiker (Flötist, Dirigent, Komponist) und zudem Lehrer, Musikforscher, heute würde man eher Musikwissenschaftler sagen, und Maler.

Gegenüber der noch älteren Einspielung mit Vester und Brüggen ist der Streicherklang des Orchesters bereits erheblich weicher, die Violinen, wie auch die Oboen im Orchester klingen jedoch immer noch dünn, nicht zuletzt, weil auf Vibrato vollends verzichtet wird. Der ausgesprochen weiche und sehr sanft geblasene Flötenklang hebt sich sehr apart vom Orchester ab. Dabei wirkt Linde eher wie ein Primus inter pares und nicht wie ein ichzentrierter Solist. Mitunter wird er gar von seinem Orchester zudeckt, gut ist aber, dass er dem Orchester prominente Passagen zubilligt. Besonders dynamisch wirkt sein Spiel nicht. Die kammermusikalische Geste wird jedoch stets hochgehalten. Obwohl es nicht daran fehlt, tritt die Virtuosität gegenüber den anderen Einspielungen mit der Barock-Flöte deutlich in den Hintergrund. Die Kadenz gefällt besonders gut.

Im zweiten Satz dominiert nun die Flöte mehr das Klangbild, sie wird von der Technik nun auch besser hervorgehoben. Das erfüllte Musizieren strahlt viel Ruhe aus.

Im dritten Satz bleibt es bei dem sanften Flötenton, doch der Gestus erscheint nun sogar subtil „swingend“, wenn man diesen tänzerischen Ausdruck aus einer anderen Zeit bemühen darf. Das Orchester wirkt hier nun bestechend klar und deutlich. Obwohl wir noch recht früh in der Zeit der historisch orientierten Aufführungspraxis angelangt sind, wird das Stück doch schon instrumental mühelos gemeistert, der Gestus erscheint insgesamt sogar besonders leicht, unbeschwert und fidel.

Der Klang wirkt sehr transparent und leicht. Er bietet einen sehr guten Kompromiss aus Präsenz und Räumlichkeit. Er wirkt eher zart als prall.

 

 

 

4

Frans Vester

Frans Brüggen

Mozart-Ensemble Amsterdam

Seon, Pro Arte, Philips, RCA

1971

7:20  6:37  5:56  19:53

Frans Vester studierte bei Hubert Barwahser, der ebenfalls noch bei unserem Vergleich auftauchen wird. Seinerseits war er Lehrer von Barthod Kuijken und Kathinka Pasveer. Er gilt als ein Verfechter einer Interpretation im Sinne des Komponisten ohne Selbstinszenierung des Flötisten. Später unterrichtete er auch Traversflöte, die er auch bei dieser Aufnahme nutzt.

Frans Brüggen, selbst ein angesehener Flötist, lässt das Orchester überdeutlich artikulieren. Wie in Schönschrift wird das Tempo langsam und ruhig gewählt. Der Gestus wirkt bedächtig. Die Streicher wirken recht dünn besetzt, was durch das schulmäßige, vibratolose Spiel noch befördert wird. Der Ton Vesters perlt sehr schön. Er phrasiert ebenso deutlich und klar, differenziert auch sehr stark die einzelnen Motive aus. Ohne die Virtuosität seines Spiels angreifen zu wollen, wirkt es doch deutlich gebremst und übervorsichtig.

Nach all den silbrigen und goldenen „Ergüssen“ der Metallfraktion ist das vibratolose Spiel Vesters jedoch wie eine Erholungsfahrt aufs Land. Seine Intonation sitzt meistens und er drückt auch nicht nach.

Beim dritten Satz müssen tempomäßig erneut Abstriche gemacht werden. Man hat den Eindruck, dass die schnellen Läufe sonst kaum sauber realisierbar gewesen wären. Die schwierigen Griffe und die Formung der korrekten Intonation bereits im Mundraum brauchen noch etwas mehr Zeit. Das Spiel wirkt jedoch keinesfalls plump, nur etwas gemütlicher als üblich. So, als gelte es dem Herrn Osmin und nicht der schlanken und gewandten Kammerzofe Blondchen. Zum Herrn Osmin passt allerdings der dünne Streicherklang weniger gut. Da ist Blondchen noch präsent. Es wird jedenfalls sehr klangschön und sauber geblasen und zwar ohne über Gebühr Aufmerksamkeit erregen zu wollen.

Das Klangbild wirkt sehr transparent und gut geordnet. Der Solist steht groß und prominent vor dem Orchester. Der Klang wirkt sehr offen. Es ist unsere älteste Einspielung mit Originalinstrumenten im Vergleich. Ihr Klang ist jedoch immer noch voll auf der Höhe der Zeit.

 

 

Versionen mit der klassischen Klappenoboe, wie sie auch heute noch in den Sinfonieorchestern Verwendung findet:

 

 

5

Heinz Holliger

Ohne zusätzlichen Dirigenten, der Solist dirigiert auch das Orchester.

Academy of St.-Martin-in-the-Fields

Philips

1983

6:47  7:26  5:30  19:43

Auch Heinz Holliger hat eine Orchestervergangenheit, auch wenn er schon sehr früh ein Lehrdiplom am Konservatorium in Bern erwarb und er gleichzeitig Kompositionsunterricht bei Pierre Boulez und privaten Oboenunterricht bei Pierre Pierlot in Paris nahm. Er war von 1959 bis 1963 Solo-Oboist beim Sinfonieorchester Basel. Ab den mittleren siebziger Jahren dirigierte er bereits und wurde 1986 als Nachfolger von Paul Sacher zum Chefdirigenten des Basler Kammerorchesters berufen, kurz bevor das Orchester aufgelöst wurde. Bekannt wurde er auch schon sehr früh als Komponist, legte er doch bereits mit 14 eigene Kompositionen vor.

Von ihm lagen uns zum Vergleich drei Einspielungen vor, es existieren aber noch weitere. Die Entwicklung von der ältesten zur jüngsten ist deutlich zu verfolgen. Er leitet das Orchester 1983 selbst und es klingt nun erheblich frischer und akzentuierter, auch mit mehr Drang versehen als das New Philharmonia Orchestra unter Edo de Waart in der 1970er Einspielung zuvor. Tonlich wirkt sein Spiel nun noch etwas frecher und ungemein flexibel. Sein Ton ist in jeder Einspielung recht schmal und tendenziell hart, was uns lange nicht zu seinem Fan machte. Technisch scheinen sowohl seine Finger als auch seine Atmung keine Grenzen zu kennen. Erstaunlich ist es, dass er in seiner 83er Aufnahme erstmals Klappengeräusche hören lässt. Hier ist der Solist normalerweise stets bestrebt diese unhörbar werden zu lassen. Beim Klavier will man die Mechanik beim Spiel und schon gar nicht bei Aufnahmen ja auch nicht hören. Das Orchester macht einen enorm gespannten (nur gedanklich und musikalisch, nicht aber spieltechnisch) Eindruck. Klanglich bleibt man locker und spieltechnisch enorm geschmeidig. Einen (hauptamtlichen) Dirigenten vermisst man überhaupt nicht. Inwieweit Impulse vom Konzertmeister ausgehen ist uns nicht bekannt, er oder sie wird auf dem Cover jedenfalls nicht genannt. Kantabilität, lange Bögen und absolut geschmeidige Artikulation wird großgeschrieben. Das Spiel wirkt jetzt noch nuancenreicher und gefühlvoller als 1970, bei erhöhter Lebendigkeit und Frische. Mit dem 83er Oboenton Holligers können wir uns versöhnen.

Musikalisch ist auch der zweite Satz sehr gelungen, es mangelt auch nicht an der schön ausgesungenen Kantilene, aber wir würden uns hier doch einen etwas volleren, wärmeren Ton wünschen. Das Orchester erweist sich als kongenial, höchst differenziert und ebenso gefühlvoll. Holliger spielt in dieser Aufnahme auch die besten Kadenzen. Er spielt in jeder Aufnahme andere, soweit erkennbar immer eigene.

Auch im letzten Satz erweist sich die Personalunion als ein Gewinn. Ein munterer, locker gestimmter Kehraus, rhythmisch prononciert, mit Autorität und höchst geschmeidig gilt dies sowohl für die Oboe als auch für das Orchester. Mehr ist wohl aus der Oboe an Nuancierungen kaum herauszuholen. Kein Detail wird übergangen, die große Linie zugleich betont. Auch an schierer Kraftentfaltung lässt Holliger keinen Wunsch offen. Er stellt sein Spiel nun deutlich in die Dienste des Komponisten, während man früher den Eindruck hatte, es ginge mehr um olympische Disziplinen, schneller, lauter, flinker, geschickter…Technisch und musikalisch ist sein Spiel über jeden Zweifel erhaben, tonlich mag es anderswo doch noch weichere und vollere Töne aus einer Oboe zu hören geben. Musikalisch ist dies die vielleicht mitreißendste Einspielung überhaupt.

Der Klang der Aufnahme ist nun noch etwas transparenter und offener als 1970, sie klingt ebenso weich wie diese, jedoch mit einer frischeren Aura und noch etwas brillanter. Die erreichte ideale Balance von Solo und Orchester wird beibehalten. Das Orchester klingt 1970 jedoch etwas wärmer.

 

5

Olivier Stankiewicz

Jaime Martin

London Symphony Orchestra

LSO LIVE

2019

7:19  6:44  6:14  20:17

Der französische Oboist war von 2011-2015 Solo-Oboist beim Orchestre du Capitole du Toulouse, seit 2015 ist er in gleicher Position beim LSO. Zudem unterrichtet er am Royal College of Music in London. Seine Darstellung ist eine der lebendigsten. Die dynamische Spannweite ist für eine Oboe sehr weit, die Artikulation ist pointiert. Der volle, eher helle als dunkle Ton wirkt sehr ansprechend, nicht zuletzt da er sowohl ausgewogen als auch recht brillant ist. Er liefert eine Kadenz ab, die uns mit am besten gefällt. Eine Alternative zur eigenen, nämlich der Komponistin Tonia Ko wird ebenfalls mitgeliefert und zwar für alle drei Sätze.

Das Tempo für den zweiten Satz erscheint sehr gut getroffen. Stankiewicz ist ein ausgezeichneter Erzähler auf der Oboe. Die Oboe erscheint wie mit einer wunderbaren Aura umgeben, was vielleicht auch ein Kniff der Aufnahmetechnik sein könnte. Man hört überhaupt keine Klappengeräusche und Atemgeräusche sind allenfalls für ganz hellhörige Zuhörer:innen bei der Kadenz hörbar, uns fielen jedoch gar keine negativ auf.

Stankiewicz bringt die besten Elemente der Barockoboe und der klassischen Oboe zusammen. Von der Barockoboe bringt er die Farbigkeit und den Nuancenreichtum mit ein, von der klassischen Oboe die Durchschlagskraft (immer nur in den Dimensionen, die mit der Oboe möglich sind und ohne die Tonschönheit zu gefährden). Schon die eigene Kadenz ist im dritten Satz ziemlich verrückt, aber sehr unterhaltsam. Die Alternative von Tonia Ko, bei der das Orchester kräftig mitmischt, wirkt höchst kreativ, um nicht zu sagen skurril. Vielleicht hilft der Hinweis, sich ein Bild von der Kadenz zu machen, wenn wir zur Komponistin noch mitteilen, dass sie sich auch als Virtuosin der Luftpolsterfolie bezeichnet. Aufgepasst: Die alternativen Kadenzen haben wir beim Streaming entdeckt, auf der SACD scheinen sie nicht mit angeboten zu werden. Vielleicht, weil man den klassischen CD-Käufer nicht irritieren möchte (oder schocken). Wir fanden gerade die letzte Kadenz sehr amüsant.

Der Klang wirkt größer dimensioniert als bei „Les Dissonances“ oder beim West-Eastern Divan Orchestra. Das Orchester wird ein wenig auf Distanz gehalten, es klingt dennoch voll und rund. Die Balance von Oboe und Orchester wirkt gelungen. Die Oboe erscheint wie mit einem Halo versehen. Dieses Mal wirkt die Klangqualität des LSO-Labels nicht ganz so trocken wie sonst. Von einem Publikum hört man gar nichts, weshalb wir kaum glauben können, dass es sich um eine Live-Aufnahme handelt. Die Kadenzen von Tonia Ko wirken wie hineingeschnitten.

 

5

Gerhard Turetschek

Karl Böhm

Wiener Philharmoniker

DG

1973

7:37  8:56  6:31  23:04

Seit 1963 ist Gerhard Turetschek Mitglied im Orchester der Wiener Staatoper, ab 1970 Solo-Oboist der Wiener Philharmoniker. Hören kann man ihn auch sporadisch in Aufnahmen mit dem Ungarisch-Österreichischen Haydn Orchester. Der Kontrast zur Einspielung mit Heinz Holliger könnte kaum größer sein und es ist uns bewusst, dass man einwenden könnte, dass alleine schon die Tempi eine oder vielmehr gleich drei Schrullen sind. Es mag sein, dass dies eine exzentrische Einspielung ist, jedoch überwiegen für uns deutlich ihre Meriten.

Turetschek und Böhm, dem man früher ein untrügliches Gespür für die Tempi in Mozarts Musik attestierte und der derzeit gerade für sein Tempoverständnis geradezu meist runtergeputzt wird, haben in dieser Einspielung jedenfalls die Ruhe weg. Das Spiel des klein besetzten aber groß klingenden Orchesters wirkt extrem sorgsam und farbig, vielleicht ein wenig ernster als üblich aber keinesfalls schwerfällig und was noch wichtiger erscheint: überhaupt nicht humorlos. Die Oboe ist ein Spezialfall, denn es handelt sich um eine sogenannte Wiener Oboe, die eigentlich ein Nachbau der Dresdner also der Deutschen Oboe ist und nur wenig variiert wurde und an die Wiener Stimmung angepasst wurde, aber dann nicht mehr verändert wurde. Die Oboe Turetscheks klingt schlank, aber nie spitz, hart oder dünn. Es fehlt auch die dynamische Durchschlagskraft eines Holliger. Sie klingt wie die tongewordene Sanftmütigkeit, aber ungemein frisch und lebendig. Sogar besonders liebevoll gespielt. Der Ton als solches ist dem von Martin Gabriel, dessen Einspielung wir gleich anschließend besprechen wollen, sehr ähnlich. Bei Turetschek klingt es etwas heller als bei Gabriel und „Dank“ Böhm mit weniger Schwung. Turetschek spielt mit etwas mehr Vibrato, das aber überhaupt nicht stört, sondern diese spezielle liebevolle Lebendigkeit des Tones erst ermöglicht. Der Orchesterpart erhält bei Böhm ein erheblich plastischeres „Gesicht“ und bildet auch mehr Gegengewicht als die Wiener Mozart-Akademie bei Wildner. Wie kaum ein zweiter kann Turetschek auch einmal eine Phrase einfach nur hinhauchen. Jeder der das Instrument kennt, weiß, wie schwer das ist. Er spielt wie es ein Sänger oder besser eine Sängerin (wegen der Tonlage) singen würde, sehr gefühlvoll und empathisch.

Der zweite Satz klingt dynamisch sehr gut kontrastiert, zwar langsam und getragen aber phrasiert fast schon wie bei den historisch Informierten. Bernstein bewunderte Böhms Tempogespür bei Mozart und es mag sein, dass es Böhm nicht immer gleich gut gelang. Hier jedenfalls hätte er die Bewunderung Bernsteins sicher gehabt. Dank der liebevoll-nuancierten, aufopferungsbereiten Artikulation füllt Turetschek auch das langsame Tempo sehr gut aus. Niemandem in diesem Vergleich gelingt der zweite Satz gefühlvoller. Sein Ton wächst der Hörerschaft während des Konzertes fast schon ans Herz. Wo gibt es denn sowas?

Im dritten Satz hören wir eine mehr nach innen gewandte, gezügelte Fröhlichkeit. Turetschek lässt nicht ab von seinem sagenhaft nuancierten Spiel und verbreitet viel Herzenswärme. Gewichtiger aber auch charmanter ist der dritte Satz kaum je zu hören. Charmant wahrscheinlich dank Turetschek und gewichtig wahrscheinlich dank Böhm. Diese Einspielung ist unser ganz spezieller „Gewinner des Herzens“.

Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent und farbenprächtig. Die Philharmoniker lassen sich bei der Begleitung ihres Kollegen nicht lumpen und bieten ihr bestes Spiel. Die Balance gelingt hervorragend. Der Gesamtklang ist erstaunlich plastisch und dreidimensional. An Glanz mangelt es nicht.

 

5

Martin Gabriel

Johannes Wildner

Wiener Mozart-Akademie

Naxos

1989

7:08  7:36  5:56  20:40

Martin Gabriel war einer der Solo-Oboisten zunächst der Wiener Staatsoper und dann auch der Wiener Philharmoniker. Ob er noch gemeinsam mit Gerhard Turetschek Dienst hatte oder sein Nachfolger war, konnten wir leider nicht herausbekommen.

Auch hier hören wir natürlich wieder den typischen Wiener Oboenton. Wie bereits erwähnt ist sie eigentlich ein Nachbau der Dredner Oboe und wurde nur auf Stimmung gebracht. Sie kam übrigens erst im 19. Jahrhundert, also nach der Mozart-Zeit von Dresden nach Wien. Ansonsten ist sie in ihrer Entwicklung, man darf wohl schreiben glücklicherweise, stehen geblieben und so nach wie vor als wohltuende individuelle Erfrischung der global immer ähnlicher werdenden Klanglandschaft im Orchester, auch bei den Holzbläsern ist das so, zu hören. Zu Beginn der Aufnahmegeschichte war ihre Intonation oft noch ungenau, aber seit den sechziger und siebziger Jahren wurde das sukzessive besser. Gerade wenn ein Oboist wie Martin Gabriel spielt, ist die Intonation mittlerweile über jeden Zweifel erhaben. Sein Instrument spricht hörbar bestens an und er kann sehr flexibel damit spielen. Da es schlank klingt, bleibt so mehr Klangraum für das restliche Orchester übrig. Auch sein Spiel wirkt ausgesprochen lebendig und wie gesungen. Gabriels „Register“ sind besser als bei früheren Wiener Oboisten sehr ausgeglichen. Die Tempi, die er und Johannes Wildner anschlagen entsprechen mehr dem Mainstream als bei Turetschek und Böhm. Der Klang von Gabriels Oboe strahlt in der Höhe mild und man darf ihn noch als warm bezeichnen. Zudem wirkt die Artikulation sehr leicht und das Spiel behände.

Im zweiten Satz bemerkt man den recht warmen Klang des gar nicht so klein besetzten Orchesters viel besser als im ersten. Man spielt nicht ohne Vibrato und wir wissen es nicht, ob es sich um ein anderes Orchester als die Wiener Akademie Haselböcks handelt, aber wir vermuten es. Diese nutzt nämlich Originalinstrumente. Dem Klang nach zu urteilen sind es gewiss zwei verschiedene Orchester. Das Tempo erscheint als gut gewählt, die schmerzhaften Elemente kommen gut zur Geltung. Leicht näselnd passt Gabriels Oboenspiel sehr gut auch zum zweiten Satz. Obwohl er dem Vibrato nicht abgeneigt ist, fügt sein Ton sich bestens mit dem nahezu vibratolosen Spiel des Orchesters zusammen. Seine Wiener Oboe klingt frischer als viele der älteren französischen Modelle. Mittlerweile klingen auch die französischen Oboen wunderbar voll und rund, wie man in vielen Orchestern weltweit hören kann. Die Kadenz ist übrigens ein kleines Kabinettstückchen.

Im dritten Satz warten die Musiker mit einem wunderbar sprechenden fröhlichen Duktus auf. Das besonders klare, offene Spiel gefällt uns sehr gut. Die Oboe zieht jedoch fast die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Das Orchester nimmt man nur als ein sich sehr gut anschmiegendes Begleitensemble wahr, besonders wenn die Oboe schweigt. Es hätte im letzten Satz noch ein wenig türkischen Pfeffer vertragen können. Für jeden der das Konzert mit einem nicht alltäglichen Oboenklang hören möchte, ist dies eine Top-Empfehlung, zumal sie im untersten Preissegment zu haben ist.

Auch der Klang der Naxos-Einspielung hält diesen Mal weitgehend mit der musikalischen Darbietung mit. Er ist recht weich und rund. Die Balance stimmt weitgehend, jedoch klingt das Orchester mitunter zu hintergründig.

 

5

Lajos Lencses

Jörg Faerber

Württembergisches Kammerorchester Heilbronn

Carus

1991

7:05  6:15  5:07  18:27

Nach beruflichen Anfängen bei der Philharmonia Hungarica war Lajos Lencses fast vier Jahrzehnte lang ab 1971 Solo-Oboist beim RSO Stuttgart des SWR.

In dieser Einspielung kann das Orchester nicht ganz mit dem Solisten mithalten, was aber nicht reicht, um von der Höchstbewertung abzuweichen. Die Orchester-Einleitung wirkt hell und frisch, dynamisch und klar, aber nicht ganz so beredt wie bei der ASMF und Heinz Holliger. Herr Lencses lässt seinen herrlich flexiblen enorm klangschönen Ton erstrahlen oder besser erblühen. Seine lebendige Gestaltung wirkt urmusikalisch. Nie rutscht auch nur ein spitzer Ton heraus, immer wirkt die Kantabilität warm-schmelzend. Tonlich liegen Leleux, Hunt und Mayer recht eng beisammen. Lencses wirkt jedoch geradliniger und weniger verspielt als Leleux, frischer als Hunt, lebendiger als Mayer und viel voller im Ton als Macias Navarro um noch einen weiteren sehr guten Oboisten zu nennen. Man vernimmt keinerlei Klappengeräusche oder Geräusche, die von der Atmung herrühren würden. Die Technik läuft perfekt. Permanentatmung gehört heute zum allgemeinen technischen Rüstzeug.

Das Tempo im zweiten Satz wirkt schreitend, aber nicht schleppend. Wie viele misstraut auch Lencses dem Adagio non troppo und zieht ein fließendes Andante vor. Die Phrasierung überzeugt, das flexible Vibrato besticht. Der natürlich wirkende Vortrag wirkt schlicht und ergreifend und möchte keine übermäßige Tiefe suggerieren. Von Oberflächlichkeit ist andererseits keine Spur zu entdecken.

Der dritte Satz wirkt frisch, pointiert und mitteilsam. Hier schmettert unser kühnes „Blondchen“ geradezu drauflos, natürlich kultiviert und meisterlich. Der Gestus passt.

Der Klang der Einspielung wirkt transparent, räumlich, gut ausbalanciert und gestaffelt. Die Oboe wird deutlich konturiert abgesetzt.

 

5

Alexei Ogrintchouk

Der Solist ist auch Dirigent in Personalunion

Litauisches Kammerorchester, Wilnius

BIS

2012

6:46  7:17  5:38  19:41

SACD  Der russische Oboist studierte in Paris bei Maurice Bourgue, wurde seit 1999, als Gergiev dort Chef war, zum Solo-Oboisten der Rotterdamer Philharmoniker berufen und wechselte 2005 zum Amsterdamer Concertgebouw-Orchester. Mit ihm liegt bei Pentatone noch eine ältere Einspielung von 2005 vor, die wir etwas weiter unten ebenfalls noch erwähnen werden.

Das Orchester, nun auch vom Oboisten selbst dirigiert, klingt nun ebenso impulsiv und drängend aber noch etwas energischer als in Amsterdam. Unbekümmert wirkt es nun keineswegs mehr, sondern dramatisch. Der Klang des litauischen Orchesters ist etwas heller und ein wenig faseriger als das der Amsterdamer in Kammerorchesterformation. Herr Ogrintchouk selbst geht noch etwas mehr aus sich heraus. Sein Spiel wirkt noch leichter und flinker und mit noch mehr Pfeffer gewürzt. An den recht lauten Klappengeräuschen hat sich leider nicht viel geändert, vielleicht soll aber auch ein Rest von mechanischer Arbeitserbringung hörbar bleiben? Ansonsten müsste man ein gutes Öl für die Mechanik empfehlen und lautlose High-End Polster, wie sie die meisten Kollegen mittlerweile auch benutzen, denn ihre Klappen schließen lautlos. Vielleicht brauchen sie auch nicht so viel Kraft, um die Klappen schnell und geschmeidig zum Schließen zu bringen. Auch in Wilnius wird eine hochvirtuose Kadenz zu Gehör gebracht bei der die Atmung fast zur musikalischen Gestaltung genutzt wird. Zwar nicht mehr so laut wie in Amsterdam sieben Jahre zuvor, aber immer noch unschön, wie wir finden. Der Ton der Oboe könnte man als modernes Ideal bezeichnen.

Im zweiten Satz wird der Hörer gewahr, dass die Leuchtkraft des herrlichen Tons nochmals erhöht wurde. Die Artikulation wirkt sehr variabel, geschmeidig aber auch kraftvoll. Die dynamische Bandbreite wirkt sehr weit. Der Gestus wirkt mitteilsam und inspiriert.

Im dritten Satz dann unbefangen, spritzig, bewegt und tatendurstig. Auch das Orchester swingt sehr temperamentvoll mit. Bart Schneemanns Darbietung wirkt im letzten Satz allerdings noch etwas charmanter. Gegenüber Francois Leleux neuerer Einspielung aus Salzburg werden die blasiert wirkenden Übertreibungen bei ähnlich schöner Tongebung und technischer Kompetenz erfolgreich vermieden. Gegenüber Albrecht Mayers Darbietung wirkt Ogrintchouck hier einfach aufregender und musikalisch schlüssiger. Allerdings wirkt sie schon etwas wie auf Speed, aber genauso wünschte man sich Blondchen auf der Bühne der „Entführung“.

Der Klang der Aufnahme ist transparent, offen und sehr räumlich. Man erreicht nicht ganz die Fülle der Amsterdamer Einspielung, die ebenfalls mit fünf SACD-Kanälen punktet. Die Oboe steht in Wilnius noch etwas größer vor dem Orchester.

 

5

Bart Schneemann

Lev Markiz

Niew Amsterdam Sinfonietta

Brilliant

1994

7:23  7:02  6:06  20:31

Bart Schneeman war 1976 bis 1996 erster Oboist beim Radio Filharmonisch Orkest bzw. bei den Rotterdamer Philharmonikern. Danach verfolgte er nur noch seine Solokarriere. Auch Schneemann verfügt über einen modern klingenden, weichen und abgerundeten Oboenton mit reichhaltigem Körper, wie ihn mittlerweile die besten Oboisten auf der ganzen Welt pflegen. Man hört ihn auch bei Albrecht Mayer, Douglas Boyd, Francois Leleux, Alexei Ogritchouk, Olivier Stankiewicz und einigen anderen mehr, die nicht an diesem Vergleich mitwirken können, weil sie noch keine Aufnahme des Mozart-Konzerte machen konnten bzw. wir nicht über sie verfügen konnten. Schneemann lässt einige Elemente der historisch informierten Aufführungspraxis mit in seine Darstellung einfließen und seine Interpretation verfügt über einigen virtuosen Biss, wenn sein Ton auch nicht so kraftvoll erscheint wie der Holligers oder Ogrintchouks. In der Kadenz punktet er mit einigen exotisch wirkenden Zutaten, die den Weg zum „Serail“ bereits vorzeichnen. In dieser Einspielung nutzt Schneemann eine moderne Klappenoboe, es stünden ihm aber auch Barockoboen zur Verfügung. Er fährt zweigleisig.

Im zweiten Satz hören wir ein sehr schönes kantables Legato, bei dem Schneemann wohltuender Weise fast ganz auf Vibrato verzichtet. Sein Ton ist trotzdem wunderbar weich und seine Artikulation beredt. Bisweilen hackt er den kantablen Strom seltsam ab, um ihn dann sogleich wieder aufzunehmen. Das wirkt ungewohnt, er entgeht so sehr gut jedem Anflug von Monotonie. Schneemann weiß auf der Oboe zu singen wie kaum ein anderer. Das Orchester komplettiert den ausgezeichneten Gesamteindruck durch gespanntes und zugleich flüssiges und inniges Spiel.

Der dritte Satz gelingt besonders charmant. Mit einem lebendigen Gestus versehen, wirkt Schneemanns Spiel hier neckisch, eine teils minimal rhythmisch variierte Spielweise hilft ihm dabei so vor unserem geistigen Auge eine fesche Blonde entstehen zu lassen. Auch im dritten Satz entgeht Schneemann ohne subjektive Übertreibungen anzustrengen wie kaum ein zweiter einer monotonen Gestaltung. Auch die Kadenz meidet die ausgetretenen Pfade. Keinerlei Klappengeräusche! Da wurden auch die Hausaufgaben gewissenhaft erledigt. Uns hat diese Einspielung sehr gut gefallen.

Der Klang ist etwas hallig geraten. Das Orchester klingt aber frisch, offen und gut konturiert. Wie so oft beim Label Brilliant wirkt das Klangbild etwas gläsern und die letzte Brillanz und Fülle fehlen.

 

5

Gordon Hunt

Andrew Litton

London Philharmonic Orchestra

EMI

1987

8:32  7:38  5:41  21:51

Gordon Hunt war Solo-Oboist beim London Philharmonic und London Chamber Orchestra bevor er zum Philharmonia Orchestra London wechselte. Damit war das Oboenproblem beim ehemaligen Orchester von Otto Klemperer gelöst. Mit ihm wurde auf der ganzen Insel eine Abkehr vom dünnen, harten britischen Oboenklang eingeläutet. Er wurde auch als Professor an die Guildhall School of Music berufen.

Wir hören vom Orchester ein durchaus akzentuiertes Spiel, das sich aus einem gelassenen Grundgestus heraus entwickelt. Der Ton der Oboe ist wunderbar weich, warm getönt und voll. Die Atemführung ist makellos, das Staccato perlend. Die Artikulation beinhaltet herrliche Spitzentöne mit einem geschmackvoll-flexiblen Einsatz des Vibratos und etliche Nuancierungen. Atemgeräusche hören wir keine, nur das ganz leise Arbeiten der Klappenmechanik. Und dagegen lässt sich nun wirklich nichts einwenden. Alle Hausaufgaben sind erledigt, alle technischen Probleme gemeistert. Die Kadenz ist ebenfalls besonders klangschön, launig aber auch etwas weit umherschweifend.

Im zweiten Satz lässt sich auch das begleitende Orchester vortrefflich unter die Lupe nehmen. Die Oboen und Hörner des Orchesters klingen sehr gut, sind aber etwas weit im hinteren Bereich des Klangraumes positioniert. Das Orchester agiert anschmiegsam und besonders rücksichtsvoll auf den Solisten, fast wie ein verlängertes Sprachrohr des Solisten, der seinerseits in diesem Satz mit dem geschmackvollen Vibrato und dem nuancierten Spiel voll überzeugen kann. Er beherrscht natürlich auch die Permanentatmung, was im Übrigen für fast alle Solisten der 5er-Kategorie gilt. Wir hören einen der ausdrucksvollsten zweiten Sätze mit der klassischen Klappenoboe.

Im dritten Satz wird ein beschwingtes, vitales Tempo vorgelegt. Leider klingen die Violinen nicht mehr so schön voll wie in den beiden Sätzen zuvor, was für die Oboe ausdrücklich nicht gilt. Anscheinend hat man die Aufnahmedisposition leicht abgeändert.  Die dritte Kadenz wirkt teils neckisch, teils wild und zerklüftet. Für Überraschungen ist also gesorgt. Dies ist eine der klangschönsten Einspielungen nicht nur von der Oboe her gesehen, auch das Orchester spielt sehr gut. Sie ist musikalisch überzeugend und verfügt auch über einen sehr angenehmen Klang.

Er ist nämlich weich, gut gestaffelt und bestens proportioniert

 

5

Burkhard Glaetzner

Hartmut Haenchen

Kammerorchester Carl-Philipp-Emanuel-Bach, Berlin

Capriccio

P 1989

7:55  7:48  5:11  20:54

Herr Glaetzner war Solo-Oboist beim RSO Leipzig von 1966 bis 1982, mittlerweile heißt das Orchester übrigens MDR Sinfonieorchester. Später war er auch Leiter des Neuen Bachischen Collegium Musicum.

Das Orchesterspiel wirkt durchaus pulsierend und fein gesponnen, endlich sind auch einmal die Bässe hörbar, anscheinend glaubt man, die Musik Mozarts käme auch gut ohne aus, dabei hat ein festes Fundament noch nie geschadet. Das Spiel von Burkhard Glaetzner ist griff- und atemtechnisch hervorragend und ungeheuer behände. Seine Artikulation wirkt leicht und flexibel. Tonlich steht er eher auf der Holliger-Seite (dünn, hart, eher flexibel) als auf der Lothar-Koch-Seite (voll, rund, eher unflexibel). Seine Artikulation wirkt variantenreich, seine Spitzentöne strahlend. Glaetzner gestattet sich kleinere Eingriffe ins Notenbild, zumeist rhythmischer Natur oder zu Zwecken der Verzierung (um „aufhübschen“). Da sollte man nicht zu puristisch sein, denn Varianten des Gewöhnlichen sind durchaus willkommen, wenn der stilistische Rahmen nicht gesprengt wird. Glaetzner gelingt so eine elegante, farbenreiche und sehr lebendige Darstellung, die wenn sie etwas weicher und runder klingen würde, noch höher zu bewerten wäre. Das Orchester wirkt dezent und partnerschaftlich. Die Kadenz ist expansiv, aber ungeheuer virtuos und expressiv.

Im zweiten Satz wird zwar sehr subtil vom Vibrato Gebrauch gemacht und der Gestus ist ausgesprochen musikalisch ausgefeilt und ausdrucksvoll, jedoch wäre mehr Schmelz im Oboenton durchaus vorstellbar. Die langen Bögen profitieren von der hervorragenden Atemtechnik (erneut: Permanentatmung). Das Orchester gestaltet im Rahmen der festgelegten Komposition aufmerksam mit.

Der dritte Satz wird rhythmisch ein klein wenig zugespitzt, die zusätzlichen Verzierungen können den fröhlichen Gestus noch steigern. Subjektives Fazit: Musikalisch ganz hervorragende Version, tonlich mit ganz leichten Abstrichen.

Der Klang der Aufnahme ist gut gestaffelt, luftig, transparent und frisch. Ein leichte frühdigitaleske Härte schimmert noch durch.

 

5

Randall Wolfgang

ohne zusätzlichen Dirigenten

Orpheus Chamber Orchestra

DG

1987

7:08  7:23  5:34  20:05

Randall Wolgnag war Schüler von John de Lancie, dem wir es zu verdanken haben, dass Richard Strauss noch in seinen letzten Jahren ein Oboenkonzert geschrieben hat. Die amerikanische Provenienz des Oboentons lässt sich nicht ohne weiteres verleugnen. Es fehlt etwas tonliche Fülle und ein charmanter Schmelz. Aber ansonsten erfreut diese Einspielung mit ihrem lebendigen Spiel, dem offenen, frischen Ton und ihrer leichten, beweglichen Artikulation. Das beschwingte, dynamische Musizieren findet sich sowohl beim Solisten als auch beim Orchester.

Den verbindlichen Schmelz vermisst man naturgemäß im langsamen Satz etwas mehr als in den beiden Außensätzen. Wolfgang weiß aber sehr schön zu erzählen und artikulatorisch könnte man ihn fast zur historisch informierten Fraktion zählen. Wir hören keinerlei Klappen- oder Atemgeräusche. Nur Musik.

Der dritte Satz gefällt sogar noch besser, so lebendig, quirlig, keck und unbekümmert, auch strahlkräftig perlt uns Mozarts Musik entgegen. Sie würde bestens zur „Entführung“ passen. Alle sind bestens bei Stimme.

Das Orchester klingt präsent, räumlich, sehr transparent, frisch und prall. Die Oboe steht deutlich und klar davor.

 

5

Douglas Boyd

Paavo Berglund

Chamber Orchestra of Europe

ASV, auch im Eigenlabel des Orchesters erschienen

1986

6:50  6:43  5:49  19:22

Douglas Boyd war von 1981 bis 2002 „Chefoboist“ des COE. Ab 2006 ist er nur noch als Dirigent tätig.

Das Orchester spielt sehr sauber und frisch, sehr aufmerksam und hellhörig aber dynamisch ziemlich einheitlich und ohne Überraschungen. Der Ton der Oboe wirkt sehr sauber und ausgewogen, recht leichtgewichtig aber nicht dünn und schon gar nicht dick, flexibel und eher weich als hart. Klappengeräusche sind sehr leise im Zaum gehalten, sodass sie nicht stören. Die Höhen klingen brillant und mit Substanz. Die Diktion erscheint gefühlvoll, die Läufe und die Artikulation generell wirken abwechslungsreich und sprechend. Etwas flexibler und dynamischer als bei Neil Black, auf dessen Darbietung wir weiter unten zu sprechen kommen wollen.

Im zweiten Satz ermöglicht die Permanentatmung lange, bruchlose Kantilenen, das Spiel mit der Dynamik überzeugt ebenfalls. Es sind keine technischen Grenzen spürbar, die die Musikalität einschränken würden.

Im dritten Satz bringt Berglund die Bläser des Orchesters so wie es die Partitur nahelegt und erlaubt bestens zur Geltung. Boyds Spiel mit der weichen Tonerzeugung zeigt sich der technischen Beschränkungen enthoben, Auch das kecke Tempo und die launische Kadenz lassen kaum Wünsche offen.

Die sehr gute Klangtechnik lässt das Orchester offen, transparent, weich, abgerundet und sehr dynamisch klingen. In seiner spritzigen Geschlossenheit lässt sie es wahrscheinlich größer und voluminöser klingen als es ist. Denn es klingt wie ein „ausgewachsenes“ Orchester und kaum wie ein klein besetztes Kammerensemble. In der Balance wird die ideale Partnerschaft auch in der technischen Balance umgesetzt.

 

5

Heinz Holliger

Edo de Waart

New Philharmonia Orchestra London

Philips

1970

8:17  8:16  5:39  22:12

Nur sechs Jahre nach der Aufnahme mit dem Münchner Kammerorchester für die DG veröffentlicht, wird Heinz Holliger nun mit einer weicheren orchestralen Fülle unterstützt aber auch konterkariert. Denn die Oboe klingt immer noch recht dünn, aber nicht mehr so nasal eingefärbt. Der Ton wirkt aber bereits etwas gedeckter und nicht mehr so gnadenlos offen und spröde. Auch die Artikulation wirkt weicher und geschmeidiger. Holliger spielt in jeder Einspielung andere Kadenzen, diese hier gefällt uns viel besser als die Münchner von 1964. Sie ist extrem virtuos nun aber musikalisch integrativer. Im Tempo werden in der mittleren Version von 1970 die langsamsten Tempi angeschlagen.

Im zweiten Satz gefällt der warme Klang des Orchesters sehr gut, Holligers Ton, wie bereits beim ersten Satz bemerkt, klingt zwar immer noch dünn, aber lange nicht mehr so hart. Er wirkt dynamischer nun sehr nuanciert, er erzählt nunmehr freier von der Seele weg, als zu referieren. Die Artikulation erscheint ebenfalls geschmeidiger. Der Satz kommt nun einer differenzierten Gesangsszene viel näher als 1966.

Im dritten Satz wirken die Skalen nun nicht mehr so hart durchgepeitscht, sondern etwas mehr gesungen. Der Charakter nun nicht mehr vornehmlich sportlich sondern mehr musikalisch beschwingt und die Hörer:innen mehr involvierend. Das Orchester klingt dezenter als das MKO anno 1964 und ist aufmerksam dabei.

Das Orchester klingt nun wie bereits angesprochen erheblich wärmer und fülliger als in der Münchner Aufnahme bei der DG. Auch transparenter. Die Balance zwischen Oboe und Orchester ist ausgezeichnet.

 

5

Francois Leleux

Colin Davis

Sinfonieorchester des BR, München

BR Klassik

2001, Live

7:05  7:13  6:40  20:58

Der französische Oboist erhielt seine Ausbildung unter anderem bei Pierre Pierlot und Maurice Bourgue. Er wurde bereits mit 18 Jahren Solo-Oboist an der Bastille-Oper zu Paris. Das war 1989. Vier Jahre später wechselte er dann zum Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks und bliebt dort von 1993 bis 2005. Danach kam seine alleinige Solistenzeit und mittlerweile hat er sich mehr und mehr auf das Dirigieren verlegt.

Mit ihm sind zwei Einspielungen im Vergleich vertreten. Die zweite aus Salzburg, in der er auch als Dirigent verantwortlich war, überzeichnet etwas die in der Münchner Einspielung vorzufindenden hervorragenden Anlagen. Ein Dirigent vom Kaliber eines Colin Davis bürgt dann doch für Seriosität.

Der Gestus wirkt auch in dieser Einspielung vital und beschwingt. Leleux bläst seinen Part besonders tonschön und leicht. Dynamik und Artikulation wirken abwechslungsreich und zielgerichtet. Auch bei den Trillern sind die Klappengeräusche sehr leise. Atemgeräusche hört man keine, noch nicht einmal Atempausen bei langen Passagen. Ein sicheres Indiz für die perfekte Beherrschung der Zirkularatmung (auch Permanent-Atmung genannt). Das Spiel wirkt sehr virtuos.

Der zweite Satz wirkt wie eine großes Gesangsszene, vielleicht in der Tendenz bereits 2001 etwas aufgebauscht, aber mit einer sehr differenzierten Dynamik und sehr flexiblem Vibrato geblasen. Herr Leleux beherrscht sein Instrument in Perfektion. Man bemerkt es auch an delikaten p-Einsätzen, die man kaum einmal so aus dem Nichts kommen hört wie bei ihm. Ausgedehnte Kadenzen.

Der dritte Satz kommt im Tempo maßvoll daher, was den gefühlsmäßigen Überschwang ein wenig dämpft. Trotzdem wirkt es lebendig genug, um einen neckischen, kecken Gestus hervorzuzaubern. Erfreulich ist der hier noch maßvolle aber freie Umgang mit den zierenden Applikationen. Das Orchester assistiert aufmerksam.

Der Klang ist weich, voll, gut gestaffelt und transparent, auch recht präsent. Die Oboe klingt deutlich und wird leicht vorgezogen.

 

 

 

4-5

Alexei Ogrintchouk

Henk Rubingh, als Konzertmeister

Concertgebouw Chamber Orchestra, Amsterdam

Pentatone

2005

6:40  7:51  5:44  20:15

SACD  Herr Ogrintchouk haben wir ja bereits bei seiner zweiten Aufnahme aus Litauen kurz vorgestellt. In Amsterdam überlässt er die Orchesterleitung noch dem Konzertmeister des Kammerorchesters, das sich übrigens ausschließlich aus Mitgliedern des Concertgebouw-Orchesters zusammensetzt. An pulsierender Dringlichkeit mangelt es im ersten Satz eigentlich nicht, nur im Vergleich zur Einspielung aus Wilnius muss sie sich dahinter einreihen. Schon 2005 erfreut der Oboist mit seinem flinken Spiel und seinem feinen, sehr angenehm zu hörenden, gedeckt-warmen flexiblen Ton, den er jedoch für die 2012er Aufnahme nochmals ein kleines Bisschen verfeinern konnte. Über weite Passagen sind keine Atemgeräusche hörbar, die fast permanenten, recht aufdringlichen und kaum gefilterten Geräusche der Klappenmechanik könnten jedoch empfindlichere Hörer:innen schon bald nerven. Sie passen nicht zu dem ansonsten vorbildlichen Gesamteindruck. Bei der Kadenz rückt das Mikro noch ein wenig näher heran wodurch dann auch die Anstrengung bei der Atmung die Musik deutlich in den Hintergrund treten lässt.

Der zweite Satz strahlt viel Ruhe aus. Ogrintchouks Ton kann hier wunderbar frei und kantabel ausschwingen, dynamisch fein abschattiert. Es ergibt sich eine schöne lyrische Wirkung. Erneut und ähnlich Leleux lässt er die eine oder andere Phrase wie aus dem Nichts ganz leise entstehen.  Das ist die hohe Kunst des Oboenspiels, die Klappengeräusche gehören nicht dazu.

Voller Tatendrang, beschwingt und agil kommt der dritte Satz zu Gehör. Hier nerven die Klappengeräusche besonders. Bessere Polster für die Klappen und ein Öl mit besserer Schmierfähigkeit sollte Abhilfe schaffen können. Andere schaffe ja auch ein sanfteres Spiel ohne den musikalischen Gehalt durch Arbeitsgeräusche zu beeinträchtigen. Weiträumig, sehr transparent und prall transportiert die Klangtechnik die Musik Mozarts in den heimischen Hörraum. Er wirkt noch wärmer temperiert und erheblich transparenter im Mehrkanalsound. Was übrigens auch für Ogrintchouks zweite Einspielung aus Litauern gilt. Der Gesamtklang ist sehr voll und prall. Die Balance perfekt.

 

4-5

Alexandre Gattet

David Grimal mit seiner Geige (wie einst Johann Strauß)

Les Dissonances

Eigenvertrieb des Orchesters

2014, LIVE

7:22  5:37  5:46  18:45

Alexandre Gattet ist seit 2000 Solo-Oboist des Orchestre de Paris. Das Orchester mit dem seltsamen Namen, das übrigens auch an große Werke stets ohne Dirigenten rangeht (z.B. den „Sacre“ von Strawinsky, was für eine Herausforderung! Kaum zu glauben…), beginnt schwung- und kraftvoll und mit viel Energie. Auch der Oboist lässt „sein Visier“ runter, spielt mit deutlich mehr Power als z.B. Christina Gomez Godoy. Live muss man eben was bieten, was auch in den hinteren Reihen noch zu hören ist. In diesem Fall war es die Oper von Dijon deren Saal mit Musik gefüllt werden musste. Der Ton wirkt schön und voll, die Artikulation flink. Leider konnte das Problem der Klappengeräusche von Herrn Gattet nicht ganz gelöst werden, die Atmung dagegen schweigt vorbildlich. Übrigens klingt das Orchester frisch und alles andere als dissonant. Manche Namen wecken falsche Versprechungen.

Das Tempo im zweiten Satz wäre selbst für ein Andante, das die Flötenfassung vorsieht zu schnell (eigentlich soll es sogar ein Adagio non troppo sein, einer Anweisung der viele misstrauen). Die mit einem langsameren Tempo mögliche Auslotung der Tiefe des Satzes kann mit dem fliehenden Tempo nicht ansatzweise gelingen. Ausnuancierungen à la Leleux sind so auch nicht drin.

Der dritte Satz ist der beste Satz. Man ist sehr spritzig und unternehmungslustig unterwegs. Dieses Blondchen würden wir gerne in Fleisch und Blut auf der Opernbühne singen hören und sehen. Hut ab, denn diese Darbietung ist Live.

Das kein besetzte Orchester klingt sehr transparent und gut gestaffelt. Kammermusik wird hier tatsächlich großgeschrieben.

 

4-5

Francois Leleux

zugleich auch Dirigent in Personalunion

Camerata Salzburg

Sony

2008

7:16  6:49  6:26  20:51

Nur sieben Jahre nach der ersten Einspielung mit seinem damaligen Orchester aus München erfolgte eine zweite Einspielung, bei der auch das Dirigat beim Solisten lag. Er schied schon 2005 aus dem Orchesterdienst aus und versuchte sich in jener Zeit erfolgreich vor allem als Solist, aber auch als Dirigent, ein Unternehmen, das er nach und nach intensivierte.

Die Phrasierung des Orchesters wirkt sehr deutlich, fast schon schulmeisterlich. Der volle, flexible Ton verfügt noch immer über seine ungebrochene Schönheit, nach wie vor ist er ein Meister seines Fachs. Die Tonfülle hat sich sogar eher nochmals gesteigert. Keine Atemgeräusche, kaum Klappengeräusche, ein durchaus temperamentvoller Auftritt, da hat man sich auch gründlichst vorbereitet. Bisweilen wirkt die Artikulation jedoch bereits ein wenig affektiert, sie wirkt aufgesetzt und nicht mehr so ohne weiteres aus der Musik heraus entwickelt. Das mag aber nicht jedem so vorkommen.

Im zweiten Satz spielt Herr Leleux enorm flexibel und schöpft seine ganze reiche Palette an Möglichkeiten voll aus. Die Triller trägt er ziemlich dick auf. Klar, sie sitzen perfekt, aber muss man das dem Publikum jedes Mal so dicht und vor allem so dick unter die Nase reiben? Der Erzählton wirkt nun schon ein wenig aufgeplustert. Die spieltechnische Perfektion und das musikalische Können nötigt uns vollen Respekt ab, aber das Gesamtresultat lässt uns unwillkürlich auf Distanz gehen. Davis wirkte in der Aufnahme des BR als Dirigent noch mäßigend ein.

Der dritte Satz, auch ohne Colin Davis nicht sonderlich spritzig geraten, wird mehr zu einem wiegenden Tanz. Auf unser Blondchen übertragen muss sie doch noch andere Hintergedanken (sicherheitsrelevante, gefahrenabschätzende) im Kopf haben, die sie uns nicht verraten will, denn vorbehaltlos freudig wirkt sie nicht. Wenn man die Kadenz dazunehmen will, scheint sie sogar von einem ganz anderen Leben zu träumen.

Der Klang fällt nicht ganz so füllig wie beim BR aus, wirkt zudem etwas leichter und schlanker. Balance und Transparenz wirken hingegen sehr ähnlich.

 

4-5

Veit Stolzenberger

Dorian Wilson

Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern

SWR, unveröffentlicht

2015, Live

7:45  7:10  6:05  21:00

Veit Stolzenberger war von 1989 – 1995 Solo-Oboist der Berliner Symphoniker, bevor er in gleicher Position zum Rundfunksinfonieorchester Saarbrücken wechselte. Nach dessen Fusion mit dem Rundfunkorchester Kaiserslautern spielt er eine der beiden Solo-Oboen bei der DRP.

Das Orchester beginnt kantabler und linienorientierter als das SO des BR mit Zacharias, der zweiten Rundfunk-Live-Aufnahme in unserem Vergleich. Stolzenberger spielt brillanter als Ramon Ortega Quero oder Lucas Macias Navarro mit einem sehr gesunden, kräftigen, vollen und strahlenden Ton. Lebendig und technisch über jeden Zweifel erhaben. Keine Atem- oder Klappengeräusche dringen ans Ohr der Zuhörer, nur bei den Trillern, die etwas mehr Kraft beanspruchen, hören wir ganz leise die Klappen. Auch die Kadenz ist sehr lebendig, überraschend und keck.

Auch im klangschön vorgetragenen zweiten Satz herrscht der große Ton vor. Vibrato wird nur sehr dezent und fast unmerklich an einigen Stellen mit ins Spiel gebracht um die Wirkung zu verlebendigen. Stolzenbergers Spiel wirkt nie starr, sehr bewegt und bevorzugt den singenden, erzählenden Gestus. Auch die zweite Kadenz wirkt sehr gelungen.

Im dritten Satz schwebt der Ton der Oboe deutlich vor dem Orchester. Ein Ton von außergewöhnlicher Substanz und Kraft.  Trotzdem bleibt er flexibel und rund. Auch die dritte Kadenz gefällt, auch wenn sie durch ein vorbeifahrendes Motorrad „veredelt“ wird, das voll „aufdreht“ als es am Kaiserslauterer Konzertsaal vorbeifährt. Banausen gibt´s.

Das Orchester wirkt gut gestaffelt, Die Oboe steht klar und deutlich davor. Leider überträgt SWR 2 nur noch im Stereo-mp2-Ton. Der nochmals verbesserte (nun in mp4), hochwertige Surround-Sound wurde leider auf einen anderen Kanal gelegt und scheint nicht mehr für jedermann empfangbar zu sein. Mittlerweile haben wir es jedoch auch geschafft. Es war eine manuelle sendersuche erforderlich.

 

4-5

Albrecht Mayer

Claudio Abbado

Mahler Chamber Orchestra

DG

2005

7:53  6:54  6:10  20:57

Albrecht Mayer begann sein Orchester-Laufbahn 1990 als Solo-Oboist bei den Bamberger Symphonikern. Bereits 1992 wechselte er in gleicher Position zu den Berliner Philharmonikern.

Das MCO spielt die Orchestereinleitung ohne Vibrato leicht aber kaum luftig oder gar schwerelos, sondern eher bodenständig. Albrecht Mayer pflegt einen schönen Ton in der Gefolgschaft von Ingo Goritzki oder Hansjörg Schellenberger, bringt jedoch mehr Nuancenreichtum mit ein und erscheint etwas freier mit dem Rubato umzugehen. Klappengeräusche sind leise hörbar, insbesondere bei den Trillern aber keinerlei Atemgeräusche. Die Permanentatmung schafft den Freiraum für eine innig wirkende detailreiche Darbietung. Abbado sorgt für eine lebendige, pulsierende, sehr aufmerksam auf den Solisten eingehende Orchesterunterstützung. Sie wirkt sogar etwas differenzierter als bei der Begleitung von Emanuel Pahut. Stets sorgt er für bestes Miteinander.

Claudio Abbado war sich nie zu schade, die Musiker seiner Orchester bei Mozart-Konzerten zu begleiten. Bei KV 314 kommt er nach unserer Zählung, die kein Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, auf fünf Dienste. Mit Emmanuel Pahut (Berliner Philharmoniker), mit Albrecht Mayer (MCO), mit Lucas Macias Navarro (Orchestra Mozart), Ray Still (Chicago Symphony Orchestra) und Jacques Zoon (ebenfalls Orchestra Mozart).

Doch nun zurück zur Einspielung mit Albrecht Mayer. Im zweiten Satz gelingt ein ausdrucksstarker, noch lebendiger Vortrag, vor allem auch durch eine besonders differenzierte Orchesterarbeit. Mayer selbst könnte hier noch mehr aus sich herauskommen. Glaetzner, Leleux oder ganz besonders Andrew Knights bieten hier einfach mehr, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Gefahr des Monotonen erscheint nicht ganz gebannt.

Im dritten Satz gelingt die Darbietung musikantisch und beschwingt, dabei immer auch nuanciert und sensibel. Die freudige Erregung der Szenerie aus der „Entführung“ wird sehr gut antizipiert. Insgesamt erscheint uns dies die gelungenste Einspielung der drei Solo-Oboisten der Berliner Philharmoniker zu sein.

Dazu trägt auch der deutlich offenere Orchesterklang gegenüber der Karajan-Aufnahme mit Lothar Koch, aber auch der Berliner Aufnahme mit James Levine bei. Sie ist auch sehr transparent und ein guter Kompromiss aus trockener Präsenz und räumlicher Fülle. Wobei die trockene Seite ein wenig dominiert. Die Balance ist gut.

 

4-5

Simon Dent

Vladislav Czarnecki

Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim

Amati

1991

7:10  7:53  5:00  20:03

Der britische Oboist war seit 1980 für viele Jahre Solo-Oboist an der Bayerischen Staatsoper München.

Sein Ton ist sehr brillant, voll und geschmeidig. Seine Gestaltung recht flexibel. Er (und das Orchester) spielen mit viel musikalischer Dringlichkeit, sehr energetisch und kraftvoll. Sein Staccato wirkt besonders klar. Man vernimmt keinerlei Atemgeräusche aber gerade bei Trillern sind die Klappengeräusche außerordentlich laut. Man spürt förmlich mit wieviel Kraft die Klappe betätigt werden muss, damit die gewünschte Geschwindigkeit herauskommt. Simon Dent vergisst auch im ersten Satz nicht die etwas dunkleren Zwischentöne. Insgesamt bietet er uns durch sein kraftbetontes Spiel so etwas wie eine jugendlich-draufgängerische Variante des ersten Satzes.

Im zweiten Satz bietet Dent eine sehr schöne Kantabilität und eine sehr geschmeidige, leuchtende hohe Lage. Die hervorragende Atemführung garantiert (mit einem ausgezeichneten Rohrbau) Tonfülle und Wohlklang. Das Orchester kommt nicht ganz an das COE oder MCO heran.

Der dritte Satz führt nun eine zu allem entschlossenes Blondchen ins imaginäre „Feld“. Die vergleichsweise rasante Gangart legt auch noch einen gewissen Enthusiasmus nahe. Das Orchester zeigt sich sehr geschmeidig. Sehr schade wegen der doch sehr lauten Klappengeräuschen bei den Trillern und schnellen Figuren, da war sehr viel Kraft im Spiel, die besser aufgefangen hätte werden können.

Klanglich gibt es eine klare Rollenverteilung: Der Solist steht im Vordergrund, das Orchester assistiert.

 

4-5

Andrew Knights

Richard Studt

Bournemouth Sinfonietta

Guild

1998

7:07  7:58  5:58  21:03

Andrew Knights war von 1983-1999 Solo-Oboist beim Bournemouth Symphony Orchestra und solange sie noch bestand auch bei der Bournemouth Sinfonietta. Er hat danach einen anderen Weg eingeschlagen, denn er arbeitet heute hauptsächlich durch Musik mit demenzkranken Menschen, obwohl er immer auch noch Konzerte gibt.

Der erste Satz erklingt entschlossen und vorantreibend, zügig und mit Temperament musiziert. Tonlich im Gefolge von Neil Black und technisch absolut einwandfrei kommt Mr. Knights nicht ganz an die Tonfülle von Landsmann Gordon Hunt heran.  Knights Ton wirkt kerniger und schlanker aber auch etwas dünner. Sein Musizieren jedoch etwas lebendiger. Andererseits gegenüber dem Ton von Herrn Glaetzner wirkt der Ton glatter und voller. Die Variationsbreite beim Oboenton ist schier unermesslich, jede klingt in unserem Vergleich anders.

Beim zweiten Satz hat Mr. Knights eine Überraschung für uns parat. Zunächst aber beginnt das Orchester mit viel Einfühlungsvermögen, es klingt nun auch präsenter. Das Zusammenspiel wird auf den Punkt gebracht und wirkt besonders harmonisch. Mr. Knights selbst wartet mit einem außerordentlich gefühlvollen Spiel auf, anrührend und enorm gesanglich und extrem nuanciert. Er hat hier wirklich was zu sagen und sein Spiel geht sehr zu Herzen. Kaum könnte der Satz schöner gesungen werden. Alle technischen Schwierigkeiten lässt er uns vergessen. Der zweite Satz dieser Einspielung gehört ohne Wenn und Aber in die 5er Kategorie. Wenn er nicht sogar der Beste überhaupt ist.

Der dritte Satz ist hingegen wieder etwas weniger aufregend, da gleichförmiger gestaltet. Die Figurationen sind nicht immer ganz ebenmäßig, das gelingt einem Hunt oder Goritzki etwas besser. Andere wirken im dritten auch lebendiger. Die Schluss-Kadenz machte auf uns einen besonders kreativen Eindruck.

Der Klang der Einspielung ist offen und verfügt über eine schöne, natürliche Räumlichkeit. Die Oboe steht im Zentrum, das Orchester in gebührenden, respektvollen Abstand. Das Orchester selbst ist jedoch gut gestaffelt. Die Balance wurde glücklicher getroffen als bei der Aufnahme mit Thomas Indermühle.

 

4-5

Neil Black

Neville Marriner

Academy of St.-Marti-in-the-Fields

Philips

1972

7:36  7:48  5:50  21:14

Neil Black spielte kurze Zeit beim London Philharmonic, später dann sowohl bei der Academy, als auch beim English Chamber Orchestra und bei den London Mozart Players.

Wir hören das Orchester noch in seiner frühen Blüte als es gerade von Decca zu Philips gewechselt ist. Sein Klang wirkt seidig und mit anspringender Frische versehen. Neil Blacks Ton ist leicht, sein Doppelrohrblatt spricht sehr gut an. So bleibt genug Raum für die musikalische Gestaltung. Seine Legatobögen sind denn auch schön geformt, die dynamischen Unterschiede hörbar. Sein Gestus bringt eine gewisse Eleganz mit, seine Blastechnik wirkt ausgereift und sattelfest. Die Klappengeräusche hat er im Griff, sie sind der Rede kaum wert. Insgesamt macht der erste Satz einen quicklebendigen Eindruck.

Im zweiten Satz lässt man sich die Ruhe, eine Geschichte zu erzählen. Das Orchester bringt sich dabei weit über das übliche Maß mit ein. Trotz des weitgehenden Verzichts auf Vibrato wirkt das Spiel von Neil Black kantabel und ausdrucksvoll. Er spielt zwar ein modernes Instrument, aber sprechend artikuliert. Die Partnerschaft mit der Academy überzeugt auf der ganzen Linie.

Im dritten Satz kann man sich schon alleine daran erfreuen, wie schön die Hörner herauskommen und vor allem wie genau die Mittelstimmen und der Bass zu verfolgen ist. Mr. Black bringt Tempo und Frische mit ein und verbindet den Gestus mit seinem leichten aber nicht näselnden Ton und einem eher kecken Ausdruck. In diesen Jahren kam er dem damaligen Ideal wohl ziemlich nah. Die historisch informierte Aufführungspraxis sollte es dann teilweise noch ein wenig frischer, lebendiger und differenzierter schaffen, aber wir überlegen, ob wir diese Einspielung nicht noch etwas höher einstellen sollten. Wer ist dafür? Sorry, das war nur eine rhetorische Frage.

Der Klang hört sich fast nach einer Decca-Aufnahme an. Brillant, sehr transparent, frisch, plastisch, brillant und lebendig. Es fehlt allenfalls ein kleiner Schuss Wärme.

 

4-5

Lucas Macias Navarro

Claudio Abbado

Orchestra Mozart

Claves

2013

7:07  7:07  5:24  19:38 

Der spanische Oboist spielte die Solooboe beim Concertgebouworchester Amsterdam, wo er sich die Dienste mit Alexei Ogrintchouk teilte. Man kann ihn auch bei Aufnahmen des Orchestra Mozart und beim Festivalorchester Luzern hören. Seit 2018 wurde er allerdings zum Chefdirigenten der Oviedo Filarmonia berufen, womit er wohl kaum noch Zeit für die Oboe übrig haben dürfte. 

Abbado schlägt mit dem noch etwas kleiner als das Mahler Chamber Orchestra besetzen Orchestra Mozart geringfügig schnellere Tempi an. Das Orchestra Mozart wirkt dann auch deutlich dezenter und klingt auch weniger voll und filigraner als das MCO. Der Oboenton wirkt fein und flexibel, dynamisch recht differenziert, allerdings zumeist im leisen Bereich der Lautstärkeskala. Keinerlei Atemgeräusche dringen ans Ohr der Hörer:innen. Klappengeräusche hören wir nur bei den Trillern. Der Ton steht dem Albrecht Mayers allenfalls in der samtenen Weichheit etwas nach, allerdings ist das schon mehr Geschmackssache, als dass es eine bewertbare Qualität wäre.

Im zweiten Satz meint es Navarro als einer der wenigen einmal richtig ernst mit dem p-Spiel. Dies ermöglicht ihm behutsam und nuancenreich die Linien erblühen zu lassen. Sein Spiel wirkt ausdrucksvoll und scheint, wie auch das Spiel des Orchesters an den Erkenntnissen der historisch informierten Aufführungspraxis geschult. Die Instrumente sind jedoch modern. Wir vernehmen weniger Vibrato als bei Mayer, aber keinen dogmatischen Verzicht. Es fehlt ein wenig an der Maximallautstärke. Der Gestus wirkt insgesamt eher introvertiert als expressiv.

Im dritten Satz könnte man das besonders fein und akkurat aufspielende Orchester ein wenig als Hemmschuh empfinden, wenn es um die Verbreitung von Fröhlichkeit oder Freude geht. Alles wirkt hier sehr subtil. Der evozierte Gestus bei Herrn Navarro wirkt etwas freudiger. Dem Mahler Chamber Orchestra wurde eine größere Gewichtung zuteil, ohne dass es schwerfällig gewirkt hätte. Diese Einspielung ist eine der letzten, wenn nicht sogar die letzte, des großartigen Claudio Abbado.

Das Orchestra Mozart wurde auch deutlich trockener aufgenommen. Es ist also nicht nur die kleinere Besetzung und die verfeinerte Spielweise, die diese Einspielung weniger prall und lebendig wirken lässt als die DG-Aufnahme mit dem Mahler Chamber Orchestra.

 

4-5

Horst Schneider

Hans Rosbaud

Sinfonieorchester des SWF, Baden Baden

SWR-Klassik

1957

7:41  6:23  5:42  19:46

MONO  Horst Schneider, der Solo-Oboist des Baden Badener Orchesters, kann man auch in Aufnahmen des Münchner Bach-Orchesters, der Capella Coloniesis und des Südwestdeutschen Kammerorchesters hören.

Er legt hier mit dem damaligen Chefdirigenten eine musikantisch-straffe Einspielung vor, die für ihr Alter auch frisch und farbig wirkt. Um es gleich vorwegzunehmen der Oboenton von Herrn Schneider gefällt uns von allen Altersgenossen, das will heißen Oboisten, die ihre Aufnahmen bis 1960 und auch noch etwas danach vorgelegt haben, mit Abstand am besten. Er spielt erheblich flexibler mit einem singenden Ton und einer lebendigeren Gestaltung als es Faber, Goossens oder auch de Lancie hören lassen. Sein Spiel hat einen gewissen „Swing“, den viele andere vermissen lassen. Die Spielweise (aber nicht der Ton) erinnert ein wenig an die der Wiener Oboisten Turetschek, Gabriel und auch an Jürg Schaeftlein.

Der zweite Satz klingt für ein Adagio non troppo sehr zügig. Man entgeht so jedem sentimentalen Anflug von Gefühligkeit, eine Gefahr, die man bei einer nicht adäquaten Musizierhaltung nicht unterschätzen sollte. Aber auch die Entsentimentalisierung oder auch Entromantisierung kann zu weit getrieben werden, wie wir weiter unten noch hören bzw. lesen können. Der Vortrag von Schneider und Rosbaud wirkt noch lyrisch einnehmend, wenngleich das schnelle Tempo nach unserem Dafürhalten den Kern des Satzes nicht genau trifft. Das lyrisch empfundene Singen auf der Oboe beeindruckt jedoch nachhaltig, wenngleich der Ton in diesem Satz etwas hell erscheint, aber nie lästig wird.

Im dritten Satz feiert die klare Diktion, die lebendige Spielweise und der muntere Gestus noch größere Erfolge als im zweiten. Jedoch mag das Orchester nun ein wenig zu stramm wirken.  Eines ist aber allen Sätzen gemein: Sie fügen sich in ein stimmiges Ganzes ein.

Der Klang ist zwar monaural, die Mittelstimmen hört man aber viel besser durch als in vielen Stereo-Einspielungen. Auch die Balance bringt kaum Abstriche zu moderneren Aufnahmen mit. Immer noch zu empfehlen.

 

4-5

Jirí Mihule

Vaclav Neumann

Tschechische Philharmonie, Prag

Panton-Supraphon

1976

5:52  8:25  4:45  19:02

Jirí Mihule war 1956-1962 erster Oboist bei den Prager Symphonikern, danach war er für insgesamt 43 Jahre bei der Tschechischen Philharmonie (Solo bis 1993).

Das Orchester ist ziemlich groß besetzt. Nichtsdestotrotz geht es vital voran, kernig, fast stürmisch. Bei seiner Oboe hat Herr Mihule einen guten Mittelweg gefunden zwischen leichter Ansprache und einem vollen, stämmigen Ton. Sei schnelles Vibrato kennt man ähnlich von den Wiener Oboisten, man merkt wieder einmal, dass Prag gar nicht so weit von Wien entfernt ist. Der sinnlich wirkende Ton trifft sich bei Mihule mit einem dynamisch weniger differenzierten Spiel. Das würde durch den entfachten Drive, fast schon wie bei der Figaro-Ouvertüre, beinahe nicht bemerkt werden. Da ist nämlich richtig was los in Prag und in der Musik Mozarts. Auch Herr Mihule hat seine Hausaufgaben gemacht: Wir hören keinerlei Klappen- oder Atemgeräusche.

Vaclav Neumann schätzt im langsamen Satz die große Geste (ganz anders als Christian Zacharias in dem gleich danach folgenden Mitschnitt). Hier wird weit und expressiv ausgesungen. Jiri Milhule kann sein sinnliches Vibrato viel besser entfalten als im ersten Satz. Der Ton könnte allerdings nach heutigen Idealen noch weicher klingen. Leise spielen ist hier weder Sache des Solisten, noch des Orchesters. Es wird kräftig Farbe aufgelegt und aufgedreht fast schon, dass sich die Balken biegen, leider wirkt es bisweilen etwas forciert.

Derb-rasant geht es im dritten Satz weiter. Man merkt ganz deutlich, dass es, wenn man wieder an die Verwendung der Musik in der „Entführung“ denkt, um die Dienerin und nicht um die adlige oder hochwohlgeborene Herrin geht. Das pflegte Mozart stets deutlich zu unterscheiden. Hier sind echte Musikanten am Werk, die das vortrefflich umsetzen können. Mihule und das trefflich animierte Orchester legen sich mit viel Lust am Spiel in die Kurven der beschwingten Musik. Passender Weise gilt bei Mihule für alle drei Kadenzen: In der Kürze liegt die Würze. Das Ganze wirkt besonders musikantisch aber auch aufgeweckt und lebensprall.

Dass die Aufnahme von Panton gemacht wurde und später „nur“ von Supraphon ins Programm übernommen wurde, hört man leider. Die Violinen klingen drahtiger, als man es von analogen Supraphon-Aufnahmen der mittleren 70er Jahre kennt. Das Orchester wirkt auffallend in links und rechts getrennt, sodass die Breitenstaffelung sehr gut ist und besonders die Celli und Bässe sehr gut zur Geltung kommen. Die Tiefenstaffelung könnte jedoch viel besser sein. Die Oboe dominiert vor dem Orchester. Wir hörten eine CD in einem frühen digitalen Remastering von 1988.

 

4-5

Ramon Ortega Quero

Christian Zacharias

Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks

2011, Live

Sendung des BR, unveröffentlicht

6:58  6:50  5:25  19:13

Herr Quero gewann in seinem Fach „Oboe“ 2007 den ARD-Musikwettbewerb in München. Im folgenden Jahr wurde er als Solo-Oboist ans Sinfonieorchester des BR verpflichtet. In diesem Konzert war er erst 23 Jahre jung.

Auch bei ihm kann man eine Phrasierung nach Art der historisch informierten Aufführungspraxis beobachten. Zumeist erfolgt sie kurz und knapp, auch die Triller werden nur kurz „angerissen“. Es wird aber doch noch linearer und in Bögen gedacht, sodass man nicht von der „reinen“ Lehre sprechen kann (sofern es die heute überhaupt noch gibt). Das Spiel des Orchesters wirkt eng mit dem des Solisten verzahnt. Wie kaum ein zweiter (am ehesten von den bisher gelisteten Solisten mit der Oboe wäre er mit seinem Landsmann Macias Navarro vergleichbar) fühlt sich Ramon Ortega Quero als Primus inter pares. Er versucht es nicht, sich in den Vordergrund zu spielen. Sein Ton ist zwar recht voll, aber gedeckt und nicht sonderlich brillant und auch einfach nicht besonders laut. Wobei man nie so recht weiß, was von dem klanglichen Endergebnis der Aufnahmetechnik geschuldet ist und was dem Solisten. Der ganze Vortrag wirkt sicher aber auch sehr zurückhaltend.

Im zweiten Satz kommt die Oboe besser zur Geltung, schwerelos wirkt die Phrasierung jedoch nicht, denn stets merkt man dem Spiel eine gewisse Anstrengung an. Kein Wunder, muss man doch einen sehr großen Raum mit Klang füllen (in dem Fall war es der Herkulessaal der Münchner Residenz). Die Phrasierung des von Zacharias geleiteten Orchesters mutet bewusst kleinteilig an, die Absicht rücksichtsvoll mit dem solistischen Partner umzugehen ist evident.

Der dritte Satz bekommt zwar ein flottes Tempo, aber der Oboist kann nie so recht einen Rest von Schüchternheit ablegen, zumindest gewinnt man diesen Eindruck. Vielleicht mit Ausnahme der Kadenz, wo er einmal richtig aufdreht. Die Darstellung aus München wirkt insgesamt sehr sympathisch und beleuchtet besonders intensiv die leisen Passagen. Es gibt jedoch deutlich brillantere.

Wie immer spendiert der BR bei Konzertübertragungen seiner Ensembles einen 5.1 Dolby Digital Surround-Sound. Er wirkt hier mit dem kleinen, kammerorchestral aufgestellten Orchester außerordentlich transparent. Die kleine Besetzung hat jedoch den Haken, dass die Violinen ein wenig dünn klingen. Das Ensemble wird bestens in den relativ weit aufgespannten Raum hinein gestaffelt. Die Oboe wird anscheinend ziemlich dicht mikrophoniert, was ihren trockenen Klang erklären könnte.

 

4-5

John Mack

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra

Decca

1994

7:36  7:38  5:59  21:13

John Mack studierte bei Harold Gomberg (New York Philharmonic) und Marcel Tabuteau (Philadelphia Orchestra), der gemeinhin als Begründer der amerikanischen Oboenschule gilt. Die wichtigste Position in einem Orchester war sicher die des 1. Oboisten im Cleveland Orchestra, wozu er noch von George Szell 1965 berufen wurde. Er spielte die 1. Oboe auch noch unter Szells Nachfolgern Lorin Maazel und Christoph von Dohnanyi bis er 2001 in den Ruhestand ging.

Mit ruhigem Puls nimmt Herr von Dohnanyi die Einleitung zum ersten Satz. John Macks Ton wirkt sehr klein (Aufnahmedisposition?) aber klar und besonders in der Mittellage erstaunlich weich für eine Oboe amerikanischer Provenienz. Auffallend ist auch, dass er bei den langen Liegetönen, bei denen die Kollegen eher versuchen klanglich brillanter zu werden oder gar aufzutrumpfen (oft auch mit Vibrato), eher zurückzieht. Sein Spiel ist generell dynamisch flexibler und artikulatorisch differenzierter als bei Ray Still, seinem Kollegen beim Chicago SO in jener Zeit oder John de Lancie von den Philadelphians. Von allen amerikanischen Kollegen spielt er das Konzert am abwechslungsreichsten und lebendigsten, wenn man einmal von Randall Wolfgang absieht.

Im zweiten Satz fällt das leicht brüchige, morbide in Macks Oboenton noch mehr auf, der nach einer kurzen Eingewöhnungszeit jedoch sehr gut zu dem Satz passen will. Macks Ton ist eigentlich unverwechselbar, er wirkt deutlich schmaler und spitzer, als bei Hunt, Boyd oder gar Koch, Leleux oder Mayer, die mehr Fülle und Rundung einbringen. Mack gelingt aber das Kunststück, dass es überhaupt nicht stört. Der Gestus der Melancholie wird auch vom Orchester gut getroffen, das zwar recht voluminös klingt, aber durch sein geschmeidiges Agieren jede Massivität vermeidet.

Der dritte Satz wirkt etwas zu seriös, er könnte spritziger und temperamentvoller sein. Das Zusammenspiel gefällt. Stets ist man bestrebt Differenzierungen einzubringen. Es wirkt jedoch etwas zu vorsichtig, um ein großer Wurf zu sein.

Das Orchester klingt voller, transparenter und weicher als das CSO unter Abbado in der DG-Aufnahme mit Ray Still von 1984.

 

4-5

Ingo Goritzki

Wojchech Rajski

Polish Chamber Philharmonic Orchestra

Claves

1993

7:40  7:36  5:57  21:13

Außer der hier vorgestellten Einspielung mit Ingo Goritzki gibt es noch eine ältere, die ebenfalls bei Claves - geschätzt in den späten siebziger Jahren - mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester unter Paul Angerer veröffentlicht wurde. In ihr hatte er die Oboenfassung in C-Dur wieder der Flötenfassung in D-Dur angepasst. Er vermutete, dass die Rekonstruktion der verlorengegangenen Oboenstimme von fremder Hand erfolgte. So ging er auch in seiner neueren Einspielung vor.

Sein Ton ist voller und weicher als der von Burkhart Glaetzner oder Heinz Holliger. Er wirkt recht prall und sehr sauber. Auch atemtechnisch und grifftechnisch stört nichts. Allerdings sind viele recht laute Klappergeräusche zu hören. Er spielt recht linierorientiert und lange nicht so flexibel und variabel, was Dynamik und Artikulation anlangt, wie die beiden soeben genannten. Als Solist wirkt er sehr präsent, das Orchester klingt warm und voll, die Bläser scheinen jedoch verschwunden zu sein.

Im zweiten Satz geigt auch das Orchester wenig dynamisch. Beim Solisten überwiegt der laute Ton, das fehlende p-Spiel vermasselt auch die kontrastreiche Gestaltung. Schade, der Vortrag hätte deutlich an Intensität gewonnen. Bei aller Tonschönheit mit dem lauten und großen Ton wirkt uns die Gestaltung doch zu einförmig und vordergründig

Im dritten Satz kommen dann auch einmal die Tutti-Bläser zu ihrem Recht. Tonlich ist Goritzki auch hier kaum zu toppen, sein Siel wirkt nun auch etwas variabler.  Dennoch bleibt die Tendenz zum einförmigen. Es fehlt auch das Lächeln, das Freudige. Immer noch sind die Klappengeräusche laut. In dieser Einspielung tritt das Concertare zugunsten des großen einförmigen Tons ein wenig zu sehr zurück.

Die Einspielung wurde sehr laut aufgenommen. Das Klangbild ist beim Orchester sehr auf die Violinen fixiert. Die Bläser sind ganz weit weg oder verschwunden. Man müsste eine Vermisstenanzeige aufgeben. Hier ist die Oboe die präsente Hauptsache, das Orchester nur Nebensache.

 

4-5

Jürg Schaeftlein

Leopold Hager

Mozarteum Orchester Salzburg

Teldec

1979

7:07  6:36  5:32  19:15

Den langjährigen Oboisten der Wiener Symphoniker und des Concentus Musicus hat es für diese Aufnahme nach Salzburg verschlagen. Das dortige Orchester erweist jedoch als keine gute Wahl der Produzenten. Wäre man doch besser in Wien geblieben.

Jürg Schaeftlein spielt wie seine Kollegen von den Philharmonikern ebenfalls eine Wiener Oboe. Er steht Herrn Turetschek oder Herrn Gabriel kaum nach, wird jedoch durch das Orchester oder/und die Aufnahmetechnik gegenüber den beiden benachteiligt.

Im zweiten Satz zeigt er einen ebenso flexiblen Ton, artikuliert vielleicht nicht ganz so liebevoll und verspielt wie Gerhard Turetschek. Das Orchester scheint sich auf wenige Stimmen zu konzentrieren, die Mittelstimmen vermischen sich unerkannt zu einem diffusen Klangbrei.

Im dritten Satz gibt es reichlich Klappengeräusche zu hören, die aber nur leise neben dem eigentlichen Ton mitwerkeln. Bei dem verwendeten alten Instrument hat man mehr Verständnis, wenn es nicht mehr ganz lautlos mitarbeiten will. Zumal sein Spieler viel Gespür für den mozartischen Ton und Ausdruck einbringt. Lebendig, flexibel und gefühlvoll klingt die Oboe hier. Das Orchester hat man vielleicht nicht einmal zu Unrecht in den Hintergrund verbannt. In ähnlicher Tagesform begegnet es uns wieder bei den Flötenversionen, bei der es Wolfgang Schulz begleitet.

Der Klang ist weder transparent, noch brillant und kaum körperhaft. Da hat Teldec sich und den Hörer:innen keinen Gefallen getan.

 

4-5

Hansjörg Schellenberger

James Levine

Berliner Philharmoniker

DG

1989

7:38  7:55  5:50  21:23

Hansjörg Schellenberger war ab 1971 Solo-Oboist des WDR Sinfonieorchesters Köln und von 1980-2001 in gleicher Funktion bei der Berliner Philharmonikern. Gegenüber der orchestral misslungenen Einspielung Karajans erscheint das Musizieren des Orchesters nun gespannter und differenzierter. Die Artikulation wirkt viel deutlicher.

Wenn man seinen Ton mit dem von Lothar Koch vergleichen will, so wirkt der Schellenbergers kleiner, nicht ganz so warm und vielleicht auch nicht ganz so homogen über die Oktaven hinweg. Seine Griff- und Atemtechnik erlauben Schellenberger jedoch ein besonders geschmeidiges Spiel. Der Ton wirkt etwas schlanker, aber ebenso fein und weich klingend wie der Kochs. Bei der erreichbaren Tragweite und Lautstärke scheint uns Koch wieder vorne zu liegen. Die Artikulation Schellenbergers wirkt differenziert, seine Spitzentöne strahlend. Durch die Permanentatmung gibt es keinerlei Probleme mit der Atmung. Klappengeräusche sind stärker und reichlicher als bei Koch hörbar.

Im zweiten Satz bringt Schellenberger möglicherweise die etwas größere dynamische Bandbreite zu Gehör, Lothar Koch jedoch den wärmeren Ton und die noch einnehmendere Kantabilität. Der dritte Satz zeigt Schellenbergers unbestreitbare Perfektion, der Funke will jedoch nicht so recht überspringen.

Das Klangbild ist relativ großräumig und farbig. Viel farbiger und sehr viel transparenter und differenzierter als 1972 mit Karajan. Es wirkt zwar füllig aber doch schlanker als mit Karajan. Auf die Aufnahmen mit Lothar Koch kommen wir weiter unten selbstverständlich noch einmal gesondert zu sprechen.

 

4-5

Thomas Indermühle

Leopold Hager

English Chamber Orchestra

Novalis, Sonatina

1989

8:10  6:26  5:38  20:14

Thomas Indermühle, ein Schüler von Heinz Holliger und Maurice Bourgue war Solo-Oboist beim Niederländischen Kammerorchester in Amsterdam und bei den Rotterdamer Philharmonikern. Danach Professor in Zürich und Karlsruhe.

Das Englische Kammerorchester wirkt hier kultivierter als das Mozarteum Orchester, dessen Leitung ebenfalls in den Händen Leopold Hagers lag. Er legt ein gemäßigtes Tempo vor. Thomas Indermühles Atemtechnik macht ebenfalls schier unendliche Melodien ohne Unterbrechung möglich. Es steht im eine besonders weich angestoßenes Staccato genauso zur Verfügung wie strahlende Spitzentöne.  Er gebietet aber nicht ganz über den vollen Klang von Gordon Hunt und nicht über die Spritzigkeit eines Heinz Holliger. Der Oboe hätte man zudem etwas mehr Transparenz im Klangbild gewünscht. Die Kadenz wurde offensichtlich separat aufgenommen, denn der Solist kommt nun direkt aus der Mitte des Klangbildes, während er zuvor mit Orchester noch leicht links versetzt zu hören war. Die Aufnahme in einzelnen Takes ist mehr oder weniger üblich geworden.

Im zweiten Satz kommt die Oboe besser zur Geltung, das Orchester begleitet nun dezenter. Das Tempo wirkt für unser Empfinden hier ein wenig zu schnell, es verhindert ein kantableres Aussingen. Im dritten Satz folgt ein sanft beschwingter Kehraus, dargeboten mit einer natürlich wirkenden Musikalität.

Im etwas nach hinten abgerückten Gesamtklangbild wird die Oboe recht klein abgebildet, zudem hört man sie deutlich im Orchester, statt wie zumeist deutlich davor. Die Oboe könnte etwas brillanter klingen, das Orchester klingt sogar etwas stumpf und matt. Das Konzert wurde von einer Sonatina-CD abgehört. Das Original von Novalis klingt wahrscheinlich besser.

 

4-5

Heinz Holliger

Hans Stadelmair

Münchner Kammerorchester

DG

1964

7:38  7:26  5:38  20:42

Heinz Holliger war zu seiner aktiven Zeit als Oboist wohl derjenige, der die Messlatte gelegt hat, nach der die anderen sich richteten. Weniger tonlich, da war er immer umstritten, als vielmehr technisch, auch atemtechnisch. Er hat das Konzert oft eingespielt unter den drei in unserem Vergleich vertretenen Aufnahmen ist dies die älteste. Das Orchester spielt noch etwas motorisch orientiert, sozusagen nach barocker Art. Das hört sich noch ziemlich sportlich an, mit viel Legato und durchaus vorantreibend. Holliger bietet uns von den drei Einspielungen hier den dünnsten Ton an. Irgendwie schwingt da noch die Schalmei mit, das Instrument, aus dem sich die moderne Oboe entwickelt hat. Wie bereits erwähnt verbessert er sich von Mal zu Mal, auch musikalisch. Technisch ist Holliger schon sehr flink unterwegs, zwar nicht ohne Nuancierungen, aber in erster Linie energisch. Die gefühlvolleren Enklaven sind bereits angedeutet, aber noch kurz und unbedeutend. Atemgeräusch oder gar Klappengeräusche sind praktisch nicht vorhanden. Man hat den Eindruck, dass es noch mehr um olympische Disziplinen geht, als um musikalische. Schneller, höher, weiter. Auch die Kadenz wirkt noch so. Der Gesamteindruck des ersten Satzes wirkt noch wie gehetzt und durchgespielt. Das eigentliche Problem ist aber der allzu dünne Ton.

Der verhindert auch ein tieferes Eindringen der Hörerschaft in die Musik des zweiten Satzes (ähnlich wie bei John de Lancie). Es ist jedoch eine enorme Energie hinter dem Ton. Man hat den Eindruck, dass Holliger für das Oboenspiel brennt. Auch das Orchester klingt weder weich noch heimelig, passt sich dem Gestus Holligern ganz gut an. Man will Mozart aus der Rokoko-Ecke herausholen, wirkt dabei aber einseitig. Mit Enthusiasmus gespielt, aber Distanz schaffend.

Die Artikulation des Solisten ist auch im dritten Satz besonders sauber. Die technischen Probleme sind allesamt gelöst, allerdings noch zum Preis eines nicht unbedingt allgemein als akzeptabel empfundenen Klangs. Leichte Rohre scheinen für das virtuose Spiel damals unabdingbar gewesen zu sein. Sie waren für den von Holliger gewünschten Grad an Virtuosität unbedingt zu priorisieren. Uns ist diese Art des Spiels zu extrem und einseitig.

Auch das Orchester klingt noch ziemlich hart und sehr offen. Leichtes Rauschen ist in leisen Passagen zu hören. Es fehlt die Wärme der Wiener unter Böhm oder des COE unter Berglund, um nur zwei Beispiele zu nennen. Auch die Geschmeidigkeit der Academy unter Marriner und vieler anderer sucht man noch vergeblich.

 

4-5

Pierre Pierlot

Jean-Pierre Rampal

English Chamber Orchestra

Erato

1969

7:11  6:09  5:53  19:13

Diese Einspielung entstand nur vier Jahre nach Rampals Wiener Aufnahme als Flötist, bei der Theodor Guschlbauer die Leitung übernahm. Es besteht kein Zweifel, dass er auch den Orchesterpart kennt wie seine Westentasche. Er pflegt den damals weit verbreiteten Mozart-Stil der 60er-Jahre mit einem weich und voll klingenden Orchester, dass seinen Mozart pastos mag. Und ebenfalls gut kennt, denn es ist in unserem Vergleich gleich sechs Mal beteiligt, mit den Flötist:innen Karlheiz Zöller, Ana de la Vega. Eugenia Zukerman, Samuel Coles, Lukas-Peter Graf und den Oboisten Pierre Pierlot und Thomas Indermühle.

Pierre Pierlot galt zu seiner Zeit als der Oboist Frankreichs. Er war von 1947-1972 Solo-Oboist der Pariser Opéra Comique bis diese geschlossen wurde. Danach spielte er die Solo-Oboe bei der Pariser Opéra National. Sein Ton, bzw. der seiner Oboe wirkt sehr offen und leicht näselnd, wobei längst nicht jeder Ton gleich klingt, was meint, dass auch die Klangfarbe schon einmal variiert. Seine Artikulation wirkt leicht und beweglich. Sein Gestus temperamentvoll-virtuos. Allerdings ohne deutlich spürbare dynamische Differenzierungen.

Im zweiten Satz fällt es noch mehr auf, dass die Intonation nach heutigen Kriterien mitunter etwas wackelig ist, wobei auch das Vibrato so ungeniert aufträgt, dass man fast schon von Intonationsschwankungen reden darf. Der Ton wirkt für diesen Satz sehr dünn und man hört, woher ein Heinz Holliger, der Schüler u. a. auch von Pierre Pierlot war, möglicherweise sein Ton-Ideal übernommen hat. An die klangliche Ausgewogenheit seines hier dirigierenden sonst aber Flöte spielenden Freundes Jean-Pierre kommt er nicht heran. Das Orchester gefällt in diesem Satz besser.

Der dritte Satz passt wieder viel besser zu dem Klang des Instruments und der Spielweise des Solisten. Der Gestus ist temperamentvoll und wirkt absolut passend zu einer Buffa. Das geschmeidige Staccato gefällt dabei besonders. Die Diktion wirkt sogar bereits sprechend, was auch für die natürliche Musikalität Pierlots spricht. Das Problem sind die langen Liegetöne, die mitunter ganz schön schwanken. Klappen- oder Atemgeräusche sind kein Problem. Hier ist ein Meister an seinem Instrument. Die Kadenz inklusive eines auch hier lautstark am Aufnahmeraum vorbeifahrenden Motorrad wirkt kurzweilig.

Der Klang ist transparent, offen, voll und recht voluminös.

 

4-5

Emmanuel Rey

Justus Frantz

Philharmonie der Nationen

Label wird nicht genannt

1995-98 vermutet

7:35  7:27  5:50  20:52

Der spanische Oboist nahm das Konzert mit 23 Jahren auf. Er gehörte dem Orchester „Philharmonie der Nationen“ von 1995-98 an, woraus wir auch das angenommene Aufnahmedatum ableiten, denn es wird nirgends genannt. Danach spielte er in Orchestern in Bilbao, der Bayerischen Kammerphilharmonie und in Malaysia. Die Besetzung des Orchesters erfolgte neben den musikalischen besonders auch nach optischen Kriterien. Probespiele wurden nicht veranstaltet, es wurde anhand zugesendeter Videos ausgewählt. Wegen der vielen Fernsehauftritten im ZDF sollten besonders die ersten Spieler auch mit einem attraktiven Äußeren gesegnet sein. Jung waren sowieso alle Mitglieder. Herr Rey spielt einen ebenmäßigen Ton, der weder als hell noch extra voluminös zu charakterisieren wäre. Klappengeräusche sind stark reduziert und nur bei den Trillern ganz leise zu hören. Er beschreitet sozusagen einen unauffälligen, aber summa summarum guten Mittelweg. Der Gestus geht in einem durch, auf dynamische oder artikulatorische Abschattierungen wird im ersten Satz verzichtet.

Im zweiten gelingt dies jedoch erheblich besser. Das Orchester kann mithalten, sodass sich eine sozusagen bittersüße Erzählung entspinnt. Auch der dritte Satz wirkt etwas akzentreicher als der Erste. Durchaus gefühlvoll gespielt, fehlt jedoch etwas Schwung und der temperamentvolle Wirbel.

Der Klang könnte etwas transparenter und brillanter sein. Er ist weder dünn noch voll. Irgendwie mittelmäßig.

 

4-5

Lothar Koch

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

EMI

1972

7:20  7:19  5:24  20:03

Lothar Koch begann seine musikalische Laufbahn im Philharmonischen Orchester Freiburg. Seit 1957 wirkte er dann als Solo-Oboist bei den Berliner Philharmonikern. Dort wurde er sowohl wegen seines unverwechselbaren Klangs als auch wegen seiner rhythmischen Präzision geschätzt. Sein Oboenton war das anzustrebende Ideal einer ganzen Generation von Studenten, die das Instrument in einem Orchester spielen wollten. Außer der Einspielung mit Karajan gibt es noch eine weitere mit den Philharmonischen Solisten Berlin, die nur drei Jahre zuvor entstanden ist. Sie wollen wir im Anschluss noch ein wenig unter die Lupe nehmen.

Das Orchester ist, wie zu vermuten war, deutlich üppiger besetzt als bei den Philharmonischen Solisten. Das Spiel unter Karajan wirkt zudem breit, aufgeweicht und geradezu wie ausgewalzt. Es wirkt selbst nach dem Mozartverständnis, das man aus Einspielungen anderer Interpreten der 60er und 70er Jahre ablesen kann, sehr unidiomatisch. Die extrem verwaschene Klangtechnik dient dazu die Musik Mozarts zu verkleistern, sodass nur ein muffiger Klang wie aus einer Mottenkiste übrigbleibt. Das ist sehr schade für den exzellenten Solisten, aber auch für das Orchester, das besseres hätte leisten können. Die Bewertungszahl ist somit eine Art Mischung aus den Bewertungen des Solisten, Dirigenten und des Klangs. Einzeln bewertet wäre vielleicht eine 5/2/2 herausgekommen. Letzteres mit einer Tendenz zur 1.

Koch selbst hat sich in den drei Jahren, die seit der ersten Aufnahme vergangen ist, nochmals gesteigert. Noch geschmeidiger, weicher, mit noch mehr Volumen aber auch noch feiner geblasen erreicht sein Spiel höchstes Niveau. Das Orchester rollt dem Solisten zwar einen Teppich aus, aber der ist so dick gewebt, dass man fast schon eine Machete braucht, um durchzukommen. Es klingt, man kann es ruhig häufiger ansprechen, muffig und wenig inspiriert. Eine gewünschte Spritzigkeit lässt sich noch nicht einmal erahnen – trotz eines adäquaten Tempos. Der Schnitt vor der Kadenz ist deutlich hörbar.

Aus dem zarten zweiten Satz will Herr Karajan ein Drama epischen Ausmaßes machen. Wir hören ein Legato ohne Ende, als wäre Mozart ein Bruder von Bruckner. Koch hingegen singt mit ungebrochener Kantabilität, noch geschmeidiger und einnehmender als 1969 mit den Solisten. Er schwelgt mit einem blühenden, fast romantisch zu nennenden Klang. Vielleicht auch weil er sich hier nicht um die Orchesterleitung zu kümmern braucht. Leider wird der Oboen-Olymp durch das sehr dunkel klingende Orchester in eine Art Hades versetzt, sodass das Gesamtkonzept nicht aufgehen will.

Im dritten Satz sind die Hörner ganz weit weg. Das Orchester wirkt nun nicht mehr ganz so aufgedonnert, dem Solisten jedoch kaum ebenbürtig. Leider müssen wir den absoluten Tiefpunkt aller Orchesterleistungen in diesem Vergleich feststellen. Unpassender hört es sich nirgendwo sonst an. Die Oboe spielt dagegen in einer ganz anderen Liga.

Nochmal zurück zum Klang der Einspielung. Er suggeriert einen großen Raum, was aber der Transparenz überhaupt nicht förderlich ist. Im Gegenteil, die einzelnen Stimmen fließen ineinander und verklumpen zu einem ziemlich mulmigen Klangbrei. Die Oboe wird hierin mehr eingebettet als bei den Philharmonischen Solisten. Könnte es sein, dass wir hier eine unglücklich stereophonisierte Quadro-Aufnahme hören?

 

4-5

Lothar Koch

ohne zusätzlichen Dirigenten

Philharmonische Solisten Berlin

EMI

1969

7:10  7:29  5:23  20:02

Die kleinere Besetzung zeitigt trotzdem einen vollen, sonoren Orchesterklang. Die Philharmoniker hatten den Drang zum Sonoren damals anscheinend auch ohne Karajan an ihrer Spitze völlig verinnerlicht. Er wirkt jedoch wenig finessiert und man hört auch nur sehr wenige Akzente. Kantabilität und Legato ist Trumpf, was auch für den Solisten gilt. Wir hören von ihm so gut wie keine Atemgeräusche, auch die Klappen verrichten ihren Dienst unauffällig und leise. Das Vibrato, das damals vielerorts zum guten Ton gehörte, spielt Koch sehr schnell und enghubig, sodass es den Klang verlebendigt und uns nicht stört. Er spielt eigentlich so, wie man es von unzähligen Aufnahmen mit seinem Orchester kennt. Er war über viele Jahre der Oboist Karajans bis er einmal einen Einsatz verpatzte und danach für einige Jahre geächtet wurde (Karajan wollte nicht mehr mit ihm an der Solo-Oboe auftreten).

Im zweiten Satz fällt es auf, dass das p eher wie ein mf klingt. Bei den schweren Rohren, die Koch oft verwendete, ist das nicht verwunderlich, denn sie neigen gerne zum Versagen, wenn man sie nur leicht versucht anzublasen.  Das Orchester ist nicht immer ganz zusammen, was ein Dirigent sicher hätte verhindern können. Die Oboe überzeugt mit ihrem sehr schönen Gesang, der aber auch schnell ein wenig monoton wirken kann.

Neben der Kantabiliät besticht das Spiel Kochs auch mit geschmeidigem Staccato, perfekten Trillern und den brillanten hohen Tönen, die besonders schön klingen. In seinen Kadenzen bleibt Koch nahe bei Mozart.

Das Klangbild wirkt weniger brillant, die Violinen nur leidlich geschmeidig. Das Orchester klingt nicht sonderlich weiträumig und ist recht dicht am Solisten dran. Die Oboe ist trotzdem deutlich zu vernehmen.

 

 

 

4

Christina Gomez Godoy

Daniel Barenboim

West Eastern Divan Orchestra

Warner

2021

7:47  7:10  6:04  21:01

In der Saison 2008-2009 spielte die spanische Oboistin beim Orquesta Sinfónica de Sevilla die Solo-Oboe. Danach heuert sie erst 2012 wieder als Englischhornistin bei der Staatkapelle Berlin an, bei der sie bereits 2013 die Solo-Oboe übernimmt.

Der Orchester agiert etwas pauschal im Hintergrund. Ihr Mentor, Daniel Barenboim überlässt Frau Gomez Godoy stets die Vorfahrt. Auch von der Technik wird das Orchester nicht mit Frische oder Glanz überschüttet. Die Oboe lässt sich mit einem angenehmen, recht fülligen Klang hören. Die Artikulation wirkt noch recht flexibel, Wunderdinge wie bei Stankiewicz, Ogrintchouk oder Leleux sollte man jedoch nicht erwarten. Man vermisst etwas den langen Atem und die weiten Bögen (die geblasenen und sie gedachten), obwohl auch Frau Gomez Godoy ganz gewiss über die Techniken der Permanent-Atmung verfügt. Auch Klappengeräusche sind vor allem bei den Trillern nicht zu überhören, die Atmung hingegen nur sehr dezent und leise. Eines muss festgehalten werden: Der Oboenton von Christina Gomez Godoy wäre eine Zierde für fast jedes Orchester. Die erreichte Lautstärke und die mit ihr einhergehende Präsenz überzeugt nicht so sehr.

Auch im zweiten Satz vermissen wir wieder ein wenig die weit ausschwingenden Bögen. Hier wären sie noch wichtiger. Aber man bemerkt, dass in jüngster Zeit, oder vielmehr schon seit Durchsetzung der historisch informierten Aufführungspraxis die Phrasierung sehr oft kleinteiliger ausfällt. Der Ton der Oboe ist schön samtig, jedoch nicht besonders groß und für unser Empfinden trägt er auch nicht sehr weit. Da hätte die Technik mit ein paar dB mehr unter die Arme greifen können.

Auch im dritten Satz klingt die Oboe schön, aber etwas zu intim. Es fehlt ein wenig der offene leichte Charakter einer Singstimme. Die Phrasierung ist flexibel. In der Kadenz wird die „Entführung“ auch thematisch direkt zitiert. Ansonsten ist sie wohltuend zurückhaltend und bleibt in dem selbst gesetzten intimen Rahmen.

Auch dem Klang fehlt es etwas an Frische und Glanz. Die Oboe wird klanglich ein wenig vom Orchester abgesetzt, etwas mehr Lautstärke oder/und ein klein wenig mehr Nähe zum Mikro hätten ihr gutgetan.

 

4

Kurt Mahn

Herbert Blomstedt

Staatskapelle Dresden

Eterna, Edel, Berlin Classics

1973

8:03  7:14  5:51  21:08

Kurt Mahn war der Solooboist der Staatskapelle Dresden für 41 Jahre von 1949 bis 1990. Während die Streicher wie gewohnt ziemlich weich klingen, kommt Kurt Mahn nicht an den vollen, runden Ton Lothar Kochs heran. Der Artikulation fehlt die Frische und dynamisch wirkt sein Vortrag ziemlich einförmig. Sie ist stets auf die Betonung der Linie aus, Strömungen der historisch informierten Aufführungspraxis sind zur Zeit der Aufnahme noch kaum bei den großen Sinfonieorchestern beachtet worden. So hören wir eine notengetreue, solide Wiedergabe, unauffällig und ohne besondere persönliche Zutaten. Das Orchester ist „dank Karajan“ den Berlinern in der Aufnahme mit Koch „haushoch“ in Sachen Transparenz und Artikulation überlegen.

Klanglich wirkt der Vortrag Mahns auch im zweiten Satz nicht zu dünn, aber so richtig frei schwingen will der Ton auch nicht. Er wirkt ein wenig zu angestrengt, ähnlich wie bei Ray Still. Das Orchester klingt hingegen im direkten Vergleich mit den Chicagoern offener und freier. Trotzdem wirkt der Satz insgesamt eher schlicht und nur korrekt.

Ein Funke will auch durch das saubere Spiel ohne Fehl und Tadel im dritten Satz nicht überspringen. Es fehlen die Finessen und die Inspiration.

Der Klang der Aufnahme wirkt relativ weiträumig, er wird vor allem in die Breite, weniger in die Tiefe hineingezogen. Die Oboe ist auf der Ebene des Orchesters zu hören, sie wird nicht vorgezogen. Die Staatskapelle wurde insgesamt schon weicher aufgenommen.

 

4

Ray Still

Claudio Abbado

Chicago Symphony Orchestra

DG

1984

7:35  6:58  5:44  20:17

Ray Still übernahm seinen Job als Solo-Oboist fast zeitgleich mit dem damals neuen Chefdirigenten Fritz Reiner 1953. Er erlebte noch drei weitere Chefdirigenten, Jean Martinon, von dem er zwischenzeitlich einmal gefeuert wurde, Georg Solti und Daniel Barenboim und wirkte bis zu seinem Ruhestand 1993 beim Orchester.

An seinem Ton ist zwar mehr „dran“ als an dem John de Lancies aber doch deutlich schmaler als z.B. bei Lothar Koch oder Albrecht Mayer. Was Artikulation und die dynamische Vielfalt angeht wirkt sein Vortrag relativ gleichförmig. Das Orchester wirkt wie bei allen Beiträgen Abbados zur Diskographie des Konzertes zurückhaltend und eher dienend, aber stets die Balance wahrend.

Der Klang des Orchesters wartet mit wenig Wärme auf, zu loben ist gerade im zweiten Satz seine Transparenz. Es ist eigentlich nie besonders als Mozart-Orchester auf dem Plattenmarkt in Erscheinung getreten. Ray Still spielt mit relativ viel Vibrato, was man von amerikanischen Oboisten eher selten hört.

Von allen Einspielungen, die Abbado mit den diversen Solisten von diesem Konzert gemacht hat (in unserem Vergleich sind es fünf), wirkt dieser dritte Satz am schwerfälligsten. Sie wirkt noch völlig von der historisch informierten Aufführungspraxis unbeleckt, ein Einfluss, der sich von Aufnahme zu Aufnahme immer stärker durchsetzt. Es fehlt noch die Spritzigkeit und Impulse gehen von ihm auch nur wenige aus. Auch Stills Spiel wirkt recht gleichförmig. Vor allem der Ton und die Lautstärke ändern sich den ganzen Satz über nicht. Ein Indiz dafür, dass das Konzert für die Oboe gar nicht leicht zu realisieren ist. Nicht umsonst ist es ein tückischer Prüfstein bei den Probespielen.

 

4

Miklos Barta

Alain Lombard

Orchestra della Svizzera Italiana, Lugano

RBM

2001

7:38  6:38  5:36  19:52

Der ungarische Oboist war Solo-Oboist an der Belgrader Oper bevor er seine Stelle beim Orchester der italienisch sprechenden Schweiz angetreten hat. In Lugano spielte er die Solo-Oboe 1971-2004. Er war auch eine begehrte Aushilfskraft, sodass man ihn vielleicht auch bei Aufnahmen des Orchestre de Chambre de Lausanne, des Berner Sinfonieorchesters, der Philharmonia Hungarica, des Budapest Festival Orchestra oder des Orchesters der Mailänder Scala hören kann.

Sein Ton ist recht voll und strahlend. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Lajos Lencses´ ist nicht zu überhören. Allerdings sitzt er nicht immer ebenso punktgenau wie bei Lencses. Vor allem die Liegetöne wirken schön gestaltet. Diese schmückt er gerne mit einem ganz leichten Vibrato. Die Klappengeräusche sind nicht restlos eliminiert.

Im zweiten Satz könnten die Unterschiede zwischen p und f kontrastreich ausfallen. Der dritte Satz wird zum fröhlichen Kehraus, nicht ohne Raffinesse mit Musikalität gegeben. Die Kadenzen sind recht kurz. Die Begleitung durch das Orchester solide, nicht mehr und nicht weniger.

 

4

Sarah Francis

Howard Shelley

London Mozart Players

Hyperion

1990

6:57  6:06  5:24  18:27

Das wenig voll klingende Orchester spielt auf modernen Instrumenten. Sarah Francis passt wie bereits Ingo Goritzki die Oboen-Version wieder der Flötenfassung an, das gilt für die Stimmführung als auch für die Tonart. Der Ton ihrer Oboe hat etwas von der Offenheit und Härte einer Trompete. Das Staccato der Oboistin wirkt weniger ebenmäßig als die flinken Läufe. Nicht alle Töne kommen mit einer gleichermaßen überzeugenden Stärke. Ihr Spiel wirkt generell aber druckvoll, ein wenig undomestiziert und straff. Recht farbig, aber kernig wie bei einer Barockoboe (es ist aber keine, dazu klingt es zu hart). Ihr Ton bewegt sich zwischen dem von Frau Arfken und der Londoner Oboe in der Zeit vor Gordon Hunt.

Sarah Francis ignoriert wie viele andere die Tempobezeichnung Adagio non troppo und wählt ein recht zügiges Andante ma non troppo, wie es in der Flötenversion notiert ist. Sie gebraucht kaum Vibrato und ihr Ton passt zu den schnellen Sätzen einfach besser.

Im dritten Satz fehlen auch die Triolen, die durch Sechzehntel ersetzt sind. Die Dynamik läuft einfach so durch, das Orchester investiert in diesem Satz mehr Impetus als die Oboistin.

 

4

John de Lancie

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS-Sony

1961

7:55  8:06  6:19  22:20

John de Lancie war zum Kriegsende als Soldat in Bayern stationiert und fand irgendwie den Weg nach Garmisch und traf sich mit Richard Strauss. Er fragte den Komponisten, ob er sich den schon einmal mit der Idee befasst hätte, ein Oboenkonzert zu komponieren. Wenig später begann Strauss damit und als es fertig war, erhielt der junge Oboist von Strauss als Ideengeber die Rechte am Konzert in den USA. Da Marcel Tabuteau, von dem bereits als Lehrer die Rede war, jedoch der erste Oboist in Philadelphia war, durfte de Lancie noch nicht einmal die US-Erstaufführung spielen. Nur Tabuteau hätte laut Orchesterprotokoll das Recht dazu gehabt. Ab 1954-1977 war dann de Lancie Solooboist und er spielte diese Aufnahme mit 40 Jahren ein. Um die kleine Geschichte noch zu Ende zu führen: De Lancie trat seine Rechte an einen befreundeten Oboisten ab, da er bis zur Übernahme der ersten Oboe das Konzert gar nicht spielen durfte. Da wir nicht wissen, ob wir je einen Vergleich von Aufnahmen des Strauss-Oboenkonzertes machen werden, sei es uns verziehen, wenn wir die Geschichte schon hier erzählt haben.

Das Orchester spielt zwar in kleiner Besetzung aber doch mit großer Geste. Nicht schwerfällig, auch ganz gut akzentuiert. Der Oboenton de Lancies wirkt sehr klein und zudem recht piepsig. Er schwingt auch nicht voll und rund aus. Er nutzt ein leichtes Rohr mit guter Ansprache und sein Vibrato schwingt ganz kurz. Seine Höhe blüht nicht auf, sondern wirkt haarfein. Die Anmutung ist eine filigrane, zarte, zerbrechliche. Der Vortrag erfolgt ohne Hektik, es sind kaum Klappengeräusche und keine Atemgeräusche zu hören.

Ormandy gibt im zweiten Satz sehr langsame Tempi vor, hier wird das Adagio non troppo einmal realisiert. Die Kantabilität will trotzdem nicht weich und rund klingen. Die Oboe kommt ganz gut mit dem Tempo klar, allerdings wird alles sehr leise und in einer Lautstäke durchgespielt. Sehr zart und zerbrechlich wirkt somit auch der zweite Satz.

Die Begleitung Ormandy bietet eine teils energische, teils hellhörige Seite. Die Kadenzen wirken gefällig und einfallsreich. Der Satz wirkt, wie das ganze Konzert auf eine filigrane Art total harmlos. Die geringe Dynamik und der piepsige Ton des Solisten tragen daran den entschieden größeren Anteil als das Orchester mit der gediegenen Tempovorgabe.

 

4

Maurice Bourgue

Daniel Barenboim

Orchestre de Paris

EMI

1974

7:48  7:13  6:19  21:20

Maurice Bourgue war 1967-1979 Solo-Oboist des Orchestre de Paris. Er wurde in Deutschland aber eher durch seine Aufnahmen mit Heinz Holliger bekannt, die bei der DG veröffentlich wurden. Bei dieser Aufnahme von KV 314 hatte der Oboist sicher nicht seinen besten Tag erwischt. Das Tempo wirkt recht straff, aber obwohl es tatsächlich langsamer ist als z.B. bei Neil Black, wirkt es gehetzt. Ohne sonderlich zu differenzieren wirkt das Spiel, als würde nicht nach rechts oder links geschaut werden. Man nimmt das besondere Flair des Stückes gar nicht so recht wahr. Die Artikulation wirkt spritzig, der Ton im Stile von Pierre Pierlot leicht und flink, gut ansprechend, hell und durchdringend und nicht ganz ohne Härte. Dem Ton des frühen Heinz Holliger durchaus verwandt. Es klingt jedoch angestrengter als es für Maurice Bourgue wahrscheinlich tatsächlich war. Einiges geht ihm daneben. Da reißt auch mal eine Bindung ab (T. 171), was sich leicht hätte korrigieren lassen. Anscheinend war das dem verantwortlichen Chef am Dirigentenpult entgangen oder nicht der Rede wert.

Der Orchesterpart gerade im zweiten Satz wirkt recht dick, teilweide plump. Recht undifferenziert, ohne Eleganz oder Delikatesse im Detail. Und wenig transparent. Er passt so gar nicht zum Ton des Solisten. Bourgue bringt nun mehr Vibrato ein und lässt es schnell schwingen. Uns erscheint sein Ton jedoch in diesem Satz insgesamt etwas aufdringlich.

Permanente Klappengeräusche im dritten Satz dienen anscheinend als Nachweis für die harte, geleistete Arbeit. In der Kadenz lassen sich auch laute Atemgeräusche vernehmen. Trotzdem ist dies der beste der drei Sätze in dieser Einspielung.

Das Orchester klingt weich, aber etwas diffus. Die Oboe steht deutlich vor dem Orchester und wirkt jederzeit dominierend.

 

 

 

3-4

Bozo Rogelja

Kurt Redel

Camerata Labacensis

Cascade und allerlei andere Label

1986

7:34  5:48  6:04  19:26

Bozo Rogelja ist zur Zeit der Aufnahme der Solo-Oboist des slowenischen Radiosinfonieorchesters in Ljubljana, das Kammerorchester Camaerata Labacensis besteht aus Mitgliedern desselben.

Der Solist beendet seine längeren Töne schon bevor die Noten ein Ende erlauben würden, d.h. er hält die Notenwerte nicht aus. Es gibt auch keinerlei dynamische Differenzierung und es wird alles in einem Duktus durchgespielt. Tonlich sieht es etwas besser aus, kläglich ist er nicht, nur manchmal gelingt die Widergabe etwas unkontrolliert. Die Kadenz Rogeljas hört sich dagegen sehr aufwändig an.

Auch Rogelja und Redel ziehen ein zügiges Andante non troppo im zweiten Satz vor. Trotzdem fallen auch hier Rogeljas verkürzte Notenwerte auf., die sogar bisweilen die gewünschte Kantabilität (bewusst?) unterbrechen. Die Folge ist aber auch die Anmutung einer gewissen Kurzatmigkeit in der Diktion. Ganz ohne Vibrato wirkt der Vortrag etwas lieblos gestaltet.

Dem Orchester fehlt es im dritten Satz an Herzblut und Elan. Insgesamt wirkt die Darbietung etwas hausbacken.

Der Klang der Einspielung ist nicht sonderlich transparent, das Orchester füllt im heimischen Ambiente nur einen kleinen Raum aus. Die Balance ist noch gut. Weder Orchester noch Solist wirken übermäßig brillant oder präsent. Es fehlen auch Bass und Abrundung. Der Gesamteindruck bleibt trocken.

 

3-4

Lothar Faber

Erich Kleiber

Kölner Rundfunksinfonieorchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln)

Medici Arts

1956, Live

7:14  5:12  4:58  17:24

MONO  Lothar Faber war seit 1946 für über 30 Jahre Solo-Oboist beim Kölner Rundfunksinfonieorchester. Mit dem hier vorliegenden Konzertmitschnitt startete er seine solistische Laufbahn, allerdings ohne den Orchesterdienst damit zu quittieren. Das Orchester spielt sehr akzentuiert, klar und deutlich. Romantisches Verweilen gibt es in keinem der drei Sätze. Faber selbst steht tonlich zwischen der französischen und der deutschen Schule. Nicht ganz so hell wie die Franzosen damals und vor allem beim Staccato mit einer gewissen Härte. Eine strahlende Wirkung ist dem Ton nicht abzusprechen. Die langen Töne erhalten ein Vibrato. Das Spiel wirkt jedoch deutlich schwerfälliger als bei Boyd oder Dent. Tonliche Sensibilität und Finesse vermissen wir teils schmerzlich. Faber stellt sich hier nicht als ein Freund von Zwischentönen vor.

Der zweite Satz ist weder ein Adagio non troppo noch ein Andante ma non troppo sondern extrem hurtig. Welche Fassung hier genutzt worden sein könnte bleibt unbeantwortet. Im langsamen Satz wirkt der harte, unsensible Ton Fabers sogar aufdringlich, ein Eindruck, der durch sein unausgewogenes, hektisches Vibrato noch verstärkt wird. Er scheint immer Vollgas zu geben.

Dieser Eindruck lässt im dritten Satz nicht nach, denn das Tempo wirkt nun gehetzt. Alles geht in einem Aufwasch durch mit dem extrem harten Staccato und in einer Lautstärke. Ein singendes, fideles Blondchen kann man beim besten Willen in diesem Satz nicht mehr finden, auch die Exotik und die klimatische Wärme des Schauplatzes nicht. Schon eher den Menschenraub und die Einkerkerung. Das Konzert wäre in dieser Form im Rundfunk kaum noch sendbar oder im Konzert aufführbar. Das Orchester hinterlässt einen deutlich besseren Eindruck, obwohl es auch da sehr sachlich und handfest zugeht. Mozartischen Charme sucht man hier vergebens.

Klanglich ist die Aufnahme für die damalige Technik erstaunlich transparent. Das Orchester wirkt ein wenig nach hinter versetzt. Wir hören leichtes Rauschen.

 

3-4

Léon Goossens

Colin Davis

Sinfonia of London

EMI

1960

7:58  6:12  6:13  20:23

Der Bruder des Dirigenten Eugène Goossens spielte in seinen frühen Jahren im Orchester des Royal Opera House Covent Garden und beim Royal Philharmonic Orchestra. Ähnlich Karlheinz Zöller erlitt auch Léon Goossens einen schlimmen Verkehrsunfall mit Verletzungen im Kiefer- und Lippenbereich. Nach längerer Unterbrechung konnte er 1966 seine Karriere nach Umstellung der Spieltechnik wieder aufnehmen. Für ihn schrieb Ralph Vaughan Williams sein Oboenkonzert. Die Orchestereinleitung zeigt vor allem ein Musizieren an der ersten Violinenstimme entlang. Die Oboe lässt sich mit einem leichten, tendenziell dünnen Ton hören. Die Artikulation erscheint eher kleinteilig, technisch nicht von allen Schlacken befreit. Man merkt dem Spiel die Anstrengung, die hinter der Tonerzeugung steht, noch deutlich an. Das Legato könnte bruchloser gelingen, die Bögen weiter gespannt werden, das Staccato viel weicher kommen. Eine Dynamik, die den Namen verdienen würde, ist kaum vorhanden. Die Kadenz zeigt eine ausgezeichnete Fingerfertigkeit, die Perfektion von heute erreicht Goossens´ Spiel jedoch nicht.

Im zweiten Satz wirkt das Vibrato des Solisten kaum verlebendigend für den Ton. Heutzutage könnte der Solist kein Probespiel mehr für sich entscheiden. Im Gegensatz zu Lothar Faber und Erich Kleiber wird der Musik in dieser Einspielung aber wenigstens Luft zum Atmen gelassen.

Das Rondo des dritten Satzes bekommt einen gewissen Marschcharakter übergestülpt. Preußisch-zackig wirkt auch die Artikulation des Solisten. Die Staccati wirken nun unbeholfen und schwerfällig. Die Bläser des Orchesters kommen aber gut zur Geltung und lockern das Gefüge deutlich auf, wenngleich sie etwas zu hintergründig wirken. Die ziemlich modern anmutende Kadenz zeigt besser was Goossens kann als es die ganze Darbietung des Konzertes vermag. Feingeistern ist diese Einspielung überhaupt nicht zu empfehlen, alle anderen handeln auf eigenes Risiko.

Das Klangbild wirkt in der Breite geweitet, die Tiefenstaffelung vergleichsweise gering. Das Orchester klingt erheblich weicher als in Relation dazu die Oboe, die deutlich vor dem Orchester steht. Das Klangbild ist ziemlich trocken geraten.

 

3-4

Haakon Stotijn

Otto Klemperer

Concertgebouw-Orchester Amsterdam

Archiphon

1957, Live

7:18  7:39  6:10  21:07

MONO  Haakon Stotijn war seit 1940 Solo-Oboist des Concertgebouw-Orchesters. Er blieb es bis er mit 49 Jahren nach langer Krankheit 1964 verstarb.

Klemperer überrascht mit einem aufgepeitschten, vorantreibenden Tempo, sodass man den ersten Satz kaum wiedererkennt. Zudem reichert er die Musik mit kräftigen Akzenten und intensiven Steigerungen an, dass man es fast mit der Angst zu tun bekommt angesichts der entfachten Dramatik. Er scheint das Jugendwerk in den dramatischen letzten Akt von Don Giovanni versetzen zu wollen. Fast wie bei Erich Kleiber kann man kaum dynamische Differenzierungen erkennen, was den unerbittlichen Drang noch verstärkt. Als wäre Haakon Stotijn von diesem Drama überrascht worden, erwischt er keinen guten Tag. Sein Ton ist hell, hart und schmal, fast dünn. Sein Staccato sehr kräftig und noch härter. Die Intonation ist nicht makellos. Dass bei dem Tempo keine Zeit unter sechs Minuten herausspringt kann man kaum glauben, tatsächlich könnte auch die recht ausgedehnte Kadenz eine Rolle dabei spielen. Tatsächlich vermuten wir sozusagen „kadenzbereinigt“ einen Temporekord für den ersten Satz. Leider verhaspelt sich der Oboist des Öfteren, auch misslingen ganze Phrasen bei Takt 83 und erneut bei Takt 158. Eine souveräne Gestaltung hört sich anders an. Nun, es handelt sich bei diesem Mitschnitt um eine Live-Aufnahme, die von den Mitwirkenden vielleicht gar nicht zur Veröffentlichung freigegeben worden wäre. Anscheinend war das Copyright abgelaufen oder man hat die Erben gar nicht gefragt, wir wissen es nicht. Jedenfalls hat man damit postum dem in den Niederlanden beliebten und damals stadtbekannten Musiker posthum keinen Gefallen getan. Die Kadenz holt weit aus, macht aber, wie der ganze erste Satz, einen hektischen Eindruck, denn teilweise wird sie in einem fast aberwitzig schnellen Tempo dargeboten.

Im zweiten Satz holt Klemperer weit aus, lässt sich Zeit, aber phrasiert stets als gelte es einem tragischen Spätwerk. Mit mächtigem Impetus wird intensiv phrasiert. Die Bass-Figuren werden so deutlich hervorgehoben wie sonst in keiner anderen Einspielung. Sehr expressiv werden Abgründe aufgerissen. Diesem weit tiefer als zarte Melancholie gehenden Gefühlswelt versucht der Oboist zu entsprechen, er flüchtet sich in ein viel zu starkes, flackerndes Vibrato. Zu einer vertiefenden, weiteren Gestaltung fehlt dem Ton einfach die Substanz und die Flexibilität.

Im dritten Satz wird wieder volles Risiko gegangen. Erneut wirkt das Tempo aufgekratzt, die Phrasierung außerordentlich prononciert. Klemperer vermutet anscheinend auch hier dramatisches. Gerne hätte man eine Einspielung der „Entführung aus dem Serail“ mit ihm gehört, aber es ist uns keine bekannt. Ob die auch aus dem Singspiel eine dramatische Oper gemacht hätte? Leider kann die Oboe an diesem Abend nicht mit dem Tempo mithalten, unsauberes Spiel ist die Folge. Dem Solisten hätte man mit einem gemütlicheren Tempo sicher einen Gefallen getan. Man hätte ihm so einen Drahtseilakt ersparen können. Gerne hätten wir eine sorgfältig produzierte Studioaufnahme mit den Protagonisten der Aufnahme gehört. So hören wie einen bärbeißigen Mozart, der kräftig ja stürmisch gegen den Strich gebürstet wurde.

Die Einspielung könnte weicher klingen, sie ist einigermaßen transparent und die gefühlte Dramatik durch das dicht mikrophonierte Orchester teilweise sehr hoch.

 

 

Versionen mit einer mehr oder weniger (edel)metallenen Böhm-Flöte, ebenfalls ausgestattet mit einer hohen Anzahl an Klappen

 

 

5

Alain Marion

Jean-Jacques Kantorow

Orchestre d´Auvergne

Aria, Virgin

1991

6:52  5:50  4:59  17:41

Der Franzose Alain Marion repräsentiert wie z.B. auch Aurèle Nicolet, Emanuel Pahut, Jean-Pierre Rampal, Patrick Gallois oder zumindest zum Teil auch James Galway, denn er war auch Schüler von Rampal die französische Schule. Er war von 1964 an Solo-Flötist beim Orchestre National de l´ORTF, dann beim Orchestre de Paris, ging dann aber zurück zum ersten Orchester, das nun Orchestre National de France hieß, um abschließend zu Pierre Boulez´ Ensemble Intercontemporain zu wechseln.

Schon das Orchester beginnt mit einer frisch-forschen, dringlichen, differenziert und spontan wirkenden Einleitung. Die Violinen zeigen durch ihre nicht perfekte Geschlossenheit, dass das Orchester nicht die allererste Wahl ist. Zumindest steht es der Academy aus St.-Martin-in-the-Fields oder dem Schwedischen Kammerorchester etwas darin nach. Marion selbst besticht mit seinem schlank geführten Ton, versehen mit einem dezenten Vibrato, das nur verlebendigt und nicht so dick aufträgt wie bei Gallois oder auftrumpft wie bei Galway oder Bezaly. Er „macht“ einfach weniger Luft um seinen Auftritt, auch tatsächlich, denn Nebenluft wird bei ihm minimiert, die Atemluft fast ausschließlich zur reinen Tonerzeugung genutzt. Sein Spiel wirkt natürlich, jugendlich frisch, nuancenreich und frisch. Das Orchester hält das Niveau, klingt leicht, aber wie gesagt etwas weniger geschlossen und brillant, wirkt aber spannend und letztlich musikalisch ungemein beschwingt. Untrügliches Zeichen dafür: Der Fuß wippt unwillkürlich mit. Die Atemgeräusche stören nicht.

Im zweiten Satz werden der sehnsuchtsvolle Ton und der Ton der Einsamkeit sehr gut getroffen. Die Artikulation wirkt sprechend, das Vibrato geschmackvoll. Die Einspielung verfolgt wie nur wenige andere über eine gut ausgebildete Basslinie. Herr Marion steuert auch noch eine passend fantasievolle, nie überkandidelte Kadenz bei.

Sehr beschwingt und fröhlich, aber nicht gehetzt sondern quirlig und virtuos wird schließlich der letzte Satz dargeboten. Immer werkgerecht kommt uns diese Einspielung nie eitel vor. Sie ist tempokonstant, spannend bis aufregend und wirkt spontan empfunden, dringlich und was vielleicht noch entscheidender ist: sie hält die Balance. Und trifft den Ton.

Der Klang der Einspielung wirkt sehr transparent und körperhaft, besonders die Flöte. Sie ist ganz leicht hallig und bassstark. Das Orchester erfährt eine sehr differenzierte Wiedergabe. Auch die aufnahmetechnische Balance wird gewahrt.

 

5

Jean-Pierre Rampal

Theodor Guschlbauer

Wiener Symphoniker

Erato

1965

7:26  7:37  5:34  20:37

Jean-Pierre Rampal war nur relativ kurz im Orchesterdienst, nämlich von 1955-1962 als Solo-Flötist der Pariser Opéra National. Sein Ton ist in dieser frühen Einspielung, wir wissen nicht, wie oft er das Konzert eingespielt hat noch heller, geschmeidiger und etwas beweglicher als in der Zweiten mit Zubin Mehta aus den 80er Jahren. Dazwischen stünde noch eine mit dem Kammerorchester des Jerusalemer Musikzentrums, geleitet von Isaac Stern, die aber in unserem Vergleich fehlt (für CBS-Sony, 1978). Die Phrasierung ist elegant und noch keineswegs aufdringlich, sondern wirkt natürlich. Überhaupt sind die neueren Flöten-Aufnahmen noch präsenter aufgenommen und geben das Soloinstrument noch strahlender wieder. Das kann man an den anderen guten älteren Aufnahmen auch sehr gut beobachten, z.B. auch bei Claude Monteux und Pepin. Bei den neueren bevorzugt auch Pahut noch den gedeckteren Ton, der nicht so sehr nach dem Effekt heischt. Vielleicht sind aber auch die Instrumente immer lauter und brillanter geworden. Eine Besonderheit ist aber auch das Orchester, denn es findet einen ausgezeichneten Mittelweg. Es klingt leicht und flockig aber nicht anämisch oder dünn. Es fährt eine ansehnliche Besetzung auf, wie es in den Sechzigern üblich war. Es bringt zwar einen Rest von sympathischer Gediegenheit mit ein, aber irgendwie erinnert es an Wiener Kaffeehaus und klingt so ähnlich wie es da wohl duften mag. Man scheint dieses Mal Mozart zu lieben. Nur die Hörner agieren weit im Hintergrund. Die Kadenz lässt ziemlich laut Kehlkopfgeräusche hören, vielleicht auch noch Geräusche von der Zunge, eine Eigenheit, die man auch bei anderen Einspielungen Rampals hören kann. Die Kadenz ist aber sehr virtuos und fügt sich bruchlos ein.

Den zweiten Satz bringt Rampal sehr gesanglich zu Gehör. Sein Vibrato hält sich in erfreulichen Grenzen. Sein schlanker Ton passt ganz hervorragend, wie erwähnt, gerade weil er keine schweren Geschütze auffährt und weich und flexibel bleibt. Auch hier steuert Rampal eine geschmackvolle Kadenz bei.

Beim dritten Satz denkt man nur an die Musik. Das ist in der goldenen oder silbernen Fraktion der Flötenspieler:innen nicht selbstverständlich. Der Ton wirkt leicht und unbekümmert, beschwingt und fröhlich. Als ob Rampal an Blondchen in ihrer Arie gedacht hätte. Hier liegt eine sympathische, weil charmante und urmusikalische Einspielung vor, die auch von einem Orchester mit einem „Herz“ für die Musik mitgetragen wird.

Beim Klang fällt der frisch zugleich auch füllige, weich und warm-verbindliche Streicherklang sehr positiv auf. Er ist allerdings nicht gerade prall, auch nicht supertransparent und könnte auch etwas transparenter sein. Die Balance, das ist bei Mozart besonders wichtig, wird gewahrt. Das Orchester wirkt etwas zurückgesetzt und könnte nach heutigen Kriterien etwas brillanter sein (an die Academy kommt es in dieser Hinsicht nicht heran).

 

5

Magali Mosnier

Daniel Giglberger als Konzertmeister

Münchner Kammerorchester

Sony

2014

7:28  6:24  5:43  19:35

Magali Monsier war bereits seit 2003 erste Flötistin beim Orchestre Philharmonique de Radio France als sie ein Jahr später erste Preisträgerin beim ARD-Musikwettbewerb in München wurde.

Zehn Jahre danach kam es zur Aufnahme der Mozartkonzerte, ebenfalls in München. Das Orchester beginnt durchaus mit einigem Impetus, doch insgesamt kammermusikalisch leicht, zart, fein und mit viel Gefühl. Damit nimmt es den Charakter des Spiels der Flötistin bereits vorweg, der ebenfalls weich getönt, aber recht volltönend viel französischen Charme spüren lässt. Wenn auf dem CD-Cover nicht bereits pastellfarbene Blumen abgebildet wären, so würden wir beide Bezeichnungen (pastellfarben und blumig passt nun mal sehr gut) bereitwillig auf das Spiel Magalis übertragen wollen. So ist es aber zu einfach und manch eine(r) würde behaupten, die Bemerkung käme ja nur vom Cover der CD. Sei es drum. Der Gestus ist somit alles andere als knallig, sondern sanft, schwebend und ein wenig verspielt. Die Hausaufgaben wurden gemacht, es sind keinerlei Klappengeräusche zu hören. Die Kadenz nimmt für unsere Ohren etwas zu viel Spannung (sozusagen die „Luft“) aus dem Satz raus.

Sehr geschmackvoll, zurückhaltend und schnörkellos (auch mit der Verwendung des Vibratos) wird der zweite Satz gestaltet. Die Phrasierungen wirken geschmeidig, schlicht, aber elegant und musikalisch empfunden. Wenn man so will: Gespielt mit meisterlicher Uneitelkeit. Nach unserem Geschmack kommt dies dem Ideal für die Flötenfassung ziemlich nah.

Im dritten Satz herrscht auch beim Orchester eine erfreuliche frische Spritzigkeit. Die Hörner kommen sogar regelrecht prall ins Bild. Ansonsten herrscht bei ihm stets eine gewisse anschmiegsame Aufmerksamkeit vor. Der Flöte wird generös und galant immer die Vorfahrt gewährt, wenn die Partitur es erlaubt. Beim Flötenspiel herrscht eine lockere, französische Clarté, die man sonst kaum zu hören bekommt. Auch das würden wir noch lieber schreiben, wenn es sich im Fall von Magali Mosnier nicht so klischeehaft anhören würde.

Auch beim Klang der Aufnahme herrscht eine weiche, offene Klarheit vor. Volle Üppigkeit darf man nicht erwarten, dazu wirkt das Orchester etwas zu leise und ein wenig zu weit zurückgesetzt. Es hört sich grazil an und passt so ideal zum Flötenspiel.

 

5

Ana de la Vega

Stephanie Conley als Konzertmeisterin

English Chamber Orchestra

Pentatone

2016

7:35  6:16  5:09  19:00

SACD  Auch in dieser Einspielung weiß eine junge Flötistin mit ihrem Spiel zu begeistern. Aber aufgepasst die Freude wird im „Stereo“-Betrieb durch eine in der Räumlichkeit merklich eingeengte, weniger farbige und der anspringenden Dynamik beraubte Technik merklich getrübt, sodass wir guten Gewissens die „5“ nur für die hochaufgelösten Teil der SACD aussprechen können, und da besonders für die Mehrkanal-Version. Vom Klang der Einspielung dann später noch etwas mehr.

Das Konzert beginnt ja mit einer recht ausführlichen Einleitung des Orchesters. Und die kommt vom von der Konzertmeisterin geleiteten ECO beherzt, weich und brillant. Obwohl man sich ein Spiel mit Vibrato verkneift. Stephanie Conley ist übrigens Konzertmeisterin sowohl vom ECO als auch vom Scottish Chamber Orchestra. Gleichzeitig. Das fanden wir verblüffend, weshalb es hier einmal erwähnt werden sollte. Ana de la Vega, die junge Australierin, die derzeit in Deutschland lebt, verfügt über einen eher dunkel timbrierten Ton, gerade auch im direkten Vergleich mit Magali Mosniers Flöte. Auch etwas voller und vor allem brillanter. Ihr Gestus hat eine gewisse temperamentvolle Attacke. Im Gegenzug wirkt Mosniers Ton im Vergleich beweglicher und charmanter. Beide Vorträge wirken sprechend, ohne die Linie zu vergessen.

Auch im zweiten Satz bleibt das Spiel von Solistin und Orchester ziemlich vibratoarm. Die Atemgeräusche kommen ziemlich ungefiltert zu Gehör. Man vermisst bei dem Vortrag ein wenig eine anheimelnde Wärme. Hier herrscht ein klarer Zugriff vor. Mosnier brachte mehr Delikatesse mit ein.

Erfreulicherweise bietet auch der dritte Satz keine Ego-Show. Das Spiel ist spritzig, volltönend und für ein so schnelles Tempo sogar samtweich. Das Orchester wirkt demgegenüber nun ein wenig robust. Das Spiel wirkt auch aufregender, spannender als das einem Emmanuel Pahut oder Karlheinz Zöller, um einmal zu belegen, wie hoch die Messlatte hier bereits liegt. Wie eingangs bereits angesprochen wirkt die Einspielung gerade auch was das Orchester anlangt in der SACD-Wiedergabe viel stimmiger.

Der Klang ist im CD-Modus vor allem bei den Geigen ziemlich hart, zudem nicht gerade räumlich. Die Flöte steht auch im CD-Modus ausgewogen und deutlich davor. Als SACD blüht der Klang in einem kaum je gehörten Maß auf. Der Bass wir klarer und reichhaltiger. Fülle und Raumanmutung legen deutlich zu bzw. gewinnen deutlich an Zauber. Flöte und Orchester passen noch besser zusammen. Der Klang flutet nun den gesamten Hörraum. Allerdings geht das Orchester etwas auf Distanz, wirkt nun fast schon für seine Größe zu weitschweifig, als ob es eine Corona-Sitzordnung eingenommen hätte.

 

 

 

4-5

Jacques Zoon

Claudio Abbado

Orchestra Mozart

DG

2006

7:05  6:25  5:09  18:39

Der niederländische Flötist Jacques Zoon war 1988-1994 Soloflötist beim Concertgebouw-Orchester Amsterdam, bis 1997 Soloflötist beim Chamber Orchestra of Europe, von 1997-2001 beim Boston Symphony Orchestra und seit 2004 beim Orchestra Mozart und beim Lucerne Festival Orchestra.

Am Dirigat Abbados, der drei Mal das Oboenkonzert und zwei Mal das Flötenkonzert dirigiert hat, kann man ersehen, dass die Flötenversion nicht nur in den beiden letzten Sätzen zu den schnelleren Tempi verleitet, sie sind auch so von den Partituren so vorgeschrieben. Denn ein Abbado lässt sich zunächst einmal zu nichts verleiten. Dass sie Abbado beachtet, ist eine Selbstverständlichkeit für ihn. Wenn man prototypisch die Flötenfassung mit der Oboenfassung vergleichen will, sollte man sich Aufnahmen unter seiner Leitung heraussuchen. Unabhängig von der Wandlung seines Personalstils (immer deutlichere Beachtung und Einarbeitung der Prinzipien der historisch informierten Aufführungspraxis, je älter er wird) und der Gewährleistung eines hohen Niveaus bei den verschiedenen Orchestern und Solisten, wird die Partitur immer bestens beachtet und darüber hinaus verlebendigt.

Doch nun zurück zur Aufnahme mit Jacques Zoon. Er ist übrigens nicht nur ein Virtuose auf dem Instrument, sondern auch als Flötenbauer aktiv. So hat er unter anderen auch eine Traversflöte mit einem Böhm-Klappensystem entworfen und gefertigt. Seine Einspielung wirkt ausgesprochen souverän, gelassen, wenn nicht gar cool. Er spielt recht dynamisch. Das Orchester hält den Drive bzw. befeuert ihn, soweit es die Coolness zulässt. Es übernimmt auch hörbar die Führung, wenn es nötig ist. Die Coolness verbindet sich dann mit einem leicht spürbaren jazzigen Groove. Natürlich im Rahmen des stilistisch möglichen. Als Instrumentenbauer hat Herr Zoon, man möchte sagen natürlich, die Klappengeräusche voll „im Griff“, d.h. sie laufen wie geschmiert, absolut unhörbar, auch von seiner Atmung hört man nichts, was die Coolness noch befördert. Sein Ton ist hell und leicht, ganz ohne lieblich zu wirken. Seine Kadenz hört sich teilweise fast nach einem Vogelkonzert an. Sehr virtuos.

Zoon geht im zweiten Satz sehr stimmig auf die disparaten Stimmungen ein, trägt auch hier nicht dick auf. Die Melancholie in der Einsamkeit, wenn man so will, findet hier einen Fürsprecher. Der Vibratoeinsatz ist zurückhaltetnd. Die Harmonie zwischen ihm und dem Orchester wirkt hier nicht so ausgeprägt, ab und an hat man das Gefühl, dass Abbado zum langsameren Tempo tendiert und Zoon zum schnelleren. Abbado bleibt aber unnachgiebig und setzt sich durch. Auch hier schon das Spiel bzw. der Kampf Kollektiv gegen Individuum? Das kam doch in der Musik eigentlich erst später z.B. in Beethovens viertem Klavierkonzert..

Beim dritten Satz herrscht wieder Einigkeit, denn musikalische Verve bringen alle mit ein. Fröhlich, brillant sprudelnd wie ein Brunnen mit quellfrischem Wasser. Sehr lebendige, interessante Darstellung, sehr hohes Niveau.

Der Klang bietet eine sehr gute Transparenz und Staffelung und eine angenehme Dynamik.

 

4-5

Emmanuel Pahut

Claudio Abbado

Berliner Philharmoniker

EMI

1999

7:23  5:53  5:15  18:31

Herr Pahut war unter anderen Schüler von Aurèle Nicolet, Schweizer wie er und wie er später ebenfalls Berliner Philharmoniker. Er wurde bereits mit 22 Jahren das bis dahin jüngste Mitglied der Berliner Philharmoniker und dann auch noch gleich in der Solo-Position. Zuvor war er übrigens bereits bei den Münchner Philharmonikern unter Celibidache.

Seine Darstellung wirkt lange nicht so aufgezwirbelt wie bei James Galway, einem weiteren Vorgänger auf seiner Position in Berlin. Sein Vortrag ist wohlproportioniert, hat das klassische Ebenmaß, das man sich für die Musik der Klassik gemeinhin wünscht. Auch bei ihm hören wie keinerlei Klappengeräusche. Sein Ton ist wirkt sanft und samtig, ausgeglichen, wohlklingend, nie überbrillant. Wir hören kein übereifriges Vibrato, alles sitzt perfekt und wird souverän auf den Punkt gebracht. Bei all der Balance könnte also alles perfekt sein, oder?  Eigentlich schon, wenn bei anderen (besonders bei Marion oder auch de la Vega) nicht einfach mehr Pepp zu finden wäre. Er ist auch für das Orchester ein sehr angenehmer Solist, denn er stiehlt ihm nicht die Show. Man braucht nicht zu verhehlen, dass das klangliche Verhältnis Solist/Orchester vorbildlich ist.

Im zweiten Satz gestattet sich Herr Pahut etwas mehr Vibrato. Aber bei wem könnte es noch geschmackvoller und distinguierter zur Anwendung kommen? Da fällt uns niemand ein.

Im dritten Satz geht es zwar flott und recht lebendig her, aber das Feuer wirkt gebremster, als man es von der Spielzeit erwartet. Vielleicht wirkt das auch so, weil dem Solisten alles so leicht und völlig widerstandslos (glatt) von der Hand geht. Die zweifellos vorhandene und auch gebrachte Virtuosität wirkt nicht überschäumend und so stilsicher und ausgewogen, dass man nicht umhinkommt zu bemerken, dass doch ein wenig Spielwitz fehlt und der Vortrag bei aller Perfektion ein wenig monochrom und einstudiert klingt. Das ist aber wirklich Jammern auf allerhöchstem Niveau.

Der Klang hat eine angenehme Weite und Tiefe, je nach Geschmack und Vorliebe könnten die Philharmoniker etwas mehr Präsenz vertragen. Sie sind übrigens, wenn man vom klanglichen Eindruck ausgeht, das am größten besetzte Orchester der fünf Abbado-Orchester. Trotzdem lassen sie ihrem damals noch neuen Flötenstar generös den Vortritt. Wie immer hören wir Abbado als rücksichtsvollen, differenzierenden und geschmeidigen Begleiter.

 

4-5

Karlheinz Zöller

Bernhard Klee

English Chamber Orchestra

DG

1974

7:36  6:39  5:05  19:20

Karlheinz Zöller war von 1960-1968 und dann nach seiner Genesung von den Folgen eines Autounfalls offiziell ab 1976 (es gibt verschiedene Angaben zum Zeitpunkt) wieder einer der beiden ersten Solo-Flötisten der Berliner Philharmoniker, bei denen er dann bis zu seinem Ruhestand 1993 blieb.

Das ECO, das als das Orchester von KV 314, zumindest in unserem Vergleich, gelten darf (mit Beteiligung an sieben Einspielungen!) klingt hier erneut etwas gröber als Marriners Academy mit Galway oder die Berliner mit Abbado und Pahut. Zöller gleicht in Hinsicht auf Größe und Üppigkeit dem Ton Galways weniger als dem schlankeren Ton Pahuts. Und wenn wir dann auch noch Nicolet hinzunehmen wollen, wären die Philharmoniker-Flötisten unterschiedlicher Generationen alle vereinigt. Sein Ton kommt auch ohne das Überschwängliche und die grelle Farbausgestaltung Galways aus. Seine Virtuosität wirkt auch nicht so überbordend und zur Schau gestellt wie bei dem Iren. Die Linienführung und Tongebung wirken bei Zöller akribisch, aber doch weniger differenziert (besonders im leisen Bereich) als bei Pahut, der noch weniger Aufhebens von sich zu machen scheint. Er klingt auch nicht so brillant und beweglich wie Alain Marion. Klee seinerseits zeigt mit dem ECO mehr Schwung als Abbado (mit Pahut oder auch Albrecht Mayer) oder Marriner (mit Galway). Zöllers Kadenz wirkt effektvoll und prächtig, aber für unseren Geschmack ein wenig redundant. Zöller hat sie bei einem Komponisten in Auftrag gegeben. Zöller kann damit zeigen was er kann.

Im zweiten Satz sind die Violinen des ECO nicht immer ganz zusammen. Zöllers Spiel ist technisch über jeden Zweifel erhaben, leichtfüßig, ohne Nebenluft, ohne Klappengeräusche nur ab und zu mit leisen Atemgeräuschen. Der Perfektion sehr nahe.

Der dritte Satz gelingt lebendiger und fideler als bei Pahut. Die Oboen des ECO wirken etwas burschikoser und deftiger, auch durch die forschere, weniger elegante Gangart. Klanglich ist Zöllers Flötenton sowieso „ein Pfund“. Ganz klar, warum Karajan so zufrieden mit ihm war. „Spielen Sie einfach so schön es geht.“ Das ließ sich ein Karlheinz Zöller nicht zweimal sagen. Einfach eine runde Sache.

Der Klang liefert ein breites aber weniger tiefes Klangpanorama. Offen und voll klingt das Orchester besser als in der Aufnahme mit Peter-Lukas Graf und Leppard. Wenn die Gangart etwas schneller wird, wird auch der Klang des Orchesters etwas „strähniger“. Das hängt besonders mit den Violinen des Orchesters zusammen und wurde auch schon bei anderen Einspielungen des Orchesters bemerkt. Gehört wurde die Aufnahme in einem AMSI-Remastering, das alte Aufnahmen einem angeblich neuen Hörer-Geschmack anpassen soll, indem es den Klangraum nachträglich vergrößert. Trotz der Maßnahme und der Vermarktung im Low-Budget-Segment ist die Aufnahme auch heute noch gut anzuhören.

 

4-5

James Galway

Neville Marriner

Academy of St.-Martin-in the-Fields

RCA

1995

8:09  6:53  5:42  20:44

Ähnlich Lothar Koch für die Oboenschüler und -studenten war James Galway ein Stern am Firmament, dem es bei den Flötist:innen nachzueifern galt. Klanglich zumal, aber auch in seinem Bestreben, sich eine Solisten-Laufbahn aufzubauen. Zu schmal erschien doch damals allenthalben das Repertoire für die Flöte, um den Schritt zu wagen und dafür die sichere Anstellung im Orchester aufzugeben. Sein Ton ist vom sogenannten „deutschen Ansatz“ geprägt, der im Vergleich zum französischen Ansatz einen höheren Rauschanteil aufweist. Nach Engagements bei führenden britischen Orchestern (BBC SO, RPO, LSO) wurde Galway 1969 erster Flötist bei Karajans Berliner Philharmoniker. Sechs Jahre blieb er dort, bis er nach internen Querelen mit Karajan beschloss, nur noch als selbständiger Solist aufzutreten.

Von James Galway sind uns vier Einspielungen von KV 314 bekannt, es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass es noch mehr gibt. Bei der Aufnahme-Serie aller Bläserkonzerte von den Berlinern und Karajan für EMI spielte er nur KV 313 ein, während KV 314 im originalen Oboen-Kostüm mit Lothar Koch aufgenommen wurde. 1973 spielte er KV 314 erstmals mit dem New Irish Chamber Orchestra unter André Prieur ein (auf Hallmark oder Pickwick, sie fehlt in unserer Sammlung), dann bereits ein Jahr später auf seinem Hauslabel RCA mit den Lucerne Festival Strings und 1985 mit dem Chamber Orchestra of Europe, das er auch selbst dirigierte. 1995 folgte dann die letzte, in der ihm die Academy und Neville Marriner zur Seite gestellt wurden. Für uns ist der 1995er Jahrgang der beste. Die Trauben, sorry sein Flötenton war dabei reif und süß, Galway konnte sich auf sein Spiel konzentrieren und musste nicht auch noch dirigieren. Für mach einen Hörer könnte das sogar die Favoriten-Aufnahme schlechthin sein.

In allen Einspielungen bleibt sich Galway treu, was die Tempi anlangt. Das Orchester spielt markiger und nuancierter als 1985 und präsenter und praller als 1974. Das Vibrato wird gegenüber 74 etwas reduziert. Tonlich wirkt seine Flöte etwas schlanker als 85 und vor allem flexibler. Wir hören jedoch den typischen Galway-Sound, unnachahmlich prall, markig, brillant und von üppiger, pastoser Farbgebung. Insgesamt wirkt der 95er ausgewogener, im Zusammenspiel am stimmigsten. Nach wie vor gibt es keine technischen Hürden, Atemgeräusche existieren nicht und der Gestus kam uns erheblich weniger aufdringlich vor als 1985.

Im zweiten Satz übernimmt das süßlich wirkende Vibrato das Zepter der Gestaltung, für heutige Ohren mag das überzuckert wirken, damals war das wahrscheinlich noch ganz toll. Die Strahlkraft des Tones könnte kaum größer sein, sie wirkt gegenüber 1974 deutlich intensiviert. Der Ton strahlt mehr Ruhe aus als 85. Die Academy ist zudem das mit Abstand beste Orchester der drei Aufnahmen.

Das „Blondchen“, wenn der Übertrag auf die „Entführung“ gestattet sei, ist im dritten Satz immer noch bestens bei Stimme. Karajan höchstselbst hätte nach wie vor seine helle Freude daran gehabt, am vollen Ton und am höchst geschmeidigen Spiel. Er sah sich mit Galway und Koch (und den seinerzeitigen Klarinettisten und Fagottisten) in den 60ern am Ziel seiner Wünsche, was die Holzbläserbesetzung der Philharmoniker anlangt. Die Kadenzen sind alle drei nach wie vor supervirtuos, fast blendend.

Man mag einwenden können, dass Galway ein wenig zu dick aufträgt und die Substanz des Stückes etwas zu farbkräftig überschminkt, aber trotz geringfügig reduziertem Tempo wirken sämtliche Ingredienzien stimmig, besonders in der Konstellation mit dem Orchester. Satz eins uns drei klingen einfach super, Satz zwei ist eigentlich nur in der Weihnachtszeit erträglich, wenn das ganze Zuckergebäck hoch im Kurs steht.

Der Klang ist von den drei Aufnahmen Galways am transparentesten. Die Staffelung ist gut, der Gesamtklang einfach brillant. Das Orchester wirkt körperhafter, dynamischer und breitbandiger als 1974 und 1985. Von der Digitaltechnik ist der Gesamtklang nun völlig unbeeinträchtigt.

 

4-5

Patrick Gallois

betätigt sich auch als Dirigent

Swedish Chamber Orchestra, Örebro

Naxos

2022

5:55  6:37  5:07  17:39

SACD  Auch Patrick Gallois war zuerst im Orchester tätig, bevor er eine Karriere nur als Solist startete. Bis 1984 spielte er im Orchestre National de France, zu der Zeit, als Lorin Maazel Chefdirigent dort gewesen ist.

Das Orchester beginnt die Einleitung wie wild geworden, stark akzentuiert, dramatisch, quirlig, fetzig. Gallois fängt auf seinem ersten Liegeton ab ca. T. 33 quasi auf halber Strecke plötzlich an zu zwitschern (trillern) wie eine Nachtigall, als ob Papageno seine Vögelchen nicht zusammenhalten könnte. Oder wie ein Kind, das es einfach nicht abwarten kann, bis es dran ist, nachdem es eine Zeit stillsitzen musste und nun endlich zeigen will, was es kann. Man legt die Ohren an und freut sich darauf, was ihm denn noch so alles einfallen könnte. Und tatsächlich sprengt Monsieur Gallois immer wieder das gewohnte Notenbild auf und gibt seiner (selbstverständlich einstudierten) Spontaneität Raum zur Entfaltung. Überschwänglich bringt er auch Spielarten der historisch informierten Spielpraxis in Ansatz, wahrscheinlich völlig bewusst nicht ohne Übertreibungen. Da sind Verkürzungen, Nachdrücker und weitere Eigenheiten hörbar. Er spielt technisch über jeden Zweifel erhaben wie ein Hans Dampf in allen Gassen. Das meinen wir ohne jede Geringschätzung. Er stellt wirklich was ganz Eigenes auf die Beine, was man in all den Einspielungen unseres Vergleiches sonst nicht mehr findet. Einziger Nachteil dabei: Die Kantabilität wirkt teilweise wie hintenangestellt, oder sagen wir doch besser, sie wird weggezwitschert. Das Orchester scheint seinen Mozart völlig verinnerlicht zu haben, es hält grandios mit. Die Kadenz ist gut und sehr knapp.

Was im ersten Akt, vielmehr Satz noch uneingeschränkt Bewunderung hervorrufen mag, wirkt zwar auch im zweiten noch spannend, aber nur beim ersten Mal. Beim wiederholten Hören fällt der auch hier verwendete Zierrat doch schon als die Linie verunklarend, fast schon als Ballast auf. Es gelingt Herr Gallois aber trotzdem das Gefühl von Einsamkeit deutlicher zu machen als z.B. Sharon Bézaly. Sein Spiel geht auf die barocke Manier der Verzierungen zurück, dazu passt auch das Cembalo, das immer mal wieder, übrigens auch schon im ersten Satz, auf sich aufmerksam macht. Das sparsame Vibrato konterkariert den üppig aufgefahrenen Zierrat allerdings noch einigermaßen wirkungsvoll. Was jedoch bald lästig wird, sind die sehr deutlichen Atemgeräusche, die anscheinend demonstrieren sollen, wie leidenschaftlich hier gearbeitet wird. Sie werden quasi Teil der Artikulation. Darüber kann man durchaus unterschiedliche Meinungen vertreten.

Im dritten Satz ist das pointierte Orchester immer wie auf dem Sprung. Statt der Verzierungen fällt Gallois nun mit eigentümlichen Phrasierungen auf. Er hört sich nun auch mehr nach einem eigenwilligen Tenor an, nicht wegen der Tonhöhe, an der er selbstverständlich nichts ändert, aber wegen des Gestus. Das Bild von Mozarts Blondchen müsste dazu neu erfunden werden. Ab T. 208 wird dann auch wieder gezwitschert. Immer mehr wird unser Held zum eitlen Geck, als der Stimmlage gemäß, eine kecke, abenteuerlustige, das Risiko nicht scheuende aber auch treue Zofe zu sein. Mozarts Musik ist sehr geduldig und macht das mit, auch wenn nicht alle Teile zum Puzzle passen wollen. Jedenfalls hat der Solist „wahrlich großes Format“, sich eigene Gedanken gemacht und unkonventionelle Lösungen parat. Unserer Meinung schießt er dabei etwas übers Ziel hinaus, aber Spaß gemacht hat es trotzdem, und zwar großen.

Der eingefangene Orchesterklang wirkt viel voller, praller und „speckiger“ als beim anderen skandinavischen Ensemble, dem Ostrobottnischen Kammerorchester mit Sharon Bézaly. Die Tiefenstaffelung ist sehr gut, der Klang offen, klar und körperhaft. Der Solist schwebt groß und wahrlich glänzend vor dem Orchester dahin. Guter Bass. Eine der klangtechnisch allerbesten Aufnahmen des Labels.

 

4-5

Wolfgang Schulz

Leopold Hager

Mozarteum Orchester Salzburg

Teldec

1977

7:23  6:55  5:30  19:48

Wolfgang Schulz ist 1973 Solo-Flötist der Wiener Philharmoniker geworden. Wann genau er aus dem Dienst ausgeschieben ist, konnten wir nicht ermitteln.

Sein weich getönter, geradezu süffiger, ungemein farbiger Ton und der bodenständige Musizierstil ist äußerlicher Brillanz gegenüber offenbar resistent, hatte auf uns jedoch eine ungemein sinnliche, um nicht zu sagen verführerische Wirkung. Es gelingt ihm den Luftstrom völlig Klang werden zu lassen und nicht wie bei fast allen anderen Flötis:innen noch einen Teil davon mit Nebenluft zu „verschwenden“, die den eigentlichen Flötenklang rauschend-verunzierend begleitet.

Das biedere Orchester, das wir schon in der Aufnahme mit Jürg Schaeftlein kennengelernt haben, geht hingegen erneut ohne Finessen, recht glatt und routiniert mit seinem Part um. Es begleitet den Solisten zwar nicht grob aber doch sehr wenig elegant und ohne Ambitionen, vielleicht trifft es „salopp, mit einem Hang zum Derben“ als Beschreibung noch am besten. Selten sind die beiden Partner Solist und Orchester so unterschiedlich.

Herr Schulz bietet im zweiten Satz eine warm und weich getönte, ungemein gesangliche Darbietung, unterstützt von einem wohl dosierten eigenständigen Vibrato. Auch die langen Töne werden nicht zu einer vibratoreichen „Zitterpartie“. Die Kadenz wirkt einfühlsam.

Das Orchester bringt sich im dritten Satz wieder mit seinem wenig federnden, endverbundenen Spiel als Kontrast zum Solisten in Erinnerung. Wenn man sich z.B. Galways Spiel vergegenwärtigt so ist das brillanter als das von Schulz, aber Schulz macht einfach nur Musik und sie klingt wunderschön und kein Gehabe lenkt davon ab, was in der Silber und Gold-Fraktion der Flöten nicht gerade selbstverständlich ist. Tonlich und musikalisch nimmt er eine Sonderposition ein. Deshalb bekommt die Flöte von Herrn Schulz den Titel „Zauberflöte“ und er selbst „Zauberflötist“, denn eigentlich gefällt uns seine Performance innerhalb der Böhm-Flötist:innen fast am besten. Schade um den Niveauunterschied zum Orchester, das dem Solisten deutlich nachsteht. Gerne hätten wir Herrn Schulz die Academy, die Wiener Symphoniker oder doch besser gleich sein eigens Orchester, die Philharmoniker für seine Aufnahme gegönnt. Schulz: 5, Orchester und Dirigent: 3.

Klanglich wird allenfalls eine solide Transparenz aufgeboten. Während die Flöte sehr farbig und sinnlich klingt, bleibt das Orchester blass und ziemlich undeutlich, aber seltsam genug: recht körperhaft.

 

4-5

Jean-Pierre Rampal

Zubin Mehta

Israel Philharmonic Orchestra

Sony

1988

7:10  6:54  5:37  19:31

Jean-Pierre Rampal war zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits in seinen mittleren 60er Jahren und seine Gangart ist gegenüber der Aufnahme mit den Wiener Symphonikern flotter und forscher in ihrem Auftreten geworden. Der Klang der Geigen wirkt nun dünner im Klang und entbehrt der Fülle und des Schmelzes, den die Symphoniker aufbringen konnten. Das Israel Philharmonic wirkt nicht undifferenziert oder unaufmerksam, aber lange nicht so subtil und charmant wie die Wiener. Das gilt auch für den Solisten, so wird dem Liegeton T. 33-36 beispielsweise kein liebevolles Crescendo mehr spendiert. Rampals Ton ist breiter geworden, was vielleicht auch nur von einem anderen Mikrophon bedingt sein könnte, aber auch affektbetonter. Insgesamt erscheint der erste Satz in Wien jedoch weniger geradlinig, etwas verspielter wie mit einem Lächeln und mit mehr Wärme dargeboten.

Im zweiten Satz arbeitet er nun mit mehr Vibrato, vermeidet aber Höchstwerte anderer Solist:innen. Wir hören mehr „Nebenluft“ und einen etwas dickeren und stumpferen Ton als noch 1965. 1988 fehlt auch die „echte“ Ruhe und die Gefühlstiefe wird als nicht so unmittelbar empfunden. Auch vom Orchester wirkt der Gestus gespielter, nicht wirklich innig. Insgesamt liegen unsere Vorlieben auch bei diesem Satz bei der älteren Einspielung. Bei der Kadenz hört man die Anblas-, Atem- und Klappen-Geräusche nun hautnah. Da wäre etwas mehr rücksichtsvolle Distanz nicht nur empfehlenswert, sondern geboten gewesen.

Das Orchester musiziert im dritten Satz stämmig, aber mit einem aufmüpfigen Gestus. Die Flöte wirkt dagegen nicht mehr so leicht und quirlig, sondern getrieben. In der Kadenz tobt sich Rampal nach wie vor virtuos aus. Mozarts Musik gerät bekanntermaßen schnell aus der Balance. Das ist auch 1988 nicht der Fall, aber 1965 wurde sie jedoch traumwandlerisch oder vielleicht instinktiv besser getroffen. Die eine Minute, die der Vortrag 1965 länger gedauert hat, haben wir vermisst,

Der Klang der Aufnahme ist viel lauter als 1965. Die Violinen des IPO wirken etwas „heiser“ gegenüber den süffig und wärmer klingenden Wiener Kollegen. Das Orchester klingt nun jedoch insgesamt erheblich präsenter, ohne die Flöte zu bedrängen.

 

4-5

Claude Monteux

Pierre Monteux

London Symphony Orchestra

Decca

1963

8:30  6:35  5:25  20:30

Bei dieser Einspielung steht das Legato wieder stark mit Zentrum des Musizierens. Pierre Monteux, der Vater des Flötisten Claude Monteux lässt es aber gut akzentuieren und nuancieren. Der feine und recht leise wirkende Flötenton bietet tonlich weder überrumpelnden Hochglanz wie Galway oder Gallois, noch funkensprühende Akrobatik. Wir hatten den Eindruck, dass hier eher mit der Bescheidenheit des Oboespielers zu Werke gegangen wird. Der erste Satz wirkt so erstaunlich abwechslungsreich, weil man viel mehr von der ausgezeichneten Partnerschaft der beiden Protagonisten und der Orchesterarbeit mitbekommt. Nachteilich sind die recht lauen Atemgeräusche und die kurzen Unterbrechungen, die aufgrund der noch nicht möglichen bruchlosen Atemführung nötig werden. Andere, die die Permanentatmung meisterhaft beherrschen (wie Galway oder Sharon Bézaly), spielen durch bzw. machen zwar eine Kunstpause, brauchen aber einfach nicht abzusetzen. Das geht dann schneller. Dynamisch wird sehr gut differenziert. Monteux kehrt nicht den Virtuosen nach außen und überlädt so das Konzert auch nicht mit Attitüden. Je nach Erfordernissen wechselt der Flötist zwischen Leichtigkeit und durchdringendem bewussten Klang, besonders in der Kadenz, die er erstaunlich expansiv hält.

Im zweiten Satz gibt es ein kontrastreiches Wechselspiel zwischen dem Solisten und Orchester, das teilweise auch sehr zurückgezogen klingt. Selten wird dynamisch einmal so gut abschattiert.  Der Flötenton könnte bei den längeren Tönen etwas mehr leuchten. Die Holzbläser des Orchesters wirken sehr dezent.

Der dritte Satz wirkt wenig spritzig, besonders weil Claude Monteux spielt, als wäre er noch im heimischen Kämmerlein, es fehlt jede hochfliegende solistische Attitüde. Hörner und Oboen sind nun sehr aufmerksam dabei. Spieltechnisch scheint es doch einen Unterschied zu den Supervirtuosen im Vergleich (Galway, Bézaly oder Gallois) zu geben. Das heißt jedoch nicht, dass das bescheidene Understatement nicht auch gefallen könnte.

Die klangliche Transparenz und Staffelung sind gut, der Hochton wirkt für Decca-Verhältnisse leicht abgedämpft, für Farbigkeit ist jedoch gesorgt.

 

4-5

Sharon Bézaly

Juha Kangas

Ostbottnisches Kammerorchester

BIS

2004

7:17  6:22  5:21  19:00

SACD  Die Flötistin aus Israel spielte die Solo-Flöte bei der Camerata Salzburg, bevor sie ab 1997 eine Karriere als Solistin startete. Die zahlreich von ihr bei BIS erschienen Tonträger sind nicht zuletzt dadurch zu erklären, dass sie mit dem Produzenten verheiratet war. Von ihr ist es bekannt, dass sie eine 24 karätige Gold-Flöte von Muramatsu spielt.

Das etwas hart klingende, jedoch frisch, impulsiv und zügige Orchesterspiel des kammermusikalisch klein besetzten finnischen Orchesters erfreut. Man spielt nahezu vibratolos. Es bietet einen passenden Rahmen für das virtuose Spiel der Flötistin, die auch längere Phrasen ohne Atem zu schöpfen bruchlos durchspielt. Bei ihr fällt die Permanentatmung am deutlichsten auf. Ihr Ton wirkt prall, voll, vital, niemals grell oder aufdringlich. Das Material der Flöte setzt sie offenkundig in Klang um, denn er hört sich gold-glänzend an. Das zweite Thema wird in seiner Eigenheit fast überrannt, was dem Gestus alles in allem etwas Maschinenhaftes verleiht. Alles wird  andererseits in eine sonnendurchflutende fröhliche Stimmung getaucht. Die Kadenz wirkt nicht unpassend und hochvirtuos. Sie wurde wie die beiden anderen auch von einem finnischen Komponisten (Kalevi Aho) verfasst. Die Gefahr bei Sharon Bézaly ist wie beim Reden ohne Punkt und Komma, dass es leicht eintönig wird und man die Aufmerksamkeit des Zuhörers verliert.

Der zweite Satz erhält erneut ein sehr zügiges Tempo, die große Zähleinheit bringt jedoch wieder Ruhe rein.

Im dritten Satz geht man auch über ein Allegro hinaus. Im Presto-Tempo scheint das Spiel von Solistin und vom Orchester stets auf dem Sprung zu sein, generell mühelos gemeistert und sportlich leicht und forsch-fröhlich. Wie eine elegante Hürdenläuferin sprintet Frau Bézaly durch den Satz. Alle Achtung: Andere würden vielleicht beim Weg über Stock und Stein stürzen. Die Kehrseite ist: Stimmungsschwankungen bleiben weitgehend außen vor. Die letzte Kadenz weist bereits entschieden in die kompositorische Zukunft. Mutig.

Der Klang belässt die Musik in einem eher kammermusikalisch-intimen Raum, Er wirkt plastisch, offen und transparent und auch Stereo schon so gut, dass wir auf den SACD-Mehrkanalklang dieses Mal ganz verzichtet haben.

 

4-5

Samuel Coles

Sir Yehudi Menuhin

English Chamber Orchestra

Virgin, EMI

1990

7:33  7:03  5:39  20:15

Der Flötist Samuel Coles war von 1989-2010 Solo-Flötist in Bordeaux, seit 2010 ist er in gleicher Funktion beim Philharmonia Orchestra London. Er ist ständiger Gast beim English Chamber Orchestra und auch beim LSO, LPO, BBC SO und bei der Academy war er schon zu hören.

Menuhin bringt den ersten Satz mit frischem Impetus und sehr beschwingt zu Gehör. Sein Gestus wirkt musikalisch ohne zu drängen und pointiert. Er vergisst auch die Tutti-Bläser nicht. Der Flötist hat einen vollen Ton und verzichtet auf Übertreibungen. Man hört von ihm weder Klappen- noch Atemgeräusche.

Im zweiten Satz hebt sich die Flöte wie so oft besser vom Orchester ab. Coles nutzt nun ein stärkeres Vibrato, das er gefühlvoll einsetzt. Sein Spiel erscheint warm-strömend und auf eine selbstverständliche Art einfach schön. Der Geschmack der allermeisten Hörer:innen dürfte von ihm sehr gut getroffen werden.

Beim dritten Satz fehlt allerdings der letzte Schwung. Das Orchester wirkt ein wenig steif, die Flöte macht es besser, die Akzente sitzen gut. Die Kadenz wirkt launisch und erfreulich kurz.

Die Aufnahme könnte etwas mehr Fülle vertragen. Die Flöte wird klar und deutlich vor das Orchester gestellt. Die Basswiedergabe ist gut.

 

4-5

Lukas-Peter Graf

Raymond Leppard

English Chamber Orchestra

Brillant-Claves

1984

7:23  7:06  6:00  20:29

Dieses Mal klingen die Mittelstimmen (Violen und Celli) des ECO transparent, jedoch lange nicht so präzise wie bei der Konkurrenz, der Academy of St.-Martin., auch nicht so geschmeidig und brillant. Die akribische Sorgfalt Marriners zeitigt meist sehr gute Ergebnisse (in den Aufnahmen mit Aufnahmen mit Neil Black und James Galway 1995). Der Schweizer Flötist artikuliert etwas schlanker als der Ire, jedoch ist sein Ton weniger prall und weniger auf Hochglanz getrimmt. Sein Vibrato ist keineswegs nervig.

Das Orchester wirkt im langsamen Satz deutlich geschmeidiger, die Hornstellen werden auffällig exponiert. Die Nebenluft hält sich in Grenzen, das Vibrato wirkt geschmackvoll, die Dynamik differenziert.

Im dritten Satz wirkt das Orchester straff geführt und wenig elegant. Holzbläser und Hörner agieren robust, die Streicher wirken „stramm“. Das gediegenere Tempo lässt etwas mehr Zeit für eine betontere Rhythmik. Der Solist wirkt darin erheblich feinsinniger als das Orchester.  Insgesamt fehlt ein wenig das Leichte, das Elegante.

Der Klang der Aufnahme wirkt sehr transparent und offen, leider werden die Violinen mit einer leichten Tendenz zum Schrillen präsentiert. Das Orchester wirkt sehr präsent und es wird eine gute Balance mit dem Solisten erreicht.

 

4-5

Aurèle Nicolet

Karl Richter

Münchner Bach-Orchester

Telefunken

1960

7:52  7:00  5:35  20:27

Der Schweizer war von 1950-1959 Soloflötist bei den Berliner Philharmonikern. Somit einer der Vorgänger von Karlheinz Zöller und James Galway und eine Generation später von Emmanuel Pahut dessen Lehrer er auch zeitweise war. Er hat das Konzert ziemlich oft eingespielt. Zu den beiden hier vorgestellten Einspielungen von 1960 und 1978 treten noch zwei weitere, die uns nur ihrer Existenz nach bekannt sind: Mit Henry Svoboda und dem Winterthurer Sinfonieorchester (wahrscheinlich Westminster noch in Mono) und mit Rudolf Baumgartner und den Festival Strings Luzern ca. 1967 aufgenommen für die DG.

Sein Spiel strahlt eine enorme Ruhe aus. Sein gediegenes Spiel will nicht mehr darstellen als musikalisch sinnvoll ist. Das Bach-Orchester groovt ganz schön mit, wer hätte das erwartet? Man merkt es auch am mitwippenden Fuß. Nicolet bringt etwas mehr Virtuosität mit ein als Claude Monteux. Die mitunter lauten Klappengeräusche stören leider bisweilen den musikalischen Fluss.

Das Vibrato des Solisten wirkt im ersten Satz kaum störend. Das ändert sich im zweiten, seine andauernde Stärke trübt das Hörvergnügen. In der Flötenstimme ist in München noch mehr Glanz als in Amsterdam, fast zwei Jahrzehnte später. Besonders ausdrucksvoll hingegen das Münchner Bach-Orchester.

Im dritten Satz dominiert wieder der strahlkräftige, aber auch besonders weich singende leichte und leuchtende Flötenton. Leider immer mit den präsenten Klappengeräuschen.

Der Klang der vielleicht noch mit Röhrenequipment aufgezeichneten Aufnahme wirkt sehr körperhaft aber nicht gerade superbrillant. Die Staffelung überzeugt genauso wie der leuchtende Gesamtklang. Leichtes Rauschen.

 

4-5

Aurèle Nicolet

David Zinman

Concertgebouw-Orchester Amsterdam

Philips

1978

7:06  7:16  5:22  19:44

Nicolet verfügt, nun mit 53 Jahren nicht mehr über dieselbe Strahlkraft wie als 34jähriger in der Einspielung von 1960. Ein satter Ton und ein geschmeidiges Spiel sind ihm jedoch immer noch eigen. Auch die leuchtende Farbigkeit wirkt ein wenig eingetrübt, wobei man jedoch nicht genau beurteilen kann, was davon der Aufnahmetechnik geschuldet ist. Das Orchesterspiel unter Zinman wirkt in Amsterdam durchweg etwas glatter und blasser.

Im zweiten Satz wirkt das Vibrato gegenüber 1960 ein wenig reduziert. Das Spiel noch immer beseelt. Erfreulicherweise sind die Klappengeräusche weniger geworden und auch weniger laut als noch in München.

Auch der dritte Satz hat wenig Aufdringliches, denn er ist ganz angenehm anzuhören. Nun sind die Klappengeräusche verschwunden.

Der Klang wirkt nun weniger körperhaft und nicht mehr mit der runden Geschlossenheit der Telefunken-Aufnahme von 1960. Das Orchester wirkt (vor allem wieder die Violinen) etwas faseriger. In Amsterdam zwar wiederum etwas klarer aber insgesamt weniger brillant, also blasser als die vermeintliche Röhrenaufnahme von Telefunken.

 

 

 

4

James Galway

Rudolf Baumgartner

Lucerne Festival Strings

1974

RCA

8:15  6:28  5:25  20:08

Das Orchester spielt etwas empathischer als das Chamber Orchestra of Europe in Galways Aufnahme von 1985. Es wirkt abgerundeter, mit mehr Bedacht und aufmerksamer und bei zurückgenommenem Tempo präziser, ist aber kein Musterbeispiel für Eleganz.

Galways Spiel auch nicht, er nähert sich in Luzern dem Werk mit mehr Differenzierungswillen, auch in der Dynamik, ist mehr auf die Linienführung bedacht, rundet die Phrasen besser ab, ist im Ton schlanker und beredter und vor allem, es ist noch nicht so auf Offensive gebürstet als 1985. Zusammen mit dem Eindruck, den das Orchester hinterlässt, wirkt die Einspielung im ersten Satz erheblich nuancierter und weniger machohaft als 1985, als Galway auch mit den dirigentischen Aufgaben belastet war. Hier konnte er sich auf sein Spiel konzentrieren.

Auch der zweite Satz strahlt eine größere Ruhe aus. Das Vibrato wirkt grenzwertig, gut dass die Flöte in dieser Einspielung nicht so präsent aufgenommen wurde. 1985 wird sie deutlich vor das Orchester gestellt und wie mit Spotlights regelrecht angestrahlt. Sie wirkt auch so schon schwelgerisch genug.

Im dritten Satz zeigen sich, von der Ausnahmequalität einmal abgesehen noch am wenigsten Unterschiede zu den späteren Versionen.

Das Klangbild wirkt so, als wäre in einer Kirche aufgenommen worden. Möglicherweise liegt der Aufnahme auch eine Quadro-Abmischung zugrunde, jedenfalls sind die Tuttibläser ein wenig diffus aufgenommen worden. Die Flöte ist deutlich weniger präsent als in den beiden späteren Einspielungen, das ist im Vergleich zum 85er Jahrgang angenehmer, denn da flötete uns James Galway ziemlich ungeniert ins Ohr. Auffallend ist das fast völlig Fehlen an klanglicher Brillanz, die die beiden späteren Einspielung so kennzeichnet. Von den drei Galway-Einspielungen gebührt der letzten von 1995 auch klangtechnisch eindeutig die Palme.

 

4

Eugenia Zukerman

Pinchas Zukerman

English Chamber Orchestra

CBS-Sony

1977

7:36  8:59  5:48  22:23

Das damalige Ehepaar Zukerman bevorzugte bei diesem Konzert mäßige Tempi. Das ECO spielt in dieser Einspielung mit am klangvollsten und von all seinen Einspielungen am saubersten, wenn man von der neuen Einspielung mit Ana de la Vega einmal absieht.  Frau Zukerman bringt einen vollen, sonoren, weichen Ton mit ein, den sie auch gefühlvoll einsetzt. Der erste Satz könnte jedoch ein wenig mehr musikalisches Temperament sehr gut vertragen. In der Kadenz legt sie mehr Vibrato auf.

Im langsamen Satz gibt es genug Zeit für ein Permanent-Vibrato, dass gerade noch nicht Überhand über die Gesamtgestaltung nimmt. Es wird immerhin noch ein wenig variiert. Der Ton bleibt halbwegs schlank und leuchtend. Man wird ihn überall auf der Welt als schön bezeichnen. In der Kadenz gibt es deutliche Atemgeräusche, aber keine Klappengeräusche. Pinchas begleitet Eugenia in diesem Satz aufmerksam.

Das sehr gemäßigte Tempo im dritten Satz erlaubt der Flötistin einen klaren, quellfrischen Ton. Das ist klangschön aber nicht gerade aufregend gestaltet. Es fehlt die Frische einer Ana de la Vega oder der Charme von Magali Mosnier, von der Attacke eines Patrick Gallois brauchen wir gar nicht zu reden.

Der Klang wirkt körperhaft bei Solistin und Orchester. Das Klangbild wirkt klar, gut strukturiert und weich gerundet. Im zweiten Satz wird die Flöte auffällig im Orchester eingebettet.

 

4

Irina Grafenauer

Neville Marriner

Academy of St.-Martin-in-the-Fields

Philips

1989

7:55  6:16  6:03  20:14

Die slowenische Flötistin war Schülerin u.a. bei Karlheinz Zöller und Aurèle Nicolet. 1977-1987 war sie Soloflötistin beim Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Später unterrichtet sie als Professorin in Salzburg. Der Ton ist voll und strahlend, vom Gestus her erscheint ihr Spiel im ersten Satz lieblich. Bei der Brillanz ist sie von James Galway ein Stückchen entfernt, aber dicht dran. Ohne dynamische Kontraste wirdt tendenziell alles in einem durchmusiziert. In der anspruchsvollen Kadenz, entfernt sie sich ziemlich weit von Mozart, findet aber erwartungsgemäß doch wieder zu ihm zurück. Im zweiten Satz begleitet die Academy wieder sensibel und gut abgetönt, während Frau Grafenauer mit reichlich Vibrato schwelgt, wobei sie über das von Nicolet gehörte Maß hinausgeht und über das von Zöller gehörte Maß sogar weit hinausgeht. Die Lockerheit der Tonbildung fehlt nun ein wenig, es wird zudem sehr viel Druck erzeugt, wahrscheinlich um die Expression zu steigern. Eine richtige Klangrede wird so nicht daraus.

Beim Rondo ist der Druck wieder weitgehend gewichen, auch das Concertare wird wieder verstärkt aufgenommen. Der Gestus wirkt nun sanftmütiger. Marriner ist der Solistin ein zuverlässiger, dienender, aber auch inspirierter Partner. Hier wäre vielleicht etwas mehr tatenhungrige Lebenslust realisierbar gewesen, wie sie sehr gut in der Kadenz dieses Satzes durchkommt. Es bleibt beim aufmerksamen, beherrschten Spiel ohne Überraschungen. Alle drei Kadenzen wirken hochwertig.

Klanglich wirkt die Academy noch etwas weicher und fülliger als in der RCA-Einspielung mit Galway, d.h. auch weniger schlank. Der Gesamtklang wirkt transparent, brillant, offen und präsent. Von der klanglichen Dominanz der Solistin in den ersten beiden Sätzen ist im dritten nichts mehr zu bemerken.

 

4

Johannes Walter

Herbert Blomstedt

Staatskapelle Dresden

Eterna, Berlin Classic

P 1975

8:11  7:01  5:19  20:31

Johannes Walter war von 1963-2003 für 40 Jahre Soloflötist bei der Staatkapelle Dresden. Die Kapelle ist ähnlich groß besetzt wie die Wiener Symphoniker mit Jean-Pierre Rampal, spielen auch ähnlich beschwingt, klingen aber nicht ganz so butterweich, jedoch etwas offener. Johannes Walters Ton ist sehr schön klar, sinnlich und voll. Er erinnert an den Ton von Wolfgang Schulz. Atemgeräusche hören wir mit Ausnahme der Kadenz wenig, sein Gestus für den ersten Satz wirkt lebendig, sein Spiel ist allerdings schon im ersten Satz jederzeit mit einem leichten Vibrato versehen. Ob das im zweiten Satz gut geht? Das Orchester spielt dynamisch, wirkt aufmerksam und ziemlich großdimensioniert. Walter holt in der ersten Kadenz weit aus, sie wirkt aufwändig und wird brillant geblasen. Da in der Kadenz die Flöte hautnah mikrophoniert wird, hören wir nun auch viele Klappengeräusche.

Wie befürchtet gibt es im zweiten Satz Vibrato mit hoher Amplitude, es klingt nun fast zittrig und tremolant. Weniger wäre hier mehr gewesen. Den Hochdruck von Irina Grafenauer erspart uns Johannes Walter. Mit reduziertem Vibrato wäre es eine sehr schöne Darbietung geworden. Andere Zeiten, andere Sitten. So ist der zweite Satz vielleicht für Retrofans mit Freude genießbar.

Ein flinkes Blondchen erscheint während des dritten Satzes vor dem geistigen Auge. Im schnellen letzten Satz wirkt das Vibrato naturgemäß wieder viel besser, weil reduziert. Dieses Mal dient es mehr der Verlebendigung, Besonders subtil ist es immer noch nicht. Wir sehen, das Vibrato war vielerorts ein beliebtes „Handwerkszeug“ der Gestaltung. Vor einigen Jahrzehnten war es noch viel beliebter als heute. Dass dies heutzutage nicht mehr der Fall ist und nun bereits als verpönt angesehen wird, wenn übertrieben wird, ist auch eine Folge der Durchdringung mit den Ideen der historisch informierten Aufführungspraxis.

Der Klang der Einspielung ist weich, großdimensioniert und recht füllig. Wir haben das Orchester aber schon geschmeidiger aufgenommen gehört, sogar in älteren Aufnahmen. Das Orchester wird etwas weiter zurückgesetzt als nötig. Die Flöte wird sehr körperhaft in den Raum vor dem Orchester gestellt.

 

4

Hubert Barwahser

Colin Davis

London Symphony Orchestra

Philips

P 1964

6:52  6:55  5:34  19:21

Der ehemals deutsche, später dann niederländische Musiker spielte von 1936-1971, also 35 Jahre lang als 1.Flötist im Concertgebouw-Orchester Amsterdam. Eine ältere Aufnahme erschien bereits Mitte der 50er Jahre mit John Pritchard und den Wiener Symphonikern die unter anderem bei Epic erhältlich war.

Colin Davis lässt das LSO, das kurz zuvor das Konzert bereits mit Pierre Monteux eingespielt hatte, ziemlich forsch beginnen. Herr Barwahsers Ton wird nicht gerade prominent eingefangen, er scheint aber im Gegensatz zum Orchester zudem eher zurückhaltend zu Werke zu gehen. Seine Gestaltung ist zwar schwungvoll und sein Vibrato gerade auch in Anbetracht der zuvor gelisteten Einspielung von Johannes Walter ziemlich reduziert, er kehrt den virtuosen Aspekt des Konzertes jedoch nicht gerade hervor. Tonlich fällt er etwas hinter Wolfgang Schulz und Johannes Walter zurück.  Er bietet weniger Fülle und weniger Glanz an. Die Klappengeräusche sind leise aber nicht aufdringlich hörbar.

Wie erwartet verstärkt auch Barwahser im zweiten Satz sein Vibrato, aber es schwingt schneller als bei Walter und wirkt dadurch etwas schlanker und trägt nicht dick auf. Nur die langen Liegetöne kommen auch bei Barwahser ins beben. Man kann den Satz als eine kleine Elegie sehen, aber muss sie deshalb wie vor Angst zittern? Bei Hubert Barwahser sind die Anblasgeräusche auffallend laut. Das Orchester spielt erneut (wie bereits bei Monteux) dynamisch differenziert.

Der Gestus des Orchesterspiels wirkt im dritten Satz durchaus stramm, wenn nicht burschikos. Den Oboen täte etwas mehr Feinschliff ganz gut. Die Klappengeräusche wetteifern im schnellen Satz mit dem eigentlichen Ton der Flöte fleißig um die Gunst beim Publikum. Dynamische Differenzierung ist Barwahsers Sache nicht.

Im Gesamtklang könnte das Orchester freier schwingen. Die Proportionen von Orchester und Flöte stimmen gut. Mit der gebotenen Transparenz ließe sich gut leben. Die Raumtiefe ist gering und insgesamt wirkt die Aufnahme etwas trocken. Gehört wurde eine LP.

 

4

André Pepin

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1957

8:09  5:15  5:37  19:01

Monsieur Pepin kommt als Flötist unverkennbar aus der alten französischen Schule. Er war von 1932-1971 Soloflötist beim Orchestre de la Suisse Romande. Man kann ihn aber auch häufiger bei Aufnahmen mit Karl Münchinger und dem Stuttgarter Kammerorchester hören, unter anderem auch deshalb, weil die Stuttgarter für ihre Aufnahmen oft in die Genfer Victoria Hall gefahren sind, da Decca dort schon sehr früh ein fest installiertes Aufnahmeequipment betrieb.

Dem Orchester geht in dieser Einspielung die Fülle und Wärme einer Academy ab. Der Flötist ist eine ähnliche Spielweise wie Claude Monteux eigen. Der Klang der Flöte wirkt belebt, das Vibrato einigermaßen sparsam. Pepin bevorzugt einen eher bescheidenen als auftrumpfenden Vortragsstil. Das Erstellen einer Hochglanzfassung scheint auch nicht auf der Agenda von Ernest Ansermet gestanden zu haben. Die Klappengeräusche hat der Schweizer Flötist bestens im Griff, die Dynamik könnte ein wenig besser nuanciert sein.

Eine andere Welt tut sich im zweiten Satz auf. Nun wird das Vibrato zu einem temoloartigen Zittern. Für heutige Hörer:innen dürfte das des Guten zu viel sein. Ansonsten gefällt der offene Ton auch im zweiten Satz ganz gut, er bekommt durch die spezielle Anblastechnik einen „rauchigen“ Unterton. Ein Hauch von Mezzosopran wenn man so will. Das Orchester wird zu großem Ausdruck angehalten, soweit es das Notenbild hergibt.

Dem Orchester fehlt in den schnellen Partien des Rondos die Perfektion der besten Orchester von heute. Die Flöte wirkt in ihrem Vortrag nun schüchtern und ein wenig verlegen. Als ob Blondchen sich und ihren Mitstreitern den Befreiungs-Coup aus dem Serail gar nicht zutrauen würde. Eine eigentlich realistische Einschätzung, wenn man die Fakten sieht. Aber in der Oper sieht es doch, realitätsfern wie so oft, anders aus. Man wünschte sich eine etwas strahlendere, selbstbewusstere Tongebung. Dies ist eine mit Gefühl geblasene Version des Konzertes, die mitunter klanglich „zerbrechlich“ und mitunter wie ein Bad im Vibrato wirkt.

Das Orchester wirkt in der frühen Decca-Stereo-Aufnahme dieses Mal etwas belegt und kratzig, weniger prall als man es in anderen Aufnahmen schon gehört hat (Debussy: Trois Nocturnes). Der Klang ist jedoch angenehm präsent und wirkt unmittelbar.

 

4

Arife Gülsen Tatu

ohne Dirigent

Salzburger Mozart-Solisten

Cascade, Aurophon, Onyx, Point Classics

P 1989

8:02  8:04  5:31  21:37

Die türkische Flötistin erhielt ihre Ausbildung in Essen und Freiburg. Danach wurde sie, wenn wir das richtig verstanden haben, bereits pädagogisch tätig, zunächst in Karlsruhe und Stuttgart, danach wurde sie Professorin in Trossingen. Erst anschließend (also in der umgekehrten Reihenfolge wie üblich) übernahm sie die Stelle der Solo-Flöte im Istanbuler Staatsorchester, danach in Izmir.

Das kleinere Orchester klingt routiniert und könnte etwas besser akzentuieren. Der Flöte ist ein schnelles Vibrato eigen, das man noch als passend bezeichnen kann. Ihr lebhafter Ton ist voll, gesund und prall. Leider hören wir alles in exakt der gleichen Lautstärke. Das wirkt schon bald ziemlich monoton und bisweilen aufdringlich. Technisch sind alle Schwierigkeiten gemeistert. Besonders in der Kadenz wird das permanente Starkvibrato einfach zu viel.

Im zweiten Satz bevorzugt sie ein deutlich langsameres Tempo als Bézaly oder Gallois. Sollte sie sich am Tempo der Oboenfassung orientiert haben? Es wirkt so jedenfalls besinnlicher. Aber der stets gleichbleibende, kräftige und strahlende Hochdruckton relativiert diese Stimmung schon bald wieder. Dem einseitigen, pauschal wirkenden Schönspiel fehlt es entschieden an Differenzierung. Auch das Orchester gibt keine Impulse. Übrigens bleibt auch die Kadenz immer in der gleichen Lautstärke.

Das Tempo des dritten Satzes gefällt. Dynamisch bleibt alles beim Alten. Wir hören ein solides Spiel ohne jede Überraschung. Die dritte Kadenz wirkt etwas weitschweifig, aber nicht unpassend.

Die Violinen klingen nur zu Beginn ein wenig gepresst. Die Flöte wirkt gegenüber dem Orchester übermäßig in den Fokus gerückt.

 

4

James Galway

auch Dirigent in Personalunion

Chamber Orchestra of Europe

RCA

1985

8:00  6:28  5:29  19:57

Dies ist die mittlere der drei gehörten Einspielungen von James Galway. Sie hat uns am wenigsten gefallen. Der mittlerweile typische Gold-Ton, zu Beginn der Karriere Galways war eine goldene Flöte noch was ganz Besonderes, wirkt nun dunkel getönt und, so würde es in der Jugendsprache ausgedrückt: „fett“. Oder auch „aufgepimpt“. Das Dauervibrato nimmt bei der Gestaltung überhand. Bei den Spitzentönen gibt es als Sahnehäubchen noch eine Extra-Vibrato obendrauf. Das Orchesterspiel hat man in den beiden anderen Aufnahmen schon feingliedriger und schattierungsreicher gehört. Auch Galways Ton, satt wie er klingt, überdeckt leicht feine, zerbrechliche Nuancen, die es nun nicht mehr zu geben scheint. Bei allem Glanz ist es auch nicht zu überhören, dass die Legato-Figurationen nur noch gleichförmig durchlaufen.  Der Dirigent Galway hat dem Flötisten ein wenig Aufmerksamkeit weggenommen.

Der zweite Satz kommt nun gewichtig und getragen daher. Das Orchester kommt besser zur Geltung als im ersten Satz. Galway ist nun mehr Primus inter pares. Das Dauervibrato verhindert es, dass der Satz wirklich einmal zur Ruhe kommt. Was als kurzes Solo im Orchester einfach toll klingt, macht hier in dieser ausgedehnten Länge und Fülle einen überzuckerten Eindruck und wirkt aufdringlich.

Im dritten Satz verhindern die schnellen Läufe (naturgemäß) den Einsatz von Vibrato. Sie wirken in dieser Einspielung zwar sprudelnd, in Kombination mit der Süße der Tongebung ergäbe sich ein moussieren wie bei einem Schaumwein, insgesamt jedoch wenig charmant. Das prickeln eines trockenen Champagner bliebe jedoch aus. In den Kadenzen gewährt Galway Einblicke in seine Virtuosität und Musikalität. Auf einen Dirigenten zu verzichten war keine gute Entscheidung, die Aufnahme von 1995 bestätigt dies.

Der Klang der Aufnahme wirkt dunkel getönt und nicht sonderlich transparent. Die Flöte hat allseits Vorfahrt. Das Orchester verhält sich erstaunlich wenig kammermusikalisch. Dies ist eher eine typische Star-Produktion.

 

 

Panflöte als Soloinstrument

 

5

Simion Stanciu, genannt Syrinx

Hans Graf

Mozarteum-Orchester Salzburg

Erato

1990

8:15  7:07  5:51  21:13

Der rumänische Flötist benennt sich in seinem Künstlernamen sowohl nach der Nymphe der griechischen Mythologie, als auch nach der Panflöte selbst, die zudem auch noch einem Solostück für die Flöte von Claude Debussy den Namen gab. Neben Georghe Zamfir, der KV 314 unseres Wissens nicht eingespielt hat, ist Simion Stanciu der bekannteste Panflötist. Der heute noch praktizierende Ulrich Herkenhoff konnte an die Popularität der beiden nicht anknüpfen, da er auch TV-Shows und die damit verbundene Populärmusik zu meiden scheint.

Nach den beiden früheren Einspielungen, die das Mozarteum-Orchester in unserem Vergleich von dem Stück unter Leopold Hager gemacht hat und die einen hemdsärmeligen Eindruck hinterließen, stellt diese eine deutliche Verbesserung dar. Mit Hans Graf am Dirigentenpult wirkt das Orchester ungleich sensibler, wenngleich es an die Brillanz der Academy noch immer nicht ganz herankommt. Die Panflöte (die „Urflöte“) wirkt in diesem klassischen Umfeld zunächst wie ein ungewohnter exotischer Fremdkörper, aber daran gewöhnt man sich schnell. Man merkt sofort, dass der Notentext (fast) originalgetreu gespielt wird und das super sauber und mit sehr viel Gespür. Es wirkt buchstäblich unerhört und spannend. Ein spritziges Tempo darf man nicht erwarten, denn man sollte sich die zum Teil sehr großen Abstände zwischen den einzelnen Tonröhrchen (Pfeifen) vorstellen, die hier bei jedem Intervall genau und in der vorgegebenen Zeit getroffen werden müssen. Das grenzt schon an Hexenwerk oder Zauberei. Der frische Grundduktus bleibt dennoch erhalten. Belebt und beschwingt wirkt es auch so. Und sogar differenziert in der Dynamik. Wenn man schon dutzende Einspielungen mit den modernen Flöten gehört hat und man darf von der Panflöte aus gesehen auch die Traversflöte als modern bezeichnen, fällt allenfalls eine minimale Verzögerung bei den weiten Intervallsprüngen (Oktaven) auf. Es wird uns auch eine ausgewachsene, fantasievolle Kadenz angeboten, der es an Virtuosität vergleichsweise nicht mangelt.

Die Legato-Kultur im zweiten Satz begeistert, vor allem wenn man sich die Einfachheit des Instruments vergegenwärtigt. Auch die Präzision der Triller und die Intonationssicherheit müssen als erstaunlich erwähnt werden. Sehr gerne hätten wir den Satz einmal mit einem zur Panflöte passenden Originalklangensemble gehört. Vielleicht wäre man bei einem griechischen Folkloreensemble fündig geworden? Das Mozarteum Orchester macht seine Sache aber auch sehr gut.

Auch im dritten Satz spielt es präziser und geschmeidiger als unter Hager. Wir hören eine vollgültige Wiedergabe, bei der gegenüber den anderen Flöten-Versionen allenfalls das letzte Quäntchen Tempo vermisst werden könnte. Größten Respekt und volle Bewunderung für die instrumentale Meisterschaft des Herrn Stanciu.

Der Klang der Aufnahme ist sehr klar und deutlich. Die Flöte ist mit dem Orchester sehr gut ausbalanciert und nicht überrepräsentiert.

 

 

Irrungen und Wirrungen bei der Instrumentenwahl

 

 

 

Cello als Soloinstrument

 

1-5

Sol Gabetta

Sergio Ciomei

Kammerorchester Basel

RCA

2008

7:26  6:52  6:35  20:53

Sol Gabetta folgt in der „Celloversion“ weitgehend der Flötenfassung. Das Orchester klingt, als hätte es sich ganz speziell dem Soloinstrument angepasst, denn so weich und geschmeidig klingt kein Begleitensemble der anderen Versionen. Es wird ein sehr weicher Schmelzklang gewünscht und realisiert. Inwieweit die Technik dabei unterstützend geholfen hat, wissen wir nicht. Es fehlt dem Orchester aber auch nicht an Drang. Auffallend ist die Unterstützung mit einem Zupfinstrument, wir nehmen einmal an, es könne eine Mandoline gewesen sein, ein spezielles Cembalo käme wohl auch in Frage. Leider hatten wir kein CD-Beiheft zur Hand, um den Fall abschließend zu klären. Was sofort auffällt und das ist erheblicher beim Hörerlebnis als man zunächst annehmen mag: Die Zäsuren für die Atmung spielen nun überhaupt keine Rolle mehr. Dem gegenüber war die Permanentatmung der jüngeren Bläsergeneration nur ein „Vorgeschmack“. Nach 81 „beatmeten“ Versionen blieb uns beim Verfolgen der Version von Sol Gabetta ein ums andere Mal die Luft weg, denn Frau Gabetta kann ohne mit der Wimper zu zucken Bögen bis schier zur Unendlichkeit spinnen ohne dass ihr Cello einmal Luft holen müsste. Ihr Gestus ist feurig-vital, sie spielt aber dabei im Eifer des Gefechts über manch ein Detail hinweg. Oder anderes hat bei ihr mehr Bedeutung als noch zuvor. So kann sie Übergänge ganz anders auszelebrieren, was bei einem Blasinstrument nie gelingen oder seltsam wirken würde. Sie spielt ungemein musikalisch und spannend. Wie allseits bekannt, kann sie auf ihrem Cello einfach alles. Der Celloklang erobert auch die Grundsubstanz des Konzertes, der Ausdruck ändert sich jedenfalls deutlich. Wir haben es ja auch plötzlich nicht mehr mit einer „weiblichen“ Sopranstimme zu tun, sondern mit einem gestandenen Tenor. Und bei einem Tenor ist manches plötzlich in einem anderen Licht zu sehen oder wirkt plötzlich nicht mehr so schlüssig oder zumindest anders. Wie gesagt Irrungen und Wirrungen.

Im zweiten Satz lässt sich mit dem Cello ganz hervorragend elegisch schmachten, während das Orchester mit kaum zuvor gehörter Klangfülle und Streicherschmelz alles unternimmt um den Celloklang adäquat zu betten. Das klingt ungemein luxuriös.

Gabetta ist im dritten Satz voll in ihrem Element. Empfindsamkeit wird, wie bereits im zweiten Satz, Großgeschrieben. Hier zaubert sie den Blasinstrumenten ordentlich was vor. Da sind Aufblühungen zu hören, die ein Blasinstrument nicht realisieren kann. Sol Gabetta versucht auch nicht beim Spielen ein Blasinstrument zu imitieren, sie spielt ein Cellokonzert. Als Oboen- oder Flötenkonzert geht diese Version in vielerlei Hinsicht dann natürlich am Thema vorbei (allein die Stimmlage ist gelinde gesagt problematisch), dafür gibt es nur eine 1, als ein neues Cellokonzert von Sol Gabetta, mehr oder weniger frei nach Mozart, gibt es eine dicke 5.

Der Klang der Aufnahme ist leicht hallig, aber plastisch und gut tiefengestaffelt. Er wirkt nicht so transparent, wie es das AD vermuten ließe.

 

Trompete als Soloinstrument

 

1-5

Maurice André

Edmond de Stoutz

Zürcher Kammerorchester

EMI

1990

7:01  6:08  5:34  18:43

Auch Maurice André hat eine Vergangenheit als Orchestermusiker. Er spielte die Solotrompete zuerst beim Orchestre Lamoureux in Paris, dann beim Orchestre National de l´ORTF ebenfalls in Paris, bevor er 1963 den ARD Musikwettbewerb gewann und sich ermutigt sah, eine Solokarriere ohne Orchesterdienst zu beginnen.

Maurice André, der Tausendsassa der Trompete, hat KV 314 nur zwei Mal eingespielt. Das Haydn-Konzert hingegen bestimmt mindestens fünf Mal. Die erste Einspielung mit Sandor Frigyes mit einer hohen, wir vermuten, Piccolo-Trompete, das zweite Mal mit Edmond de Stoutz und einer wesentlich voluminöser und tiefer klingenden Trompete, wir vermuten mit einem Flügelhorn. In dieser Version wurde das Konzert nach As-Dur transponiert. Das ist tatsächlich weit weg vom ursprünglichen C oder D-Dur. Fast so weit wie ein Blechblas- von einem Holzblasinstrument (und dazu gehört auch die Böhm-Flöte immer noch, obwohl kein Holz mehr dran ist). Der Gestus wirkt verändert. Das Spiel wirkt viel gelassener und cremiger, nachdem es 1977 noch hektisch wirkte. Auch schattierungsreicher. Er trifft den Oboenton nun viel besser als zuvor mit der Piccolo-Trompete.

Auch im zweiten Satz findet man das Orchester in der Begleiterrolle, sachte und ein wenig devot zeigt es nur selten etwas mehr Statur. Zum fein abgedimmten Ton der Trompete passt das sehr gut. Die Wirkung erscheint nun passender und viel näher am Original mit der Oboe als die ältere Einspielung mit der Piccolo-Trompete.

Für den dritten Satz begibt sich die Trompete soweit möglich auf ihre Samtpfötchen. Eigentlich wird der Satz nun auch zu einem Fest für den Liebhaber des Blechblasinstruments. Mit dem Oboenkonzert ist das Resultat immer noch kaum vergleichbar. Nur innerhalb der drei vorliegenden Versionen mit der Trompete ist die Bewertung zu verstehen.

Die Trompete beherrscht das Klangbild, das Orchester wirkt zurückhaltend und untermalend. Fein artikulierend befindet es sich dennoch nahe einer Statistenrolle.

 

1-4

Maurice André

Sandor Frigyes

Franz-Liszt-Kammerorchester Budapest

Erato

1977

6:46  7:18  5:46  19:50

André spielt die kleine Piccolo-Trompete leicht wie andere die Blockflöte. Weich, rund und wie selbstverständlich strahlend. Ein „Naturtalent“ wie ihn gibt es nicht allzu oft. Probleme mit der Atmung sind ihm fremd. Der fröhliche Gestus geht in einem durch, kleine dynamische Differenzierungen sind ihm auch noch möglich. Ansonsten ist die Artikulation immer gleich. Die Kadenz ist sehr virtuos, wirkt aber (dennoch) musikalisch.

Im zweiten Satz zeigt sich dann (spätestens) wie weit die Trompete von einer (weiblichen) Singstimme entfernt ist und wie nahe dagegen die Oboe. Bei aller Kantabilität bleibt der Klang zu hart, trotz des leichten Vibratos, das André sogar bemüht, um das Beste daraus zu machen. Vibrato ist völlig untypisch für Blechbläser und man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, es sei verpönt. Den glanzvollen Trompetensound kann er damit nur unwesentlich kaschieren. Und wärmer wird der Klang dadurch auch nicht.

Glasklares Spiel im dritten Satz, musikantisch-frisch, aber ohne besondere Finessen. In der Kadenz fühlt sich Andé ermutigt, sein wahres Können zu zeigen, da sind aberwitzige Skalen dabei, die man einer Trompete nicht ohne weiteres zugetraut hätte. Die 4 sollte eigentlich eine 4-5 sein, sie passte aber nicht hin. Die eins ist dafür, dass es ein Oboenkonzert ist und wenn überhaupt noch ein Flötenkonzert, aber nie und nimmer ein Trompetenkonzert werden sollte. Dennoch macht André noch das Beste draus.

 

1-4

Gabor Boldocki

Howard Griffiths

Zürcher Kammerorchester

Sony

2003

7:53  6:07  5:41  19:41

Selbiges kann man von der Hochglanzversion Gabor Boldockis nicht ohne weiteres sagen. Er ist durch und durch Trompeter und das Konzert soll auch nichts anders sein als ein Bravour-Stück für Trompete. Er spielt seine stupende Virtuosität voll aus, ohne jeden Skrupel. Und anders als bei André oder sagen wir besser, noch deutlicher als bei André stößt er damit gegen fest eingebrannte Hörgewohnheiten, die man – trotz guten Willens – kaum aus dem Kopf bekommt: Denn den Gout des Triumphs nach beackern des kriegerischen Einsatzgebietes (Aida), in der Militärmusik (Wellingtons Sieg), den Märschen der Blaskapellen oder das biblische Bild der Apokalypse (Trompeten von Jericho) verschwinden nicht plötzlich auch wenn Mozart auf den Noten steht. Das ist eine schier unüberwindliche Hypothek für das Oboenkonzert.  Bei Boldocki fällt das noch viel mehr auf als bei André. Er spielt übrigens eine Scherzer G Piccolo-Trompete, was man aus dem Beiheft entnehmen kann, damit sich der froh gelaunte Trompetenspieler vielleicht auch genauso ein Instrument kaufen möchte.

Das Orchester spielt natürlich, locker und frisch. Die Trompete glanzvoll, beim ein oder anderen Phrasenende wird dann auch mal richtig geschmettert. Darf man es einem Trompeter verübeln, wenn er das macht? Sonst ist alles gleichlaut im ersten Satz. Andrés Kadenz war pfiffiger, virtuos ist Boldocki auch, und wie.

Die intime Stimmung des zweiten Satz kommt nicht gut rüber, die Trompete erweist sich als kontraproduktiv. Nun weiß man Andrés Wahl mit dem Flügelhorn erst richtig zu würdigen. Der reichlich zugegebene Hall macht aus den Einsätzen fast ein Echokonzert von Almgipfel zu Almgipfel daraus. (Hier haben wir ein wenig übertrieben.) Das Kunstgewerbe lässt grüßen. Das Tempo ist arg zügig, als ob die Mitwirkenden schnell zum dritten Satz kommen wollten, denn der passt wieder etwas besser.

Dazu lässt sich aber nur sagen, dass auch Boldockis Piccolo nicht wie eine Soubrette klingt und schon gar nicht nach Mozarts Blondchen.  Das alles ist zweifellos bewunderungswürdig perfekt geblasen, aber das Konzert ist einfach die falsche Wahl für das Instrument. Man sollte nicht unbedingt alles tun, was man kann.

Zum Klang: Das Orchester ist weniger eingehallt als die Trompete. Die aber so richtig. Das wirkt künstlich und klingt so noch massiver. Man wollte vielleicht den Mainstream-Geschmack damit noch besser treffen als mit einer „nur“ seriösen Aufnahme. Bereits die Trompete ist so raumfüllend, dass es gar kein Orchester mehr gebraucht hätte. Das Zürcher Orchester spielt aber mit Griffiths gut und viel selbstbewusster auf als unter Edmond de Stoutz. Dies nur, damit kein falsches Bild entsteht. Die aufgeblähte Räumlichkeit und die etwas synthetische Transparenz wirken fast schon wieder spektakulär. Auch der Klang der Aufnahme lässt jedwede intime Stimmung vermissen. Das Gegenteil von audiophil.

 

 

14.1.2023