Ottorino Respighi 

Fontane di Roma

_____________________________

 

 

Werkhintergrund:

 

Fontane di Roma, dt. ‚Brunnen von Rom‘, ist die erste der drei sinfonischen Dichtungen von Ottorino Respighi, die zusammen die Römische Trilogie bilden. Sie stammt aus dem Jahr 1916. Wie die beiden anderen Werke des Zyklus, Pini di Roma (dt. ‚Pinien von Rom‘, 1924) und Feste Romane (dt. ‚Römische Feste‘, 1928), ist sie in vier Sätze gegliedert und zählt zu den bekanntesten Kompositionen des Komponisten. Das Werk wurde am 11. März 1917 im Teatro Augusteo in Rom durch das Orchestra dell’ Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter der Leitung von Antonio Guarnieri mit nur mäßigem Erfolg uraufgeführt. Großen Erfolg erbrachte erst Toscaninis Aufführung am 11. Februar 1918.

 

Äußerlich schließt Respighi an eine musikalische Tradition an, denn artifizielle Wasserspiele gehörten schon seit den französischen Clavecinisten (Dandrieu: Les Cascades) zu den immer wieder gerne komponierten Sujets programmatischer Musik (auch Liszt: Les jeux d´eau à la Villa d´Este). Respighi nutzt dazu das gesamte Arsenal an Figuren, Techniken und Instrumenten, das gewöhnlich zur Schilderung von Kaskaden, Wasserfällen usw. dient.

 

Zusätzlich verbindet Respighi die Sicht auf die Brunnen mit unterschiedlichen Tageszeiten, bringt also noch ein zweites bekanntes Sujet mit ins Spiel (Haydn: Die Tageszeiten-Sinfonien), zum anderen erläutert er in seinem der Komposition beigegebenen Programm, dass er Stimmungen und Bilder habe wiedergeben wollen, die die Brunnen in ihm, dem Betrachter, wachgerufen hätten. Dieser reflexive Aspekt entspricht dem Gattungstitel „poema sinfonico“ (Sinfonische Dichtung), der natürlich sehr bewusst gewählt wurde.

 

Das Werk besteht aus vier Sätzen, die ohne Pausen aufeinander folgen:

Zwei langsame Sätze (leise und statisch) umrahmen dabei zwei schnelle, laute und dynamische.

 

  1. La fontana di Valle Giulia all’alba (Der Brunnen im Valle Giulia bei Sonnenaufgang)
  2. La fontana del Tritone al mattino (Der Tritonenbrunnen am Vormittag)
  3. La fontana di Trevi al meriggio (Der Trevibrunnen in der Mittagssonne)
  4. La fontana di Villa Medici al tramonto (Der Brunnen der Villa Medici in der Abenddämmerung)

 

Der Komponist stellte der Partitur folgende Erläuterungen voran:

 

„In dieser sinfonischen Dichtung hat der Komponist Empfindungen und Geschichte ausdrücken wollen, die beim Anblick von vier römischen Fontänen in ihm wach wurden, und zwar jedes Mal zu der Tageszeit, wenn ihre Eigenart am meisten mit der betreffenden Umgebung übereinstimmt, oder ihre Schönheit auf den Betrachter den größten Eindruck macht."


Der erste Teil der Dichtung empfängt seine Eingebungen von der Fontäne im Valle Giulia und malt eine Hirtenlandschaft. Schafherden ziehen vorüber und verlieren sich im frischfeuchten Dunst einer römischen Morgendämmerung. Dieser Teil folgt dem Schema ABA´ (T. 1-28/29-42/43-52). Die phrygische Oboenmelodie (T. 3-7), die die Rahmenteile dieses Satzes beherrscht, wirkt durch die parallelen Quinten, die sie begleiten archaisch-fremdartig, noch verstärkt durch den ständigen Wechsel von erhöhter und erniedrigter Terz. Dieser Wechsel begegnet uns auch in der anschließenden Klarinettenmelodie (T. 7-9), ebenso auch im Hauptthema des letzten Satzes /z.B. T. 291-294, Flöte/Englischhorn).

 

Plötzlicher lauter und andauernder Hörnerklang über trillerndem Orchester eröffnet den zweiten Teil: die Tritonenfontäne. Es ist gleichsam ein freudvoller Signalruf, auf den Najaden und Tritonen in Scharen herbeieilen, sich gegenseitig verfolgend, um dann einen zügellosen Tanz inmitten der Wasserstrahlen auszuführen. Aufgrund der Thematik, Artikulation und Instrumentation bildet er quasi das Scherzo.

 

Ein feierliches Thema ertönt über den Wogen des Orchesters: die Trevi-Fontäne am Mittag. Dieses Thema geht von den Holz- auf die Blechbläser über und nimmt einen triumphierenden Charakter an. Fanfaren erklingen: auf leuchtender Wasserfläche zieht der Wagen Neptuns, von Seepferden gezogen, mit einem Gefolge von Sirenen und Tritonen vorbei. Der Zug entfernt sich, während gedämpfte Trompetenstöße von ferne widerhallen. Hier entfaltet sich die ganze Wucht, deren das Orchester Respighis fähig ist. Komponiert ist ein Crescendo, das bald seinen ersten Höhepunkt erreicht (T. 175), diesen dann jedoch immer wieder zu übertrumpfen sucht. (T. 213/237), bis schließlich nach der letzten Klimax (T. 245) ein Decrescendo einsetzt (T. 253), das bis zum Ende reicht.

 

Der vierte Teil kündigt sich durch ein trauriges Thema an, das sich wie über einem leisen Geplätscher erhebt. Es ist die schwermütige Stunde des Sonnenuntergangs. Die Luft ist voll von Glockenklang, Vogelgezwitscher, Blätterrauschen. Alsdann erstirbt dies alles sanft im Schweigen der Nacht.“ Auch hier wurde die ABA´- Form gewählt. Dem harmonisch changierenden Hauptthema  (T. 291-295) steht im Mittelteil eine fest gegründete Moll-Melodie gegenüber, deren Simplizität durch leichte Klangverfremdungen ihrer Trivialität erhoben erscheint. Dieser Satz ist Klangmagie pur.“

 

Von den drei zur Römischen Trilogie gehörenden sinfonischen Dichtungen ist diese erste sicher noch die am wenigsten Bombastische. Die erzählende Fortspinnung der musikalischen Gedanken steht bis auf ein paar Ausnahmen vor einer thematischen Verarbeitung. Auch steht die musikalische Illustration vor einer innovativen Formgebung. Dennoch weiß die Klangwerdung der musikalischen Gedanken des Komponisten durch einprägsame Melodik und immense Könnerschaft bei Instrumentierung und Orchestersatz zu überzeugen, bisweilen sogar zu überrumpeln. Allerdings ist, um von einer vollends geglückten Interpretation zu reden, von den Interpreten a) seitens des Dirigenten Flexibilität was Klangseparation bzw. Klangintegration angeht ebenso vonnöten wie eine souveräne Schlagtechnik und b) seitens des Orchesters ein Höchstmaß an Perfektion und Klangschönheit erforderlich, um das Werk  vor einem Abgleiten in die Trivialität einer Filmmusik zu bewahren. Von besonderer Bedeutung ist bei diesem Stück auch eine hellhörige Klangtechnik, die möglichst viel von der äußerst differenzierten Instrumentation zunächst einmal einfängt und den Instrumenten dann auch den ihnen gebührenden Platz zuweist. Sonst kann sich der Klangsensualismus, der hier Programm ist, entweder nicht vollständig entfalten oder bei einer Überbetonung kann das Stück sehr schnell überladen oder sogar kitschig wirken.

 

Zum Vergleich der Aufnahmen wurde die Eulenburg – Partitur Nr. 8097 herangezogen, die auch das geschriebene Vorwort des Komponisten ungekürzt enthält.

 

Final zusammengestellt am 9.3.2020

 

 

 

Ottorino Respighi anno 1926, da hatte er bereits den zweiten Teil der Römischen Trilogie "Pini die Roma" geschrieben.

 

 

Vergleich:

 

5

Fritz Reiner

Chicago Symphony Orchestra

RCA

1959

4:40   2:25   3:19   5:20

Diese Aufnahme, die unter Audiophilen zu den begehrtesten des RCA Living Stereo-Katalogs überhaupt gehört, lag zum Vergleich in verschiedenen Versionen vor, darunter auch eine SACD und eine XRCD. Allen gemein ist eine auffallend gute Transparenz, die für eine Aufnahme dieses Alters ganz erstaunlich ist und sich bereits beim ersten Einsatz der Oboe zeigt. Auch die Intonation der geteilten 1. Violinen in den hohen Liegeton (armonici, was im Deutschen in etwa Oberton bedeutet) und in die bewegte Klangfläche darunter gleich zu Beginn des ersten Satzes wird in größtmöglicher Deutlichkeit herausgearbeitet. Beider Zusammenklang wirkt geradezu magisch. Weitere Details werden wie auf dem Silbertablett serviert, sodass der Hörer aus dem Staunen kaum herauskommt. Die Soli werden ausgezeichnet mit der für dieses Orchester typischen  perfekten, aber auch etwas neutralen Tongebung gegeben. Hier wird schon spürbar, dass alle Musiker äußerst diszipliniert und akribisch der Partitur aber besonders auch der Maßgabe des Dirigenten folgen. So wirkt der ganze Satz einheitlich gestaltet aber auch relativ wenig individuell.

Der 2.Satz atmet jedoch eine antreibende Frische. Er klingt ausgesprochen effektvoll jedoch in keiner Weise aufgeblustert. Das Orchester wirkt bei aller Perfektion, die es in jedem Takt ausstrahlt, beweglich und vital.

Der 3.Satz zeigt die Fahrt von Neptun und Gefolge schon allein durch die perfekt ins Klangbild integrierte Orgel, die übrigens in diesem Stück ad libitum besetzt werden kann, eindrucksvoll majestätisch. Geprägt wird der Satz von der herausragenden Strahlkraft des Blechs, das urgewaltig aber trotzdem bestens kultiviert über dem Gesamtklang liegt. Die Spannung steigert sich atemlos bis zum Höhepunkt (T.237), den man gerne wegen der großen Ähnlichkeit dieser Stelle mit dem „Gipfel“ der „Alpensinfonie“, die erst ein paar Jahre zuvor komponiert worden war, ebenso als Gipfel bezeichnen könnte. Es ist anzunehmen, dass sich Respighi hier einer Anleihe aus diesem Stück bedient hat. Reiner lässt ihn jedenfalls zum Triumph werden.

Auch der leicht melancholische 4.Satz, bei dem zu Beginn seltsames leichtes Rumpeln hörbar wird, kommt in den Genuss eines fantastisch durchhörbaren Klangzaubers. Die brillanten Soli werden hier nicht Selbstzweck, sondern ordnen sich der Gesamtstimmung unter.

Diese Aufnahme offeriert, trotz leichten Grundrauschens, das aber nur an wenigen Stellen ins Bewusstsein dringt, eine exzellente Ortbarkeit und Durchhörbarkeit bei hoher Tiefenschärfe. Das Bassfundament ist sehr gut. Gegenüber der Decca-Aufnahme Kertesz` wirkt sie jedoch etwas kühler temperiert. Die Interpretation lässt den Hörer die Partitur quasi pur erleben. Sie erscheint objektiv und geradlinig. Wäre Reiner Schiedsrichter beim Fußball, man müsste ihn als unbestechlich beschreiben. So erscheint das Spiel des CSO aber auch deutlich weniger von einer spontan wirkenden Emotionalität geprägt als beispielsweise das der beiden nachfolgenden Aufnahmen von Luisi und Kertesz.

 

5

Fabio Luisi

Orchestre de la Suisse Romande

RTS – Evaison

2002

4 :35   2 :24   4:04   6:36

Schon gleich zu Beginn fällt das gegenüber Reiner mit einer lebendigen Emotionaliät versehene Spiel der im 1.Satz mit einer tragenden Rolle ausgestatteten Oboe auf. Es wirkt wie gerade erst erfunden. Die Holzbläser bestechen hier mit ausgesprochen subtilen und harmonischen, gefühlvollen und klangschönen Zusammenspiel. Außer der Oboe verdient sich hier auch die Flöte mit wohldosiertem Vibrato ein Sonderlob. Das Resultat des Gelingens ist eine wunderschöne, „naturbelassene“ Gesamtwirkung von großer Reinheit.

Der 2.Satz erklingt als ein temperamentvolles und spannendes Spektakel, das den Scherzocharakter wie kaum eine andere Version trifft. Der Hörer kommt auch in den Genuss sehr vieler Details des ausgesprochen üppig besetzten Instrumentariums.  Im 3. Satz bekommt Neptun einen vitalen Auftritt dem jede statuarische Monumentalität abgeht. Auch wenn man das sehr gut geführte und knackig intonierende Blech dazu nimmt, müsste dieser Neptun ein junger, kraftvoll durchtrainierter König ohne ein einziges graues Haar sein. Dem Satz fehlt es bis zum Höhepunkt nicht an vorantreibender Kraft. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass das hoch motivierte Blech das andere mehr untermalende Geglitzer im Orchester etwas überstrahlt. Man behält aber dennoch den Überblick. Der Abschied von diesem Brunnen klingt dann etwas wehmütig. Die Orgel hat bei Luisi nur eine ergänzende, untermalende Funktion.

Im 4.Satz ereignet sich ein recht ausgedehnter Sonnenuntergang, dem es aber durch die auch hier wieder ausgesprochen lebendigen Soli nicht an Intensität mangelt. Gegenüber der gestrafften Interpretation eines Reiner wirkt er dennoch leicht gedehnt, aber wirklich nur im direkten Vergleich.

Luisis Version verfügt zusammen mit derjenigen Alan Gilberts über den modernsten Klang (wahrscheinlich eine High-Res-Aufnahme) mit den natürlichsten Klangfarben. Man erfreut sich dazu an einer sehr schönen, emotional bewegten und meisterhaft dirigierten Darbietung, die den Grundgestus der einzelnen Teile des Stückes der Meinung des Autors nach besonders gut trifft.

 

5

Istvan Kertesz

London Symphony Orchestra

Decca

1968

4:00   2:29   3:21   5:31

Dem LSO gelangen  bei Decca in den 60er Jahren einige besonders gelungene Aufnahmen, denen man aus heutiger Sicht durchaus das Label “zeitlos“ mitgeben könnte. Zu nennen wäre etwas die Aufnahme der „Sinfonietta“ Janaceks mit Abbado oder die des „Konzertes für Orchester“ Bartoks mit Solti. Die hier besprochene kann man getrost dazuzählen. Das Orchester wirkt auch hier  - obwohl sicher fleißig geprobt wurde – spontan, quicklebendig und spendabel, was Emotionalität und die Behandlung der Dynamik anlangt. So erklingt der 1.Satz stimmungsvoll und auch durch etwas Rubato gefühlvoll belebt. Das Orchester wirkt auch hier wieder gerade so präzise und souverän, dass der Satz poetisch frei erzählt wirkt. Ausdrucksvolle Soli, gerade auch vom Cello (ab T. 29, parallel geführt mit der Oboe) sind dazu eine weitere Voraussetzung.

Im 2.Satz wird der Scherzocharakter vorbildlich getroffen. Er beginnt mit den ausgesprochen kräftigen Hörnern. Die Wesen dieses Brunnens erweisen sich im weiteren Verlauf als hoch musikalisch und zu wilden Tänzen aufgelegt. Der 3. Satz erhält eine mitreißende Gesamtwirkung mit einem prickelnden  Steigerungsverlauf. Das Blech hat – wie bereits von diesem Orchester vielfach unter Beweis gestellt – gehörigen Biss. Die Techniker und der Dirigent achten hier aber darauf, dass der Rest des Orchesters, der ja zur Belebung des Klangs (schließlich wuseln ja noch eine Menge weiterer Wesen aus der Tiefe des Brunnens herum) wesentlich beizutragen hat, immer noch gut hörbar bleibt. An die Strahlkraft des CSO kommen die Londoner auf diese Weise nicht ganz heran. Die Violinen bleiben so immer absolut klar und werden nicht an die akustische Wand gedrückt. Der 4. Satz zeigt auch diesmal wieder ein Englischhorn mit der gewohnt offenen, recht dünnen Tongebung. Anders als in manch anderer Aufnahme wird es jedoch dieses Mal wunderbar in den Gesamtklang eingebettet, sodass es nicht störend in die intime Stimmung eingreift. Auch hier kann der warme Gesamtklang, insbesondere auch durch die weich klingenden Streicher bedingt, nur gelobt werden. Durch das präzise Zusammenspiel, das aber die Spontaneität nicht außer acht lässt,  werden die Naturklänge (Blätterrauschen, Vogelgezwitscher) sehr reizvoll dargeboten.

In bestem Decca-Klang der 60er zeigen Dirigent und Orchester ein ausgeprägtes Sensorium für die leuchtenden Klangfarben des Stückes und ihre feinen Valeurs. Aber auch Frische und Dynamik kommen nicht zu kurz.

 

5

Antonio Pappano

Orchestra dell` Academia di Santa Cecilia, Rom

EMI

2007

5:13   2:33   3:15   6:11

Hier spielt, wie auch in zwei weiteren Aufnahmen (mit Gatti und Sabata), das Orchester der Uraufführung. Wie auch bei Gatti wird der 1.Satz ziemlich langsam (den Angaben des Komponisten nach zu langsam) genommen. Aber gegenüber seinem Vorgänger im Amt des Chefs dieses Orchesters erreicht Pappano durch mehr Rubato, besser hervorgehobene und flexiblere Soli einen deutlich bewegteren Duktus. Der Satz gefällt durch weiche Tongebung, insbesondere auch der Streicher und ein hohes Maß an Präzision. Er wirkt stimmig, behutsam, fragil und zart. Die Schafherde streift wahrlich durch ein Natur - Idyll. Auch im 2.Satz überwiegt die cantable, gefühlvolle Herangehensweise gegenüber der robusteren anderer Aufnahmen. Im 3.Satz setzt sich dieser Eindruck fort: Neptun tritt keinesfalls imperial oder gar gewalttätig auf, sondern eher so, als wolle er gerade eine Arie zum Besten geben. Bei T. 213 piu vivace verliert der Kondukt jedoch alles gemütliche, denn Pappano zieht das Tempo mit einer prima Steigerung mächtig an. Dazu passt auch, dass die Orgel hier zur offensichtlich nicht gewünschten Monumentalität, sehr zurückhaltend gespielt wird. Im 4. Satz gelingen Dirigent und Orchester – wieder in moderatem Tempo – ein fein ziselierter Klangzauber  bei dem nichts untergeht. Die ausdrucksvollen, flexiblen  Soli haben hohe Leuchtkraft und wirken trotz des eigentlich betulichen Tempos immer spannend erzählt. Bei diesem Sonnenuntergang würde man gerne sogar noch etwas länger verweilen.

Das im internationalen Vergleich nicht unbedingt zur ersten Garde gehörende italienische Orchester bringt sein „Heimspiel“ dank einer Glanzleistung auch seines Dirigenten und einer hellhörigen Klangtechnik sicher nach Hause. Der Klang der Decca-Aufnahme und Kerstesz` Gestaltung wirken  jedoch noch etwas unmittelbarer im Ausdruck. Auch an Luisis beredten Klangzauber reichen die Römer nicht ganz heran. Gegenüber Reiner hingegen ist der Klang weniger offen, der Gesamteindruck nicht so packend und prickelnd vor allem in den beiden schnellen Sätzen und vielleicht eine kleine Spur zu sentimental im Schlusssatz.

 

5

Charles Munch

New Philharmonia Orchestra London

Decca Phase 4

1967

4.52   2:53   3:37   6:28

Von der Phase 4 – Technik der Decca wurde schon manches Werk  in seinem natürlichen Klangeindruck (das meint hier, wie es sich in einem guten Konzertsaal ereignen würde) stark verzeichnet. Bei dieser Aufnahme wirkt sich die Strategie, mittels vieler Mikrofone ein Mehr an Musik gegenüber dem Konzertsaal hörbar zu machen, zumeist segensreich aus. So werden die Solisten im 1. Satz zwar wie üblich ziemlich groß abgebildet. Der Rest des Orchesters wird aber nicht bis zur Unhörbarkeit runtergeregelt oder gar unterschlagen, sondern in aller Offenheit und Transparenz dargestellt. Das Orchester zeigt sich diesmal in sehr guter Verfassung, sogar die oft grenzwertig dünnen Oboen und das gewöhnlich hart klingende Englischhorn befleißigen sich der gebotenen Zurückhaltung. Es gelingt so eine wunderbar stimmige Widergabe. Der 2.Satz lässt die Hörner mit archaischer Urgewalt erschallen. Die sonst untergehenden Klaviere kommen ebenso wie die Celesta hervorragend zur Geltung. Es gibt hier überhaupt keine akustischen Verlierer, sodass  einmal der gesamte Orchesterapparat detailliert und vielstimmig zu verfolgen ist.

Dem 3. Satz gibt Munch die gewünschte Klangmacht mit, sodass sich Neptun in der gewünschten Erhabenheit sonnen kann. Die akustisch vorteilhaft in Bild kommende Orgel wird hier teilweise genutzt um diese Erhabenheit zur Monumentalität zu steigern. Wahrscheinlich hat sie Respighi auch zu diesem Zweck in die Partitur geschrieben, die Spielanweisungen mit der nicht gerade knauserigen Dynamik legen dies zumindest nahe. Die Blechbläser – obwohl sie hoch motiviert zur Sache kommen - übertrumpfen hier nicht das übrige Orchester, sondern lassen den glitzernden Wasserspielen noch genügend Raum. Auch im letzten Satz wird die Technik werkdienlich eingesetzt. Hellhörig wird so das brillante Orchester in allen Schattierungen in Szene gesetzt.

Munchs Darstellung wirkt wie aus einem Guss und ausgesprochen kundig. Seltsam, dass er es zuvor noch nicht mit „seinen“ Bostonern aufgenommen hatte. Vielleicht dachten sich die Verantwortlichen bei RCA auch, dass Reiners Version (mit dem sich Munch die Aufnahmeprojekte bei RCA teilte) sowieso nicht zu überbieten gewesen wäre?

Bei der Aufnahme selbst hat man bei allen genannten positiven Eigenschaften bisweilen den Eindruck, dass die eine oder andere Dynamikspitze gerade noch knapp vom Übersteuern bewahrt werden konnte. Aber man hört auch in Summe am meisten Details des reichhaltigen Instrumentariums der Komposition von allen im Vergleich genannten Aufnahmen. Und das alleine wäre schon fast eine Höchstbewertung wert.

 

5

Neville Marriner

Academy of St. Martin in the Fields

Philips

1990

4:55   2:33   3:50   5:43

Die Academy spielt hier in atypisch großer Besetzung. Sie konnte sich dazu bei den zahlreichen sehr guten Orchestern Londons bedienen und in diesem Fall wurde eine ganz ausgezeichnete Besetzung herausgepickt. Die Soli sitzen auf den Punkt. Marriner bürgt auch bei diesem Werk für Partiturtreue und größtmögliche Transparenz. Der 2.Satz erscheint etwas untypisch dezent, kapriziös aber durchaus scherzhaft. Marriner verleiht ihm so eine kammermusikalische Note, fast denkt man an die Leichtigkeit von Mendelssohns „Sommernachtstraum“, so spritzig und beinahe dezent legt das Orchester diesen Satz hin. Der 3.Satz gelingt Marriner temperamentvoll, wenn er es auch etwas gemütlich angehen lässt. Umso deutlicher wirkt sich dann die Steigerung des Tempos bei Allegro vivace (die Viertel = 168) und piu vivace (T. 213) aus. Die Orgel wird hier ziemlich mächtig hervorgehoben, dennoch geht es Marriner auch in diesem Satz in erster Linie um die Offenlegung der Strukturen. Im 4.Satz herrscht völlige Transparenz. Celesta und Harfen können sich hier völlig unverdeckt am magisch fließenden Wasser beteiligen. Der Glitzereffekt wirkt so enorm. Das Tempo erscheint goldrichtig. Besondere Erwähnung verdient bei Marriners Version die Violinengruppe. Sie klingt in diesem Vergleich besonders homogen und klangvoll, nie schleicht sich die sonst in sehr vielen Aufnahmen in manchen Abschnitten gehörte Härte ein. Da ist ein Sonderlob angebracht.

Diese Aufnahme wirkt auf distinguierte Art genau, es fehlt ihr auch nicht an Lebendigkeit. Der Klang ist leicht gedeckt, weniger brillant und dynamisch als der bei Reiner, Luisi oder Kertesz. An Transparenz, Klangfarbenreichtum und frequenzmäßiger Breitbandigkeit herrscht dagegen kein Mangel.

 

5

Antal Dorati

Minneapolis Symphony Orchestra

Mercury

1960

4:10   2:12   3:39   5:28

Die dünne und piepsige Oboe (gleiches ließe sich auch vom Englischhorn sagen) des MSO wurde schon mehrfach angesprochen, hier klingt sie zwar wiederum genau so, aber der der Komposition immanente archaische Blick in die Vergangenheit scheint mit diesem Klang, der entfernt an eine Schalmei erinnert, eine glückliche Symbiose einzugehen. Zumal auch das ungeschönte, direkte und von diesem Label bekannte überaus präsente Klangbild und der völlig unverzärtelte, rhythmisch akzentuierte direkte und temperamentvolle Zugriff Doratis in dasselbe Horn blasen. Das führt uns direkt zum 2.Satz, der eine freudig erregte fast stürmische Gesellschaft zeigt, die sich wahrlich scherzo- haft tummelt. Im 3.Satz erfreut das schneidige Blech mit Strahl und Biss. Der knackige Gesamtklang bleibt dabei erfreulich transparent. Die wichtige Orgel ist mit tiefem Fundament gut hörbar. Auch beim letzten Satz ist der Hörer mit der Dirigenten-Perspektive Mercurys hautnah dabei. Was hier nicht unbedingt nur von Vorteil ist, denn die hier sehr direkt mikrofoniert wirkenden Streicher hat man schon viel weicher und verführerischer gehört. Trotzdem: eine eingeständige direkt zur Sache kommende ungarisch gewürzte Version mit einer gewissen Schärfe im knackig-frischen Klang inklusive einer leichten ziemlich durchgängig hörbaren Rauschfahne.

Übrigens: Diese Aufnahme gibt es auch in einer Ausgabe von Newton, die zwar das Rauschen mildert (es wirkt tiefer), der es aber deutlich gegenüber dem Original an Direktheit und Präsenz mangelt.

 

 

4-5

Jesus Lopez - Cobos

Cincinnati Symphony Orchestra

Telarc

1999

4:13   2:38   3:23   5:12

Sofort nimmt man eine gut klingende Aufnahme mit einer weiträumigen Akustik, guten Dynamik und natürlich wirkenden Klangfarben wahr. Die Soli wirken zwar etwas unbeweglich geblasen, wissen sonst aber weitgehend zu überzeugen. Die Krone gebührt diesmal der Flöte, die erheblich lebendiger zu intonieren vermag als die anderen Holzbläser. Der 2.Satz beginnt langsam. Auf Beschleunigungen des Tempos wird verzichtet, sodass es insgesamt bei einem weniger scherzhaften als vielmehr gemütlichen Treiben bleibt. Im 3.Satz ergibt sich nach getragenem Beginn eine großartige aber keinesfalls aufgeblasene Gesamtwirkung. Innerhalb der Orchestergruppen werden genau die richtigen Proportionen gefunden und durch die exzellente Transparenz in diesem Satz ist es eine Freude zuzuhören. Bei geringerer Lautstärke konnten die beiden Klaviere jedoch kaum vernommen werden. Hier würde sicher ein Dreh am Lautstärkeregler helfen.  Im 4.Satz wird eine warme, recht melancholische Grundstimmung geschaffen bei der das Tempo natürlich fließt und die Soli milde schimmern. Aus der Interpretation spricht eine angenehme Noblesse, es wird nichts übertrieben. Uneigennützig wird der Grundgestus - wenn man vom etwas betulichen 2.Satz einmal absieht – genau herausgearbeitet. Das Orchester macht dabei eine sehr gute Figur.

 

4-5

Charles Dutoit

Orchestre symphonique de Montreal

Decca

1980

4:13   2:21   3:17   5:12

Wegen der Nähe im Alphabet wurde diese Aufnahme besonders mit derjenigen von Antal Dorati verglichen. Ein größerer Gegensatz der Aufnahmedisposition lässt sich kaum vorstellen. So wirkt das Klangbild hier im direkten Vergleich geradezu weichgespült und ziemlich entfernt. Die Oboe wirkt hingegen weich und anschmiegsam. Dutoit gelingt insgesamt ein schönes Stimmungsgemälde. Das Orchester wirkt dieses Mal gut vorbereitet und ist konzentriert bei der Sache. Im 2.Satz wirkt das Nachlaufspiel der Brunnengeister gegenüber Dorati geradezu gemütlich. Ein paar neckische Akzente lässt diese Lesart dennoch hören. Im 3. Satz hingegen wird Neptun nach einem weihevollen Entrée ein flottes und ausgesprochen glanzvolles Vorbeidefilieren gewährt. Ein guter Steigerungsverlauf wird auch geboten. Ein hohes Maß an Transparenz zeichnet diese Aufnahme ebenso aus wie ein massiver Einsatz der Orgel, die auch mit einem tiefen Fundament erfreut. Den Höhepunkten fehlt nur etwas Nachdruck. Viele Instrumente, die sonst zu sehr im Hintergrund verbleiben, sind hier gut hörbar. Auch das Entschwinden des Konduktes wird in den gelungenen Gesamtaufbau des Satzes plastisch dargestellt.

Der letzte Satz enthält einige fein abgestufte Tempomodifizierungen und gefühlvolle Soli. Das Klangbild ist plastisch, weiträumig und weitgehend ohne frühdigitale Härte. Gegenüber den Aufnahmen der 5 Sterne Kategorie fehlt es ihr in den beiden Mittelsätzen (besonders im 2.) etwas an mitreißender Spontaneität und Kraft.

 

4-5

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1963

3:57   2:24   3:14   5:12

Ansermet möchte das Stück in erster Linie nicht zum sentimentalen Rührstück oder zu einem Monumentalschinken verkommen lassen. Dazu wählt er ausgesprochen zügige, straffe Tempi. Im 1.Satz klingt die Oboe zwar wie zumeist in dieser Zeit bei diesem Orchester nicht ganz intonationssicher  und relativ dünn aber insgesamt noch recht klangschön. Das passt sogar ganz gut zum archaischen Gesamtduktus des Stückes. Das Englischhorn spielt so leise, dass es diesmal klanglich auch nicht unangenehm auffällt. Durch das partiturgenaue Tempo zieht die Schafherde recht schnell vorbei, dabei legt Ansermet großen Wert auf filigrane Gestaltung und größte Transparenz. Die Solo-Flöte gefällt dabei am besten. Der Triton-Brunnen beginnt mit präsentem, kräftigen Hörner-Klang. Alle relevanten Soli kommen glänzend zur Geltung. Auch Triangel und Glockenspiel, um einmal die in diesem Vergleich mitunter verborgenen Instrumente zu nennen, erscheinen akzentuiert und sind ausgezeichnet hörbar. Das Scherzo als ganzes ist dynamisch und lebendig gestaltet. Im 3.Satz gibt Ansermet Neptun alles, was ein gebieterischer, machtvoller Herrscher braucht. Dabei wird er in seinen Intentionen besonders von der bestens integrierten und machtvoll intonierten Orgel unterstützt. Es fällt in Takt 268 übrigens ein viel zu gut hörbarer Schnitt auf. Der 4.Satz bringt einen stimmungsvollen, warmherzigen weniger traurigen als milden Ausklang.

Das OSR gefällt in dieser Aufnahme mit einer hochklassigen Leistung. Das Klangbild ist farbig, luftig, voll und ohne jeden Anflug von Härte. Ebenso transparent und dynamisch. Wie schon bei Kertesz finden wir auch hier besten Decca-Analog-Klang vor.

 

4-5

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS

1957

4:30    2:31   3:25   5:07

 

RCA

1974

4:42    2:29   3:31   5:16

Als einziger der hier vertretenen Dirigenten hat Ormandy die Römische Trilogie Respighis zwei Mal aufgenommen. Die Unterschiede sind eher auf der klangtechnischen Seite zu finden. Die ältere Aufnahme besticht mit einer sehr nahe an den Hörer herankommenden Präsenz. Sie wirkt im Vergleich aber ziemlich flach und wenig dreidimensional also weniger räumlich. Die alte Aufnahme hat einen enorm hohen Aufsprechpegel und differenziert daher bei den unteren Lautstärkegraden ziemlich wenig. Dafür erscheint der Gesamtklang wesentlich lebendiger und praller als bei der neueren. Beiden gemein ist die ziemlich geringe Körperhaftigkeit. Im 1.Satz profitiert die neuere Aufnahme von der erheblich besser aufgenommenen Raumtiefe. Die Oboe ist viel weiter aus der Tiefe zu hören und kann so eine gewisse Weite in der Szenerie suggerieren. Musikalisch hingegen wissen beide Aufnahmen gleichermaßen zu überzeugen und zu gefallen. Beide profitieren von einem excellent aufspielenden Orchester mit traumhaft sicherem Zusammenspiel, das sich in seinem Element zu befinden scheint. Die Tritonen und Najaden bekommen im 2.Satz einen Auftritt nach Maß. Der Scherzocharakter wird ins deftige verschärft. Eher ausladend und etwas massiv als keck und verspielt. Mit der Dynamik des aufgepeitschten Orchesters im 3.Satz kommt die Technik der 14 Jahre jüngeren Aufnahme besser zurecht. Merkwürdig scheint es zu sein, dass sich Ormandy, trotz seines auf impulsives Spiel achtenden Dirigates, den Effekt einer mächtig aufspielenden Orgel entgehen ließ.

Beide Versionen sind geradlinig, beinahe forsch im Impetus, dabei aber trotzdem stimmungsvoll und recht differenziert. Interpretatorisch gleichen sich die Aufnahmen fast wie ein Ei dem anderen. Die alte wirkt noch ein klein wenig forscher und unmittelbarer, die neuere dagegen feiner aufgelöst und eine Spur gelassener. Nuancen, die viel mehr von der Technik als von den Musikern herrühren.

 

4-5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

DG

1977

4:13   2:45   4:02   5:55

Im 1.Satz entfalten die Berliner Klangzauber par excellence. Der warme Klangcharakter der Holzbläser, allen voran der Oboe, deren Ton sich auch wunderbar mit dem Cello mischt (Unisono ab T.29) besticht. In diesem Satz fällt schon auf, dass - wie in den Brahms- und Beethoven-Aufnahmen jener Zeit auch - die Holzbläser  „auf Distanz gehalten“ werden. Hier im 1.Satz geht das Konzept noch gut auf, es stellt sich ein weiträumiges in warmes Licht getauchtes Klanggeschehen ein, milde und melancholisch. Im 2.Satz, von wunderbar voll klingenden Hörnern eröffnet, kommt der Hörer in den Genuss fein ausziselierter piani und pianissimi, die bei den anderen Aufnahmen so mühelos leise gar nicht zu hören sind. Der Scherzocharakter erscheint jedoch etwas unterspielt, die Tritonen und Najaden bewegen sich eher elegant als grazil-nervig oder gar frech. Andererseits glitzert das Brunnenwasser teilweise in gleißendem Licht, was dem Satz einen besonders glanzvollen Gestus verleiht.

Mit einer Galavorstellung des Blechs im 3.Satz verleiht Karajan Neptun ein Defilée nach Maß. Während der durchaus ausladenden und dynamischen Steigerungen verliert das Klangbild jedoch etwas an Präsenz und Biss, das ganze Orchester scheint sogar etwas nach hinten zu rücken. Hier wird das Aufnahmekonzept mit den zurückgesetzten Holzbläsern problematisch, denn sie werden hier zu akustischen Verlierern. Die Orgel dient bei Karajan lediglich als Klangfarbe, nicht als dramatisierendes Element.

Um dem Holz mehr Präsenz zu verleihen, empfiehlt es sich die Lautstärke im 4.Satz etwas anzuheben. In den beiden Sätzen zuvor wäre diese Maßnahme das gute Nachbarschaftsverhältnis torpedierend. Hier wirken nach dieser Maßnahme die Relationen besser.

 Karajan bietet dem Hörer eine ausgesprochen klangfarbenstarke Version, deren ausgezeichnete Orchesterleistung über alle Gruppen hinweg etwas unter der aufnahmetechnischen Unausgewogenheit leidet, die Klangtotale gegenüber den scharf gezeichneten Einzelstimmen, insbesondere der Holzbläser, zu bevorzugen. So geht ihr besonderes Flair, das man ihr fraglos zugestehen muss, unnötigerweise etwas verloren. Dennoch sollte man diese Version durchaus einmal gehört haben.

 

4-5

Lorin Maazel

Pittsburgh Symphony Orchestra

Sony

1994

5:33   2:20   3:03   5:02

Ein tadelloses Orchesterspiel hört man auch in Maazels Version. Sehr weich und wie aus der Ferne kommend intonieren die Holzbläser ihre Soli. Das Rubato ist nicht ganz so anrührend und bewegt wie bei Luisi, der diesbezüglich die Maßstäbe setzt. Das Tempo wirkt hier zu getragen. Die Szenerie wirkt somit weniger als ein sich ereignendes Naturschauspiel als vielmehr inszeniert. Die beiden folgenden Sätze profitieren von ausgesprochen klarer Diktion, präzisem kammermusikalischen Zusammenspiel und  rhythmischer Prägnanz. Der Spannungsaufbau ist gut, der Gesamtapparat auffallend transparent. Beim Höhepunkt denkt man daher weniger an die Alpensinfonie als sonst. Die Orgel vergrößert sehr gut das Volumen des Orchesters. Der Sonnenuntergang  im 4.Satz stellt Maazel unverzärtelt und unsentimental dar (ganz anders als der 1.Satz). Dank seiner perfekten Schlagtechnik animiert Maazel das Orchester zu einer Top-Leistung. Der Tonfall wirkt bisweilen leicht artifiziell. Der Klang ist sehr gut aufgefächert und ausbalanciert.

 

4-5

Seiji Ozawa

Boston Symphony Orchestra

DG

1978

4:29   2:36   3:33   5:20

Ozawa gelingt mit seinem Orchester eine insgesamt stringente Wiedergabe, die ihre Stärken besonders in den temperamentvoll und theatralisch ausgestalteten beiden Mittelsätzen hat. Den beiden Außensätzen fehlt es etwas an klanglicher Finesse. Der 2. Satz  ist ein handfestes Scherzo, eher robust als filigran gezeichnet. Die grelle Farbgestaltung der Komposition kommt aber ungeschmälert an die Ohren des Hörers. Der Auftritt Neptuns gelingt ausgesprochen turbulent und ausgelassen mit flirrenden Farbspielen in Pomp und Gloria. Die Orgel ist etwas zu unauffällig, die beiden Klaviere gehen gar unter. Im 1.Satz erscheinen die Soli etwas zu sehr gegenüber den  Farb- und Wasserspielen des restlichen Orchesters bevorzugt. Der letzte Satz ist ein gelassener, recht stimmungsvoller Ausklang, wobei die Violingruppe, um nur ein Beispiel zu nennen, bei weitem nicht an die Geschlossenheit und den Schmelz der Academy bei Marriner heranreicht.

Der Klang ist recht breit aufgefächert und mit guter Raumtiefe ausgestattet, voll und hinreichend präsent. Er könnte insgesamt etwas feiner sein und freier ausschwingen.

 

4-5

Alan Gilbert

New York Philharmonic

Eigenlabel des Orchesters

2012    LIVE

4:28   2:40   3:34   5:23

Diese Aufnahme ist quasi einseitig begabt. In Punkto Natürlichkeit der Klangfarben, Ausgewogenheit und Klarheit übertrumpft sie alle anderen. Sonst ist sie aber eher mittelmäßig. Sie bildet in der Breite ganz ausgezeichnet ab, aber wenig in der Tiefe des Raumes. Bei den exponierten Dynamiksprüngen ist sie übervorsichtig, zaghaft und nivelliert. Ob das an der Technik oder mehr an den Interpreten liegt, lässt sich schwer sagen, da der Schreiber dieser Zeilen nicht live beim Konzert dabei war und so das Live - Erlebnis nicht mit der Tonkonserve vergleichen kann.

Jedenfalls sind die eigentlich sehr leise zu spielenden Soli im 1. und 4. Satz ausgesprochen plakativ geraten, wie an die Rampe geholt. Die effektiven Unterschiede der Lautstärken zwischen den leisen und gedämpften Außensätzen und den dynamisch ausladenden Binnensätzen sind fast nicht feststellbar. Im 2. Satz tritt Gilbert auf die Temperamentsbremse, er legt aber größten Wert auf genaue Phrasierung und die Details. Im 3.Satz spielt das Blech so leicht und locker wie sonst die Flötengruppe, sehr ungewohnt. Ein majestätischer Eindruck stellt sich so für obersten aller Meeresgötter Neptun nicht ein. Ob ihm dieses Understatement  gefallen hätte, sei einmal dahingestellt. In diesem Satz stellen sich auch ein paar kleinere Ungenauigkeiten (Live) beim sonst exzellenten Orchester ein. Der 4. Satz ist im Ganzen etwas zu angespannt (so wird der traurige Gestus ins schmerzhafte verschärft), es fehlt die Gelassenheit, die einen Sonnenuntergang eigentlich ausmacht. Zu ergänzen wäre noch, dass bei der Phrasierung der Soli im 1.Satz die Quintolen bei Gilbert am deutlichsten nach archaischen Melismen klingen, wenn man einmal von Sinopoli absieht. Seltsam, dass sie nur von diesen beiden - und von Gilbert besonders - so schön deutlich gemacht werden. Der ganze Satz wirkt dadurch etwas bukolischer und noch etwas exotischer als ohnehin schon. Eine seltsam heterogene Aufnahme also, einerseits besonders gelungen, andererseits nur durchschnittlich. Hier musste für die finale Bewertung das arithmetische Mittel gebildet werden.

 

4-5

Mariss Jansons

Oslo PO

EMI

1990

5:03   2:28   3:26   5:48

Jansons´ Wiedergabe macht zu allererst den Eindruck des Richtigen, Korrekten, auch Akribischen. Manchmal wirkt der Ausdruck aber auch etwas zu sachlich. Nicht zurückgenommen aber auch nicht umwerfend. Man hört schöne Holzbläsersoli, die Nebenstimmen werden stets gut hörbar gemacht, aber das Majestätische im 3.Satz wird, um nur ein Beispiel zu nennen, nur hinreichend ausgearbeitet. Der Klangzauber wird so im 4.Satz nicht zum Selbstzweck, man hat ihn aber auch schon verführerischer gehört. Respighi kommt hier also tatsächlich wie aus dem hohen Norden, tadellos, mitunter sogar frisch gespielt, klar (auch aufnahmetechnisch) aber auch etwas kühl und ohne besondere „Highlights“.

 

4-5

Yan Pascal Tortelier

Philharmonia Orchestra London

Chandos

1991

4:39   2:44   3:38   5:41

Gegenüber der Aufnahme von Charles Münch kann man hier das Philharmonia Orchestra wieder mit dem vollen und weichen, anschmiegsamen Oboen-Ton hören. Dem Oboisten gelingt es hier auch in besonderer Weise den Spielanweisungen des Notentextes in dynamischer Hinsicht gerecht zu werden, was diesem Instrument gemeinhin schwer fällt. Der ganze 1.Satz wirkt aber gut ausgehört und klingt in stimmigen Relationen der Instrumente untereinander. Der 2.Satz wartet mit einigen besonderen Akzenten auf, auch hört man hier von den beiden Harfen besonders viel. Sonst sind sie oft nur Statisten im Hintergrund. Im 3.Satz ist die Orgel fast durchgängig präsent, sie nimmt so einen prominenten Platz ein, klingt auch sehr tief. Bravo! So hatte es der Komponist sehr wahrscheinlich auch gemeint. Auch die Blechbläser dürfen zeigen was sie draufhaben und strahlen kräftig um die Wette. Bei T.213 piu vivace gelingt Tortelier jedoch keine weitere Steigerung, wie es bei Aufnahmen weiter oben zu hören ist. Er bleibt hier zu passiv. Der Dirigent meidet auch generell das übermäßig plakative. Das Orchesterspiel insgesamt ist überzeugend. Der etwas weich wirkende Klang ist sehr angenehm zu hören und voll aber nicht besonders brillant.

 

4-5

Carlo Rizzi

London Philharmonic Orchestra

Teldec

1992

4:55   2:27   3:29   6:54

Rizzi präsentiert eine Wiedergabe für Respighi – Verächter. Er kultiviert das Understatement. So ist der 1.Satz zwar etwas gedehnt ausgefallen, aber stimmungsvoll. Die Solisten lassen hier noch keine Glanztaten hören. Der 2.Satz ist ausgesprochen klar und spielerisch intoniert aber wirkt etwas zu ordentlich. Der 3.Satz lässt eine ganz klare und gut herausgearbeitete Orgel hören (dezent, aber trotzdem ist alles da). Das Ganze wirkt nicht übermäßig glanzvoll, überzeugt aber dennoch. Der letzte Satz ist ein gut ausgehörter sehr stimmungsvoller Ausklang mit fein ziselierten Soli. Rizzi lässt es hier einfach fließen, so einfach wie treffend. Und wie schön.

Rizzi vermeidet in allen Sätzen jedwede Plakativität, was besonders dem letzten Satz gut tut. Hinzu kommt ein gutes Orchesterspiel, ein sehr angenehmer, voller und gut strukturierter Klang. Eine sympathische, rundum geschmackvoll zurückgenommene Alternative.

 

 

4

John Neschling

Sao Paulo Symphony Orchestra

BIS

2008

4:54   2:41   3:47   5:28

Der Rizzi – Aufnahme nicht unähnlich ist diese Version aus Brasilien. Im ersten Satz hören wir gut nuancierte Holzbläser-Soli mit lebendigen Phrasierungen. Der Scherzo – Charakter im 2.Satz wird gut herausgearbeitet, spielerisch und keck ist aber auch weich konturiert. Der 3. Satz ist kultiviert und gemäßigt, auch dynamisch ziemlich nivelliert. Er erhält aber eine sehr gute, bassstarke Unterstützung durch die Orgel. Das Blech bleibt in den Gesamtklang integriert. Orchestral ist die Aufnahme voll auf der Höhe der Zeit. Der Klang ist präsent, gut aufgefächert, transparent und klangfarbenstark  In dynamischer Hinsicht ist die Aufnahme nicht gerade ausladend, der Bassbereich, wenn man von der Orgel einmal absieht für eine Aufnahme dieses Datums ziemlich schwach ausgeprägt. Auch dies ist eine maßvolle durchaus sympathisch wirkende Version. Ohne besondere Höhepunkte aber auch ohne große Versäumnisse.

 

4

Giuseppe Sinopoli

New York Philharmonic

DG

1991

4:01   2:33   3:38   6:14

Vielleicht liegt es ja an den Eintragungen im Notenmaterial der New Yorker, dass  hier die Melismen des 1.Satzes so sinnfällig herausgearbeitet werden. Auch Gilbert in seiner Aufnahme griff ja, so könnte man vermuten, darauf zurück. Jedenfalls kommt der exotische bzw. archaische Gehalt des Satzes so sehr gut heraus. Trotz des zügigen Tempos wirkt Sinopolis Gestaltung besonders betrübt, gar traurig. Auch im 2.Satz lässt er den Gestus hinter der Musik deutlicher als andere hören. Er ist aber auch auf Transparenz getrimmt, was einen spielerisch leichten Charakter befördert. Auch die wogende Bewegung des Wassers kommt sinnfällig heraus.

Im 3.Satz werden sowohl das Blech als auch die Orgel in den Gesamtklang eingebettet. Das Orchester wirkt zudem als ganzes gegenüber den drei anderen Sätzen deutlich zurückgesetzt. Darin der Karajan-Aufnahme ähnlich. Auch hier werden die Figurationen deutlich herausgearbeitet. Bei T. 213 piu vivace gelingt eine schöne Temposteigerung. Auch im 4. Satz fördert Sinopoli viele Details zu Tage. Die Interpretation Sinopolis ist detailreich und bietet sinnfällige Phrasierungen. Er verliert  leider dabei mitunter die Spannung aus den Augen. Im Vergleich zur Vorgängeraufnahme der DG, derjenigen Karajans, spielt das Orchester gröber und eher nur solide, auch weniger effektvoll. So klingen, um nur ein Beispiel herauszupicken, die Geigen im Vergleich nicht sonderlich homogen.

 

4

Enrique Batiz

Royal PO London

Naxos

1991

4:35   2:43   3:30   5:58

Die frühen 90er Jahre waren für die  Trilogie Respighis und die Tonträgerindustrie offensichtlich eine gute Zeit. Der Großteil der Aufnahmen dieses Vergleiches stammt aus jenen Jahren. Auch diejenige von Enrique Batiz, der in dieser Zeit eine rege Aufnahmetätigkeit für verschiedene Labels entwickelte. Hier hatte sein Orchester einen guten Tag. Es spielt fein und ausgewogen. Die im 1.Satz so wichtigen Oboensoli sind sehr gut geblasen. Der Solist verfügt über einen langen Atem, auch das Unisono mit dem Cello überzeugt vollends. Alles was piano notiert ist, wird auch so gespielt. Auch das Solo der Flöte (ab T.43) gelingt ausgesprochen ausdrucksvoll. Dem Scherzocharakter verleiht Batiz einen drängenden Grundduktus. Da könnte fast ein wenig Frivoliät im Spiel sein, bei den Najaden und Tritonen. Jedenfalls verfolgen sie sich sportlich.  Im 3.Satz werden alle Kräfte mobilisiert bis das Becken alles überstrahlt. Die Nebenstimmen gehen so etwas unter. Die Orgel wird eher beiläufig genutzt, als wäre sie nicht besonders erwähnenswert. Der Ausdruck kippt von der gewünschten Erhabenheit ins leicht Pompöse. Im letzten Satz hingegen wird sehr gut phrasiert und dynamisch differenziert. Insgesamt wirkt die Atmosphäre hier eher schwül und lastend.

Batiz gelingt hier ein temperamentvolles Stimmungsgemälde mit ziemlich imposanten Höhepunkten. Die Dynamik ist weit gespreizt. Als einen ziemlich gravierenden Nachteil empfindet man jedoch den halligen, die Strukturen verunklarenden Gesamtklang. Auch die Klangfarben wirken kühl und nicht ganz natürlich.

 

4

Vladimir Ashkenazy

Nederlands Radio Filharmonisch Orkest

Exton

2004

4:27   2:32   3:29   6:11

Deutlich langsamer als sein Nachbar im Alphabet Ansermet beginnt Ashkenazy das Stück. Sofort ohrenfällig ist auch, dass die Solisten ganz nach vorne an die Rampe geholt werden. (Darin entspricht sie der Aufnahme mit Alan Gilbert). Sie werden quasi künstlich jeweils wie mit einem Spotlight versehen, sodass sie besonders groß herauskommen. Der Klang punktet mit hoher Natürlichkeit der Klangfarben, höchster Transparenz und Deutlichkeit. Oft und so auch hier geht damit eine stark nivellierende Dynamik einher. Der Gesamtklang ist so fast genauso laut wie die Soli. Das Orchester macht bisweilen einen burschikosen in den Streichern mitunter leicht ungehobelten Eindruck. Auch die Spielanweisungen bezüglich der Dynamik wirken stark nivelliert. Das durchzieht alle Sätze. Besonders p und pp werden mit schöner Regelmäßigkeit überspielt. Alles ist mf.  Insgesamt legt Ashkenazy aber doch eine engagierte, keinesfalls temperamentlose Wiedergabe vor, die sehr viel von der Partitur hörbar macht.

 

4

Riccardo Muti

Philadelphia Orchestra

EMI

1985

4:25   2:35   3:17   5:10

Im 1.Satz wirkt Mutis Lesart oberflächlich. Die vielen Farben und Finessen lässt er mit einer etwas gleichgültigen Gelassenheit ohne Nachdruck am Hörer vorbeiziehen. Eine aquarellhafte, die Details leicht verwischende Klangtechnik verstärkt diesen Eindruck zusammen mit dem hurtig wirkenden Tempo nicht unwesentlich. Im 2. Satz hingegen wird der Gestus gut erfasst. Der 3.Satz ist der beste der Aufnahme, denn hier nimmt man Teil an einem flotten Grundtempo und feurigen Steigerungen. Dank der profunden Beteiligung der Orgel erfreut auch eine weite Dynamik. Im letzten Satz wird der Hörer erneut emotional auf Distanz gehalten. Der Klang ist etwas blass und beliebig. Die Interpretation lässt zwar keinerlei Raum für Sentimentalität, wirkt aber auch über weite Strecken - allerdings auf einem sehr hohen orchestralen Niveau – ziemlich teilnahmslos.

 

4

Edo de Waart

San Francisco SO

Philips

1983

4:40   2:38   3:29   5:53

Edo de Waart legt eine etwas heterogene Aufnahme vor. Die Holzbläser klingen in ihren Soli etwas starr und unbeweglich, phrasieren lediglich unbeirrt streng der Linie entlang. Dennoch gelingt insbesondere wegen der guten piani und pianissimi eine zarte Stimmung in einer gedämpften Atmosphäre. Der 2.Satz bleibt zurückhaltend in der Bewegung und wirkt somit auch nicht übermäßig tänzerisch. Der 3. liefert dank einer gut vernehmbaren Orgel und einem guten Verhältnis der triumphierenden Blechbläser zum Restorchester einen majestätischen Gesamtcharakter. Im letzten Satz sind die Streicher, die hier mitunter nur das Ambiente schaffen sollten (pppp) gegenüber den Holzbläsern (pp) erheblich zu laut. Ansonsten wirkt der Satz fein ausgehört. Der Klang ist sehr transparent aber nicht sonderlich dreidimensional.

 

4

Lamberto Gardelli

London Symphony Orchestra

EMI

1976

4:26   2:30   3:34   5:55

Schon gleich zu Beginn fällt hier das körperhafte, dreidimensionale Klangbild auf. Das Spiel des Orchesters wirkt aber nicht kammermusikalisch fein austariert, es fehlt etwas die Finesse. Die wichtigen Soli mit der Oboe wirken wie nun schön häufig gehört ziemlich starr und klanglich etwas plärrig. Der Charakter des 2.Satzes wirkt nicht sonderlich belebt, der Scherzocharakter hält sich in Grenzen. Den Steigerungen fehlt etwas der Nachdruck. Im 3.Satz hingegen zieht Neptun alle Register. Mit Pauken und Trompeten zieht er allerdings auch etwas pompös vorbei. Dass man die Orgel nicht hören kann, darf man niemandem ankreiden, denn sie ist ad libitum besetzt. Wenn man den Satz aber einmal mit einer ordentlich aufgenommenen und gespielten Orgel gehört hat, möchte man sie nicht mehr missen. Im letzten Satz fehlt es an der Differenzierung der unteren Lautstärkegrade. Dadurch wirkt er weniger intim als vielmehr etwas pauschal.

Interpretatorisch fehlt also gerade im Vergleich mit der Aufnahme von Kertesz mit dem gleichen Orchester einige Jahre zuvor der letzte Feinschliff und das lebendige Temperament, letzteres auch aufnahmetechnisch. Die auffallende Dreidimensionalität hat sie jedoch der Decca-Aufnahme voraus. Wahrscheinlich ist dies eine gelungene Neuabmischung einer Quattro-Aufnahme. Dynamik und Klangfarbenreichtum sind gut.

 

 

3-4

Daniele Gatti

Orchestra dell´ Accademia di Santa Cecilia, Rom

RCA

1997

5:21   2:39   3:32   6:22

Das Klangbild dieser Aufnahme versetzt den Hörer zu Beginn in ein Auditorium, in dem er nur einen Platz in der letzten Reihe bekommen hat. Wie aus der Ferne vernimmt er ein gedehntes Tempo, meditativ und selbstvergessen. Die Holzbläser sind dabei gut bei Stimme. Man fühlt sich aber eher in eine endlose „Prärie“ versetzt als in eine mediterrane Landschaft oder einen römischen Brunnen. Im 2.Satz bleibt der Scherzocharakter unterbelichtet. Der 3. ist der beste Satz dieser Aufnahme. Er ist gut durchhörbar und wird mit Temperament gespielt. Das Tempo passt und wird vom Dirigenten differenziert gestaltet. Auch die Orgel, mit tiefem Fundament aufgestattet, trägt zu einem angemessen majestätischen Auftritt Neptuns bei. Hier spürt man auch etwas von einem beherzten Zugriff, was man vom letzten Satz dann wieder nicht unbedingt sagen kann. Er wirkt gedehnt und phlegmatisch. Er soll so gespielt möglicherweise an den Ausdruckswert eines Mahler-Adagios heranreichen. Das hieße aber zu vie zu wollen. Immerhin nuanciert soll diese Abendstimmung wohl einen Abschied auf ewig bedeuten.

Die Aufnahme ist - vom ersten Satz einmal abgesehen - klar und differenziert und im 3.Satz dank der Orgel von beträchtlicher Dynamik. Der Klang wirkt tendenziell jedoch wenig brillant, fast stumpf. Das Orchester ist in guter Form aber von seiner Bestform bei Pappano noch um einiges entfernt.

 

 

 

Übrigens: Es wurden auch noch drei Aufnahmen gehört, die mit einem historischen Monoklang auskommen mussten. Wenn man die farbige, Licht durchflutete und dynamische  Komposition einmal mit einem Rad schlagenden Pfau und seinem bunten Gefieder vergleichen will, so bleibt bei diesen drei nur eine schwarz-weiße Elster übrig. Die musikalische Qualität ist aber in allen drei Fällen sehr hoch, sodass es mit der Einordnung in die einzelnen Kategorien schwierig werden würde, denn es soll ja eine einzige Bewertung gefunden werden für zwei bei diesem Werk fast gleich wichtige Kriterien, nämlich die musikalische und die klangtechnische Qualität. Der Verfasser hat sich daher entschlossen, in diesen drei Fällen auf eine Einordnung in die gewohnte Bewertungskategorie zu verzichten.

 

John Barbirolli

New York Philharmonic

RCA - Dutton

1938       Mono

3:53   2:16   3:29   5:17

Barbirolli gelang in seiner fünfjährigen  Zeit als Chef dieses damals wohl renommiertesten Orchesters der USA, bei der er meist vor allem bei der Presse nicht unumstritten war, da er mit einem Toscanini in derselben Stadt konkurrieren musste,  eine jugendlich frische, fast überschwängliche Aufnahme. Gerne hätte man diesen Ansatz 20 oder 30 Jahre später in einer neueren Aufnahme erneut gehört, aber es scheint keine weitere Aufnahme mit Barbirolli gemacht worden zu sein. Die klanglich  fein ausgehörte Atmosphäre des ersten Satzes leidet unter dem stark eingeengten Klang und einer naturgemäß vergröbernden Dynamik. Von den drei historischen Aufnahmen hat die Barbirollis aber - obwohl sie die älteste ist, den klarsten Klang. Das Remastering der Fa. Dutton von einer 78er Schellack kann man nicht hoch genug loben. Nebenstimmen gehen aber dennoch vor allem in den beiden Mittelsätzen in nicht unerheblichem Maß einfach unter.

Der 2.Satz ist drängend, spannend und tänzerisch. Die New Yorker werden am straffen Zügel geführt und zu prägnanter, griffiger Phrasierung angehalten. Der 3.Satz ist bis zu seinem Höhepunkt ausgesprochen belebt, klar strukturiert und belebt. Die Blech-Sektion steht voll im Focus und weiß zu überzeugen. Von der Orgel hört man nur ein laues Lüftchen. Dem 4.Satz fehlt es keineswegs an Ausdruck, die klangliche Rundung und Feinheit der neueren Aufnahmen fehlt naturgemäß. Ginge es nur um die künstlerische Seite der Aufnahme wäre wohl ein glatte 5 zu vergeben gewesen.

 

Victor de Sabata

Orchestra dell` Accademia di Santa Cecilia, Rom

EMI - Testament

1947   Mono

4:05   2:32   3:15   4:43

Im Vergleich der Orchester haben hier die New Yorker die Nase vorn. Es fällt auf, dass der Flötist etwas kurzatmig zu sein scheint, denn es muss während eines langen Legatobogens im 1.Satz schon mal zwischenatmen. Das musste  keiner seiner Kollegen. Bei Sabata kommt im ersten Satz die Stelle, bei der man meinen könnte, man höre den Rosenkavalier (T. 32-35) besonders prägnant heraus. Respighi kannte „seinen“ Strauss. Der 2.Satz ist gut gesteigert und präsentiert schön hervorgehobene Details. Der 3. Satz (ohne Orgel, zumindest hört man keine) verschafft dem obersten Meeresgott einen temperamentvollen Auftritt. Wie in den übrigen Sätzen erklingt auch der 4. Satz in einem gefühlt straffem Tempo, das ihn in ein von der Stimmung hier angenehm unsentimentales eher nüchternes Licht taucht.

Nicht so jugendlich.frisch und überschwänglich wie Barbirolli präsentiert der zum Zeitpunkt der Aufnahme 55-jährige Sabata Respighi vielmehr pur und streng.

 

Malcolm Sargent

London Symphony Orchestra

Everest - Discover

1960   Mono

4:31   2:45   3:17   5:05

Der erfahrene Hörer weiß, dass von den Schallplattenfirmen - außerhalb des Ostblocks - gewöhnlich im Jahr 1960 bereits fast ausschließlich bei jeder Session - zu den noch für den damaligen Markt benötigten Monos - auch schon gut klingende Stereo-Aufnahmen gemacht wurden. Das wird auch in diesem Fall so gewesen sein, aber die Firma Discover, die die Everest-Aufnahme im Netz in kläglichem Mono anbietet, hatte wohl nicht das Beste vor mit dieser Aufnahme. Und da Qobuz einmal mehr auf die Angaben wichtiger Daten zur Aufnahme verzichtete, gelangte dieses eigentlich zu meidenden Produkt bis zu den Ohren des Verfassers.

Diese Version klingt ziemlich bescheiden, sie hat keine Dynamik, (was hier tatsächlich bedeutet, dass alles wirklich dieselbe Lautstärke hat) klingt in der Frequenz beschnitten (nach oben und unten), eng, dicht, dünn und zudem auch noch leicht blechern. An den vom gut aufgelegten Orchester, das hörbar schon viele Spieler der späteren Kertesz-Aufnahme mit an Bord hat, gelieferten Klangreichtum scheitert sie jedenfalls kläglich. Lediglich in den langsamen Sätzen eins und vier liefert sie eine halbwegs gute Durchhörbarkeit. Deshalb musste sie zu den historischen Aufnahmen - in diesem Falle muss man es so nennen - strafversetzt werden.

Nun zur musikalischen Seite: Der 1.Satz wird angemessen gelassen auf eine grundmusikalische Art  recht spannend erzählt. Der 2. gerät jedoch etwas zu gemächlich, viel weniger drängend als dies Barbirolli gelang.

Der 3. Satz beginnt sehr langsam, fast meint man schon Sargent hätte zu Beginn das falsche Tempo gewählt, was sich aber wohl als Finte des Dirigenten herausstellt, denn er steigert sich im Verlauf geradezu furios. Hier fällt dann die technische Limitierung am deutlichsten ins Gewicht. Als studierter Organist legt Sargent selbstverständlich großen Wert auf den Einsatz der Orgel. Sie kommt dann auch, wenn man den miserablen Gesamtzustand der Aufnahme mit in Kalkül zieht, sehr gut ins Bild und schafft sogar ein recht breites Fundament. Aber kein tiefes, denn die tiefen Frequenzen wurden ja außen vor gelassen oder gekappt.

Der 4.Satz kommt britisch unverzärtelt aber stimmungsvoll.

Sargents Version ist musikalisch und orchestral hochwertig aber leider von einem zweifelhaften Anbieter technisch korrumpiert auf den Markt gebracht worden. Vielleicht hat man, um Geld zu sparen auch nur auf eine uralte Monokopie zurückgreifen können um dieser dann lediglich ein ebenfalls nur billiges Mastering angedeihen zu lassen. Jedenfalls ist es sehr schade um die gute Interpretation. Da sollte man unbedingt nach einer Original-CD Ausschau halten, bei deren Erstellung man auf das originale Masterband zurückgegriffen hat. Kostet dann zwar entsprechend, würde sich aber lohnen.

 

 

Vergleich fertiggestellt am 17.3.2020