Joaquín Rodrigo 

Concierto de Aranjuez

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Werkhintergrund:

 

Rodrigo, musikalisch frühreif, wurde zunächst als Pianist ausgebildet und studierte dann in Paris Komposition bei Paul Dukas (Der Zauberlehrling). Er lernte dort auch seinen Landsmann de Falla kennen und fand freundschaftliche Aufnahme im Kreise von Ravel, Milhaud und Honegger.  Die dort in den 30er Jahren propagierte Rückbesinnung auf nationale Traditionen fand in ihm wohl ihren populärsten Fürsprecher. Als seine prägenden Einflüsse bezeichnete er selbst „den Impressionismus, vor allem Debussy, die ersten Werke von Strawinsky und natürlich auch de Falla“.

Stets ging es Rodrigo darum, eine musikalische Sprache zu finden, die spanisch gefärbt war, ohne nur plump das vorgefundene folkloristische Material zu adaptieren. Gemeinhin kann man seine kompositorische Handschrift als „neoromantisch“ oder „neoklassizistisch“ bezeichnen. Damit gemeint ist die große Affinität zu klassischen Formen der nationalen musikalischen Vergangenheit (z.B. die Sevillana oder den Fandango) als auch die Abhängigkeit seiner Werke von  einer bestimmten Idee oder auch einer spezifisch bildhaften Atmosphäre. An seinem Stil änderte sich übrigens zeitlebens nichts mehr gravierend.

In seinen Werken paaren sich südländische Vitalität und klassische Form, kunstvoller impressionistischer Farbenzauber und das pragmatische Instrumentierungsgeschick eines Komponisten, der die meisten Werke in Zusammenarbeit mit großen Interpreten seiner Zeit geschaffen hat. Die tonale Basis verlässt er nur, um sie manchmal mit unverhofften Dissonanzen anzureichern, die er dann oft wie Fanfaren klingen lässt. Die pulsierenden Rhythmen lauscht er den Tänzen seiner spanischen Heimat ab, die expressive Virtuosität macht seine musikalische Sprache schließlich unverwechselbar. „Meine Musik stützt sich auf Melodie, Farbe und Präzision. Sie ist nicht intellektuell, sondern vom Gefühl diktiert.  Vielleicht bin ich wirklich der letzte Komponist, der in dieser Tradition steht“  Das Gitarrenspiel hat er übrigens selbst nie richtig erlernt. Umso erstaunlicher die Meisterschaft der Kompositionen gerade für dieses Instrument.

 

Das Concierto de Aranjuez ist das erste von fünf Solokonzerten für Gitarre und Orchester von Joaquín Rodrigo (1901–1999). 1938 war eine besonders schwere Zeit, in der Rodrigo mit seiner Frau vor dem spanischen Bürgerkrieg aus seiner Heimat fliehen musste und materielle Not an der Tagesordnung war. Die Welt stand vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges. Im Frühjahr 1939 wurde das Concierto in Paris komponiert und am 9. November 1940 in Barcelona uraufgeführt. Es ist nicht nur das mit Abstand populärste Werk Rodrigos, sondern auch eines der bekanntesten klassischen Musikstücke und das mit Abstand bekannteste Instrumentalkonzert des 20. Jahrhunderts überhaupt. Es ist auch eines der wenigen bedeutenden Werke für Gitarre, die zwischen den Weltkriegen entstanden, die nicht dem Gitarren - Pionier Andres Segovia gewidmet sind. Vielleicht hat er es auch deshalb nie aufgeführt, geschweige denn eingespielt. Ein Mangel, der beim Studium der Diskographie sofort auffällt.

 

Rodrigo komponierte das Concierto de Aranjuez auf Anregung seines Freundes, des Gitarristen Regino Sáinz de la Maza (1896–1981), der auch den Solopart in der Uraufführung spielte.

Rodrigo beschreibt in dem Werk die Gärten des Königlichen Palastes von Aranjuez südlich von Madrid, der Frühjahrsresidenz der spanischen Könige. Aranjuez verkörperte für Rodrigo eine von ihm geschätzte Epoche der Geschichte: die Regierungszeit der letzten spanischen Herrscher vor der Zeit als der Herrscher Bonaparte hieß (der Bruder von Napoléon). Es atmet daher nicht von ungefähr den Geist des beginnenden 19. Jahrhunderts.

Der Komponist fühlte sich dem Palast sehr verbunden: Er war in den Gärten mit seiner zukünftigen Ehefrau oft spazieren gegangen. Im zweiten Satz des Werkes beschrieb Joaquín Rodrigo seine Gefühle rund um eines der einschneidendsten Erlebnisse in seinem Leben: die Totgeburt seines erstgeborenen Sohnes und damit verbunden den Schmerz, die unendliche Trauer, die Wut, das Loslassen und die Bitte an Gott, er möge seine geliebte Ehefrau Victoria (Vicky) am Leben lassen. Victoria war das „Augenlicht“ von Joaquín Rodrigo. Er selbst war 1906 infolge einer Diphtherie-Epidemie in seiner Geburtsstadt Sagunto erblindet.

César de Mendoza Lassalle leitete die Uraufführung am 9. November 1940 im Palau de la Música Catalana in Barcelona mit dem Orquesta Filharmónica de Barcelona.

 

Das Konzert hat äußerlich die klassische Konzertform in drei Sätzen. Bei der Komposition stand Rodrigo vor dem Problem, die Gitarre, die als Soloinstrument gegenüber einem Sinfonieorchester viel zu leise ist, in einen ausgewogenen Zusammenklang mit dem Orchester zu integrieren. Rodrigo gelang dies, indem er die Gitarre nie mit dem vollen Orchester zugleich spielen ließ, sondern weitgehend nur mit kleinen Gruppen leiserer Instrumente. Das Problem des eigentlich zu leisen Soloinstruments hatten auch die Tonmeister und Produzenten der jeweiligen Aufnahmen zu lösen. Es gelang mit unterschiedlichem Erfolg.

 

Obwohl die Eingangstakte jedes der drei Sätze von der Gitarre bestimmt werden, ist diese nicht nur für virtuoses Glitzerwerk gut, sondern wird immer wieder auch als akkordisches, arpeggierendes Begleitinstrument, als spezielle Farbe im Orchester eingesetzt und das auf eine Weise, die sämtliche Extreme in Artikulation, Klangqualität, Farbe und Spieltechnik ausreizt.

Der erste und der letzte Satz, beide relativ kurz gehalten, leben vom temperamentvollen Gegeneinander jeweils zweier unterschiedlicher Taktarten

 

 

  1. Allegro con spirito

Der 1. Satz (D-Dur) in klassischer Sonatenhauptsatzform ist ein lebhafter Fandango im 6/8-Takt (Seguiriya, einem der ältesten Flamenco - Tänze)), der fanfarenartig eröffnet und von mitreißenden Stimmungswechseln bestimmt wird. Seine Themen haben „Ohrwurmcharakter“, kaum gehört verschwinden sie kaum noch aus dem Kopf. Geschweige denn, wenn man den Satz des CD-Vergleiches wegen mehrmals hintereinander hört. Den Verfasser erinnert er (von weiter Ferne natürlich) übrigens besonders im Gestus an den ersten Satz von Beethovens „Pastorale“. Die Vogelrufe (Kuckuck) dann auch noch an den 2. Satz. Auch hier stellen sich überreiche freudig-fröhliche Gefühle ein, nur eben nicht beim Ankommen auf dem Lande, sondern beim Ankommen in die Gärten von Aranjuez. Er sprudelt geradezu über davon, zumindest wenn die Interpreten von derselben Idee geleitet werden. Gerade hitzegeplagte Madrilenen werden besonders im Sommer davon dasselbe Lied gesungen haben bzw. auch heute noch singen, wenn sie die muffige, drückend heiße Großstadtluft mit den lebendig-süßen Blütendüften des üppigen, prachtvollen Gartens mit seinen wilden wie auch gefassten Gewässern tauschen durften.

 

  1. Adagio

Der 2. und populärste Satz des Konzerts ist ein langsames, in ebenso einfachem wie eingängigem, klagendem Ton gehaltenes Stück in h-Moll. Die Hauptmelodie des Englischhorns ist eine Reflexion der Saeta, des Klagegesangs während der alljährlichen andalusischen Prozession in der Semana Santa (Karwoche). Das Thema erinnert auch in der Art seiner Melodieführung und seiner Verzierungen sowohl an gregorianische Gesänge als auch an den Cante jondo der Flamenco - Musiker. Dieses Thema ist ebenfalls ein unvergesslicher „Ohrwurm“, wenn auch der melancholischen Art.

 

 

  1. Allegro gentile

Hier wechseln wir von den Gärten ins Schloss, erleben ein Tanzfest. Ein heiterer Rondo-Satz in H-Dur im Stil eines höfischen Tanzes, der wiederum von unregelmäßigen Takt- und Rhythmuswechseln (zwischen Zweier- und Dreier Takt) in freien Variationen lebt, beendet das Werk. Hier gibt es viel Spielwitz und Charme aber auch eine gewisse Naivität. Es wechselt immer wieder von einer graziösen zu einer lebhaften Anmutung.

Dieser Satz scheint spieltechnisch sehr anspruchsvoll zu sein. Bei manchen Interpreten hört man mitunter nicht ganz gelöste manuelle Probleme oder auch eine unebene Handhabung der Rhythmen. Er sollte sich aber anhören, als ginge er leicht und locker „von der Hand“. Als Vorbild für die Komposition könnte hier der letzte Satz von de Fallas Cembalokonzert Pate gestanden haben.

 

Das Concierto de Aranjuez gilt als das bekannteste und beliebteste Werk Rodrigos. Laut Wikipedia wurde es 1956 mit Narciso Yepes erstmals auf Schallplatte aufgenommen. Jedoch existiert mittlerweile wohl auch ein Tondokument mit Sainz de la Maza von 1947. Der Flamenco-Gitarrist Paco de Lucía interpretierte zusammen mit dem Orquesta de Cadaqués unter der Leitung von Edmon Colomer das Konzert 1991 neu. Paco de Lucía bereicherte das Werk dabei mit verschiedenen Improvisationen. Der Komponist Joaquín Rodrigo befand, Paco de Lucías Interpretation sei die brillanteste der bis dahin vorliegenden. Rodrigo schuf auch eine Bearbeitung für Harfe und Orchester.

 

So wird dieser CD - Vergleich  von höchster Stelle beeinflusst und bereits in eine bestimmte Richtung gelenkt. Umso spannender ist es aber zu hören, was sich noch nach 1991 diskographisch ereignet hat und ob der Komponist damals überhaupt seine Auswahl aus einer zumindest repräsentativ großen verfügbaren Menge an Aufnahmen getroffen hat oder ob er vielleicht einige der besten Aufnahmen vor 1991 gar nicht kannte.

Das Werk ist nicht nur durch unzählige klassische Gitarristen und Orchester interpretiert worden, sondern wurde darüber hinaus auch durch zahlreiche Bearbeitungen populär, etwa von Miles Davis auf dem 1959 entstandenen Album Sketches of Spain, dem Klarinettisten Jean-Christian Michel sowie von Laurindo Almeida vom Modern Jazz Quartet. 1975 veröffentlichte Jim Hall (Jazzgitarre) eine bekannt gewordene Version  mit Paul Desmond (Altsaxophon) und Chet Baker (Trompete) auf seiner LP Concierto. Auch die U- Musik hat das Thema des zweiten Satzes weitlich (aus)genutzt. Derzeit gibt es auf Discogs weit über 7000 Nennungen (incl. den obligatorischen Mehrfachnennungen). Wir wollen uns hier nur auf die partiturorientierten Versionen mit Orchester beschränken, wobei auch vier Einspielungen mit der Harfe als Solo-Instrument berücksichtigt werden konnten.

 

Zum Vergleich wurde die Eulenburg Taschenpartitur Nr. 1809 verwendet.

 

 

 

Zusammengestellt am 4.12.2020

 

 

 

Joaquin Rodrigo zur Zeit der Komposition des Concierto de Aranjuez

 

 

 

Vergleich der gehörten Einspielungen mit Gitarre

 

5*

Pepe Romero

Neville Marriner

Academy of Saint Martin in the Fields

Philips

1992

6:08  12:03  5:17  23:58

 

Von den Romero - Brüdern Pepe und Angel lagen zum Vergleich zusammengenommen fünf Aufnahmen bereit. Sie alle sind hochkarätig und eine Empfehlung wert. Wie sollte es anders sein, bringt jedoch trotzdem jede einzelne eigene Qualitäten mit ein. Die Krone gebührt hier dem jüngeren Bruder Pepe, dem es gemeinsam mit dem erneut (er war auch schon 1978 mit von der Partie) mitwirkenden Neville Marriner und der ASMF gelang, die ohnehin schon vorzügliche Aufnahme von 1978 genau an den Stellen zu übertreffen, an denen - wenn überhaupt - noch Verbesserungen möglich waren. Darunter wurden auch alle Tempi haarfein modifiziert, sodass sie nun optimal zur Interpretation passen (vice versa). Oder auf den „Punkt gebracht“, wie man so schön sagt. Die Herangehensweise des Teams beim 1. Satz, denn von einem Team ist in diesem Fall ganz besonders zu sprechen, atmen die Beteiligten doch ganz wunderbar zusammen, ist noch etwas temperamentvoller und stringenter als 1978. Der Gitarrenklang, vielleicht bedingt durch ein anderes Instrument, vielleicht durch die Spieltechnik oder auch Teile des Aufnahme-Equipments, erscheint nochmals voller und sonorer. Auch scheinen die technischen Fähigkeiten noch weiter gewachsen zu sein. Grenzen sind nirgends zu vernehmen.

Das Orchester spielt noch glanzvoller mit einer begeisternden Spielfreude, dass es eine Lust ist, zuzuhören. Man fragt sich, wo Marriner immer diese exzellenten Bläser herbeizaubert? Aber auch die Streicher klingen noch weicher, voller und etwas agiler. Besonders die ff – Stellen leuchten ungemein.

Im 2. Satz erklingt ein gegenüber 1978 noch etwas vollmundiger und gedeckter klingendes Englischhorn, das den Hörer mit seinem vornehmen Klang unmittelbar berührt. Hier klingt die Gitarre nicht mehr so kernig (wie noch 1978), sondern geradezu wie dahinschwebend. Die Kadenz erfährt eine außerordentliche Gestaltung, wirkt aber nicht ganz so gefühlvoll erlebt wie zuvor. Danach, als Antwort auf die Kadenz, lässt Marriner die Academy geradezu hemmungslos schwelgen. Es wäre aber nicht Marriner, geschähe das nicht auf hochpräzise, distinguierte Art und Weise. Es gelingt eine, im Gegensatz zu anderen Versionen, die an dieser Stelle auch alle Kräfte mobilisieren eine grandiose, aber zugleich völlig unverkitschte, lebendige Darstellung, der in der Einleitung beschriebenen hochemotionalen Gefühlswelt.

Der 3. Satz erfährt eine nun beschwingtere Gangart, der die Tanzcharaktere voll erblühen lässt. Alles erklingt in einer absolut souveränen Geschmeidigkeit, dass der Hörer kaum aus dem Staunen herauskommt, insbesondere, wenn er schon viele andere Versionen im Ohr hat. Die reiche Farbpalette von Gitarre und Orchester wirkt ausgesprochen sinnlich. Das Ganze wirkt wie Kunst nach dem Goldenen Schnitt, ausgewogen und von vollendeter Harmonie.

Das Klangbild ist gegenüber der ohnehin schon vorzüglich klingenden ´78er noch großzügiger bemessen, das Orchester noch besser gestaffelt, insgesamt noch farbiger und noch dynamischer bei bester Transparenz. Ein seltenes audiophiles Klangvergnügen in einem Remake, das auf ganzer Linie glänzen kann.

▼ eine weitere Aufnahme derselben Musiker in der Liste

 

5*

Julian Bream

John Elliot Gardiner

Chamber Orchestra of Europe

RCA

1982

5:46  10:37 4:53  21:16 

 

Von Julian Bream gibt es mindestens vier Einspielungen des Konzertes. Zwei davon konnten verglichen werden, die erste mit Colin Davis und die vierte mit Simon Rattle lagen dem Verfasser leider nicht vor. Die beiden anderen entstanden jeweils mit Gardiner, die erste 1974 mit dem Monteverdi Orchestra, die zweite nach Einführung der Digitaltechnik mit dem COE 1982. Die Trümpfe dieser, nach Meinung des Verfassers noch besseren Gesamtleistung, ist das COE und die Aufnahmetechnik, obwohl nur sechs Jahre zwischen den beiden Einspielungen liegen. Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Das COE bietet hier unter dem extrem hellsichtigen und aufmerksamen Gardiner eine in diesem Vergleich nicht mehr erreichtes lebendiges, temperamentvolles und mitreißendes Orchesterspiel mit einem ungeheuer brillanter Streicherklang und hoch motivierten Bläsern, die ihre Einsätze mit blendender Bravour und ausgesprochen klangschön pointieren. Als Beispiel im ersten Satz mag das erfüllte Cellosolo genannt werden. Ein besseres Miteinander ist kaum vorstellar, ein jeder scheint den anderen nochmals anzustacheln, seinen Part noch schöner, noch akzentuierter zu Gehör zu bringen. Das wirkt noch eine Spur feuriger und unforcierter als die ASMF zuvor, obwohl das nicht für möglich gehalten wird, wenn man die oben genannte Aufnahme gerade hört. Höchste Präzision und Spielfreude pur. Ach ja einen Gitarristen gibt es hier ja auch noch. Er wird von dem Orchester geradezu angesteckt, was sich in seinem intensiven, impulsiven und hochkonzentrierten Spiel zeigt. Sein Gitarrenklang kommt an die Fülle des Wohllautes von Pepe Romero nicht heran, auch die Souveränität der Technik scheint nicht ganz ebenbürtig zu sein, was dem Hörer besonders im direkten Vergleich auffallen könnte.

Der 2. Satz lässt ein Englischhorn mit schönstem Ton in einem erfüllt geblasenen Solo hören. Die Wiederholung ein paar Takte später setzt, genau wie in der Partitur gewünscht, nun im mf statt im p wie zu Beginn ein. Nur wenige Solisten folgen dieser Vorschrift. Bream nimmt den angenehm fließenden Grundduktus mit eindrucksvollem leicht rhapsodisch wirkendem Spiel auf. Die Kadenz gestaltet er zwar nun mit mehr Nebengeräuschen als 1974 aber auch um einiges aufregender und plastischer, mit einem dramatischen Höhepunkt am Ende. Das Orchester antwortet auf die Kadenz mit herausragender Eloquenz, ohne jede klangliche Einschränkung, die an dieser Stelle so viele Einspielungen plagt. Die Einwürfe und Kommentare zumeist der Bläser in diesem Satz sind erneut besonders gefühlvoll, brillant und von besonderer Farbigkeit.

Im 3. Satz bringt das Orchester den Charakter mit erheblich mehr Spielwitz zur Geltung als das Monteverdi Orchester sechs Jahre zuvor. Es bringt hier eine unbeschwerte, ja fast schon überschäumende Lebensfreude mit ins Spiel, die den anderen Orchestern -zumeist deutlich - fehlt. Zusätzlich vernimmt man hier auch einen ausgeprägten Hang zur aufmüpfigen Frechheit. Bream hält hier ausgezeichnet und auf ganzer Linie mit. Die Beteiligten werden hier von keinerlei Schwierigkeiten aufgehalten, so muss hier auch besonders die pralle Dynamik gelobt werden. Der Elan der Mitwirkenden sollte sich ohne Umschweife auf den Hörer übertragen können.

Der Klang ist deutlich weiträumiger, transparenter, luftiger, farbiger und deutlich dynamischer eingefangen worden als 1974. Außerdem ist er bestens gestaffelt und die Instrumente haben etwas Schwebendes ohne auf zackigen Biss zu verzichten. Die frühe Digitalaufnahme lässt den Gesamtklang ganz leicht kühl und gläsern wirken, was vor allem denjenigen Hörern auffallen dürfte, deren Abspielgeräte nicht von der neutralen oder warm abgestimmten Sorte sind. Aber auch hier ein Remake, das sich in jeder Hinsicht mehr als gelohnt hat.

▼ eine weitere Aufnahme desselben  Solisten in der Liste

 

5

Paco de Lucia

Edmon Colomer

Orquesta de Cadaqués

Philips

1991 LIVE

5:40  11:26  4:46  21:52

 

Das kleine Fischerdorf Cadaqués wurde vor der „Übernahme“ durch den Tourismus zuerst durch den Weinanbau, dann als Künstlerhochburg (Salvatore Dali) bekannt. Ein stehendes Orchester können sich die rund 2000 Seelen, die dort - nicht während der Hochsaison, da sind es ein Vielfaches davon - leben, jedoch nicht leisten. Daher haben wir es in dieser Aufnahme wahrscheinlich mit einem adhoc-Ensemble oder einem Festivalorchester zu tun. Bei der Aufführung saß der Komponist jedenfalls direkt neben dem Solisten und konnte sich hier bereits an der hervorragenden Darbietung erfreuen, ohne auf die CD warten zu müssen. Sie schafft es aber trotz des dezidierten Dafürhaltens des Komponisten selbst (siehe Einleitung) nicht ganz an die Spitze unseres Vergleiches, weil das Orchester nicht mit dem COE oder der ASMF mithalten kann, wenngleich es einen sehr guten und vor allem motivierten Eindruck hinterlässt. Trotz der ganz offensichtlich kundigen Leitung Colomers, der übrigens auch die Harfenversion Isabelle Morettis als Dirigent sehr gut betreut, wären vor allem bei den Streichern, z. T. auch bei den Holzbläsern kleine Vorbehalte angebracht. Angesichts des Spiels von de Lucia, das mit größter Klarheit und Souveränität besonders auch mit rhythmischer Akkuratesse besticht, fällt dies aber wenig ins Gewicht. Der Duktus der Darbietung ist straff und ohne jeden Hang zur Gefühligkeit. Tatsächlich wirken die Flamenco - Anklänge des Satzes hier besonders akzentuiert.

Der 2. Satz lässt ein gut geblasenes, einfühlsames und klangschönes Englischhornsolo hören, das unter einen großen Bogen gespannt wird. Den Melismen de Lucias zu lauschen ist ein Erlebnis. Er bietet absolute technische Souveränität (das zu betonen ist nicht überflüssig, denn vielen andere Gitarristen bieten sie eben nicht), eine Fülle von Farbvaleurs und eine sehr spannende, rubatoreiche Lesart. Bisweilen evoziert sie die Spielweise der arabischen Oud – Spieler. Auf diese Art weißt er auf die Wurzeln der spanischen Musik hin, wie kaum ein anderer. Dies gipfelt in einer in weiten Bögen gedachten und mit intensivem Ton gespielten Kadenz, die zugleich intensiv empfunden wirkt, wie auch wenig Aufhebens von sich macht. Sein Kadenz-Finale ist furios. Das Orchester wirft danach ebenfalls alles in eine Wagschale, sehr gut gemacht, aber gegenüber COE und ASMF, die hier wie ins fliegen kommen, doch ziemlich erdenschwer. Die Gitarrenkunst darf man jedoch bewundern.

Der 3. Satz wird mit spielerischer Virtuosität und „unverbrauchter“ Frische leicht und locker artikuliert. De Lucia kommt mit seinem Tempo den „hurtigen“ Metronomangaben sehr nah.

Angesichts der Live - Aufnahme muss man, um das doch noch einmal zu betonen die Aufnahme entstand Live, aber auch das technisch sattelfeste Orchester loben.

Der Klang ist offen, eher kammermusikalisch als großorchestral. Das relativ kleine Klangbild hat auch eher eine geringe Tiefe. Sehr gut ist die natürlich wirkende Relation von Gitarre und Orchester gelungen.

 

5

Michael Tröster

Janusz Przybylski

Warschauer Sinfonieorchster

Thorophon

1992

5:32  9:45  4:42  19:59

 

Michael Tröster tritt mit seiner Einspielung in die Fußstapfen von Siefried Behrend, dessen Schüler er auch unter anderen war. Wie bereits bei Behrend wirkt seine Herangehensweise im „Rasgueado“ zu spielenden Beginn fast noch spanischer, d.h. impulsiver als bei den Spaniern. Das alles wird in einem flüssigen, nahezu sportlich-rasanten Tempo vorgetragen. Im Verlaufe des Stückes zeigt sich, dass Tröster seinen ehemaligen Lehrer an spieltechnischen Fähigkeiten eher noch übertrifft. Das Passagenwerk, auch wenn das Orchester gerade die Führung übernimmt, fließt völlig ohne durch die Griff- und Spieltechnik bedingten Nebengeräusche geradezu wie geölt dahin, ohne jemals sinnfällige Details oder Nuancen der Artikulation außer acht zu lassen. Trotz des vorantreibenden Tempos wirkt nichts hektisch, sondern kommt aus einer souveränen Ruhe heraus. Das Orchester, das von der Technik etwas entfernt abgebildet wird, kann nicht alle Details so bewundernswert offenlegen, wie der Solist.

Im 2. Satz bläst das Englischhorn mit etwas viel Vibrato. Auch der Klang der Oboe wird nicht jedermanns Geschmack treffen. Dafür klingt die Gitarre in diesem Satz, in dem Sie noch präsenter klingt, als in den beiden anderen, was übrigens auch für das Orchester gilt, mit einem besonders schönen und schwebenden Klang. Tröster kann so seine Melismen geradezu durch den Raum fliegen lassen, was völlig ungekünstelt gelingt und zudem traumwandlerisch sicher bleibt. Die Kadenz gelingt ganz besonders nuancenreich und mit ausgezeichneter Spielfähigkeit und gerade auch durch das angezogene Tempo enorm zugespitzt. Wie de Lucia lässt auch Tröster den arabischen Oud – Spieler vor dem geistigen Auge entstehen. Das Orchester agiert sehr zuverlässig. Insgesamt liegt hier ein außerordentlich gelungener 2. Satz vor.

Im 3. Satz geht Tröster volles Tempo, ohne die kleinste Unsicherheit. Das jetzt wieder vom Gitarristen etwas weiter abgerückte Orchester, braucht diese Distanz keineswegs um Schwächen zu verstecken, ganz im Gegenteil: Es geht das tänzerische Tempo des Solisten leichtfüßig und beschwingt mit großer Souveränität mit. Trösters Aufnahme war für uns die positive Überraschung des Vergleiches.

Das Klangbild mit dem in den Sätzen 1 und 3 leicht entfernt wirkenden Orchester ist leicht hallig aber keinesfalls diffus, sondern sehr transparent. Es fehlt etwas an „Griffigkeit“.

 

5

Angel Romero

André Previn

London Symphony Orchestra

EMI

1977

6:04  10:45  4:55  21:44

 

Pepes älterer Bruder Angel hat drei Aufnahmen vorgelegt. Die Aufnahme von 1967 wirkt wie die ungestüme Wortmeldung eines jungen hochbegabten Solisten, der zeigen will, was er kann. Die dritte von 2012 Live mit dem Israel Philharmonic zeigt ihn gegenüber der mittleren, die hier besprochen werden soll, wieder etwas härter im Zugriff, aber nicht mehr ganz so souverän im Spieltechnischen wie 1967.

Gegenüber der ersten Aufnahme hat das Tempo in London 1977 zwar schon etwas „Speck“ angesetzt und wirkt weniger energetisch, was die freudige Erregung beim Wandeln in den Gärten aber überhaupt nicht schmälert. Auch dem Klang der Gitarre scheint das maßvollere Tempo zu einem Mehr an Volumen, weicher Verführungskraft und balsamischer Weichheit verholfen zu haben. Vom Orchesterklang ganz zu schweigen. Er hat gegenüber dem Orchester der 1967er Aufnahme viel mehr Gewicht, wirkt ebenfalls weicher, ausgewogener, facettenreicher und auch größer besetzt. Previn gestaltet den Orchesterpart besonders aufmerksam, alles wird hellhörig herausgearbeitet, Details auf dem Silbertablett präsentiert. Auch das Cellosolo (2 Takte nach Zi. 10) wird bemerkenswert klangschön gespielt. Das Ganze geschieht völlig frei von jeder Hektik.

Im 2. Satz klingt das Englischhorn sehr gut artikuliert, endlich wird auch die Binnendynamik des Solos hörbar gemacht, klanglich ist es leider ziemlich dünn, aber kernig. Die Oboe bringt ein ausgezeichnetes ppp bei Zi. 8, viele belassen es hier bei mf oder blöken gar ein f raus, was der Stimmung zuwiderläuft. Die Gitarre trumpft hier mit absolutem Wohlklang auf, mit viel mehr Schmelz als1967. Mit Ruhe und Gelassenheit wird hier frei erzählt und entsprechend den Gefühlen freien Lauf gelassen. Die Kadenz ist ein klanglicher Hochgenuss, bedachter, aber nicht mehr mit der jugendfrischen Energie wie noch zehn Jahre zuvor. Das Orchester zeigt sich von seiner besten Seite mit hervorragend luxuriösem Klang, das ff ist ausgesprochen transparent und völlig unverzerrt.

Der 3. Satz in einem gegenüber 1967 leicht reduziertem Tempo wirkt immer noch pointenreich und frisch mit mehr Zwischentönen, die das Ganze erst abrunden, jedoch auch hier nicht mehr mit dem gleichen tänzerischen Elan wie noch zehn Jahre zuvor.

Der Klang ist voluminös und extrem weiträumig, wie sie die besten Quadro-Aufnahmen der EMI zu jener Zeit zu bieten hatten. Der Bassbereich ist gut prononciert. Die Klangfarben sehr leuchtkräftig, weich und sehr angenehm. Die Tiefenstaffelung ist enorm, die Dynamik auch. Insgesamt bietet diese Einspielung eine balsamische Hörerfahrung.

Dasselbe Orchester ist übrigens nur fünf Jahre später und nun digital aufgenommen, kaum wiederzuerkennen. Hier unter Enrique Batiz fehlt es deutlich an Transparenz und Feinschliff. Davon weiter unten mehr.

▼ zwei weitere Aufnahmen desselben Solisten in der Liste.

 

5

Milos Karadaglic

Yannick Nézet - Seguin

London Philharmonic Orchestra

DG

2013

5:52  10:45  4:32  21:19

 

Schon die außerordentlich sanfte „Anschlagskultur“ weißt den Gitarristen als Meister seines Faches aus. Jedoch könnte für manch einen Geschmack die Dynamik genauer realisiert werden. Das Orchester spielt farbig und dynamisch mit souveräner Gestaltung und Geschmeidigkeit, mitunter in den Soli etwas zu vorlaut und unbekümmert. Nach dem Motto vielleicht: Die Sonne lacht, die Blumen blühen, das Wasser ist klar und frisch. Es ist einfach herrlich hier. Stimmt ja auch.

Der 2. Satz beginnt mit kernig klingendem Englischhorn - Solo in selbstbewusstem, wenig gefühligen Vortrag aber leider wird es etwas starr in einer Lautstärke durchgezogen. Die Gitarre dann ganz im Gegenteil mit einem berückenden, herrlich ausschwingenden, gedeckten Ton (Karadaglic ist darin gleichsam der Zukerman unter den Gitarristen), sanft und einschmeichelnd. Zudem auch rhythmisch exakt und erfüllt wirkend im Vortrag.

Die Kadenz erklingt zwar mit höchster Virtuosität, es werden aber nicht alle Vortragsbezeichnung beachtet, sonst aber gut aufgebaut, wie aus einem Guss wirkend. Das Orchester bringt seinen dramatischen Beitrag ohne jeden Mangel, auch aufnahmetechnisch, was man von einer so jungen Einspielung aber auch erwarten kann.

Der 3. Satz erklingt im passenden Tempo (das muss man erst einmal schaffen!), virtuos, leichtfüßig und behände. Das Orchester hält in bester Äquilibristik spielend und spielerisch mit. Ein echter Genuss.

Gegenüber Bream mit Gardiner 1982 wirkt diese Einspielung zwar vom gitarrentechnischen noch etwas virtuoser, aber vom Ausdrucksgehalt etwas kälter temperiert, gleichsam etwas technokratisch und etwas weniger empathisch erfühlt.

Der Klang ist sowohl ausgesprochen transparent und tonal sehr ausgewogen als auch sehr farbig. Die Gitarre ist ein audiophiler Hochgenuss, obwohl sie etwas unnatürlich groß abgebildet wird.

 

 

 

4-5

Pepe Romero

Neville Marriner

Academy of Saint Martin in the Fields

Philips

1978

6:08  12:03  5:17  23:28

 

Bereits 1978 war der Zugang der Aufführenden mehr klassisch als folkloreorientiert, woraus ein gelassener, ausgesprochen partiturgenauer, aber keineswegs unbrillanter Gestus resultiert. Das Quäntchen mehr Impulsivität, das die 1992er Aufnahme bietet, vermisst man eigentlich erst, wenn man sie im direkten Vergleich hört. Einen passenderen Partner als die Academy hätte sich Romero auch 1978 kaum wünschen können. Sie spielt akribisch partiturgenau, leicht und locker, aber auch deftig zupackend, wo es verlangt wird und rhythmisch pointiert, die Höhepunkte gut ausspielend und vor allem auch schön kantabel und gut differenziert. Die Freude, die der Satz ausdrücken soll, wird voll, aber auf britisch distinguierte Weise ausgespielt. Auch hier gilt aber: Das bessere ist des Guten Feind und der ist das Chamber Orchestra of Europe und die Academy selbst, 14 Jahr später. Es scheint, dass sich Romero und Marriner vor ihrem Remake die alte Aufnahme genau angehört und gezielt daran gearbeitet haben.

Der 2. Satz war bereits 1978 ein wunderbares Erlebnis. Das Englischhorn spielt zu Beginn ein echtes p, es steht zwar auch so in der Partitur, aber wie selten wird es realisiert und dann auch noch in bester Artikulation und Differenzierung. Es drängelt sich auch nicht in den Vordergrund, sondern bleibt, wo es hingehört. Die Bläser waren bereits 1978, damals noch voll analog aufgenommen, eine kaum glaubliche Ansammlung von Könnern. Wollen wir aber den Solisten nicht vergessen: Romero bietet in seinem Spiel ein herausragendes Legato, was ja bekanntlich bei einem Zupfinstrument eine Herausforderung an sich darstellt. Er bot schon ´78 darin absolute Meisterschaft. Und das in einem grenzwertig langsamen Tempo. Aber er weiß es zu füllen. Sein Vortrag wirkt auch wunderbar frei mit feinem Rubato und erfühlten Melismen. Das alles getragen von einem Ton, der als beispielhaft für einen schönen Gitarrenton gelten kann. Diese Glanzleistung konnte er 14 Jahre später nicht in allen Belangen toppen, in manchen gab es sogar einen kleinen Rückschritt (Kadenz). Ähnlich gefühlvoll verhält sich auch der Dirigent, der nach der spieltechnisch perfekt und sehr gefühlvoll vorgetragenen Kadenz auch ´78 dem Orchester freien Lauf lässt, um dem stark belasteten Gefühlsleben mit herrlichem Espressivo Ausdruck zu verleihen. Marriner wäre nicht Marriner, wenn dabei Kitsch nicht völlig außen vor bliebe.

Auch der 3. Satz. wird bei reduziertem Tempo brillant gespielt, ist alles andere als langweilig und unterhält auf höchstem spieltechnischem Niveau.

Der Klang ist besonders weich und fein abgerundet, recht frisch und sehr transparent. Die Balance zwischen Gitarre und Orchester wirkt vorbildlich. Das Klangbild ist weniger voluminös und dynamisch als beim Remake 1992, das auch noch brillanter wirkt, Auch bei Angel Romero mit Previn und dem LSO 1977 klingen die Streicher noch etwas glanzvoller. Allerdings muss diese Bemerkung relativiert werden, denn von der exemplarisch klingenden Philips - LP mit hochwertigen Komponenten abgehört, mag sich das schon wieder ganz anders anhören, als dieser Vergleich der jeweiligen CDs.

 

4-5

Julian Bream

John Elliot Gardiner

Monteverdi Orchestra

RCA

1974

5:51  10:23  5:00  21:14

 

Breams Gitarre wird hier gegenüber 1982 ziemlich klein abgebildet. Dennoch ist die Balance sehr gut gelöst. Vielleicht sogar natürlicher, weil die Gitarre ja de facto gegenüber dem Orchester sehr wenig Lautstärke bietet und tatsächlich auch klein klingt. Sein Beginn wirkt hier besonders sanft. Das Orchester spielte schon 1974 auffallend gefühlvoll und besonders exakt, Partiturtreue war oberstes Gebot, woran der Dirigent sicher einen großen Anteil hat. Man höre nur die ausgereizten Gegensätze zwischen pp und ff. Da schludern die allermeisten viel mehr drüber hinweg. Das COE bot jedoch 1982 eine in allen Bereichen deutliche Steigerung (siehe die Lobeshymne dort). Auch Bream spielt sauber und exakt, alles ist „da“. Der Gitarrenton Pepe Romeros wird auf viele jedoch deutlich sinnlicher wirken.

Der 2. Satz bietet ein ausgesprochen zurückhaltendes, geradezu bescheiden wirkendes Englischhornsolo. Da wird aber auch gar nichts aufgebauscht. Leider spielt es bei der Wiederholung des Themas in exakt derselben Lautstärke, obwohl hier ein p einem mf gegenüberstehen sollte. Seltsam, dass Gardiner hier nicht eingegriffen hat. Breams Spiel ist hier ausgesprochen subtil und empfindsam zu nennen. Die Holzbläser spielen noch mit der typischen Färbung der englischen Bläserzunft der 60er Jahre. Das ppp der Oboe jedoch gelingt ganz ausgezeichnet. Die Kadenz ist geprägt von höchster Akkuratesse, Bream hat den Mut tatsächlich pp zu spielen. Trotz aller Geschmeidigkeit gelangen relativ viele Nebengeräusche durch die unterschiedlichen Griffe ins Mikrophon. Die Streicher klingen im Orchesterhöhepunkt des Satzes nach der Kadenz sehr gepresst. Alleine schon deshalb erschien die Neuaufnahme gerechtfertigt.

Der 3. Satz kommt recht flott, die Artikulation von Bream und dem Orchester lässt dem Spielwitz trotzdem genügend Raum zur Entfaltung. So kann der Charakter des Satzes differenziert erklingen werden. Die Wunderdinge des COE findet man hier jedoch nicht.

Der Klang ist leicht angegraut, sodass einige Orchester, auch das Montrealer oder das RPO deutlich farbiger, brillanter und dynamischer zu hören sind. Jedoch reicht der Klangeindruck völlig aus, um das genaue Spiel der Beteiligten sehr gut verfolgen zu können.

 

4-5

Göran Söllscher

ohne Dirigent

Orpheus Chamber Orchestra

DG

1989

6:04  10:46  5:17  22:07

 

Auch in dieser Einspielung wird die Partitur ernst genommen, was schon an der guten dynamischen Differenzierung ablesbar ist. Der Gitarrist befleißigt sich auch einer ausgesprochen klaren Tongebung, wozu die hellhörige, offensiv und vorantreibend wirkende Orchesterarbeit sowohl gut passt als auch ein schöner Kontrast darstellt. Die Soli lösen sich sehr gut aus dem Gesamtklang, drängen sich aber bisweilen etwas zu ungehemmt in den Vordergrund. Man vermisst bisweilen die ordnende Hand, die hier aber nur etwas abdämpfen müsste, denn der Rhythmus kommt sehr prononciert und dynamisiert. Das Spiel des Orchesters neigt mitunter zu einem beinahe forcierten Ausdruck.

Im 2. Satz wird das Englischhorn hautnah mikrofoniert, trotz p und dolce ist es somit lauter als die Gitarre mit ihrem mf. Es klingt so viel zu aufdringlich. Auch die anderen Bläser spielen außerordentlich profiliert, übersteigern aber ihren Geltungsdrang bisweilen erheblich und spielen sich über Gebühr und zu laut in den Vordergrund (deutlich mehr als im 1. Satz). Söllscher hingegen erklingt wunderbar schwebend und einfach schön, im fff - Bereich jedoch zu wenig ausladend und durchdringend. Nach der Kadenz kann das hoch motivierte Orchester seinen Tatendrang endlich an der richtigen Stelle abarbeiten und richtig aufdrehen.

Der 3. Satz wirkt zu Beginn tendenziell etwas zu schwerfällig vom Solisten angegangen, was sich aber durch die lebendigen Beiträge des Orchesters schon sehr bald ändert, denn es geht immer wieder prall, dynamisch und rhythmisch pointiert dazwischen.

Der Klang ist offen, sehr klar und dynamisch. Prägend auf die Einspielung wirkt eher die prägnante Orchesterleistung, die im 2. Satz bisweilen etwas übermotiviert über das Ziel hinausschießt, als die etwas kühl und beherrscht wirkende, aber auf hohem Niveau ausgesprochen klare und perlende Spielkultur des Gitarristen. Ein leicht amerikanisierter Rodrigo aus dem hohen Norden. Dass man bei diesem Stück die „Amerikanisierung“ noch viel weitertreiben kann, zeigen die Aufnahmen unter Serebrier und Barenboim weiter unten in unserer Liste.

 

4-5

Marco Socias

Josip Pons

Orquesta Ciudad de Granada

Harmonia Mundi

2001

6:07  12:00  5:02  23:09

 

Socias gibt die mit Rasguenado angegebenen Rhythmen zu Beginn des Stückes tänzerisch und mit leichtem Rubato wieder, was eine geschmeidige Wirkung entfaltet und nicht so starr wie üblich wirkt. Das Orchester nimmt diese flexible Gestaltung auf, auch dynamisch wird sein Part ausgesprochen fein gezeichnet und gestenreich artikuliert. Auch das Cellosolo (Zi. 10) ist hier einzubeziehen. Pons investiert sehr viel in die differenzierte Gestaltung, verliert dabei aber die große Geste nicht aus dem Auge. Socias wirkt im Verlauf leider nicht so sattelfest wie die Solisten in der Tabelle weiter oben.

Das Englischhorn im 2. Satz klingt wirklich dolce wird ausgesprochen gefühlvoll vorgetragen. Fast zum dahinschmelzen. Der Vortrag des Solisten, erneut recht rubatoreich, erfeut mit großer Ruhe und gefühlvoller Gesanglichkeit. Die Spannung kommt bei ihm aber auch nicht zu kurz. Das Orchester geht ausgesprochen flexibel auf den Solisten ein. Man füllt gemeinsam das langsame Tempo vortrefflich aus. Die Oboe bei Zi. 8 ist leider viel zu laut (sollte ppp sein). Auch die Kadenz, in der sich Socias viel Zeit lässt, bleibt spannend. Der Vortrag könnte hier nicht freier wirken. Der Kommentar des Orchesters ist nun schon zu erwarten: Perfekt ausgewogen und auf zurückhaltende Art herzbewegend.

Der 3. Satz erfreut mit sensibler Gitarrenkunst und hellhöriger Orchesterarbeit. Die leisen Töne werden stärker als üblich herausgestellt und bewusster erlebbar. So erlebt der Hörer eine ausgefeilte Darbietung von hoher Kompetenz in der der Solist vom Orchester hervorragend, uneitel und gleichgestimmt unterstützt wird.

Erlebbar wird dies nur durch die vorbildliche klangliche Balance zwischen dem Solisten und dem Orchester, die innerhalb eines sehr räumlichen, differenzierten und ausgesprochen transparenten Klangbildes realisiert wird. Man vermisst lediglich ein wenig mehr Brillanz.

 

4-5

Siegfried Behrend

Reinhard Peters

Berliner Philharmoniker

DG

1966

5:25  9:34  4:45  19:44

 

Siegfried Behrends Aufnahme ist seit ihrem Erscheinen praktisch nie aus dem Katalog verschwunden, trotz der vielen Aufnahmen, die die DG mit Yepes (und später auch noch mit Söllscher) machte.  Das hat neben den guten Verkaufszahlen (schließlich sind die Berliner auch mit dabei) sicher seinen Grund in dem besonderen Zugang, den Behrend zu dem Stück hatte. Viele Musikfreunde gerade in Deutschland werden das Stück besonders in den 60er und 70er Jahren mit seiner Aufnahme kennengelernt haben. Nicht wenige (einige Klassenkameraden des Verfassers gehörten dazu) haben sogar wegen ihr das Gitarrenspiel erlernt, oder zumindest versucht es zu erlernen. Es war damals sicher eine moderne Sichtweise. Behrend fuhr sozusagen mit dem Sportwagen vor, konnte es kaum erwarten, die Gärten zu erreichen. Das schnelle Grundtempo zieht sich durch das ganze Stück. Zu Beginn erhält es noch eine Brise Rasanz oder, wenn man so will Brisanz. Dem Verdacht, dass es sich hier um ein kitschiges Musikstück handele, scheint Behrend von vorne herein mit seinem ziemlich harten Zugriff entkräften zu wollen. Er gibt seinem Spiel einen zwar auch virtuosen, aber etwas harten zugleich hellen Ton mit. Gerade das anfängliche Rasguenado bringt er mit der Härte des Flamenco-Spielers.  Härter als die Spanier selbst. Der sportliche Vortrag wirkt aber auf Dauer etwas gehetzt. Dazu trägt bei, dass ob der Rasanz vereinzelte Töne nur noch flüchtig gezupft bzw. angerissen werden. So leidet auch die Deutlichkeit der Phrasierung. Sie wirkt dann leicht verhuscht. Oft kommt das aber nicht vor. Das Orchester geht das Tempo ohne Probleme mit und wirkt farbig und so souverän, wie man auch von seinem ureigensten Terrain kennt, das es hier verlassen hat. Es bleibt rhythmisch und spielt so eindringlich, wie es das Tempo erlaubt.

Der 2. Satz, wie zu erwarten bei diesem Tempo, lässt keinen Raum für Gefühligkeit. Dem Englischhirnsolo stünde ein langsameres Tempo besser an, um seine Magie zu entfalten. Der Berliner Solist (es wird Herr Stempnik gewesen sein), tut mit seinem charaktervollen Ton sein Möglichstes. Im Verlauf ist der Bläserklang immer wieder ein Genuss, während Herr Behrend mit dem Rhythmus mitunter etwas nonchalant umgeht. In der Kadenz bemerkt man auch, dass im höheren „Register“ sein Ton etwas an Leuchtkraft und Substanz verliert. Nach der Kadenz lässt Peters die Philharmoniker voll aufblühen, dabei werden die Streicher leider etwas übersteuert, was der eindrucksvollen Passage aber kaum schadet.

Der 3. Satz gelingt sehr lebhaft, scharf prononciert, drängend und mit viel Spielwitz. Peters animiert das Orchester zu leichtfüßigem, bei Bedarf aber auch deftigem Spiel. Behrend findet im 3. Satz sein bestes „Spielfeld“.

Die Gitarre wirkt in dieser Aufnahme weniger nach vorne gezogen, als in anderen Einspielungen der 60er Jahre. Der Klang ist transparent und farbig, mit einer leichten Tendenz zum Hellen. Ganz im Gegensatz zur Aufnahme mit Barrueco, die eine Tendenz zu den dunklen Farben entwickelt.

 

4-5

Angel Romero

Ryan McAdams

Israel Philharmonic Orchestra

Helicon

2012 LIVE

5:55  10:59  4:52  21:46

 

Im Gegensatz zur Londoner Luxus - Einspielung greift Romero hier wieder die härtere Gangart seiner ersten Aufnahme von 1967 auf. Dabei wirkt er immer noch recht souverän, die Läufe gelingen ihm aber nicht mehr ganz so mit leichter Hand, die schwierigen Griffe nicht mehr ganz so behände, was aber auch an der Live – Situation liegen könnte. Jedenfalls wirkt sein Zugang wieder impulsiver als in London, er bringt viel Kraft mit in sein Spiel ein, ohne deshalb rau zu klingen. Das Orchester unter der Leitung des für den erkrankten Frühbeck de Burgos eingesprungenen McAdams klingt sehr gut und voll, live nicht ganz mit der gleichen Delikatesse wie das LSO unter Previn.

Auch im 2. Satz überzeugt das Orchester durchaus. Zu Beginn mit einem schön klingenden Englischhorn. Die Oboe bei Zi. 8 spielt deutlich lauter (zu laut) als die Oboe im LSO. Aber sehr tonschön. Romero spielt nun wieder genau so impulsiv wie 1967 aber nun live auch im 2. Satz nicht genau so traumwandlerisch sicher. Die Kadenz peitscht er zu Anfang etwas – zumindest für unser Gefühl – zu sorglos durch, ohne auf die unterschiedlichen Valeurs einzugehen. Später wird sein Gestus intensiver. Die Souveränität von 1967 und 1977 erreicht er hier live nicht ganz. Das Orchester klingt danach auch im ff ganz ausgezeichnet, ohne jede Kompressionsartefakte.

Im 3. Satz wird wieder der packende, härtere Zugriff der 1967 dem filigraneren und differenzierteren von 1977 vorgezogen. Insgesamt wird dem Solisten hier deutlich die Vorfahrt vor dem Orchester gegeben. Insgesamt aber sehr gelungen.

Der Klang ist sehr klar und offen, breit und tief gestaffelt mit schön kräftigen und leuchtenden Farben. Die Gitarre hat einen großen Raum inne, besonders wenn sie alleine spielt.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Solisten gleich im Anschluss

 

4-5

Angel Romero

Victor Allessandro

San Antonio Symphony Orchestra

Mercury

1967

5:32  10:47  4:24  20:43

 

Hier steht die Gitarre groß und klar mit hoher Präsenz im Raum. Sie wird aber vom ebenso präsenten Orchester hautnah eingebettet. Der Klang ist wie oft bei den Living Presence Aufnahmen von Mercury trocken, ungefiltert natürlich mit guter Staffelung und einem vernehmbaren Rauschen ausgestattet. Der Gestus von Romeros Spiel ist rhythmisch beschwingt, vorantreibend, bisweilen auch etwas hektisch. Der junge Solist will zeigen, was er kann. Und er kann es. Hervorragend getimte, mühelose Läufe, geschmeidig angelegte sichere Griffe. Manchmal klingt es wie frisch geölt, er braucht keine Grenzen zu fürchten. Das Orchester ist mit Enthusiasmus bei der Sache, was sich in vernehmbarer Spielfreude äußert. Klanglich wirkt es etwas spröde und trocken.

Der 2. Satz zeigt einen inspiriert spielenden Solisten mit guter Legato – Kultur. Das Englischhorn klingt gut und artikuliert recht ausgewogen. Auch das übrige Holz klingt nicht provinziell. Die Kadenz wirkt wie frei erfunden und staunenswert frisch, virtuos und ohne jedes Nebengeräusch gespielt. Das Orchester klingt danach sehr intensiv, aber nicht ganz frei, die Violinen wirken gepresst.

Der 3. Satz wirkt wie der erste: Technisch völlig „barrierefrei“, frisch mit tänzerischen Impetus und mit einem gewissen jugendlich-draufgängerischen, unbekümmerten Elan. Im Vortrag völlig losgelöst vom Notentext. Was allenfalls fehlt sind die Nuancen, die Zwischentöne, die man von Bruder Pepe oder von Bream viel reicher im Ohr hat. Jedoch hat der jugendliche Charme auch seine Berechtigung.

Jede der drei Versionen, die Angel Romero vorgelegt hat, wird berechtigterweise ihre „Fans“ finden. Den Verfasser beeindruckte bei der Einspielung mit dem LSO 1977 vor allem die delikate „Orchesterbegleitung“ und die fast schon spektakuläre großformatige Klangtechnik, die zudem auch besonders detailreich ist.  Aber auch die 1967er mit ihrem jugendfrischen Elan und die 2012er mit ihrem Live-Charakter haben ihre Meriten.

 

4-5

Manuel Barrueco

Placido Domingo

Philharmonia Orchestra London

EMI

1995

6:05  10:42  4:54  21:41

 

Barrueco überzeugt mit einer ausgesprochen warm wirkenden, klaren Tongebung, ohne jegliche Nebengeräusche. Die Gitarre klingt relativ gedeckt und wenig leuchtend, dafür aber ausgesprochen weich. Viele werden seinen Ton als besonders schön empfinden. Das Orchester unter Leitung des damaligen Tenors spielt sehr gut, jedes Solo wirkt - auch wenn es sich nach einem Klischee anhört – als ob sich ein Sänger (wahrscheinlich ein Tenor!) dahinter verbirgt.

Deshalb überrascht es nur wenig, dass das Englischhornsolo im 2. Satz eines der allerbesten im Vergleich ist. Was für ein balsamischer Klang und auch noch sinnfällig und genauestens und gefühlvoll artikuliert, na ja gesungen: 1A.

Barrueco glänzt mit freiem Vortrag und seinem lebendigen Ton (im langsamen Satz kann man ihn ja viel besser gestalten, als in den beiden schnellen). Allerdings verzichtet er darauf, die Unterschiede von p und f deutlicher zu machen. Spannend wirkt seine Kadenz aber auch so und durch die Tonschönheit macht es Freude, ihm zuzuhören.

Der 3. Satz wirkt anmutig und beschwingt, bisweilen auch lieblich. Das gentile der Satzbezeichnung wird voll eingelöst (nett, liebenswert). Das Orchester erklingt ebenfalls freundlich, kantabel auch kraftvoll, wenn Domingo das geballte ff hören lässt. Stets schwingt die Freude an der Sache mit. Von der Schärfung der Rhythmen wie u. a. bei Behrend und Peters sind Barrueco und Domingo jedoch weit entfernt.

Man mag von Domingos Dirigierfähigkeiten halten, was man will, hier macht er seine Sache gut, wird aber auch von einem ausgezeichneten Orchester nach Kräften unterstützt.

Der Klang der Aufnahme ist klar, voll und sonor und warm. Die Balance von Gitarre und Orchester ist sehr gut gelöst.

Natürliches Orchesterpanorama mit schöner Abbildung auch in der Tiefe des Raumes. Die Klangfarben wirken gedeckt, also nicht sonderlich brillant.

 

4-5

Carlos Bonell

Jacek Kaspercyk

Royal Philharmonic Orchestra London

Membran

1994

6:06  11:01  5:07  22:14

 

Von Carlos Bonell gibt es mindestens drei Einspielungen des beliebten Konzertes. Zwei davon konnten für den Vergleich gehört werden. In erster Linie unterscheiden sich beide Aufnahmen in der Aufnahmequalität, die als entscheidendes Kriterium bedingt, dass bei dieser Einspielung vom Solisten (d.h. also auch von der Partitur) viel mehr zu hören ist. In der Montrealer Aufnahme gehen zu viele Beiträge in der Kirchraumakustik einfach verloren, weil man es versäumt hat, die Gitarre etwas präsenter abzubilden. Kaum ein Gewinn ganz ohne Verlust: Das RPO bietet in dieser Aufnahme zwar ein dynamischeres Spiel aber nicht den gleichen differenzierenden Feinschliff wie das OSM 1981 unter Dutoit. Das RPO geht etwas vorlaut und deutlich handfester zu Werke.

Auch das Englischhorn im 2. Satz klingt zu laut herein, sein p zu Beginn ist schon genauso laut wie das mf bei der Wiederholung des Themas. Die meisten Beiträge des Orchesters spielen sich im mf- und f- Bereich ab, die Dynamik könnte in diesem so offen liegenden Satz also deutlich differenzierter ausfallen, geht so doch der weitgehend intime Charakter leicht verloren. Die Oboe bei Zi. 8 macht es vor, ihr ppp passt hervorragend (auch zur Partitur). Die Kadenz lässt die Gitarre in Großaufnahme hören. Bonell scheint gegenüber 1981 deutlich vertieft in seinem Spiel, baut aber auch die Steigerung besser auf. Das Orchester spielt seinen Höhepunkt danach deutlich sauberer klingend und durchdringender in der Aussage der Verzweiflung als das OSM 13 Jahre zuvor.

Auch im 3. Satz klingt der Solist selbstbewusster in einer schön fließenden Gangart. Das Orchester bietet hier einen schönen und besser gestalteten Widerpart als das OSM, was man auch aus der Partitur herauslesen kann. Das Orchester begleitet hier nicht nur, es kommentiert auch. Hier hört man ein besser verzahntes Miteinander, einen Dialog auf Augenhöhe.

In seiner zweiten Aufnahme steht Bonell deutlich präsenter und besser hörbar im zudem auch noch ihm deutlich angenäherten Orchester. Das Orchester wird hier nicht so weit in den Raum hinein gestaffelt wie in der Decca Aufnahme. Hier sitzt man quasi in der ersten Reihe in Montreal ziemlich weit hinten.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Solisten in der Liste

 

4-5

David Russell

Erich Kunzel

Naples Philharmonic Orchestra (Florida)

Telarc

1997

6:04  9:36  5:22  21:02

 

David Russell spielt seinen Part sehr sorgfältig. Auch Kunzel beachtet das staccato auf dem dritten Ton des Themas viel stärker als  die anderen Dirigenten. Die Gitarre klingt sehr schön „griffig“, sauber und ausgewogen. Sein Zugang wirkt eher wenig flamencoorientiert, weniger temperamentvoll und weniger spannend. Zusammen mit dem recht exakt spielenden Orchester verbreitet der 1. Satz nur wenig Hochgefühl.

Im 2. Satz bläst das Englischhorn mit schönem Ton, aber wenig differenziert sein melancholisches Solo, es wirkt etwas zu oberflächlich. Nun wird man gewahr, dass der Gitarrist über eine ganz ausgezeichnete Technik verfügt, denn er gleitet mühelos über alle Schwierigkeiten hinweg. Dem nun sehr gut klingenden Orchester fehlt die letzte Delikatesse. In der Kadenz setzt Russel die Lautstärke von Beginn an zu hoch an, was ihm dann eine fühlbare Steigerung beinahe unmöglich macht, seine Gitarre klingt hier aber bestechend sauber und klar. Das Orchester klingt in seinem Höhepunkt nach der Kadenz (ff) auch sehr sauber und schön dynamisch (ohne jede Verzerrung bei den Streichern übrigens), durch das hier sehr flott wirkende Tempo wird zwar jeder Anflug von Kitsch vermieden, es macht diese eindrucksvolle Passage aber etwas flüchtig und beinahe belanglos.

Der 3. Satz erklingt als schattenhafte, sanfte Tanzeinlage (bei Kerzenlicht quasi) in gedeckten Tönen. Die vom Komponisten angedachten Hell – Dunkel – Kontraste (Chiaroscuro, um den Begriff aus der bildenden Kunst zu verwenden) werden so weitgehend abgedämpft. Das Ganze wirkt aber nicht ohne Esprit dargestellt. Ansonsten steht auch hier der volle, runde Klang, wie in den beiden anderen Sätzen auch, weitgehend im Vordergrund.

Die Klangqualität ist wohl transparent, dynamisch und farbig, insgesamt aber deutlich weniger voll klingend als die Aufnahmen unter Previn und Marriner `92. Das Verhältnis von Gitarre und Orchester wirkt ausgewogen.

 

4-5

John Williams

Louis Frémaux

Philharmonia Orchestra London

Sony

1983

6:00  10:23  5:02  21:25

 

Auch von John Williams standen drei Einspielungen zur Verfügung. In seiner letzten gefällt sein Spiel bei keinerlei Verlust an Temperament insbesondere durch die nun vorherrschende vergleichsweise sanfte Tongebung am besten. Das Orchester bietet von allen Einspielungen Williams´die beste Leistung und schließlich ist auch die Aufnahmetechnik nun Garant dafür, dass man das Gitarrenspiel am besten verfolgen kann. Die Gitarre behauptet sich so erheblich besser, das heißt transparenter gegen das Orchester als in der Aufnahme mit Barenboim.

Im 2. Satz kommt der Hörer erneut in den Genuss eines mit weitem Bogen aber doch auch noch mit recht kernigem Ton geblasenen Englischhornsolos. Hörbar ist es noch ein(e) andere(r) Spieler(in) als in der Aufnahme mit Manuel Barrueco, die hier nicht ganz erreicht wird. Das Orchester klingt erheblich ausgewogener als das ECO mit Barenboim und ist mit weicheren Klangfarben ausgestattet als da Philadelphia Orchestra unter Ormandy. Dem Oboisten des Philharmonia gelingt auch hier wieder (als einzigem Oboisten der Williams – Aufnahmen) ein gutes ppp bei Zi. 8. In der Kadenz wird nunmehr keine Lupe über Williams gehalten, er spielt ausgewogen und recht virtuos.

Im 3. Satz spielt er nun völlig frei von Nebengeräuschen, die Orchesterbegleitung ist erheblich dezenter und anschmiegsamer als bei dem hier klotzig verfahrenden Barenboim. Auf diese Einspielung wird noch genauer einzugehen sein.

Die Aufnahmequalität kommt trotz der damals nagelneuen Digitaltechnik ohne Härte aus, klingt ausgewogen und rund. Diese Version bietet auch das beste klangliche Verhältnis zwischen dem Solisten und dem Orchester. Sie stellt auch den besten Mittelweg der drei Aufnahmen dar, auch in Hinsicht des Tempos und vor allem in der Gesamtdarstellung.

▼ zwei weitere Aufnahme desselben Solisten in der Liste

 

4-5

Jozef Zsapka

Bohdan Warchal

Slowakisches Kammerorchester, Bratislava

Opus

1980

5:43  12:29  5:20  23:32

 

Die Aufnahmequalität dieser slowakischen Aufnahme gibt ein Rätsel auf. Obwohl sie weich, abgerundet und klar ist und im Prinzip also durchaus werkdienlich zu nennen wäre, hört man im 1.Satz mehrere heftige tieffrequente Störgeräusche, die wenn es eine gäbe, von einer vorbeifahrenden U-Bahn herrühren könnten. Allerdings wurde erst Ende der 80er Jahre in Bratislava mit dem Bau einer U-Bahn begonnen und 1989 aus Geldnot schon wieder beendet. Daher wird dieses Rätsel wohl ungelöst bleiben. Der Solist legt eine flüssige, musikantisch wirkende und nach vorn strebende Gestaltung vor, die auch technisch kaum Wünsche offen lässt. Sein technisches Reservoir wird durch das Konzert jedenfalls offensichtlich nicht ausgeschöpft. Das Orchester ist gleichgesinnt, wobei die vielen dazu gecasteten Bläser mitunter etwas hemdsärmelig agieren. Generell ergibt sich jedoch ein frisches Miteinander.

Das Englischhorn im 2. Satz ist etwas zu weit entfernt positioniert, wird nicht ohne Engagement gespielt, könnte aber im größeren Bogen phrasieren. Die Kadenz erklingt ausgesprochen sicher, wirkt jedoch etwas rhapsodisch zerteilt. Dass ihr so die Einheitlichkeit etwas abhandenkommt, ist vielleicht gar nicht einmal ein Nachteil, aber sicher Geschmacksache. Die Holzbläser wirken gegenüber den Streichern auch im 2. Satz etwas unterlegen.

Im 3. Satz hören wir das Orchester, versehen mit einem massiven Bass, reichlich bodenständig artikulierend. Das kann man von Zsapka jedenfalls nicht behaupten. Er spielt fein wie ein Meister seines Fachs. Insgesamt vermeint man jedoch eher eine pralle böhmische Polka zu hören. Vielleicht kamen die Tänzer ja auch aus Böhmen zu Besuch ins Schloss zu Aranjuez? Die deftig burschikose Gangart hat jedoch durchaus ihre Vorzüge, wenn sie auch sicher nicht idiomatisch erscheint. Uns hat sie trotzdem gut gefallen, die pralle Musikalität der slowakischen Musiker.

 

4-5

Eduardo Fernandez

Miguel Gomez – Martinez

English Chamber Orchestra

Decca

1986

5:55  11:36  4:41  22:12

 

Die Einspielung steigert sich von Satz zu Satz und erspielt sich die gute Platzierung vor allem mit dem 3. Satz. Im ersten Satz stört ein wenig, dass die Gitarre dynamisch beinahe in einer Lautstärke durchspielt. Sie bleibt so durchweg etwas zu neutral im Ausdruck. Das ECO spielt zu routiniert, fast zäh und schlägt wenig Funken aus der Partitur. Jedenfalls sind sich Solist und Dirigent bei ihrer gemeinsamen Unternehmung so durchaus einig.

Auch das Englischhornsolo im 2. Satz lässt wenig aufhorchen, schon allein, weil das Instrument viel zu weit weg positioniert wurde. Vielleicht sollte die Ferne auch die melancholische Stimmung befördern? Fernandez, obwohl aus Uruguay kommend, evoziert hier die spanische Seele mit sauberem, gespanntem und sehr klangvollem, leuchtendem Spiel. Hier phrasiert das Holz auch schon sehr schön. Das Orchester als ganzes klingt hingegen immer noch etwas zu dick. Die Kadenz klingt souverän und gefühlvoll. Das Orchester wird im anschließenden Höhepunkt wieder etwas verzerrt wiedergegeben, angesichts des Aufnahmedatums ein nahezu unverzeihlicher Fauxpas. Der Dirigent animiert die Engländer hier zu einem monumentalen und etwas diffus klingenden Gesamtklang.

Der 3. Satz, wie gesagt der beste in dieser Einspielung, wird klar phrasiert, auch vom Orchester her und klingt beschwingt, temperamentvoll, liebenswürdig, stellenweise sogar etwas feurig. Bisweilen keck und etwas aufmüpfig. Da ist Leben in der Tanzgesellschaft.  Geht doch!

 

4-5

Narciso Yepes

Odon Alonso 

Orquesta Sinfonica RTV Espagnola, Madrid

DG

1968

6:06  11:24  4:55  22:25

 

Von Narciso Yepes liegen mindestens drei Aufnahmen vor, wobei die mittlere von 1968 als bester Kompromiss gelten kann. Hier spielt er auch bereits sein 1964 gebautes Instrument mit 10 Saiten, das die Klangfülle erhöhen und auch die Bindung zwischen den Tönen (d.h. für ein schönes Legato sorgen) verbessern sollte. Gegenüber der ´58er mit Argenta klingt sein Ton nun auch erheblich weicher, ausgewogener, aber nicht mehr so farbig. Yepes steht nun auch nicht mehr so bedingungslos im Vordergrund, wirkt besser ins Orchester integriert als ´58. Das Orchester könnte jedoch selbst offener und transparenter klingen, was erst in der 77er Einspielung mit Garcia Navarro erreicht wurde.

Doch nun zur Aufnahme mit dem Spanischen Funk- und Fernsehorchester von 1968. Yepes zeigt hier eine klare und präzise Technik, was vom erheblich langsameren Tempo gegenüber ´58 sicher erleichtert wird. Der Gitarrenklang trägt nun deutlich besser und klingt auch voluminöser, obwohl er weiter entfernt positioniert wird. Die einzelnen Töne verschmelzen nun besser ineinander. Yepes differenziert auch gut. Das Englischhorn, ´58 noch nahe an einer klanglichen Katastrophe, klingt nun ausgewogener, viel besser differenziert, klanglich aber immer noch knödelig. Die Kadenz wir spannend erzählt, souverän gespielt und profitiert hier besonders vom ausgezeichneten Klang der Gitarre. Das Orchester wirkt danach „hochdramatisch erregt“.

Auch der 3. Satz bekommt eine ausgewogene Darstellung, die das Tänzerische weiterhin wahrt, die Teile werden jedoch nicht mehr so deutlich und überzeugend individualisiert wie bei Argenta. Dennoch überholt sie die ältere Wiedergabe vor allem bzgl. des organischen Melodieflusses und der Klangqualität sowohl der Gitarre, als auch des Orchesters.

Dennoch erscheinen die ältere von `58 und die neuere von ´77 keinesfalls uninteressant.

▼ zwei weitere Aufnahme desselben Solisten gleich im Anschluss.

 

4-5

Narciso Yepes

Ataulfo Argenta

Spanisches Nationalorchester Madrid

Alhambra, Decca, RCA, Columbia

1958

5:54  9:54  5:16  21:04

 

In Yepes erster Aufnahme  (es könnte auch noch eine Monoversion in derselben Besetzung von 1956 geben, da ist sich der Verfasser nicht sicher, inwieweit den Quellen vertraut werden kann) erleben wir die Gitarre hautnah, präsent und sehr voll klingend. Das Orchester hingegen klingt hell, dünn, hallig und weit entfernt, was in besonderem Maße für das Holz gilt. Zudem klingen die Streicher beträchtlich verfärbt und das Rauschen beeinträchtigt ein wenig die Wirkung des 2. Satzes. Eine zum Vergleich herangezogene LP von Speakers Corner (innerhalb einer Argenta-Edition mit 6 LPs) klang jedoch deutlich ausgewogener, in jeder Hinsicht angenehmer. Und rauschte auch kaum, das Orchester wirkte näher, sogar das Zusammenwirken der Akteure wirkte durch dieses Remastering zusätzlich beflügelt.

 Yepes´ Lesart ist hier die im Vergleich seiner drei Aufnahmen deutlich ursprünglichste und temperamentvollste. Er klingt hier frisch und locker, allerdings mit härterem Ton und mit einigen kleineren Unebenheiten. Man hört von seinem Part sehr viel, während er bei Alonso bisweilen verdeckt wird. Das Orchester verfügt nur über extrem dünn klingende Oboen. Argenta gelingt es eigentlich als einzigem Dirigenten einen zarten Schleier der Melancholie auch über den ersten Satz zu ziehen. Ist das nicht „besonders spanisch“?

Das Englischhorn im 2. Satz klingt in jeder Beziehung kläglich, aber nicht im Sinne der gewünschten Aussage einer melancholisch klingenden Phrase, sondern geradezu als Stimmungskiller. Gut, dass es so weit im Hintergrund bläst. Auch die anderen Holzbläser sind weit unterdurchschnittlich und klingen dürr. Die Oboe spielt bei Zi. 8 aber ein vorzügliches ppp. Ein Zeichen dafür, dass der Dirigent da einwirkte, wo er konnte. Die Kadenz klingt facettenreich, das Orchester danach aufbrausend und eindringlich.

Der 3. Satz gelingt abwechslungsreich und sehr tänzerisch, was nicht unwesentlich an der inspiriert wirkenden Orchesterleitung liegt. Die Tempogestaltung erscheint passend.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Solisten gleich im Anschluss.

 

4-5

Narciso Yepes

Garcia Navarro

Philharmonia Orchestra London

DG, Pentatone

1979

6:02  11:09  5:09  22:20

 

Nun wirkt der Zugang Yepes´ nochmals verfeinert, aber auch nicht mehr so lebendig. Seine Spielweise hat an Temperament eingebüßt. Der Gitarrenklang ist der zweiten Aufnahme erheblich ähnlicher als der ersten, kein Wunder nutzte er hier auch sein spezielles Instrument. Er klingt sonorer und detailverliebter. Das Orchester ist das bei weitem Kultivierteste, seine Soli sind die eloquentesten und klangvollsten. Viele Feinheiten werden hier hörbar, die bei den anderen untergehen. Hier hört man endlich einmal, dass das Hauptthema der Streicher (Zi. 2) auch von der 1. Oboe mitgespielt wird.

Das Englischhornsolo im 2. Satz klingt gut und wirkt sehr melancholisch. Yepes selbst schien jedoch 1968 noch etwas souveräner zu agieren. Die Kadenz wirkt teilweise jetzt wie zelebriert, der Spannungsverlauf wird auch bisweilen unterbrochen. Die Oboe ist ein Hochgenuss.

Nach der Kadenz zeigt das Orchester erneut, dass es in diesem Vergleich der Yepes - Aufnahmen das deutlich beste ist.

Der 3. Satz, erheblich feiner gezeichnet, wirkt nun etwas behäbig. Besonders Argenta ließ das Orchester viel quirliger spielen. Nun leuchten dafür aber die Orchesterfarben erheblich edler. In diesem Satz kommt Yepes kaum noch richtig aus sich heraus.

Als Original Quadro - Aufnahme kann man diese letzte Aufnahme Yepes´ bei Pentatone hören.

 

 

 

4

Carlos Bonell

Charles Dutoit

Orchestre Symphonique de Montreal

Decca

1981

6:08  10:50  5:05  22:03

 

Wen man bedenkt, dass die ersten Digitalaufnahmen oft hart und kalt klingen, könnte man sich über das farbige, transparente und natürliche Klangbild aus Montreal eigentlich freuen. Jedoch wird die Gitarre quasi als prima inter pares verstanden und ins etwas entfernt klingende Orchester eingebettet, was diesem häufiger als ihm zusteht die Hauptrolle zubilligt. Der Orchesterpart wirkt zudem auch überdurchschnittlich gut profiliert und klingt durchaus lebendig, strahlend und selbstbewusst. Bonells samtweiches Gitarrenspiel geht da bisweilen etwas unter.

Im 2. Satz mit einem sehr gut klingenden, zurückhaltenden und gerade auch dadurch stimmungsvollen Englischhornsolo erhält die Gitarre sehr viel mehr Präsenz als im Ersten. Hier ergibt sich durch das einfühlsame, rubatoreiche Spiel des Solisten und des Orchesters ein schönes Miteinander. Die Oboe bläst bei Zi. 8 ein mustergültiges ppp. Überhaupt gefallen die Holzbläser gut. In der Kadenz erreicht Bonell nicht die Farbigkeit und Eloquenz seiner späteren Aufnahme, er wirkt auch technisch noch nicht ganz so ausgefeilt. Erstaunlicherweise erklingt der Orchesterhöhepunkt nach der Kadenz auch hier etwas gepresst. Und lange nicht so eruptiv wie z.B. die Berliner, die wegen der alphabetischen Nähe des Solisten Behrend in unmittelbar zuvor gehört wurden.

Der 3. Satz leidet etwas unter der vorsichtigen Gangart des Solisten. Die Beiträge des Orchesters wirken hier erheblich virtuoser und präsenter ins Licht gerückt, als die des Solisten. Ein ums andere Mal erscheint der Solist vom Orchester in den Schatten gestellt zu werden, dieses Missverhältnis ist eigentlich der größte Nachteil der Einspielung.

 

4

Sharon Isbin

Hideomi Kuroiwa

Tokyo Metropolitain Symphony Orchestra

Denon

P 1981

6:08 11:38  5:22  23:08

 

▼ gemeinsame Betrachtung von zwei Aufnahmen der Solistin gleich im Anschluss und eine weitere Aufnahme der Solisten etwas weiter unten in der Liste

 

4

Sharon Isbin

Lawrence Foster

Orchestre de Chambre de Lausanne

Virgin

1990

5:56  11:34  5:23  22:53

 

Von Sharon Isbin lagen drei verschiedene Aufnahmen vor von denen die älteste, die Isbin als junge Frau vorgelegt hat und die mittlere mit Foster am besten gefällt. Die letzte mit Serebrier wirkt im Vergleich dazu ziemlich aufgedonnert und glamourös und folgt weiter unten in der Liste. Den beiden älteren Aufnahmen gemeinsam ist der zerbrechlich wirkende, auf den Verfasser ziemlich unsinnlich wirkende Gitarrenton. Die Aufnahme aus Tokyo wirkt klanglich am frischesten und teilweise geradezu zart. Aber noch nicht so ausgereift in der Gestaltung und sie hat noch am meisten mit spieltechnischen Nebengeräuschen zu kämpfen. Das Orchester aus Tokyo gefällt mit seinem sauberen und klanglich hochwertigen Spiel sehr gut, auch wenn es im f etwas zu zurückhaltend wirkt. Die auftrumpfenden New Yorker Philharmoniker in der jüngsten Aufnahme Isbins sind dann ein anderes Kapitel.  Das Englischhorn im 2. Satz spielt in Tokyo differenziert, ist aber klanglich und in der Intonation nicht auf derselben Höhe wie das aus Lausanne oder NY. Die Kadenz wirkt 1981 sehr gefühlvoll, klar und tonschön aber auch frisch und ungestüm. Das Orchester wirkt in den dynamischen Abstufungen nicht immer haarfein aufeinander abgestimmt. Nach der Kadenz bietet es - wie in Lausanne auch zu wenig ff, klingt aber unverfärbt, ausgewogen und transparent und wirkt gefühlvoller als die beiden anderen. Der 3. Satz ist in Tokyo eine sehr zart gespielte, zurückhaltende auf eine spezielle Art sympathisch wirkende Angelegenheit. In Lausanne wirkt Isbin eleganter, aber wie in NY immer noch etwas zu vorsichtig, als ob sich die Tänzer allzu schüchtern im Halbdunkel bewegen würden. Das Gesamtergebnis hätte hier klanglich etwas brillanter ausfallen können.

Vor allem gegenüber NY ist Isbin in Lausanne generell noch viel mehr an Valeurs und Differenzierung interessiert und viel subtiler in der Handhabung dynamischer Vorschriften. Der Gestus ist gegenüber der NY – Aufnahme generell viel zurückhaltender, die Gitarre wirkt ihr gegenüber wie „geflüstert“.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Solistin weiter unten.

 

4

John Williams

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS

1965

5:55  9:58  4:54  20:47

 

Der 1. Satz wirkt gerade, wie in einem Stück durchgezogen. Der Gestus stimmt zwar generell, etwas mehr Differenzierung wäre aber wünschenswert gewesen.

Der 2. Satz mit dem hart klingenden, aber immerhin p (aber kaum dolce) spielenden Englischhorn, lässt den Gitarristen mit kleinem Ton hören, was in erste Linie natürlich der Technik geschuldet ist. Die Bläser klingen nur dynamisch differenziert und einfühlsam. Die Kadenz erklingt nicht ohne erhebliche Nebengeräusche, erstaunlich wenn man bedenkt, dass es Williams gelang sie später in London völlig zu eliminieren. Das Orchester schüttet nach der Kadenz das Leid geradezu über den Hörer aus, es wirkt aber nicht schmalzig sondern durch das schnelle Tempo wie mit einem würdevollen Stolz ausgestattet.

Der 3. Satz wirkt von den drei Williams - Einspielungen hier besonders lebendig und „spielfreudig“, dabei ist jedoch das p der Flöte auch schon einmal deutlich lauter als das f der Gitarre. (T. 6 und 8 nach Zi. 8). Insgesamt wirkt der Satz als ausgelassener Kehraus.

Die Musik wird in dieser Version straff organisiert und ziemlich souverän gestaltet. Die Gitarre klingt weder trocken, noch balsamisch. Eine gute Aufnahme, die aber 1982 durchaus noch verbessert werden konnte.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Solisten in der Liste.

 

4

Riccardo Gallén

Maximiano Valdes

Asturias Symphony Orchestra

Naxos

2001

6:01  10:59  5:08  22:08

 

Vielleicht hat Gallén eine aktuellere oder ganz alte Partitur genutzt, jedenfalls spielt er als einziger die Flamenco-Einleitung nicht gänzlich im vorgeschriebenen Rasgueado (alle sechs Seiten werden mit einem „Handstreich“ kurz angeschlagen), sondern macht dies nur wenn gleichzeitig auch ff notiert wurde. Ansonsten belässt er es bei einem einzigen Ton, was sich - wenn man es anders gewöhnt ist – ziemlich dünn anhört. Er wird seine Gründe gehabt haben, denn technisch hören wir von ihm hervorragendes Gitarrenspiel. Äußerst klar und exakt, aber gezügelt im Temperament. Bisweilen sogar schüchtern - verspielt. Dann wieder lebhaft, aber die große Geste immer meidend. Das Orchester hat gut geprobt, es spielt gut akzentuiert, ebenfalls sehr genau aber es fehlt einfach die Bravour, von COE, ASMF, den Berlinern oder den Montrealern. Die überschwängliche Freude kann oder will (?) so nicht vermittelt werden.

Der 2. Satz mit klang- und ausdrucksvollem Englischhorn, das auch die Wiederholung vorschriftsmäßig etwas lauter spielt, lässt ebenfalls einen technisch völlig makellosen, hier nun recht lebhaften Solisten hören. Die Kadenz wirkt ausgefeilt, größtenteils souverän gespielt, jedoch übergeht der Solist die f -Stellen fast vollständig. Das Orchester mit ausdrucksvollen Holzbläsern nimmt das abschließende ff ausdrucksmäßig zurückhaltend, sodass die Verzweiflung weniger glaubhaft erscheint. Diese Stelle ist hier völlig unverfärbt und auch nicht übersteuert, eigentlich selbstverständlich, aber bei diesem Stück war es zu oft anders, sodass es erwähnt werden muss.

Der 3. Satz wird seitens des Solisten etwas dynamisch eingeebnet, der Unterschied von p zu f ist kaum spürbar. Technisch gelingt es mit gespenstischer Makel- und Mühelosigkeit. Auch das Zusammenspiel mit dem Orchester wirkt sehr entspannt.

Der Klang lebt von seiner exakt fokussierten Räumlichkeit, könnte aber noch etwas transparenter und farbiger sein.

 

4

Ernesto Bitetti

Antoni Ros – Marba

Philharmonia Orchestra London

EMI

P 1987

6:05  11:17  5:25  22:47

 

Von Ernesto Bitetti lagen zum Vergleich zwei Aufnahmen vor, von denen die zuerst in Madrid entstandene unter einem miserabel(en) (aufgenommenen) Orchester und einem nicht vollständig „austrainierten“ Solisten leidet. Hier hat man sich des fast schon auf das Konzert spezialisierten Philharmonia Orchestras versichert. Es erfüllt seine Aufgabe unter dem erneut spanischen Dirigenten hier immerhin viel besser als das Madrider. Die Temponahme im ersten Satz unterscheidet sich nicht. Der Solist wirkt technisch lediglich solide, das Orchester spielt deutlich weniger kantabel (z.B. Cellosolo) als unter Domingo, dafür aber rhythmisch etwas geschärfter.

Auch das Englischhornsolo ist wieder schön geblasen, bei Domingo aber noch gesanglicher und ausgefeilter. Bitetti gestaltet seinen Part wie in Madrid sehr frei und gefühlvoll. Die Kadenz, die ihm in Madrid ausgezeichnet gelang, wirkt nur nicht mehr ganz so lebendig und dynamisch aber immer noch gekonnt. Das PO agiert hier gegenüber den Berlinern schwerfälliger, in den Soli aber eloquent und geschmeidig. Im Höhepunkt nach der Kadenz geht der Schmerz aber nicht so durch Mark und Bein wie in Berlin, verbleibt mehr im Larmoyanten.

Im 3. Satz schlägt die tendenziell schwerfällige Gangart des Dirigenten und des Solisten noch nachteiliger durch, sodass der Satz weniger inspiriert wirkt, als die beiden anderen. Der leuchtende Gitarrenton gefällt jedoch.

Gegenüber der älteren Madrider Aufnahme klingt das Orchester hier erheblich klarer, die Gitarre wird weiter ins Orchester gerückt und sitzt nicht mehr so an der Rampe. Er ergibt sich so ein realistischeres Klangbild.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Solisten weiter unten.

 

4

Norbert Kraft

Nicolas Ward

Northern Chamber Orchestra, Manchester

Naxos

1992

6:12  10:22  5:04  21:38

 

Das Tempo im 1. Satz wirkt ohne besonderen Drive, eher ein wenig gemütlich und entspannt. Man legt großen Wert auf eine exakte Ausführung, sodass sich eine solide aber keinesfalls emotionslose Wirkung einstellt. Herauszuheben ist, dass sich das Orchester zu Beginn versucht in seiner Spielweise den Flamencoanklängen des Solisten anzunähern. Ein aparter Einfall.

Das Englischhornsolo im 2. Satz klingt ebenfalls solide, könnte aber besser differenziert sein. Die Oboe klingt sehr schön, die anderen Holzbläser gut. Der Gitarrist bietet eine lebendige, farbige Darstellung mit dramatischem Ausbruch am Schluss der Kadenz. Das Orchester bleibt im Höhepunkt geschmackvoll und übertreibt es nicht.

Der 3. Satz wirkt leicht beschwingt aber auch betont sicherheitsorientiert gespielt. Lästig oder langweilig wird das Zuhören jedoch nicht. Im Gegenteil hier wird nichts aufgebauscht oder eitel zur Schau gestellt, was die Sache doch sympathisch macht.

 

4

Turibio Santos

Claudio Scimone

Orchestre National de l`Opéra de Monte Carlo

Erato

1973

5:47  10:25  4:59  21:11

 

In dieser Einspielung trifft ein technisch versierter und sauber artikulierender Solist auf ein weniger präzises und dynamisch kaum differenzierendes Orchester Der Gestus wird allgemein gut getroffen, es fehlen jedoch die Zwischentöne, die das Ganze erst wirklich interessant machen.

Der 2. Satz wirkt ruhevoll, während Santos bei reduzierter Kantabilität mit einem schönen Ton glänzt. Dem Orchester fehlt es etwas an kultiviertem Feinschliff, den Holzbläsern generell an Präsenz. Die Kadenz gelingt solide, aber weder sonderlich gespannt noch spannend. Der ff – Höhepunkt des Orchesters wirkt nicht, als wolle da jemand sein verzweifeltes „Herz“ ausschütte, dazu wirkt der Ausdruck viel zu gebremst.

Der 3. Satz ist hier der gelungenste. Das gewählte Tempo und der tänzerische Schwung passen einfach gut und der Solist überrascht mit ein paar delikaten Phrasierungen.

Der Klang ist mittelmäßig transparent, die Gitarre etwas zu sehr im Vordergrund positioniert. Die Dynamik ist ordentlich.

 

4

Alirio Diaz

Rafael Frühbeck de Burgos

Orquesta National de Espagna, Madrid

EMI

P 1968

5:51  8:40  4:58  19:29 

 

Der Gitarrist aus Venezuela, ebenfalls Schüler von Regino Sainz de la Maza, dem Gitarristen der bei Rodrigo das Konzert anregte und die Uraufführung in Barcelona spielte, legt hier die schnellste aller Vergleichsaufnahmen vor. Während ieses hurtige Tempo im 1. Satz noch einen tänzerischen Charakter wahrt, wird es der Einspielung vor allem im 2. Satz, zumindest nach heutigem Geschmack, zum Verhängnis. In dem Zusammenhang ist auffallend, dass die älteren Aufnahmen meist ein schnelleres Tempo vorlegen, als die jüngeren, wobei auch die Erstaufnahmen der Gitarristen mit eingeschlossen sind, die mehrere Aufnahmen vorgelegt haben. Die Jugend bringt mehr Spielfreude, das reifere Alter mehr Besonnenheit mit ein. Das Englischhorn hier tönt mit erheblichen Intonationsproblemen und einem unschönen, schnarrenden Ton.  Die Oboe bei Zi. 8 ist viel zu laut. Die Kadenz kommt dynamisch nivelliert, wirkt wie durchgepeitscht, wirkt zwar irgendwie flamencoorientiert aber auch wenig gefühlvoll. Der Höhepunkt des Orchesters ist zwar ordentlich laut, durch das Tempo aber wenig eindrucksvoll. Auffallend ist der gut durchgezeichnete Bass.

Der 3. Satz ist ein beschwingter Kehraus, rhythmisch gut akzentuiert mit einem selbstbewu0t auftrumpfenden Gitarristen und einem teils etwas lärmenden Orchester. Er wandelt so auf den Spuren Behrends, hat aber das schlechtere Orchester an seiner Seite.

Der Klang ist gänzlich unspektakulär, nicht sonderlich transparent und mit leichtem Rauschen unterlegt.

 

4

Luis Orlandini

Adrian Leaper

Qrquesta Filarmónica de Gran Canaria

Arte Nova

1996

6:22  12:02  5:29  23:53

 

Die Ausführenden gehen den 1. Satz mit deutlich abgebremstem Elan an. Dafür wird der Notentext sauber ausgeführt und das Zusammenspiel erfolgt stimmig, mitunter fällt die Spannung jedoch auch ein wenig ab. Das Orchester von der Insel segelt nicht unter vollem Wind, gibt sich aber auch keine Blöße. Manchmal ertappt sich der Hörer jedoch dabei, etwas anschieben zu wollen.

Das langsame Tempo im 2. Satz kann nicht von jedem Gitarristen mit Spannung gefüllt werden und auch hier verlieren die einzelnen Töne ihre Bindung zueinander. Eine stimmige Kantabilität will sich so nicht richtig einstellen. Der Gitarrist spielt zwar an sich einfühlsam, wirkt aber so entspannt, dass man ihn schon an der Grenze zum Laschen wähnt. Er nimmt so quasi die Antiposition zu de Lucio ein, an den man wehmütig zurückdenkt, besonders auch in der Kadenz, die deutlich konziser ausmodelliert werden könnte.

Auch im 3. Satz fehlt es etwas an Esprit, er wirkt etwas spieldosenhaft. Durch die pastellene Farbgebung, die geringe Präsenz und die wenig brillante Aufnahmetechnik werden die gemächlichen Tempi gefühlt noch weiter verstärkt, sodass die Darbietung als Ganzes ziemlich beschaulich wirkt.

 

4

Sharon Isbin

José Serebrier

New York Philharmonic Orchestra

Warner

2004

6:04  11:15  5:15  22:34

 

Isbins dritte Aufnahme hätte sicher ihre beste werden können, die Voraussetzungen waren gut, Das Klangbild ist präsent, klar, sehr gut gestaffelt, räumlich und sehr dynamisch, obwohl die Gitarre ganz groß vorne auf dem Präsentierteller Platz genommen hat. Vor allem das Orchester geht die Musik ausgesprochen dynamisch und offensiv an, der Gestus scheint gut getroffen, aber die Gitarristin, obwohl nun deutlich runder klingend, als in den beiden Aufnahmen zuvor, kann da nicht mithalten. Weder klanglich noch vom Impetus her. An Bream oder auch nur Karadaglic darf man da nicht denken.

Beim 2. Satz zeigt sich dann, dass man des Guten auch zu viel machen kann, was vor allem für das Orchester gilt. Das Englischhornsolo deutet es bereits an. Es spielt zwar für sich genommen sehr gefühlvoll und mit geschmeidigem Ton, aber viel zu sehr an der Rampe und viel zu laut. Ob da die Technik „helfend“ eingegriffen hat? Auch die anderen Soli spielen sich in unlauteren Bereichen ab: Viel zu aufdringlich und wenig differenziert. Man vermeint eine der misslungenen alten Phase-4-Aufnahmen von Decca mit Stokowski zu hören, dessen Schüler Serebrier übrigens einst gewesen war. Noch doller wird es nach der Kadenz: Hier betet das Orchester um die Wette, hier wird die große „Show“ geboten. Da ist der Kitsch nicht mehr weit. Alles klingt nach f mit ein paar kleinen Ausreißern nach p und ff. Es kam dem Verfasser so vor, als sei die Aufnahme für den Pop – Markt produziert worden, da goutiert man Musik auch meist in einer Lautstärke. Um noch einmal auf die Gitarristin zurück zu kommen: Ihre Kadenz klingt hier wie eine Etüde mit allerdings teilweise sehr freier rhythmischer Gestaltung und kraftvollem Ausgang.

Im 3. Satz spielt die Gitarristin wenig elegant. Das Orchester punktet hier wieder mit frechen und sehr gelungenen Einwürfen, aber auch hier dynamisch stets auf der (zu) lauten Seite. Gespenstisch oder geheimnisvoll oder auf leisen Sohlen wirkt hier nichts. Hier lieben die Tänzer das derbe, burschikose und handfeste. Und tanzen unter Festbeleuchtung.

Die Einspielung als Ganzes wirkt heterogen in weiten Teilen glamourös, teils aber auch - wie es das Klischee nun einmal will - amerikanisch aufgeblasen. An Spanien denkt der Hörer hier jedenfalls nicht mehr. Nur die relativ gelungenen Abschnitte des Orchesters und die allgemein hohe Spielfähigkeit verhindern eine Abstufung in eine untere Kategorie. Am Anfang wird die spanische Sonne mit gleißendem Scheinwerferlicht verwechselt, am Ende das barocke Chiaroscuro.

 

4

John Williams

Daniel Barenboim

English Chamber Orchestra

CBS

1974

5:52  11:25  4:58  22:15

 

Ähnlich der New Yorker Aufnahme Isbins wirkt auch Williams mittlere Aufnahme mit Barenboim aufnahmetechnisch und in der Folge als Ganzes unangenehm aufgeblasen. Nur dass es hier nicht nur um den Mittelsatz geht, sondern um alle drei Sätze. Williams (im Gegensatz zur Ormandy – Einspielung) steht hier deutlich größer abgebildet vor einem als Ganzes viel größer abgebildeten Orchester. Es klingt hier mit extremer (wenn man den Pegel nicht schnell deutlich reduziert ohrenbetäubender) Dynamik, was auch damit zusammenhängt, dass die ganze Aufnahme einen ungewöhnlich hohen Aufnahmepegel hat. Die Transparenz ist sehr gut und erstreckt sich auch in die Tiefe des Raums, was eine Quadroaufnahme denken lässt. Williams agiert temperamentvoller als noch unter Ormandy und mit deutlich mehr Tieftonanteil (seltsam aufgebläht bei einer einzelnen Gitarre!), er geht auch mehr aus sich heraus. Der Duktus ist deutlich freudiger als bei Ormandy. Das Orchester agiert wenig sachlich und wirkt wie unter Adrenalin gesetzt, besonders die Streicher schießen oft mit einer unsachlichen Spielweise über das Ziel hinaus. Als Ganzes spielt es wie fremdgesteuert, aber mit relativ langen Reaktionszeiten, bisweilen nonchalant loslärmend. Der Feinschliff von COE oder ASMF fehlen ihm, trotz Adrenalin.

Die Gestaltung des 2. Satzes ist nun deutlich gefühliger und nachgiebiger im Tempo als noch bei Ormandy, der gerade hier Wert auf Sachlichkeit legt.  Das Englischhorn klingt nun in London auch ziemlich hart, schnarrend und unflexibel, zudem noch mit reichlich Vibrato. Williams spielt deutlich impulsiver und offensiver als 1965, worunter allerdings die Legatokultur leidet. Das Orchester ist ein ums andere Mal nicht im Lot, dynamisch wirkt es vogelfrei und spielt wie es ihm gerade in den Sinn kommt, so wird aus einem pp auch einmal ein ff bei Fagott. Man vermisst die ausgleichenden Maßnahmen des Dirigenten, der sich auch um die „Kleinigkeiten“ kümmert. In der Kadenz gibt es nun, vielleicht auch durch hautnahe Mikrophonierung bedingt, ein Blow-Up der Gitarre, die nun in dem ohnehin hoch ausgesteuerten Umfeld wie ins Monströse vergrößert wirkt. Danach gibt Barenboim dem Orchester „Zucker“, es gibt nun alles was es hat und was die Technik hergibt und das hört sich übertrieben und verkitscht an.

Beim 3. Satz merkt man wieder, wie schwierig er für die Gitarristen sein muss. Der auch hier wie rangezoomt spielende und hoch ausgesteuerte Williams lässt sehr viele und laute Nebengeräusche hören (man wünscht ihn sich wieder mit Frémaux herbei).  Das Orchester unterstützt ihn mit deftigen und vergröbernden Einlagen. Das wirkt wenig „gentile“.

Manchen mag diese Einspielung eine willkommene Abwechslung sein, vielen – so auch dem Verfasser – klingt sie jedoch viel zu unkultiviert und bombastisch.

 

 

 

3-4

Alfonso Moreno

Enrique Batiz

State of Mexico Symphony Orchestra

ASV

1994

5:45  10:12  5:02  20:59

 

▼ gemeinsame Betrachtung der beiden Einspielungen des Solisten gleich im Anschluss

 

3-4

Alfonso Moreno

Enroque Batiz

London Symphony Orchestra

EMI - Brilliant

1982

5:46  10:28  4:48  21:02

 

Von Alfonso Moreno liegen zwei Aufnahmen vor, die sich nicht wesentlich unterscheiden. Ihnen gemeinsam  ist der harsche und ziemlich unsaubere Zugriff des Gitarristen. Immerhin lässt er sich dadurch nicht im Tempo bremsen, sondern verwirklicht seine Vorstellung einer forciert rhythmischen Gestaltung. Nach der Londoner Einspielung gab es ein Remake, weil man sich bei ASV wohl entschlossen hatte, eine Gesamteinspielung der damals vorliegenden Konzerte Rodrigos (also auch die für die anderen Instrumente) vorzunehmen. Die wenig gelungene Londoner Version wollte man wahrscheinlich nicht dazukaufen, sondern erstellte eine Neuaufnahme in Mexiko, was vielleicht auch billiger war.

1982 in London klingt die Gitarre recht plausibel in das Orchester eingebettet. Der Orchesterklang ist nicht frei von Verzerrungen, wenig farbig, etwas steril wirkend und räumlich ziemlich eng. Eine wenig gelungene frühe Digitalaufnahme. Das Spiel des Orchesters – unter Previn eines der allerbesten – lässt es hier erheblich an Akkuratesse und Feinschliff mangeln, was auf eine überstürzte Produktion ohne die erforderlichen Proben hindeuten könnte. Der Gestus von unbeschwerter Freude am Naturerlebnis will sich so nicht einstellen, zumal auch der Gitarrist nach einem angenehm beschwingten Beginn mehr und mehr in Hektik verfällt und überhastet klingt. Auch die permanent zu hörenden Griffgeräusche stören.

Nach einem klaren aber dünn klingenden Englischhornsolo erklingt im 2. Satz die Gitarre nicht forciert. Es ist ein belebter Vortrag, aber auch hier versehen mit vielen Nebengeräuschen von den Griffen selbst und dem Umgreifen. Die Kadenz wirkt frei im Vortrag aber auch etwa unbekümmert in der Gestaltung. Bisweilen ist das Spiel hier nicht ganz sauber und die Virtuosität wirkt vordergründig. Das Orchester nach der Kadenz klingt klanglich dicht, wie verklumpt, es wirkt lärmend, was die emotionale Wirkung konterkariert.

Morenos Vortrag im 3. Satz bestätigt die Vermutung, dass es sich um den technisch anspruchvollsten Satz für die Gitarre handelt. Nahezu jeder Griff macht durch Nebengeräusche auf sich aufmerksam, was den hier wohl beabsichtigten sportiven Gestus der imaginierten Tanzgesellschaft stört. Im weiteren Verlauf der tempomäßig ambitionierten Wiedergabe wird der Verdacht im Hörer immer lauter, dass Herr Moreno besser vor dem Aufnahmetermin doch noch etwas am Stück hätte üben sollen.

Zwölf Jahre später, Herr Moreno hätte Zeit genug zu üben gehabt, nimmt er den 3. Satz zusammen mit Batiz etwas langsamer, was sich tatsächlich in einer saubereren Artikulation und einem kultivierteren Klang äußert. Der Gestus ist sehr tänzerisch und temperamentvoll, also gut getroffen. Das Orchester spielt nun in Mexiko etwas ausgelassen - lärmend. Insgesamt eine deutliche Verbesserung zur Londoner Einspielung vor zwölf Jahren.

Auch der erste Satz ist temperamentvoller aber rauer. An der burschikosen Herangehensweise an sich hat sich nichts geändert. Sein Klang wirkt aber auch etwas brillanter und sauberer, auch das Orchester hat besser geübt und spielt rhythmisch prononcierter und insgesamt ausdrucksvoller als das LSO (!).

Im 2. Satz gleicht das mexikanische Englischhorn klanglich dem Londoner durchaus, hier ist es aber sehr präsent. Morenos Ton trägt nicht lange, sodass sich keine gerundete Legatolinien ergeben. Er nutzt die Gitarre nun ein wenig mehr als perkussives Instrument und kann die fehlende Kantabilität so etwas kompensieren. Die Streicher des Orchesters klingen auch hier etwas gepresst. Die Oboe spielt bei Zi. 8 wieder viel zu laut, das war in London besser. Mata fördert durch sein Rubato die dramatische Wirkung des Satzes durchaus. Die Kadenz gelingt nun einfühlsamer, mit deutlich weniger Nebengeräuschen und einem furiosen Finale. Das Orchester klagt danach heftig, aber auch etwas unsauber artikuliert. Insgesamt ist der Satz deutlich eindrucksvoller als in London geraten.

Wenn Moreno, dann eher die Aufnahme aus Mexiko.

Die Gitarre kommt hier übrigens deutlich größer ins akustische Bild. Die Aufnahme ist auch klarer und weiträumiger als die in London.

 

3-4

Gerald Garcia

Peter Breiner

CSSR State Philharmonic, Kosice

Naxos

1988

6:28  10:50  5:39  22:57

 

Diese Einspielung lässt durch das zu langsame Tempo und die betuliche Gangart die beschwingte, leichtgewichtige Freude beim Anblick und während des Verweilens in den üppigen Gärten vermissen. Das slowakische Orchester spielt seinen Part etwas zu schwerfällig und dem Gitarristen gelingt es trotz der reduzierten Anforderung und des zumeist schönen Ausformulierens nicht, alle Töne hörbar zu machen.

Die Holzbläser hinterlassen im 2. Satz anfänglich einen eigentlich ganz guten klanglichen Eindruck, wenn man bereit ist. auf das letzte Quäntchen Einfühlungsvermögen zu verzichten. Auf ein echtes ppp wie gefordert, lassen sie sich jedoch nicht ein. Auch das Englischhorn spielt zu laut und knödelig im Ton. In der Kadenz, wieder mit einem Gitarristen in Großaufnahme, wird die Dynamik über Gebühr nivelliert. Das ff des Orchesters danach wirkt weniger gekonnt, vor allem wegen der hier besonders kläglich dünnen, spitz klingenden und auch noch inhomogenen Violinen. Am Ende des Satzes betätigen sich dann die Bläser als Stimmungskiller, spielen sie doch durchweg viel zu laut und unsensibel.

Im 3. Satz erfreut ein schöner, unbeschwerter Gitarrenton, während der Duktus jedoch größtenteils viel zu behäbig bleibt. Es beschleicht uns das Gefühl, dass die Tänzer hier zu den Schlafwandlern gehören könnten.

Der Klang der Aufnahme ist, wenn man von den dünn und hell klingenden Geigen einmal absieht, offen und gefällig, sogar sehr transparent.

 

3-4

Walter Abt

Gianfranco Grisi

I Virtuosi di Praga

Calig

1998

6:40  11:30  5:41  23:51

 

Auch Walter Abt hat das Concierto de Aranjuez mindestens zwei Mal eingespielt. Leider ist uns die zweite Einspielung mit einem italienischen Orchester nicht zugänglich gewesen. In dieser ersten beginnt die flamencohafte Eröffnung des Gitarristen sehr lässig, fast schon gelangweilt wirkend. Das Orchester, leider bei den Streichern etwas unterbesetzt klingend, spielt seinen Part sehr aufmerksam, garniert mit recht eloquenten und gut klingenden Soli. So erklingt das Cellosolo mit viel Herz gespielt. Der Gitarrist irritiert mit gebremst wirkender Sachlichkeit, besonders seine Skalenläufe wirken teilweise wie buchstabiert. So wirkt der 1, Satz insgesamt doch zaghaft, mehr auf die korrekte Realisierung des Notentextes aus, als auf die Verbreitung von Freude durch die Musik.

Der 2. Satz beginnt mit einem soliden, voll und schön rund klingenden Englischhornsolo. Der Gitarrist lässt bei den melismatischen Verzierungen bisweilen nicht alle Töne hören. Die Kadenz kann, nicht zuletzt durch die vielen Nebengeräusche nicht ganz überzeugen. Im ff nach der Kadenz scheint das Orchester dann an seine Grenze zu kommen, denn die Streicher sind bei den Melismen nicht immer ganz zusammen, während die Bläser stets sattelfest klingen.  Der 2. Satz ist aber dennoch in dieser Einspielung der beste.

Der 3. Satz hat noch mehr mit Nebengeräuschen zu kämpfen. Das Tempo hinterlässt einen betulichen, flauen Eindruck mit wenig Esprit. Der gesamte Vortrag wirkt gehemmt.

Das Klangbild ist offen und transparent. Die Streicher könnten noch besser durchhörbar sein. Die Gitarre wird klar und relativ groß vor dem Orchester abgebildet.

 

3-4

Alexandre Lagoya

Antonio de Almeida

Orchestre National de l´ Opéra de Monte - Carlo

Philips

1972

6 :08  9:21  5:13 20:42

 

Im Tempo erscheint diese Einspielung schlüssiger und durchweg temperamentvoller, als die vorherige. Hier fehlt, insbesondere dem Orchester der Schwung und die Präzision. Auch die Soli erklingen wenig ausdrucksvoll. Das Cellosolo muss fast gänzlich ohne Nachdruck auskommen. Lagoya artikuliert bisweilen uneben, die „kleinen“ Notenwerte bekommt er mitunter nur noch mit Mühe gerade noch so hin. Trotz des erheblich zügigeren Tempos wirkt der erste Satz auch hier ziemlich schwerfällig.

Das Englischhornsolo klingt von weit entfernt zum Hörer und kommt nur matt ins „Bild“, zudem wird es ziemlich unprofiliert geblasen. Die Umspielungen Lagoyas wirken wie gefühllos heruntergespielt. Das Orchester klingt im 2. Satz erheblich offener, die Leistungen bleiben aber weiterhin mies. Die Holzbläser haben keinen guten Tag erwischt, sowohl klanglich, als auch in der Intonation. Lagoya wird nun akustisch sehr weit nach „vorne geholt“. Sein Spiel wirkt aber unsensibel und wenig inspiriert. Die Kadenz wirkt in weiten Teilen spannungsarm, teilweise gar lieblos. Nach der Kadenz lässt Almeida das Orchester zwar ungebremst losspielen, vielleicht um den Eindruck der Kadenz wieder wegzuwischen, aber die Technik bremst seine Bemühungen total aus, denn es tönt trotzdem zu leise und räumlich flach.

Im 3. Satz strahlt Lagoya keine Ruhe aus, sein Spiel wirkt unstet und behelfsmäßig artikuliert. Er scheint gar keinen rechten Zugang zu finden. Teilweise wird der heikel zu spielende Satz von ihm geradezu heruntergeleiert. Das nun robuste Orchester spielt hier wenigstes mit selbstbewusster Attitude.

Die Klangtechnik lässt die Streicher nicht frei ausschwingen, die Bläser werkeln zu weit im Hintergrund. Insgesamt wirkt der Klang zu kompakt.

 

3-4

Ernesto Bitetti

José Buenagu

Qrquesta de Conciertos de Madrid

Hispavox, Erato, Vox

1968

6:05  11:41  5:24  23:20

 

Die erste Einspielung Bitettis wird auch wegen des viel zu weit entfernten, verhangenen und mulmigen Orchesterklangs entwertet. Der Aufnahmeraum wirkt auch sehr groß und hallig. Dagegen klingt die Gitarre voll und ziemlich klar, groß und deutlich im Vordergrund.

Bitettis Spielweise wirkt weich und etwas schwammig, man könnte auch sagen geschmeidig, füllig im Klang, aber wenig brillant. Es fehlt ihm etwas an Spielpräzision. Da und eigentlich in allen anderen Belangen auch, ist seine zweite Aufnahme deutlich besser.  Das Orchester wirkt eigentlich gar nicht uninspiriert, aber es kann nun einmal nicht präsenter und brillanter sein, als die Technik es zulässt.

Dem Englischhorn im 2. Satz mit seinem weniger harten als nasalen Klang fehlt es deutlich an Poesie und Schönklang. Bitettis Vortrag gefällt im 2. Satz allerdings viel besser als in den beiden anderen. Sein Vortrag wirkt rubatoreich, spontan, teilweise wie frei improvisiert. Sehr emotional. Die Holzbläser fallen dagegen sehr stark ab, die Oboe klingt sehr dünn und intonationsgefährdet, das Fagott hohl und schmächtig. Die Kadenz mit ihrer tollen Steigerung gefällt sehr gut. Dem Orchester fehlt es im ff danach entscheidend an Substanz und Brillanz.

Der 3. Satz erklingt viel zu vorsichtig, die spielerische und tänzerische Komponente kommt viel zu kurz. Mitunter hat man den Eindruck, der Solist buchstabiert hier seinen Part und zählt den Takt fleißig mit, damit er nicht rausfliegt. Das wirkt fast noch schülerhaft. Die humorig gemeinten Einwürfe des Orchesters wirken flügellahm.

 

3-4

Kazuhito Yamashita

Jean - Francois Pailland

Orchestre Jean – Francois Paillard

RCA

1982

5:28  10:18  4:36  20:22

 

Von allen Einspielungen beginnt Yamashita wohl am energischsten, jedoch klingt seine Gitarre dünn wie ein ausgezehrtes, altes Cembalo. Im Verlauf wirkt sein Spiel zunehmend hektisch, gar turbulent und spieldosenhaft. An eine pastorale, von der Natur inspirierte Stimmung denkt hier wohl niemand mehr. Eher als ob jemand von einem Schwarm Wespen davon läuft. Nuancen bleiben völlig auf der Strecke. Bei aller Virtuosität: Diese Gärten wirken stark verholzt und wenig blumig. Das Orchester rettet hier auch nichts. Es spielt mittelmäßig und wird von der dichten, wenig transparenten und seltsam starr und recht farbschwachen Klangtechnik auch nicht aufgewertet.

Auch im 2. Satz agiert der Solist unruhig, gar aufgeregt und hektisch. Ein schönes Legato vermag er seiner Gitarre nicht zu entlocken. Auch jetzt, wo doch intimste Stimmungen zu Klang werden sollten, bleibt Yamashita robust, stämmig und unsensibel. Die Kadenz ist gar die unsensibelste im ganzen Vergleichsfeld. Sie klingt wie „auf Speed“.

Im 3. Satz klingt es, als ob eine ungehobelte, lärmende Tanzgesellschaft durch die Flure des königlichen Refugiums zieht. Die leisen Stellen klingen so, als ob die Beteiligten nur sehr mühsam im Zaum gehalten werden könnten, bevor sie wieder laut herausplatzen. Yamashita pflegt hier ganz besonders seinen cembalohaften, ausgedünnten Klang. So deutlich hat sich Rodrigo den Hinweis auf sein Vorbild für diesen Satz, das Cembalokonzert von Manuel de Falla, aber sicher nicht vorgestellt.

Die Gitarre wurde hier übrigens besonders trocken und platt aufgenommen.

 

 

 

 

 

Für den Musikfreund sehr interessant dürfte auch die von Rodrigo selbst verfasste Version dieses Gitarrenkonzerts für Harfe und Orchester sein. Der bei der Harfe eher fließende Gegensatz von Legato und Staccato nimmt zwar – je nach Temperament und Spielfähigkeit des/der Solisten/in – den rhythmisch geprägten Ecksätzen vielleicht etwas ihrer Vitalität, dafür bindet das Legato der Harfe ungleich besser. Es stellt sich so eine wundervolle Cantabilität ein, von der natürlich vor allem der Mittelsatz profitiert und an die die Gitarre prinzipiell nicht ganz herankommt. Vier Aufnahmen konnten hier verglichen werden und alle vier sind sehr gut gelungen.

 

 

Vergleich der gehörten Einspielungen mit Harfe:

 

 

5

Xavier de Maistre

Bertrand de Billy

ORF Sinfonieorchester Wien

Sony

2009

6:00  11:29  4:53  22:22

 

Das Klangbild dieser Einspielung ist offen und voll, das Orchester wird breit und relativ tief abgebildet. Die Dynamik hat hohe Durchschlagskraft und die Harfe wird relativ harmonisch ins Orchester eingebettet.

Im 1. Satz erfreut sich der Hörer am vollen Klang des relativ üppig besetzten Orchesters und seinem dynamischen Spiel. De Maistre, damals noch Soloharfenist der Wiener Philharmoniker, bleibt seinem Part nichts schuldig. Dennoch könnte der Satz vielleicht noch etwas temperamentvoller angegangen werden. Wird er auch und zwar von Anneleen Lenaerts, seiner Nachfolgerin bei den Wienern. Dazu jedoch später noch etwas mehr.

Im 2. Satz trifft bereits das Englischhorn genau die Stimmung. Sehr behutsam und einfühlsam, mit weit ausholendem Rubato und äußerst differenziertem, dynamikreichen Klang spielt de Maistre die Vorteile der Kantabilität seines Instruments voll aus. Darin kommt ihm auch keine andere Harfenversion gleich. Während der Kadenz hören wir einen Harfenklang zum Niederknien, extrem ausdrucksvoll und inspiriert. Auch das Orchester zieht danach voll mit, sodass eigentlich kein Wunsch mehr offenbleibt. Der 2. Satz ist in dieser Einspielung besonders schön gelungen.

Der 3. Satz gelingt beschwingt, ausgesprochen klar und luftig. Die derben Einfälle des Orchesters werden stark zurückgenommen. Der Eindruck gibt genau die Satzbezeichnung wieder: galant und höflich, einfach „gentile“. Wie aus einem Guss, hier ist alles im „Lot“. Vor allem die Ergebnisse im 2. und 3. Satz sichern dieser Einspielung die Position ganz oben in der Liste.

 

5

Isabelle Moretti

Edmon Colomer

Real Orquesta Sinfonica de Sevilla

Auvidis

1998

6:12  11:55  4:55  23:02

 

Auch Morettis Gestaltung muss sich in Hinsicht auf Impulsivität und freudigem „Drive“ im 1. Satz der Version Lenaerts beugen. Ihre Harfe klingt hier erheblich distinguierter, zunächst auffallend zurückhaltend, aber ausgesprochen vielfarbig. Die Streicher des spanischen Orchesters unter der kundigen Leitung Colomers, den wir bereits von der Aufnahme Paco de Lucias kennen, klingen etwas dünner, als die aus Wien und Brüssel (bei Lenaerts). Im Verlauf kommen wir dann auch in den Genuss des vollen Sounds der Harfe Morettis. An den umwerfenden Gestus von Lenaerts kommt sie aber auch nicht ganz heran.

Im 2. Satz besticht Moretti mit behutsamem, eindrucksvoll kantablem Spiel und perfekter Phrasierung. Die Kadenz wird aus der Ruhe heraus, behände, sehr differenziert, ziemlich spannend und gut gesteigert. Das Holz agiert hier viel differenzierter als z.B. das Orchester bei Yoshino. Es trumpft nach der Kadenz nicht auf, ist viel mehr an den Valeurs interessiert und trifft die Stimmung von Trauer, Gebet und Aufbegehren ganz genau. Ein intensives Erlebnis.

Im 3. Satz spielt Moretti sehr sauber, klar, musikalisch stimmig und energisch. Es wir bestens akzentuiert, auch vom Orchester. Das zu hörende beste Miteinander gilt für alle Sätze. Hier gibt es nichts zu kritisieren.

Der Klang ist nicht ganz so voluminös und brillant wie bei Maistre und Lenaerts, aber immer noch sehr gut.

 

5

Anneleen Lenaerts

Michel Tabachnik

Brussels Philharmonic Orchestra (Brüssel)

Warner

2013

5:52  10:33  4:53  21:18

 

Maistres Nachfolgerin bei den Wiener Philharmonikern geht den 1. Satz rhythmisch noch etwas akzentuierter, vitaler, dynamischer und auch technisch noch etwas souveräner an. Ein Gestus, der sich auch auf  den Dirigenten und das Orchester (ihr „altes“, bevor sie nach Wien wechselte) überträgt. Das Spiel des Orchesters ist, bei vollem und runden Klang, noch rhythmischer und „griffiger“, als das des ORF SO.  Enthusiasmus und Spielfreude des 1. Satzes kamen bei uns besonders gut an.

Auch das Englischhorn im 2. Satz ist eines der besten des Vergleiches, vollmundig und sehr differenziert spielend. Lenaerts geht den Satz noch etwas impulsiver und spannender, aber auch fließender als Moretti an. Gerne folgt man auch dem differenzierten Spiel der Holzbläser. Im Versuch den Ausdruck in der Kadenz noch weiter zu steigern, spielt die Harfenistin jedoch über die p hinweg, was etwas an emotionaler Tiefe wegnimmt. Das abschließende fff kommt bei ihr nicht nachdrücklich genug (Zi. 11) Im ff des Orchesters danach wünschte man sich, dass der Dirigent auf ein exakteres Zusammenspiel geachtet hätte.

Den 3. Satz geht man hier sanguinisch beschwingt an, sehr rhythmisch fegt Lenaerts auch hier schon einmal über ein p einfach hinweg. Das Orchester ist nun nicht mehr so aufmerksam und lässt sich auch schon einmal vorlaut vernehmen. Vielleicht versucht es auch der besonders farbig und impulsiv spielenden Lenaerts nachzukommen? So ganz gelingt ihm das nicht.

Die Harfe wird hier sehr direkt mikrophoniert und deutlicher vor dem Orchester positioniert als bei den anderen Einspielungen mit Harfe. Der tolle Gesamtklang ist aber ausgesprochen farbig und plastisch.

 

4-5

Naoko Yoshino

Roberto Forés Veses

Orchestre National d´Auvergne, Clermont - Ferrand

Aparté

2015

5 42  10:47  4:48  21:17

 

Das noch sehr junge, kleine Kammerorchester, eigentlich nur aus Streichern bestehend, trägt erst seit kurzem den Zusatz Nationalorchester. Der Dirigent schlägt ein recht zügiges Tempo an, was Frau Yoshino mit dramatischem Aplomb umsetzt, das aber auch zur Folge hat, dass ihr nur noch wenig Zeit zum Abschattieren bleibt und sich der Gesamteindruck im 1. Satz ein wenig zum Getriebenen, beinahe durchgepeitschten neigt. Dem Orchester merkt man auch leicht an, dass es den Bläsern im Gesamtklang etwas an Bindung mangelt. Oft sind sie ein Quäntchen zu laut, was sich besonders im 2. Satz ein wenig störend bemerkbar macht. Das Orchester neigt allgemein etwas zum Vergröbern (kaum Unterschiede zwischen f oder ff), die Oboe aber nicht, sie spielt ein ganz mustergültiges ppp bei Zi. 8. Frau Yoshino lässt die tiefen Töne oft weiterklingen, wenn es eigentlich schon längst im Notentext weitergegangen ist. Das schmälert empfindlich die Klarheit des Diskants und der Mitten.  In der Kadenz klingt es kantabel, es fehlt aber hier die Dynamik der besten Gitarristen.

Der 3. Satz liegt der Solistin am besten. Perlend, beschwingt, vorantreibend aber nie forciert, impulsiv, tänzerisch und bestens akzentuiert. Was im Prinzip auch für das kleine Orchester gilt, das aber klanglich insgesamt nicht ganz mit den anderen drei mithalten kann. Es klingt in diesem Satz sogar rhythmisch etwas geschärfter, aber nicht ganz so leichtfüßig.

Am Klang gibt es nichts auszusetzen.  Er ist offen, voll und dynamisch.

 

 

Vergleich fertiggestellt 8.12.2020