Zoltan Kodaly
Tänze aus Galánta
(Galántai Táncok)
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Werkhintergrund:
Aus dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts blühenden ungarischen Musikleben ragten bald drei junge Männer und Freunde hervor, die in vielerlei Hinsicht miteinander verbunden waren - bis hin zu der Tatsache, dass die Klavierschülerin des einen zur Kompositionsschülerin des anderen und schließlich Schülerin und Ehefrau des dritten wurde. Ernst von Dohnányi, Béla Bartók und Zoltán Kodály waren als Interpreten und Lehrer aktiv und nahmen verschiedene Funktionen ein, in denen sie maßgeblich zur Professionalisierung und Modernisierung verschiedenster musikalischer Bereiche beitrugen, wobei ihr kreatives Schaffen, für das sie Weltruhm erlangten, da noch gar nicht berücksichtigt ist. Dohnányi vertrat als Komponist eine relativ konservative Richtung in einer Nachfolge von Brahms, Bartók war der vergleichsweise Progressive, der einen alternativen Weg zu den Neuerungen Igor Strawinskys oder Arnold Schönbergs entwickelte.
Zoltán Kodály ging demgegenüber einen Mittelweg. Seit frühester Jugend hatte er eine Affinität zum ländlichen Leben, die sich in den gemeinsam mit Bartók betriebenen Feldforschungen zur ungarischen Volksmusik weiter ausprägte und auch eine markante Rolle in seinem eigenen Schaffen erhielt. Neben der Volksmusik haben auch noch verschiedene andere Faktoren das Schaffen Kodalys beeinflusst, geprägt oder gefärbt: mittelalterliche Einstimmigkeit, polyphone Vernetzung, wie sie für Palestrina charakteristisch ist, barocke Auszierung des Wortgehalts und harmonische Kühnheiten der französischen Impressionisten, von denen Claude Debussy bei Kodaly den größten Eindruck hinterlassen hat. 1907 hatte der Komponist Paris besucht und dort auch Werke von Debussy kennengelernt. Es war ihm daran gelegen aus alldem eine Synthese zu erreichen.
Um dem geschätzten Leser und der geschätzten Leserin den Namen Zoltán Kodály noch etwas näherzubringen, immerhin ist dies der erste Kontakt mit ihm innerhalb unserer Reihe, seien noch ein paar weitere Stationen seines Lebens erwähnt. Er wurde einer der bedeutendsten Komponisten seines Landes, nach Bartók der bedeutendste, wenn man das so schreiben darf. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er der führende künstlerische Botschafter Ungarns. 1967 starb er im hohen Alter von fünfundachtzig Jahren in Budapest. Geboren wurde er am 16. Dezember 1882 in Kecskemét. Von seinem Vater bekam er den ersten Unterricht in Geige. Ab 1900 studierte er an der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest und begegnete dort als Student Béla Bartók, mit dem er bereits 1905 die erste von mehreren gemeinsamen Rundreisen unternahm, um das Volksliedgut seines Heimatlandes zu erforschen und zu dokumentieren. Bei einem Aufenthalt in Paris lernte er auch die Musik von Debussy und dessen Schülern kennen. Diese beiden Erfahrungen übten einen entscheidenden Einfluss auf das kompositorische Schaffen Kodálys aus. Seine frühen Werke lassen häufig noch den Einfluss der deutschen Romantik erkennen, in späteren Stücken treten die unregelmäßigen Rhythmen und häufig wiederkehrenden Phrasen ungarischer Musik, oft vermischt mit den farbigen Harmonien des französischen Impressionismus zutage. Während seine Neun Klavierstücke (1909) sehr impressionistisch klingen, weist sein erstes Streichquartett aus derselben Periode, das auf Volkslieder zurückgreift, schon auf die neuen Entwicklungen voraus. Kodálys Hauptwerk ist der Psalmus Hungaricus (1923) für Tenor, Chor und Orchester. Weitere bedeutende Werke neben zahlreichen Kammermusikwerken sind die Musik zu einem Singspiel Háry János (1926, daraus auch eine Orchestersuite) und eine Missa brevis (1942). Kodály war zeitlebens ein leidenschaftlicher Musikpädgoge. Er lehrte 35 Jahre lang an der Budapester Akademie und engagierte sich enthusiastisch für eine bessere Musikausbildung der Kinder und Jugendlichen. Zu seinen Werken, welche die Musikerziehung in Ungarn revolutionierten, gehören auch 333 Übungen zum Blattlesen (Blattsingen). Seine Methoden finden heute noch Anwendung.
Im Konzertrepertoire der letzten Jahrzehnte konnten sich nicht nur die die beliebtesten Werke Kodálys aufgrund ihrer attraktiven Mischung aus Gefühlswärme, Gedankenschärfe und musikantischem Schwung behaupten, sondern – nicht zuletzt wegen der Schallplatte – auch einige zuvor weniger bekannte und unterschätzte Stücke auch einiges an Kammermusik. Zu den bewährten, gewissermaßen unverwüstlichen Werken sind die im Volkstümlichen wurzelnden „Marosszeker Tänze“ von 1930 und die „Tänze aus Galánta“ von 1933 zu zählen. Beide liegen auch in Klavierfassungen vor, haben sich jedoch in den prächtig instrumentierten, intelligent mit slawischen Klischees operierenden und gegen sie opponierenden Orchesterfassungen durchgesetzt. In der ersten der beiden „Tanzdichtungen in Rondoform“ mit dankbaren solistischen Aufgabenstellungen hat Kodaly siebenbürgische Volkstänze verknüpft, während in den „Tänzen aus Galánta“ die Musik der Sinti und Roma im 18. Jahrhundert verarbeitet wird. Kodaly schreibt zu beiden Werken: „Meine Marroszeker Tänze wurzeln (anders als die Ungarischen Tänze von Brahms) in einer weit entfernten Vergangenheit, sie wiederspiegeln ein Feenland, das längst verschwunden ist.“ Stilistisch ähnlich sind die „Tänze aus Galánta“, obwohl die musikalische Sprache hier deutlicher auf die Tradition des 19. Jahrhunderts verweist.
Die „Tänze aus Galánta“ gehen auf eine dort ansässige Musikkapelle der Roma zurück - damals im allgemeinen Sprachgebrauch als „Zigeuner“ bezeichnet. Sie haben also nichts zu tun mit den „galanten Tänzen“ aus der Barockzeit, hierbei handelt es sich nur um ein zufälliges Homonym. Kodály verbrachte die Jahre 1885 bis 1892 in jener kleinen, heute westslowakischen, damals noch zu Österreich-Ungarn gehörenden Gemeinde, da sein Vater dort Bahnstationsvorstand war. Galanta liegt etwa 50 km östlich der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Vier Jahrzehnte später war es ein Werk anlässlich des 80-jährigen Bestehens der Budapester Philharmonie komponiert, für das Kodaly seine Gedanken in diese Zeit zurückwandern ließ, wie er im Vorwort zur Partitur festhielt:
«Galánta ist ein kleiner ungarischer Marktflecken an der alten Bahnstrecke Wien-Budapest, wo der Verfasser sieben Jahre seiner Kindheit verbrachte. Damals wohnte dort eine berühmte Zigeunerkapelle, die dem Kinde den ersten 'Orchesterklang' einprägte. Um 1800 erschienen in Wien einige Hefte ungarischer Tänze, darunter eines von verschiedenen Zigeunern aus Galántha. Jenen Heften entstammen die Hauptmotive dieses Werkes.»
Die Widmung lautet: A Budapesti Filharmóniai Társaság alakulásának 80. évfordulójára. (Unsere Taschenpartitur stammt aus Ungarn und eine Nutzung außerhalb Ungarns wird darin ausdrücklich untersagt, weshalb eine Übersetzung der Widmung folgerichtig fehlt. Natürlich sind wir um unseren Vergleich anzufertigen eigens nach Ungarn gefahren.) Die Uraufführung fand am 23. Oktober 1933 unter der Leitung von Ernst von Dohnányi statt.
Für die Geschichtsinteressierten: Vom Ende des 10. Jahrhunderts bis 1918 gehörte die heutige Slowakei (und damit auch Galanta) zum Königreich Ungarn und kam dann durch den Friedensvertrag von Trianon 1920 zur neu entstandenen Tschechoslowakei. Durch den Ersten Wiener Schiedsspruch von 1938 kam der Süden der Slowakei einschließlich Galanta vorübergehend bis 1945 wieder zu Ungarn.
In verschiedenen Quellen wird festgehalten, dass die Zigeunerkapelle danach (was immer mit „danach“ gemeint sein mag, man kann es sich denken) aus Galánta verschwunden sei.
Nicht nur Kodály, sondern auch zahlreiche andere Komponisten griffen auf diese Sammlung an Volksweisen zurück. Kodálys „Tänze aus Galánta“ bestehen aus fünf attacca ineinander übergehenden Teilen, in denen das Ausgangsmaterial vielfältig verarbeitet und in schillernde Orchesterfarben getaucht wird. Der Komponist wählte für das Werk eine freie Rondo-Form. Wie in einer Rhapsodie, der die „Tänze“ ebenfalls nachempfunden sind, findet man dort allerhand verschiedene Tempi.
- Lento (T. 1) - Andante maestoso (T. 50)
- Allegretto moderato (T. 97) - Andante maestoso (T. 151)
- Allegro con moto, grazioso (T. 173) - Animato (T. 209) - Andante maestoso (T. 229)
- Allegro (T. 236) - Poco meno mosso (T. 334)
- Allegro vivace (T. 421) - Andante maestoso (T. 566) - Allegro molto vivace (T. 579)
Als Instrumentierung sieht Kodály diese Instrumente eines großen Sinfonieorchesters vor:
Zwei Flöten, Piccoloflöte, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, Pauken, Schlagzeug, eine Streichergruppe bestehend aus erster und zweiter Violine, Violen, Violoncelli und Kontrabässen. Business as usual eigentlich, wenn man einmal davon absieht, dass Kodaly auf die Posaunen verzichtet hat. Warum? Das bleibt wohl sein Geheimnis. Vielleicht wollte er dem Blechbläsersatz nur einen schlankeren Charakter verleihen. Wir als Freunde des „schweren Blechs“ müssen seine Entscheidung dennoch bedauern.
Christian Heindl, Niederösterreichische Tonkünstler Betriebsgesellschaft m.b.H.|, schreibt dazu: „Die markante, thematisch im Verlauf wiederkehrende Melodie der Einleitung entspricht dem langsam gespielten Teil (lassú) vieler ungarischer Musikstücke, etwa auch dem Csárdás (oder auch der uns bestens vertrauten Rumänischen Rhapsodie Nr. 1 von George Enescu, Anm.). Dieses Thema kommt rondoartig im Verlauf mehrfach wieder. Ihm steht kontrastierend das lebhafte, wörtlich «frische» Element (friss) gegenüber. Als Kern des Werks kristallisiert sich der „Verbunkos“ heraus, eine Tanzform, die bei der Anwerbung junger Männer für den Soldatendienst gespielt wurde und sich mit ihrem speziellen Rhythmus als typisch ungarisch etabliert hat. Da steckt sogar das deutsche Wort Werbung noch irgendwie mit drin. (Der „Verbunkos“ wurde übrigens nicht von Paaren oder gar von Frauen (zwecks Werbung) getanzt, sondern von Husaren, Anm. des Verfassers.) Markant ist der Wechsel von Soli- und Tutti-Abschnitten, die abwechslungsreich aneinandergereiht werden. Nach und nach steigert sich das Geschehen, ebbt immer wieder kurz ab und mündet endlich in den Schlussteil, der das Werk mit einer feurigen Coda beschließt.“
Für die osteuropäische Volksmusik typisch sind die Halbtonschritte und Verzierungen, die rhythmischen Effekte durch Verschiebungen des Taktschwerpunkts (Synkopen) und die Instrumentierung mit dem frech hervortretenden Triangel und dem Glockenspiel. Eine besondere Rolle kommt der Klarinette zu, die mit einer ergreifenden Melodie sowohl nach der langsamen Einleitung, zwischendurch und auch im Finale solistisch hervortritt und dort den feurigen Tanzwirbel kurz in seine Schranken weist. Anschließend gibt sich Kodály noch einmal ganz dem Temperament der Sinti und Roma-Musik aus seiner Kindheit hin. Richtig dargeboten wird sich niemand der Sogkraft der Musik entziehen können.
Ob man den jungen Männern mit den Originaltänzen tatsächlich vorgaukeln konnte, dass sie als Soldaten in Dienst und Einsatz viel Spaß in Verbindung mit tänzerischem Elan und rhythmischem Schmiss zu erwarten hätten?
Die mitreißende Musik Kodálys, gleichzeitig temperamentvoll und schwermütig, schreit geradezu nach Choreographie, so dass man sich noch zu Lebzeiten des Komponisten bemühte, seine Komposition für das Ballett-Theater aufzubereiten. Und tatsächlich wurde ein Ballett choreographiert und 1956 in München auf die Bühne gebracht.
Nach Sichtung der Diskographie fällt auf, dass es besonders den Dirigenten vorbehalten zu sein scheint, das Stück rhythmisch und im Tempo voll auszureizen, die ihre Wurzeln selbst in Ungarn hatten, aber nicht in Ungarn bleiben konnten. Zu allererst zu nennen wären da (in alphabetischer Reihenfolge) Antal Dorati, Ferenc Fricsay, Eugene Ormandy, Fritz Reiner und Georg Solti. Bei der nachfolgenden Generation sind aus Ungarn kommend immer noch Istvan Kertesz und Ivan Fischer zu nennen. Hier stehen der geschärfte Rhythmus, eine mitreißende Dynamik und eine unmittelbare, straffe und strenge Gangart an oberster Stelle. Fast alle andere Dirigenten (Ausnahmen bestätigen die Regel) neigen mehr oder weniger zu einer eher romantischen Sichtweise auf das folkloristische Idiom des Werkes. Das hört sich dann langsamer, weicher, konzilianter und bestenfalls geschmeidiger an. Orchester und Zuhörer/innen dürfen in ihrer Komfortzone verbleiben. Auch die schnellen Tänze ab der Mitte des Stückes schrecken niemanden mehr auf.
Bei der jüngsten Generation, die uns jedoch (noch) lediglich aus Live-Mitschnitten aus Funk und Fernsehen bekannt geworden sind, ist eine Tendenz oder der Versuch zur Synthese zu beobachten. Man sieht das Urwüchsige durchaus und versucht es mit einer weich und farbig getönten, sensibel-romantischen Spielweise in Einklang zu bringen, was meistens gut gelingt.
Die „Tänze aus Galanta“ erfreuen sich anscheinend einer stetig wachsenden Beliebtheit bei Interpreten, Veranstaltern und Publikum, denn mit ihnen kann man das Orchester und sich selbst als Dirigent/in auf einzigartige Weise brillieren lassen. Die völlige Begeisterung des Publikums am Ende ist sowieso absolut sicher.
(Verwendete Taschenpartitur: Zenemükiado Vállalat, Budapest, Nr.23.,1934, antiquarisch erworben)
zusammengestellt bis 16.12.2023

Zoltan Kodaly um das Jahr 1933.
Übersicht über die im Anschluss besprochenen Einspielungen:
5
Istvan Kertesz
London Symphony Orchestra
Decca
1964
15:44
5
Ferenc Fricsay
RIAS Sinfonieorchester Berlin
(heute: Deutsches Sinfonieorchester Berlin)
DG
1956
14:53
5
Georg Solti
London Philharmonic Orchestra
Decca-Urania
1952
13:51
5
Ivan Fischer
Budapest Festival Orchestra
Philips
1998
15:48
5
Antal Dorati
Philharmonia Hungarica
Mercury, Alto
1958
15:03
5
Antal Dorati
Philharmonia Hungarica
Decca
1973
15:05
5
Victor de Sabata
Berliner Philharmoniker
DG
1936
14:30
5
Fritz Reiner
Pittsburgh Symphony Orchestra
Sony
1945
15:06
5
Eugene Ormandy
Philadelphia Orchestra
CBS-Sony
1962
15:15
5
Artur Rodzinski
Royal Philharmonic Orchestra (auf den alten Platten als „Philharmonic Symphony Orchestra of London“ bezeichnet)
Westminster
1955
15:42
4-5
Ferenc Fricsay
Sinfonieorchester des Süddeutschen Rundfunks (heute: SWR Sinfonieorchester)
SWR Classic
1955, live
16:42
4-5
Ivan Fischer
Budapest Festival Orchestra
Hungaroton
1990
15:32
4-5
Hugh Wolff
Saint Paul Chamber Orchestra
Teldec
1991
15:57
4-5
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Linn
2004
16:25
4-5
Günter Neuhold
Philharmonisches Staatsorchester Bremen
Antés
1996
14:54
4-5
David Zinman
Concertgebouw Orchestra Amsterdam
Philips
1985
15:58
4-5
Edo de Waart
Concertgebouw Orchestra Amsterdam
RCO Live
1982
16:03
4-5
Walter Süsskind
London Philharmonic Orchestra
EMI
1977
18:00
4-5
Charles Dutoit
Orchestre Symphonique de Montréal
Decca
1994
15:14
4-5
Neeme Järvi
Chicago Symphony Orchestra
Chandos
1990
16:30
4-5
Lawrence Foster
Gulbenkian Orchester, Lissabon
Pentatone
2009
16:47
4-5
Seiji Ozawa
Chicago Symphony Orchestra
EMI
1969
16:03
4-5
Kazuhiro Koizumi
Winnipeg Symphony Orchestra
CBC Records
P 1984
14:56
4-5
Yoel Levi
Atlanta Symphony Orchestra
Telarc
1996
16:05
4-5
José Serebrier
Brno State Philharmonic Orchestra (Brno zu Deutsch: Brünn)
BIS
1996
15:41
4-5
Gerard Schwarz
Seattle Symphony Orchestra
Delos, Naxos
1989
16:49
4
Arpád Joo
Budapest Philharmonic Orchestra
Sefel, Arts
1982
17:04
4
Adrian Leaper
Sinfonieorchester des Slowakischen Rundfunks, Bratislava
Naxos
1991
16:28
4
György Lehel
Budapest Symphony Orchestra
Hungaroton
1981
15:55
4
Jiri Kout
Prag Symphony Orchestra FOK
FOK, Arco Diva
2010, live
16:28
4
Janos Ferencsik
Budapest Philharmonic Orchestra
Hungaroton
1964
16:32
3-4
JoAnn Falletta
Buffalo Philharmonic Orchestra
Naxos
2017
17:16
3-4
Rico Saccani
Budapest Philharmonic Orchestra
BPO Live
1998, live
16:05
3-4
Adam Fischer
Ungarisches Staatsorchester (Hungarian State Symphony Orchestra)
Nimbus, Brillant
1990
17:11
Mitschnitte aus Rundfunk und Fernsehen, nur vereinzelt auf Tonträger oder Video zu erwerben, teils in den Media- bzw. Audiotheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu finden, teils auf YouToube.
5
Vladimir Jurowski
London Philharmonic Orchestra
BBC Radio 3
2011
15:20
5
Klaus Mäkelä
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Aufnahme des BR, gesendet vom ORF, unveröffentlicht
2020, live
16:35
5
Myung Whun Chung
Concertgebouw Orchester Amsterdam
NPO Radio 4 (?), unveröffentlicht (?)
2012, live
16:30
5
Antonio Pappano
Chamber Orchestra of Europe
Belgischer Rundfunk, gesendet vom SWR, unveröffentlicht
2022, live
16:06
4-5
Daniel Barenboim
Berliner Philharmoniker
SFB, Euroarts
2001, live
18:58
4-5
Joana Mallwitz
NDR Elbphilharmonie Orchester
NDR, unveröffentlicht
2023, live
16:05
4-5
Diego Matheuz
HR Sinfonieorchester
HR, unveröffentlicht
2011, live
17:17
4-5
Sir Neville Marriner
RSO Stuttgart des SWR
SWR, unveröffentlicht
2013, live
17:30
4-5
Tarmo Peltokoski
Kammerakademie Potsdam
HR, unveröffentlicht
2022, live
16:37
4-5
Tarmo Peltokoski
Deutsches Sinfonieorchester Berlin
RBB, unveröffentlicht
2022, live
16:46
4-5
Jaime Phillips
Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
SWR, unveröffentlicht
2014, live
16:04
4-5
Sir Mark Elder
Junge Deutsche Philharmonie
HR, unveröffentlicht
2023, live
16:33
4
Laszlo Kovacs
Münchner Rundfunkorchester
BR, unveröffentlicht
AD ? live
16:11
4
Christian Macelaru
Orchestre National de France
Aufnahme vom Rumänischen Rundfunk, gesendet vom SWR, unveröffentlicht
2023, live
16:25
4
Simon Gaudenz
Euroclassic Festival-Orchester
SWR, unveröffentlicht
2022, live
15:49
4
Gilbert Varga
MDR - Sinfonieorchester
MDR, unveröffentlicht
2011, live
15:40
Vergleichende Rezensionen im Detail:
5
Istvan Kertesz
London Symphony Orchestra
Decca
1964
15:44
Schon bei vielerlei Gelegenheiten haben wir die Decca-Aufnahmen des LSO aus den 60er Jahren lobend herausgestellt und auch 1964 zeigt sich das LSO in Spendierlaune. Seine Darstellung, angefeuert vom jungen Istvan Kerstesz, der gerade erst Chef der Kölner Oper geworden ist und bereits im nächsten Jahr zum „eigenen“ Chef ernannt werden wird, ist überaus gespannt, dramatisch, kontrastreich und abenteuerlustig. Die Soli kommen wunderbar präsent heraus und wirken lebendig und brillant. Das des Hornes gleich bei Takt 10 überwältigt schon fast mit seinem mächtigen ff. Wir sollten uns bei der Gelegenheit in Erinnerung rufen, dass kein geringerer als Barry Tuckwell von 1955 bis 1968 Solohornist des LSO war. Die weit ausschweifenden, rhapsodischen Klarinettensoli klingen frisch und auch klanglich exzellent, wenn auch noch nicht so samtig wie heutzutage. Auch die Flöte überzeugt mit ihrer Strahlkraft. Zum Niederknien wieder einmal die Trompeten. Gerne hätten wir die damals ebenso unmittelbar attackierenden Posaunen auch wieder gelobt, aber der Komponist hatte etwas dagegen und sie nicht besetzt. Die saftigen Streicher, allen voran die flexiblen und quirligen Violinen helfen dabei die Spannung voll auszureizen. Das Holz als Ganzes zeigt sich farbig und flexibel, einziges kleines Manko sind die tendenziell hart klingenden Oboen.
Die Rhythmen sind feurig, die Animati voller elektrisierender Antriebskraft. Die ff haben ihr Maestoso mehr als verdient. Ungarischer, d.h. feuriger und „gepfefferter“ kann ein Orchester kaum klingen, so als hätte man sich die Puszta-Gewürze intravenös zugeführt. Die Darbietung geht unmittelbar ins Tanzbein und Dank maximaler Dynamik und dem gegen Ende ekstatischen Schwung dürfte kaum ein Auge trocken bleiben. In Hinsicht auf ungehemmte Virtuosität und atemberaubendes Tempo gehen de Sabata, Reiner, Ormandy und vor allem Georg Solti noch weiter. Sie klingen noch ein wenig urwüchsiger und rauer. Aber bei dieser Londoner Produktion kommt auch noch eine kongeniale Aufnahmequalität hinzu, die das Orchester erst so richtig brillieren lässt.
Der Decca-Klang ist saftig, voll und präsent. Er strotzt nur so von satten Farben bleibt aber schlank und sehnig-muskulös. Die Dynamik wirkt weit und lässt die Funken nur so sprühen. Die sf und sff wirken überfallartig und unvermittelt. Leichtes Rauschen wird nur bei leisen Stellen, z.B. bei den Klarinettensoli hörbar. Räumlichkeit und Staffelung des Orchesters im Klangbild überzeugen voll.
5
Ferenc Fricsay
RIAS Sinfonieorchester Berlin
(heute: Deutsches Sinfonieorchester Berlin)
DG
1956
14:53
MONO Mit Ferenc Fricsay gibt es seit kürzerer Zeit noch eine zweite Einspielung der „Tänze aus Galanta“, die von SWR Classic mit dem damaligen Südfunk-Sinfonieorchester herausgebracht wurde. In ihr soll ein Live-Mitschnitt von 1955 dokumentiert worden sein. Dazu später mehr.
Das Berliner Orchester, dem Fricsay als Chef von 1949 - 54 und erneut von 1959 - 63 (dazwischen gab es keinen anderen Chef) vorstand, klingt noch homogener und voller als das Stuttgarter und es spielt noch kontrastreicher, leidenschaftlicher und inspirierter. Kein Wunder, denn zu seinem Einstand als Chef warb man dem Orchester der Deutschen Staatoper „Unter den Linden“ 30 der besten Musiker ab. Die Hörner trumpfen noch etwas mehr auf und die Klarinette wird voll in den Fokus genommen. Die Soli werden bestens herausgestellt (auch das der Cellogruppe). Bestechend ist der jubelnde Gesamtklang des ganzen Orchesters. Die Darbietung ist temporeich und sehr spannend, gibt aber auch den sehnsuchtsvollen Passagen Tiefe und bleibt den verspielten und furiosen nichts schuldig. Der Rhythmus wird bestechend klar herausgearbeitet (ein besonderes Kennzeichen auch der anderen „alten“ ungarischen Dirigenten), genauso wie die furiosen Stringendi. Das Spiel wirkt mitreißend. Die humoristischen „Einlagen“ hört man kaum sonst so deutlich und sinnfällig herausgearbeitet. Sogar wenn die Bewegung vom Tempo her nur schreitend erscheinen mag, bei Fricsay wirkt sie tänzerisch. Das abschließende Allegro vivace setzt dem Ganzen die Krone auf, denn zugespitzter geht es kaum noch. Was für Hörner und was für Trompeten!
Der Klang der Studioproduktion wirkt noch etwas sonorer und „substanzreicher“ als die Stuttgarter Produktion, die angeblich live eingespielt worden sein soll. Sie wirkt auch dynamischer. An den Kontrastreichtum und die Brillanz des 64er Decca-Sound kommt sie jedoch nicht heran, auch an die 62er Ormandys nicht. Sie klingt aber schon farbig und dynamisch und vor allem bereits erstaunlich transparent für eine Mono-Aufnahme aus den mittleren 50ern.
5
Georg Solti
London Philharmonic Orchestra
Decca-Urania
1952
13:51
MONO Georg Solti setzt die Musik von Anfang mächtig unter Strom. Die Dynamik wird, soweit die ziemlich miese Übertragung von Urania eine gerechte Beurteilung zulässt, weitestmöglich ausgereizt. Die Befindlichkeiten des Orchesters sind Solti dabei herzlich egal. Kein Wunder, dass sich das Orchester andere Chefdirigenten auswählte und Herrn Solti bis 1979 außen vorließ, bis sich das überschäumende Temperament und die unerbittliche Durchsetzungskraft ein wenig gemäßigt hatten. Zur Zeit der Aufnahme war übrigens Adrian Boult Chef des Orchesters (1950 -1957) und er hielt es offensichtlich in sehr guter Verfassung.
Das überschäumende, vor allem auch fordernde und damals wohl nur kaum kontrollierbare Temperament (diesen Eindruck hinterlässt diese Einspielung) Soltis hat aber zur Folge, dass das LPO wirklich das letzte gibt, was es an Virtuosität aufzubieten hat. Da fliegen weniger die Funken als die vielmehr die Fetzen. Sehr schade, dass es von Solti nicht noch eine Stereo-Einspielung aus den 60ern gibt, vielleicht mit dem LSO, sie wäre wohl superb geworden. Diesen Job übernahm dann Herr Kertesz und der machte es ja auch nicht schlecht.
Der Meister des Feuers hat hier eine Suppe angesetzt, dass einem vor lauter Pfeffer und Paprika (wahrscheinlich vornehmlich Chilis der schärfsten Jalapeno-Kategorie oder noch tabascogesättigter) die Ohren qualmen. Wenn es um ungebremstes Temperament geht kommt man bei den „Tänzen aus Galanta“ an Soltis Aufnahme nicht vorbei.
Der Klang löst, zumindest vermittelt durch unsere Urania-Version, keine Euphorie aus. Sie neigt mitunter zum Übersteuern, sodass es im ff zu Verzerrungen kommt. Eine erstaunliche Transparenz und eine erstaunliche dynamische Frische bleiben jedoch erhalten. Selten hört man sogar leichte Laufgeräusche einer Schallplatte. Sie konnten beim Transfer offensichtlich nicht restlos eliminiert werden. Ziel bei der Beschaffung sollte eine originale Decca-CD sein, die gibt es nämlich mittlerweile wieder auf dem Markt.
5
Ivan Fischer
Budapest Festival Orchestra
Philips
1998
15:48
Ivan Fischer hat das Stück Kodalys zwei Mal eingespielt. Das erste Mal noch für Hungaroton 1990, das zweite Mal dann für das neue Label Philips. Beide Male war das Budapest Festival Orchestra mit von der Partie. In den acht Jahren konnte die Qualität des Orchesters und vor allem die Aufnahmequalität noch weiter verbessert werden. Auch die Interpretation wirkt 1998 noch freier und zugespitzter.
1998 geht es schon druckvoller und expressiver los, die Steigerungen wirken noch losgelöster (von spieltechnischen Belangen) und temperamentvoller. Die Virtuosität des Orchesters hat an Selbstverständlichkeit und Grandezza noch dazugewonnen. Das Spiel wirkt nun enorm locker, spontan und bei Bedarf auch angriffslustig-rasant. Noch geschliffener und perfektioniert. Die gewonnene Brillanz kann jetzt auch dem LSO mit Istvan Kertesz Paroli bieten, wenn man es so ausdrücken will. Ein tolles Hörvergnügen, das die Unmittelbarkeit, Vitalität und Zuspitzung der alten Aufnahmen klangtechnisch ins neue Jahrhundert der Hochglanz-Klangästhetik transportiert.
Gegenüber 1990 hat der ohnehin schon gute Klang der Hungaroton-Einspielung noch an Präsenz, Strahlkraft und Fülle gewonnen. Auch Dynamik, Transparenz, Tiefenstaffelung und Körperhaftigkeit konnten verbessert werden.
5
Antal Dorati
Philharmonia Hungarica
Mercury, Alto
1958
15:03
Mit Antal Dorati und der Philharmonia Hungarica gibt es ebenfalls zwei Einspielungen, die in ihrer interpretatorischen und klangtechnischen Qualität weniger unterschiedlich geraten sind als die beiden Aufnahmen mit Ivan Fischer und dem BFO.
Bevor wir darauf noch etwas näher eingehen, blicken wir noch kurz in die Orchestergeschichte zurück. Das Orchester wurde erst 1956 gegründet und zwar im Hotel Esplanade zu Baden bei Wien. Die Musiker waren zuvor wegen des (friedlichen) Aufstands breiter Schichten des ungarischen Volkes gegen die kommunistische Regierung und die sowjetische Besatzungsmacht und der (brutalen) Niederschlagung desselben nach Österreich geflohen. Die erste Einspielung entstand daher noch im Konzerthaus Wien. Antal Dorati nahm sich der Geschicke des Orchesters an und da er damals einen Plattenvertrag mit Mercury hatte, entstanden die ersten Aufnahmen des Orchesters bei Mercury. Er verlor das Orchester nie aus den Augen (wurde auch Ehrenpräsident) und nahm später für Decca mit ihm auf (wir haben Dirigent und Orchester eine Gesamtaufnahme aller Haydn-Sinfonien zu verdanken). Das Orchester fand eine Heimat im westfälischen Marl. Es existierte dort bis zur Einstellung der öffentlichen Förderung im Jahr 2001.
Der Klang der Aufnahme ist typisch Mercury. Die besonderen Eigenschaften sind immer dieselben, egal ob die Aufnahme in London, Minneapolis oder wie hier in Wien stattfand. Das Orchester bringt, wenn man bedenkt, dass es erst seit zwei Jahren zusammenspielt schon eine ganz erstaunliche Virtuosität und Eloquenz mit ein. Im direkten Vergleich zu LSO, BFO (1998) oder auch mit den Berlinern unter de Sabata oder des Pittsburgh SO unter Reiner kann es jedoch nicht ganz mithalten. Das gilt für die Streicher, die zudem ein wenig spröder klingen (was auch an der direkten, ja hautnahen Mercury-Klangtechnik liegt) oder für die Klarinette, die noch nicht über den sämig-weichen und vollen Klang heutiger Spitzenorchester verfügt und seltsam genug ihre Soli ohne Spannkraft spielt. Auf der anderen Seite steht das ungebremste Draufgängertum und die leidenschaftliche Musizierlaune, die sich bestens auf die Zuhörerschaft überträgt. Die Stimmung ist spannungsgeladen, die Tempi straff, man spielt auf der vordersten Stuhlkante. Die Akzente klingen deftig und blitzen mitunter scharf und ungestüm auf, die Steigerungen wirken brodelnd. Herr Dorati holt alles heraus, was das Orchester aufbieten kann. Und letztlich gehört die Aufnahme zu den mitreißendsten des kompletten Angebots und auch klanglich gehört sie trotz ihres Alters nach wie vor zu den besten. Und wenn man den „Anmachfaktor“ alleine betrachten will sowieso.
Klanglich gibt es die Aufnahme mittlerweile auch in einem Remaster von Alto zu hören. Hier wird das Rauschen merklich reduziert, der Klang wirkt voller und runder. Man kann schreiben, dass man versucht hat, den Klang an heutige Hörgewohnheiten anzupassen. Wenn man jedoch noch eine Mercury-Version bekommen kann, sollte man unbedingt zugreifen, denn sie rauscht zwar deutlich mehr und klingt ein wenig dünner (ist ein wenig höhenbetonter) aber noch brillanter und unmittelbarer, auch noch ein wenig dynamischer und druckvoller. Beide Versionen sind sehr transparent und zeigen das Orchester bestens gestaffelt und sehr räumlich.
5
Antal Dorati
Philharmonia Hungarica
Decca
1973
15:05
Das Label Mercury hat die frühen 60er Jahre leider nicht überlebt. Antal Dorati gelang es einen Vertrag mit Decca abzuschließen, wovon die PH abermals profitieren konnte. Nach der Gesamtaufnahme der Haydn-Sinfonien schloss man eine Gesamtaufnahme des Orchesterschaffens von Zoltan Kodaly an. Dafür reichten damals jedoch drei LP aus (heute sind es zwei CDs).
Obwohl die Zeitdifferenz (selbst gemessene) lediglich nicht gerade spürbare zwei Sekunden ausmacht, wirkt die 15 Jahre später aufgenommene Decca-Aufnahme ein wenig ruhiger. Erstaunlich wie genau das innere Metronom des Dirigenten geeicht war. Und das sogar bei so vielen verschiedenen Tempi während des Stückes. Es werden jedoch ebenfalls kräftige Akzente gesetzt und das Orchester dem man, wenn es nicht unter Dorati spielte, nur mittelmäßige Qualitäten nachsagte, wächst erneut über sich hinaus. Tolles Espressivo. Es spielt homogener als 1958 und der Klang wirkt merklich gerundeter. Was oder wieviel davon auf das Konto der Decca-Technik geht, lassen wir einmal offen. Der Gestus ist nach wie vor sehr temperamentvoll, das Spiel dynamisch und rhythmisch. Der spezielle klangsinnliche Akzent, den wir auch schon aus London (Kertesz 1964) kennen, zeigt sich nun auch in Marl, Decca macht es möglich. Die Holzbläser klingen nun sehr gut und auch die Klarinette (in diesem Stück das wichtigste Instrument überhaupt) zeigt sich verbessert. Einzig das suggestive p- oder pp-Spiel fällt bisweilen dem temperamentvollen Überschwang und dem Willen zur maximalen Deutlichkeit zum Opfer.
Der Klang wirkt nun weicher, runder, sehr plastisch und nicht mehr so hell, also sonorer als 1958. Er ist offen und fast genauso knackig wie der Mercury-Klang vor 15 Jahren. Sie Staffelung des Orchesters gelingt hervorragend. Der Klang wirkt sehr dynamisch und im Gegensatz zur Original-Mercury muss man ein Rauschen mit der akustischen Lupe suchen.
5
Victor de Sabata
Berliner Philharmoniker
DG
1936
14:30
MONO Gerade einmal sechs Jahre nach der Uraufführung machte die DG bereits ihre erste Einspielung des Werkes. Der Italiener de Sabata war von 1927-1957 als Nachfolger Toscaninis an der Mailänder Scala engagiert. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hatte er keine Probleme damit auch in Nazi-Deutschland aufzutreten. Trotz der bemerkenswert klaren Rhythmen, die wir in dieser Einspielung hören können, kommt einem die oft dem Dirigat Toscaninis eigene trockene Nüchternheit nicht in den Sinn. Karajan bewunderte den Dirigenten de Sabata so sehr, dass er ihm in mancherlei Hinsicht nacheifern wollte. Hier zu hören ist bereits eine weit vorangeschrittene Legato-Kultur, die sich bei Karajan dann in späteren Jahren fast schon verselbständigen sollte. Darüber hinaus ist diese Einspielung aber auch ebenso kontrastreich, deutlich und dynamisch angetrieben wie bei den ungarischen Dirigenten. Die weiche Legato-Spielweise ist bei Solti, Reiner und Fricsay jedoch nicht so deutlich zu hören. De Sabata kann sich jedoch auf die Berliner Philharmoniker stützen, die sich hier fast schon wie der Luxus-Klangkörper späterer Jahre anhören. Das bescheidene, historische Klangbild muss man sich dabei jedoch wegdenken. Der Dirigent fordert die Philharmoniker sehr, ihr Spiel wirkt außerordentlich temperamentvoll, ab dem 4. Abschnitt und erst recht im 5. Abschnitt. Zugleich aber auch weniger angestrengt als die Londoner bei Solti, sondern immer noch elegant und souverän. Bereits 1939 werden die Maßstäbe gesetzt was Temperament, Spielkultur und Tempo anlangt. Selten, wenn überhaupt, hat man die Philharmoniker temperamentvoller gehört.
Der Klang vermittelt noch leichte Abspielgeräusche der digitalisierten Platte. Wie die Reiner-Einspielung von 1945 klingt es bereits erstaunlich transparent, was wahrscheinlich nicht zuletzt auf die gekonnte Instrumentierung von Kodaly zurückgeht. Auch die Dynamik weiß bereits durchaus zu gefallen. Die Reiner-Aufnahme wirkt jedoch noch klarer, wenn es um die Mittelstimmen der Streicher geht.
5
Fritz Reiner
Pittsburgh Symphony Orchestra
Sony
1945
15:06
MONO Dass diese Einspielung schon sehr alt ist merkt man von der Patina des Klangs einmal abgesehen, die jedoch durch das neue Remastering fast völlig weggeblasen wurde, besonders der Klarinette an. Sie spielt ihre Soli mit mitunter irritierend langsamen Trillern und vor allem noch mit Vibrato. Trotz der „schlechten Zeit“ direkt nach Ende des Krieges befindet sich das Orchester in einem hervorragenden Zustand. Die Holzbläsersoli klingen sehr gut (von der irritierenden Klarinette einmal abgesehen), insbesondere die Flöte. Ein Nachteil ist es allerdings, dass man Glockenspiel und Triangel ziemlich stiefmütterlich behandelt. Das Orchester spielt mit einem erstaunlich hoher Perfektionsgrad, sodass man immer wieder meint, man würde eine alte Aufnahme des Chicago Symphony Orchestra hören. Zu ihm ist Fritz Reiner nach seiner Dienstzeit in Pittsburgh gewechselt und die perfektionierte Spielweise wurde dann auch diesem Orchester nachhaltig eingeimpft. Es ist eine gedrungen wirkende, furiose Virtuosität, trocken und gesteigert bis zum Ekstatischen. Das Orchester muss gedrillt worden sein, denn Reste davon hört man auch dem Endprodukt noch an. Reiner mobilisiert alle Reserven. Die Accelerandi wirken mitreißend, das Stringendo könnte von Reiner extra für diese Einspielung erfunden worden sein, so deutlich wird es realisiert.
Der Mono-Klang wirkt erstaunlich transparent, farbig und dynamisch. Man hat ein hervorragend klingendes Remastering direkt vom Mutterband angefertigt, Laufgeräusche einer alten Platte gibt es keine mehr. Der Klang dieser Aufnahme kann mit den beiden um zehn bis elf Jahre jüngeren Aufnahmen mit Ferenc Fricsay durchaus gut mithalten.
5
Eugene Ormandy
Philadelphia Orchestra
CBS-Sony
1962
15:15
Eugene Ormandy wurde 1899 in Budapest (damals noch nicht vereinigt) geboren und wurde bereits mit 6 Jahren „Student“ an der dortigen Musikakademie. Er emigrierte bereits vor den anderen ungarischen Musikern 1921 (nach dem Ende der Räterepublik, die die Jahrhunderte währende Monarchie in Ungarn ablöste, selbst aber nur wenige Monate andauerte) in die USA. Angeblich verführt durch die Versprechungen eines unseriösen Impresarios. Bis 1918 tritt er noch als Jenö Blau auf, ab 1920 bereits als Jenö Ormandy in den USA dann als Eugene (amerikanisch für Jenö) Ormandy.
Bei der Aufnahme der „Tänze“ war er also bereits stolze 63 Jahre alt. Wovon man der Musik allerdings nicht das Geringste anmerkt.
Der Einstieg der Streicher klingt von Beginn an blendend virtuos. Das Holz steht ihnen allenfalls klanglich nicht aber spieltechnisch nach. Es klingt gegenüber den Streichern eher dünn. Auch die Klarinette kann uns klanglich nicht so recht überzeugen. Dem geballten Streicherglanz kann sie nicht Paroli bieten. Das Stück wird ordentlich unter Spannung gesetzt und höchst expressiv intoniert. Dass den leisen Passagen genug Beachtung geschenkt werden würde, lässt sich beim besten Willen nicht schreiben. Die leisen Partien klingen fast genauso laut wie die lauten, da wird wohl besonders von der Klangtechnik stark nivelliert damit das Rauschen (und Plattenknistern) bei den leisen Passagen durch das laute „Nutzsignal“ (die Musik) übertönt wird.
Ormandy Einspielung kommt in Punkto hitzigem Temperament der Solti-Einspielung am nächsten. Während Solti noch urwüchsiger jedoch nie theatralisch wirkt, so klingt es bei Ormandy schon wild aber zugleich auch wie mit einem Hochglanz-Lack überzogen. Dennoch höchsten Respekt vor der Virtuosität des Orchesters uns seines Dirigenten. Diese Aufnahme hätte fast schon gereicht um den legendären Ruf zu begründen.
Klangtechnisch sieht es nicht ganz so toll aus wie bei der glänzenden Virtuosität des Orchesters. Das Holz wirkt deutlich vorgezogen, scheint mit den Streichern auf einer Ebene zu sitzen. Eine Tiefenstaffelung ist also kaum erkennbar. Dafür wird sehr deutlich in die Breite hinein gestaffelt. Nicht umsonst spricht und schreibt man gerne vom Breitwandsound aus Philadelphia. Oft wirkt er wenig differenziert und protzig. Tendenziell ist das auch bei diesem Werk so, das Zuhören macht aber trotzdem sehr viel Spaß, sodass die Technik dem Werk zumindest einmal nicht schadet.
5
Artur Rodzinski
Royal Philharmonic Orchestra (auf den alten Platten als „Philharmonic Symphony Orchestra of London“ bezeichnet)
Westminster
1955
15:42
MONO Auch das Royal Philharmonic Orchestra spielt noch virtuoser als die Philharmonia Hungarica. Die geschmeidigen Streicher werden angeführt von sehr homogenen und präzisen Violinen. Das Klarinettensolo umreißt die gesamte Bandbreite sowohl dynamisch als auch emotional. Es gehört zu den besten überhaupt. Die Musizierweise Rodzinskis ist sehr expressiv und steht den Dirigenten aus Ungarn kaum nach. Die schnellen Tempi sind besonders flott und vorantreibend, z.B. das Allegro con moto, grazioso (3. Abschnitt T. 173). Das Glockenspiel erhält viel Glanz, das Musizieren wirkt sehr kontrastreich, der Musiziergestus urwüchsig und den Folklorebezug verdeutlichend. Die Teile 4 und 5 wirken besonders feurig angetrieben, fast wie auf „Speed“, dabei stets hochpräzise und supervirtuos. In den 50er Jahren gehörte das von Sir Thomas Beecham gegründete und über viele Jahre geprägte Orchester zweifellos zu den besten überhaupt. Am Ende schwingt bei aller tänzerischer Ekstase auch noch eine dicke Portion militärischer Drill mit in der Musik, ein Eindruck, den wir auch bei der Einspielung Fritz Reiners bereits gewonnen hatten. Hier sollte das passen, war doch der zugrundliegende „Verbunkos“ der Tanz um Rekruten zu werben.
Trotz des neuesten Universal-Remasterings klingt die Aufnahme noch ein wenig dünn und leicht gepresst. Die Transparenz ist erneut gut zu nennen und sie reicht sogar aus, um der Mono-Aufnahme ein wenig Räumlichkeit abzugewinnen. Der Klang wirkt farbig, frisch und erstaunlich dynamisch.
4-5
Ferenc Fricsay
Sinfonieorchester des Süddeutschen Rundfunks (heute: SWR Sinfonieorchester)
SWR Classic
1955, live
16:42
Sein leidenschaftliches Musizieren konnte Ferenc Fricsay in dieser Live-Aufnahme auch auf das ihm weniger vertraute Stuttgarter Orchester übertragen. Gegenüber den Einspielungen mit seinem damaligen Chefdirigenten Hans Müller-Kray, die häufig einen leichten Eindruck von Biederkeit bei uns hinterließen, ist es kaum wiederzuerkennen. Die Klarinette nimmt sich viel vor, spielt letztlich auch beseelt, jedoch gelingt das erste Solo nicht ohne den typischen Klarinettenkickser. Das ist aber auch das Einzige, woran man die Live-Aufnahme erkennen kann, denn es gibt auf dieser Aufnahme keine Geräusche vom Publikum zu hören, auch keinen Schlussapplaus.
Man wundert sich im weiteren Verlauf über den vollen und erstaunlich saftigen Orchesterklang und die kräftigen Kontraste. Auch das Einheitsgrau so vieler anderer Aufnahmen des Orchesters aus dieser Zeit scheint wie weggeblasen. Die Hörner kommen gut heraus und sogar die Binnenstreicher (Bratschen und Celli) sind differenziert herausgearbeitet. Die Holzbläsersoli (z.B. Flöte bei T. 97) wirken einfühlsam und klangschön. Allerdings stört an anderer Stelle gerade die Flöte mit einem weit ausholenden Vibrato, das bereits eher an ein Tremolo erinnert. Die Rhythmen sind „heiß“. Insgesamt konnte das RIAS SO 1956 noch besser gefallen, es war auch auf den Dirigenten eingeschworen und es handelt sich um eine Aufnahme unter Studiobedingungen.
Super gelingt das pp bei T. 236 (hier beginnt der 4. Abschnitt), der Friss (im Gegensatz zum vorangegangenen langsamen Lassu), so als ob man sich in den Tanz hineinschleichen wolle. Das gelingt in keiner anderen Aufnahme so gut. Der weitere Verlauf wirkt kreativ und inspiriert gestaltet. Vor allem gibt Herr Fricsay dem folkloristisch-rhapsodischen Aspekt der Komposition „Zucker“. Beim letzten Tanz muss der Aufsprechpegel schnell etwas reduziert werden um ein Übersteuern zu vermeiden. Da waren die Rundfunktechniker wohl selbst überrascht, zu welch einer Dynamik ihr Orchester mit dem ungarischen Dirigenten in der Lage ist. Wie wir später noch hören werden, in der Liste mit den Rundfunkaufnahmen, ist das mitunter auch heute noch gängige Praxis, auch wenn es dabei nicht mehr um das Verhindern des Übersteuerns geht.
Der Klang der Aufnahme wirkt erstaunlich transparent, dynamisch und viel farbiger als man es sonst von Konzertmitschnitten der ARD-Anstalten aus den 50ern gewöhnt ist. An die 64er Decca oder die 58er Mercury kommt sie jedoch bei weitem nicht heran. Auch nicht ganz an die 56er DG-Einspielung von Fricsay selbst.
4-5
Ivan Fischer
Budapest Festival Orchestra
Hungaroton
1990
15:32
Von Ivan Fischer gibt es wie bereits angeführt noch eine Philips-Aufnahme von 1998. Interessanterweise hat sein Bruder Adam Fischer ebenfalls 1990 eine Einspielung des Werkes aus Budapest vorgelegt, allerdings für das Label Nimbus und mit dem Ungarischen Staatsorchester. Beim Vergleich dieser beiden erweist sich Ivan als der deutlich temperamentvollere Dirigent und das BFO als das bessere Orchester. Besonders fällt im direkten Vergleich die Nimbus-Klangtechnik ab. Doch davon später mehr.
Das BFO wurde 1983 von Ivan Fischer und Zoltan Kocsis gegründet. Bis zum Aufnahmejahr hat man es oder hat es sich bereits zu einem Spitzenklangkörper entwickelt. Die Extraklasse von 1998 bei der Philips-Aufnahme hat es indes noch nicht ganz erreicht.
Doch bleiben wir nun einmal beim Vergleich der 1990er Aufnahmen der beiden Brüder. Ivan führt mit dem zackigeren Rhythmus durch die Partitur, lässt die Musik kontrastreicher erklingen und ein wenig expressiver. Das Orchester spielt homogener als das Staatsorchester. Entscheidender ist jedoch, dass die prächtige Qualität des Orchesters von der erheblich trockeneren Aufnahmetechnik viel besser ins rechte Licht gerückt wird. Da wurde Adam von seinem Label deutlich benachteiligt, obwohl das Staatorchester im hallig-diffusen Nimbus-Klang einiges unter den Klangteppich kehren konnte. Mitreißendes Finale bei Ivan.
Der Hungaroton-Klang ist erheblich präsenter und wirkt in den lauten Passagen viel transparenter und knackiger. Die Staffelung gelingt vor allem in der Breite gut, in der Tiefe gelingt sie kaum. Sehr gute Dynamik. Der Klang der Philips-Aufnahme acht Jahre später übertrumpft den Hungaroton-Klang dann seinerseits in vielen Belangen. Vor allem die Körperhaftigkeit, die noch prallere Dynamik und die Klangfarbenfülle überzeugen noch mehr.
4-5
Hugh Wolff
Saint Paul Chamber Orchestra
Teldec
1991
15:57
Hugh Wolff war von 1992-2000 Musikdirektor des Saint Paul Chamber Orchestra. In Deutschland ist er indes eher als Leiter des HR Sinfonieorchesters (damals noch RSO Frankfurt genannt) bekannt geworden.
Hier hören wir nun erstmals ein Kammerorchester mit den „Tänzen aus Galanta“. Der Klang wirkt erwartungsgemäß schlank, aber auch frisch und beweglich. Eine „Minderbesetzung“ merkt man ihm, wie auch dem Scottish Chamber Orchestra unter Charles Mackerras kaum an. Die Violinen klingen besonders klar und präzise und wirken kein bisschen hart. Das Orchester spielt sehr dynamisch, bietet eigentlich die gesamt Bandbreite, der Gestus wirkt dringlich. Die Klarinettensoli werden flexibel und sehr eloquent gespielt, kommt dem rhapsodisch-freien Musiziergestus, wie man ihn sich von den „Zigeunerkapellen“ gespielt vorzustellen hat, sehr entgegen. Die Klarinette im Saint Paul CO ist zudem die Einzige im gesamten Vergleichsfeld, die „Klezmer“ in der Stimme hat. Das passt ganz ausgezeichnet zur Musik und dieser besondere Akzent bietet sich geradezu an. Auch die Soli der anderen Holzbläser werden exzellent geblasen und kommen gut heraus. Ihre Artikulation wirkt fein, ihr Klang dagegen voll. Die ganze Einspielung macht einen inspirierten Eindruck.
Es gibt kein Romantisieren wie bei so vielen anderen „Nicht-Ungarn“. Nur das atemberaubende Tempo und das speziell gewürzte Feuer der Ungarn wird in den letzten Tänzen nicht ganz erreicht. Dies ist übrigens die einzige Aufnahme, die das Werk in elf Tracks aufteilt. Zusammengestückelt wirkt sie jedoch überhaupt nicht. Die meisten anderen Einspielungen bieten fünf Tracks auf und folgen so dem Aufbau der Partitur (ohne dass man dort durchzählen würde), einige wenige begnügen sich mit vier, sehr viele wiederum belassen es bei einem einzigen.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr transparent, gut gestaffelt, räumlich und präsent, farbig und eher hell und frisch als sonor oder bassbetont. Die Soli bekommen eine gute Relation zum Tutti, Holz, Blech und Schlagwerk sind präsent genug. Vielleicht war es dann doch der wenig sonore Klang des kleineren Orchesters, der uns bewog, diese Einspielung nicht noch höher zu platzieren.
4-5
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Linn
2004
16:25
Dass Sir Charles als Australier und Ehrenbürger Prags Edinburgh zu einem Vorort von Galanta machen würde, damit hatten wir nicht gerechnet. Ein so schön gespielter, stimmungsvoll-atmosphärischer Beginn bekommt man auch von ungarischen Orchestern nicht immer zu hören. Das Orchester zeigt sich von seiner besten Seite, mit präzisen und homogenen Streichern, auch in den sehr schnell auszuführenden Passagen. Auch die Klarinettensoli werden stimmungsvoll und mit großer Tonschönheit gespielt. Allerdings nicht so rhapsodisch-frei wie in der Einspielung zuvor. Die kräftig-sonoren Hörner gefallen sehr gut, genau wie die übrigen Holzbläser.
Die Darbietung wirkt sehr spannend, kontrastreich und anschaulich. Wenn wir die besten Ungarn nicht bereits kennengelernt hätten, müssten wir auch von den deftigen Steigerungen schwärmen, die die Darbietung nicht zuletzt temperamentvoll und tänzerisch erscheinen lassen. Sir Charles gibt auch der Melancholie weiten Raum. Dass hier ein Kammerorchester spielt mag man genauso wenig glauben (so voll und saftig wie es klingt), wie dass Sir Charles bei der Aufnahme bereits 89 Jahre zählte.
Der Klang der SACD wirkt auch als CD abgespielt sehr transparent, voll und farbig. Sie wirkt sehr präsent und räumlich zugleich. Der Klang wirkt „blühend“ und ist mit einer breiten dynamischen Palette ausgestattet. Der Luxussound gehört nicht zu den schlankesten aber dennoch zu den besten im gesamten Angebot.
4-5
Günter Neuhold
Philharmonisches Staatsorchester Bremen
Antés
1996
14:54
Das Orchester aus Bremen ist ein eher seltener Gast auf Tonträgern. Günter Neuhold hingegen hat doch einiges veröffentlicht, vor allem während seiner Zeit in Karlsruhe (GMD der Badischen Staatskapelle Karlsruhe 1989-1995) und beim Theater der Freien Hansestadt Bremen (1995-2002), auch aus Antwerpen und Bilbao liegt einiges vor.
Angesichts der mangelnden Präsenz auf dem Plattenmarkt waren wir erstaunt über die gebotene Qualität des Orchesters. Die Violinen klingen voll, rund und kräftig, das Holz macht eine ausgezeichnete „Figur“ und der Gesamtklang macht einen sehr reichhaltigen Eindruck.
Das Spiel wirkt bewegt und ausdrucksvoll, nur mit den echten pp tut man sich schwer. Und die Virtuosität wirkt dann doch nicht allem Materiellen enthoben wie bei den besten. Ansonsten könnte man meinen, dass auch Bremen, zumindest für 15 Minuten zu Galánta eingemeindet worden wäre. Respekt.
Der Klang spielt mit bei dieser guten Produktion, er ist klar und sehr gut gestaffelt, offen, natürlich, voll und breitbandig.
4-5
David Zinman
Concertgebouw Orchestra Amsterdam
Philips
1985
15:58
Mit dem Amsterdamer Orchester haben wir für den Vergleich drei Aufnahmen gehört: 1982 mit Edo de Waart, live; 1985 mit David Zinman unter Studiobedingungen und 2012 mit Myung Whun Chung, ebenfalls live. Letztere haben wir zu den nicht am Markt erhältlichen Aufnahmen in eine eigene Liste aufgenommen. Derzeit kann man sie auf YouTube anhören. Alle drei sind hochklassig.
Gegenüber der Live-Aufnahme von 1982 werden die Soli ein wenig charmanter dargeboten, die pp besser beachtet und der Orchestersatz wird unter Studiobedingungen besser durchleuchtet. Es werden bei Zinman viele sonst nicht auffallende Details hörbar gemacht. Besonders das Blech macht in diesem Zusammenhang auf sich aufmerksam, vor allem die Hörner, aber auch die Trompeten. Der an und für sich temperamentvolle 5. Abschnitt (an T. 421, Allegro vivace) erreicht jedoch nicht ganz den hohen Elektrifizierungsgrad von de Waart. Insgesamt liegt mit Zinman das Werk deutlich transparenter und brillanter vor als mit de Waart.
4-5
Edo de Waart
Concertgebouw Orchestra Amsterdam
RCO Live
1982
16:03
Auch diese Aufnahme punktet mit ihrer hohen orchestralen Klasse. Die Soli des Orchesters werden auch live auf den Punkt gebracht (exzellentes Horn-Solo!) aber wie so oft bei Live-Aufnahmen fehlt ein echtes pp. Das liegt an der Aufnahmetechnik des Rundfunks aber auch am hohen Risiko, das die Musiker eingehen, wenn sie sehr leise spielen sollen (besonders die Oboe und das Blech). Es besteht immer die Gefahr, dass ein Ton nicht sauber oder gar nicht kommt. An dieser Einspielung gefällt ganz besonders, wie der Dirigent dem Orchester im letzten Teil (ab T. 421, Allegro vivace) einheizt und das gesamte Potential in Hinsicht auf Virtuosität und Dynamik freisetzt. Er erweckt den Tiger im Orchester.
Der Klang der Aufnahme ist räumlich und dynamisch, aber nicht sonderlich transparent. Insgesamt liegt hier ein sehr guter Mitschnitt vor. Störend sind nur ein paar Huster während des letzten Klarinettensolos.
4-5
Walter Süsskind
London Philharmonic Orchestra
EMI
1977
18:00
Walter Süsskind wurde als Jan Süsskind 1913 in Prag geboren. 1938 floh er vor der deutschen Okkupation seines Landes nach London. Er wurde 1946 britischer Staatbürger und war von da an bis 1953 Leiter des Scottish National Orchestra in Glasgow, 1956-1965 in Toronto und 1968-1975 in Saint Louis. Von 1975-1980 war er 1. Gastdirigent in Cincinnati. Diese Aufnahme entstand während der Zeit als Bernard Haitink Chef des Orchesters war. Süsskind selbst befand sich im besten Dirigentenalter von 64 Jahren. Auffallend ist die lange Spielzeit, die in dieser Einspielung benötigt wird. Nach der Einspielung Daniel Barenboims ist sie die langsamste. Das liegt vor allem daran, dass an Melancholie gar am Ausdruck von Trauer nicht gespart wird. Um dies auszudrücken bracht man eben Zeit, das funktioniert im Schnellmodus nur unzureichend. Das Orchester zeigt sich in einem sehr guten Zustand. Es spielt virtuos und geschmeidig. Das gute Zusammenspiel wirkt pointiert. Die hervorragende Klarinette wird leider etwas zurückgesetzt. Die Holzbläser werden dem rhapsodisch-improvisatorischen Anspruch sehr gut gerecht. Da wird die Ähnlichkeit mit den folkloristisch angehauchten bzw. geprägten Werken von Rodrigo und de Falla deutlich. Kodalys Ansicht nach geht die Volksmusik Europas letztlich auf eine Quelle zurück.
Die Violinen haben in dieser Einspielung viel Glanz und Herr Süsskind scheut die große Geste keineswegs. Wegen der ernsten Grundstimmung und der heftig herausgearbeiteten Akzente kommt jedoch kein Anflug von Kitsch auf. Bei den Schlusstänzen fordern Grundstimmung und die bedachte Temponahme ihren Preis denn trotz der erreichten Spannung wirken sie wenig ausgelassen und schon gar nicht überschwänglich oder gar ekstatisch, wie beispielsweise bei Ferenc Fricsay oder Istvan Kertesz. Immer schwingt bei Süsskind eine gewisse Schwermut mit. Insgesamt ist dies eine intensive Einspielung, die ihre Schwerpunkte anders verteilt als der Mainstream. Eine gut produzierte, aufgenommene und gespielte, erstzunehmende Alternative.
Der Klang wirkt voll und körperhaft, sehr transparent und räumlich. Zu jener Zeit machte EMI zahlreiche Quadro-Aufnahmen. Diese scheint uns nicht dazuzugehören, denn die typische Hallzugabe um den Raumeffekt zu verdeutlich fehlt. Das zurückgesetzte Holz weist jedoch in diese Richtung. Leises Rauschen macht sich in den ganz leisen Passagen bemerkbar.
4-5
Charles Dutoit
Orchestre Symphonique de Montréal
Decca
1994
15:14
Gegenüber den ungarischen Dirigenten und einigen anderen verfolgt Monsieur Dutoit eine zwar ebenfalls flotte jedoch deutlich entspanntere Sichtweise auf das Werk Kodalys. Es wird viel Wert auf „runde“, elegante Legati und eine deutlich weichere, aber nicht unpräzise Rhythmik gelegt. Das Espressivo wirkt gedrosselt. Die Wirkung auf die Hörerschaft ist so locker, leicht und unverbindlich. Das gilt insbesondere für den Lassu-Teil, also die Abschnitte 1 bis 3. Von den Holzbläsern gefällt die Flöte besser als die Klarinette. Ab Teil 3, dem Grazioso bei T. 173, wird er deutlich lebendiger und frecher. Aber die Stringendi klingen lange nicht so hitzig, wenn man Solti oder Fricsay noch im Ohr hat. Genauso fehlt dem 5. Teil (ab Allegro vivace T. 421), wo bei den Ungarn der Siedepunkt erreicht und bisweilen gar überschritten wird (Solti) die rhythmische Unerbittlichkeit und die allerhöchste Präzision. Generell hört sich Dutoits Einspielung leicht und locker an mit weniger Zuspitzung im Tänzerischen, viel Eleganz und Meriten im Solistischen. Galanta wurde sozusagen in Paris eingemeindet.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr räumlich und sehr transparent (Transparenz ist bei diesem Werk eigentlich nie ein Problem, der herausragenden Instrumentierung Kodalys sei Dank) und bestens gestaffelt. In diesem Fall könnte man (virtuell) fast um die Orchestergruppen herumspazieren. Die Violinen klingen leider ein bisschen „seifig“. In Summe geht der Decca-Klang nicht über das bereits 1973 mit Antal Dorati und der Philharmonia Hungarica erreichte Maß hinaus. Da gefiel uns der Klang der Violinen-Gruppe sogar noch besser. Die Dynamik ist gut, der Bass wurde nicht vergessen.
4-5
Neeme Järvi
Chicago Symphony Orchestra
Chandos
1990
16:30
Im langsamen Teil (Lassu) zeigt sich das Chicagoer Präzisionsorchester im rhythmischen Zusammenspiel mitunter nicht ganz sattelfest. Es zeigt zudem in diesem Abschnitt weniger artikulatorische Feinheiten als beispielsweise die Portugiesen mit Lawrence Foster, das schließt auch die dynamischen Vortragszeichen mit ein. Es beginnt schon mit dem Hornsolo ab T. 10., das zwar imponierend kräftig klingt, aber es soll nun einmal „nur“ ein f sein und kein ff. Im Vergleich zu den anderen teils exzellenten Soli fällt es auf, dass der Chicagoer Solo-Hornist maximalen Druck aufbaut und an die Grenze des Machbaren geht. Ab dem 4. Abschnitt (Allegro ab T. 236) geht aber ein Ruck durchs Orchester, es spielt nun mit viel mehr Leben und Präzision, zeigt die Virtuosität, die in ihm steckt. Ob man sich bei den Proben weitgehend auf den Friss-Teil konzentriert hat?
Ab dem 5. Teil (Allegro vivace T. 421) weiß man dann zu begeistern, besonders das Blech, erst recht ab dem Allegro vivace (ab T. 579). Dann wird das „Gaspedal“ voll durchgedrückt und der „hochgezüchtete Orchester-Ferrari“ läuft auf seiner höchsten Drehzahl. 12 Orchester-Zylinder. Im Konzert hätten die Zuhörer/innen die kleinen Kalamitäten vom Lassu-Abschnitt dann bereits längst vergessen.
Der Chicagoer Aufnahmeraum scheint mit dem Aufnahmeequipment und dem Aufnahmeteam von Chandos sehr gut zu harmonieren. Es gibt keinen wabernden Hall, wie man ihn so oft aus Glasgow gehört hat. Es klingt jedoch immer noch etwas distanzierter als in der Aufnahme des CSO mit Ozawa aus dem Jahr 1969. 1990 klingt es in Chicago dagegen erheblich klarer. Das Orchester wirkt besser gestaffelt und viel schlanker. Man erhält nun einen sehr guten, räumlich und offen anmutenden Überblick über das ganze Orchester. Summa summarum erreicht die Chandos-Aufnahme nicht ganz die Qualitäten der etwa gleichalten Decca-Aufnahme aus Montréal.
4-5
Lawrence Foster
Gulbenkian Orchester, Lissabon
Pentatone
2009
16:47
Den Amerikaner mit rumänischen Wurzeln haben wir schon bei Enescus „Rumänischer Rhapsodie“ kennengelernt. Dabei hat er seine Nähe zum Idiom der Musik aus Südosteuropa schon unter Beweis gestellt. Er wirkte eine gewisse Zeit in Deutschland nämlich von 1982-1985 als Chefdirigent der Duisburger Philharmoniker. Dem Orchester in Lissabon stand er von 2002-2013 vor.
Er zieht wie bei Enescu auch beim Stück von Kodaly recht langsame, aber nicht gedehnte Tempi vor. Sehr gut gelingt das pp-Spiel, was auch in diesem Vergleich eher eine Seltenheit ist und daher der Erwähnung bedarf. Auch feine Crescendi werden ins Spiel eingezogen und überhaupt wirkt der Detailreichtum des Vortrags einnehmend. Nicht zuletzt deshalb wirken bereits die ersten, langsamen Tänze tänzerischer als üblich. Durch das Rubato wirkt die Diktion noch interessanter, genau wie das Deutlichmachen von kleineren Einsätzen, die man zuvor gar nicht bemerkt hat. Das wäre ein noch eminenterer Grund zum Jubeln, wenn der gute Orchesterklang noch homogener wäre und mehr Brillanz zeigen würde. Mit der Virtuosität der besten wie Philadelphia mit Ormandy, dem LSO mit Kertesz oder aber auch dem LPO mit Solti oder Süsskind kann es nicht mithalten. Die Philharmonia Hungarica passt da schon besser.
Die Einspielung zielt nicht auf vordergründige Brillanz oder auf ungestüme Virtuosität ab, Mister Foster bemüht sich weniger um rhythmische Zuspitzung bis zur Atemlosigkeit hebt dafür eher die kleinen Kostbarkeiten hervor, die andere links liegen lassen. Daher kommt diese Darbietung an den ekstatischen Taumel von Solti, Kertesz oder Reiner nicht heran. Trotzdem ist sie auf ihre Art sehr respektabel und hörenswert.
Die Einspielung liegt, wie die Linn-Produktion mit Mackerras als SACD vor. Sie klingt aber auch im CD-Modus bereits transparent, sonor und voluminös. Dynamisch ist sie so eher unauffällig, was aber auch am Charakter des Orchesters liegen könnte. An die Frische der bisher genannten vier Decca- oder der Mercury-Einspielungen kommt sie nicht heran.
4-5
Seiji Ozawa
Chicago Symphony Orchestra
EMI
1969
16:03
Diese Aufnahme entstand als das Orchester zwischen den beiden Chefdirigenten Jean Martinon und Georg Solti stand. Auch mit Carlo Maria Giulini entstanden um diese Zeit Aufnahmen in Chicago. Dass die Orchesterqualität nach der Ägide Fritz Reiner nachhaltig gelitten hätte, wie vielfach kolportiert, ließe sich nach Hören dieser Einspielung nicht bestätigen, denn es hört sich nach wie vor hochpräzise an. Die Streicher spielen enorm geschmeidig, die Hörner urgewaltig, die Klarinette voll und weich. Was sich hingegen seit der Reiner-Zeit verschlechtert hat, ist die Aufnahmequalität, doch davon später. Jetzt wollen wir uns noch kurz dem musikalischen Erfolg widmen.
Ozawa lässt eine bewegte Darstellung vor unseren Ohren entstehen, sie ist dynamisch sorgfältig abgewogen, die pp gelingen sehr gut, die Steigerungsverläufe imposant, besonders die Stringendi wirken sehr virtuos und mitreißend. Leider wird der Orchesterklang von der halligen Aufnahmetechnik verunklart. Die deftigen sf und sff kommen noch gut durch. Das Allegro vivace ab T. 421 und auch das Allegro molto ab T. 539 könnte auch von Fritz Reiner dirigiert worden sein, wenn es trockener, transparenter und besser gestaffelt klingen würde. Dann kämen der Biss und das Feuer viel besser zum Tragen. Die Darstellung Ozawas wirkt temperamentvoller als die von Charles Dutoit, klingt aber viel schlechter.
Der Klang rückt die Streicher präsent und voll ins rechte Licht. Die tiefen voluminösen Bässe stehen besonders im Fokus. Die Transparenz im Tutti ist reduziert und wenn es dann auch noch laut wird, klingt es ziemlich schwammig. Man kennt diesen Klang auch von den EMI-Aufnahmen jener Zeit, besonders aus Paris. Die volle, ein wenig undifferenzierte Präsenz und der ausufernde Raum stand ganz oben auf der To-do-Liste des Technik-Teams. Im Gegensatz zum prallen und saftigen Klang der Reiner-Ära (Living-Stereos bei RCA) ein deutlicher Rückschritt. Übrigens wurde die 1904 erbaute Symphony Hall 1966 einschneidend umgebaut, sodass der außerordentlich runde Klang verloren ging. Aufgrund des nunmehr trockenen und engen Klangbilds suchte man für weitere Aufnahmen andere Räumlichkeiten auf. In diesem Fall den Medinah Temple, dieser Einspielung nach zu urteilen auch keine optimale Wahl.
4-5
Kazuhiro Koizumi
Winnipeg Symphony Orchestra
CBC Records
P 1984
14:56
Der heimatverbundene Dirigent aus Japan war von 1983-1988 Chef des in Manitoba, Kanada beheimateten Orchesters. Ansonsten hatte er nur Positionen in Japan inne, weshalb er in Europa vielleicht weniger bekannt geworden ist.
Er legt eine Wiedergabe mit zügigen, ja angetriebenen Tempi vor, die das Orchester ohne Schwierigkeiten mitmacht. Es klingt dabei klangvoll und sonor und kann, besonders auffällig, auf weich klingende, temperamentvoll agierende Violinen zurückgreifen. Auch die Holzbläser-Soli klingen sehr gut. Hier klingt alles ziemlich vollmundig aber, obwohl man dem Folkloregehalt der Musik nicht aus dem Weg geht, liegt dem Orchester das Exaltierte, das feurige, scharf gewürzte weniger. Das kann jedoch auch am Dirigat liegen. Die weiche Rhythmik und der warme, weiche und weniger brillante Klang weisen in dieselbe Richtung.
Das Klangbild der LP ist recht dynamisch, weich, plastisch und voll, jedoch immer noch schlank genug um viele Details gut zur Geltung zu bringen. Sie werden mehr in den Gesamtzusammenhang integriert, als dass sie auf dem Präsentierteller serviert werden würden.
4-5
Yoel Levi
Atlanta Symphony Orchestra
Telarc
1996
16:05
Die orchestrale Qualität des Orchesters aus Atlanta liegt näher beim CSO als beim Orchester aus Buffalo. Man spielt sehr geschmeidig aber auch ein wenig glatt. Die dynamischen Unterschiede sind größer als bei Falletta in Buffalo. Die Violinen dominieren ziemlich stark den gesamten Orchesterklang, immerhin klingen sie gut. Das Tempo ist deutlich temperamentvoller als bei Falletta, so wird z.B. das Allegro con moto grazioso mit mehr tänzerischen Impulsen versehen. Wenn man Levis Impetus jedoch mit den „alten“ Ungarn vergleicht, so wirkt seine Darbietung doch ziemlich romantisierend. Erst ab Abschnitt 5 (Allegro vivace, T. 421) wird das virtuose Vermögen des Orchesters richtig deutlich. Das Andante maestoso wird in einen schönen Kontrast dazu gesetzt. Fulminantes Finale.
Die Aufnahme klingt noch ein wenig klangvoller als die Neuere aus Buffalo, sie ist ebenfalls farbig und sehr transparent. Ganz ausgezeichnet ist die Ortbarkeit einzelner Instrumente gelungen. Eine sehr gute Aufnahme aus dem Hause Telarc,
4-5
José Serebrier
Brno State Philharmonic Orchestra (Brno zu Deutsch: Brünn)
BIS
1996
15:41
Eine sehr gute Spielfähigkeit stellt die Staatsphilharmonie Brünn unter Beweis. Die Tempi wirken gelassen bis gemütlich, mehr als es die Zeitangabe vermuten ließe. Daran mag das sämige Tutti seinen Anteil haben. Die Klarinette überzeugt vollends, denn sie klingt voll, flexibel und gut artikuliert. Und auch die anderen Holzbläser-Soli brauchen sich nicht zu verstecken, insbesondere Flöte und Oboe. Das Fagott bleibt übrigens eigentlich in allen Einspielungen ziemlich blass. Ein richtiges Solo hatte Kodaly für dieses Instrument in diesem Werk nicht vorgesehen. Gerade im Tutti wirkt die Artikulation besonders in der ersten Hälfte des Stückes (Lassu) ein wenig schwer und gedrückt. Besonders die Animati könnten noch etwas leichter und beschwingter wirken. Man darf sich den Lassu-Charakter als besonders betont vorstellen. Der Steigerungsverlauf zum Friss-Abschnitt ist allerdings sehr gut aufgebaut. Auch die letzten Tänze werden sehr gut gespielt, es fehlt ihnen jedoch ein wenig die zündende Wirkung. Wie bereits erwähnt erscheint die Einspielung langsamer als sie ist und dass sie fast auf die Sekunde die Spielzeit der Decca mit Kertesz erreicht, würde man nicht glauben.
Der Klang der Aufnahme ist räumlich ziemlich ausladend, wie man es vom Label BIS gewöhnt ist. Die Staffelung ist sehr gut und obwohl sie recht transparent wirkt, fehlt es ihr an Präsenz. Das mag auch daran liegen, dass das Schlagwerk nicht exponiert genug wird denn es wird, wie das Blech, weit hinten im Raum positioniert. Insgesamt wirkt der Orchesterklag recht dunkel und ein wenig „speckig“, es fehlt etwas an Brillanz.
4-5
Gerard Schwarz
Seattle Symphony Orchestra
Delos, Naxos
1989
16:49
Die ursprünglich von Delos aufgenommenen Einspielungen von Gerard Schwarz sind mittlerweile bei Naxos wiederveröffentlich worden. Zumeist ist die gegenüber den Naxos-Eigenproduktionen jener Zeit verbesserte Klangqualität dabei weitgehend erhalten geblieben.
Dem Sound merkt man zumindest bei den „Tänzen aus Galanta“ einen gewissen Drang zu Größe, Üppigkeit und satter Dynamik an. Ormandys Philadelphia Orchestra scheint da Pate gestanden zu haben. Das Orchester von der Westküste ist in einer guten Verfassung und erreicht einen hohen Perfektionsgrad. Die Soli werden wie 1962 in Philadelphia nach vorne gezogen, klingen aber sehr klangschön und lebendig. Hinsichtlich drängendem Elan und „heißem Atem“ kommt man an das Original jedoch nicht heran. Mister Schwarz liebt die romantische Szenerie und bauscht sie gerne zusätzlich noch auf, obwohl der üppige Raumklang an dieser Wirkung sicher auch nicht ganz schuldlos ist.
Insgesamt macht die Einspielung in den sehnsuchtsvoll-melancholischen Passagen einen etwas vordergründigen Eindruck.
Die Aufnahme bietet einen sehr großen, aber noch natürlich wirkenden Raum und einen transparenten, farbigen und brillanten Klang. Er geht deutlich über die Naxos-Eigenproduktion von 1991 hinaus. Etwas mehr trockene Straffheit hätte ihr nach unserem Dafürhalten aber gut angestanden.
4
Arpád Joo
Budapest Philharmonic Orchestra
Sefel, Arts
1982
17:04
Die Aufnahmen des kanadischen Labels Sefel wurden vornehmlich in Ungarn aufgenommen. Es war leider nur sehr kurzlebig. Bei Arts hat man sich an die Einspielungen erinnert und sie zum Teil wieder neu aufgelegt.
Ungleich sauberer und geschmeidiger als die Budapester Symphoniker spielen nur ein Jahr später die Philharmoniker. Auch das Holz klingt sehr gut. Der Beginn des Werkes klingt atmosphärisch und spannend. Die schnellen Tänze werden nicht ganz ausgereizt, vielleicht kam man an die Grenzen der Virtuosität, die man nicht überschreiten wollte.
Die Aufnahme wirkt sehr transparent, luftig, sauber und sehr räumlich. Die Staffelung wirkt ausgezeichnet. Das Holz hat sehr viel Platz. Leider geht die Dynamik in der Weite des Raums anscheinend ein wenig verloren. Eine leichte „Digitalitis“ ist bei den Violinen zu attestieren. Zu hören an einem harten und spröden Hochtonbereich. Das ff wirkt nicht ganz frei.
4
Adrian Leaper
Sinfonieorchester des Slowakischen Rundfunks, Bratislava
Naxos
1991
16:28
Das Orchester erfreut durchaus mit einem zuverlässigen, klagschönen Spiel (gutes pp). Gerade die Klarinette könnte jedoch für unseren Geschmack weicher und wärmer klingen. Flöte und Oboe gefallen dagegen deutlich besser. Sehr gut gefällt auch der sehr transparente, aufgelichtete Bläsersatz. Die Violinen wirken leider etwas spröde und die Virtuosität des gesamten Orchesters kommt nicht an die Besten heran. Die Tempi, die der englische Dirigent vorlegt, wirken teilweise ein wenig gemütlich. Der Schlusstanz bleibt bodenständig. Die Einspielung wirkt als Ganzes solide und zuverlässig erarbeitet, sie wird dem Werk gerecht aber einen inspirierten Funkenflug konnten wir nicht beobachten.
Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent, das Orchester gut gestaffelt, die Soli sehr gut ortbar. Es wird ein guter Kompromiss zwischen Präsenz und großzügiger Räumlichkeit erreicht. Das Label Naxos war 1991 der anfänglichen Blässe und Trockenheit entwachsen. Gegenüber den Besten fehlt es immer noch an Brillanz und sonorer Fülle. Aber nicht mehr so viel. Sehr zu loben ist, dass das Klangbild auch im ff des Tutti noch gut durchhörbar bleibt.
4
György Lehel
Budapest Symphony Orchestra
Hungaroton
1981
15:55
Seit 1947 war György Lehel Dirigent und von 1962 bis 1989 Leiter des Sinfonieorchesters des Ungarischen Rundfunks, das international unter dem Namen Budapest Symphony Orchestra firmiert. Wenn man dieser Einspielung glauben darf, verfügt es nur über ziemlich hart und spröde klingende Violinen, denen es auch an Homogenität und höchster Perfektion fehlt. Mitunter wird da sogar ein bisschen geschummelt. Die Klarinette klingt besser als zum Beispiel beim Sinfonieorchester des Slowakischen Rundfunks (Naxos 1991) oder auch bei den Bu-dapester Philharmonikern (1964), jedoch wird sie nur schulmäßig, d.h. wenig frei geblasen. Das passt weniger zum rhapsodischen Anspruch des Werkes. Auch den anderen Solisten des Holzes fehlt ein wenig die spritzige Leichtigkeit, wenn man von der Flöte einmal absieht. Rhythmisch wirkt die Darbietung ein wenig müde und zur Bravour der Besten fehlt dem Orchester ein ganzes Stück. Den Schlusstanz scheint man besser eingeübt zu haben, da fehlt nicht mehr so viel an virtuoser Leichtigkeit, aber immer noch der rhythmische Biss. Von einem ungarischen Orchester hätte man sich mehr Engagement erwartet.
Die Aufnahme klingt klar und räumlich, insgesamt jedoch wenig spektakulär. Die Violinen klingen nicht ganz frei.
4
Jiri Kout
Prag Symphony Orchestra FOK
FOK, Arco Diva
2010, live
16:28
Jiri Kout ist in Deutschland kein Unbekannter, er hatte Positionen in Düsseldorf, Saarbrücken, an der Deutschen Oper Berlin und an der Oper Leipzig. Das Prager Orchester leitete er von 2006 bis 2013. Bei der Aufnahme war er 73 Jahre alt. Das Kürzel FOK, das den Namen des Orchesters ergänzt und auch dem orchestereigenen Plattenlabel seinen Namen gibt, bedeutet übrigens F = Film, O = Oper und K = Konzert und bezeichnet die wichtigsten Tätigkeitsbereiche des Orchesters.
Jiri Kout findet in seiner Darstellung wieder zurück zu den eher rhapsodisch geprägten folkloristischen Deutungen der älteren Dirigenten. Sein Orchester spielt im langsamen Teil der Tänze freier, quasi improvisatorischer mit der Musik was sehr gut zu ihren Anforderungen an die Interpreten passt. Leider verfügt das Orchester längst nicht über eine vergleichbare Virtuosität und Geschmeidigkeit, wie beispielweise das LSO (1964) oder das Budapest Festival Orchestra (1998). Die letzten Tänze hätten deutlich mehr Drive und rhythmisches Feuer vertragen können.
Der Klang der Aufnahme ist durchaus plastisch und dynamisch, sehr transparent und gut gestaffelt. Den Violinen hätten mehr Glanz gut angestanden, besonders in den schnellen, virtuosen Passagen und diese sind in diesem Stück reichlich vertreten.
4
Janos Ferencsik
Budapest Philharmonic Orchestra
Hungaroton
1964
16:32
Janos Ferencsik leitete 1957–1974 die Budapester Staatsoper. Er war ebenfalls einer der Mitbegründer und Chef (1952-1984) des Ungarischen Staatsorchesters (heute international Hungarian National State Philharmonic genannt) und langjähriger Hauptdirigent der Budapester Philharmoniker (1960-1967). Alle Angaben haben wir aus Wikipedia zusammengetragen. Demnach leitete er zeitweise die drei wichtigsten ungarischen Orchester gleichzeitig! Da erscheinen Zweifel angebracht.
Seine Aufnahme wirkt insgesamt vor allem aufnahmetechnisch ein wenig unausgewogen. So klingt das erste Klarinettensolo schon seltsam raumfüllend. Er lässt das Orchester durchaus beherzt spielen, aber an die Vehemenz oder sollte man schon sagen, Frénésie von Fricsay, Solti oder Reiner kommt man nicht heran. Es fehlt die leidenschaftliche Besessenheit des RIAS oder der Pittsburgher oder die Fulminanz des LSO oder des Budapest Festival Orchestra. Die pp klingen oft zu laut und zu vorwitzig. Allerdings gelingen die Stringendi durchaus mitreißend und die schnellen Tänze temperamentvoll. Eigentümlich wirkt die eingehallte Fermate bei T. 565. Danach hört man dann wieder eine völlig neue Akustik, die die uns vom Anfang bereits bekannt vorkommt. Ab T.579 dann wieder die eingehallte. Da wurden verschiedene Takes ziemlich unsensibel aneinandergeklebt. Die Darbietung wirkt zwar temperamentvoller als die Arpád Joos, aber klanglich weit weniger ausgewogen. Technisch hat sich in den beiden Jahrzehnten von 1964 bis 1982 die Aufnahmetechnik durchaus weiterentwickelt.
Der Klang von 1964 ist zwar ziemlich klar, aber die Violinen wirken gepresst. Das Holz klingt vergleichsweise deutlich besser. Das Schlagwerk ist zu weit entfernt und wenig an der zufriedenstellenden Dynamik beteiligt. Das Klangbild wirkt im ff wenig transparent und beengt. Kein Vergleich zum lebendig-brillanten, fulminant-dynamischen und spritzigen Decca-Klang aus demselben Jahr.
3-4
JoAnn Falletta
Buffalo Philharmonic Orchestra
Naxos
2017
17:16
Die Dirigentin ist bereits seit der Saison 1999/2000 Chefin des Orchesters. Auffallend ist das ziemlich geringe Spannungspotential der Einspielung. Das Spiel des eigentlich klangschönen Orchesters wirkt durchaus geschmeidig, allerdings bei ziemlich langsamen, bedächtig genommenen Tempi. Besonders das Holz gefällt. Die Klarinette spielt virtuos und mit einem schönen Ton. Die Rhythmen wirken weich, der Gestus stark romantisierend. Das Appassionato-Spiel erschließt sich nicht unmittelbar, es bedarf des Mitlesens der Partitur, sonst fiele es nicht weiter auf. Die Streicher spielen wenig kontrastreich, z.B. unterscheidet sich ihr ff nur marginal vom pp von Flöte 1, Piccolo und Oboe 1 (bei T. 135-145). Das ist einfach viel zu wenig. Die Intensität wirkt so eher lauwarm als hitzig, man höre nur noch einmal in die Einspielungen von Fricsay oder Reiner hinein, dann erschließt sich das Spannungsgefälle überdeutlich. Die finalen Tänze wirken dann schließlich wie mit angezogener Handbremse gespielt. Die Dirigentin geht viel zu sehr auf „Nummer sicher“. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Aufnahme sehr gut in die Komponistenwerkstatt blicken lässt, jeder kleine Akzent wird hörbar gemacht. Als Rekrut würden man diesen „Verbunkos“ wahrscheinlich nicht auf den Leim gehen und dann doch eher zu Hause bleiben, als einzurücken.
Der Klang der Einspielung ist sehr transparent, farbig und eher warm getönt. Dies ist eine moderne Aufnahme, die viel brillanter klingt als die Naxos - Aufnahmen der 80er Jahre. Die Dynamik wirkt allenfalls moderat, was jedoch eher am Orchesterspiel selbst liegt, als an den Fähigkeiten der technischen Aufzeichnung.
3-4
Rico Saccani
Budapest Philharmonic Orchestra
BPO Live
1998, live
16:05
Der Amerikaner leitete die Philharmoniker von 1997 - 2005. Dies ist die dritte und neueste Aufnahme der „Tänze aus Galanta“ mit den Budapester Philharmonikern. Gegenüber der 64er mit Ferencsik spielt das Orchester geschmeidiger, eher auf dem Niveau der 82er Joo-Aufnahme. Die Klarinette klingt noch etwas weicher. Die Rhythmen wirken wenig geschärft, teils gar verschliffen. Die Akzente werden weich in ein Legato eingebettet, als ob Rico Saccani Herbert von Karajan als Vorbild nacheifern würde. Das wirkt erneut eher romantisierend, gefühlig und alles andere als urwüchsig. In den schnellen Passagen spürt man ziemlich schnell die Grenzen der Virtuosität des Orchesters. Gegenüber der im gleichen Jahr eingespielten Aufnahme des Budapest Festival Orchestra stehen die Philharmoniker in allen Belangen weit nach. Dies ist die einzige Live-Aufnahme der „Tänze aus Galanta“, die beim Publikum nur einen (sehr) gebremsten Applaus hervorrufen. In der Zeit mit Herrn Saccani an der Spitze hat das orchestereigene Label anscheinend wirklich jeden Mitschnitt, den man gemacht hat, auch veröffentlicht. Außer des Mitschnitts von „Francesca da Rimini“ waren sie, zumindest die bisher in unsere Vergleiche aufgenommenen und selbstverständlich nur aus unserer Sicht, alle nicht unbedingt der Reputation zuträglich.
Gegenüber der 82er Sefel-Aufnahme mit Arpád Joo ist die leichte „Digitalitis“ zwar verschwunden und der Klang wärmer und weicher geworden, die Dynamik wirkt jedoch immer noch nicht ausgereizt und die Violinen klingen erneut nicht ganz frei. Die Staffelung ist gut, die Holzbläser sehr transparent, die Bässe teilweise sehr kräftig. Das Glockenspiel hat es den Technikern angetan. Es klingt in dieser Aufnahme so präsent, laut und deutlich, als hätte man ihm gleich mindestens zwei Mikrophone gegönnt.
3-4
Adam Fischer
Ungarisches Staatsorchester (Hungarian State Symphony Orchestra)
Nimbus, Brillant
1990
17:11
Bei diesem Orchester handelt es sich vermutlich um das Orchester der Ungarischen Staatoper, bei der vorliegenden Verwirrung bei der deutschen und internationalen Benamung und den Umbenennungen im Laufe der Zeit kann man bei all den Orchestern, die in Budapest beheimatet sind jedoch leicht den Überblick verlieren. Von 2007 bis 2010 war Adam Fischer Generalmusikdirektor der Ungarischen Staatsoper. Die Stelle verließ er aus Protest gegen die Politik der Fidesz-Regierung, was damals für einigen Aufruhr sorgte.
Diese Einspielung wird vornehmlich von ihrer Aufnahmedisposition geprägt, die wir einmal als alles andere als optimal bezeichnen wollen. Musikalisch macht sie durchaus einen besseren Eindruck, wenngleich sie nicht gerade dem Mainstream entspricht. Das Spiel des Budapester Orchesters wirkt durchaus intensiv und man erreicht eine schöne stimmungsvolle Atmosphäre. Jedoch lässt die extrem distanzierte Räumlichkeit die Musik eher wie eine Traumgestalt erscheinen, so diffus schallt sie uns von weitem daher. Unser Sitzplatz befindet sich nicht in der ersten, sondern in der letzten Reihe eines leeren, etwas zu groß geratenen Konzertsaales. Das nimmt der eigentlich noch nicht einmal temperamentslosen Darbietung letztlich fast jede Brisanz. Wir konnten uns nicht mit dieser Aufnahmetechnik anfreunden.
Das Orchester wird räumlich großzügig in einen weiten, unbedämpften Raum gesetzt. Es ergibt sich ein immenser Eindruck von Raumtiefe. Im p wirken die einzelnen Instrumente und Instrumentengruppen noch klar. Doch auch im p sind die Holzbläser schon gefühlt dutzende von Metern von den Streichern entfernt Der bei jeder Aufnahme angestrebte Kompromiss aus Präsenz und Räumlichkeit geht in diesem Fall eindeutig zugunsten der Räumlichkeit aus. Diese Aufnahmedisposition ist von vielen Nimbus-Aufnahmen bekannt. Sie erinnert stark an Adam Fischers Einspielung der Haydn-Sinfonien, denn auch für Kodaly ging man für die Aufnahme in den Haydnsaal im Schloss Esterházy zu Eisenstadt. Für dieses Werk eine sehr ungünstige Wahl. Im lauten Tutti wird die Akustik sehr diffus und die Konturen beginnen schnell zu verschwimmen. Diesen Eindruck gewinnt man sowohl bei der originalen Nimbus-Produktion als auch beim Remake auf dem Brilliant-Label.
Mitschnitte aus Rundfunk und Fernsehen, nur vereinzelt auf Tonträger oder Video zu erwerben, teils in den Media- bzw. Audiotheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu finden, teils auf YouToube.
5
Vladimir Jurowski
London Philharmonic Orchestra
BBC Radio 3
2011
15:20
Dieser Mitschnitt stammt von den Proms, kommt also live aus der Royal Albert Hall in London. Zu sehen und hören ist er in guter Qualität bei YouTube.
Das Orchester ist nach den „Auftritten“ mit Solti und Süsskind nun das dritte Mal vertreten und seine Qualität kann man nur als ganz ausgezeichnet bezeichnen. Insbesondere die Solisten bei den Holzbläsern setzen sich glanzvoll in Szene. Die Darbietung ist detailreich und wird in einem flotten Tempo, einem starken Espressivo und bestens akzentuiert zu Gehör gebracht. Die p und pp gelingen angemessen, die Stringendi wirken feurig. Im 4. Teil verlangt Jurowski besonders den Holzbläsern viel Aufmerksamkeit und Virtuosität ab, die drängende Ungeduld, die dabei spürbar wird, passt sehr schön zur Musik, lockeres scherzando inklusive. Der Schlusstanz schließlich ist rasant mit einer ordentlichen Portion Pfeffer und Chili in der ungarischen Gewürzmischung.
Am Klang gibt es nicht viel zu mäkeln. Er ist offen und klar, sehr räumlich und dynamisch. Holz und Schlagzeug klingen frisch, präsent und knackig. Sehr hörenswert.
5
Klaus Mäkelä
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Aufnahme des BR, gesendet vom ORF, unveröffentlicht
2020, live
16:35
Wenn man an diese Aufnahme nicht herankommen sollte, gibt es auf YouTube einen Videomitschnitt des Dirigenten mit den Philharmonikern aus Oslo zu hören und sehen. Beim Konzert in München war der junge finnische Dirigent gerade einmal 24 Jahre alt. Heute (2023) ist er bereits Chef in Oslo und beim Orchestre de Paris. Zudem ist er bereits designierter Chefdirigent beim Concertgebouw Orchester Amsterdam. Da hatte man anscheinend einen „guten Riecher“ und sich das große Talent am schnellsten gesichert.
Das Münchner Orchester zeigt wieder einmal (auch live) ein hervorragend geschmeidiges und virtuoses Spiel. Es wirkt schlank, frei im Sinne von losgelöst von manuellen Hürden, „antrittsschnell“ und hochvirtuos. Die Präzision ist bestechend. Zudem begeistern die ausdrucks- und gefühlvoll musizierten Soli der Holzbläser. Das Spiel wirkt selbst im extrem datenreduzierten ORF-Sound transparent, auch in den lauten Tutti und in den schnellsten Passagen.
Für ORF-Verhältnisse ist die hohe Transparenz und die gute Räumlichkeit nur zu loben. Schade, dass wir die Direktübertragung vom BR verpasst haben.
5
Myung Whun Chung
Concertgebouw Orchester Amsterdam
NPO Radio 4 (?), unveröffentlicht (?)
2012, live
16:30
Diesen Audio-Mitschnitt haben wir bei YouTube gefunden. Offensichtlich stammt er vom Radio, sicher ist es aber nicht. Der Mitschnitt wurde von einem koreanischen Nutzer eingestellt, der mit den Quellenangaben hinter dem Berg hält. Der Mitschnitt ist sicher keine Eigenaufnahme (Bootleg), denn er wurde aufwendig hergestellt (mit mehreren, aber nicht zu vielen) Mikrophonen und wir würden meinen einer hohen Datenrate, modernen Geräten und einiger Expertise.
Wir sitzen in der ersten Reihe, denn vor allem die Streicher klingen sehr präsent und werden groß abgebildet und wirken somit sehr deutlich. Das Dirigat wirkt sehr energisch, so wie man den Dirigenten bereits aus seinen jungen Jahren kennt. Die Steigerungen wirken zugespitzt, das Orchesterspiel hochklassig und äußerst expressiv. Gegenüber den Streichern wirken die Holzbläser zurückgesetzt, es sei denn sie sind solistisch tätig, dann sind wir nahe dran und die Holzbläser dürfen (virtuell) dann auch mal vor an die Rampe.
Der koreanische Dirigent gönnt dem Orchester (und der Musik) kaum einmal Entspannung (nur mal kurz zwischen dem 4. und 5. Teil, d.h. zwischen T. 565 und 579, für ein Klarinettensolo). Leider lässt ab dem Allegro vivace (Beginn Teil 5 und letzter rasantester Tanz, noch rasanter ist nur die Coda) der Pegel spürbar nach. Nur so werden allerdings die deftigen Dynamiksprünge, die noch kommen, unverzerrt zu Gehör gebracht. Hier wird extrem zugespitzt, der Dirigent ist in seinem ureigensten Element und das Orchester zieht gekonnt mit.
Fast überall löst Kodalys Stück Begeisterungsstürme aus. Auch in Amsterdam 2012.
5
Antonio Pappano
Chamber Orchestra of Europe
Belgischer Rundfunk, gesendet vom SWR, unveröffentlicht
2022, live
16:06
Nach dem Chamber Orchestra aus Saint Paul und dem Schottischen Kammerorchester ist das COE erst das dritte Kammerorchester, das wir mit den Tänzen aus Galanta hören konnten und das Vergnügen war ganz unsererseits. Das Konzert fand übrigens am 3.12.2022 im Elisabeth-Saal in Antwerpen statt und nicht wie der Moderator der Sendung behauptete im Smetana-Saal zu Prag.
Das COE wird seinem Ruf eines der allerbesten seiner Art zu sein erneut mehr als gerecht. Die Solisten werden zwar nicht über Gebühr herausgehoben, aber was man hört reicht um der Bravour an allen Pulten (Klarinette, Flöte und Oboe) gewahr zu werden. Das Orchester kann sagenhaft leise spielen und die Aufnahme- bzw. Übertragungstechnik nivelliert es dieses Mal nicht über Gebühr aus, sondern macht es hörbar. Es geht also doch auch wenn die Datenrate nicht gerade üppig ist. Pappano hat für die melancholischen Abschnitte den langen Atem, weiß dem rhapsodischen Gestus Geltung zu verschaffen. Man kann schon sagen, dieser Gestus wirkt melancholiegetränkt. Das Orchester lässt ein souverän-lockeres Spiel hören mit einem sehr schönen, weichen und farbigen Klang.
Ab dem Allegro (T. 236) mit dem Kodaly den 4. Teil beginnen lässt geht ein richtiger Ruck durchs Orchester, jetzt wird die überaus beschwingte und feurige Virtuosität ausgepackt, die Akzente werden noch lebendiger und kräftiger, bei einem nach wie vor spielerisch leichten Gestus. Das Holz spielt ausgesprochen rasant aber immer noch mit größter Geschlossenheit, einfach fabelhaft. Die Impulsivität und den Elektrifizierungsgrad wie bei Solti, Fricsay, Kertesz oder Reiner bekommt man allerdings nicht zu hören. Die Virtuosität ist noch schlackenloser, windschlüpfriger, widerstandsloser geworden. das klingt nun auch noch sehr elegant. Die Urwüchsigkeit ist im Gegenzug ein wenig abhandengekommen. Frenetischer Jubel in Antwerpen.
Übrigens ist Sir Antonio nach dem Auslaufen seiner beiden Dauerpositionen beim Royal Opera House Covent Garden und bei der Academia di Santa Cecilia nun Nachfolder von Sir Simon beim LSO. Er war ja auch lange als möglicher Nachfolger Daniel Barenboims bei der Staatsoper Berlin im Gespräch.
Die Aufnahme klingt klar und natürlich. Das Holz wirkt goldrichtig positioniert und kommt sehr gut zur Geltung. Dabei scheint noch nicht einmal von Seiten der Technik nachgeholfen worden zu sein.
4-5
Daniel Barenboim
Berliner Philharmoniker
SFB, Euroarts
2001, live
18:58
Bei dieser Einspielung sind wir zu Gast in der Berliner Philharmonie beim Silvesterkonzert 2001. Wie oft bei diesen Konzerten mit Event-Charakter geizt man nicht sondern zeigt was man hat. Die Bühne war richtig voll. Das macht sich durch einen vollen, ja fülligen Klang bei den Streichern bemerkbar.
Barenboim ist der langsamste Dirigent von allen. Er kann sich jedoch auf die Musikalität seines Orchesters stützen, die selbst den extrem getragenen Tempi noch Ausdruck verleihen kann. Die hervorragende Klarinette (Karl-Heinz Steffens mit ausgezeichnetem pp) weiß das Tempo nicht zur auszufüllen, sondern aktiv auszugestalten. Das gilt für alle anderen Holzbläsersoli ebenfalls. Mit einem geringeren Orchester hätten die beschaulichen Tempi zu einem starken Spannungsabfall geführt, dieses Mal nimmt man die romantisierende Betrachtungsweise des Dirigenten gerne in Kauf (oder notgedrungen?) um weiter staunend dem Glanz des Orchesters und seiner Solisten zuhören zu können. Die schnellen Tempi kommen nur leidlich voran. Von einem ungarisch-gepfeffertem Temperament kann kaum die Rede sein. Nur beim letzten Tanz (und natürlich bei der Coda) gibt der Dirigent einmal die Sporen, vielmehr lässt er dem Orchester mal freien Lauf. Diese Coda begeistert dann nicht nur die Besucher der Berliner Gala, sondern auch uns. Man muss sich wundern, wo die Philharmoniker ihre Präzision bei diesem Dirigat hergeholt haben.
Der Klang ist transparent, detailreich, füllig, rund und sonor. Als schlank würde man ihn auf keinen Fall bezeichnen können. Auch diesen Mitschnitt kann man in Ton und Bild auf YouTube anklicken.
4-5
Joana Mallwitz
NDR Elbphilharmonie Orchester
NDR, unveröffentlicht
2023, live
16:05
Gerade erst Chefin des Konzerthausorchesters Berlin geworden ist sie in diesem Konzert das erste Mal zu Gast beim Hamburger NDR-Orchester. Ganz fremd musste sich die Dirigentin jedoch nicht fühlen, denn auch der Soloklarinettist, Julius Ockert vom Konzerthausorchester war bereits als Gast zur Überbrückung einer Vakanz zugegen. Das Gastspiel fand in der Elbphilharmonie statt, was man vielleicht auch an den weichen und besonders klaren, „singenden“ Violinen erkennen mag. Das Spiel des Orchesters wirkt spannend, klangvoll und brillant. Die Soli werden nicht über Gebühr herausgestellt, sondern ziemlich „maßstabgerecht“ wiedergegeben. Man spielt p und pp, genau dort, wo man es sollte, wenngleich dies immer noch klang- und gehaltvoll wirkt. Die Animati kommen gut zur Geltung (z.B. bei T. 209 oder T. 217). Das Musizieren wirkt ungleich beschwingter als bei Maestro Barenboim, mit mehr Elan und mehr Zuspitzung. Die Virtuosität des Orchesters wirkt sehr gut, kommt fast an das Niveau des BRSO heran. Die Aufführung profitiert (für die Radiohörer) ganz besonders von der sagenhaften Durchhörbarkeit auch im ff des Tutti. Was von diesem Effekt auf die Qualität des Orchesters, was auf das (sicher anlässlich der Fertigstellung der Elbphi neu angeschaffte) Aufnahmeequipment und was auf die Akustik der Elbphi selbst zurückzuführen ist, kann man schwer sagen. Wahrscheinlich ergibt sich ein Synergieeffekt aus allen drei Faktoren.
Der Mitschnitt ist ganz besonders gut durchhörbar, hat aber immer noch einen geringen Dynamikumfang. Die Technik bietet kein echtes pp (obwohl es das Orchester spielt) und auch kein echtes ff. Da sollte die Rundfunktechnik mal daran arbeiten. In Sachen Transparenz und Farbigkeit ist man schon recht weit gekommen.
4-5
Diego Matheuz
HR Sinfonieorchester
HR, unveröffentlicht
2011, live
17:17
Der junge Dirigent, wie Gustavo Dudamel aus „La Sistema“ hervorgegengen, war damals 27 Jahre jung. Er war von 2011 bis 2015 Chefdirigent des Teatro „La Venice“ in Venedig. Danach verlieren sich seine Spuren. Heute ist er als Nachfolger des bei der Regierung Venezuelas in Ungnade gefallenen Gustavo Dudamel Leiter des „Simon Bolivar“ Symphony Orchestra in Caracas (des ehemaligen Jugendorchesters). Herr Matheuz hat ein sehr gutes Gespür für die Musik, er lässt sich an den entscheidenden Stellen viel Zeit um dann in den richtigen Passagen mächtig auf „die Tube“ zu drücken.
Die Klarinette des HR SO klingt dieses Mal nicht besonders rund und geschmeidig, dynamisch zeigt sie jedoch alles. Das Orchester ist bei diesem Debut-Konzert gut aufgelegt, spielt ausdrucksvoll mit lebendiger Phrasierung und akzentuierter Artikulation. Die Kontraste zwischen dem p der Bläser und dem f oder gar ff der Streicher könnte stärker zur Geltung kommen (wie fast immer klingt das Holz im Verhältnis zu laut). Die Streicher (besonders wichtig die Violinen) klingen voll, ebenso wie Flöte und Oboe. Das Schlagwerk kommt sehr transparent zur Geltung. Die Animati werden deutlich vom sonstigen Gestus abgehoben. Das Musizieren lässt besonders anschaulich die tänzerischen Bewegungen vor dem geistigen Auge entstehen. Im Allegro vivace (die Coda) zeigt das Orchester seine ganze Virtuosität, dabei wirken die Streicher wirklich exzellent. Präzise und voll auch wenn es turbulent wird oder richtig „hoch hergeht“. Trotz der langen Spieldauer wirkt diese Darbietung lebendig und kontrastreich.
Auch diese Aufnahme wirkt recht offen, klar und räumlich, auch präsent und plastisch.
4-5
Sir Neville Marriner
RSO Stuttgart des SWR
SWR, unveröffentlicht
2013, live
17:30
Sir Neville war von 1983 bis 1989 Chefdirigent des RSO, zum Zeitpunkt des Konzert-Mitschnitts war er stolze 89 Jahre alt. Auffallend ist, wie einig er sich mit einem der jüngsten Dirigenten ist, wenn es um die verschiedenen Tempi geht, nämlich mit Diego Matheuz. Die Bläsersolisten sind wieder einmal voll überzeugend bei diesem Orchester. Das Hornsolo gefällt sehr gut und die Oboe schließt sich an. Das erste große Klarinettensolo bleibt als eines der wenigen durchweg im pp- und p-Bereich, wie es das Notenbild möchte. Sir Neville achtet auch im hohen Alter noch genau auf die Partiturtreue. Er lässt sich viel Zeit für die melancholischen Aspekte des Werkes, vermittelt dabei jedoch auch den etwas schwankenden Rhapsodie-Charakter sehr gut.
Das Andante maestoso klingt bei ihm besonders majestätisch und stolz. Die Holzbläser werden immer transparent gehalten und wirken immer diskret und die dynamische Nuancierungskunst wirkt respekteinflößend.
Dies ist einfach eine schöne, hervorragend gespielte Aufnahme, die auch im Hinblick auf ihre Vitalität dem jungen Diego Metheuz kaum nachsteht.
Der Klang der Aufnahme wirkt räumlich, recht füllig aber dennoch klar. Das Schlagwerk kommt deutlich heraus und auch die Bässe werden nicht vergessen.
4-5
Tarmo Peltokoski
Kammerakademie Potsdam
HR, unveröffentlicht
2022, live
16:37
Tarmo Petokoski scheint ähnlich Furore zu machen wie Klaus Mäkelä, bei diesem Konzert war er gerade einmal 22 Jahre jung. Die Kammerphilharmonie Bremen hat ihm sogar den Posten einen ersten Gastdirigenten geschaffen und das Orchestre du Capitol de Toulouse bezeichnet ihn bereits als designierten neuen Chefdirigenten. Das „kleine“ Finnland bringt seit Jorma Panula unentwegt hervorragende Dirigenten hervor. Kaum hat man sich an die Namen Santtu Matias Rouvali und Pietari Inkinen gewöhnt, steht schon die nächste Generation bereit. Wir finden in unserer Liste noch einen zweiten Mitschnitt mit ihm. Mit dem DSO in Berlin trat er im gleichen Jahr als Einspringer in Erscheinung und hatte ebenfalls die „Tänze aus Galanta“ im Gepäck.
Mit der KA Potsdam war er zu Gast im Kurhaus zu Wiesbaden, weshalb auch der HR aufzeichnete und nicht der RBB. Auch in diesem Mitschnitt (wenn man so will nun mit dem vierten Kammerorchester in unserem Vergleich) ist das Spiel hervorragend transparent, was darauf hindeutet, dass die Orchester heutzutage kaum noch spieltechnische Probleme mit dem Werk zu haben scheinen. Auch bei dem blutjungen Finnen werden die Spielanweisungen genau beherzigt, auch in der Dynamik. Kammermusikalische Interaktionen gibt es zuhauf und das Spiel des Orchesters kommt fast an die Qualitäten des COE heran. In Wiesbaden stand das Konzert, wie auch in Hamburg bei Joana Mallwitz als erstes Stück auf dem Programm und reißt das Publikum so bereits früh zu ausgelassenen Begeisterungsstürmen hin.
Der dynamische Ambitus wirkt für eine Rundfunksendung ziemlich geweitet, hervorgerufen vor allem durch das hervorragende pp-Spiel. Der Klang wirkt recht präsent und brillant, die Räumlichkeit gut.
4-5
Tarmo Peltokoski
Deutsches Sinfonieorchester Berlin
RBB, unveröffentlicht
2022, live
16:46
In diesem Konzert kam der junge Finne als Einspringer für den kaum älteren, aber leider erkrankten Kerem Hasan zum Zuge. Dass in der Berliner Philharmonie ein größeres Orchester als im Kurhaus Wiesbaden auf dem Podium platznahm, hört man sofort am volleren Klang bei den Streichern, insbesondere bei den Violinen. Das Klarinettensolo wird sehr gut gespielt und klingt voll. Das Orchester scheint allerdings etwas distanzierter als in Wiesbaden. Sehr überzeugend empfanden wir die hohe Leuchtkraft der Violinen und das gespannte Espressivo. Die Soli der Holzbläser wirken farbig, die ganze Darbietung temperamentvoll. Auch das DSO ist nach wie vor ein herausragendes Orchester.
Bei der Aufnahme kört man auch, dass die Philharmonie der größere Raum als der Konzertsaal des Kurhauses in Wiesbaden ist. Angesprochen hatten wir schon, dass man sich als Radiohörer(in) ein wenig distanzierter fühlt. Im Gegenzug klingt es weicher und noch sonorer.
4-5
Jaime Phillips
Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
SWR, unveröffentlicht
2014, live
16:04
Die DRP ist das einzige Rundfunk-Sinfonieorchester bei dem zwei Sender der ARD bei der Finanzierung beteiligt sind. Entsprechend gibt sie ihre Konzerte vornehmlich im Sendbereich beider Sender, wobei die DRP außer dem Saarland, wofür der SR zuständig ist vom SWR vor allem Rheinland-Pfalz übernimmt. Für Baden-Württemberg ist dann das RSO Stuttgart, das mittlerweile SWR Sinfonieorchester heißt, zuständig. Empfangbar sind die Konzerte jedoch deutschlandweit, zumindest wenn man vom Satellitenempfang profitieren kann.
Die „Tänze aus Galanta“ wurden innerhalb eines Konzertes aus dem SWR-Studio Kaiserslautern übertragen. Dass es sich um einen ziemlich kleinen Saal handelt, merkt man der Darbietung durchaus an. Man ist als Zuhörer dicht am Klanggeschehen dran, was das Erleben der Musik erleichtert, zumal wenn das Orchesterspiel so leidenschaftlich, präzise, dynamisch und kontrastreich wirkt wie hier. Das Klarinettensolo besticht durch die ausgezeichnete dynamische Abschattierung, rein klanglich hat man die Klarinette der DRP auch schon ein wenig voller gehört. Die Celli erklingen dieses Mal leider etwas zu hintergründig, anscheinend haben sie hinter den Violinen Platz genommen. Die Oboe klingt wieder sehr gut, aber fällt in der Lautstärke etwas aus dem Bläsersatz heraus z.B. beim grazioso (ziemlich laut bei T. 173), während die Flöte wie die Klarinette sehr gefühlvoll artikuliert. Die Darbietung als Ganzes ist ordentlich gepfeffert, aber auch elegant, stürmisch und melancholisch. Der junge Dirigent, der sich beim Orchester bereits viel Sympathie erwerben konnte, lässt das bekannt hochengagierte Orchester gegen Ende sehr virtuos aufspielen.
Der Klang der Aufnahme wirkt dicht und präsent, die Staffelung ist noch ganz gut. Transparenz ist gewährleistet. Bei der Übertragung wurde das ff leider zu stark abgeregelt, womit man der Musik einen Bärendienst erweist. Im Vergleich zu den anderen ARD-Mitschnitten ist der Raumeindruck ein wenig reduziert, was wohl am kleinen Saal liegen mag. Im Gegenzug ist man mehr in den Orchesterklang involviert.
4-5
Sir Mark Elder
Junge Deutsche Philharmonie
HR, unveröffentlicht
2023, live
16:33
Die Junge Deutsche Philharmonie ist das beste deutsche Nachwuchsorchester, denn es werden nur die besten Studenten aus deutschen Hochschulen aufgenommen. Aus der JDP entwickelten sich bereits das Ensemble Modern, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, das Ensemble Resonanz und das Freiburger Barockorchester. Der Hessische Rundfunk zeichnet das Neujahrskonzert des Orchesters in der Alten Oper Frankfurt seit einigen Jahren auf. Der Dirigent ist bereits seit 2000 Chef des traditionsreichen Hallé Orchestra in Manchester.
Das Orchester spielt das Werk in großer Besetzung, die Nebenstimmen werden gut hörbar gemacht. Die Klarinette spielt ihr ersten großes Solo mit einer gesunden Lautstärke (ein echtes pp vermeidet sie). Sie suggeriert mehr Selbstbewusstsein, als ihr Kodaly in dieser Passage mitgeben wollte, zumindest wenn man den vielen anderen Darbietungen glauben will. Die solistischen Holzbläser überzeugen voll, vielleicht haben die Techniker auch ihre Solo auch ein wenig lauter gemacht. Der Triangel ist leider unhörbar. Das Orchesterspiel wirkt sehr geschliffen, die jungen Musiker erreichen schon ein sehr hohes Niveau. Sir Mark lässt mit viel Verve musizieren, erreicht aber nicht die Attacke und tänzerische Ekstase der „alten“ Ungarn.
4
Laszlo Kovacs
Münchner Rundfunkorchester
BR, unveröffentlicht
AD ? live
16:11
Der Dirigent war von 1984-2014 Leiter des Ungarischen Sinfonieorchesters Miskolc, wo er kurz nach der erneuten Vertragsverlängerung „ge-feuert“ wurde. Von der damals noch nicht ganz gleichgeschalteten Presse vermutete man politische Intrigen als Grund (Quelle: pizzicato.lu).
Im Münchner Konzert war das Orchester in der im Tempo mannigfach variierten ersten Hälfte (Lassu) nicht immer ganz zusammen. Das Kla-rinettensolo lässt vor allem durch die lauten Atemgeräusche des Klarinettisten aufhorchen, der auch deutlich lauter spielt als sein Stuttgarter oder Saarbrücker Kollege. Er nimmt es mit dem nuancenreichen Abschattieren nicht so genau. Was sich auch auf die Flöten überträgt. Das pp und p steht nur in den Noten. Das Orchester überzeugt dennoch mit seinem lockeren Spiel, wobei besonders die Streicher nicht immer ganz präzise bleiben.
Teil 4 und Teil 5 wirken erstaunlich wenig massiv, geradezu luzide und bei aller Lautstärkeentwicklung graziler als sonst. Leider haben die Holzbläser das leise Spielen nicht gerade erfunden. Das mindert in vielen Passagen den Kontrastreichtum, zumindest mal für den Radiohörer und die Radiohörerin. Insgesamt gibt es aber deutlich mehr Licht als Schatten bei dieser Aufführung zu vermelden.
Klanglich ist der Mitschnitt offen, präsent und transparent für eine Sendung des Rundfunks.
4
Christian Macelaru
Orchestre National de France
Aufnahme vom Rumänischen Rundfunk, gesendet vom SWR, unveröffentlicht
2023, live
16:25
Dieses Konzert wurde in Timisoara (Rumänien) aufgezeichnet, dem Geburtsort des Dirigenten. Christian Macelaru ist derzeit Chef des Französischen Nationalorchesters und der WDR Sinfonieorchesters.
Die Dynamik- und Tempo-Relationen stimmen gut bei diesem Gastspiel und auch die artikulatorische Genauigkeit überzeugt. Die Violinen wirken jedoch nicht ganz homogen, die Holzbläser integrieren sich gut. Im Großen und Ganzen ist die Darbietung temperamentvoll, aber es fehlt uns der letzte Kick. Den Zuhörers in Timisoara hat es sehr gut gefallen, die Darbietung wurde viel umjubelt, vielleicht auch weil der Sohn der Stadt mal wieder nach Hause gekommen war.
Die Aufnahme klingt etwas distanziert, aber transparent. Der Unterschied zu den Aufnahmen von ARD oder ORF sind nicht groß.
4
Simon Gaudenz
Euroclassic Festival-Orchester
SWR, unveröffentlicht
2022, live
15:49
Man erfährt nicht viel über das Festival, das jährlich im Spätsommer in der Westpfalz und im angrenzenden Saarlang stattfindet. Das Orchester wird adhoc zusammengestellt, sodass auch schon 15 Nationen in ihm vertreten waren. Verständigungsprobleme scheint es jedoch ohrenscheinlich bei diesem Konzert in Pirmasens keine gegeben zu haben. Der oder die Klarinettist(in) macht einen sehr guten Eindruck, das Orchester ist prima besetzt (Holz!). Nur den Violinen merkt man es bisweilen an, dass sie, besonders wenn sie expressiv spielen sollen, weniger homogen bleiben. Der Dirigent sorgt für eine ausgesprochen schwungvolle Darbietung, die die Melancholie der langsamen Tänze (in der ersten Hälfte des Stückes) nicht noch zusätzlich betont. Das wirkt vielleicht auf den ein oder anderen Zuhörer zu geradlinig. Die zweite Hälfte mit den schnellen Tänzen liegt ihm besser. Sie klingen sehr pointiert und die teils deftigen Rhythmen sorgen für feurigen Schwung.
Die Aufnahme selbst kann man nur als sehr gelungen bezeichnen, denn das Orchester wirkt sehr klar, recht präsent und schön räumlich auch in den lautesten Passagen des Tutti. Eine sehr gute Rundfunk-Aufnahme. Besonders wenn man bedenkt, dass sie in einer Mehrzweckhalle ausgezeichnet werden musste, denn in Pirmasens gibt es keine „Philharmonie“.
4
Gilbert Varga
MDR - Sinfonieorchester
MDR, unveröffentlicht
2011, live
15:40
Gilbert Varga, Sohn des bekannten Geigers Tibor Varga war ehemals Chef des Stuttgarter Kammerorchesters und des Baskischen Nationalorchesters. Er war damals bereits seit vielen Jahren ein gern gesehener Gast in Leipzig. Zu diesem Konzert im Gewandhaus wäre der Solooboist wahrscheinlich lieber gar nicht erst aufgestanden, wenn er schon gewusst hätte was ihm dabei unterläuft. Er versemmelt seinen ersten Einsatz bei T. 19, indem er die doppelte Punktierung zu einer einfachen macht. Der Takt wird dadurch zu kurz und danach muss er kurz ganz aussteigen. Natürlich bemerkt er sofort, was ihm passiert ist. Seine Kolleg/innen fangen sich meisterlich und spielen stoisch weiter. Dennoch bemerkt man dem Spiel noch eine Weile eine gewisse Erschütterung an. Später erfreut der Unglückliche mit seiner farbigen und vollen Tongebung und seinem genauen Rhythmusgefühl. Die Darbietung wäre ansonsten meisterlich zu nennen, sogar die Dynamik geht überzeugend bis ins pp hinein. Die Schusstänze wissen zu begeistern.
Die Aufnahme klingt offen, klar, räumlich und voll. Dynamisch wirkt sie weniger eingeebnet als üblich, aber immer noch rundfunktypisch.
23.12.23