CÉSAR FRANCK
Le Chasseur maudit
(Der verfluchte Jäger)
Symphonische Dichtung nach einer Ballade
von Gottfried August Bürger
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Werkhintergrund:
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 10. Dezember 1822 in Lüttich als Sohn eines Vaters aus dem belgisch-deutschen Grenzdorf Gemmenich und einer Mutter aus Aachen, gestorben am 8. November 1890 in Paris.
Er war unter anderem Schüler bei Anton Reicha und seinerseits Lehrer von keinen geringeren als Vincent d`Indy, Ernest Chausson, Louis Vierne, Henri Duparc und Guillaume Lekeu. Ab 1846 bis zu seinem Lebensende wirke er als Organist an verschiedenen Pariser Kirchen. Ein Jahr nachdem seine Sinfonie d-Moll uraufgeführt wurde, erlitt er einen schweren Unfall, bei dem er von einem Pferdeomnibus seitlich angefahren wurde. Eine Brustfellentzündung im Anschluss daran war wenige Monate danach die Todesursache. Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Montparnasse.
LITERARISCHE VORLAGE
Die Ballade »Der wilde Jäger« (1775/78, Erstdruck 1785) von Gottfried August Bürger (1747–1794), gegliedert in 36 Strophen zu je sechs Verszeilen.
ENTSTEHUNG
Skizzierung und Niederschrift des Particells vermutlich im Sommer/Frühherbst 1882, Niederschrift der Orchesterpartitur bis spätestens Anfang Dezember, der vierhändigen Klavierfassung bis Ende Dezember 1882. Partitur und eigenhändig erstellte vierhändige Klavierfassung erschienen 1884 beim Pariser Verlag Léon Grus.
WIDMUNG
In der heute verschollenen autographen Partitur wurde das Werk dem französischen
Dirigenten Charles Lamoureux (1834–1899) gewidmet, der ursprünglich die Uraufführung leiten sollte; in der Druckpartitur entfiel die Widmung.
URAUFFÜHRUNG
Am 31. März 1883 in Paris in der Salle Érard im Rahmen der Konzerte der »Société Nationale de Musique« (Orchester der »Société Nationale de Musique« unter Leitung von Édouard Colonne).
INHALTSANGABE
Ein Graf entschließt sich, am Sonntagmorgen mit seinem Tross zur Jagd auszureiten. Begleitet wird er von zwei Reitern, die den inneren Widerstreit seiner Person verkörpern: rücksichtslose Leidenschaft und mahnendes Gewissen. Der böse Reiter zu seiner Linken verführt ihn zu immer hemmungsloserem Vorgehen. Weder die Kirchenglocken noch die Bitten von Bauern und Hirten um Schonung ihres Besitzes finden Gehör. Bei der Verfolgung eines weißen Hirschs hinterlässt der Graf eine Blutspur der Verwüstung. Als der Hirsch Zuflucht in der Gotteshütte eines Klausners sucht, fleht ihn dieser an, das Tier an diesem heiligen Ort zu verschonen. Der Graf aber lässt sich nicht aufhalten und frevelt gegen Gott und
Himmel. Im gleichen Augenblick verschwinden Hirsch, Klausner, Hütte und Jagdtross und lassen den Jäger in dunkler Todesstille zurück. Eine Donnerstimme verkündet ihm das Urteil für seine Gotteslästerung: Bis zum Jüngsten Gericht ist er dazu verdammt, von Höllenhunden gehetzt zu jagen.
DIE »SYMPHONISCHE DICHTUNG« IN FRANKREICH
Die »neudeutsche« Gattung der Symphonischen Dichtung etablierte sich in Frank-
reich ausgerechnet in den Konzerten der 1871 gegründeten »Société nationale de
musique«, in einer Konzertgesellschaft, die sich die Rückbesinnung auf die franzö-
sische Kunst auf die Fahnen schrieb. Nun hatte zwar Franz Liszt, der Führer der musikalischen Fortschrittspartei in Deutschland (der sogenannten »neudeutschen
Schule«), die neue Form der Symphonischen Dichtung nicht in Paris, sondern in
Weimar entwickelt, jedoch im Rückbezug auf französische Modelle, insbesondere
auf Hector Berlioz’ Programmsymphonien.
Die Blüte der französischen Symphonischen Dichtung ab den 1870er Jahren und
der Erfolg in den Konzerten der »Société nationale de musique« stehen denn auch
im direkten Zusammenhang mit der Berlioz-Renaissance in dieser Zeit, womit sich der Kreis schließt. Die Komponisten der sogenannten »Jeune école française« (Jung-französischen Schule) entwickelten über das Vorbild Liszts die von Berlioz angestoßene Programmatik in der Symphonik weiter. Insofern reagierten Publikum und Kritik in Frankreich wesentlich aufgeschlossener als dies in Deutschland der Fall war auf die neue Gattung, die so neu gar nicht war. Und nicht von ungefähr standen die bedeutendsten Komponisten von französischen symphonischen Dichtungen in dieser Zeit, Camille Saint-Saëns und
César Franck, im engen freundschaftlichen Kontakt zu Liszt.
CÉSAR FRANCK UND DIE PROGRAMMMUSIK
Neben einem frühen, unveröffentlicht gebliebenen Versuch, »Ce qu’on entend sur la montagne« (Was man auf dem Berge hört, 1846, nach einem Gedicht Victor Hugos, schließlich von Liszt komponiert und veröffentlicht) und einem symphonischen Zwischenspiel aus dem Oratorium „Rédemption“ (Erlösung, 1872/73) schrieb Franck vier Symphonische Dichtungen: »Les Éolides« (Die Äoliden, abgeleitet vom griechischen Windgott Äolus, 1876, nach einem Gedicht von Leconte de Lisle), »Le Chasseur maudit« (1882), »Les
Djinns« (Die Dschin, dämonenhafte arabische Totengeister, 1884, nach einem Gedicht Victor Hugos) sowie »Psyché« (Psyche, 1886–88, nach der Sage von Apuleius).
Das mutet erstaunlich an für einen Komponisten, dessen Anerkennung und Nachruhm wesentlich auf Werken in Sonatenform beruht. Ende September 1882 erwähnte Franck die Komposition eines großen symphonischen Stücks mit dem Titel »La Chasse sauvage« („Die wilde Jagd“, als wörtliche Übersetzung von Bürgers Ballade wäre es „Le Chasseur sauvage“ gewesen), wobei vermutlich die Fertigstellung des Particells gemeint ist. Um den 20. Dezember meldete er seinem Verleger Léon Grus, die »Chasse fantastique« sei beendet, und lud ihn zur Vorführung in der Bearbeitung für Klavier vierhändig am Weihnachtstag ein. Wenig später muss dann die Umbenennung zum endgültigen Titel erfolgt sein. Die Wahl einer Gedichtvorlage des Goethe-Zeitgenossen Gottfried August Bürger überrascht im ersten Augenblick, stand doch der seinerzeit mit seinen Balladen berühmt gewordene Dichter inzwischen selbst in Deutschland längst im Schatten der Klassiker Goethe und Schiller. Die Anregung für den Stoff dürfte von Francks Schülern Vincent d’Indy und Henri Duparc gekommen sein, die beide Bewunderer der deutschen Literatur waren.
Konkreter Bezugspunkt war vermutlich der große Erfolg, den Duparc 1875 mit seiner Symphonischen Dichtung »Lénore« nach der gleichnamigen Ballade von Bürger errungen hatte.
FORMALE GLIEDERUNG
Franck gliedert seine Symphonische Dichtung in fünf Abschnitte, wobei er das gängige Sonatensatzmodell als Basis benutzt, dieses aber zugleich gemäß den wesentlichen Handlungsmomenten der literarischen Vorlage abwandelt. Der erste Teil »Andantino quasi allegretto« in G-Dur beginnt zwar mit den für die Sphäre von Jagd und Wald typischen Hornrufen, bettet sie jedoch in eine idyllische Sphäre ein, in der feierliche Kirchenglocken und gesangliche Cello-Kantilene die sonntägliche Messe mit dem Gemeindegesang verkörpern. Der zweite Abschnitt, nun nach g-Moll gewendet, beginnt mit einer rhythmisch geschärften
Variante der Hornrufe, aus der sich mit merklicher Tempobeschleunigung das eigentliche Hauptthema des Stücks entwickelt, das für den ungestümen, rücksichtslosen Grafen einsteht. Oboen und Flöten tragen das kontrastierende Seitenthema vor, das durch harmonisch changierende Wendungen klagend-flehenden Charakter erhält und sich zwanglos auf die Bitten der Bauern und
Hirten um Gnade übertragen lässt. Die Wiederholung der Exposition auf anderer
Tonstufe führt zu einer starken klanglichen Intensivierung, der eine kurze Durchführung der Motive und eine Rückkehr des Hauptthemas folgen. Der plötzliche Abbruch aus dem Fortefortissimo markiert die Stelle, in der alles um den Grafen verschwindet und plötzliche Stille eintritt. Nur vereinzelte
Fragmente der »Jäger-Motivik« erscheinen, über denen Klarinette und Tuba, später verstärkt von Posaunen, in deutlich langsamerem Tempo (»Molto lento«) ein neues Thema intonieren. Die dunkle Klangfarbe und die bedrohlich wirkende Gestik lassen keinen Zweifel daran, dass hier mit Donnerstimme die Verfluchung des Grafen zum Ausdruck kommt. In einer Art Überleitung ahmen Streicherfiguren die drohenden Höllenflammen nach, chromatische Bläserfiguren symbolisieren die Angst des nunmehr Verfluchten. Rasch schließt sich eine Reprise des Hauptteiles an, die als großangelegte Steigerung von Tempo, Lautstärke und Sonorität die Verfolgung des gehetzten Jägers darstellt. Da die Hetzjagd nicht wie im Fluch angekündigt ewig andauern kann, setzt Franck ihr mit einem trockenen Schlussakkord ein Ende. Durchaus könnte aber auch in anderer Abwandlung des Fluches mit diesem Akkord die Beendigung des Lebens des jagenden Grafen in der Hölle gemeint sein. Wahrscheinlich sogar beides.
BEGEISTERTE AUFNAHME
Die Uraufführung am 31. März 1883 sowie eine weitere Aufführung unter eigener Leitung am 13. Januar 1884 gehörten zu den wenigen großen Erfolgen, die Franck zu Lebzeiten erleben durfte. Die Presse hob insbesondere die effektvolle Orchestrierung der Partitur hervor. Im Mai 1883 schrieb Franck einem seiner Schüler begeistert:
»Sie wissen vielleicht schon, dass mein ›Chasseur maudit‹ auf brillante Weise in die Öffentlichkeit getreten ist. Das Publikum schien von diesem Werk sehr gerührt zu sein. Die Aufführung war sehr gut und hat nicht allzu viele Mühen gekostet. Mein Orchester klingt großartig, ich habe keine Note daran geändert«.
(Entnommen in weiten Teilen einem Programmheft der Münchner Philharmoniker aus der Saison 2016, als Partitur diente eine antiquarische Ausgabe von L.Crus et Cie., Paris, wie bereits bei Saint - Saens ohne den Komfort einer Taktzählung.)
Hier der Originaltext des der symphonischen Dichtung zugrunde liegenden Gedichts. Die Lektüre desselben ist dem Hörgenuss des Stückes übrigens sehr zuträglich:
»Der wilde Jäger« von GOTTFRIED AUGUST BÜRGER (hier also noch nicht „Der verfluchte Jäger“ genannt):
Der Wild- und Rheingraf stieß ins Horn:
»Hallo, Hallo zu Fuß und Roß !«
Sein Hengst erhob sich wiehernd vorn;
Laut rasselnd stürzt’ ihm nach der Troß;
Laut klifft’ und klafft’ es, frei vom Koppel,
Durch Korn und Dorn, durch Heid’ und Stoppel.
Vom Strahl der Sonntagsfrühe war
Des hohen Domes Kuppel blank.
Zum Hochamt rufte dumpf und klar
Der Glocken ernster Feierklang.
Fern tönten lieblich die Gesänge
Der andachtsvollen Christenmenge.
Rischrasch quer übern Kreuzweg ging’s,
Mit Horrido und Hussasa.
Sieh da! Sieh da, kam rechts und links
Ein Reiter hier, ein Reiter da!
Des Rechten Roß war Silbersblinken,
Ein Feuerfarbner trug den Linken.
Wer waren Reiter links und rechts?
Ich ahnd’ es wohl, doch weiß ich’s nicht.
Lichthehr erschien der Reiter rechts,
Mit mildem Frühlingsangesicht.
Graß, dunkelgelb der linke Ritter
Schoß Blitz vom Aug, wie Ungewitter.
»Willkommen hier, zu rechter Frist,
Willkommen zu der edlen Jagd!
Auf Erden und im Himmel ist
Kein Spiel, das lieblicher behagt.« –
Er riefs, schlug laut sich an die Hüfte,
Und schwang den Hut hoch in die Lüfte.
»Schlecht stimmet deines Hornes Klang«,
Sprach der zur Rechten, sanftes Muts,
»Zu Feierglock und Chorgesang.
Kehr um! Erjagst dir heut nichts Guts.
Laß dich den guten Engel warnen,
Und nicht vom Bösen dich umgarnen!« –
»Jagt zu, jagt zu, mein edler Herr!«
Fiel rasch der linke Ritter drein.
»Was Glockenklang ? Was Chorgeplärr ?
Die Jagdlust mag Euch baß erfreun!
Laßt mich, was fürstlich ist, Euch lehren
Und Euch von jenem nicht betören!« –
»Ha ! Wohlgesprochen, linker Mann!
Du bist ein Held nach meinem Sinn.
Wer nicht des Waidwerks pflegen kann,
Der scher ans Paternoster hin!
Mag’s, frommer Narr, dich baß verdrießen,
So will ich meine Lust doch büßen!«
Und hurre hurre vorwärts ging’s,
Feld ein und aus, Berg ab und an.
Stets ritten Reiter rechts und links
Zu beiden Seiten neben an.
Auf sprang ein weißer Hirsch von ferne,
Mit sechzehnzackigem Gehörne.
Und lauter stieß der Graf ins Horn;
Und rascher flog’s zu Fuß und Roß;
Und sieh! bald hinten und bald vorn
Stürzt’ einer tot dahin vom Troß.
»Laß stürzen! Laß zur Hölle stürzen!
Das darf nicht Fürstenlust verwürzen.«
Das Wild duckt sich ins Ährenfeld
Und hofft da sichern Aufenthalt.
Sieh da! Ein armer Landmann stellt
Sich dar in kläglicher Gestalt.
»Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen!
Verschont den sauern Schweiß des Armen!»
Der rechte Ritter sprengt heran,
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch baß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut.
Der Graf verschmäht des Rechten Warnen
Und läßt vom Linken sich umgarnen.
»Hinweg, du Hund!« schnaubt fürchterlich
Der Graf den armen Pflüger an.
»Sonst hetz ich selbst, beim Teufel! dich.
Hallo, Gesellen, drauf und dran !
Zum Zeichen, daß ich wahr geschworen,
Knallt ihm die Peitschen um die Ohren!«
Gesagt, getan! Der Wildgraf schwang
Sich übern Hagen rasch voran,
Und hinterher, bei Knall und Klang,
Der Troß mit Hund und Roß und Mann;
Und Hund und Mann und Roß zerstampfte
Die Halmen, daß der Acker dampfte.
Vom nahen Lärm emporgescheucht,
Feld ein und aus, Berg ab und an
Gesprengt, verfolgt, doch unerreicht,
Ereilt das Wild des Angers Plan;
Und mischt sich, da verschont zu werden,
Schlau mitten zwischen zahme Herden.
Doch hin und her, durch Flur und Wald,
Und her und hin, durch Wald und Flur,
Verfolgen und erwittern bald
Die raschen Hunde seine Spur.
Der Hirt, voll Angst für seine Herde,
Wirft vor dem Grafen sich zur Erde.
»Erbarmen, Herr, Erbarmen ! Laßt
Mein armes stilles Vieh in Ruh !
Bedenket, lieber Herr, hier grast
So mancher armen Witwe Kuh.
Ihr eins und alles spart der Armen!
Erbarmen, lieber Herr, Erbarmen!«
Der rechte Ritter sprengt heran,
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch baß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut.
Der Graf verschmäht des Rechten Warnen
Und läßt vom Linken sich umgarnen.
»Verwegner Hund, der du mir wehrst !
Ha, daß du deiner besten Kuh
Selbst um und angewachsen wärst,
Und jede Vettel noch dazu !
So sollt es baß mein Herz ergötzen,
Euch stracks ins Himmelreich zu hetzen.
Hallo, Gesellen, drauf und dran !
Jo ! Doho ! Hussasa !« -
Und jeder Hund fiel wütend an,
Was er zunächst vor sich ersah.
Bluttriefend sank der Hirt zur Erde,
Bluttriefend Stück für Stück die Herde
Dem Mordgewühl entrafft sich kaum
Das Wild mit immer schwächerm Lauf.
Mit Blut besprengt, bedeckt mit Schaum
Nimmt jetzt des Waldes Nacht es auf.
Tief birgt sich’s in des Waldes Mitte,
In eines Kläusners Gotteshütte.
Risch ohne Rast mit Peitschenknall,
Mit Horrido und Hussasa,
Und Kliff und Klaff und Hörnerschall,
Verfolgt’s der wilde Schwarm auch da.
Entgegen tritt mit sanfter Bitte
Der fromme Kläusner vor die Hütte.
»Laß ab, laß ab von dieser Spur!
Entweihe Gottes Freistatt nicht!
Zum Himmel ächzt die Kreatur
Und heischt von Gott dein Strafgericht.
Zum letzten Male laß dich warnen,
Sonst wird Verderben dich umgarnen!«
Der Rechte sprengt besorgt heran
Und warnt den Grafen sanft und gut.
Doch baß hetzt ihn der linke Mann
Zu schadenfrohem Frevelmut.
Und wehe! trotz des Rechten Warnen,
Läßt er vom Linken sich umgarnen!
»Verderben hin, Verderben her!
Das«, ruft er, »macht mir wenig Graus.
Und wenn’s im dritten Himmel wär,
So acht ich’s keine Fledermaus.
Mag’s Gott und dich, du Narr, verdrießen;
So will ich meine Lust doch büßen!«
Er schwingt die Peitsche, stößt ins Horn:
»Hallo, Gesellen, drauf und dran !«
Hui, schwinden Mann und Hütte vorn,
Und hinten schwinden Roß und Mann;
Und Knall und Schall und Jagdgebrülle
Verschlingt auf einmal Totenstille.
Erschrocken blickt der Graf umher;
Er stößt ins Horn, es tönet nicht;
Er ruft und hört sich selbst nicht mehr;
Der Schwung der Peitsche sauset nicht;
Er spornt sein Roß in beide Seiten
Und kann nicht vor nicht rückwärts reiten.
Drauf wird es düster um ihn her,
Und immer düstrer, wie ein Grab.
Dumpf rauscht es, wie ein fernes Meer.
Hoch über seinem Haupt herab
Ruft furchtbar, mit Gewittergrimme,
Dies Urtel eine Donnerstimme:
»Du Wütrich, teuflischer Natur,
Frech gegen Gott und Mensch und Tier !
Das Ach und Weh der Kreatur,
Und deine Missetat an ihr
Hat laut dich vor Gericht gefodert,
Wo hoch der Rache Fackel lodert.
Fleuch, Unhold, fleuch, und werde jetzt,
Von nun an bis in Ewigkeit,
Von Höll und Teufel selbst gehetzt!
Zum Schreck der Fürsten jeder Zeit,
Die, um verruchter Lust zu fronen,
Nicht Schöpfer noch Geschöpf verschonen!«
Ein schwefelgelber Wetterschein
Umzieht hierauf des Waldes Laub.
Angst rieselt ihm durch Mark und Bein;
Ihm wird so schwül, so dumpf und taub!
Entgegen weht’ ihm kaltes Grausen,
Dem Nacken folgt Gewittersausen.
Das Grausen weht, das Wetter saust,
Und aus der Erd empor huhu!
Fährt eine schwarze Riesenfaust;
Sie spannt sich auf, sie krallt sich zu;
Hui ! will sie ihn beim Wirbel packen;
Hui ! steht sein Angesicht im Nacken.
Es flimmt und flammt rund um ihn her,
Mit grüner, blauer, roter Glut;
Es wallt um ihn ein Feuermeer;
Darinnen wimmelt Höllenbrut.
Jach fahren tausend Höllenhunde,
Laut angehetzt, empor vom Schlunde.
Er rafft sich auf durch Wald und Feld,
Und flieht lautheulend Weh und Ach;
Doch durch die ganze weite Welt
Rauscht bellend ihm die Hölle nach,
Bei Tag tief durch der Erde Klüfte,
Um Mitternacht hoch durch die Lüfte.
Im Nacken bleibt sein Antlitz stehn,
So rasch die Flucht ihn vorwärts reißt.
Er muß die Ungeheuer sehn,
Laut angehetzt vom bösen Geist,
Muß sehn das Knirschen und das Jappen
Der Rachen, welche nach ihm schnappen.
Das ist des wilden Heeres Jagd,
Die bis zum Jüngsten Tage währt,
Und oft dem Wüstling noch bei Nacht
Zu Schreck und Graus vorüberfährt.
Das könnte, müßt er sonst nicht schweigen,
Wohl manches Jägers Mund bezeugen.
Zusammengestellt bis 20.8.2020

César Franck um das Jahr 1888.
Vergleichende Rezensionen:
5
Charles Münch
Boston Symphony Orchestra
RCA
1962
13:52
Im letzten Jahr seiner Amtszeit als Chefdirigent des BSO gelingt Charles Munch eine spontane, geradezu aufgewühlt wirkende Darstellung von vibrierender Intensität und urwüchsiger Wildheit. Fast hat es den Eindruck, als hätte er höchst selbst die Höllengeister des Stückes für seine Zwecke beschworen. Das Orchester liefert ihm jedenfalls eine von lodernder Intensität beinahe berstende Höchstleistung ab.
Unter den im Vergleich vorliegenden Wiedergaben ist sie jedenfalls diejenige, der es am besten gelingt, den existentiellen, wilden Kampf Gut gegen Böse bestmöglich Realität werden zu lassen.
Bei Münch wird die sonntägliche beschauliche Ruhe im Städtchen (eigentlich nahm der Verfasser immer an, es handele sich um ein Dörfchen, aber es gibt laut Gedicht hier sogar einen Dom) schon von Beginn an von den mit schöner Echowirkung (die Hörner sitzen offensichtlich etwas weiter auseinander als üblich) und einer unterschwellig aggressiv wirkenden, kräftigen, aber nicht immer ganz lupenreinen Intonation der Hörner untergraben. In manchen Versionen kommen die Hörner wie von großer Ferne, hier sind sie von Beginn an überaus präsent vor Ort und künden schon gleich vom kommenden Unheil. Die Spannung ist so schon vom ersten Ton an immens. Der kurz zu hörende Choraleinwurf aus der Kirche kommt ausdrucksvoll und im weiteren Verlauf noch einmal gesteigert. Auch die Besänftigung durch die im anschaulich den Dialog aufnehmenden inbrünstig intonierenden Holzbläser ist toll gestaltet. Diese Kontrastwirkung zu den autoritären Hörnern erscheint kaum noch zu steigern. Hier nutzt die eloquente Überredungskunst der Holzbläser aber auch nichts. Sie ist bereits in einen echten Thriller eingewoben. Das andernorts so beschaulich gestaltete „Sonntagsbild“ wird zudem grandios gesteigert. Ab poco piu animato geradezu wie rasend. Hier ist der Titel „wild“ (zwar nicht korrekt aus dem französischen übersetzt, denn „maudit“ heißt ja verdammt) wirklich Programm. Alle Stimmen im weiteren Verlauf werden vorbildlich transparent wiedergegeben, sodass das mitreißende Engagement jeder Orchestergruppe bestens hörbar wird. Es braucht kaum zu erwähnt werden, dass fff deutlich von ff unterschieden wird, dass das knackige Blech entscheidend zur Darstellung der dem Wahnsinn nahekommenden Wildheit beträgt. Aber auch die wie sich hineingestürzt gespielten Streicherkaskaden dazu führen, dass dem Hörer fast die Haare zu Berge stehen (falls noch welche vorhanden sind). Immer wieder staunt man über die schier unerschöpflichen Kraftreserven der Blechbläser, und dass immer noch einmal eine Steigerung möglich ist und freut sich darüber. Gegen Ende, als der jagende Graf, längst seines Pferdes und Trosses verlustig geworden, selbst zum Gejagten geworden ist und sich der Höllenhunde und anderem Getier der Unterwelt erwehren muss, wird der sagenhaft stringente Spannungsverlauf nochmals so gesteigert, dass es dem Hörer beinahe den Atem verschlägt. Der Verfasser versuchte hier nicht zu übertreiben.
Der Klang dieser sagenhaften Aufnahme ist äußerst präsent, klangfarbentreu und mit einer deftigen Dynamik ausgestattet.
5
Francois-Xavier Roth
Orchestre Philharmonique Royal de Liège (zu deutsch: Lüttich)
Cyprès
2009
14:10
Roths Aufnahme des Stückes treibt die Partiturtreue auf die Spitze. Die genaue Verfolgung der Spielanweisungen hat aber hier nicht (wie unter anderem bei Benzi) zur Folge, dass man nur wie gebannt auf die Noten schaut, ganz im Gegenteil. Der Hörer traut seinen Ohren kaum, was der Dirigent aus dem hierzulande nahezu unbekannten Orchester an Leidenschaft, Finesse, Präzision, Durchschlagskraft und Klangvolumen herausholt. Es präsentiert sich wie ein Eliteensemble. Das Zusammenspiel ist traumhaft sicher, äußerst differenziert, das Blech knackig frisch, die Streicher geschmeidig, die Holzbläser volltönend und behände in ihrer Artikulation.
Die Hörner zu Beginn klingen wie von sehr weit her ins sonntägliche Idyll hinein, zunächst auch noch sehr leise. Die kurze Choralmelodie des Kirchenchores (oder der singenden Gemeinde) ist zu Beginn vorbildlich pp, was kaum ein Dirigent realisiert. Beim zweiten Mal ist er mf, genau so wie es sein soll. Unterdessen haben sich jedoch auch die Hörner „genähert“, sodass der Kunstgriff gelingt, dass sich der Hörer selbst wie auf den Marktplatz vor den Dom versetzt fühlt. Er wird quasi ins Geschehen „hineingesaugt“. Das gelingt aber ohne merkliche technische Manipulation, nur durch penible Beachtung der Vortragsbezeichnungen. Auch hier wird der erste Abschnitt nun mit der vollen Präsenz des ganzen Orchesters grandios gesteigert, was genauso für die grausame Jagd gilt. Die fff sind einfach grandios zu nennen und gehen durch Mark und Bein. Das wird nochmals übertroffen durch die „Höllenjagd“ (im letzten „Bild“), die die Interpreten mit berstender Spannung lebendig werden lassen. Der entäußerten, bestialischen Wildheit des Geschehens bleibt ihr Spiel nichts schuldig.
Am Ende hat sich der Verfasser nur noch verwundert die Ohren gerieben über die belgische „Orchesterprovinz“. Vielleicht lag es auch daran, dass man sich besonders für den berühmten „Sohn der Stadt“ (César Franck) ins Zeug legen wollte? Vielleicht ist das Stück aber auch jedes Jahr in den Programmen des Orchesters zu finden, wie „Mein Vaterland“ bei der Tschechischen Philharmonie? Das würde immerhin die blinde Vertrautheit mit dem „Verdammten Jäger“ erklären. Aber die Fähigkeiten müssen ja erst einmal überhaupt vorhanden sein, um sie durch Eigen- oder Fremdmotivation (durch den exzellenten Francois-Xavier Roth) wecken zu können. Roth blieb nur zwei Jahre Chef des Orchesters, bevor er dann zum SWR nach Baden Baden und Freiburg wechselte.
Diese Einspielung war die Überraschung des Vergleiches. Man kann sie jedem interessierten Hörer nur ans Herz legen.
Der Klang befördert das überaus lebendige Spiel des Orchesters auf das Beste. Er verfügt zudem über eine hautnahe Präsenz der Holz- und Blechbläser, eine hervorragende Abbildung, eine zu Beginn geradezu holografischen Tiefenstaffelung und eine berstenden Dynamik, die sogar die der Living-Stereo-RCA mit Charles Munch übertrifft. Nur die Aufnahme Eiji Oues kann da mithalten. Und, nicht zu vergessen, verfügt die Aufnahme über den Klang einer erstklassig eingefangenen, mächtigen Gran Cassa.
4-5
Riccardo Muti
Philadelphia Orchestra
EMI
1981
15:17
Muti lässt die Hörner des Orchesters, dessen Chefdirigent er gerade erst geworden war, mit einem dem beabsichtigten Signalcharakter zuwiderlaufenden übermäßigen Legato spielen, was zudem auch nicht durch das Notenbild bestätigt werden kann. Langsam und behäbig breitet er das Stimmungsbild des beschaulichen Städtchens in sonntäglicher Ruhe vor dem Hörer aus. Die Steigerung des Geschehens gleicht durch die Breite von Tempo und Gestus eher einer Gipfelbesteigung (besser passend zur Alpensinfonie). Das war es aber auch bereits mit den Einwänden gegen Mutis Einspielung.
Im Verlauf trumpfen die Hörner dann doch mit unerhörter Majestät auf, sind die Holzbläser möglichst beschwichtigend (und in ihrer für die damalige Orchesterbesetzung typischen Art auch homogen). Bei istesso Tempo trumpft dann das Orchester groß auf und wuchert mit seinen außerordentlichen Qualitäten. Dem Verfasser kommt die zur Schau gestellte immense, aber durchaus auch rhythmisch geschärfte Virtuosität, die man in dieser Selbstverständlichkeit kaum mehr in diesem Vergleich wieder findet, bisweilen etwas gelackt vor. Aber das mag Geschmacksache sein. Schließlich läuft das den zu schildernden Charaktereigenschaften des jagenden Grafen auch nicht zuwider, der unter anderem, neben der zentralen Mordlust und der völligen Ignoranz zwischenmenschlicher Selbstverständlichkeiten, auch durch sein großspuriges und freches Benehmen „negativ auffällt“. Bei der Höllenjagd weiß die Darbietung vollends zu begeistern. Ab quasi presto werden dem Hörer mit höchster Präzision und Erregung die Schrecken der Höllenjagd überaus nahe gebracht, hier fast schon gewalttätig, wenn die Lautstärke entsprechend eingepegelt wird. Die geschärfte überbordende Wildheit eines Munch wird dabei nicht ganz erreicht. Hier kommt man dem Wahnsinn des Sujets aber mit großer Könnerschaft sehr nahe.
Die Klangqualität ist für eine frühe Digitalaufnahme ausgewogen, ziemlich natürlich in den Klangfarben und transparent. Die Dynamik ist sehr gut und die Gran Cassa wurde auch nicht unterschlagen.
4-5
Raymond Leppard
Royal Philharmonic Orchestra London
Membran
1995
15:08
Obwohl die Spielzeit ähnlich lange dauert, wie die der Muti - Aufnahme, kommt die rundum stimmige und spannende Aufnahme Leppards auch zu Beginn ganz ohne Behäbigkeit aus. Vielmehr ist Hochspannung garantiert und das Orchester, das zwar immer für solide Leistung einsteht, erscheint hier besonders motiviert, präzise und ausdrucksvoll. Es hat wohl einen großen Tag erwischt. Die Hörner erscheinen zunächst rechts und links positioniert, so als wollte man ihrem kreativen Spiel auch noch einen zusätzlichen Echoeffekt mitgeben. Das Spiel der Hörner ist auch im weiteren Verlauf ganz hervorragend und ein echter Genuss. Sie klingen mit gutem Fundament und Strahlkraft. Und das ist wichtig, sind sie doch nahezu das ganze Stück über sehr aktiv. Die Streicher agieren geschmeidig und sehr einfühlsam, das Holz erlaubt sich auch keine Schwächen. Generell macht das Spiel aller Blechbläser richtig Spaß. Man kann so eigentlich von Brillanz an allen Pulten reden. Das Tempo wird generell zwar nicht ausgereizt, aber doch stets mit Spannung aufgeladen. Auffallend gut gelingt auch der Abschnitt in der Hütte des Klausners, die das Angst einflößende der Szenerie bestens einfängt. Anschaulich schauerlich sozusagen. Die Höllenjagd wartet mit loderndem Feuer auf und eruptive Höllengestalten heizen dem verdammten Grafen tüchtig ein.
Auch von Leppards Einspielung kann man sich begeistern, wenn nicht gar überwältigen lassen.
Der Klang der Aufnahme ist präsent und gut gestaffelt. Er ist sonor, voll und sogar noch etwas glanzvoller als jener bei der ausgezeichneten PO - Aufnahme mit Kasprzyk. Ein Gewinn ist auch der große dynamische Ambitus. Als SACD abgespielt verfügt sie im fünfkanaligen Abspielmodus über noch mehr klangliche Durchschlagskraft.
4-5
Jean Fournet
Tschechische Philharmonie Prag
Supraphon
1967
14:20
Die Hörner der Tschechischen Philharmonie bestätigen ihren bis heute exzellenten Ruf auch hier. Sie überzeugen mit kräftigem Klang mit der typischen besonders warmen, intensiven Färbung, die den Hörer sofort an die Jagd in einem frisch grünen Wald denken lässt. Das Orchester präsentiert sich auch sonst virtuos und präzise, ausgestattet mit klangvollen Holzbläsern und gut aufgelegtem bissigen, aber glanzvoll und nicht stechend hervortretendem Blech. Immer wieder sorgen sie für heftig durchdringende Höhepunkte. Aber - und das ist das Besondere an der Version Fournets - auch die ruhigeren Abschnitte wirken ausgesprochen atmosphärisch und plastisch. In der hervorragend gelungenen Höllenjagd spielt das Orchester geradezu wie selbst besessen auf. So soll es hier ja auch eigentlich sein.
Für die damalige Zeit wartet die Aufnahme mit sehr guter Dynamik auf. Das detailreich eingefangene Orchester klingt plastisch, klar und farbig.
4-5
Eiji Oue
Minnesota Orchestra
Reference Recordings
1998
14:23
Wenn man von den übergangenen sf der Hörner im „Sonntagmorgenbild“ einmal absieht, kann man das kammermusikalisch klare Spiel des Orchesters nur loben. Es mangelt ihm nicht an Intensität, aber den zupackenden Biss der besten erreicht es nicht ganz. Dazu bleibt es zu ausgewogen und noch zu sehr auf Kultiviertheit bedacht. Vielleicht ein klein wenig zu brav, wenn man das ähnlich klingende Orchester aus Philadelphia zum Vergleich heranzieht. Dessen Homogenität in den virtuosen Passagen erreicht es ebenfalls nicht ganz. Die Natur, Tier und Mitmensch verachtende ungestüme, rücksichtslose Wildheit kann so nicht restlos dargestellt werden. Zuvor kam aber der dialogische Charakter der Hörner mit dem Holz sehr gut heraus. Die mächtigsten Höhepunkte dieser Einspielung findet der Hörer während der Höllenjagd, bei der dem Grafen und der ihn hetzenden höllischen Meute grandios eingeheizt wird. Hier erreichen die dynamischen Gegensätze Maximalwerte. Das ist schon beeindruckend.
Zu loben ist die räumlich bestens staffelnde Klangqualität, die mit klarer Dreidimensionalität besticht. Zudem hat sie die beste Dynamik, ist klanglich ausgewogen und brillant. Zudem kommt der Hörer in den Genuss einer prächtig klingenden Gran Cassa. Man kann die Aufnahme besonders audiophilen Hörern empfehlen.
4-5
Jacek Kasprzyk
Philharmonia Orchestra London
Windsong
1990
14:36
Hier beginnen die Hörner mit einnehmenden, volumenreichen und erhaben wirkenden Klang. Wir vernehmen eine detailgenaue, spannend aufgebaute und souverän gespielte, durchaus auch zugespitzte Darstellung. Auch dieses Orchester spielt in Hochform mit fantastisch geschmeidigen Streichern und hervorragenden Bläsern. Die Dynamikanweisungen werden gut und im ff nicht gerade zimperlich umgesetzt, wobei der Unterschied f zu p durchaus noch deutlicher sein könnte. Bei den Gegensätzen ff zu fff passt es dann aber. Die Atmosphäre in der Klausner – Hütte gelingt sehr anschaulich und lässt hier besonders an die Orchestrierung in Wagners „Ring“ denken. Die Höllenjagd ist ein Thriller.
Der Klang ist ausgezeichnet, besonders wenn man ihm etwas mehr Lautstärke als sonst zugesteht, denn sonst wirkt er nicht präsent genug und könnte etwas fade wirken. Besonders die exzellente Transparenz ist dann zu loben. Er ist aber auch lebendig, weich und voll.
4-5
Jean Fournet
Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris
Philips - BnF
1954
13:35
MONO Dass es auch vor der Stereophonie schon mitreißende Aufnahme des Stückes gab, beweist diese erste Einspielung Jean Fournets. Klanglich sind gegenüber der Supraphon LP allerdings größere Unzulänglichkeiten hinzunehmen. Die Aufnahme klingt naturgemäß eng, im Forte mulmig, sonst aber recht offen. Auch an die Laufgeräusche der alten Philips – Platte muss man sich erst wieder gewöhnen. Dann kann man sich aber an der sogar noch etwas stringenteren Herangehensweise Fournets erfreuen. Die Steigerungsverläufe sind mitreißend zu nennen. Offensichtlich hatte das Orchester das Stück völlig verinnerlicht, es fehlt dem lebendigen Spiel jedenfalls nicht an rhythmischer Verve. Es fehlt ihr aber gegenüber der Prager Aufnahme an der besonderen ländlichen Atmosphäre.
4-5
Ernest Ansermet
Orchestre de la Suisse Romande
Decca
1963
14 :47
Das OSR ist hörbar mit viel Enthusiasmus bei der Arbeit, der sich auch auf den Hörer überträgt. Zunächst muss man jedoch mit zwar exakt phrasierenden, aber klanglich nur durchschnittlichen Hörnern vorlieb nehmen. Aber: Das änderst sich im weiteren Verlauf deutlich. Auch das Holz ist zunächst etwas unsauber, vor allem die unausgewogene Oboe fällt mit dünnem Gequäke aus dem Gesamtklang heraus. Im weiteren Verlauf erreicht das Orchester eine deutlich höhere Innenspannung als etwa das Staatsorchester Braunschweig (dieser Vergleich nur, weil die Dirigenten Alber und Ansermet Nachbarn in der Liste des Verfassers waren und direkt nacheinander gehört wurden). Die Schweizer artikulieren spontaner, quirliger und zupackender. Die entworfene Atmosphäre ist ungleich aufgeheizter. Aber manch ein fff erreicht nur ein ff (bei Ziffer M). Steigerungen wirken zupackend gestaltet. Für Ansermet scheint das Werk eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Es mangelt zu keiner Sekunde an Durchschlagskraft, vor allem das bissige, zupackende Blech (incl. der Hörner) lässt immer wieder mit der geleisteten Verve aufhorchen.
Die Aufnahme überzeugt mit dem spritzigen Decca - Klang der frühen 60er Jahre, dem es nicht an Dynamik und Druck fehlt und der auch eine verschwenderische Fülle an Klangfarben bereit hält.
4-5
Jean-Luc Tingaud
Royal Scottish National Orchestra
Naxos
2019
13:51
Der Grundcharakter dieser Einspielung aus Schottland ist vor allem: flott. So flott, dass die Musiker etwas über die Akzente hinwegfegen. So sind die fff auch nicht deutlich lauter oder intensiver das die ff. Das Orchester spielt aber inspiriert und aufmerksam auf einem guten Niveau. Es ergeben sich mitunter interessante „schottische“ Klangfarbenmixturen, z.B. wenn sich der Klang der Tuba mit der Klarinette auf herbe Weise mischt. Die Streicher haben wir bei diesem Orchester schon weit weniger weich und weniger homogen gehört. Auch die Blechbläser gefallen mit ihrer Präsenz. Dem hohen Grundtempo muss das Orchester an den bekannten „Beschleunigungsstellen“ Tribut zollen, denn bei quasi presto kann es nicht mehr viel zulegen. So wirkt der Thriller-Charakter am Ende dann doch etwas abgemildert. Den ausgezeichneten Rezensionen zum Trotz, die die gerade erst erschienene und im Großen und Ganzen erfreuliche Einspielung erhalten hat, haben wir das Stück zuvor jedenfalls schon elektrisierender gehört.
Die Aufnahme klingt glasklar, weiträumig und dynamisch. Auch die Gran Cassa als besonders schwierig aufzunehmendes Instrument (wegen seiner enormen Dynamik) klingt tief und profund.
4-5
Paul Strauss
Orchestre de Liège ( zu deutsch: Lüttich)
EMI
P 1975
14:47
Obwohl auf die Sekunde gleich kurzweilig, hat diese Aufnahme aus Francks Geburtsstadt einen ganz anderen Charakter als die Ansermet – Aufnahme. Strauss rund und voll, Ansermet spritzig und temperamentvoll. Auch 34 Jahre vor der Aufnahme mit Francois-Xavier Roth präsentiert sich das Orchester klangvoll und ausgewogen. Damals trug es die Zusätze „Philharmonique“ und „Royal“ noch nicht in seinem Namen. Trotzdem setzt es sich unter seinem damaligen Chefdirigenten bereits voll für den berühmten Spross der Stadt ein. Es erreicht eine wunderbar ausgewogene, weich konturierte und farbige Wiedergabe, der es jedoch bisweilen etwas an Details mangelt. So ist der Gesang aus dem Dom von den Celli einmal pp, das zweite Mal mf notiert, hier aber absolut gleich laut zu hören. Fff und ff unterscheiden sich wiederum gut voneinander. Die Tremoli in der Klausnerszene, die die Angst des plötzlich völlig allein gelassenen jagenden Grafen darstellen sollen, hat man schon Angst einflößender gehört. Die Höllenjagd ist gut gelungen. Die letzte Steigerung im Tempo stellt sich aber erst verspätet ein (lange nach quasi presto).
Der Klang ist - wie gesagt - schön weich und voll und in bester Analog - Manier auch ausgesprochen farbig. Die Dynamik ist ab ff ein wenig eingeengt. Die Präsenz der Instrumente verliert sich in der Totalen dann auch etwas und wird leicht hallig. Die Gran Cassa klingt verhalten.
4-5
Sir Thomas Beecham
Royal Philharmonic Orchestra, London
EMI - BnF
1956
14:01
MONO Ähnlich wie bei Fournet (1954) verhält es sich mit der Einspielung Beechams. Auch hier liegt eine lebhafte Interpretation vor, die unter klanglichen Einbußen leiden muss.
Auch Beecham lässt die Hörner mit Echowirkung spielen, was so nicht in der Partitur steht, und was man auch nur der Artikulation entnimmt, nicht räumlichen Effekten. Er versucht auch innerhalb der Hörner - Duette schon einen Dialog herauszuschälen, sodass man von Beginn an auf die zwei verschiedenen ambivalenten oder fast schizophrenen Charakterzüge des jagenden Grafen aufmerksam wird. Fast kann man hier von einem kleinen Geniestreich des Dirigenten reden. Auch hier ist der Aufbau stringent (was übrigens die ältere Dirigenten - Generation eint) und lebendig. Die Spannung reißt nie ab. Der Duktus ist stets schwungvoll. Das fff kommt gut erkennbar über die Lautsprecher. Auch an toller Zuspitzung bei der Jagd der Höllenhunde lässt es Beecham nicht fehlen.
Die Crux ist der Klang: Dicht, wenig transparent und wenig dynamisch.
4-5
Artur Rodzinski
Orchester der Wiener Staatsoper
Westminster - BnF
1954
15:58
MONO Auch der dritten Mono – Aufnahme im Vergleich muss man hohe Qualitäten bescheinigen. Hier ist der Klang allerdings rau und irgendwie völlig glanzlos. Das ganze Orchester bekommt einen harten Gesamtklang, den es wahrscheinlich in Wirklichkeit nicht hatte. Man bedenke: Aus den Mitgliedern des Orchesters der Wiener Staatsoper rekrutieren sich mittels eines Auslese- bzw. Berufungsverfahrens die Wiener Philharmoniker, d.h. so unterschiedlich werden die beiden Orchester nicht klingen. Die tiefen Töne sind zudem kpl. unterbelichtet, Kontrabässe und Gran Cassa werden also wesensfremd wiedergegeben oder sind ganz unhörbar. Man vermisst natürlich auch sie stereophone Auffächerung und generell eine gewisse Fülle des Wohllautes. Dennoch ist die Transparenz noch ganz gut, d.h. die Stimmen kommen gut zur Geltung und sind gut unterscheidbar.
Das Orchester wirkt jedoch hoch motiviert und überzeugt mit ausdrucksvollem Spiel. Trotz der langen Spielzeit ist das Zuhören kurzweilig. Auch hier starten die Hörner mit einem Echo-Effekt. Das „Sonntagsbild“ wird lebendig und hochemotional gesteigert, die Jagdszenen danach erhalten die notwendige Drastik im Gestus. Auch die Szene in der Hütte des Klausners mit dem Fluch ist eindrücklich gestaltet. Die Höllenjagd am Ende lässt es auch nicht an Zuspitzung fehlen.
4
Jesus Lopez-Cobos
Cincinnati Symphony Orchestra
Telarc
1989
13:48
Das zügige Tempo des Dirigenten wirkt zumeist etwas flüchtig. Eine scharfe Detailzeichnung scheint nicht mit dem Tempo vereinbar gewesen zu sein. Einen Unterschied zwischen fff und ff gibt es nicht. Die Szene in der Hütte des Klausners ist gut nachgezeichnet, die Höllenjagd ist flott aber zu nüchtern, eher nur sportlich - temperamentvoll als dämonisch. Dadurch, dass der elementare Nachdruck fehlt, geht auch die existenzielle Bedeutung des Stückes zu großen Teilen verloren.
Der Klang der Aufnahme stellt indes zufrieden, insbesondere die Transparenz und die Dynamik überzeugen aber auch die Klangfarben sind echt. Auch um die Gran Cassa hat man sich - wie meist im Hause Telarc - liebevoll gekümmert.
4
Daniel Barenboim
Orchestre de Paris
DG
1975
16:18
Barenboims Einspielung ist die langsamste dieses Vergleiches. Innerhalb dieses mit mäßigen Tempi abgesteckten Zeitmaßes lässt das Orchester durchaus achtbare Qualitäten hören. Vor allem der bereits oft vernommene wabernde und im Detail verschwommene Klang dieser Dirigent - Orchester - Kombination bleibt dem Hörer diesmal erspart. Barenboim beginnt mit einer ausführlichen aber spannungslosen Schilderung des Sonntagmorgens, besonders bedingt durch das beinahe schon lähmende Tempo. Die Hörner lassen positiv aufhorchen, wobei auch ihre Intonation zunächst nicht ganz lupenrein wirkt. Diesbezüglich werden sie aber vom zu Beginn ziemlich unpräzisen Holz leider noch unterboten. Das bessert sich aber im Verlauf merklich. Obwohl Barenboim damals gerade des Orchesters Chef geworden ist, hat man sich anscheinend noch nicht so recht aneinander gewöhnt. Im weiteren Verlauf wäre eine peniblere Detailzeichnung denkbar, ebenso wie eine stringentere Steigerungsdramaturgie. Der Fluch ist trotz fff nicht gerade furchteinflößend, aber insgesamt spielt das Orchester nun präziser und vermag insbesondere durch seine strahlenden Trompeten dem Stück einige Glanzlichter aufzusetzen. Gegen Ende scheint das Orchester dann auch voll motiviert alles zu geben. Auch der Gesamtklang vermag dann zu überzeugen. Letztlich kann man der Einspielung ein Gelingen dann doch nicht absprechen.
Daran hat auch die Klangqualität einen hohen Anteil, denn es gibt keine ernsthaften Einwände. Der Klang ist transparent, hat eine gute Dynamik und leuchtende Klangfarben.
4
Jonas Alber
Staatsorchester Braunschweig
Coviello
2003
14:22
LIVE Die Leistung des Braunschweiger Orchesters verdient Respekt. Vor allem angesichts der Live – Situation erreicht es eine sehr solide und klangvolle Aufführung. Sicherlich hätten ein paar Proben mehr noch die Verinnerlichung des Werkes weiter gefördert, denn insbesondere die feinen aber auch die gröberen Abstufungen in der Dynamik lassen es an Differenzierung fehlen. Vor allen die zahlreichen fff lassen die letztmögliche Leistungsentfaltung (Fulminanz) vermissen. Auch verspürt man eine gewisse leichte Trägheit oder Reserviertheit, die eine inspirierter wirkende Wiedergabe verhindert. Bisweilen agiert man noch etwas zu vorsichtig und pauschal. So kann man sich nicht vorbehaltlos in die schwierigen Passagen der Höllenjagd hineinstürzen. Recht spannend ist es aber trotzdem. Aufbau und Dramatik werden auch insgesamt gut vermittelt. Der existenzielle Ausdruck bleibt aber gegenüber den Besten unterbelichtet.
Der Klang der Aufnahme erfreut. Er ist dynamisch, farbig, volltönend und recht differenziert, aber nicht übermäßig brillant. Auch diese Einspielung liegt als SACD vor.
4
André Cluytens
Orchestre National de Belgique
EMI
1962
14:50
Die Einspielung des Belgiers Cluytens mit seinem Orchester, dem er lange als Chefdirigent vorstand, besticht durch einen atmosphärisch dichten Beginn. Die sonoren Hörner gefallen. Es schließt sich dann ein gemäßigtes, aber festes Tempo an. Der Fluch bei M ist zu schwach geraten, auch die Höllenjagd kommt zu domestiziert. Generell ist diese Version zu zurückhaltend im Dramatischen, sie meidet die Extreme und kann so in ihrer relativ epischen, wenig zupackenden Art den existentiellen Gehalt des Stückes, wie auch die Braunschweiger Aufnahme, nur geschmälert wiedergeben.
Der Klang ist dunkel getönt, auffallend sonor, recht transparent, aber dynamisch limitiert.
3-4
Roberto Benzi
Arnhem Philharmonic Orchestra
(niederländischer Name: Het Gelders Orkest)
Naxos
1995
15:47
Die Einspielung Benzis ist ein Genuss für Partiturleser. Er bevorzugt ein langsames, getragenes und bedächtig anmutendes Tempo. Er fordert von dem Orchester ein sauberes und exaktes Spiel ein. Im Verbund mit einer weiträumigen und außerordentlich klaren Aufnahmequalität läuft so die Wiedergabe genau entlang der Partitur ab und man braucht sich auch beim Umblättern der Partitur nicht zu beeilen. Jede Stimme ist genau zu verfolgen. Spannung baut sich so allerdings nicht auf. Der Gestus wirkt gebremst, das Orchester ist zwar sicher und sattelfest aber viel zu sehr auf Sicherheit bedacht. Der dramatische Gehalt bleibt so – gemessen an den oben gelisteten Einspielungen – weitgehend auf der Strecke. Aus einem atemlosen Thriller wird so eine Episode einer ziemlich lahmen Vorabendserie. Eigentlich schon beinahe am Thema vorbei musiziert, das allerdings ausgesprochen genau.
Auch bei dieser CD empfiehlt es sich die Lautstärke etwas anzuheben, dann wirkt sie absolut nicht mehr dynamisch nivelliert und lässt auch viel vom fein und ausgesprochen präzise ausgehörten Aufnahmeraum hören, in dem das Orchester punktgenau positioniert erscheint. Die Gran Cassa klingt deftig.
3-4
Armin Jordan
Sinfonieorchester Basel
Erato
1985
15:37
Auch in der Einspielung von Armin Jordan klingen die Hörner zunächst von weit her und nähern sich erst nach und nach dem versammelten Orchester an bis sie dann im sonntäglichen Geschehen ankommen. Ihr Spiel ist durchaus ausdrucksvoll. Den Streichern fehlt bisweilen die letzte Präzision, obwohl sie den Eindruck des Friedlichen gut unterstützen. Nicht zuletzt durch das behäbige Grundtempo fehlt zumeist der unmittelbar packende Zugriff. Es ist dabei von Nachteil, dass das gesamte Klangbild etwas entfernt wirkt und gerade im Vergleich zum Präzisions-Klangbild der Benzi - Aufnahme kommt auch noch eine leicht nebulöser Charakter hinzu. So mangelt es etwas an Präsenz der Orchestergruppen und -solisten und es geht noch ein wenig mehr vom vorwärtstreibenden Impetus verloren. Das Orchester wirkt so auch noch etwas schwerfälliger. Gerade ab Forte verliert das Klangbild an Transparenz. Auch die Gran Cassa ist viel zu leise abgemischt. Fff – Einsätze wirken so auch stark nivelliert. Eine Aufnahme der soften Mitte. Für den Hörer, der „seinen Franck“ lieber weniger wild goutieren möchte.
3-4
George Pehlivanian
Orchestre Philharmonique de Monte Carlo
Virgin
1994
15:52
Die Hörner lassen es hier schon gleich zu Beginn an Sorgfalt fehlen, überspielen sie doch sowohl das sf als auch das molto sf. Auch im weiteren Verlauf fällt das Orchester immer wieder mir einer langen Reaktionszeit auf. Auf den Verfasser wirkte das nicht gerade die Spannung fördernd. Auch das Solo für die Cellogruppe wird ziemlich verschlafen. Der Unterschied fff – ff ist gering bis überhaupt nicht zu hören. Die sf zumeist verschliffen. Zu keiner Phase vermag das Orchester Glanzpunkte zu setzen. Es kommt nicht über Pflichterfüllung hinaus. Auch die Höllenjagd erfolgt ziemlich zahm, als seien keine Höllenhunde, sondern Schoßhündchen beteiligt. Den verdammten Jäger wird es gefreut haben. Das bereits acht Partiturseiten zuvor vermerkte quasi presto wird erst bei Buchstabe W realisiert. Zu spät, um den Eindruck zu vermeiden, dass man hier anscheinend keiner Herzensangelegenheit nachgegangen ist. Es werden jedenfalls keinerlei Funken aus der Partitur geschlagen.
Zudem kommt auch noch ein leicht entfernt wirkender Klang, der wenig Glanz verbreitet und es an „wilder“ Dynamik erheblich fehlen lässt. Die Transparenz ist nur durchschnittlich. Einzig die Gran Cassa gefällt.
20.8.2020