Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert Nr. 27 B-Dur KV 595
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Werkhintergrund:
Seine Kindheit verbringt er in ungeheizten Kutschen, schmutzigen Wirtshäusern - und in den Schlössern von Königen: Wolfgang Amade Mozart ist sechs Jahre alt, als ihn sein Vater Leopold, Hofkapellgeiger in Salzburg, zu seinen ersten Konzertreisen begleitet. In Wien empfängt Kaiserin Maria Theresia das Wunderkind. Jahre später wird sie ihrem Sohn Leopold von der Anstellung des Komponisten abraten: Diese Leute zögen „wie Bettler durch die Welt“. Tatsächlich spielen Wolfgang und seine Schwester Maria in Wirtshäusern wie Akrobaten am Klavier: vierhändig, in doppeltem Tempo, mit verbundenen Augen, auf verdeckten Tasten, im Liegen. In den ernsthaften Konzertsälen spielt der kleine Mozart bald auch eigene Kompositionen. Mit vier Jahren hat er die ersten geschrieben. Als er acht ist, erscheinen seine Klaviersonaten schon im Druck. Mit fünfzehn Jahren kennt Mozart Brüssel ebenso wie London, Paris und die Schweiz, Italien bis Neapel hinunter. In Rom hat ihn der Papst zum „Ritter vom goldenen Sporn“ ernannt.
Das atemlose Leben fordert seinen Preis: Mozart, am 27. Januar 1756 in Salzburg geboren, verliert seine Mutter 1778 auf einer Reise in Paris. Er selbst ist 1767 an den Pocken erkrankt. Nur knapp dem Tod entronnen bleibt seine Gesichtshaut vernarbt, er behält ein chronisches Nierenleiden, einen nervösen Magen, Verdauungsstörungen. Seine Statur ist klein und hager bei einem unpassend großen Kopf. Die Versuche, in einer bezahlten festen Stelle Fuß zu fassen, scheitern entweder oder befriedigen ihn nicht: in Salzburg, in Mannheim, in Wien. Aber in der Kaiserstadt bleibt Mozart seit seinem 22. Lebensjahr, als freier Komponist. Als Star und Freigeist, Arbeitstier und Lebenskünstler.
In Wien ist Mozart durchaus erfolgreich. Er verdient als freier Künstler zeitweise 10.000 Gulden im Jahr - viel Geld, aber zu wenig für einen aufwändigen Lebensstil mit großer Wohnung, Personal, reicher Garderobe, häufigen Ausflügen in Wirtshäuser und an Spieltische, und mit Familie: Constanze bekommt sechs Kinder, aber nur zwei Söhne überleben die ersten Jahre. Mozart ist ein gefeierter Star, aber immer wieder überfordert er sein Publikum und die Obrigkeit - mit zu komplexer Musik und mit gesellschaftskritischen Opernthemen. Mozart schließt sich den Freimaurern an, schreibt für das freie Theater von Emanuel Schikaneder.
Der Vater will auch aus der Ferne der Trainer seines Sohnes bleiben: Er missbilligt dessen Bruch mit dem Salzburger Erzbischof, verurteilt seine Liebe zur Sängerin Aloisia Weber, kritisiert die Heirat mit deren Schwester Constanze (1782). Dem 22-Jährigen schreibt Leopold: „Du hast Deinen ganzen Charakter geändert. Als Kind und Knab warst du mehr ernsthaft als kindisch.“
Der so getadelte schafft in wenigen Jahren ein riesiges Werk. In Wien entstehen in nur zehn Jahren die großen Opern wie „Die Entführung aus dem Serail“, „Le nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „Die Zauberflöte“, zahlreiche Sinfonien, Klavierkonzerte und Streichquartette. Das „Köchel“-Verzeichnis listet als Ertrag eines nur 35 Jahre langen Lebens 626 Kompositionen auf. Die letzte davon, eine Totenmesse, kann Mozart nicht mehr vollenden. Er wird am 20. November 1791 schwer krank und bettlägerig. 15 Tage später stirbt er, vermutlich an einer oder mehreren Infektionen, die ihn seit seiner Kindheit begleiteten.
Was man (laut Ulrike Timm) im Hinterkopf behalten sollte: „Biographen, Mediziner und Psychoanalytiker haben anhand der umfangreichen Lebenszeugnisse Mozarts durchaus überzeugend eine bipolare Störung, manisch-depressive Stimmungsschwankungen diagnostiziert, aber welcher Künstler hat die nicht mal? Der Dramatiker Peter Schaffer und der Regisseur Milos Forman wollten mit Klischees aufräumen und produzierten im Erfolgsfilm „Amadeus“ gleich wieder neue: Mozart der Yuppie-Typ mit der großen Klappe, der dauerfurzende Verfasser frivoler Briefe, dem nebenher richtig gute Musik einfiel und der obszön kichernd in die Unsterblichkeit einging, sehr zum Verdruss der faden und ständig intrigierenden Kollegen. Alles ist wahr und nichts davon stimmt. Je mehr man erfährt und Mozarts Leben lässt sich in Briefen, Aufzeichnungen und Dokumenten vorzüglich nachspüren, desto unerklärlicher und verwirrender erscheinen Leben und Werk. Schlüssige Verbindungen von Innenwelt und Schaffen lassen sich selten ziehen, dahingehende Deutungsversuche wirken oft eher gewollt. Einer seiner Biographen notiert nach gründlicher Recherchearbeit: „Wie immer wir uns Mozart vorstellen – er war bestimmt ganz anders.“ Vielleicht wäre das romantisch verklärte Bild vom Rokoko-Genie Mozart so nie entstanden - und hätte nicht ebenso rabiat ausgeräumt werden müssen -, wenn andere Gemälde von ihm überliefert worden wären. Kein Kinderstar auf dem Schoß von Kaiserin Maria Theresia, sondern Mozart beim Billard, zockend am Kartentisch, einsam und deprimiert in der Weinstube oder fröhlich bei seinem „liebsten, besten Weibchen“ in voller Aktion. Stattdessen räumte eine verklärend-verklebte Aufführungstradition glückselig schwelgend Marzipan und Mozartkugel in den Weg. (Nichts gegen ein gutes Stück Schokolade… Anm.) Und Mozart? Vielleicht würde der die Mozartkugel genüsslich verspreisen und den faulen Zauber drumherum für urkomisch halten…“
Mozart begann das Konzert schon 1788 in Particell-Form niederzuschreiben, ließ es dann aber drei Jahre liegen. Am 5. Januar 1791, des Jahres, dessen Ende er nicht mehr erleben sollte, beendete er es und trug es in sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Am 4. März 1791 wurde es bei einer Akademie des Klarinetten-Virtuosen Johann Joseph Beer im Konzertsaal des Hoftraiteurs Ignaz Jahn in der Himmelpfortgasse erstmals aufgeführt, den Solopart spielte Mozart selbst. Seine eignen, einst bejubelten Akademien, deren Erlös dann in seine Taschen geflossen wäre, fanden wegen mangelnden Interesses des Publikums nicht mehr statt. Mozart war unmodern geworden, komponierte er doch mittlerweile zu kompliziert, zu abgehoben und zu verschroben für die Belange der Wiener High Society. Dort war der Hauptvorwurf, er komponiere zu „gelehrt“. Kenner der Szene heute berichten, dass das Wiener „Pflaster“ auch heute noch kaum weniger schnelllebig und wankelmütig sei. Der Verleger Hoffmeister bat ihn, er möge populärer schreiben, sonst könne er seine Werke nicht mehr publizieren, worauf Mozart zurückgab: „Nun, so verdiene ich nichts mehr und hungere, und scher mich doch den Teufel darum!“
Das Krönungskonzert D-Dur KV 537 war sein letzter Versuch seine Solistenlaufbahn wieder anzukurbeln und die Gunst des Wiener Publikums zurückzugewinnen.
Briefe aus dem Winter 1788/89 an seinen Freund und Logenbruder Michael Puchberg, in denen er um Geld bittet, belegen seine finanziellen Nöte in jener Zeit. Die Uraufführung fand nun also in der Himmelpfortgasse statt. Schon alleine das fördert die Denkspiele. „In der Tat, es steht ‚an der Pforte des Himmels‘, vor den Toren der Ewigkeit“, schreibt Einstein zu KV 595 und erkennt darin „das musikalische Gegenstück seiner brieflichen Bekenntnisse, dass das Leben jeden Reiz für ihn verloren habe“. Aber die Resignation bleibt merkwürdig gedämpft, wie wenn er die Welt bereits von einer höheren Warte aus betrachten würde und mit einem inneren Zustand, der Liebe und Hass, alles irdische Empfinden, überwunden habe.
Indes konnte Mozart während der Komposition des Werkes kaum davon ausgegangen sein, dass es sein letztes dieser Art werden würde. Da wird wahrscheinlich vom Betrachter posthum viel hereininterpretiert, was wenig mit dem Werk selbst, als vielmehr mit dem Leben Mozarts zu tun hat. Man bedenke, im Dezember und Januar war es in Wien sehr kalt, wahrscheinlich erheblich kälter als heute und eine die Wohnung zuverlässig wärmende Zentralheizung welcher Form auch immer gab es auch noch nicht. Er wird zu seinem Unglück (häufige Krankheiten seiner über alles geliebten Constanze, nur noch zwei Schüler, kein Geld, keine feste Anstellung, Zahnschmerzen…) zusätzlich auch noch fast immer gefroren haben. Kein Wunder also, dass er den Frühling herbeigesehnt hat, doch davon später mehr.
Er war vielleicht der Meinung, dass das Konzert ein neuer Abschnitt in der reichhaltigen Reihe seiner Klavierkonzerte werden könnte oder dass er vielleicht in London beim Publikum mehr Erfolg haben könnte als in Paris oder Wien. Nicht aber, dass es sein letztes Klavierkonzert überhaupt wäre. In London, wo er früher auch bereits gewesen war, könne er vielleicht mehr Erfolg haben, das wäre eine neue Perspektive. Eine Zäsur war in jedem Fall von Nöten. Schließlich war er gerade einmal 34 Jahre alt. Im Laufe des Jahres besserte sich seine Situation und das Jahr zeichnete sich eigentlich durch besondere Produktivität aus. Neben dem Klavierkonzert kamen noch zahlreiche Tänze für die Wiener Ballsaison, Stücke für Orgelwalze und Glasharmonika, ein Streichquartett, die Opern „La Clemenza die Tito“ und „Die Zauberflöte“, das Klarinettenkonzert, „Ave verum corpus“ und schließlich – allerdings unvollendet – das „Requiem“ hinzu. Diese kleine Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nichts wies bis zum Kompositionsende des Klavierkonzertes darauf hin, dass dies sein letztes Lebensjahr sein würde. Im Frühling bekam er wohl starke Kopfschmerzen und auch Zahnschmerzen, dennoch war der letzte überlieferte Brief an seine Frau (Mitte Oktober) optimistisch.
Attila Csampai schreibt in seinem „Konzertführer“ (S. 205 und 206) zu dem Konzert: „Der erste Satz beginnt atmosphärisch: Im ersten Takt wird der Raum ausgeleuchtet, in dem die schlichte liedhafte Melodie sich dann ausbreitet und aussingt, als gäbe es für sie keinerlei dramatische Widerstände, keinerlei Hindernisse mehr, die es zu bezwingen gelte. Die massiven emotionalen Konflikte, die Seelenkämpfe der früheren Klavierkonzerte sind hier überwunden und vergeistigt, sind schwerelos, körperlos geworden; und gleich der idealisierten Bewegung des Geistes reihen sich die zahlreichen Themen und Motive wie eine Kette zartester Einfälle aneinander: endlich, so scheint es, ist der Zustand des inneren Ausgleichs, der Beseelung, der Erleuchtung, erreicht.
Alles in diesem Konzert ist abgemildert, gedämpft, selbst die zahlreichen dynamischen Kontraste. Die harmonischen Kühnheiten vollziehen sich implizit, im Inneren der Seele und treten in purer Schönheit, als fließender, strömender Atem, der irdischen Schwerkraft entzogen, nach außen: So bemerkt man zunächst nicht, welch ungewöhnlicher harmonischer Plan der Durchführung des Kopfsatzes zugrunde liegt, wie das Hauptthema von der weit entfernten Tonart h-moll allmählich und allerlei Eintrübungen ausgesetzt, sich langsam zur Haupttonart zurücktastet, jeden größeren Konflikt meidend. Alles ist eingebunden in den großen, herrlichen Gesang der Seele, die sich befreit hat von aller irdischen Last. Und über allem liegt ein Hauch von heiterer Trauer oder lächelnder Melancholie. Aber es ist gerade die Schwerelosigkeit und Entrücktheit, die dieses letzte Klavierkonzert Mozarts so bedeutend machen, denn hier ist der denkbar würdigste, reinste Schlusspunkt einer unglaublichen musikalischen Entwicklung gesetzt, die es weder vorher noch danach in ähnlicher Dichte in einer anderen musikalischen Gattung gegeben hat.“
Etwas detaillierter geht man in dem betreffenden Artikel bei Wikipedia auf die drei einzelnen Sätze ein:
Der Hauptsatz im 1. Satz beginnt mit einem lyrischen Thema, was für die Kopfsätze in Mozarts Klavierkonzerten ungewöhnlich ist. Die wiegende Begleitung der tiefen Streicher wird kurz von Unisono-Einwürfen unterbrochen. Ungewöhnlich schnell schließt sich nach 16 Takten bereits das zweite Thema an. Ein ähnliches drittes Thema folgt, wie Mozart dies schon in einigen vorherigen Konzerten geschrieben hatte. Ein langer Nachsatz mit einer ausführlichen und lyrischen Binnen-Coda beendet die Orchesterexposition. Das Soloklavier setzt anschließend, ohne eigenen Eingang, mit dem variierten ersten Thema ein. Die Überleitung zum zweiten Thema wendet sich nach Moll und bringt neue Themen. Die Durchführung dieses Satzes ist bemerkenswert; kein Konzertsatz Mozarts bringt so viele und teilweise ungewöhnliche Modulationen auf engstem Raum mit sich. Die in F-Dur einsetzende Durchführung ist nach neun Takten bereits bei h-Moll angekommen und streift anschließend C-Dur, c-Moll, Es-Dur, es-Moll, Ces-Dur, As-Dur, f-Moll, g-Moll. Mit Sequenzierungen und enharmonischen Verwechslungen wird schließlich B-Dur erreicht. Es folgt eine relativ regelkonforme Reprise. Im Nachsatz erfolgt ein markanter Einsatz des Fagotts, gefolgt von einer harmonischen Wendung, die auf Chopin weist. Die ausführliche Solokadenz verarbeitet virtuos das Hauptthema. Der Satz endet im Mezzopiano.
Der liedhaft gehaltene zweite Satz des Larghetto greift auf die Klangwelt der Zauberflöte vor. Die Melodie des Soloklaviers wird im ständigen Wechselspiel vom Orchester aufgenommen. Eine Wendung nach Moll führt zu einem Höhepunkt, aus dem das Klavier in einem zweiten Teil des Satzes eine neue einfache Liedmelodie entwickelt. Wie im ersten Satz folgt ein stark modulierender Teil, der zum dritten Teil des Satzes überleitet, im Wesentlichen eine Wiederholung des ersten Teils. Einige Motive erfahren deutliche Erweiterungen; am markantesten wird der dramatische Höhepunkt aufgegriffen und erweitert. Hier übernimmt nun auch das Klavier das Motiv des Orchesters. Die Coda schließt sich direkt an und beendet den Satz mit einigen einfachen Schlusswendungen, die gemeinsam von Soloklavier und Orchester gespielt werden.
Intensiv mit dem Werk auseinandergesetzt hat sich auch Prof. Dr. Friedrich Blume, der Herausgeber der Taschenpartitur der Edition Eulenburg Nr. 775, die uns bei den Hörsitzungen begleitete. Sie ist zwar nicht mehr taufrisch und wahrscheinlich einige Jahre oder gar Jahrzehnte von der neuen Bärenreiter-Ausgabe entfernt. In späteren Auflagen verzichtete man dann auch auf die in ähnlichen Fällen nicht mehr übliche Angaben der Titel Blumes Prof. und Dr.. Leider hat man das Jahr des Erscheinens wie so oft verschwiegen, sodass man in Bezug auf das Verfassen des Vorwortes ein wenig im Dunkeln tappt. Er meint, dass in der Umgebung der beiden Rahmensätze auch der Mittelsatz nicht als Kontrast angelegt sein kann. Ruhige Gelassenheit und selige Erhabenheit (die Wortwahl weißt eher in die vierziger, fünfziger oder allenfalls sechziger Jahre) würde auch ihn beherrschen. Jetzt aber wird es interessant: „Das Larghetto wird durch die Vorschrift des ₵ (alle älteren Ausgaben haben fälschlich C notiert) ausdrücklich zu sehr fließender Bewegung gebracht. In diesem stillen Konzert ist der Mittelsatz der Ort heiligster Stille. Die noble Überlegenheit darf weder durch dynamische Übertreibungen noch durch eine zu breite Temponahme gefährdet werden. Alle Erregung, alles Menschlich-Unwesentliche ist hier abgefallen. Es gibt weder Trauer noch Freude, weder Ironie noch Verzweiflung, weder Resignation noch Trost. In der Welt dieser „edlen Einfalt und stillen Größe“ sind Affekte wesenlos. Mit einem solchen Werk schließt das Konzertschaffen, in lächelnder Erhebung über die Scheinwelt des Wirklichen, über Wahrheit und Irrtum. Was den Dramatiker Mozart in „Cosi fan tutte“ durch die Ironisierung der Realität, in der „Zauberflöte“ durch die (vorerst nur scheinbare, virtuelle, Anm.) Verwirklichung einer idealen Welt, das gestaltet der Instrumentalkomponist Mozart mit den Mitteln des Konzerts: die Überwindung des Lebens.“ Soweit Prof. Dr. Blume, der damals für die gewissenhafte Herausgabe verantwortlich war. Seitdem ist jedoch viel Wasser die schöne blaue Donau heruntergeflossen und den Interpreten von heute lässt auch Blumes Interpretation immer noch viele Möglichkeiten offen. Z.B. was ist denn nun das Menschlich-Unwesentliche überhaupt und wie genau hört es sich an, wenn man es auch in seiner Interpretation weglässt? Und manch ein rational eingestellter Zeitgenosse wird mit dem Begriff „Seele“ doch seine Probleme haben. Interessant sind seine Einlassungen aber schon, wenngleich zeitverhaftet. Alleine über das „Alla breve“ ließe sich vortrefflich diskutieren, denn was meint es nun: statt Viertel nur Halbe zu zählen, was für die Betonung folgenreich wäre oder gar das doppelte Tempo? Da gibt es viele Abwandlungen, die den Vergleich gerade des zweiten Satzes besonders interessant machen. Unserer unmaßgeblichen Meinung ist für das Tempo bereits mit „Larghetto“ das wichtigste gesagt auch wenn man sagt, Mozart selbst hätte seine Tempi bei den jeweiligen Aufführungen von vielerlei abhängig gemacht und variiert. Ein Moderato oder Largo sollte sich jedoch nicht ohne weiteres aus dem Larghetto ergeben.
Insgesamt ist zu bemerken, dass die neueren Einspielungen zu erheblich schnelleren Tempi im zweiten Satz tendieren. Vielleicht haben die Bemerkungen des Herrn Blume bei den Interpreten doch Früchte getragen?
Doch nun schnell weiter zum dritten Satz. Das Refrain-Thema des abschließenden Rondos verwendete Mozart kurz darauf für das Frühlingslied „Sehnsucht nach dem Frühling“ (Komm, lieber Mai, und mache). Auf den Bezug zur kalten Wohnung und der daraus folgenden Sehnsucht nach höheren Temperaturen haben wir bereits hingewiesen. Wer im Januar einmal testweise oder um Heizmaterial jedweder Art einzusparen die Heizung einige Tage ausschaltet oder einen grundlegenden nicht so schnell behebbaren Defekt oder ähnliches erlebte, weiß nur zu genau, wie es Mozart gegangen sein muss. Was läge dann näher als von der wärmenden Sonne im Wonnemonat Mai, wenn im Prater die Bäume wieder blühen, zu träumen? Jetzt blicken wir wieder kurz in den Artikel von Wikipedia hinein: „Die tänzerische 6/8-Takt-Melodie stellt im Wesentlichen das thematische Material dar, mit dem Mozart hier sparsam umgeht. Auch in diesem Rondo besteht der Refrain aus zwei Themen. Das zweite, das dem Charakter des ersten ähnelt, wird kurz darauf ebenfalls vom Klavier vorgestellt. Die Überleitung zum ersten Couplet enthält ein Scheinthema, das jedoch zum Hauptthema gehört. Es dreht die tänzerische Melodie kurzzeitig nach Moll und endet mit einem virtuosen Eingang des Soloklaviers. Wieder verbindet Mozart hier Rondoform mit Sonatensatzform.
Anstelle eines zweiten Couplets folgt eine Durchführung, die schnell von einem virtuosen Eingang unterbrochen wird. Es folgt die Wiederholung des Refrains, von der aus eine neue Überleitung zur Wiederholung des Couplets führt. Eine Besonderheit des Satzes ist die ungewöhnliche Stellung der Solokadenz, nach der noch fast ein Viertel des gesamten Finales folgt; sie ist virtuos und großräumig angelegt. Es schließt sich die letzte Wiederholung des Refrains und eine ungewöhnlich lange Coda an. Ein kräftiger Unisonolauf des Orchesters beendet das Konzert mit einigen optimistischen Akkorden.
Das 27. Klavierkonzert stellt in mancher Hinsicht das reifste Werk Mozarts dieser Gattung dar. Von der Besetzung her zählt es zu den kammermusikalisch orchestrierten Klavierkonzerten, ähnlich wie beispielsweise das 14. Konzert KV 449. Formal weist das Konzert eher auf frühe Werke vor dem 13. Klavierkonzert hin. Auf Blechbläser (mit Ausnahme der beiden Hörner) hat Mozart dieses Mal verzichtet. Die Vielfalt der Themen ist eingegrenzt und der Solopart weit weniger virtuos und ausgeschmückt als in einigen zurückliegenden Werken, auch hält sich Mozart mit strukturellen Neuerungen zurück. Dennoch enthält auch dieses Werk Eigentümlichkeiten und Neuerungen, die beweisen, dass Mozart bis zum Schluss auf der Suche nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten war. So meldet sich das Klavier unüblicherweise auch nach der Solokadenz im ersten Satz noch ausführlich zu Wort. Die Durchführung des Hauptsatzes ist von einer nie dagewesenen Dichte an Modulationen und einer geistreichen Verarbeitung des Themas gekennzeichnet. Im dritten Satz verbindet Mozart lyrische Kantabilität mit der Rondoform und sparsamen thematischen Mitteln. Auch liegt in diesem Werk eine ähnliche künstlerische Gesamtkonzeption vor wie beispielsweise im 20. Klavierkonzert KV 466; so enthält bereits der Kopfsatz das Material des zweiten Themas des Mittelsatzes. Dies ist ein Konzept, das in die Zukunft weist und von Beethoven weiter perfektioniert wird. Zum Kopf- und Finalsatz sind Mozarts eigene Solo-Kadenzen überliefert.
Die besondere Reife und Ausnahmestellung des Werkes sind jedoch in besonderer Weise von inhaltlicher Natur. Ein schwermütiger Zug liegt über dem Werk, obwohl es meist in Dur notiert ist. Eine schwebende Metrik trägt zu diesem Eindruck bei, ebenso die vorwiegend lyrischen Themen wie das Hauptthema des ersten Satzes. Es nimmt das Finalrondo auf und ist, wie bereits erwähnt, die Melodie des wenige Tage nach dem Klavierkonzert komponierten Liedes „Sehnsucht nach dem Frühling“. Ein jeder kann es sofort mitsingen oder glaubt oder würde sogar schwören, dass er es bereits vorher gekannt hat. Das ganze Werk weist mit dieser Thematik stark in die zukünftige Epoche der Romantik.“
Präzisieren wollen wir nun noch, wie sich das letzte Klavierkonzert in die Reihe der übrigen Klavierkonzerte einfügt und in seinem Schaffen überhaupt einfügt (entnommen dem Programmheft der Berliner Staatsoper, anlässlich eines Gastspiels der Wiener Philharmoniker 2022, verfasst von Karsten Erdmann). „Mozarts Klavierkonzerte bilden – diese Einsicht hat sich mittlerweile durchgesetzt – den gewichtigsten Komplex seines instrumentalen Werkes überhaupt. Sie sind darin vergleichbar etwa mit Haydns Quartetten oder Beethovens Klaviersonaten. In den Konzerten kommen die verschiedenen Paradigmen des Mozartischen Komponierens in so einmaliger wie glücklicher Weise zusammen: das virtuose pianistische Moment, der sinfonische Atem, das dramatische Mit- und Gegeneinander vom Solisten und Orchester. Mozart hat das Genre des Klavierkonzertes fast systematisch erobert (freilich in mehr instinktiver als reflektierter Systematik – wie man es bei einem so jungen Komponisten nicht anders erwarten könnte): Seine ersten fünf Klavierkonzerte sind Bearbeitungen von Sonaten Johann Christian Bachs, des verehrten, dem jungen Mozart persönlich bekannten Meisters, so, als hätte der jugendliche Komponist zunächst an fremdem Material ausprobiert, wie man es mit der Kombination von Klavier und Orchester anstellen kann. So war es möglich, dass Mozart erstes »eigenes« Klavierkonzert (KV 175) ein außerordentlich reifes Werk ist, das sich mit den Sinfonien des Komponisten aus dieser Zeit messen kann.
Mozarts große Zeit als Komponist von Klavierkonzerten fällt dann in seine Jahre in Wien. Hier konnte er die mit den früheren Klavierkonzerten gemachten pianistischen und kompositorischen Erfahrungen nutzen und ins bis dahin buchstäblich Unerhörte ausweiten. Diese Konzerte sind zugleich ein Zeugnis für das pianistische Wirken des Klaviervirtuosen Mozart, denn sie sind vorrangig für den eigenen Gebrauch komponiert. Diese Reihe, zu der auch die beiden berühmten Moll-Konzerte KV 466 und KV 491 gehören, endet im Wesentlichen mit dem großen Klavierkonzert C-Dur KV 503. In seinen letzten Lebensjahren war Mozart weniger denn zuvor als Pianist in der Öffentlichkeit zu erleben (wir wissen ja nun, warum, Anm.), so dass ein wichtiger Impuls für die Komposition von Klavierkonzerten fehlte. Dementsprechend hat Mozart in dieser Zeit nur noch das »Krönungskonzert« D-Dur KV 537 und das Klavierkonzert B-Dur KV 595 geschaffen, mit dem die Reihe der Klavierkonzerte abschließt.
Prinzipiell entspricht das letzte Klavierkonzert, im Januar 1791 uraufgeführt, dem üblichen dreisätzigen Schema. Überhaupt ist zu beobachten, dass Mozart, anders als Haydn und Beethoven, in seinem gesamten Schaffen selten zu formalen Neuerungen greift. Sein Genie ergreift die vorfindliche Form und erfüllt sie bis zur letzten Note mit dem, was wir heute unschwer als »Mozart« erkennen.
Was an diesem Werk zunächst auffällt, ist der betont intime, kammermusikalische Gestus, der uns auch in einigen der früheren Konzerte, zu Beginn der Wiener »Reihe« begegnet. Expansive Virtuosität, wie sie Mozart freilich nie um ihrer selbst willen, sondern stets im Dienst des kompositorischen Konzepts – in dem Konzert KV 503 und noch im »Krönungskonzert« einzusetzen wusste, ist diesem Werk ebenso fremd wie der dramatische Gestus der beiden Moll-Konzerte. Der Verzicht auf solche Gestaltungsmittel wird aufgefangen durch eine lyrische, von schwer fassbarer Melancholie überschattete Fülle, wie sie ihresgleichen unter Mozarts Konzerten kaum hat. Verwandt ist unser Konzert darin anderen B-Dur-Werken aus Mozarts letzten Jahren, die einen ähnlichen Umgang mit dieser Tonart erkennen lassen und gleichfalls zu Mozarts beglückendsten Schöpfungen gehören: Der Klaviersonate KV 570 und dem Streichquartett KV 598. Diesen Werken ist gemeinsam, dass die Reduktion des technisch-Virtuosen nicht zu fader Glätte führt, sondern, im Gegenteil, zu einer lyrischen Intensität, die eine neue Stufe der Expression bedeutet. Wie so etwas zustande kommt, bleibt Mozarts Geheimnis.“ Soweit das Karsten Erdmann.
Für Interpreten ergeben sich bei der Darstellung des Werkes immens dicht gewebte Fallstricke, vom bereits angesprochenen Tempo im zweiten Satz einmal ganz abgesehen: Man braucht einen speziellen Mozart-Ton, der nicht zu glatt oder zu belanglos klingen darf. Man darf aber auch nicht überfrachten und nichts romantisieren. Man muss eine gewisse Mitte finden und die stellt einen nur ganz schmalen Grat dar. Trifft der Interpret oder die Interpretin diese Mitte nicht, ist das ganze Ergebnis fast „im Eimer“. Bei Liszt oder Rachmaninov stellen sich diese Probleme kaum oder sogar überhaupt nicht. Diesbezüglich ist ein Klavierkonzert von Mozart vielleicht eine der größten Herausforderungen, denen sich ein Pianist oder eine Pianistin zu stellen hat. Nicht technisch, aber musikalisch.
Mozart selbst warnt bei der Darstellung seiner Musik vor dem „blossen mechanicus“, dem Tastenakrobaten, warnt ebenso vor zu raschem, hastigem und dadurch undeutlichem Spiel: „Da glauben Sie, hierdurch soll´s feurig werden; ja wenn´s Feuer nicht in der Composition steckt, so wird´s durch´s Abjagen wahrlich nicht hineingebracht.“
Zitate:
Arthur Schnabel (eigentlich in Bezug auf die Klaviersonaten Mozarts): „Für Kinder zu leicht, für Pianisten zu schwer.“
„Ein wertvolleres Erbe hat uns die Menschheitsgeschichte nicht hinterlassen.“ (Jeremy Seedman, Musikwissenschaftler zu den Klavierkonzerten Mozarts)
Carlo Gräwe (Musikgelehrter aus Berlin): „In diesem Konzert wollte Mozart beweisen, dass er mit kinderleichten Mitteln eine so ausdrucksvolle Musik schreiben konnte.“
Uwe Schweikert (Autor und Musikwissenschaftler) im „Musikalischen Quartett“, einer ehemaligen Sendereihe im SWR: „Erschreckend ist die Simplizität, die man zwar ganz genau beschreiben kann, hinter die man aber trotzdem nicht kommt. Man kommt ihr substanziell einfach nicht bei.“
Johann Joachim Quantz, Komponist (1697-1773): „Den Ausdruck der Leidenschaften zu finden ist wichtiger als das richtige Tempo.“
Lars Vogt dazu: „Der Komponist gibt zum Tempo die Anweisung, der man sich zu fügen hat. Die Frage muss sein: Was hat der Komponist damit ausdrücken wollen?“
Karl-Heinz Kämmerling (Lehrer vieler Pianisten, die heute die Podien der Welt bereisen, z.B. Markus Becker, Danae Dörken, Thomas Duis, Severin von Eckardstein, Igor Levit, Kristin Merscher, Alice Sara Ott, Mona Asuka Ott, Sophie Pacini, Herbert Schuch oder Lars Vogt) zum Andante bei Mozarts KV 467: „Schon in den ersten Tönen spüren wir: Es ist doch alles gar nicht so schlimm, gar nicht so schrecklich auf der Welt.“
Lars Vogt (zu KV 595, das er bereits mit acht Jahren mittels einer LP kennenlernte, die er beim Onkel hörte und der sie ihm später schenkte): „Hier gibt es keinen Witz mehr, maximal Heiterkeit. Es ist ein Lächeln mit Tränen, ein Hauch von Abschied. Es ist ein wunderbares und rätselhaftes Stück, das bei jeder Aufführung neue Aspekte bietet. Ich liebe es.“
Calvin Dotsey (in einem Programmheft des Houston Symphony Orchestra): „Das Konzert gibt keinen Hinweis auf Mozarts Probleme oder sein bevorstehendes Schicksal; seine formale Ausgewogenheit und melodische Schönheit machen es zu einem seiner vollkommensten Meisterwerke.“
und an anderer Stelle: „…die Moll-Schatten lassen die Musik (im 1. Satz) in einen exquisiten Durchführungsabschnitt münden. Diese Durchführung wechselt in nur 60 Takten zwanzig Mal die Tonart und konzentriert sich auf Fragmente des ersten Themas, die sich überlappen und mit großer Ausdruckswirkung neu miteinander kombiniert werden.“
und ein letztes Mal: „anhand von Details aus Mozarts handschriftlichem Manuskript kann man den Unterschied zwischen der 1788 und 1791 fertiggestellten Musik erkennen: Die ältere Tinte ist heller und die neuere Tinte dunkler.“
Orrin Howard (in einem Programmheft des Los Angeles Philharmonic Orchestra): „Die große Gabe, mit der Mozart gesegnet war, wirkte auf verschiedenen Ebenen der Erhöhung. Es blieb sogar häufiger relativ ruhend, als viele von uns Gläubigen zugeben möchten. Es gab jedoch zwei Arten von Kompositionen, deren Entstehung seine Muse nahezu ständig wachsam beobachtete: Opern und Klavierkonzerte. Ersteres rief einen schier endlosen Fluss von Melodien hervor und kleidete die Opernfiguren in Gewänder, die perfekt auf ihre Libretto-Persönlichkeiten zugeschnitten waren. Letztere – die Klavierkonzerte – stießen auf gleichermaßen reichhaltige melodische Minen, und mit dem geprägten Gold kleidete Mozart seinen Solo-Protagonisten in die vielfältigen Gestalten von Helden, Heldin, Bösewicht (selten) und Nebendarsteller. Das Klavier leitet oft das Drama ein und reagiert und reagiert auch auf die Reize des Orchesters. Die dabei entstehenden Nuancen des Zusammenspiels sind in ihrer Art ebenso vielfältig wie die in den Opern gesungenen und gespielten.“
Alfred Brendel: Dem Mozartspieler ist "eine Last an Vollkommenheit auferlegt, die über seine Kräfte geht."
Gioacchino Rossini: „Ich nehme Beethoven zweimal die Woche, Haydn viermal, Mozart alle Tage…Beethoven ist ein Koloss, der oft Rippenstöße versetzt, während Mozart immer verehrungswürdig ist.“ Man sollte es dem italienischen Komponisten gleichtun, dafür sollte der Mensch geschaffen worden sein. Wenigstens ein paar Minuten alle Tage. Z.B. den dritten Satz von KV 595. Gäbe es dann noch Kriege?
„Ich bin gern lustig, aber seyen Sie versichert, dass ich trotz einem jedem ernsthaft seyn kann.“ (Mozart in einem Brief an seinen Vater.)
Noch ein Zitat Mozarts über sein Credo als Komponist, vielleicht nicht ganz wortwörtlich: „Musik soll allzeit, auch in der schauderhaftesten Lage, nicht das Ohr beleidigen, sondern vergnügen, folglich allzeit Musik bleiben.“
Adolphe Boschot (Mozartbiograph): „Sein leuchtendes Genie hat so oft die Schönheit des Lebens besungen und den täglichen Kummer mit Liedern von Liebe und Hoffnung beantwortet, dass man nicht gleich die Niedergeschlagenheit verspürt, die hinter seiner Herzlichkeit verschleiert ist; in seiner Seele und seiner Musik werden selbst die Schatten von Licht durchstrahlt, und die Widerspiegelung des Himmels macht sie diaphan (d.h. durchscheinend, transparent, Anm.).“
Ferenc Fricsay (in seiner Schrift „Über Bartok und Mozart“): „Seine Musik, die viel klarer und deutlicher als alle andere Musik die Wahrheit widerspiegelt, hat immer eine Reflexion des Überirdischen und einer idealen Traumwelt vermittelt. Wahrheit und Ideal gingen in Mozarts Seele stets nebeneinander, jedes auf seinem Weg, sodass sie sich nie miteinander mischen, nie in Kampf geraten konnten. So können wir es erklären, dass Mozarts Musik immer etwas transzendental, von einer allem Erdgebundenen fremden Sphäre zu uns spricht, in einer „himmlischen Harmonie“. Und wenn es manchmal auch Tränen gibt – unter ihnen schimmert immer ein Lächeln!“
Das war´s für dieses Mal. Danke fürs bis zum Ende Durchhalten.
zusammengestellt bis 3.9.2023

Mozart 1782 im Alter von 26 Jahren. Auschnitt eines Bildes von Joseph Lange.
Übersicht über die für den Vergleich gehörten Aufnahmen, die detailierten Rezensionen im Anschluss:
Einspielungen ohne spürbaren Einfluss durch die wiederentdeckte historische Aufführungspraxis (HIP) entstanden (die Übergänge sind jedoch mittlerweile fließend geworden bei den Einspielungen ab ca. 1975-80 bis heute)
5
Clifford Curzon
Benjamin Britten
English Chamber Orchestra
Decca
1970
14:17 8:55 8:40 31:52
5
Clifford Curzon
George Szell
Wiener Philharmoniker
Decca
1964
14:01 9:04 8:28 31:33
5
Annie Fischer
Efrem Kurtz
New Philharmonia Orchestra London
EMI
1966
12:50 8:09 7:55 28:54
5
Andras Schiff
Sándor Vegh
Camerata Academica Salzburg
Decca
1987
14:44 7:58 8:52 31:34
5
Angela Hewitt
Hannu Lintu
Orchestra da Camera di Mantova
Hyperion
2011
13:18 5:56 9:40 28:54
5
Alfred Brendel
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Philips
2000
14:29 7:35 9:06 31:10
5
Francesco Piemontesi
Mirga Grazinyte-Tyla
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, München
BR, Mitschnitt, bisher auf Tonträger unveröffentlicht
2021
14:25 6:58 9:13 30:36
5
Friedrich Gulda
Claudio Abbado
Wiener Philharmoniker
DG
1976
14:47 8:13 9:20 32:20
5
Rafael Orozco
Charles Dutoit
English Chamber Orchestra
EMI
1981
14:18 9:23 9:05 32:46
4-5
Robert Casadesus
George Szell
Columbia Symphony Orchestra (Members of Cleveland Orchestra)
CBS-Sony
1962
13:19 8:46 8:01 30:06
4-5
Robert Casadesus
John Barbirolli
Philharmonic Symphony Orchestra of New York (heute: New York Philharmonic)
Columbia
1941
12:32 8:26 7:49 28:47
4-5
Robert Casadesus
George Szell
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln)
Guild
1958, live
12:46 7:46 7:32 28:04
4-5
Robert Casadesus
Carl Schuricht
Wiener Philharmoniker
Orfeo
1961, live
13:00 7:41 7:58 28:39
4-5
Robert Casadesus
Carl Schuricht
Schweizerisches Festspielorchester (heute: Lucerne Festival Orchestra)
Audite
1961, live
13:05 8:06 7:47 28:58
4-5
Mitsuko Uchida
Jeffrey Tate
English Chamber Orchestra
Philips
1987
14:11 8:46 9:22 32:19
4-5
Matthias Kirschnereit
Frank Beermann
Bamberger Symphoniker
Arte Nova
2005
14:00 6:40 8:56 29:36
4-5
Alfred Brendel
Neville Marriner
Academy of St.-Martin- in- the-Fields
Philips
1974
13:42 6:55 8:26 29:03
4-5
Christian Zacharias
Günter Wand
Sinfonieorchester des NDR, Hamburg
EMI
1986
14:25 7:29 9:00 32:54
4-5
Clara Haskil
Ferenc Fricsay
Bayerisches Staatsorchester, München
DG
1957
13:01 7:36 8:40 29:17
4-5
Clara Haskil
Otmar Nussio
Orchestra della Svizzera Italiana
Andromeda
1953, live
13:09 7:39 8:42 29:30
4-5
Clara Haskil
Otto Klemperer
Gürzenich Orchester Köln
Andromeda
1956, live
12:57 6:42 7:46 27:25
4-5
Rudolf Serkin
Alexander Schneider
Columbia Symphony Orchestra
CBS-Sony
1953
13:51 10:10 8:05 32:06
4-5
Walter Klien
Stanislav Skrowaczewski
Minnesota Orchestra
Vox, Candide, Carlton Classics
1977
13:53 7:57 8:45 30:35
4-5
Svjatoslav Richter
Benjamin Britten
English Chamber Orchestra
BBC Live, Stradivarius
1965, live
13:38 9:44 8:34 32:16
4-5
Svjatoslav Richter
Kyrill Kondrashin
Sinfonieorchester der Staatlichen Philharmonie Moskau
Brilliant
1976, live
13:29 8:12 8:50 30:31
4-5
Clifford Curzon
Rafael Kubelik
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, München
Audite
1970, live
13:36 8:36 8:14 30:26
4-5
Wilhelm Kempff
Ferdinand Leitner
Berliner Philharmoniker
DG
1962
13:56 7:27 9:56 31:19
4-5
Zoltan Kocsis
Janos Rolla
Franz-Liszt-Kammerorchester, Budapest
Hungaroton
1990
12:20 6:59 8:14 27:33
4-5
Lars Vogt
Paavo Järvi
HR-Sinfonieorchester, Frankfurt
HR, von Avi veröffentlicht
2007, live gesendet
2013 als CD erschienen
30:29
4-5
Rudolf Buchbinder
Uri Segal
Sinfonieorchester des SWF, Baden Baden (Orchester inzwischen wegfusioniert)
Allegria
AD? live
13:20 6:36 8:22 28:18
4-5
Deszö Ranki
Janos Rolla
Franz-Liszt-Kammerorchester, Budapest
Hungaroton
1988, live
13:14 7:37 8:14 29:05
4-5
Ingrid Haebler
Alceo Galliera
London Symphony Orchestra
Philips
1968
14:31 8:56 9:36 33:03
4-5
Peter Serkin
Joseph Silverstein
Rochester Philharmonic Orchestra
Pro Arte
1986
14:15 9:58 8:59 33:12
4-5
Jenö Jando
András Ligeti
Concentus Hungaricus, Budapest
Naxos
1989
12:48 7:26 8:19 28:33
4-5
Martin Helmchen
Gordan Nikolic
Niederländisches Kammerorchester
Pentatone
2013
13:53 7:07 9:18 30:18
4-5
Wilhelm Backhaus
Karl Böhm
Wiener Philharmoniker
Decca
1955
13:22 7:04 8:36 29:02
4-5
Alessio Bax
Simon Over
Southbank Sinfonia
Signum Records
2012
14:03 8:37 8:48 31:28
4-5
Mariaclara Monetti
Ivor Bolton
Royal Philharmonic Orchestra, London
Tring, Centurion, Membran, RPO Records
1994
14:19 7:53 9:10 31:22
4-5
Nicola Frisardi
Gérard Korsten
Mozarteum Orchester Salzburg
Chesky
1995
14:13 7:19 9:24 30:56
4-5
Anne-Marie McDermott
Sebastian Lang-Lessing
Odense Symfoniorkester
Bridge Records
2021
14:22 7:54 9:15 31:31
4-5
Sophie Mayuko Vetter
Peter Ruzicka
Hamburger Symphoniker
Oehms
2015
15:00 7:53 8:58 31:51
4-5
Clifford Curzon
Istvan Kertesz
London Symphony Orchestra
Decca
1967
13:40 8:26 8:16 30:22
4-5
Alicia de Larrocha
Georg Solti
London Philharmonic Orchestra
Decca
1977
14:43 8:06 9:06 31:55
4-5
Alicia de Larrocha
Colin Davis
English Chamber Orchestra
RCA
1992
14:19 7:47 8:57 31:03
4-5
Maurizio Pollini
Claudio Abbado
Berliner Philharmoniker
RBB, unveröffentlicht
1999, live
13:10 7:27 8:07 28:44
4-5
Svjatoslav Richter
Rudolf Barshai
Moskauer Kammerorchester (in manch einer Veröffentlichung auch Moskauer Sinfonieorchester benannt)
Doremi, Czar, Leningrad Masters, Alto, Musical Concepts
1966, live
13:20 9:47 8:31 31:38
4
Emil Gilels
Karl Böhm
Wiener Philharmoniker
DG
1973
14:26 8:58 9:23 32:47
4
Emil Gilels
Bernard Haitink
Concertgebouw-Orchester Amsterdam
RC 3
AD? live
14:11 8:49 8:55 31:55
4
Gerrit Zitterbart
Konrad Latte
Berliner Barock-Orchester
Charisma, Gutingi
1991, live
13:22 6:30 8:36 28:28
4
Alfred Brendel
Paul Angerer
(Kammer)Orchester der Wiener Volksoper bzw. Staatsoper oder auch Vienna Pro Musica Orchestra genannt
Vox
1959
14:26 7:56 8:56 31:18
4
Eric Heidsick
André Vandernoot
Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire de Paris
Erato-Warner
1961
13:58 8:17 9:04 31:20
4
Rudolf Serkin
Claudio Abbado
London Symphony Orchestra
DG
1983
14:49 8:00 9:29 32:18
4
Maria Joao Pires
Armin Jordan
Orchestre de Chambre de Lausanne
Erato
1978
13:56 7:59 9:08 31:03
4
Derek Han
Paul Freeman
Philharmonia Orchestra, London
Brilliant
1993
14:04 6:50 9:13 30:07
4
Rudolf Serkin
Eugene Ormandy
Philadelphia Orchestra
CBS-Sony
1962
13:25 9:08 8:50 31:23
4
Artur Schnabel
John Barbirolli
London Symphony Orchestra
EMI, Naxos
1934
12:52 10:45 7:36 34:13
4
Ingrid Haebler
Christoph von Dohnanyi
Wiener Symphoniker
Philips-BnF
Ca. 1960
13:15 8:16 9:01 30:32
4
Jörg Demus
Hans Müller-Kray
Südfunk-Sinfonieorchester Stuttgart (heute SWR Sinfonieorchester Stuttgart des SWR)
SWR Music Archive
1961
12:49 7:03 8:59 28:51
3-4
Justus Frantz
Claus Peter Flor
Bamberger Symphoniker
Eurodisc
1989
13:56 9:45 8:54 32:35
3-4
Homero Francesch
Klaus Weise
Orchestre Philharmonique de Nice (Nizza)
Kontrapunkt, SteepleChase
1991
13:58 7:30 9:23 30:51
3-4
Fou Ts´Ong
Victor Dezarzens
Orchester der Wiener Staatsoper
Westminster-Universal
1961
13:40 8:08 9:00 30:48
3-4
Keith Jarrett
Dennis Russell-Davies
Stuttgarter Kammerorchester
ECM
1994
14:21 6:35 9:38 30:34
3-4
Annerose Schmidt
Kurt Masur
Dresdner Philharmonie
Berlin Classics
1974
13:30 6:37 8:45 28:52
3-4
Lili Kraus
Stephen Simon
Wiener Festival-Orchester
CBS-Sony
1966
13:26 7:45 9:25 30:26
3-4
Peter Schmalfuß
Stanislav Bogunia
West-Böhmisches
Nationalorchester Marienbad
Mediaphom
P 1991
13:15 8:33 9:12 31:00
3-4
Jean-Marc Luisada
Paul Meyer
Orchestra di Padova e del Veneto
RCA
2001
14:55 9:11 9:33 33:39
3-4
Elisabeth Sombart
Pierre Vallet
Royal Philharmonic Orchestra
Rubicon
2022
14:53 7:59 9:13 31:55
3
Karl Engel
Leopold Hager
Mozarteum-Orchester Salzburg
Telefunken
1975
14:00 8:19 8:53 31:12
3
Menahem Pressler
Kimbo Ishii
Magdeburgische Philharmonie
Avi
2016, live
15:17 9:17 10:32 35:06
3
Clifford Curzon
George Szell
New York Philharmonic
Archipel
1965, live
13:50 8:42 8:17 30:49
Einspielungen, die auf einen hauptamtlichen Dirigenten verzichten. Der oder die Pianist/in übernehmen diese Aufgabe zusätzlich zu ihre Job als Solist/in.
5
Piotr Anderszewski
Chamber Orchestra of Europe
Warner
2016
13:50 7:55 8:42 30:27
5
Murray Perahia
Berliner Philharmoniker
RBB, Live
unveröffentlicht
2013
13:39 7:30 8:18 29:27
5
Pierre-Laurent Aimard
Chamber Orchestra of Europe
Warner
2005
14:18 7:45 9:18 31:21
5
Richard Goode
Orpheus Chamber Orchestra
Nonesuch
1996
13:30 7:36 8:14 29:20
4-5
Paul Badura-Skoda
Prager Kammerorchester
Naive-Auvidis-Valois
1992
13:27 6:43 8:25 28:35
4-5
Géza Anda
Camerata Academica des Salzburger Mozarteums
DG
1969
13:51 8:00 8:08 29:59
4-5
Christian Zacharias
Orchestre de Chambre de Lausanne
MDG
2003
13:37 7:06 8:45 29:28
4
Vladimir Ashkenazy
Philharmonia Orchestra London
Decca
1980
14:07 9:17 8:56 32:20
4
Murray Perahia
Chamber Orchestra of Europe
Sony
1990
13:24 7:12 8:26 29:02
4
Murray Perahia
English Chamber Orchestra
CBS-Sony
1979
14:31 8:35 8:53 31:59
4
Fou Ts´Ong
Sinfonia Varsovia
IMP
1991
14:25 7:50 9:27 31:42
4
Howard Shelley
London Mozart Players
Chandos
1993
13.19 8:35 9.11 31:05
4
Mitsuko Uchida
Cleveland Orchestra
Decca
2010, live
15:00 7:29 9:32 32:01
4
Daniel Barenboim
English Chamber Orchestra
EMI
1967
14:30 8:35 8:54 31:59
3-4
Rudolf Buchbinder
Wiener Symphoniker
Calig, Hänssler
1998
13:45 7:10 8:54 29:49
3-4
Lahav Shani
Wiener Philharmoniker
ORF, Mitschnitt, unveröffentlicht
2020, live
13:27 7:23 8:51 29:41
3-4
Daniel Barenboim
Berliner Philharmoniker
Teldec
1988
14:27 8:00 9:13 31:40
3
Daniel Barenboim
Wiener Philharmoniker
ORF, Mitschnitt unveröffentlicht
2020
14:37 7:43 9:32 31:52
3
Christoph Eschenbach
London Philharmonic Orchestra
EMI
1978
14:10 8:15 8:48 31:13
3
Emil Gilels
Staatliches Sinfonieorchester der UdSSR
RC3, Vera Vista
1974, live
13:59 8:54 8:59 31:52
3
Ricco Saccani
Budapester Philharmoniker
BPO live
P 2008
14:03 8:10 8:46 30:59
Interpretationen, die einen relativ starken Einfluss der historisch informierten Aufführungspraxis (HIP) erkennen lassen. Das Instrumentarium verzichtet jedoch auf historische Instrumente aus der Zeit Mozarts.
5
Igor Levit
Constantinos Carydis
HR-Sinfonieorchester
HR, Mitschnitt, bisher unveröffentlicht
2021, live
13:42 6:24 8:39 28:45
5
Ragna Schirmer
Malin Broman
Ostbottnisches Kammerorchester
BR, Mitschnitt, bisher unveröffentlicht
2023
13:28 6:00 8:27 27:55
5
Sebastian Knauer
Roger Norrington
Zürcher Kammerorchester
Berlin Classics
2011
13:22 6:06 8:53 28:21
4-5
Maria Joao Pires
Claudio Abbado
Orchestra Mozart
DG
2011
13:32 6:22 8:40 28:34
4-5
Francesco Piemontesi
Andrew Manze
Scottish Chamber Orchestra
Linn
2019
14:09 6:41 9:23 30:13
4-5
Imogen Cooper
Richard Tognetti
Australian Chamber Orchestra
ABC (Australian Broadcasting Corporation)
2013. live
14:14 7:11 9:16 30:41
4-5
Carmen Piazzini
Michail Gantvarg
Leningrad Soloists
Membran
1990
13:12 7:00 9:15 29:27
4-5
John O´Conor
Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Telarc
1989
14:06 7:12 8:59 30:17
4
Ronald Brautigam
Jac van Steen
Ulster Orchestra, Belfast
BBC, vom SWR gesendet, unveröffentlicht
2022, live
13:38 5:55 8:18 27:51
Historisch informierte Aufnahmen, die gänzlich oder teilweise mit historischen Instrumenten der Mozart-Zeit gemacht wurden.
5
Andreas Staier
Gottfried von der Goltz
Freiburger Barockorchester
Harmonia Mundi
2007
13:44 7:24 9:29 30:27
4-5
Kristian Bezuidenhout
Thomas Zehetmair
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
BR, Mitschnitt, unveröffentlicht
2012, live
12:49 6:04 8:50 27:43
4-5
Viviana Sofronitzky
Tadeus Karolak
Musica Antiqua Collegium Varsoviense
Et´Cetera
2006
13:51 5:58 8:58 28:49
4-5
Malcolm Bilson
John Eliot Gardiner
English Baroque Soloists
DG
1988
13:55 7:30 9:22 30:47
4-5
Jos van Immerseel
Anima Eterna
Channel Classics
1990
14:10 7:45 8:32 30:27
4-5
Ronald Brautigam
Michael Alexander Willens
Kölner Akademie
BIS
2012
12:57 5:22 8:13 26:32
3-4
Jörg Demus
Collegium Aureum
Deutsche Harmonia Mundi
1969
13:44 7:30 9:05 30:19
Instrumentale Besonderheit: das Klavierkonzert Nr. 27 B-Dur KV 595 als Konzert für Akkordeon und Orchester:
1-5
Viviane Chassot
Camerata Bern
Sony
2019
13:37 7:02 9:03 29:42
Rezensionen im Detail:
Einspielungen ohne spürbaren Einfluss durch die wiederentdeckte historische Aufführungspraxis (HIP) entstanden (die Übergänge sind jedoch mittlerweile fließend geworden bei Einspielungen ab ca. 1975-80 bis heute)
5
Clifford Curzon
Benjamin Britten
English Chamber Orchestra
Decca
1970
14:17 8:55 8:40 31:52
Clifford Curzon ist in der Diskographie des letzten Klavierkonzertes von Mozart mit (mindestens) sechs Aufnahmen vertreten. Jeweils drei davon sind Live- und drei Studio-Aufnahmen. Zumindest von den drei Studio-Aufnahmen sind Äußerungen des Pianisten bekannt, dass er mit ihnen nicht zufrieden war. Bei den beiden ersten 1964 mit George Szell in Wien und 1967 mit Istvan Kertesz in London eingespielten Aufnahmen ist es belegt, dass er der Veröffentlichung nicht zugstimmt hat. Erst posthum sind sie auf CD erschienen. Auch mit seiner letzten Studio-Einspielung mit Benjamin Britten und dem English Chamber Orchestra 1970 (wie die beiden Vorgänger von seinem Hauslabel Decca produziert) war er nicht glücklich und stimmte der Veröffentlichung nur zu, weil ihm eine weitere Produktion, bei der er es noch besser machen könne, ermöglicht werden sollte, das war 1978, also acht Jahre nach ihrer Aufnahme. Sie sollte mit Bernard Haitink und dem Amsterdamer Concertgebouw-Orchester eingespielt werden, der gerade für einige Zeit von Philips zu Decca gewechselt war. Jedoch kam es durch den Tod des Pianisten 1982 in seiner Geburtsstadt London nicht mehr dazu. Vielleicht erging es Herrn Curzon ähnlich wie seinem Berufskollegen Alfred Brendel, der ja meinte: Dem Mozartspieler ist "eine Last an Vollkommenheit auferlegt, die über seine Kräfte geht." Curzon selbst war es selbst unangenehm seiner „Firma“ die Last der Auslagen aufzuerlegen und zugleich keine Einnahmen generieren zu können. Ob sich heutzutage eine Plattenfirma noch eine solche „Bürde“ auferlegen könnte, darf angesichts der Situation am Plattenmarkt mehr als bezweifelt werden.
Von den sechs uns bekannten Aufnahmen konnten wir fünf miteinander vergleichen. Lediglich auf die ursprünglich auf BBC Live erhältliche Einspielung von 1961 mit dem LPO unter Sir Adrian Boult mussten wir verzichten, obwohl sie von Testament neu aufgelegt wurde. Von den beiden weiteren Live-Aufnahmen mit Kubelik (BR) von 1970 und ebenfalls mit George Szell mit dem New York Philharmonic (1965) erscheint die letztere aus klanglichen Gründen als entbehrlich. Vor allem angesichts der vier noch verbleibenden um Äonen besser klingenden.
Zwei von Sir Cliffords Einspielungen haben sich seiner eigenen Einschätzung zum Trotz im Vergleich als besonders gelungen herausgestellt. Uns hat von den beiden verbliebenen die mit Benjamin Britten als Dirigenten noch etwas besser gefallen. Sie hat gegenüber der von Szell dirigierten eine wärmere, gefühlvollere Ausstrahlung, während die nur sechs Jahre ältere mit George Szell vielleicht um Nuancen als intellektuell durchdrungener erscheinen mag. Obwohl sie etwas langsamer gespielt wird, erscheint 1970 der beschwingtere Jahrgang zu sein. Ob die geplante Aufnahme mit Haitink die bessere geworden wäre, lässt sich jedenfalls stark bezweifeln. Das ECO spielt bereits die rein orchestrale Einleitung bewegter und mit weicherem Ton als die Wiener mit Szell. Es klingt zudem ein wenig brillanter und lebendiger. Diese Vorgaben des Dirigenten Britten nimmt Sir Clifford unmittelbar in sein Spiel mit auf. Es wirkt nun erheblich „warmherziger“ als mit Szell zusammen, mit dem Sir Clifford eine lebenslange „innige“ Hassliebe verband. Da waren zwei Alpha-Musiker am Werk, bei denen die Zusammenarbeit schon einmal im Streit enden konnte. Curzons Flügel klingt gegenüber 1964 nun fülliger, „wärmer“, aber auch brillanter und gelöster. Anscheinend waren die Arbeitsbedingungen mit Szell ein wenig angespannter, was sich auch auf die musikalische Ebene übertragen haben könnte. Das Spiel selbst wirkt mit Britten zusammen jedenfalls unüberhörbar gelöster, subtiler und schattierungsreicher. Unsere Formulierung ist vielleicht schon etwas überdeutlich, denn es soll nicht vergessen werden, dass sich beide Einspielungen auf demselben hohen Niveau befinden. Das Orchester aus London hat man wohl noch nie einen besseren Mozart spielen hören als in dieser Aufnahme (es existieren noch mehr Mozart-Einspielungen für Decca mit ihm und Britten, alle sind außerordentlich gelungen in Musikalität und Klang). Man vergleiche das Spiel des Orchesters nur einmal mit der Aufnahme desselben Konzerts mit Daniel Barenboim oder Murray Perahia und man weiß, worum es geht. Es wirkt mit Britten engagierter, aufmerksamer, „hellhöriger“, genauer und findet mit Sir Clifford zu einer genialen Partnerschaft. Das Holz darf man wohl als „beseelt“ bezeichnen (trotz des eigentlich problematischen Ausdrucks, weiß doch jeder, was damit gemeint ist).
Die Kadenz des ersten Satzes scheint eigens aufgenommen worden zu sein. Dazu hat man das Klavier etwas zurückgesetzt (!), normalerweise zieht man es aufnahmetechnisch in diesen Fällen eigens noch etwas weiter zum Hörer hin. Nichtsdestotrotz ist der Klang gerade dieser Kadenz wohl der Vollkommenheit sehr nahe.
Der zweite Satz (der, wie wir in unserem Vergleich bemerkt haben, so viele verschiedene Tempi haben kann) hat in dieser Einspielung so etwas wie seine „goldene Mitte“ gefunden. Gelassener, zurückgenommener, zarter und, auch wenn es nun zu einer Dopplung kommt: „beseelter“ kann man ihn kaum noch spielen. Die Versenkung in die Musik scheint vollkommen (auch wenn wir uns das als Hörer vielleicht nur einbilden, wird es doch für diesen Moment zur Wirklichkeit). Mit Szell klang es noch viel trauriger, jetzt wirkt der Grundzug tröstender, vermittelt uns Zuspruch.
Der dritte Satz klingt etwas tänzerischer, vielleicht auch etwas „kecker“ eingestimmt, jedenfalls wohlgemuter als mit Szell zusammen. Der Gradus ad Parnassum, die Stufen der Treppe, die zum Sitz der Musen selbst führt, scheint zu Ende gegangen zu sein. Sicher kann man das Werk auch anders spielen und vielleicht genauso überzeugend, aber besser wohl kaum.
Es ist aber wie so oft. Um eine besonders gelungene Produktion zu erschaffen, muss zum Solisten, zum Dirigenten und zum Orchester auch noch die geniale Mannschaft auf der anderen Seite, also die, die hinter den Geräten und Reglern sitzt, dazukommen. Bei dieser Aufnahme war wieder Deccas Tonmeister-Guru, Kenneth Wilkinson, beteiligt. Er stellt die Mikros einfach immer besonders genial auf. Anscheinend geht es da manchmal auch um Zentimeter. Der Raum wirkt etwas größer als in Wien, es ist etwas mehr Luft um die Instrumente herum im Spiel, die Aufnahme wirkt so luftiger, bei ebenso hervorragender Transparenz wie in Wien. Der Gesamtklang wirkt jedoch erheblich wärmer (war es die Aufnahme oder war es das Spiel der Musiker? wahrscheinlich beides) zudem etwas brillanter, voller und noch körperhafter. Das sind nur Nuancen, aber um die geht es ja gerade in so einem Vergleich.
5
Clifford Curzon
George Szell
Wiener Philharmoniker
Decca
1964
14:01 9:04 8:28 31:33
Sir Clifford war in dieser Produktion 55 Jahre alt. Mit dem Dirigenten verband ihn, wie bereits erwähnt eine Art „Hassliebe“. Diese hielt die beiden Protagonisten jedoch nicht davon ab, immer wieder die Zusammenarbeit zu suchen. So traf man sich ein Jahr später in New York, um dasselbe Mozart-Konzert zu geben. Eine Produktion auf die wir ganz am Ende der Liste noch kurz eingehen werden, denn sie ist ein weiterer Beleg dafür, dass nicht jedes Konzert für die Nachwelt konserviert werden muss. Die Wiener Produktion ist jedoch eine Zierde der Diskographie des Stückes. Bestechend ist bereits der Klang der Wiener Violinen zu Beginn. Ihr samtenes, geschmeidiges, sehr sauberes Spiel wirkt mit seinem hier dunkel wirkenden Glanz würdevoller als das des ECO in der Einspielung mit Benjamin Britten. Das ganze Werk bekommt dieses Mal einen etwas deutlicheren „Trauerflor“, was uns jedoch als völlig legitim erscheint. Das Musizieren ist gespannt und großbogig, wie aus einem Guss und nie auftrumpfend. Gleiches gilt auch für das Klavierspiel Curzons. Sein Anschlag ist weich, jedoch nie wabbelig, sondern konturenreich und auch 1964 warm grundiert. Dunkel schimmernd und duftig, wenn man das so schreiben darf, jedoch mit hoher Präzision und luzide. Das Orchester wirkt hoch konzentriert und sehr präzise. Die Wiener Oboen mit ihrem oft klagenden Unterton passen dieses Mal sehr gut zum Werk. Hinzuweisen wäre auch noch auf die wunderbar gelungenen Pizzicati und ein hohes Maß an straffer Kantabilität. Die Kadenz wirkt maßvoll und ausgewogen.
Der zweite Satz gelingt auch in dieser Einspielung meisterhaft. Die Übergänge von f zu p gelingen den Philharmonikern vorzüglich. Was für ein „herrlich trauriger“ Gesang. Herzerweichend. Nur mit höchster Konzentration mag das so gelingen. Sir Clifford antwortet mit sagenhaft verfeinerter Anschlagskultur und Phrasierung (wobei letzteres auch vom Orchester zu hören ist), ohne je tüftelnd zu werden. Sublimierter und inniger mag es kaum noch gehen. Allerdings: Das Tempo ist nun schon sehr langsam, anscheinend machte man sich noch keine Gedanken um das „Alla Breve“ Vortragszeichen in der Partitur, vielleicht weil die Partitur schon sehr alt war und es noch fehlte?
Der dritte Satz wirkt von Curzon sehr fein akzentuiert, fast meint man, er befände sich bereits auf den klanglichen Spuren des Hammerklaviers. Das Musizieren wirkt mit Szell zusammen beherrschter, aber noch lebendig. Aus der Ruhe heraus. Der Komposition auch dieses Mal vollauf gerecht werden, also meisterlich. Hinweisen möchten wir noch auf T. 281, bei dem sich nach der Kadenz des Klaviers die Streicher beinahe unvergleichlich leise wieder zum gemeinsamen Musizieren zum Flügel gesellen. Nach der alleine bewältigten Kadenz wird dieses Gemeinschaftserlebnis in dieser Einspielung geradezu magisch. Seltsam, dass das gerade dem als „Schleifer“ berüchtigten Szell hier so schön gelingt.
Die Aufnahme wirkt transparent und weist eine ausgezeichnete Balance von Klavier und Orchester auf. Auch die Balance hallig/ trocken gelingt bereits bestens. Der Gesamtklang wirkt körperhaft, sanft leuchtend und sonor.
5
Annie Fischer
Efrem Kurtz
New Philharmonia Orchestra London
EMI
1966
12:50 8:09 7:55 28:54
Den Tenor dieser Einspielung lässt sich, so glauben wir, gut mit den Worten „ernst mit kurzen Lichtblicken“ umreißen. Das Tempo wirkt flüssiger als bei den Einspielungen mit Curzon, leicht dramatisiert, jedoch nicht aufgebracht. Obwohl das Spielerische kaum eine Chance bekommt, hebt man Mozart aber nicht auf den Sockel der Unnahbarkeit. Das Philharmonia spielt temperamentvoll, wirkt zwar groß besetzt, aber dennoch schlank. Frau Fischers Anschlag wirkt auf uns deutlich weicher als bei ihrem Beitrag zum Vergleich der Diskographie des Klavierkonzerts Nr. 3 von Béla Bartok, bei dem sie uns ebenfalls bereits begegnet ist. Sie spielt sachlich orientiert (kaum Rubato) und mit einem gewissen Anspruch auf Objektivität. Kaum einmal gestattet sie sich eine eigene Gefühlsregung zu zeigen. Als unterkühlt würden wir ihren Vortrag jedoch nicht bezeichnen. Da er spannend und am großen Bogen orientiert ist, wirkt er eher kompromisslos. Nur in der Kadenz gestattet es sich Frau Fischer einmal Schwung zu holen. Dies ist keine Mozart-Süßigkeit auf dem Silbertablett. Dass Frau Fischer zum Zeitpunkt der Einspielung mit 52 Jahren eine sehr erfahrene Pianistin war, merkt man der Einspielung durchaus an.
Im zweiten Satz wirkt Annie Fischer aufgetaut. Obwohl sie immer noch die klare Linie wahrt, spielt sie nun (für die Verhältnisse, wie sie uns vom ersten Satz bekannt sind) sehr gefühlvoll und differenziert. Obwohl sie objektiv wahrscheinlich nicht viel anders macht als im ersten Satz, dringt sie nun tief in die mozartische Gefühlswelt ein. Mit einfachen Mitteln hat uns ihre Darbietung sehr betroffen gemacht. Sicher spielt es auch eine Rolle, dass das Klavier nun sehr viel präsenter klingt und dass ihr Spiel nun geradezu ohne Gewicht dahinzuschweben scheint. Hinter der gefühlsstarken Einspielung mag aber auch ein an Erfahrungen reiches Leben gehören.
Das Tempo im dritten Satz (wie der erste ein Allegro) wirkt nun beschwingt bis (in diesem Umfeld fast schon) rasant. Frau Fischer lässt nun einiges von ihrer Virtuosität aufscheinen. Der Gestus wirkt durchaus freudig erregt, ohne sich jedoch einem allzu großen Überschwang hinzugeben. Klar wird sich da große Vorfreude gemacht, man hört aber auch, dass der Frühling selbst noch nicht da ist und dass es bis dahin noch ein kalter Weg sein kann. Insgesamt eine tolle Aufnahme.
Der Klang ist in der Orchestereinleitung sehr transparent und besonders in den Streichern sehr gut gestaffelt. Leider lässt das etwas nach, wenn das Klavier dazukommt. Das Klavier selbst erscheint nicht so klar wie das Orchester abgebildet zu sein (normalerweise ist das genau umgekehrt). Im zweiten und dritten Satz tritt hingegen das Orchester gegenüber dem Klavier ein wenig in den Hintergrund. Das wirkt dann besser ausbalanciert. Gerade im zweiten Satz nimmt das Klavier den Vordergrund für sich in Anspruch. In diesem Satz wird das Analog-Rauschen hörbar. Dies ist eine Einspielung von der man zu Unrecht bisher nicht viel gehört hat. Vielleicht wollte man bei EMI dem neu im Aufbau begriffenen Jungstar Daniel Barenboim, dessen Einspielung ein Jahr später erfolgte, keine (über)mächtige Konkurrenz aus dem eigenen Haus zur Seite stellen?
5
Andras Schiff
Sándor Vegh
Camerata Academica Salzburg
Decca
1987
14:44 7:58 8:52 31:34
Diese Einspielung nimmt durch das ungemein detailreiche, pointierte, finessenreiche aber auch sorgfältige Orchesterspiel ein. Es geht zurück auf das auffallend inspiriert wirkende Dirigat Sándor Veghs, der den älteren unter uns bereits als der Primgeiger des gleichnamigen Streichquartetts in Erinnerung sein dürfte. Es galt über viele Jahre als das beste Streichquartett überhaupt. Seit 1958 spielte Herr Vegh übrigens auf einer Stradivari, die zuvor einmal in Paganinis Besitz gewesen war. Dass der Geiger auch noch in seiner späten Zeit ein so ausgezeichneter, inspirierender Dirigent wurde, hat nicht wenige Fachleute jener Zeit in großes Erstaunen versetzt. Auch diese Einspielung kann als Beweis dafür dienen. Er zeigt wie kaum ein anderer Dirigent auch die Parallelen zu Mozarts Opern auf, ohne die Theatralik gleich zu übertreiben, was bei diesem Werk auch fehl am Platz wäre. Trotz des eigentlich langsamen Tempos ergibt sich eine ganz besonders lebhafte Ausstrahlung des ersten Satzes. Ganz anders hingegen der Solist am Flügel. Angesichts seines fast schon detailaffektierten Spiels wird das langsame Tempo beinahe schon notwendig. Es wirkt introvertiert und beinahe schüchtern, irgendwie kraftlos. Entsprechend klingt sein Instrument etwas brüchig, als wolle er jede Brillanz vermeiden, was ihm jedoch im f trotz des verwendeten Bösendorfers nicht ganz gelingen möchte. Er spielt im partnerschaftlichen Verhältnis mit seinem Landsmann und dem Orchester tatsächlich nur die „Zweite Geige“. Nicht zuletzt, da das Orchester mit seiner Musikalität förmlich aus allen Nähten zu platzen scheint. Schiff nimmt den Schwung und den Esprit, den das Orchester anbietet mit voller Absicht wieder raus. Ist das nun schon zu bedächtig oder zu bedacht? Dazu mag man verschiedene Meinungen haben. Unzweifelhaft ist jedoch, dass dieses ungleiche Kontrastverhältnis nicht auf Unvermögen des Pianisten beruht, sondern aus voller künstlerischer Absicht genau so und nicht anders klingen soll. Vielleicht wollte er schon bei dieser frühen Aufnahme dem Klang des Hammerflügels nahekommen? Diese Rechnung wäre jedenfalls schon sehr gut aufgegangen. Irritierend mag dabei ebenfalls die Tatsache erscheinen, dass das Klavier bei Friedrich Gulda fast genauso klingt (Gulda nutzte für seine Aufnahme ebenfalls einen Bösendorfer), der aber ganz anders gespielt wird. Die Unterschiede in der Spielweise könnten fast nicht größer sein. Doch dazu später mehr.
Im zweiten Satz lässt Schiff den Klang mehr ausschwingen. Das Orchester erwärmt erneut die Szenerie und greift solchermaßen auch auf den Solisten über. Herr Schiff weiß mit eigenen improvisiert wirkenden Umspielungen zusätzlich zu gefallen. Manch ein Kritiker sieht vielleicht in Schiffs Spiel eine musikalische Analogie zu Nymphenburger Porzellan, wir gehören jedoch nicht dazu. Vor allem wäre Sándor Veghs Leistung dann nicht genügend gewürdigt.
Auch im dritten Satz spürt Herr Schiff den Nuancen nach wie kaum ein zweiter, ob das nun schon tüftelnd erscheinen mag, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das Orchester spielt im immensen Kontrast dazu erneut sehr vital. Es mag sein, dass gerade durch diesen Kontrast sich Schiffs Spiel umso deutlicher von dem aller anderen Pianisten und Pianistinnen abhebt. Die letzte Kadenz spielt er jedoch sehr markant und zupackend, da nimmt er sich dann doch noch den großen Auftritt heraus, auf den er bisher in aller Bescheidenheit verzichtet hat. Danach wirkt die Balance dann durchaus mehr am Pianisten orientiert.
Diese Einspielung profiliert sich also durch einen ungewohnten Kontrast von Klavier zum Orchester, einer enorm introvertierten Feinzeichnung durch den Pianisten und durch ein Orchesterspiel, dem man getrost Referenzcharakter zubilligen kann.
Der Klang der Aufnahme wird von einer ungewohnten Balance dominiert bei der das Soloinstrument zwar nie verdeckt wird, aber gegenüber dem fast schon prächtig agierenden Orchester seltsam zurückhaltend wirkt. Transparenz, Staffelung, Dynamik und Farbenreichtum erreichen ein sehr gutes Niveau.
5
Angela Hewitt
Hannu Lintu
Orchestra da Camera di Mantova
Hyperion
2011
13:18 5:56 9:40 28:54
Diese Einspielung hebt sich schon alleine dadurch von den anderen etwas ab, da sie die Einzige ist, die mit einem Flügel von Fazioli gemacht wurde. Angela Hewitt gehört zu den Pianist/innen, die ihren Flügel zu Konzerten und Aufnahmen mitnehmen. Das ging solange gut, bis ihn die Mitarbeiter des Logistik-Unternehmens ihrer Wahl beim Be- oder Entladen vom LKW fallen ließen und er durch diesen Unfall irreparabel zerstört wurde. Das passierte aber einige Zeit nach dieser Aufnahme, sodass wir ihr Lieblingsinstrument bei KV 595 noch hören können. Der Fazioli lässt den Klavierpart vielleicht noch etwas kräftiger und farbiger klingen als wir es von den gewohnten Steinways kennen. Der für Mozart immer wieder gerne genommenen Bösendorfer-Flügel klingt sowieso markant matter, wenn man so will. Da geht es jedoch, wenn man mit dem historischen Hammerflügel vergleicht jedoch nur um Nuancen.
Das Konzert beginnt mit einem sehr gut spielenden Orchester, das man, wenn überhaupt, nur von sehr wenigen Aufnahmen kennen dürfte. Der punktierte Rhythmus wird mit mehr Kraft ausgestattet, sodass wir dieses Mal dem Gestus ein wenig Stolz oder gar Trotz anmerken. Wir registrieren ein sehr engagiertes Spiel, bei dem die Holzbläser durchaus noch mit etwas Vibrato spielen dürfen. Das hat uns letztlich daran gehindert, diese Aufnahme zu den historisch informierten einzuordnen. Die Übergänge sind jedoch so fließend geworden, dass man kaum noch von zwei getrennten Lagern schreiben kann. Vibrato hin oder her, die Holzbläser spielen exzellent und werden vom Dirigenten ins rechte Licht gerückt. Er lässt die eigentlich einfach gestrickte Partitur ziemlich reich an Nebenstimmen erscheinen.
Zu bewundern ist der hervorragende Klavierklang, die tadellose Anschlagstechnik und das genauestens durchgeformte Spiel der Pianistin. Ihr Spiel wirkt belebt, nie tüftelnd, immer gerade heraus, stark abschattiert und akzentuiert und oft pulsierend. Das was man bei Andras Schiff sowohl kritisieren („gefühlsduselig“) als auch rühmen („extrem feinzeichnend“ oder „superdetailreich“) könnte, fällt bei Frau Hewitt weniger ins Gewicht, obwohl sie ihm diesbezüglich kaum nachsteht. Bei ihr verliert man jedenfalls nie die Übersicht.
Wie in vielen neueren Einspielungen beachtet man das „Alla breve“ im zweiten Satz (Larghetto) nun genau. Es ergibt sich ein sehr schnelles, aber immer noch angenehm fließendes Tempo. Frau Hewitt nimmt sich trotzdem die Freiheit zu sehr schön passenden Verzierungen des originalen Notentextes. Es gelingt ihr trotz des schnellen Tempos intensiv zu spielen, atmend und sprechend. Wenn es nach ihrem Spiel ginge, sollte die Einspielung in der Liste der historisch informierten Spielweisen zu finden sein. Sehr gut gefällt auch die schön pulsierende Begleitung der linken Hand. Das Tempo passt nun zu einem beschwingten Wandern, Franz Schubert hätte es sicher sehr gut gefallen. Die Kantabilität bleibt trotzdem gewahrt. Mozarts Musik bleibt durch und durch menschlich, wird nicht zerdehnt auf den Parnass gehoben, zwar traurig aber keinesfalls resigniert.
Das Tempo im dritten Satz (Allegro) erscheint nun konventioneller, langsamer aber ohne gemütlich zu werden, eher sehnsüchtig, manchmal glaubt man fast schon ein Jagdlied zu hören (zwei Hörner sind ja auch dabei, das einzige Blech übrigens). Das Spiel ist kammermusikalisch geprägt, sehr gut akzentuiert und bleibt immer im Fluss. Man wird der schlichten Art der Komposition vollauf gerecht, jedoch auf eine reichhaltig wirkende Art und Weise. Wenn man das Werk auf die höchstmögliche Ebene bringen wollte, so wäre diese Mission erfüllt.
Der Klang ist sehr klar, voll, warm grundiert, gut gestaffelt und körperhaft. Das Klavier ist sehr gut in den Orchesterklang eingewebt, jedoch trotzdem bestens heraushörbar. Angela Hewitt ist als eine Prima inter Pares erfahrbar. Eine Aufnahme nicht nur für audiophile Hörer/innen.
5
Alfred Brendel
Sir Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Philips
2000
14:29 7:35 9:06 31:10
Von Alfred Brendel lagen uns drei Einspielungen zum Vergleich vor. Die erste entstand 1959 mit Paul Angerer in Wien noch für sein erstes Label Vox. Da war er 28 Jahre alt. Die zweite folgte dann bereits für Philips 1974 mit Neville Marriner im Alter von 43 Jahren. Die letzte Einspielung ebenfalls für Philips machte er im Jahr 2000 mit Charles Mackerras, nun als 69jähriger. Die drei Aufnahmen unterscheiden sich nicht wenig, wobei sich an der grundlegenden Art des Spiels gar nicht mehr so viel geändert hat. Es wurde jedoch gründlich an den Nuancen gearbeitet. Für uns macht die letzte Einspielung das Rennen.
2000 ist das Tempo in allen Sätzen getragener geworden als 1974. Brendel kommt wieder auf die bereits 1959 für richtig erachteten Tempi zurück. Gemütlich wirkt der Gestus im ersten Satz dadurch jedoch nicht. Aber so temperamentvoll und pulsierend wie 1974 auch nicht.
Das Schottische Kammerorchester spielt technisch und in seiner Artikulation sehr gut, es verzichtet nicht auf Kontraste, gibt aber der Melancholie mehr Raum als die Academy mit Marriner 1974. Brendel selbst bringt nun einen sehr schönen Klang aus seinem Flügel hervor, sein Anschlag wirkt gegenüber den beiden vorherigen Einspielung verbessert, auf den Punkt gebracht sozusagen. Noch nicht ganz so flexibel und nuancenreich allerdings wie bei Sir Clifford, Monsieur Casadesus oder Frau Hewitt. Die größte Veränderung besonders gegenüber der 1974er ist jedoch, dass die Partner nun vorbildlich gleichgestimmt erscheinen. Obwohl immer noch durchdacht wirkend, erhält das Spiel des Klaviers aber auch des Orchesters mehr Gefühlswärme (natürlich auch klangtechnisch, wer will da genau unterscheiden?). Insgesamt gelingt nun eine sehr ausdrucks- und stimmungsvolle Wiedergabe des ersten Satzes.
Im zweiten Satz wählt man ein sehr gut passendes mittleres Tempo, in dem sich der Pianist mit mehr Poesie entfalten kann als zuvor. Unspektakulär aber ungemein stimmig. Sir Charles Mackerras ordnet sich viel besser in diesem Satz ein während Neville Marriner dem Klavier das Primat in diesem Satz immer wieder streitig machen will. Dieses Mal wirkt der Satz sehr klangvoll und anrührend vom Pianisten und Dirigenten vorgetragen.
Der dritte Satz wirkt nun gediegener, vielleicht dem fortgeschrittenen Alter, vielleicht gewonnenen Einsichten geschuldet. Frische und Spontaneität sind nun einer innigeren, nichtsdestotrotz farbigen und wenn so will etwas humorigen Diktion gewichen, ganz leise nur, aber spürbar. Vielleicht ist da sogar etwas Ironie im Spiel? Seine Eingänge spielt Brendel immer etwas abgewandelt, die Originalkadenz spielt er 2000 etwas kapriziöser als zuvor. Der traumhaft schöne Wiedereinstieg der Streicher bei T. 281 nach der Kadenz muss unbedingt erwähnt werden. Eine Kleinigkeit eigentlich nur, aber daran erkennt man wahre Interpreten-Kunst.
Herr Brendel hat sich sicher nicht weniger Gedanken um sein Mozart-Spiel gemacht als 1959 und 1974, es gelingt ihm in seiner letzten Aufnahme jedoch am besten im entscheidenden Moment loszulassen und sich der Poesie hinzugeben. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, vielleicht hat er auch nur eine neue Stufe des Gedankenreichtums erreicht?
Das Klangbild ist weniger präsent als 1974 und besonders das Orchester wirkt gegenüber Marriners Academy eingedunkelt und dynamisch nicht mehr so anspringend. Andererseits ist die Tiefenstaffelung verbessert, die Transparenz ebenso gut und die Balance kann als beispielhaft ausgewogen gelten. Insgesamt könnte man meinen, wenn man das Klangbild ausnahmsweise einmal personifizieren möchte, es wäre erwachsener geworden. Der Gesamtklang wirkt auch etwas gedeckter als in der klanglich ebenfalls sehr gelungenen Philips-Einspielung von 1987 mit Mitsuko Uchida und Jeffrey Tate. Auch nicht mehr so farbig als 1987. Fast könnte man meinen, es wäre bereits leicht ergraut. Das befördert den gediegen-seriösen, souverän-gekonnten meisterlichen Eindruck der Einspielung nochmals.
5
Francesco Piemontesi
Mirga Grazinyte-Tyla
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, München
BR, Mitschnitt, bisher auf Tonträger unveröffentlicht
2021
14:25 6:58 9:13 30:36
Dies ist ein Mitschnitt eines Konzerts, das unter Corona-Auflagen stattfand. Die Musiker mussten, das nur zur Erinnerung falls man diesen Text auch in einigen Jahren noch lesen sollte, einen fest definierten, mitunter von Zeit zu Zeit abgewandelten Abstand zueinander halten, was das Zusammenspiel nicht unerheblich erschwerte. Zudem, was das unbeschwerte Musizieren noch weiter behinderte, musste ein spezielle Atemschutzmaske getragen werden, die das Atmen selbst nicht unerheblich behinderte. Unter welcher Schutzstufe dieses Konzert aufgenommen wurde, konnten wir am Radio nicht beobachten; unseres Wissens können sich Interessierte jedoch anhand des immer noch in der Mediathek von ARD und BR abrufbaren Videomitschnitts selbst ein Bild davon machen.
Noch ein Wort zum Namen der Dirigentin. Der Doppelname rührt nicht aus der Verbindung ihres Namens mit dem ihres Ehemanns, sondern sie gab sich den Namen Tyla selbst, was im Litauischen soviel bedeutet wie „Stille“ oder „Ruhe“. Es kann auch „Schweigen“ bedeuten. Interessant für eine Musikerin.
Egal wie die Erschwernisse nun ins Gewicht gefallen sein mögen, am ausgesprochen gelungenen Ergebnis haben sie nichts rütteln können. Weitere Corona-Konzerte sind in unsere Liste eingegangen. Hinzuweisen wäre besonders auf den Mitschnitt mit Igor Levit und dem HR SO. Wir haben ihn zur Liste der historisch informierten zugefügt, wobei die Übergänge was in welche Liste gehört mittlerweile durchlässig geworden sind. Er wäre noch vor diesem Mitschnitt einzuordnen, wenn er in derselben Liste stehen würde.
Das gewählte Tempo im ersten Satz wirkt sehr gut zwischen Ruhe und Erregung ausbalanciert. Dass man beides gleichermaßen ausdrücken kann, ist schon eine große Leistung für sich. Die Münchner Violinen, vielleicht auch etwas stärker besetzt, klingen weicher und runder als die des Scottish Chamber Orchestra unter Manze in der zeitlich gesehen ersten Aufnahme mit Francesco Piemontesi (Linn). Auf sie kommen wir auch in der Liste der historisch informierten zu sprechen. Die Dirigentin trifft den Ton des Konzertes sehr gut. Energisch genug, das Forcieren gut vermeidend, bietet man herrlich aufblühende Holzbläsersoli auf. Piemontesi phrasiert lebendig, luzide, übrigens in völligem Gleichklang mit dem Orchester, ebenmäßig mit vollem, klarem Klang. Sein Ton wirkt frei, sein Anschlag sehr gut definiert. Er selbst ist gegenüber der Linn-Aufnahme unzweifelhaft als derselbe Pianist zu erkennen. Pianist und Orchester scheinen jedoch nun besser zueinander zu passen, als in der Linn-Produktion.
Zur Sendung des zweiten Satzes hebt man beim BR den Pegel etwas an. Das Tempo wirkt auch in diesem Fall wieder angemessen. Das f wird nicht (wie so oft) mit einem ff verwechselt. Wie in seiner Studioproduktion aus Schottland bringt Herr Piemontesi auch im Konzert Verzierungen an. Die Schönheit des Orchesterklangs verdient in diesem Satz eine gesonderte Erwähnung. Während der Klavierklang, dem es als solcher an nichts fehlt ein wenig zum Monochromen neigt, erschien es uns so, als phrasiere das Orchester noch etwas einfühlsamer und expressiver.
Im dritten Satz dreht der Pianist auf. Beschwingt, hellwach und mit jugendlichem Charme, ja fast schon mit übermütiger Vorfreude und durchaus kecker als zuvor in Schottland sprudelt der Satz nun heraus. Das Zusammenspiel wirkt sehr inspiriert. Ein Beispiel: Bei Takt 130 spielt Piemontesi ins Orchesterspiel hinein, obwohl er noch gar nicht dran wäre, einen ganz kurzen Moment nur und sicher nicht unbeabsichtigt. Es wirkt so, als ob er es nun gar nicht mehr abwarten könnte, hebt dadurch die quirlige Vorfreude nur noch hervor. Auch später lässt er es noch mehrmals geradezu vor Freude hüpfen. Dazu dienen ihm seine eigens erdachten eingefügten Stilfiguren. Im dritten Satz macht das kaum jemand. Gerade der Schlusssatz wirkt in dieser Darbietung besonders reich und bereichernd auch für die Zuhörer/innen.
Der Klang der Aufnahme überzeugt durch ein breites und transparentes Klangbild. Breiter als das bei Linn. Brillanz und Plastizität sind sehr gut und deutlich besser als bei den beiden Mitschnitten der Sendungen des ORF, die beide in der Liste der Einspielungen stehen, die ohne hauptamtlichen Dirigenten ausgekommen sind. Es sieht so aus, als müsse man sich um die Mozart-Interpretation auch für die Zukunft keine Sorgen machen.
5
Friedrich Gulda
Claudio Abbado
Wiener Philharmoniker
DG
1976
14:47 8:13 9:20 32:20
Erst vor drei Jahren, also 1973 wurden die Wiener Philharmoniker zu einer Aufnahme des Klavierkonzerts Nr. 27 B-Dur KV 595 gebeten, die von der Kritik gefeiert wurde. Emil Gilels saß am Flügel, Karl Böhm dirigierte. Drei Jahre danach waren es Friedrich Gulda und Claudio Abbado, die mit ihnen gemeinsam erneut für euphorische Kritiken sorgten. Dabei konnten die Einspielungen für die damalige Zeit kaum unterschiedlicher sein. Mit Claudio Abbado klingt das Orchester erheblich schlanker und sein Spiel wirkt erheblich gefühlvoller als mit Karl Böhm. Es ist anzunehmen, dass die Streicher bei Abbado mit weniger Pulten auskommen mussten. Verblüffend ist, dass sich Gulda und Abbado auf ein noch langsameres Tempo für das erste Allegro geeinigt haben als Gilels und Böhm. Und es wird streng gehalten.
Guldas Bösendorfer klingt erheblich gedeckter als der Steinway von Gilels. Er leistet sich so gut wie keine Binnenagogik und seine generell strenge Diktion ist im Dynamischen deutlich nuancierter. Gerade die Dynamik erscheint mit dem Orchester ausgezeichnet abgestimmt. Gulda spielt sich nie in den Vordergrund (wenn man von seiner aufsehenerregend guten Fingertechnik einmal absieht), Klavier und Orchester sind intensiver miteinander verwoben als bei Gilels/Böhm. Es findet mehr „concertare“ statt. Guldas Technik kann man nur als bestechend bezeichnen, seine Sicherheit erscheint traumwandlerisch. Die Dynamik wird stark abschattiert, auffallend sind die vielen Nuancen der p. Was man bei Gilels gar nicht findet: Gulda bringt schon etwas „Hammerklavierfeeling“ mit in seine Darbietung mit ein. Gilels´ Klang ist dagegen so üppig (und für sich genommen faszinierend, gerade in seiner Leuchtkraft) und fabelhaft abgerundet, dass man meint, er müsse eigentlich eher zu Brahms oder Rachmaninov gehören. Bei Gulda passt es mit der „Stillen Einfalt“ und der „Edlen Größe“ schon viel besser.
War der Klang im ersten Satz noch ein wenig trocken, so wirkt er im Larghetto mit mehr Brillanz versehen. Guldas Klavierklang scheint sich nun sogar dem Glöckchenklang der „Zauberflöte“ anzunähern (gerade bei den höheren Tönen). Es ist kaum anzunehmen, dass das Zufall ist. Der Musiziergestus wirkt natürlich und behutsam. Abbado lässt es schön strömen. Das Tempo wirkt etwas bewegter als bei Böhm, der unvermindert auf die Tränendrüse zu drücken scheint. Böhm neigt entschieden zum Zelebrieren. Abbado bleibt auch beim strömen-lassen streng im Metrum. Gulda und das Orchester bauschen nichts auf, die Dynamik verlässt das mozartische f nicht, während Böhm sie (hemmungslos) ins ff weitet. Das Orchesterspiel wirkt mit Abbado überhaupt nuancierter, weniger füllig, sensibler und wenn man so will sogar „zärtlicher“ als bei Böhm (und weniger stark auch als bei Szell in der Aufnahme der Wiener mit Curzon 1964). Der Klavierklang wirkt bei aller bewussten und vollständigen Kontrolle wunderbar losgelöst und schwebend.
Der dritte Satz (Allegro) lässt im Grunde genommen zwei Deutungen zu: Tänzerisch oder liedhaft. In dieser Einspielung ist es so, dass sich der Pianist eher für das liedhafte entscheidet (es sei denn das Figurative, motorische geprägte liegt gerade an, z.B. in den Läufen oder teilweise in der Kadenz) und der Dirigent eher für das Tänzerische, aber das Liedhafte versucht zu integrieren. Das Orchester wirkt erneut subtiler als bei Böhm und der nun wieder trockenere, schlankere Ton Guldas wirkt angemessener als der prachtvolle, fast majestätische Ton von Emil Gilels. Dass beide pianistisch allerhöchstes Niveau halten braucht kaum zu erwähnt werden. Guldas Kadenz wirkt lebendiger ohne jede Showelemente. Sein Spiel generell uneigennütziger. Das Ineins von Wehmut und (Vor)Freude, Ernst und „Purzelbaum“ lässt sich gut erhören.
Im Klang der Aufnahme wirkt das Klavier bei Gulda/Abbado viel mehr in das Orchester eingewoben als bei Gilels/Böhm, bei dem die klassische Konzertattitüde deutlicher ausgeprägt ist (mit dominantem Klavier). Das ebenfalls warm und blühend klingende Orchester ist bei Gilels/Böhm etwas plastischer und brillanter zu hören. Bei Abbado klingt es einen Tick halliger. Obwohl die DG-Aufnahme auch 1976 einen sehr guten Eindruck macht, hat die ´73er klanglich die Nase vorn.
5
Rafael Orozco
Charles Dutoit
English Chamber Orchestra
EMI
1981
14:18 9:23 9:05 32:46
Der in unseren Breiten wenig bekannt gewordene Pianist gehörte in anderen Teilen der Welt zu den großen spanischen Konzertpianisten. Er war Schüler u.a. von Alexis Weissenberg und Maria Curcio, die ihrerseits die letzte und die Lieblingsschülerin von Artur Schnabel gewesen war. Er verstarb gerade einmal 50jährig 1996 an AIDS. Es gibt einige Einspielungen mit ihm, die sein Repertoire einigermaßen gut umreißen, mit Mozart ist er jedoch nicht hervorgetreten. Und wenn wir gerade schon bei der Besetzung sind: das English Chamber Orchestra war von 1960 bis etwa Mitte der 80er Jahre das Schallplattenorchester für die kleinere Besetzung schlechthin, es begegnet uns wohl auch in unserem Vergleich mindestens so oft wie die Wiener Philharmoniker. Man lieferte sich mit der Academy Marriners einen regelrechten Wettkampf, der aber dann immer mehr zugunsten der Academy ausging. Charles Dutoit hingegen ist, wie der Pianist, als Mozart-Dirigent wenig in Erscheinung getreten. Außer der hier vorgestellten ist uns bis heute keine einzige weitere Einspielung mit Musik Mozarts bekannt geworden.
Umso überraschter waren wir von dem stimmigen Gesamteindruck, der diese Einspielung bei uns hinterließ. Doch eins nach dem anderen. Das Orchester strahlt zunächst einmal wenig Ruhe aus, es spielt aber sehr gut, besser als bei Barenboim und Perahia und hellwach und vital. Die Oboe, die sich mitunter als Manko im Bläsersatz des ECO herausgestellt hat, wird gut im Zaum gehalten.
Orozcos Klavier befleißigt sich großer Zurückhaltung, bringt aber ein hervorragendes Mozart-Spiel im Stil von Robert Casadesus hervor. Es klingt wie das Orchester vital und nuanciert, sehr ausdrucksvoll, versiert und farbig. Er beherrscht feinstes Non-Legato, genau wie bestes Legato-Spiel. Orozco bringt gerade die untergründige Verschattung der Musik sehr gut zur Geltung. Es ergibt sich ein hochklassiges Concertare, trotz passagenweiser orchestraler Dominanz, die uns in diesem Fall gar nicht gestört hat.
Auch das Larghetto wird sehr gefühlvoll gespielt, wobei der Vortrag auf gelungene Weise schön frei wirkt. Die ruhevoll vorgetragene melancholische Stimmung wirkt in keiner Phase aufgesetzt. Das Orchester drängt sich nicht nach vorne und wirkt ebenfalls sehr subtil. Das f bewegt sich im stilistischen Rahmen. Der Vortrag aller Beteiligter besticht durch seine Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit.
Im dritten Satz überzeugt Senor Orozco mit hervorragender Pianistik und ausdrucksvollem Spiel, das sich in besonderer Weise idiomatisch anhört. Gegenüber den zahlreichen Aufnahmen Casadesus´ bringt diese Einspielung auch noch eine gut gelungene Aufnahmequalität mit. Eine veritable kleine Entdeckung. Wer hätte das zuvor vermutet? Seltsam, dass diese Einspielung keine Folgen auf weitere Aktivitäten dieses Teams in diesem Repertoire hatte.
Der Klang wirkt sehr transparent und übersichtlich. Mit der Brillanz wird nicht gerade verschwenderisch umgegangen, aber sie reicht völlig aus. Die Aufnahme klingt noch nach einer Analog-Aufnahme, denn es stören keinerlei digitale Artefakte und der Klang wirkt angenehm warm getönt.
4-5
Robert Casadesus
George Szell
Columbia Symphony Orchestra (Members of Cleveland Orchestra)
CBS-Sony
1962
13:19 8:46 8:01 30:06
Von Robert Casadesus lagen uns fünf Einspielungen zum Vergleich vor. Darunter ist nur eine Stereo-Aufnahme, der wir alleine aus diesem Grund den Vorzug vor den anderen geben wollen. Musikalisch erreichen sie alle fünf das gleich hohe Niveau, weshalb wir sie auch direkt hintereinander präsentieren wollen. Klangtechnisch sind sie alle nicht optimal, wobei die 62er Studioproduktion aus Cleveland noch deutlich die beste ist. Anhand des Aufnahmeortes und auch aufgrund seines typischen Bläserklangs lässt sich das Orchester als das Cleveland Orchestra heraushören, wobei es wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen bei fast allen Ausgaben sei es als LP oder CD als Columbia Symphony Orchestra firmiert, dem Namen unter dem man bei Columbia allerhand verschiedene Adhoc-Ensembles für ihre Einspielungen firmieren ließ. Erst bei den neueren Wiederauflagen kann man auch Members of Cleveland Orchestra auf dem Cover lesen.
Eines ist aber schon nach den ersten Takten klar: die Violinen kommen lange nicht an die Klasse der Wiener Kollegen (damals spielten nur Männer in dem Orchester) in der 64er Aufnahme ebenfalls unter George Szell heran. Man spielt zügiger aber weniger differenziert im Dynamischen. Der p-Bereich bleibt weitgehend außen vor. Jedoch, da George Szell am Dirigentenpult stand wäre alles andere verwunderlich gewesen, sehr gut akzentuiert in der Phrasierung und der erste Satz wird mit viel Spannung dargeboten. Casadesus spielt sehr zurückgenommen im Gestus, man möchte meinen introvertiert. Nichtsdestotrotz hören wir brillante Läufe, eine bestechend genaue Artikulation und eine fabelhaft lebendige Phrasierung. Casadesus ist vielleicht der Pianist, der dem p-Bereich die meisten Schattierungen mitgeben kann. Was man einem vielleicht fehlen mag, ist das einmal richtig durchdringende f. Das gibt es bei Monsieur Casadesus´ Mozart-Interpretationen einfach nicht. Genau diese Art des Klavierspiels hören wir unerschütterlich in allen fünf Aufnahmen. Ebenfalls allen Einspielungen eigen ist das sehr gute aufmerksame und lebendige „Concertare“. Was den Wert dieser Aufnahme von 1962 ein wenig schmälert ist, dass man das Klavier vermeintlich wie hinter einem Vorhang spielen hört. Das macht das Klavier akustisch „kleiner“ als es ist.
Auch im zweiten Satz singen die Wiener Geigen schöner. Casadesus´ Flügel wirkt jedoch bezaubernd schön. Er spielt richtig leise und anrührend. Man merkt schon nach den ersten Tönen, dass da ein Meister am Flügel sitzt. Der Gestus steht dem der Gilels/Böhm-Aufnahme diametral gegenüber. Der Klang wirkt bei Casadesus wie auf das Wesentliche zurückgeführt. Das wirkt demütig und bescheiden, sanft und zutiefst menschlich. Dem Eindruck des niedlich-verspielten entgeht man gänzlich. Man lässt die Sonne im Kleinen warm strahlen. Das Orchester kann (oder möchte) so leise wie der Pianist spielt, kaum folgen. Der Zauber liegt hier in der Stille, denn auch das Orchester und sein Chef versuchen spürbar hochachtsam darauf aufzupassen, dass es diese Stimmung nicht gestört, sondern nach Kräften befördert wird.
Deutlich kräftiger wird wieder im folgenden Allegro musiziert. Mit einer verhaltenen Leuchtkraft im Klang des Flügels, aber nicht im Pianistischen als solches. Da ist Casadesus ein großes Kaliber. Das tänzerische Element wir nicht vergessen, die Kantabilität nicht vernachlässigt. Monsieur Casadesus variiert seine Eingänge immer und füllt auch die große Kadenz noch bereichernd auf. Szell lässt das Orchester in Cleveland im dritten Satz noch etwas impulsiver spielen als zwei Jahre später in Wien. Festzuhalten bleibt noch, dass die Studioaufnahme etwas langsamer gerät als die Live-Aufnahmen aus derselben Zeit. Ob man da mehr Wert auf die Reinschrift gelegt hat? Wohl kaum, denn auch die Live-Aufnahmen sind bei Casadesus pianistisch die Reinschrift schlechthin.
Wie bereits erwähnt kann der Klang der Aufnahme kaum mit der nur zwei Jahre später entstandenen Decca Aufnahme Szells aus Wien mithalten. Das liegt vor allem an dem stumpfen Klang des Flügels, der wie hinter einem dicken Vorhang zu spielen scheint. Dem herausragenden Klavierspiel wird man so nicht vollends gerecht. Das Orchester klingt hingegen viel offener und schön transparent. Das leichte Rauschen dringt viel mehr ins Bewusstsein als bei der genannten Decca-Produktion.
4-5
Robert Casadesus
John Barbirolli
Philharmonic Symphony Orchestra of New York (heute: New York Philharmonic)
Columbia
1941
12:32 8:26 7:49 28:47
MONO Barbirolli lässt das Orchester mit einem etwas frischerem Gestus musizieren. Der damit verbundene Ernst der Darbietung erscheint der Darbietung unter Szell jedoch nicht unähnlich. Casadesus hingegen spielt mit einem kräftigeren, agileren Gestus aber bereits einem ähnlich gedeckten Klang. Der Klang des Flügels erscheint besser eingefangen als in der 21 Jahre jüngeren Einspielung mit George Szell. Schon damals erreichte er eine vorbildliche Korrespondenz mit dem Orchester. Das Orchester spielt mit dem damals typischen Holzbläserklang vieler amerikanischer Orchester.
Die Aufnahme verbreitet nicht diese Endzeit-Melancholie vieler älterer Einspielungen, die das Leben Mozarts mit dem Werk Mozarts in Einklang bringen wollten. Hier wird die immer noch vorhandene Entdeckerfreude, die gerade für die schnellen Sätze Mozarts oft so erfrischend sind noch nicht ad acta gelegt. Das klingt spannend. Selten haben wir innerhalb unseres Vergleiches eine so locker hingelegte und zugleich so pointiert dargestellte Kadenz gehört wie vom damals 42jährigen französischen Pianisten. Schnörkellos und jugendlich.
Im Larghetto klingt es bei Barbirolli „andächtiger“ und getragener, weniger modern als mit Szell. An der Artikulation des Pianisten ändert sich nichts. Casadesus Ton hält allerdings lange nicht so lange durch wie der eines Gilels, der vielleicht auch mehr Pedal nutzt aber einfach einen erheblich substanzreicheren Klang hervorbringt. Das nur ganz nebenbei. Zurückgenommener und bescheidener im Sinne von uneigennützig oder gar demütiger kann man den Satz kaum spielen. Das gilt für alle Aufnahmen Casadesus´ von KV 595.
Im abschließenden Allegro wirkt das Tempo sogar ein wenig gebremster als später mit Szell (Köln), wobei die tatsächliche Spieldauer eine andere Sprache spricht. Der Gestus wirkt hellwach. Überraschend sind wieder die stets anderen eigenen, hier sogar witzig anmutenden Eingänge des Pianisten. Leicht und pointiert verzichtet der französische Meisterpianist sogar in der Kadenz von 1941 auf jede Selbstdarstellung.
Der Flügel steht etwas mehr im Vordergrund als in den späteren Aufnahmen. Sein Klang wirkt sogar ein wenig brillanter als in der ´62er Einspielung. Der beachtlich gute Klang des Flügels steht auch dem der ca. 20 Jahre später entstandenen Live-Aufnahmen nicht nach. Die fast vollständig eliminiertem Laufgeräusche der alten Platten deuten auf ein vorbildliches Remastering hin.
4-5
Robert Casadesus
George Szell
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln)
Guild
1958, live
12:46 7:46 7:32 28:04
MONO Vier Jahre vor der Studio-Aufnahme in Cleveland geht das Team Casadesus/Szell das Werk in Köln noch etwas zügiger an. Dass man damit ein höheres Risiko eingegangen sein könnte, war wohl kaum zu befürchten. Dazu erscheinen des Pianisten Finger unfehlbar zu sein. Das Kölner Orchester macht dieses Mal einen sehr guten und inspirierten Eindruck. Casadesus spielt auch auf dem Kölner Flügel (es ist nicht bekannt, dass auch er seinen Flügel mit auf Reisen genommen hätte) mit seinem unverwechselbaren an ein Hammerklavier erinnernden gedämpften Klang. Die Gangart wirkt ein wenig beschwingter, gar lustvoller als 1962. Ansonsten gibt es keine entscheidenden Änderungen gegenüber den anderen Einspielungen.
Im Larghetto hören wir auch in Köln allerfeinste Abschattierungen des Pianisten. Bei Casadesus ist dieser Satz ganz und gar eine liebevoll-intime Angelegenheit und Szell passt das Orchester wunderbar der Spielweise des Pianisten an.
Im finalen Allegro sind erneut die verkürzten und variierten Eingänge des Pianisten z.B. bei T. 131 bemerkenswert, auch bei T. 150. Fazit: Zärter als Casadesus und ohne jemals weichlich zu wirken spielt Mozarts Nr. 27 wohl niemand.
Die Aufnahme des WDR kommt klanglich an die beiden etwas neueren des österreichischen und schweizerischen Rundfunks locker heran. Die Nebengeräuschfreiheit lässt auf eine Studioproduktion schließen. Von den drei Mitschnitten hört man vom Orchester im Kölner Mitschnitt am meisten und auch das Klavier klingt hier am besten. Deshalb steht sie vor den beiden anderen, nicht wegen des Dirigates von Carl Schuricht.
4-5
Robert Casadesus
Carl Schuricht
Wiener Philharmoniker
Orfeo
1961, live
13:00 7:41 7:58 28:39
MONO Die Wiener Philharmoniker, das in unserem Vergleich wohl am häufigsten zu hörende Ensemble, spielt in Salzburg besser als das ebenfalls unter Carl Schuricht spielende Festival Orchestra Lucerne in dem an letzter Stelle aufgeführten Mitschnitt mit Herrn Casadesus. Beide Orchester spielen den ersten Satz aber pulsierend und teils mit ordentlichem Drive. Die Wiener Oboe gefällt wie in den Aufnahmen mit Böhm (2x), Szell und Abbado sehr gut. Sie scheint für Mozart wie geschaffen. Das Orchester klingt etwas ausgewogener als die Schweizer, spielt kontrastreich mit teils dramatisch inspirierten Steigerungen. Casadesus bringt das gesamte pianistische Spektrum zu Gehör aber quasi durch die speziellen Anforderungen an den speziellen Mozart-Ton gefiltert. Er scheint voll in die Tasten zu greifen, gibt also richtig Kraft in die Tasten und trotzdem hören wir nur ein f und kein ff. Wie gesagt gilt das für alle seine Aufnahmen, die wir in unserem Vergleich hören konnten. Schuricht lässt in beiden Fällen den Orchesterpart mit einem völlig unverzärtelten, teils sogar herben Zugriff zu Gehör bringen. Die lyrischen Abschnitte wirken jedoch nicht überspielt.
Dass Herr Schuricht bereits in seinem 81. Lebensjahr stand, kann man angesichts der unerhörten Vitalität kaum glauben.
Hier kann man nicht anderes schreiben als vom Luzerner Mitschnitt, nur dass der Salzburger Mitschnitt mit den Wienern von deren Leuchtkraft profitiert an die die Schweizer nicht ganz herankommen. Es lagen nur wenige Wochen zwischen den beiden Aufführungen.
Im finalen Allegro das gleiche Bild wie im Studio; weniger auftrumpfend und doch völlig partiturgerecht und zugleich pianistisch aussagekräfiger kann man sich das kaum denken. Beim Holz bekommen wir vor allem die Oboe zu hören, die einmal wieder den Bläsersatz dominiert.
Auch bei Orfeo klingt das Klavier etwas brillanter als in der 62er Studioproduktion. Das Orchester klingt jedoch viel schlechter als dort. Es gibt kaum Rauschen. Insgesamt ist der Wiener Mitschnitt trotz der Veredelungsmaßnahme durch Audite dem Mitschnitt aus Luzern eine Nasenspitze voraus. Klanglich sind sie jedoch beide nicht empfehlenswert.
4-5
Robert Casadesus
Carl Schuricht
Schweizerisches Festspielorchester (heute: Lucerne Festival Orchestra)
Audite
1961, live
13:05 8:06 7:47 28:58
Die durchaus wohlklingenden ersten Violinen tragen das Geschehen in der Einleitung mehr als in den anderen Aufnahmen mit Casadesus, gerade in den beiden mit Szell. Man könnte, wenn man es negativ formulieren möchte auch schreiben, die anderen Streicherstimmen fallen mehr unter das „Podium“, als dass man sie hören könnte. Erneut geht es bei Schuricht noch etwas lebendiger, temperamentvoller und angetriebener zu als bei Szell. Auch in Luzern kommt im Orchester passagenweise richtiger Drive auf. Erneut wartet Casadesus mit seinem an das Hammerklavier erinnernden, leichten und präzisen Anschlag und seinem zurückhaltenden Sound auf. Er spielt erneut dynamisch, ohne dass es je aufdringlich oder gar protzig werden würde. Distinguiert und stilsicher trifft es gut. Die Kadenz klingt enorm virtuos und absolut gekonnt.
Das Larghetto wirkt ein wenig zügiger als mit Szell, wobei nicht ganz derselbe Grad der Versenkung erreicht scheint. Im Gegenzug wirkt die Dynamik etwas stärker kontrastierend und der Gestus etwas lebendiger.
Ganz ähnlich wie bei Szell geht dann der dritte Satz über die Bühne. Prägnant, mit erneut verkürzten Eingängen und den Tanzcharakter im Satz dem Liedhaften vorziehend. Fazit: KV 595 wird mit Schuricht fast im Stile eines Jugendwerkes (mit vereinzelten Verschattungen) dargeboten.
Auch die Techniker des Schweizer Rundfunks in Verbindung mit der Überarbeitung durch Audite konnten den Klang des Klaviers von Herrn Casadesus brillanter und sonorer als in der 62er CBS-Aufnahme einfangen. In diesem Mitschnitt klingt das Klavier verhältnismäßig besser als das Orchester, dem es an Offenheit und Fülle mangelt. Insgesamt klingt es recht hell und ziemlich frisch, noch transparent und sonor. Und nur wenig trocken. Trotz der Mühe, die seitens Audite in die Klangverbesserung geflossen sein mag, audiophile Gründe sprechen immer noch nicht für diese Einspielung.
4-5
Mitsuko Uchida
Jeffrey Tate
English Chamber Orchestra
Philips
1987
14:11 8:46 9:22 32:19
Das ECO klingt besser als in der Aufnahme mit Daniel Barenboim, der als ausführender Pianist jedoch auf externe Unterstützung durch einen zusätzlichen Dirigenten verzichtet hat. Mozart selbst mag das zwar auch so gemacht haben und viele andere Pianist/innen tun es ihm nach (und die Konzertveranstalter können einen Großteil oder sogar die komplette Gage für den Dirigenten einsparen), der Präzision und Inspiration tut das jedoch selten gut. Das Orchester klingt dieses Mal präziser, brillanter und sonorer. Es knüpft eher an seine Leistung unter Britten an.
Frau Uchida erfreut mit einem butterweichen Anschlag und einem dennoch gut fokussierten, dunkel gefärbten Klang. Das geht sogar so weit, dass man den Anschlag selbst als mechanischer Schlag auf die Saiten gar nicht mehr als solcher wahrnimmt. Der Ton ist einfach da. Das ist bei den anderen Pianisten zwar ähnlich, aber bei Mitsuko Uchida fällt diese Art Entmaterialisierung besonders auf. Ihre Artikulation erfolgt locker und bestimmt, der Klang voll und wohlkonturiert, sensibel und geschmeidig. Wie bei Andras Schiff hören wir ein sehr gutes, fein aufeinander abgestimmtes Miteinander eines eingespielten Teams, hat man doch ebenfalls gemeinsam eine Gesamtaufnahme erarbeitet.
Im Larghetto kommt ihre fantastische Anschlagskultur und ihr hochsensibles Spiel noch besser zum Tragen. Mit höchster Präzision gelingt eine sehr ruhige und kontemplative Darstellung, garniert mit bestens eingepassten Ausziehrungen. Ein Strömen-lassen ohne die Kontrolle zu verlieren. Das gelingt nahezu vollendet und berührend.
Das abschließende dritte Satz wirkt (für unseren Geschmack) etwas zu langsam für ein Allegro. Der tänzerische Gestus wirkt noch spürbar und hinreichend beschwingt. Das f des Orchesters wird nie überzogen. Das Spiel generell stilsicher und überzeugend. Heutzutage würde man das Holz vielleicht nicht mehr mit so viel Vibrato spielen lassen. Die Original-Kadenz wird effektvoll und innig zugleich dargeboten und den Klavierpart kann man in dieser Perfektion nur selten hören. Den Klang des Flügels kann man sich kaum schöner vorstellen.
Frau Uchida hat das Konzert in Cleveland nochmals eingespielt. Sie dirigierte das Orchester dabei vom Flügel aus. Auch sie konnte dabei an dieses Highlight der Diskographie von 1987 nicht mehr nahtlos anknüpfen.
Der Klang der Aufnahme ist offen, schön räumlich, sehr transparent und körperhaft. Bei dem sehr gut gestaffelten Klangbild wird der Flügel etwas nach vorne gezogen Der Gesamtklang ist ausgezeichnet. Das Klavier klingt ungleich brillanter als bei Robert Casadesus. Eine audiophile Empfehlung, obwohl die Digitaltechnik noch gar nicht zur vollen Reife gelangt war.
4-5
Matthias Kirschnereit
Frank Beermann
Bamberger Symphoniker
Arte Nova
2005
14:00 6:40 8:56 29:36
Auch dieses Team konnte innerhalb einer Gesamteinspielung aller Mozart-Konzerte über mehrere Jahre zusammenwachsen und seine Zusammenarbeit perfektionieren. Dieses Konzert wurde ziemlich am Ende der Sessions aufgenommen. Das Orchester, das in angemessener Besetzungsstärke spielt, zeigt ein kantables, dynamisch recht flexibles Spiel, klangvoll und kammermusikalisch ausgerichtet. Die farbig spielenden Holzbläser hätten etwas besser herausgestellt werden können. Herr Kirschnereit spielt mit einem sehr differenzierten Anschlag mit dem richtigen Maß an klar klingender Härte. Er vernachlässigt die Anforderungen an die Kantabilität in keiner Weise. Sein Spiel wirkt locker konzentriert, durchdacht und konturiert. Die Phrasierung lässt ein liebevolles Verhältnis zur Musik spüren. Hier wird weder Nymphenburger Porzellan produziert noch geht man in die Süßigkeiten-Produktion. Alles hat Hand und Fuß und wird spannend musiziert.
Das zügig genommene Larghetto wird vom Pianisten dezent ausgeziert und von den Streichern sehr vibratoarm gespielt. Man versucht aus dem Satz keinen transzendenten Klangzauber zu machen und beachtet die Alla breve-Vorschrift. Das ist ehrliches Musizieren in aller Demut und Bescheidenheit. Uns gefällt das sehr gut.
Hohe Kompetenz auch im Allegro des dritten Satzes. Keine Schaumschlägerei, uneigennützige Interpreten-Haltung, sympathische Wirkung.
Das Klangbild ist ausgewogen und transparent. Für Mozart-Verhältnisse hat man einen kräftigen Bass beigegeben. Der Klavierklang ist sehr gut, die Balance zwischen Klavier und Orchester ebenfalls. Insgesamt bleibt der Klang jedoch etwas blasser und weniger brillant und dynamisch als bei den aufnahmetechnischen Höhenflügen etwa bei Hewitt oder Uchida.
4-5
Alfred Brendel
Neville Marriner
Academy of St.-Martin- in- the-Fields
Philips
1974
13:42 6:55 8:26 29:03
Brendels zweite Einspielung, die er mit 43 eingespielt hat (ebenfalls innerhalb einer GA) unterscheidet sich merklich von seiner bereits zur weiter oben zu Ehren gekommenen dritten. Das Spiel der Academy wirkt erheblich kerniger und temperamentvoller als das der Schotten. Die Violinen klingen dieses Mal etwas aufgeraut und „harzig“. Man erreicht ein hohes Energielevel im Spiel, für Melancholie bleibt da gar nicht mehr so viel Platz. Das Konzertieren gelingt auffallend lebendig, die Holzbläser-Soli sind schwungvoll und leuchten ungemein auf. Brendel spielt ebenfalls recht schwungvoll. Er ist aber nicht der Übertechniker wie Anda, Gilels oder Uchida und Hewitt. Man hat den Eindruck, dass Marriner in dem Konzert viel weniger ein „Abschiedskonzert“ sieht als Brendel. Brendel seinerseits wirkt eher ein wenig grübelnd und nachdenklich. Auch ein Konzertieren mit gegensätzlichen Positionen kann einen speziellen Reiz entwickeln. So wirkt das Orchester erheblich dynamischer als der Pianist auch kräftiger und impulsiver, ähnlich wie es bereits bei Schiff/Vegh aufgefallen ist. Von einem Zusammenspiel aus einem Geist heraus kann in diesem Fall keine Rede sein. Beide Seiten verstehen ihre Rollen verschieden. Das soll nicht heißen, dass es irgendwo klappern würde, denn rein technisch läuft es nahtlos ab, wirkt sogar inspirierend und befeuernd, was aber vor allem vom Orchester ausgeht. Besonders erwähnenswert ist, dass dies eine der ganz wenigen Einspielungen ist, die zumindest im ersten Satz den Wechsel von Tutti und Solo beachtet. Dabei spielt vom Orchester nicht mehr das komplette Streichorchester, sondern nur noch die Stimmführer, d.h. ein Streichquartett. In der Aufnahme mit Andeas Staier und einigen wenigen kommt man wieder darauf zurück. Es steht so in der Partitur und wird trotzdem fast immer ignoriert.
Im Larghetto steht die Kantabilität einmal nicht unbedingt an oberster Stelle. Das Tempo ist bereits beachtlich zügig. Eine besonders rhetorisch orientierte Spielweise lässt sich noch nicht erkennen, es besteht jedoch kein Drang mehr zum Romantisieren, wie dies ein Jahr zuvor noch bei Gilels/Böhm der Fall war. Solist und Dirigent sind im zweiten Satz eher gleichgestimmt als im ersten. Marriner treibt die Dynamik jedoch erneut sehr weit, Brendel hält zumindest teilweise hier ganz gut mit. Er spielt ziemlich robust um nicht zu sagen rustikal um mit dem Orchester mitzuhalten. Es gibt jedoch kein Schmachten, das „Alla breve“ wird beachtet. So ergibt sich alles andere als Transzendenz oder gar ein Trauergesang. Sogar im zweiten Satz bleibt man hier kraftvoll, flott und tatendurstig.
Das abschließende Allegro gelingt anspringend vital, frisch und kontrastreich und besonders im Orchester sehr schwungvoll. Die Holzbläser dürfen ihre Beiträge mit virtuosem Aplomb bringen. Vor allen Dank Marriner wird aus dem Satz mehr als ein laues Frühlingslüftchen sondern vielmehr eine ziemlich steife Brise. Auch hier wirkt Brendel wieder mehr auf der Linie des Orchesters. Er spielt temperamentvoll und was selten vorkommt bei diesem Konzert, nicht ohne Humor. Summa summarum ist Nr. 27 in dieser Einspielung alles andere als ein Abschiedskonzert. Man stellt es viel näher an die vorherigen Konzerte als dies gemeinhin üblich ist.
Die Aufnahme klingt sehr dynamisch, brillant und dynamisch. Klavier und Orchester sind sehr präsent. Die Balance ist gut. Wir haben das AMSI-Remastering gehört, das gegenüber der Original-Abmischung den Raum etwas weitet. Die erste Aufnahme Brendels von 1959 bei Vox wird in allen Belangen übertroffen.
4-5
Christian Zacharias
Günter Wand
Sinfonieorchester des NDR, Hamburg
EMI
1986
14:25 7:29 9:00 32:54
Auch von Christian Zacharias gibt es zwei Einspielungen. Beide entstammen Gesamteinspielungen der Werkreihe. Er nahm das Werk später noch einmal als Chefdirigent des Orchestre de Chambre de Lausanne auf und spielte zugleich den Klavierpart. Dass er damit seine ältere Aufnahme übertroffen hätte, lässt sich nicht behaupten. Sie klingt aber ganz anders. Die zweite Einspielung erscheint in der Liste mit den Einspielungen, die auf einen hautamtlichen Dirigenten verzichtet haben.
In der Aufnahme von 1986 kann man ebenfalls nicht unbedingt von einem gleichgestimmten Musizieren schreiben. Während der jüngere Zacharias mit seinem dunkel getönten, jedoch leuchtenden Klavierklang ein hoch konzentriertes, sehr bewusst, jedoch auch zart und verspieltes Spiel hören lässt, wirkt das Orchester etwas zu starr und zu gleichförmig in seiner Artikulation. Es klingt dabei nicht gerade schlank. Sein Klang verrät eine eher romantische Klangvorstellung, als ob es noch keine historisch informierte Aufführungspraxis gegeben hätte, dabei hatte sie ihre Anfänge schon hinter sich gelassen. Durchgesetzt hatte sie sich jedoch aber noch lange nicht. Es verlässt den ernsten einmal eingeschlagenen Grundton nicht und lässt es, so haben wir es jedenfalls empfunden, durchaus etwas an Lebendigkeit fehlen. Gegenüber dem flexibleren Zacharias eröffnet sich eine nicht zu überhörende Diskrepanz, die die Sache jedoch nicht unbedingt uninteressanter macht. Einigkeit herrscht jedoch darin, den sachlichen Zugang nicht verlassen zu wollen und die klassische Ausgewogenheit unbedingt in den Vordergrund der Gestaltung zu rücken. Da blitzt dann doch schon eine höhere Ebene auf, die es darzustellen gilt. Die Kadenz fügt sich in diesen Rahmen: Sie wirkt sehr ernst und fast bedächtig, klanglich und spieltechnisch allerdings brillant.
Das Larghetto könnte man sich kaum schöner vorstellen, ohne dass man das Werk nun gleich in den Parnass oder den Himmel erheben müsste. Im Gegensatz zu Böhm hält Wand den Satz im Fließen. Zacharias wirkt in diesem Satz viel näher an das Orchester herangerückt, vielleicht weil er viel leiser spielt als im ersten Satz. Er versteht sich als Primus inter pares. Er lässt sein Klavier in den schönsten Farben schimmern. Die Bläser könnten etwas besser zur Geltung kommen, denn sie sind etwas zu weit zurückgesetzt, ohne dass der Klangregie gleich stiefmütterliche Behandlung vorzuwerfen wäre.
Der dritte Satz erhält einen wunderbar schwebenden Gestus, klassisch-beherrscht sozusagen könnten wir ihn uns etwas lebendiger und pulsierender vorstellen, er bleibt tänzerisch gemessen aber dafür wunderbar kantabel. Auch Christian Zacharias bringt geschickt variierte Eingänge, er respektiert aber die Originalkadenz von Mozart. Insgesamt eine pianistisch voll überzeugende Alternative, deren kräftigen Orchesterklang, der mittlerweile bei Mozart etwas aus der Mode gekommen ist, man aber mögen sollte. Wie die Zeiten sich ändern können: damals galt er sogar als besonders sachbezogen. Stringent und konsequent wirkt er auch heute noch.
Der Flügel steht klar und deutlich vor dem Orchester, was der Gesamttransparenz jedoch keinen Abbruch tut. Trotz der fast schon üppigen Klangfülle wahrt man die Balance mit klarer Sicht. Kein Nebel im hohen Norden also.
4-5
Clara Haskil
Ferenc Fricsay
Bayerisches Staatsorchester, München
DG
1957
13:01 7:36 8:40 29:17
MONO Von der Pianistin Clara Haskil lagen uns zum Vergleich drei Einspielungen vor. Sie entstanden alle ungefähr zur selben Zeit, die Einspielung aus Lugano, live, 1953 mit Otmar Nussio als Dirigenten macht den Anfang, die Einspielung aus Köln, ebenfalls live mit Otto Klemperer markiert 1956 die Mitte. Die DG-Produktion, die 1957 in München entstand, markiert bereits den Abschhluß. Alle drei sind Mono-Aufnahmen und haben mit klanglichen Defiziten zu kämpfen. Ferenc Fricsay war gerade GMD der Bayerischen Staatsoper in München geworden. Er hielt den Posten zwischen Rudolf Kempe und Joseph Keilberth nicht lange und wandelte seinen Vertrag schon bald wieder in einen Vertrag als Gastdirigent um. Obwohl er sich bei der Aufnahme für ein Orchester von gerade einmal 33 Musiker entschied, was damals ziemlich innovativ war, denn man spielte Mozart wann immer möglich in größerer Besetzung, wirkt der Klang der Streicher nicht dünn. Allerdings hatte das Orchester noch nicht die Klasse wie heute. Zudem waren die Techniker, selbst für den damaligen Stand der Dinge nicht in der Lage ein richtig transparentes und einigermaßen luftiges Klangbild zu erzeugen. Der Klang des Orchesters klingt erdenschwer und man sagt es nicht gerne, etwas provinziell. Beim Klavier sieht es ganz anders aus. Um es gleich vorweg zu nehmen, wenn das relativ schwache Orchester und das maue Klangbild nicht wäre, müsste man von einer Referenz-Einspielung schreiben.
Der Klang des Klaviers wirkt absolut mozartgerecht. Die Artikulation erfolgt sehr differenziert, der Klang steht genau zwischen einer gewissen Fragilität und einem gesunden Selbstbewusstsein. Zart-schwebend und klarer Zugriff zugleich, wann gibt es sowas noch einmal? Der Anschlag ist kurz und prägnant, man möchte meinen dem Anschlag von Géza Anda nicht unähnlich, vielleicht nicht ganz mit dessen Kraft und Schnelligkeit in der Bewegung der Finger zur Taste. Man meint, es würde noch ein Rest eines Cembaloklangs mit im Klavierklang mitschwingen. Einzigartig. Die Spannkraft, die beispielsweise einem Barenboim in seinen beiden späteren Aufnahmen fehlt, ist enorm. Leider wirkt das Klavier gegenüber dem Orchester etwas zu dominant, auch im neuesten uns bekannten Remaster („Originals“). Andererseits bemerkt man so den direkten und zugleich nachdrücklich wirkenden Zugriff der Pianistin nur noch deutlicher. Verzärtelungen sind ihrem suggestiven Spiel genauso fremd wie unangemessene Kraftmeierei. Die Kadenz ist eine der am besten akzentuierten überhaupt.
Im Larghetto lässt Fricsay die Mittelstimmen (z.B. die Bratschen) trotz des wenig transparenten Klangbildes) besser hervorkommen als in den anderen älteren Einspielungen (und auch bei neueren), bei denen man oft den Eindruck gewinnt, der Streicherkorps bestünde nur aus den Violinen. Frau Haskil verzichtet auf Verzierungen.
Im Herkulessaal im Mai 1957 liegt auch musikalisch Frühling in der Luft. Warum kam bis jetzt (es war die 49. Einspielung, die wir hörten) niemand auf die Idee die Flöte so schön zu exponieren? Der Zugang von Haskil und Fricsay wirkt völlig natürlich und unprätentiös. Das Ineins von Kantabilität, Brillanz und Beredtheit wirkt selbstverständlich und nie äußerlich. Leider kann das Orchester und die Klangqualität bei weitem nicht mit der Pianistin mithalten.
Der Klang stellt wie oft bei Mono-Einspielungen das Soloinstrument klar und deutlich nach vorne. Das Orchester klingt leicht gepresst. Insgesamt ist die Balance leicht zugunsten des Klavieres verschoben. In diesem Fall könnte man meinen: zurecht. 1957 haben andere Plattenfirmen schon stereophon aufgezeichnet. Selbst für den damaligen Standard einer Mono-Aufnahme klingt diese hier nicht optimal.
4-5
Clara Haskil
Otmar Nussio
Orchestra della Svizzera Italiana
Andromeda
1953, live
13:09 7:39 8:42 29:30
MONO Otmar Nussio, von 1938 bis 1968 Chefdirigent des Orchesters aus Lugano, wählt gemeinsam mit der Pianistin 1953 nahezu dieselben Tempi, die bei der DG-Einspielung vier Jahre später angeschlagen werden sollten. Das Orchester macht gegenüber den Münchnern jedenfalls keinen schlechteren Eindruck. Im Gegenteil, denn es klingt sanfter und weniger rau. Und sogar, aber das mag auf die Aufnahmetechnik zurückführbar sein, etwas plastischer und präsenter.
Die Pianistin hatte bereits 1953 ihren Weg zum Werk gemacht, trifft schon da mit großer Präzision die Balance von Ernst und Spritzigkeit. Ihr Spiel ist wunderbar nuanciert und reich an Farben. Die Figurationen (so einfach sie zu spielen sind) wirken nie als laufen sie leer. Frau Haskil scheint die Form mitzudenken und ordnet so alles, man könnte sagen „nach Wichtigkeit“ in den Zusammenhang ein. Sie atmet mit der Musik, bzw. lässt sie atmen.
Im Larghetto wirkt die Begleitung durch Herrn Nussio dezent und sachkundig, jedoch klanglich nicht ganz befriedigend. Da gibt es einfach Einspielungen, die viel schöner klingen, das sollte niemanden verwundern. Clara Haskil zeigt, nach unserem Geschmack, wie man mit den Aliberti-Bässen der linken Hand umzugehen hat: Ganz untergeordnet und gerade noch hörbar vermitteln sie keineswegs mehr die Banalität, die sie verströmen, wenn man sie plump und gleichberechtigt neben die gleichlaut gespielte Melodie setzt. Man sollte meinen das wäre eine Selbstverständlichkeit, jedoch machen das viele der in dem Vergleich versammelten Solist/innen ziemlich ungeniert. Uns kommt dieses mangelnde Abschattieren in einigen Fällen unsensibel und gähnend langweilig vor.
Im dritten Satz wirkt das Holz nicht optimal und das Orchester als Ganzes agiert ein wenig zu unauffällig. Die Eingänge der Pianistin wurden von ihr teils verändert. Was noch auffallend war: Auch Otmar Nussio lässt, wie Ferenc Fricsay die Flöte glänzen. Auch in Lugano zieht der Frühling also unterstützt von sanften Flötentönen ein.
Obwohl vier Jahre jünger und live aufgenommen klingt die Aufnahme aus der Italienischen Schweiz besser als die DG-Aufnahme. Das Holz ist zumeist klarer zu hören, die Streicher klingen weicher und sogar der Klavierklang, der ja noch das „Prunkstück“ der DG-Aufnahme war, kann mithalten. Das Klavier wird in Lugano ebenfalls gegenüber dem Orchester bevorzugt, aber nur leicht. Insgesamt wirkt der Klang ein wenig körperhafter als der fast brettflache Klang aus München.
4-5
Clara Haskil
Otto Klemperer
Gürzenich Orchester Köln
Andromeda
1956, live
12:57 6:42 7:46 27:25
MONO Dem aufmerksamen Leser mag es nicht entgangen sein: Mit Otto Klemperer am Pult stimmen die Zeiten der beiden anderen Aufnahmen mit Clara Haskil plötzlich nicht mehr überein. Das ist auch sofort in der Orchestereinleitung des Allegro des ersten Satzes zu hören. Es geht ein dramatischer Ruck durch die Musik. Er lässt das Orchester aber auch auffallend leise spielen, damit die gespannten Crescendi noch dramatischer wirken können. Das Orchester ist hörbar mit mehr Streichern ausgestattet als wir das von den beiden zuvor genannten Aufnahmen kennen. Historische Praxis hin oder her, in diesem Fall bekommt das der Homogenität des Streicherklangs sehr gut. Das die Diktion deshalb dick oder gar schmalzig werden würde, hat mit der Besetzungsstärke nicht unbedingt etwas zu tun, wie uns diese Einspielung lehrt. Herr Klemperer lässt nämlich sehr schlank spielen. Clara Haskil passt sich diesem anderen Duktus weitgehend an, wobei es an anderen Stellen des Werkes so klingt, als wäre ihr das Tempo nicht so ganz recht. In der Kadenz des ersten Satzes spielt sie jedoch schneller als sonst, bringt deutlichere Kontraste zur Geltung und konturiert ihr Spiel etwas härter. Was ein Dirigent alles ausmacht.
Im Larghetto wählt Klemperer ebenfalls das flüssigste Tempo, obwohl in den anderen beiden Aufnahmen auch nicht gerade geschleppt oder gedehnt wurde. Bei ihm hört es sich bereits nach „Alla breve“ an, was zu jener Zeit noch lange keine Selbstverständlichkeit war.
Das Allegro des dritten Satzes wird mit Herr Klemperer zu einem sehr flotten, lebendigen Tanz in den Mai. Davon lässt sich Frau Haskil nicht in Verlegenheit bringen, sie tanzt auf ihrem Flügel mit, wenngleich vielleicht nicht aus innerster Überzeugung. Leichte Unsicherheiten, die man mit einer doppelten Lupe bei ihr erkennen kann, lassen vermuten, dass diesen Mal nicht ihr Wohlfühltempo waltet. Im Austausch dazu spielt sie mit mehr „Schmackes“. Der Tanz wirkt nun nicht mehr so schwebend wie bei den beiden anderen Dirigenten, denn es geht dieses Mal erheblich rhythmischer und kraftvoller zu. Der entfachte Drive mag diejenigen Hörer überraschen, die Klemperers Mozart nur von den ganz späten EMI-Aufnahmen z.B. der Opern kennen. Da wird man sich wohl ungläubig die Ohren reiben. Dieses Mal bekommt der letzte Satz schon beinahe Rausschmeißer-Charakter. Mozart mit dem Impetus Beethovens und richtig spritzig. Fazit: deutlicher ausgeprägte Stimmungskontraste, dramatischer, weniger Legato, mehr Drama. Der goldene Schnitt der Mozart-Interpretation mag das vielleicht nicht mehr sein, aber eine gern gehörte Alternative.
Unter den drei Aufnahmen mit Clara Haskil hat diese hier die schlechteste Aufnahmequalität zu bieten, weshalb sie erst als drittes genannt wird. Sie klingt sehr trocken, staubtrocken sozusagen. Im Tutti ist das Holz kaum hörbar, die Streicher klingen trotz der größeren Besetzung etwas drahtiger. Die Balance ist noch gut, aber auch dieses Mal dominiert der Flügel über das Orchester. Das Rauschniveau ist das stärkste der drei Aufnahmen und ist sehr deutlich. Das Klangbild ist wenig farbig.
4-5
Rudolf Serkin
Alexander Schneider
Columbia Symphony Orchestra
CBS-Sony
1953
13:51 10:10 8:05 32:06
MONO Auch von Rudolf Serkin lagen uns drei Einspielungen (allesamt unter Studiobedingungen entstanden) zum Vergleich vor. Die erste überzeugt uns am meisten. Anders als heutzutage, wo die Solisten und vor allem die Solistinnen gar nicht jung genug sein können, war Rudolf Serkin bei seiner ersten Einspielung von KV 595 bereits 50 Jahre alt. Wie bereits kürzlich bei der „Burleske“ von Richard Strauss wirkt sein Spiel nichtsdestotrotz geprägt von jugendlicher Spann- und Tatkraft (gerade daran mangelt es der heutigen Jugend mitunter deutlich). Der Dirigent der Aufnahme dürfte dem ein oder anderen noch als Geiger des Budapester Streichquartetts und von seiner Mitwirkung bei den Casals-Festivals in Marlboro oder Prades bekannt sein. Die zweite Einspielung Serkin entstand mit Eugene Ormandy 1962 ebenfalls für CBS, die dritte dann 1983 mit Claudio Abbado nach dem Label-Wechsel Serkins für die DG. Auf beide kommen wir später noch zurück.
Auffallend ist 1953 das ziemlich getragene Tempo, das als solches jedoch kaum ins Gewicht fällt, denn das Spiel auch des Orchesters ist im ersten Allegro von Beginn an geprägt von schlanker Vitalität, Dynamik und von Temperament. Serkin selbst befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Er spielt mit stark expressiver Ausdruckskraft, sehr klarem Klang, geprägt von einem vorbildlich klaren, nuancenreichen Anschlag (klar wie frisches Quellwasser) und dynamischen Kontrasten. Das Spiel mit dem Orchester wirkt eng verzahnt und gleichgestimmt. Die großbogige Anlage des Satzes wird mit nie nachlassender Hoch-Spannung versehen. Die Kadenz erscheint voller Ungeduld und wenn man so will „sprachgewaltig“. Diese plastische Darstellung ist eine der allerbesten.
Beim Larghetto des zweiten Satzes hat man wohl den Alla breve-Zusatz übersehen. Das Tempo wird so überraschend langsam und zäh. Es verliert das intendierte Fließen. Dem steht jedoch, und das macht das Spiel auch stimmiger als das von beispielsweise Gilels/Böhm, ein ganz einfach und schlicht gehaltener Vortrag entgegen, der stilistisch im Rahmen bleibt. Hier bleiben die Mozart-Kugeln im Schrank bei den anderen Süßigkeiten. Da stört nichts Weihevolles oder Aufgeblasenes die reine, klare Stimmung herrscht vor.
Das zweite Allegro knüpft wieder den jugendfrischen Gestus des ersten an. Die Läufe sind herausragend klar und quirlig, die Artikulation wirkt quellfrisch, die Differenzierungen sind eine helle Freude. Die Kadenz: Drängender kann der Frühling wohl kaum herbeigesehnt werden.
Obwohl noch monaural archiviert kann der Klang der Aufnahme bereits ein wenig Räumlichkeit einbringen. Im Großen und Ganzen wirkt der Gesamtklang jedoch in erster Linie trocken. Er lässt die Einspielung sachlicher wirken als sie wahrscheinlich gemeint war. Mit der Transparenz und Deutlichkeit könnte man gut leben, insgesamt wirkt der Klang gerade für Mozart jedoch ziemlich hart. Leider hat man den Beginn der Stereotechnik bei CBS nur um ein paar Jahre verpasst.
4-5
Walter Klien
Stanislav Skrowaczewski
Minnesota Orchestra
Vox, Candide, Carlton Classics
1977
13:53 7:57 8:45 30:35
Das Orchester in dieser Einspielung aus Minneapolis spielt kammermusikalisch fein, transparent, rhythmisch und kantabel. Es klingt hell und schlank, hat offensichtlich auf ein zu viel an Besetzung verzichtet. Walter Klien setzt einen dazu ziemlich stark kontrastierenden dunklen, wenig brillanten Klang entgegen. Man denkt sofort an Robert Casadesus. Klien artikuliert sehr sauber, ausgewogen und proportioniert, genauso wie dezent und subtil. Dennoch wirkt sein Spiel wenig farbig, so wenig auftrumpfend, als hätte er gar keine solistischen Ambitionen. Darin gleicht sein Spiel dem Andras Schiffs. Er ist, anders als Alfred Brendel, zumindest in diesem Konzert nicht mehr zu Späßen aufgelegt. Ohne nun aber gleich in Resignation oder Trauer zu verfallen. Das Orchester wirkt nicht immer als Stimmungsaufheller, obwohl es viel dazu unternimmt. Wir hören hier einen Mozart der leisen und fragilen Töne, ein Spiel das nach keinerlei Ego-Zutaten trachtet. Und ein interessantes Kontrastverhältnis Pianist (dunkel)/Orchester (hell).
Im zweiten Satz gibt es kein gewandeltes Bild. Generell sanft wirkt er in dieser Einspielung, fließend mit vollem Orchesterklang, wenig ins Ätherische abgehoben. Das Orchester erneut expressiver als der Solist, ohne jedoch jemals lauthals zu werden. Das f wird trotz der erreichten Expressivität nie ins ff geweitet. Die Darstellung des zweiten Satz ist eine, der uns besonders gut gefällt.
Ähnlich wie bei Lars Vogt hören wir im dritten Satz einen Tanz in den Mai mit einem Trauerrand versehen. Erstmals bei dieser 89. Gehörten Aufnahme (und auch später nicht mehr gehört) zitiert Walter Klien in seiner Kadenz eine der Originalkadenz vorangestellten Passage das Mozart-Lied „Komm lieber Mai und mache“, das Mozart als nächstes nach diesem Konzert in sein eigenes Werkverzeichnis aufgenommen hat. Man fragt sich, warum da nicht schon zuvor jemand auf diese so naheliegende Idee gekommen ist und er auch keine Nachahmer gefunden hat. Jetzt, nachdem die immensen Qualitäten der damaligen Aufnahmetechnik als CD durch ein ausgezeichnetes Remastering wieder zugänglich gemacht wurden, mag sich das vielleicht ändern. Die alten Vox-LPs waren oft mit einer schauerlichen Pressqualität „gesegnet“, sodass der Käufer damals einen großen Bogen um sie gemacht hat (wir eingeschlossen). Jetzt darf man mit viel Vorfreude zugreifen.
Nun klingt es sehr transparent und gut gestaffelt. Nur noch ein ganz leises Analog-Rauschen ist verblieben. Der Klavierklang wirkt außerordentlich natürlich (wenn man „natürlich“ überhaupt steigern darf). Der Raum wirkt nach dem neuen Remastering vergrößert, der Klavierklang viel farbiger, das Orchester noch brillanter. Dies ist eine Aufnahme von Könnern gemacht für den stillen Genießer und die Kenner der Materie.
4-5
Svjatoslav Richter
Benjamin Britten
English Chamber Orchestra
BBC Live, Stradivarius
1965, live
13:38 9:44 8:34 32:16
Auch von Herrn Richter liegen drei Live-Aufnahmen von KV 595 zum Vergleich vor. Die beiden anderen stammen aus Moskau. Leider gibt es offensichtlich derzeit keine zugängliche Studioaufnahme mit ihm. Die Aufnahme der BBC gefällt am besten. Ähnlich wie bei Emil Gilels überzeugt der rein pianistische Eindruck bei Svjatoslav Richter ganz besonders. Die Artikulation ist sehr geschmeidig, es wird in großen Bögen gedacht und gespielt. Der Anschlag ist bewunderungswürdig, der Klang sehr brillant. Das Orchester macht auch fünf Jahre vor der Einspielung für die Decca mit Curzon und ebenfalls mit Benjamin Britten eine gute Figur, die Holzbläser klingen jedoch härter als bei Decca. Ganz ähnlich wie bei Gilels hat man auch bei Richter das Gefühl, dass der Klang des Klaviers irgendwie gegenüber der Komposition als zu groß erscheint und an einem zu kleinen Objekt erprobt wird. Irgendwie wirkt er auch ein wenig „passiv“, als ob sich sein Spieler ein wenig unterfordert fühlt, supergelassen sozusagen. Das Orchester wirkt dagegen lebhafter und „sprechender“.
Richters Ton hat im zweiten Satz eine sagenhafte Tragweite, auch im p. Er klingt sehr lange nach, was sicher nicht nur an einem geschickten Gebrauch des Pedals liegen mag. Es ist auch die Qualität des Anschlags selbst, die das bewirkt. So bringt das recht getragene Tempo Richters Ton nicht in Verlegenheit. Souverän füllt er die Musik aus. Das getragene Tempo scheint sich beim Orchester stärker auszuwirken, weshalb Britten das Tempo offensichtlich für die Aufnahme 1970 (vielleicht auch wegen Curzon) korrigiert hat. Dieses Mal artikuliert es noch viel expressiver (das f wird beherzt ins ff geweitet), was zu Curzons Klavierspiel gar nicht mehr so gut gepasst hätte. Jedoch und das ist wichtig erwähnt zu werden, hier gibt es nicht die Larmoyanz eines „Schwanengesang“ wie bei Gilels/Böhm, der 1973 ein ganz ähnliches Tempo anschlägt (übrigens nicht mit Backhaus 1955).
Im dritten Satz hören wir einen lockeren und brillanten Richter, dessen Klavierklang wohl auch zwei Konzertsäle füllen könnte. Klanglich platzen die Kadenzen (auch die letzte) förmlich aus den Nähten. Kann man dem Pianisten seine Kraftentfaltung und Brillanz zum Vorwurf machen? Kein Applaus in Aldeburgh.
Der Klang dieser Live-Aufnahme der BBC kann sich nicht ganz mit der weichen und bestens konturierten Wärme und Körperhaftigkeit der Decca-Aufnahme mit Curzon und Britten fünf Jahre später messen. Ansätze von Härte im Klang der Violinen sind hörbar, trocken wirkt sie nicht. Im Gegenteil: für eine BBC-Live-Aufnahme (bereits in Stereo) klingt sie insgesamt sehr gut, transparent und sogar ganz gut gestaffelt. Das Orchester wirkt sogar ungewöhnlich plastisch, da haben wir schon anderes aus jener Zeit von diesem Sender gehört. Das Klavier klingt recht brillant. Wir hören nur leichtes Rauschen. Bemitleidenswert waren die Herren, die mit enormer Schleimproduktion der Bronchien während des Konzertes zu kämpfen hatten. Das ging nicht ohne akustische Belastung der Umwelt ab. Eine Dame bemühte sich dagegen zumeist recht erfolgreich, sich in ihrem Kampf gegen die Erkältungssymptome am Riemen zu reißen. Den Hörer/innen dieser Einspielung wird dieses „Konzert“ im Konzert im zweiten Satz nicht entgehen.
4-5
Svjatoslav Richter
Kyrill Kondrashin
Sinfonieorchester der Staatlichen Philharmonie Moskau
Brilliant
1976, live
13:29 8:12 8:50 30:31
Der Dirigent Kyrill Kondrashin war von 1960 bis 1976 der künstlerische Direktor der Moskauer Philharmoniker. Entgegen der ursprünglichen Angabe, die Aufnahme wäre 1973 entstanden, hat man sie neuerdings auf das Jahr 1976 datiert. Einen großen Unterschied sollte das nicht machen. Kondrashin und „seine“ staatlichen Moskauer spielen temperamentvoll und musikantisch auf, während Britten und das ECO subtiler vorgehen. Richter selbst spielt noch etwas kontrastreicher und „explosiver“, der Klang des Klaviers bleibt jedoch, sehr wahrscheinlich aufnahmetechnisch bedingt, weniger brillant.
Das Tempo im Larghetto erscheint uns dieses Mal fließender, wie wir meinen angemessener als in der Aufnahme mit Britten, der sein Tempo in der Aufnahme mit Curzon ebenfalls zum Fließenden hin korrigiert hat. Da wird nichts zelebriert vielmehr wird der elegische Grundzug verlebendigt zugunsten eines intimen und zugleich zuversichtlich wirkenden Dialogs mit dem Orchester.
Auch im dritten Satz entfaltet sich ein recht munterer Dialog mit dem Orchester, klanglich vielleicht etwas zu gewichtig, im Gestus jedoch immer noch ziemlich spritzig. Vom Klavier her enorm sonor, kraftvoll und souverän. Irgendwie mit der Aura des über jeden Zweifel Erhabenen, wie bereits bei Britten. Ausnahme: Richter pflegt besonders dieses Mal in einigen Fällen einen besonders schweren Vorschlag, wie ihn niemand sonst praktiziert. Nicht nur weil wie ihn mittlerweile anders gewöhnt sind, finden wie seine Variante seltsam. Wir hören hier einen ganz besonderen Exponenten des individuellen Mozart-Spiels.
Die BBC-Aufnahme klingt etwas wärmer, ausgewogener und transparenter obwohl sie über zehn Jahre früher entstanden ist. Die russische wirkt nicht ganz so frei, sondern etwas gepresst und weniger farbig.
Die dritte Aufnahme, eigentlich historisch gesehen die erste von 1962 mit Rudolf Barshai folgt weiter unten.
4-5
Clifford Curzon
Rafael Kubelik
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, München
Audite
1970, live
13:36 8:36 8:14 30:26
Die Live-Situation macht sich gegenüber den beiden ganz oben gelisteten Studio-Produktionen Sir Cliffords bemerkbar. Wir hören dieses Mal nicht dieselbe Perfektion im Zusammenklang der Violinen wie bei ECO oder den Wienern. Auch wirken die Kontraste zwischen p und f beim BRSO weniger groß. Insgesamt müssen wir auf ein wenig Akkuratesse verzichten, jedoch punktet der Temperamentsmusiker Kubelik dafür mit einem musikantischeren, offensiveren Zugang zum Werk. Hemdärmelig wird es deshalb jedoch nicht. Sir Clifford spielt fast so vollkommen wie im Studio, wenn er auch nicht das gleiche Maß an Differenzierung in der Dynamik erreicht. Er passt sich sozusagen dem Orchesterspiel an, sagen wir mal, er kommt ihm entgegen. Das Concertare ist viel mehr von einem gegenseitigen Befeuern geprägt als bei Britten oder Szell. Ob man sich nicht ganz einig war, oder ob das zum Konzept gehört, lässt sich kaum heraushören.
Im Larghetto fehlt ein echtes p des Orchesters, was jedoch nicht viel am intensiven und ausdrucksvollen Orchesterspiel ändert. Die Violinen sind nun besser zusammen als zu Beginn des ersten Satzes. Curzon wiederholt im Münchner Herkulessaal im Wesentlichen seine Glanztaten aus dem Londoner bzw. Wiener „Studio“.
Im dritten Satz geht es etwas sportiver zu als bei Britten und Szell. Es klingt auch etwas kerniger und tänzerischer. Die Magie des Augenblicks möchte sich aber nicht so recht einstellen. Davon gibt es in den beiden genannten Studioeinspielungen tatsächlich mehr.
Der BR zog den Flügel ebenfalls akustisch ein wenig nach vorne. Der Klang ist transparent, offen und farbig. Während der Klang des Orchesters dem der beiden bereits genannten Produktionen nachsteht, gilt das für den schönen Klavierklang separat betrachtet kaum. Er klingt dem aus London (ECO) ähnlicher wie dem aus Wien.
Zu den beiden weiteren Aufnahmen Curzons mit dem LSO und Istvan Kertesz (1967) und der klanglich missglückten Live-Aufnahme mit Szell aus New York (1965) kommen wir weiter unten noch zu sprechen.
4-5
Wilhelm Kempff
Ferdinand Leitner
Berliner Philharmoniker
DG
1962
13:56 7:27 9:56 31:19
Die Berliner Philharmoniker bieten in dieser Einspielung eine relativ große Streicher-Besetzung auf. Ihr geschmeidiges Spiel wirkt eher füllig als schlank. Es passt sehr gut zum Klavierklang des 67jährigen Wilhelm Kempffs, der einen fast schon himmlischen Schönklang präsentiert. Dazu passt oder vielmehr er wird befördert durch die akustisch scheinbar weggerückte Position des Flügels. Dadurch wirkt sein Klang weich und zart. Dabei hatte das Technik-Team sicher seine „Finger“ mit im Spiel. Unzweifelhaft auf das Spiel der Finger Wilhelm Kempffs geht die weich gerundete, großbogige Phrasierung und der noble, ausgesprochen souverän wirkende Anschlag zurück. Sein Spiel wirkt im besten Sinn entspannt, ohne die Lebendigkeit der Musik zu gefährden. Eine engagierte Lesart ist den beteiligten Musikern zu keiner Zeit abzusprechen. Man vertraut sich ihnen gerne an auf der Hör-Reise durch die nächste halbe Stunde. Die Musik wirkt tiefgründiger ausgelotet als gewöhnlich, ohne das verspielte Element ganz zu vernachlässigen. Dynamisch wirkt das Spiel eher gediegen als frisch. Das steht auf der Kehrseite des Wegrückens vom direkten Klavierklang. Selbstverständlich hat man das Stilbewusstsein das f nicht über Gebühr zu weiten.
Das zügige Tempo wirkt im Larghetto stimmig. Das Alla breve wird jedenfalls nicht ignoriert. Kempff spielt den einfachen Tonsatz mit der ihm gebührenden stillen Melancholie und versteht es, ihm eine nicht unangebrachte Erhabenheit mitzugeben. Erfreulicherweise bleibt ein Romantisieren wie bei Karl Böhm und Emil Gilels aus. Gleiches gilt auch für die souveräne Gestaltung des kompositorisch fast simplen Orchesterparts. Da wird nicht geschwelgt und man trifft den Mozart-Ton viel besser als es die Aufnahme aus demselben Haus von 1973 schafft. Kempffs Klavierklang leuchtet sehr schön und wirkt bestens abschattiert.
Für ein Allegro ist das Tempo im dritten Satz wohl zu langsam geraten. Langweilig wird es deshalb jedoch nicht, denn besser spielen als Kempff es hier tut, kann man den Satz eigentlich nicht (nur schneller). Teils wirkt das Spiel sogar trotzdem fast quirlig, teils besticht er mit feinsten Nuancen, denen man gebannt zuhört. Auch das Orchester zeigt seine exquisite Qualität, dennoch spürt man bei ihm doch, dass ein wenig Tempo fehlt. Das ist auf dieser Qualitätsstufe vielleicht einfach Geschmackssache, denn der Hochgenuss bleibt auch so erhalten. Man spürt, dass da ein großer Pianist mit überragenden Fähigkeiten am Werk ist und er bildet mit dem Orchester eine gefühlvolle Einheit. Wäre der Satz nicht vom Tempo her etwas betulich ausgefallen, eine höhere Bewertung wäre erforderlich. Gebremste Vorfreude auf den Frühling in Berlin also.
Der Klang der DG-Aufnahme wirkt großräumig und ein wenig distanziert, was für das Orchester etwas weniger gilt als für das Klavier. Der reichhaltige Klang wirkt sehr farbig.
4-5
Zoltan Kocsis
Janos Rolla
Franz-Liszt-Kammerorchester, Budapest
Hungaroton
1990
12:20 6:59 8:14 27:33
Gegensätzliche Ansichten zumindest bei der Temponahme gegenüber der zuvor genannten Einspielung vertritt man im Team Kocsis/Rolla. Bereits gleich zu Beginn entfacht das kleiner besetzte Kammerorchester ein nervös-angetriebenes, fast feurig-virtuoses Tempo. Man vermeint, wenn man sich ausnahmsweise ein Ineins von Komponistenleben und Werkaussage zubilligen würde, Mozart wäre hier noch ein noch jüngerer, kraftvoller Mann voller Tatendrang, nicht verängstigt, krank und eben nicht voller Zweifel an der Zukunft. Kocsis´ Spiel, der Pianist war zur Zeit der Aufnahme 38, zeigt eine stupende Spielfreude (bei blitzblanker Virtuosität). Er lässt die bei Mozart so wichtige Kantabilität nicht außer Acht, geht aber über die verspielt wirkenden Stilelemente weitgehend hinweg. Er bringt dagegen einen fast schon kämpferischen Beethoven-Gestus mit ins Spiel, der die anliegenden Probleme offensiv angeht, durchaus mit etwas Wut im Bauch. Die Kadenz passt in ihrem teils durchgepeitschten Wesen sehr gut zum Rest des Satzes. Die Musik hat ihren nachdenklich, leicht melancholischen Charakter weitestgehend verloren.
Kocsis und Rolla halten im Larghetto von einem feierlichen Zelebrieren oder würdevollen Schwelgen überhaupt nichts. Das zügige Tempo ließe einen Innerschau vielleicht noch zu, aber das Spiel geht dafür zu gerade durch, es wird nur sehr wenig in Nuancenreichtum investiert. Den Zuhörer/innen kommt dieses Spiel nicht sonderlich nahe. Es geht eine recht äußerliche Wirkung von diesem Satz aus. Dabei bietet das Orchester noch mehr Details in seinem Spiel als der sachlich-zugeknöpfte Pianist.
Wie im ersten Satz lebt auch der dritte von einem wörtlich nehmen der Satzbezeichnung Allegro. Dieses Mal steht das schwungvoll virtuose Spiel (auch mit der Dynamik) ganz im Vordergrund. Mit zupackender Tatkraft scheint es dem kalten Winter an den Kragen zu gehen. Mit einem neuen Besen wird er hier ausgekehrt. Auch hier hat man das Gefühl, Kocsis und Rolla wollen Mozart als direkter Vorausgänger Beethovens apostrophieren. Die teils kecken Verzierungen in diesem Satz bringen die Virtuosität fast zum Überschäumen. Diese eigene Sichtweise ist zu loben und in dieser Konsequenz einzigartig in unserer vergleichenden Diskographie. Ob dies eine Darstellung in Mozarts Sinn gewesen wäre? Uns gefällt sie besonders, weil sie die Breite der möglichen Darstellungsweisen deutlich erweitert.
Der Klang der Aufnahme ist klar und dynamisch und frei von digitalen Artefakten. Die Streicher klingen trotz der überschaubaren kleineren Besetzung nicht drahtig. Besonders farbig ist der Klang aus Budapest jedoch nicht.
4-5
Lars Vogt
Paavo Järvi
HR-Sinfonieorchester, Frankfurt
HR, von Avi veröffentlicht
2007, live
2013
30:29
Diese Aufnahme lag uns sowohl als Konzertmitschnitt von 2007 als auch als CD, die erste sechs Jahre nach dem Konzert von Avi veröffentlicht wurde, vor. Warum man sich dafür so lange Zeit gelassen hat, ist uns nicht bekannt. Dass die CD den Konzertmittschnitt ein wenig überarbeitet und den Klang optimiert zu Gehör bringt, verwundert kaum. Auf den Klang, oder vielmehr die Klänge der beiden Herkünfte gehen wir am Schluss der kleinen Besprechung noch näher ein.
Das Orchester ist nicht allzu reich besetzt, was sich als genau passend zum Klavierspiel von Lars Vogt erweisen wird. Järvi lässt geschmeidig, präzise, gut konturiert mit einer recht straffen Diktion aber doch auch gefühlvoll und weich genug spielen. Der Pianist verfügt über einen straffen Anschlag, sein Klavier klingt mit einigem Körper. Die Artikulation ist flexibel und mit spürbarer Binnenagogik ausgestattet. Die Läufe wirken nicht mechanisch abgespult. Die behutsame und nuancierte Diktion hört mehr nach innen, überfrachtet sie aber nicht mit Gedankenfülle. Der natürliche Fluss bleibt gewahrt. Auch Lars Vogt spielt wie fast alle die Kadenz Mozarts. Das Zusammenspiel ist hervorragend. Man trifft den Mozart-Ton gut. Es gibt kein verzärteln, kein mystifizieren, keine Metamorphose zu einem Werk Beethovens. Das Konzert ist für Vogt im Gestus grundsätzlich nachdenklich und melancholisch, allenfalls verhalten optimistisch (im dritten Satz). Seine Darstellung erhält durchweg einen leichten Trauerrand. Vor allem orchestral hören wir aber auch ein paar Glanzpunkte. Die Frische und Inspiration von Levit oder Schirmer wird nicht erreicht und wahrscheinlich gar nicht beabsichtigt.
Der zweite Satz bietet sozusagen ein Lächeln mit Tränen, lässt mehr als einen Hauch von Abschiedsstimmung spüren. Ein bewusst verhangener Ausdruck legt sich über das zarte, fein abgetönte, liebevolle Spiel. Der Blick wird nach innen gewandt. Man hat das Gefühl, wie der Pianist es selbst einmal formulierte, dass die Musik nur noch ein einem seidenen Faden zu hängen scheint.
Der dritte Satz, trotz der Allegro-Bezeichnung in einem fast schon Kempff angenäherten Tempo zu hören, drückt wenig Freude aus, wirkt wenig lichtdurchflutet. Das Verhangene hat sich auch noch im dritten Satz ausgebreitet, als ob es das Glück nicht mehr nach draußen schaffen würde. So, um wieder den Pianisten selbst zu zitieren, „als würde der Sänger noch singen, aber alle anderen bereits gegangen sind“. Diesen Satzcharakter setzt er mit seiner hervorragenden Pianistik ganz genau um. Seine Sichtweise könnte man als das genaue Gegenteil von der Zoltan Kocsis´ einordnen. Auch diese Einspielung bereichert das Angebot um eine ganz besondere Darbietung. Der Pianist ist leider im Alter von 53 Jahren im September 2022 viel zu früh verstorben.
Als Radio-Mitschnitt (Stereo) vom HR klingt die Musik bereits klar, offen, weich und recht transparent, die Balance ist gut mit einem hauchdünnen Übergewicht des Flügels über das Orchester.
Als CD gehört klingt die Musik brillanter, dynamischer, transparenter und etwas dreidimensionaler. Der nur füllende Bass kommt etwas stärker zur Geltung. Der Flügel klingt etwas heller und schlanker konturiert. Die Balance wurde optimiert, der Flügel um das genau erforderliche Maß in Richtung Orchester „zurückgenommen“. Sie ist jetzt perfekt zu nennen. Der Klang ist auch als CD nicht übermäßig farbenfroh, was den Ausdrucksgehalt, der von Lars Vogt beabsichtigt wurde, nur noch mehr Ausdruck verleiht.
4-5
Rudolf Buchbinder
Uri Segal
Sinfonieorchester des SWF, Baden Baden (Orchester inzwischen wegfusioniert)
Allegria
AD? live
13:20 6:36 8:22 28:18
Von Rudolf Buchbinder liegen uns zwei Aufnahmen des Konzertes vor. Da wir das Aufnahmedatum dieser Aufnahme nicht ermitteln konnten, vermuten wir einen jüngeren Pianisten als in der Aufnahme mit den Wiener Symphonikern (bei der der hauptamtliche Dirigent fehlt), denn die frohgemute fast schon forsche Musizierfreude verleitet uns dazu. Die Aufnahme aus Baden Baden zeigt gegenüber der Wiener Einspielung alle Vorzüge, die ein Dirigent, der nicht auch noch den Klavierpart abarbeiten muss, mit sich bringt.
Zwar klingt das Orchester gerade anfänglich etwas robust, besonders was die Holzbläser anlangt, es wird jedoch mit praller Vitalität und Frische musiziert. Wenig bekümmert aber mit viel Herzblut nimmt das Werk hier Gestalt an. Herr Buchbinder, der sich dieses Mal auf sein Spiel und auf das Konzertieren mit dem Orchester konzentrieren kann, ohne Koordinieren und motivieren zu müssen, erfreut mit ansteckender Musizierfreude. Ein Kritikpunkt könnte sein, dass das mozartische f ins ff geweitet wird, ein weiterer, dass bei all dem Drive und der entfachten Musizierfreude die letzte Finesse fehlen mag. Die Kadenz wird von einem selbstbewussten, virtuosen Aplomb getragen. Endlich hören wir auch von Herrn Buchbinder einmal deftige sf. Frech und frei von der Seele weg. Erneut fühlt man sich, ähnlich wie bei Kocsis in ein frühes Klavierkonzert Beethovens versetzt. Gegenüber der Wiener Aufnahme ist Herr Buchbinder pianistisch kaum wiederzuerkennen und auch das SWF-Orchester zieht in Sachen Lebendigkeit locker an den Symphonikern Wiens vorbei, nicht zuletzt, da es sich der ungeteilten Aufmerksamkeit eines anfeuernden Dirigenten erfreuen kann.
Im Larghetto erscheint der Grundgestus nun weniger intim als in Wien, dazu ist sowohl die Gangart zu unbekümmert als auch das Tempo zu flott. Im Gegenzug wird intensiv und rückhaltlos dynamisch musiziert. Man geht geradezu verschwenderisch um mit den Möglichkeiten eines Mozart-Orchesters. Der Pianist zieht unter diesen Rahmenbedingungen vortrefflich mit. Das Alla breve wird beherzigt.
Auch der dritte Satz, deutlich schneller als in Wien, wirkt aufgeweckter, lebendiger, kraftvoller und kontrastreicher. Herr Buchbinder wirkt, befreit vom selbstauferlegten Multitasking, erheblich unbefangener und erfreut mit mehr Anschlagsnuancen. Man käme nie darauf, denselben Pianisten zu hören wie in der Aufnahme mit den Wiener Symphonikern. In Baden Baden ist mehr als ein leichtes, verschämtes Frühlingsdüftchen zu vernehmen. Da explodieren ob der steifen Brise schon fast die Geruchsrezeptoren angesichts der prallen Frühjahrs-Blüte. Jugendlichem Feuer und Zuversicht sei Dank. Insgesamt eine sehr erfreuliche Einspielung, die auf erfrischende Weise die mozartische Dynamik weitet und der Diskographie eine sehr lebendige, fast beethovenhafte Alternative hinzufügt. Ein kaum bekannt gewordener Geheimtipp.
Das Klangbild aus Baden Baden ist vernehmlich in die Breite gestaffelt, präsenter, dynamischer, transparenter und lauter als das aus Wien. Das Orchester wirkt frequenzmäßig nicht ganz frei und die Violinen ein wenig hart. Auch die Rauschfreiheit lässt an eine frühe Digitalaufnahme aus den 80ern denken. Einige herzhafte Huster durchbrechen ab und an, bevorzugt im langsamen Satz, den Fluss der Musik.
4-5
Deszö Ranki
Janos Rolla
Franz-Liszt-Kammerorchester, Budapest
Hungaroton
1988, live
13:14 7:37 8:14 29:05
Von den drei Klassenkameraden des Bela Bartok Konservatoriums bzw. der Budapester Franz-Liszt-Akademie ist Deszö Ranki derjenige, der bei uns am wenigsten bekannt wurde. Während Andras Schiff einen Vertrag bei Decca unterschrieb, durfte Herr Ranki im Alter von 32 jedoch das Konzert KV 595 beim staatlichen Plattenlabel Hungaroton zwei Jahre vor Zoltan Kocsis einspielen. Er zog damals gemeinsam mit demselben Dirigenten und Orchester ein gemäßigteres Tempo vor, ohne ins Beschauliche abzudriften. Weniger zupackend als Kocsis spielt Ranki fließender und kantabler, insgesamt aber auch etwas glatter und konventioneller.
Im Larghetto gibt es kein forcieren (f bleibt f und wird nicht zum ff), es klingt differenzierter und ruhevoller als bei Kocsis.
Der dritte Satz erfährt eine Darstellung mit „Hand und Fuß“, stilistisch maßvoller, erneut etwas konventioneller und „gesetzter“ wirkend im gesamten Habitus als bei Kocsis. Pianistisch jederzeit einwandfrei.
Der Gesamtklang wirkt etwas glasiger als bei Kocsis nur zwei Jahre später. Noch transparent und recht voll bemerkt man in den zwei Jahren schon eine Entwicklung in der Technik auch bei der staatlichen Hungaroton. Die Streicher, vermeintlich in gleicher Besetzung spielend klingen 1988 fülliger aber auch weniger durchsichtig. Der Gesamtklang wirkt etwas gedeckter.
4-5
Ingrid Haebler
Alceo Galliera
London Symphony Orchestra
Philips
1968
14:31 8:56 9:36 33:03
Die österreichische Pianistin Ingrid Haebler hat KV 595 zwei Mal für Philips und einmal für Vox eingespielt. Dieser recht weit verbreiteten Einspielung ging nur wenige Jahre zuvor (ca. 1960) bereits eine Einspielung mit den Wiener Symphonikern unter Christoph von Dohnanyi voraus. 1954 ging sie mit Heinrich Hollreiser und dem Wiener Pro Musica Orchestra für Vox ins Studio. Letztere konnten wir uns für den Vergleich nicht beschaffen.
Ein Jahr nach der lange unveröffentlicht gebliebenen Curzon/Kertesz-Einspielung der Decca war das LSO bereits noch einmal im Studio gefragt. Um es schon einmal vorwegzunehmen klanglich wirkt die Philips offener und transparenter, erstaunlicher Weise auch präsenter als die Decca, die jedoch mit mehr „Wärme“ ausgestattet ist. Weitere Details dann bei der Besprechung der Curzon/Kertesz-Einspielung.
Das Orchestervorspiel wirkt nun weniger drängend als bei Dohnanyi ein paar Jahre zuvor jedoch duftiger und ebenfalls kraftvoll, wo dies erforderlich erscheint. Alceo Galliera war seinerzeit ein guter und oft nachgefragter Begleiter (weil sehr einfühlsam) bei Aufnahmen mit Solisten vor allem bei EMI. Er verwechselt das f nicht mit ff. Frau Haebler sucht den Dialog mit dem Orchester und dank Herrn Galliera findet sie einen inspirierter wirkenden Partner als in Herrn von Dohnanyi. Ihr Anschlag wirkt gut fokussiert, ihr Klang vielleicht etwas in die härtere Richtung gehend, hebt sie sich doch wohltuend von dem der heute mitunter allzu weich klingenden Kolleg/innen ab. Es klingt bei ihr schön klar und schon gar nicht weichlich oder gar teigig wie in Barenboims neueren Beiträgen. Weniger gleichförmig sportiv als bei von Dohnanyi wirken auch die Proportionen besser gewahrt. Der Gestus wirkt eher lebendig als melancholisch oder gar mutlos-deprimiert. Das hebt man sich, wie es sich gehört, für den nächsten Satz auf. Langeweile stellt sich nicht ein.
Auch der zweite Satz wird nun langsamer genommen als in Wien. Es klingt nun ausdrucksvoller und voller schmerzlicher Melancholie. Vor allem das Orchester sucht nun die großen (Opern)Bühne. Haebler bleibt eher etwas zurück im Stillen, ähnlich wie Clara Haskil, allerdings ohne deren Differenzierungskunst. Und insgesamt vielleicht etwas theatralischer.
Der dritte Satz wirkt etwas betulich, es könnte (nach unserem Dafürhalten) etwas flotter und freudiger voran gehen. Die Vorfreude wirkt maßvoll, aber schon mit mehr Sinnengenuss als 1960 in Wien. Es bleibt einfach mehr Zeit für bereichernde Details.
Klanglich zeigt sich die Aufnahme gegenüber der Einspielung von 1960 deutlich verbessert. Auch Ingrid Haebler konnte für Philips (wie Alfred Brendel und Mitsuko Uchida) eine Gesamtaufnahme aller Konzerte erarbeiten, da konnten sich auch die Techniker auf das Musiker-Team eingewöhnen, obwohl als Dirigent auch Witold Rowicki und Eduard Melkus (in den „Jugendkonzerten“) beteiligt waren. Das Orchester klingt transparent, das Klavier brillant und die Balance macht es nur noch deutlicher, dass Pianistin, Orchester und Dirigent nun besser zusammenpassen als 1960 in Wien.
4-5
Peter Serkin
Joseph Silverstein
Rochester Philharmonic Orchestra
Pro Arte
1986
14:15 9:58 8:59 33:12
Dieses Klavierkonzert ist eine der seltenen Repertoire-Überschneidungen von Vater Rudolf und Sohn Peter Serkin. Der zweite Vorname von Peter „Adolf“ ist wie man sich denken kann, trotz aller Reminiszenzen seinem geigenden Großvater Adolf Busch geschuldet. Dennoch hat der Pianist auf eine Nennung desselben auf den Platten und CDs verständlicher Weise verzichtet. Der Vater zählt zu den größten Pianisten des 20. Jahrhunderts, was dem Sohn die Berufswahl nicht unbedingt erleichtert haben mag. Der Vater wollte ihn davor bewahren, Pianist zu werden, aber wie wir wissen, hat es anscheinend nicht viel genutzt. Im Repertoire ging man sich meist aus dem Weg, nicht zuletzt da Peter im Bereich der „Neuen Musik“ sehr kompetent unterwegs war, ein Feld, was vom Vater weniger Beachtung erfuhr. Diese Einspielung dürfte in Deutschland nur wenigen Kennern bekannt geworden sein. Eigentlich zu Unrecht.
Das Orchester übernimmt in diesem Fall (es ist das erste und einzige Mal in unserem Vergleich, zumindest bei den „modernen“ Orchestern) die deutsche Sitzordnung, die auch von Otto Klemperer meist bevorzugte. Während man es in seiner Aufnahme nicht bemerken konnte, da sie noch monaural aufgenommen wurde, zeigen sich nun die Vorteile dieser Aufstellung. Endlich ist einmal richtig was los auf der rechten Seite des Klangbildes und der Streichersatz wirkt aufgelichtet. Bravo schon einmal dafür. Obwohl das Orchester nicht zu besten der Vereinigten Staaten zählen dürfte, musiziert es präzise und ausdrucksvoll. Es müssen (siehe Hewitt/Lintu mit dem Orchester aus Mantua) nicht immer die großen Namen sein. Der Sound ist klar und lebendig. Man spielt mit sehr wenig Vibrato. Sohn Serkin musiziert das Konzert mit viel Gelassenheit und entspannter als Vater Rudolf in seinen beiden älteren Aufnahmen. Die jüngste Aufnahme des Vaters, der dabei allerdings schon 80 Jahre zählte übertrifft er in manuellen Dingen deutlich. Da spielt er dann gleichmäßiger, ausgewogener und kerniger. Das ist aber auch ein unfairer Vergleich. Locker gespielt aber auch spannend, sehr genau und plastisch gelingt Peter die Kadenz. Nüchtern oder übertrieben sachlich, wie man das bei einem Interpreten der neuen Musik erwarten könnte, wirkt es nie.
Im langsamen Satz wählt Peter, ähnlich wie der Vater in seinen älteren Aufnahmen (nicht in der neueren mit Abbado) ein auffallend getragenes Tempo. Peter kommt aber mit seinem Anschlag und mit etwas Hilfe des Pedals kantabel durch, ohne dass sein Ton „verhungern“ würde. Die Größe des Tons der Klaviertitanen Richter oder Gilels braucht es dazu also nicht unbedingt. Das Klavier klingt im zweiten Satz viel weicher und sanfter (ein deutlich anderer Ton als im ersten Satz). Was uns nicht so gefallen hat sind die deutlichen Aliberti-Bässe an denen Peter offensichtlich nichts profan-gewöhnliches findet. Es ergibt sich dank der neuen Einstellung der Technik im zweiten ein warmer Gesamtklang, der auch vom Klavier mit verursacht wird. Zudem wirken Klavier und Orchester näher an die Hörer/innen herangerückt.
Das abschließende Allegro wird zu einem gemäßigten Tanz in den Mai, nachdenklich, aber mozartisch beschwingt. Sachlich aber nicht uninspiriert. Ein Mozart der Mitte.
Der Klang wirkt sehr transparent. Wie bereits erwähnt wirken besonders die Streicher deutlich aufgelichtet, da man erste und zweite Violinen auf beide Seiten des Klangbildes verteilt hat. Der Bass wurde nicht vergessen, die Balance passt. Besonders gelungen ist der natürliche Klavierklang.
4-5
Jenö Jando
András Ligeti
Concentus Hungaricus, Budapest
Naxos
1989
12:48 7:26 8:19 28:33
Hinter dem lateinischen Namen „Concentus Hungaricus“ verbirgt sich ein Kammerorchester, das aus führenden Mitgliedern des Sinfonieorchesters des Ungarischen Rundfunks besteht, das sich zur besseren Vermarktung international übrigens Budapest Symphony Orchestra nennt. Sobald die Musik geschichtlich an die Pforten der Wiener Klassik klopft, meinte man eine zeitlang, dass dann unbedingt ein lateinischer Name hermüsse, um das Interesse an der historischen Aufführungspraxis sofort kenntlich zu machen. Siehe Collegium Aureum, Concentus Musicus, Concerto Köln etc.
Die Orchestereinleitung zeigt denn immerhin schlankes temporeiches Spiel, nicht ohne etwas Brisanz in die Stimmung einzustreuen. Die Instrumente sind jedoch weiterhin die angestammten modernen und eine spezielle Orientierung der Artikulation an die Sprache konnten wir nicht bemerken. An Brillanz fehlt es dem Spiel auf dem Steinway von Herrn Jando ebenfalls nicht. Er hat übrigens ebenfalls eine Gesamtaufnahme erstellt, immer mit demselben Orchester jedoch mit drei Dirigenten. Sein Anschlag ist gut fokussiert, sein Spiel griffig. Der Gestus erinnert in seiner Ruhelosigkeit mehr dem „Figaro“ als der „Zauberflöte“.
Im Larghetto schlägt Herr Jando ein gutes, zügiges Tempo an, es wird durchaus ausdrucksvoll musiziert. Leider kommt es zu ein paar wenigen Verdeckungen des Klavieres durch das recht laute f des Orchesters. Erinnert Jandos Klang im besonderen Maße an den von Matthias Kirschnereit, so kommt er an dessen Facettenreichtum nicht ganz heran.
Wie schon im Allegro des ersten Satzes wird auch dem dritten eine gewisse ungeduldige Brisanz mitgegeben, die dem Gestus sehr guttut (nebenbei: den Hörern und den Hörerinnen ebenfalls). Wir hören ein sauberes, beschwingtes, geläufiges und nicht unakzentuiertes Klavierspiel im besten Einvernehmen mit dem Dirigenten und Orchester mit denen der Pianist ein bewährtes Team bildet. Hier liegt ein sehr gutes und empfehlenswertes Angebot im Low-Budget-Bereich vor.
Der Klang des Klaviers wirkt brillant und sauber fokussiert. Es liegt eine sehr gute Balance mit dem transparenten Orchester vor. Klanglich ähnelt diese Produktion der Aufnahme mit Kirschnereit und Beermann, mit dem sie auch das Preissegment bei der Erstveröffentlichung teilt. Das mag aber Zufall sein, denn von ihrer Qualität her wachsen beide über das Preisschild hinaus. Lediglich eine gewisse Zurückhaltung in der Farbgebung liegt vor.
4-5
Martin Helmchen
Gordan Nikolic
Niederländisches Kammerorchester
Pentatone
2013
13:53 7:07 9:18 30:18
Herr Nikolic, übrigens Konzertmeister im Niederländischen Kammerorchesters und bis 2017 auch des LSO gleichzeitig, leitet das Orchester von seiner Konzertmeisterposition aus. Seit 2017 durfte ihn das Collegium der Musikhochschule Saar in Saarbrücken als Professor für Violine begrüßen. An der Guildhall School of Music war oder ist er auch noch engagiert.
Das Orchester, seit 1985 mit dem Amsterdam Philharmonic und dem Orchester aus Utrecht zum Niederländischen Philharmonischen Orchester fusioniert, rekrutiert sich seitdem aus diesem und macht nach wie vor Aufnahmen und Konzerte unter seinem alten Namen. Sein Spiel wirkt zunächst etwas weniger detailreich, bietet aber den üppigeren Sound und spielt „effektvoller“ als z.B. das Mozarteum Orchester unter Gérard Korsten mit Herrn Frisardi am Klavier. Martin Helmchen spielt temperamentvoller als Nicola Frisardi, sehr differenziert, klar und deutlich. Solist und Orchester verlassen nie den stilistischen Rahmen, Virtuosität ist nie Selbstzweck, das Zusammenspiel gut.
Den zweiten Satz spielt Herr Helmchen innig im Ton ohne Eigensinn und mit gut integierten Verzierungen, das Tempo ist gut gewählt du ein weiterer Beweis dafür, dass die jüngeren Pianisten das „Alla breve“ nicht mehr überlesen bzw. dass es nun auch allenthalben in den Partituren steht. Der Gestus wirkt sanft und mild, drückt stets eine gewisse Geborgenheit aus, ohne die Schatten, „unter die Notenständer fallen zu lassen“. Sicher eine gute von vielen weiteren möglichen Sichtweisen.
Auch der dritte Satz wirkt verhalten mit einer gewissen besonderen Zuwendung, die die Musik bei Herrn Helmchen erfährt und die sich in großem Nuancenreichtum zeigt. Ein besonders hohes Augenmerk wird der heiklen Balance zuteil. Besonderes Temperament oder die Erwartung einer Duftexplosion der Wiener Bäume, Sträucher und Blumen im Wonnemonat Mai ist die Sache der Interpreten nicht.
Dem steht im gewissen Sinne ein blühender, durchaus farbiger Orchesterklang als Korrektiv gegenüber. Er befindet sich in bester Balance mit dem eher weich konturierten Flügelklang. Warm wirken auch die Farben des Flügels.
4-5
Wilhelm Backhaus
Karl Böhm
Wiener Philharmoniker
Decca
1955
13:22 7:04 8:36 29:02
Karl Böhm und die Wiener waren 1955 noch für Decca tätig bevor sie 18 Jahre später mit Emil Gilels für die DG erneut zur Tat schritten. Karl Böhm war damals zwar noch 18 Jahre jünger und tatsächlich wirkte er mit seinen 62 Jahre noch flexibler als später. „Sein“ Solist Wilhelm Backhaus war mit seinen 72 übrigens noch ausgesprochen rüstig unterwegs.
Das Orchester, bei Decca war man, anders als die DG, bereits 1955 auf den neuen Stereo-Zug aufgesprungen, klingt noch ein wenig belegt und besonders die Violinen noch lange nicht so üppig und „bitter-schokoladig“ wie 1973. 1973 spielen die Philharmoniker übrigens erheblich sauberer. Obwohl man sich mit dem Tempo, das 1964 auch George Szell anschlagen wird, trifft, wirkt der Gestus bei Böhm ohne jeden Schwung, sogar eigentümlich emotions- und kraftlos. Das Spiel wirkt auf drastische Weise reduziert auf die Noten und ziemlich schwer. Wilhelm Backhaus sieht das ganz anders, denn sein Musizieren bringt Leben ins Spiel. Sein Flügel leuchtet, sein Spiel, technisch vielleicht nicht mehr ganz unanfechtbar wirkt in seiner Aussage jedoch ungeheuer überzeugungskräftig. Darin ganz ähnlich dem Spiel Wilhelm Kempffs.
Im zweiten Satz lässt Böhm dieses Mal deutlich zügiger spielen, ob da wohl Pianist Backhaus ein Veto eingelegt hat? Das Spiel der Philharmoniker wirkt auch kontrastreicher als 1973. Backhaus tut sich mit Differenzierungen in der Lautstärke schwer, alles wird im mf durchgespielt. Mozart hätte Spielraum für Nuancen gelassen. Es klingt ziemlich entschlackt und ohne falsches Pathos. Die Philharmoniker sind weit vom 1973 entfachten Klangzauber entfernt, auch dem von 1964 (Szell) und 1976 (Abbado) hinken sie hinterher. Kaum zu glauben, dass 1955 und 1973 der gleiche Dirigent vor ihnen gestanden haben soll.
1955 überrascht uns Wilhelm Backhaus im Allegro des dritten Satzes mit einer quicklebendigen Gangart, die sich erheblich tänzerischer präsentiert als 1973 mit Emil Gilels.
Hier liegt eine der ersten Stereo-Einspielungen der Philharmoniker überhaupt vor. Das Resultat ist dafür bereits erstaunlich. Das Klavier wirkt groß abgebildet, brillant, plastisch und körperhaft. Sehr präsent wie auch das Orchester. Ähnliche Körperhaftigkeit wie dem Klavier bleibt dem Orchester allerdings verwehrt. Das Klangbild wirkt insgesamt intimer und passender als das von der DG 1973 erzeugte. Dieses wirkt gegenüber der 55er Decca fast schon aufgeblasen. Es rauscht 1955 vernehmlich aber nicht störend.
4-5
Alessio Bax
Simon Over
Southbank Sinfonia
Signum Records
2012
14:03 8:37 8:48 31:28
Der italienische Pianist war u.a. Schüler bei Joaquin Achúcarro und zur Zeit der Einspielung 36 Jahre alt. Das Orchester aus London wurde 2002 von Simon Over gegründet, der es in dieser Aufnahme auch dirigiert. Es besteht aus jungen Absolventen und Absolventinnen aus aller Welt, die in ihm nach ihrem Abschluss zwecks weiterer Vorbereitung auf das Berufsleben ein Jahr verbringen können. Es macht einen sehr guten Eindruck, ist nicht allzu klein besetzt, spielt homogen und verfügt über ein sehr gutes Holz. Da hat uns vor allem die sehr schön klingende Oboe sehr gut gefallen. Die Größe der Besetzung spielt besonders im ersten Satz eine wichtige Rolle, denn (nur) in ihm wird sehr gut und konsequent zwischen Solo- und Tutti-Begleitung geachtet. Und der Kontrast wird natürlich größer, wenn das Tutti etwas stärker besetzt ist.
Das Klavier wird klar, weich federnd und mit einem sehr schön fließenden Legato gespielt, das auch den beiden Chopin-Konzerten gut angestanden hätte. Bax spielt seinen Steinway sehr schattierungsreich und legt Wert auf ein deutlich unterscheidbares p. Man gibt gemeinsam dem ersten Satz etwas mehr Tempo und Spannung mit, als man das z.B. bei Anne-Marie McDermott und Lang-Lessing hören kann. Das Konzertieren erfolgt nahtlos und im Sinne eines recht spannenden Dialoges.
Leider wird im dennoch überzeugend und stilvoll gegebenen Larghetto auf die Solo-Tutti-Unterscheidung im Orchester verzichtet. Ein Beibehalten derselben (insbesondere auch noch im dritten Satz) hätte der Einspielung ein Alleinstellungsmerkmal gebracht.
Auch im dritten Satz geht man temperamentvoller und mit mehr Tempo an die Aufgabe heran als Frau McDermott. Das engagierte und stimmige Musizieren kann gefallen.
Der Klang wirkt sehr transparent und plastisch. Die Räumlichkeit erscheint angenehm und nicht aufgeplustert, die Brillanz gedämpft.
4-5
Mariaclara Monetti
Ivor Bolton
Royal Philharmonic Orchestra
Tring, Centurion, Membran, RPO Records
1994
14:19 7:53 9:10 31:22
Bei den königlichen Philharmonikern sind die Streicher reichlich vorhanden. Sie spielen jedoch viel besser als z.B. die Italiener/innen bei Jean-Marc Luisada und Paul Meyer. Weniger schleppend und um das entscheidende Maß vitaler und gefälliger. Es wird aber auch übersichtlicher abgebildet. Es gesellt sich ein sehr schöner Klavierklang hinzu. Feine Nuancen in Artikulation und Dynamik stehen der Pianistin zur Verfügung. Mit Ausnahme der eloquent geblasenen Soli wirkt das Holz leider nicht sehr deutlich von den Streichern abgesetzt. Und das Fagott wirkt ziemlich auffallend rau. Das Konzertieren gelingt auf hohem Niveau. Es wird konzentriert und mit viel Zuneigung zur Musik gespielt, woraus sich ein entsprechendes gefühlvolles Erleben bei den Hörer/innen ergeben könnte.
Das Larghetto klingt legatoreich und mit viel Schmelz, atmosphärisch, grazil ausformuliert bei der Pianistin und mit einem fast schwerelosen Klavierklang. Das Orchester wird seinerseits zu einem gefühlvollen Spiel angeregt, auch ein aussagekräftiges p ist drin. Das angenehm zügige Tempo trifft den spezifischen Mozart-Klang zusammen mit den genannten Ingredienzien sehr gut.
Im dritten Satz gelingt es die Balance zu halten zwischen einem unbekümmerten und schwermütigen Gestus. Es wird spannend erzählt. Das Holz gefällt hier gut. Insgesamt wirkt diese Einspielung voll, weich und sinnlich. Es ist jedoch kein Klang für die Historisten oder die Mozart-Puristen, dazu wirkt er zu voluminös, kräftig und farbig.
Den Hall hätte man besser noch ein wenig reduziert. Das „ausgewachsene“ Orchester klingt füllig und klangsatt, recht transparent und etwas distanzierter als z.B. bei Luisada. Es spielt deutlich hinter dem Klavier, das besonders brillant klingt. Es wurde ziemlich in die Breite gezogen und klingt sehr körperhaft, leuchtend und mit viel Glanz. Vielleicht klingt es schon zu sehr nach „großem“ Konzert. Wir hörten die SACD von Membran.
4-5
Nicola Frisardi
Gérard Korsten
Mozarteum Orchester Salzburg
Chesky
1995
14:13 7:19 9:24 30:56
Das Spiel des Mozarteum Orchesters übertrifft 1995 das in der Teldec-Aufnahme von 1975 festgehaltene unter Leopold Hager deutlich. Ein weiterer Beleg dafür, dass sich das Niveau der Orchester, gerade der, die man nicht unbedingt zur Crème de la Crème zählen würde, über die Jahre deutlich verbessert hat. In diesem Fall wirkt es dezent und locker. Man vergisst aber die Kontraste nicht und ein gewisses Maß an Drama kommt der Darstellung des Orchesterparts ebenfalls zugute. Die Artikulation und Phrasierung wirkt bereits an der historisch informierten Aufführungspraxis geschult. Man schickt vibratofrei spielende Streicher ins Rennen. Die Holzbläsersoli sind sehr schön geworden, wirken viel feiner und sensibler. Wie gesagt, insgesamt ist das Orchester seit Leopold Hagers Zeiten kaum wiederzuerkennen.
Herr Frisardi war bereits als junger Mann Student im Mozarteum, später dann als Professor. Er sollte eigentlich vom Genius loci profitiert haben. Sein Spiel erweist sich als dem des Orchesters angepasst (oder umgekehrt), es wirkt dezent und weißt eine sehr klare Diktion auf. Auf der Kehrseite wirkt sein Klang ziemlich kühl, also wenig warm oder gar anheimelnd. Nur bei den allerbesten bekommt man eben alles zugleich. Insgesamt wirkt seine Diktion vielleicht ein wenig brav.
Der zweite Satz erscheint uns besonders gelungen, bestens abschattiert und im Zusammenspiel bestens austariert. Der Solist verziert dezent und geschmackvoll. Da wurde hörbar am Detail gearbeitet und auf den Punkt gebracht.
Im dritten Satz hat man sich wieder (wie so viele trotz der Allegro-Angabe!) für die gemütlich entspannte Diktion entschieden. Das heißt für die Gewichtung des Charakters, dass zumeist die Kantabilität (Gesanglichkeit) vorgeht. Die tänzerisch beschwingte Geste folgt allenfalls noch nach.
Ein etwas kräftigerer Zugriff und ein wenig mehr Temperament wären wohl das i-Tüpfelchen gewesen. Die Einspielung wirkt jedoch meisterhaft im Dezenten und in den leisen Valeurs. Blässe wird erfolgreich vermieden.
Der Gesamtklang wirkt in dieser Aufnahme sehr verfeinert. Die Balance ist bestens gelungen. Der Flügel klingt kristallklar, wohlklingend aber etwas kühl. Zur Abkühlung bei hitzigen Sommertemperaturen eine klangliche Empfehlung. Das Orchester erfreut ebenfalls mit ausgezeichneter Transparenz und Konturenschärfe. Der bzw. die anspruchsvolle Audiophile könnte bei dieser Einspielung jedoch einen „Schuss“ freundlich stimmender Wärme oder auch eine Spur pralle Präsenz vermissen. Auch hier gilt: Alles zusammen gibt es nur bei den allerbesten.
4-5
Anne-Marie McDermott
Sebastian Lang-Lessing
Odense Symfoniorkester
Bridge Records
2021
14:22 7:54 9:15 31:31
Die GA mit Anne-Marie McDermott ist gerade im Einstehen begriffen. Das Klavierspiel der US-Amerikanerin überzeugt mit einem subtilen Anschlag, der glasklar und geschmeidig erscheint. Ihre Musikalität wirkt ungezwungen und natürlich. Sie musiziert in bestem Einvernehmen mit dem recht rhythmisch akzentuiert aufspielenden dänischen Orchester, das einiges an Differenzierungsvermögen mitbringt. Besonders die Kadenz wird recht spannend dargeboten.
Der warm getönte weiche Klang des Klaviers gefällt im Larghetto besonders gut. Und die schöne, weiche Kantabilität, die ebenso vom Orchester übernommen wird, macht den einfach und subtil gespielten Satz zu einem besonderen Erlebnis. Die Aliberti-Bässe (T. 17 - T.23) spielt die Pianistin mit einem weichen, fein abgetönten edel wirkenden Klang sehr geschmackvoll. Insgesamt wirkt der Satz besonders schwebend und verträumt. Eine sehr ansprechende Gestaltung des Satzes. Nicht die einzige Möglichkeit ihn zu bringen, aber eine gute.
Auch der letzte Satz wird in dieser Einspielung von Gelassenheit und Subtilität getragen. Die Virtuosität wirkt ganz zurückhaltend und still, von der Pianistin „sprechend“ vorgetragen. Im klaren, warm gestimmten Klavierspiel ist der trostspendende Charakter sozusagen bereits mit eingebaut. Die Kadenz wirkt spontan gespielt, dynamisch jedoch nicht voll ausgereizt. Hier wäre nämlich ein echtes ff nicht nur erlaubt, es wird sogar von Mozart in der Partitur gefordert. Insgesamt wirkt diese Einspielung sehr gut ausgewogen und mit warmer Kantabilität versehen, aber auch ein bisschen wenig spritzig. Das ist aber Geschmacksache.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr klar, deutlich, transparent und offen. Die Balance wirkt „im Lot“, d.h. das Klavier wird im richtigen Verhältnis vor das Orchester gestellt. Es ergibt sich eine bildhafte Tiefenstaffelung. Der Klang des Klaviers wirkt nicht überbrillant aber auch beileibe nicht stumpf.
4-5
Sophie Mayuko Vetter
Peter Ruzicka
Hamburger Symphoniker
Oehms
2015
15:00 7:53 8:58 31:51
Zeit spielt in dieser Einspielung offensichtlich keine vordringliche Rolle, die hat man oder man lässt sie sich, um aus der Ruhe heraus zu agieren. Wir meinen zwar, dass das Tempo für ein Allegro viel zu langsam ist, und der Wille des Komponisten sich durch die Notation einer Tempoangabe ziemlich eindeutig äußert und zu respektieren ist, aber diese bewusst getroffene Entscheidung muss man doch respektieren, zumal der Dirigent ein praktizierender Komponist ist und mit eigenmächtigen Entscheidungen seiner Interpreten umzugehen wissen müsste.
Im Ganzen überschattet diese Darbietung des Konzertes eine seltsam anmutende Kraftlosigkeit. Ob sich Mozart das Konzert, selbst wenn er sich so gefühlt haben sollte, als ausgepresste Orange vorgestellt hat, wollen wir einmal dahingestellt lassen. Die Meriten der Einspielung sind jedenfalls zu nennen und vielleicht ergibt sich daraus für manch einen Hörer oder Hörerin ein stimmiges Ganzes. Das Orchesterspiel wirkt sehr gefühlvoll mit einer ausgeprägt sprechenden Phrasierung. Diese wirkt besonders nachdrücklich, aber nicht unbedingt der historischen Aufführungspraxis nachgestellt. Man spricht sozusagen einen eigenen Dialekt. Man könnte einen Versuch dahinter sehen, das Beste aus beiden Welten miteinander zu vereinen. Beredt und klangfüllig zugleich. Die Phrasierung wird in Spannungsbögen gedacht. Nicht so lange gespannt wie bei den Klassikern, nicht so kurz wie bei den Historisten. Der Nachdruck und die große Sorgfalt dabei fallen auf. Man scheint dabei tief in die musikalische Gefühlswelt einzudringen, irritierend immer wieder der bewusste Mangel an Energie. Dem Werk (oder wieder einmal dem Leben Mozarts, was wir ja eigentlich nicht mehr in eins setzen wollen) geht wohl die Puste aus. Es wird auch seitens der Pianistin kein Temperament eingebracht, es findet sozusagen ein sehr beherrschtes, genau ausziseliertes Spiel am Abgrund zur Leere statt. Freudig, erregt, gar ausgelassen oder lustvoll ist da nichts mehr. Ähnliches haben wir in unserem Vergleich bisher nicht gehört und es war die 92. Einspielung. Ein anderes Kapitel schlägt dann (überraschend für uns) die Kadenz auf. Die klingt jetzt plötzlich zunächst ungeduldig, fast wütend um dann wieder in die saft- und kraftlose Stimmung zurückzufallen.
Der zweite Satz verläuft in etwas konventionelleren Bahnen. Das Tempo wirkt nun stimmiger. Die Stimmung noch introvertierter. Frau Vetter hat sich reichlich Verzierungen ausgedacht. Die Hornstimmen werden im Verlauf deutlicher als gewöhnlich exponiert. Während in der Partitur nur ein gleichbleibendes p steht, wie es auch fast alle Dirigenten spielen lassen, erlaubt sich Herr Ruzicka hier ein dreimaliges crescendo, das nicht von schlechten Eltern kommt, also auch mit Lautstärke auf sich aufmerksam macht. Auch die vermeintlich unwichtigen Liegetöne des Holzes werden bewusst gemacht, indem sie lauter gespielt werden. In der Stimmung legt sich in dieser Einspielung schon eine gewisse Transzendenz und eine gewisse Erhabenheit über das tägliche Einerlei. Aber aus unserer Sicht wirken beide „Errungenschaften“ ein wenig inszeniert.
Im dritten Satz zeigt sich Frau Vetter mit einem etwas härteren Zugriff. Die Stimmung hellt sich etwas auf (Gott sei Dank, möchte man meinen). Insgesamt wirkt die Herangehensweise an das Werk eigenständig, unverstaubt, filigran orientiert und bewusst auf ein geringes Energielevel gesetzt (erster Satz). Sie wird wahrscheinlich nicht jedermann gefallen und vorbehaltlos sympathisch finden wird sie auch nicht jede(r).
Die Balance von Klavier und Orchester ist sehr gut. Die Transparenz ist gut, aber für eine Aufnahme dieses Datums nicht gerade herausragend. Das Klavier wird etwas vor das Orchester gezogen und klingt brillant.
4-5
Clifford Curzon
Istvan Kertesz
London Symphony Orchestra
Decca
1967
13:40 8:26 8:16 30:22
1967 traf man sich in London um vier Klavierkonzerte Mozarts einzuspielen. Der Pianist meinte sogar, dass dies als der Grundstein zu einer Gesamtaufnahme zu nehmen sei. Es waren zuerst die Konzerte KV 488 und 595 und etwa zwei Monate danach KV 491 und 537. Die Entscheidung, ob sie veröffentlicht werden, lag bei Sir Clifford. Nur die Konzerte KV 488 und 491 fanden jedoch seine Zustimmung, die beiden anderen nicht. Somit war ihr Schicksal für lange Zeit besiegelt und die Musikfreunde in aller Welt mussten bis lange nach Sir Cliffords Tod warten, um die Konzerte hören zu können. KV 595 ging es 1964 damals mit Szell und den Wienern aufgenommen genauso, wir haben das dort bereits erwähnt. Sir Clifford hatte das aufrichtige Gefühl, es noch besser machen zu können, vielmehr zu müssen. Das Gefühl nicht gut genug zu sein kennen ja viele Menschen, eine gewisse Kompromissfähigkeit auch mit sich selbst muss man sich im Laufe des Lebens jedoch erarbeiten, wenn man nicht an jeder Kleinigkeit scheitern will. Wir haben uns nun viele Einspielungen angehört und im Falle 1964 Szell/Wien hätten wir Sir Clifford auf keinen Fall in seiner Entscheidung beipflichten wollen, 1967 nach Kenntnis der 1964er allerdings schon. Seinem Wahlspruch, der Sir Cliffords Meinung nach über jeder Studentenkammer stehen sollte: „Noch mal, noch mal, noch mal von vorn“, haben wir aber immerhin die herrliche 1970er Einspielung mit Britten zu verdanken, also lag er so falsch mit seinem Wahlspruch doch nicht.
Doch nun zurück bei unserer Zeitreise ins Jahr 1967, wo die Dinge so gut tatsächlich nicht gelaufen sind, wie sie hätten laufen können. 1967 ähnelt Tempo und Zugriff beim ersten Satz am ehesten der Kubelik-Aufnahme, die 1970 entstanden ist. Man hört nicht ganz die Fülle, Eleganz und Warmherzigkeit wie mit dem ECO unter Britten. Mit Britten ist auch mehr Energie mit im Spiel. Die luzide und gelassen wirkende, jedoch auch jederzeit spürbare Präzision der Einspielung mit Szell wird ebenso wenig erreicht. Den Flügel hören wir wieder mit der typischen für Mozart so günstigen Balance von gedeckt klingender Diskretion und warmer Brillanz, schwebender Eleganz und aristokratischer Grazie. Ähnlich wie in den beiden anderen Einspielung für die Decca, jedoch auf einem anderen Niveau, was die Zusammenarbeit mit dem Orchester betrifft. Da reichte es einfach, wenn auch nicht gerade „der Wurm“ drin war, nicht an den höchsten Grad des Gelingens der anderen Einspielungen heran.
Im zweiten Satz geht es etwas fließender zu als mit Szell, schon eher wie bei Kubelik, aber doch sehr ernst. Die Wiener gefallen besonders wegen der Violinen besser. Der Klavierklang wirkt mitunter etwas fahriger als in den beiden anderen Deccas. Er wirkt zudem auch aufnahmetechnisch ein wenig dumpfer. Auch Sir Clifford hatte wirklich nicht seinen besten Tag.
Im dritten Satz lässt Kertesz die Streicher des LSO mitunter ein wenig zu forsch spielen. Der Klang wird Decca-untypisch sogar ein wenig dick. Das Klavier könnte passagenweise besser herauskommen, ob das an Curzons Präsenz an den Tagen der Aufnahme liegt oder an klangtechnischer Unachtsamkeit, muss offenbleiben. Jedenfalls ist der Klang des Klaviers nicht immer top, trotz des zumeist grazilen, feinen Spiels und besonders die Verzahnung mit dem Orchester nicht so gelungen wie 1964 und 1970.
Immerhin klingt das Orchester zumeist straff und warm getönt, jedoch weniger körperhaft nicht so transparent, bisweilen ein wenig „angedickt“. Der Flügel steht immerhin perfekt in der Mitte des Klangbildes, allerdings wird er weniger schön umhüllt als bei Britten und dem ECO. Die Mittelstimmen wirken gegenüber Britten und Szell bei Kertesz vernachlässigt. Viel bieten sie ja nicht, die Mittelstimmen, aber das wenige könnte schon besser hörbar sein. Fazit: Es kann nicht immer gleich die Referenzklasse sein.
4-5
Alicia de Larrocha
Georg Solti
London Philharmonic Orchestra
Decca
1977
14:43 8:06 9:06 31:55
Mozarts Orchestermusik gehört in Georg Soltis Diskographie nicht unbedingt zu seinen Favoriten, da gibt es nicht viel und das wenige hat es kaum ins kollektive Bewusstsein der Sammler/innen geschafft. Bei den Opern wird man schon eher fündig. Da gibt es zwei Mal die „Zauberflöte“, einen hervorragenden „Figaro“ und auch „Cosi fan tutte“ ist zu finden. Sein zweiter „Don Giovanni“ gehört zu den besten (alle bei Decca). Das Theatralische der Opern lag dem Meister eigentlich schon. Dagegen gilt Alicia de Larrocha als versierte Kennerin von Mozarts Klaviermusik. Trotzdem überrascht es ein wenig, wie langsam und getragen die beiden Protagonisten den ersten Satz angehen. Und die liebevolle Phrasierung und die sublime Behandlung der Dynamik des Orchesterparts hätte man bei dem Temperamentsmusiker Solti auch nicht unbedingt erwartet. Man lernt immer noch dazu. So klingt das LPO, das in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft das Konzert auch mit Christoph Eschenbach aufgenommen hat, mit Solti am Pult erheblich feiner im Spiel und Solti versagt es sich das f zum ff zu weiten, wohin Eschbach das Orchester immer wieder mit Lust animiert. Bei Solti klingt es nicht schlaff, er bemüht sich nur ungleich mehr um Ausgleich und Proportion als der jüngere Eschenbach, der sich damals gerade vom Pianisten zum Dirigenten entwickelte. Bei Solti könnte man allenfalls kritisieren, dass er sich schon ein wenig zu weit in die Nähe eines drucklosen Schönklangs begibt. Es klingt abgedämpft, sanft, nachdenklich. Temperamentsausbrüche, Gepolter oder die spezielle ungarische Würze beim Rhythmus, die vor allem den jungen Solti kennzeichnen, sucht man dieses Mal vergebens. Das steht ein wahrer Klassizist am Pult. Die Holzbläser kommen übrigens sehr gut zur Geltung.
Der Klang des Klaviers wirkt (wie das Orchester auch) ein wenig gedeckt, aber farbig. Die Technik der Pianistin, die zur Zeit der Aufnahme 54 Jahre zählte, ist makellos und sehr geschmeidig. Wer sich da nun an wen anpasst, lässt sich schwer vermuten, jedenfalls erfolgt die Zusammenarbeit reibungslos, bei beiden geht lyrische Subtilität vor Temperament. Ob man seitens der Interpreten doch an ein Werk des Abschieds gedacht hat?
Diese Grunddisposition wird entsprechend modifiziert auch auf den zweiten Satz angewendet. Es verblüfft, wie deutlich sich alleine der Klang der Streicher desselben Orchesters in zwei fast gleichzeitig entstandenen Aufnahmen unterscheiden kann. Gerade wenn man de Larrocha/Solti mit Eschenbach (EMI) vergleicht fällt es auf, um wieviel gerundeter, blühender, einfach viel schöner es bei Solti klingt. Sicher hat dabei auch die Technik ihren Beitrag geleistet. De Larrocha drückt im Wesentlichen Versenkung aus, während Solti auch Stimmen der Resignation befördert.
Dritter Satz: Trotz des recht bedächtigen Tempos kommt nun etwas Schwung in die Musik. Auf Anmut legt man nun nicht mehr so viel Wert wie im ersten Allegro. Zurecht klingt es nun kontrastreicher. Dazu hätten wie uns einen etwas kernigeren, brillanteren Klavierklang gewünscht, gerade auch in der Kadenz. Man folgt aber trotzdem sehr gerne den schlüssigen und verbindlich wirkenden Ausführungen von Pianistin und Orchester. Besonders die Akkuratesse und das Stilbewusstsein der Pianistin hat etwas anrührend-sympathisches.
Die ganze Akustik wirkt bei dieser Decca-Einspielung angemessener als bei der EMI-Aufnahme mit Eschenbach, die nur ein Jahr später entstanden ist. Die Decca ist zwar weniger präsent aber sehr sublim. Fast hat man den Eindruck, man spiele für sich in einem stillen Kämmerlein, so gedämpft wirkt die Atmosphäre. Der Flügel wirkt wenig exponiert, das Prinzip der Prima inter Pares wird selten einmal so perfekt umgesetzt. Zarte Farben herrschen vor. Für Solti- und Decca-Verhältnisse wirkt die Dynamik erstaunlich gediegen. Dem Gesamtklang nimmt das viel Lebendigkeit und Brillanz. Im Gegenzug bekommt man einen warmen und transparenten, recht körperhaften Analogklang.
4-5
Alicia de Larrocha
Sir Colin Davis
English Chamber Orchestra
RCA
1992
14:19 7:47 8:57 31:03
In der zweiten Einspielung Alicia de Larrochas, 15 Jahre nach der ersten entstanden, klingt das Orchester weniger subtil (vor allem das Holz) als bei der ersten mit Georg Solti. Insgesamt erreicht das Orchester die Klasse seiner Aufnahme mit Jeffrey Tate. Mit einem hauptamtlichen Dirigenten klappt es einfach besser, wenn man es mit den Einspielungen mit den dirigierenden Pianisten Barenboim und Perahia vergleicht.
Frau Larrocha zeigt ungeachtet des um 15 Jahre vorgeschrittenen Alters mehr Temperament und weniger noble Zurückhaltung als mit Solti. Ihr Spiel hat jedoch gegenüber 1977 etwas an Geschmeidigkeit verloren. Sie spielt auch (wie das Orchester) kammermusikalischer orientiert und ein wenig flotter. Die Skalen könnten etwas spritziger, leichter und lockerer wirken, während die lyrischen Passagen sogar noch etwas besser gefallen, nicht zuletzt auch durch ihre gesteigerte klangliche Präsenz.
Im zweiten Satz sind wir der Bühne, wie so oft zum Hören der zweiten Sätze, von der Technik näher gerückt worden. Das Klavier steht nun gefühlt an der Rampe. Während Davis das Orchester mehr aufwallen lässt als Solti, der auch im zweiten mehr der Klassizist bleibt, schmückt Frau de Larrocha ihren Part mit kleinen Verzierungen aus. Wirkt der Satz bei Solti kontemplativer, so wirkt er mit Davis ausdrucksvoller. Präzise klingt es bei beiden.
Im abschließenden Allegro spielt die Pianistin noch etwas temperamentvoller als 1977. Kein Gewinn ohne Verlust, denn mit Solti wirkt es abgeklärter, beides hat seine volle Berechtigung. Die 92er wirkt weniger klassizistisch als die 77er, sondern etwas verspielter, barocker, vielmehr rokokohafter sozusagen. Die Einbettung des Klaviers in den Orchesterklang trägt bei Solti zur zeitlos erhabenen Wirkung bei, während es mit Davis konzertanter und unterhaltsamer klingt. Da könnte man frei nach Gusto zwischen gleichwertigem wählen.
Der Klang der Aufnahme ist etwas transparenter, körperhafter, präsenter, plastischer und brillanter als der 77er Klang. Auch die Aufnahmedisposition wirkt kammermusikalischer und hellhöriger. Demgemäß hat man das Klavier mehr als Solist und näher exponiert, d.h. es nimmt im Klangbild einen größeren und gewichtigeren Teil ein. Der typische, warme Klang von de Larrochas Klavier bleibt noch erhalten, klingt nun jedoch brillanter.
4-5
Maurizio Pollini
Claudio Abbado
Berliner Philharmoniker
RBB, unveröffentlicht
1999, live
13:10 7:27 8:07 28:44
Dieser Mitschnitt entstand noch in einer Zeit, als fast jedes Konzert der Philharmoniker und Abbado, das ein Werk enthielt, das noch nicht in dieser Konstellation im Bestand der DG vorlag, mitgeschnitten und später auf CD veröffentlicht wurde. Dieses Mal war das nicht möglich, denn der Pianist war wohl so in sein Spiel vertieft, dass er vergaß, wo er sich befand, denn er singt große Teile des Konzerts mit. So wie es manch ein minder begabter Sangesbruder bei guter Laune unter der Dusche im Badezimmer zu tun pflegt, nicht ganz so laut vielleicht, jedoch zu laut für die Mikrophone. Damals nahm man noch nicht für die Digital Konzert Hall auf, sodass Herr Pollini vielleicht dachte, auch der RBB wäre nicht anwesend und hätte die ohnehin vorhandenen Mikros nicht mit den unzähligen heimischen Geräten verbunden, die seinen Gesang in die Wohnzimmer tragen. So kam man in den Genuss KV 595 einmal mit obligatem Brummbariton zu hören, fürwahr ein zweifelhaftes Vergnügen.
Claudio Abbado schlägt ein lebendiges Tempo an, dramatischer angeheizt als damals in Wien mit Friedrich Gulda und später mit Maria Joao Pires. Der Streicherkorps wirkt durchleuchtet, auch die Mittellage wirkt plastisch und verschwindet nicht einfach wie in vielen anderen Aufnahmen. Es wird geschmeidig und weich musiziert. Der Klang wirkt ausgewogen und die langen Bögen nicht vergessen. Mit dem Einsatz des Klaviers meint man, das stimmige Tempo wäre Herrn Pollini noch zu langsam, denn er zieht es noch ein wenig an. Wie bereits erwähnt singt er auch noch mit, nicht immer die richtigen Töne treffend. Als sei er nicht ausgelastet heizt er den Klavierpart immer mehr an. Er spielt geradlinig, dynamisch sehr ausladend und ziemlich finessenlos. Die Holzbläser lassen sich davon nicht irritieren, bringen ihre Soli mit makelloser Schönheit. Alleine die phantastisch geblasenen Soli hätten eine Veröffentlichung des Mitschnitts verdient gehabt.
Auch die Techniker des RBB rücken uns an die Bühne heran, um den zweiten Satz hautnah miterleben zu können. Das hat zur Folge, um das Orchester nicht zu übersteuern, dass man den Pegel für das Orchester wieder runterfahren muss. Das Resultat mindert also die Wirkung des Orchesterparts spürbar ab. Die Gesangsdarbietung Pollinis geht weiter, davon abgesehen gibt es auch die richtigen Ausziehrungen, die des Pianisten Pollini. Den Klavierpart hören wir dennoch wenig nuanciert. Vielleicht auch abgelenkt vom Sänger Pollini.
Ob Herr Pollini auch als Sänger eine Gage wollte? Jedenfalls ist er auch im dritten Satz nicht zu bremsen. Fleißig singt er weiter. Sein Spiel wirkt dabei ziemlich extrovertiert. Ohne Punkt und Komma wird auch die Kadenz geradezu „durchgebrettert“. Ziemlich wild hört sich das Ganze an. Ein Wutausbruch Mozarts der den Befreiungsschlag bringen soll wird uns da vielleicht suggeriert. Nach dem „Abreagieren“ wirkt der Gestus deutlich tänzerischer, wieder mehr in die konventionellen frühlingshaften Bahnen gelenkt. Wir könnten uns vorstellen, dass das anschließende Abendessen der beiden langjährigen Freunde Maurizio und Claudio nicht so harmonisch verlief wie sonst. Nicht wegen des Sängers und Pianisten, sondern wegen des Dirigenten und des Orchesters ordnen wir diese Darbietung so hoch ein. Dass Pollini einen modifizierten Flügel spielen soll, der es ihm erlaubt besonders laut zu spielen, wäre durchaus anhand dieses Mitschnittes zu verifizieren. Was für ein Brahms-Konzert sicher angemessen und von Vorteil erscheinen mag, um dem großen Orchester Paroli bieten zu können, könnte bei einem Mozart-Konzert jedoch bereits über das Ziel hinausschießen. So kommt es uns in diesem Fall vor.
Der Klang der Aufnahme, die einen ganz besonderen Live-Charakter zeigt, wirkt plastisch und recht transparent. Die Balance ist mit Ausnahme des als Experiment zu wertenden zweiten Satzes sehr gut. Der Gesamtklang ist nicht so weiträumig wie er bei anderen Übertragungen des RBB schon war.
4-5
Svjatoslav Richter
Rudolf Barshai
Moskauer Kammerorchester (in manch einer Veröffentlichung auch Moskauer Sinfonieorchester genannt)
Doremi, Czar, Leningrad Masters, Alto, Musical Concepts
1966, live
13:20 9:47 8:31 31:38
Barshai lässt das Orchester in der ersten von drei Live-Aufnahmen von KV 595 mit Svjatoslav Richter heftig zupacken. Das dynamisch weit gespannte Spiel ist nahe am Forcieren und ganz enorm drängend, jedoch immer sauber.
Auftrumpfend und mit viel Spielfreude, im f saftig, aber nicht ins ff überreizt, spielt Richter enorm selbstbewusst und viril. Bestes Klavierspiel mit ungeheuerer Dynamik. Die Zusammenarbeit ist sehr gut, es werden weite Bögen gespannt und die Verläufe sind spannend. Die Kadenz wird in jede Richtung ausgereizt, sie wirkt wie spontan-improvisiert (ohne wirklich improvisiert zu sein, denn es ist Mozarts Original-Kadenz) und inspiriert. Ein Gesäusel würde darin geradezu wie verachtet erscheinen. Die beiden anderen Einspielungen Richters wirken dagegen harmonisiert, aber vielleicht doch idiomatischer.
Im zweiten Satz begegnet man bereits dem Tempo der Britten-Aufnahme. Die weniger kundige Aufnahmetechnik kann leider dem Verklingen des Klavierklangs nicht so gut folgen wie bei der BBC-Aufnahme und der Aufnahme mit Kondrashin. Daher reißt der Klang des Klaviers immer wieder ab. Um völlige Kantabilität zu gewährleistet, hätte man vielleicht ein schnelleres Tempo wählen sollen. Die Musiker konnten das Endergebnis der Aufnahme zum Zeitpunkt des Spielens jedoch noch nicht gekannt haben. Da wäre vielleicht ein besserer Austausch mit den Technikern vonnöten gewesen, denn die hätten es schon bei den Probeaufnahmen bemerkt.
Freudig bewegt gibt sich der dritte Satz. Trotz der beachtenswert pointierten Orchesterleistung sind doch die Eingänge und die Kadenz Richters bei diesem Satz die Höhepunkte. Der Klang ist das große Manko dieser Einspielung. Leider in unterschiedlichem Maß bei allen drei Einspielungen Richters. Ansonsten wäre Richter pianistisch unbedingt als einer der Favoriten zu nennen (mit dem langsamen Satz unter Kondrashin).
Das Orchester klingt etwas „strohig“ und dünn, es fehlt ihm an Körper. Das Klavier klingt brillant, aber es fehlen ihm die wärmenden Mitten und der Bass. Das Klangbild ist platt. Streicher und Holz wirken mitunter räumlich scharf voneinander getrennt. Im dritten Satz klingt das Klavier blecherner als in den beiden anderen. Die Doremi-Ausgabe ist der Alto-Version vorzuziehen. Letztere wirkt räumlich und dynamisch geradezu eingeschnürt. Die anderen Veröffentlichungen mit dieser Aufnahme haben wir nicht gehört.
4
Emil Gilels
Karl Böhm
Wiener Philharmoniker
DG
1973
14:26 8:58 9:23 32:47
Eine Kritik meinte damals zu dieser Einspielung, als sie veröffentlicht wurde, sinngemäß, deshalb ohne Anführungszeichen: ernster, verhaltener, sublimer hat man das Konzert selten gehört. Ebenmäßig, mit Perfektion ohne Glätte und der Reife des Mozartischen Tonfalls.
Heute, nachdem die Errungenschaften der historisch orientierten Aufführungspraxis überall zumindest Spuren hinterlassen hat, hört man die Darbietung mit anderen Ohren. Ja, man meint fast die beiden Künstler hätten sich im Ton vergriffen. Und das bei der pianistischen Klasse Gilels´ und dem Ruf wie Donnerhall, der einem bei der Nennung von Karl Böhm als Mozart-Dirigenten entgegentönt. Dabei waren seine Tempi schon immer umstritten.
Schon die erste Entscheidung, die der Anzahl an Streichern, die man benötigt, um das gewünschte klangliche Ergebnis zu erzielen, würde man heute anders treffen, vielleicht nicht um den Musikvereinssaal mit Klang zu füllen, aber doch um eine Aufnahme, die Bestand haben soll, zu machen. Das zweite ist die starke dynamische Kontrastierung, die das f ungeniert bis zum ff ausreizt. Pech, dass die Techniker der DG den dynamischen Umfang ungeschmälert auf die Bänder gebracht haben, das hätte auch anders laufen können (gut für die audiophilen Hörer/innen). Das Legato wird als selig-machend angesehen. Der Klang vom Orchester wirkt teils wirklich sublim, die Kritik hatte sich damals nicht verhört, er geht in Richtung exquisit und gesättigt, das Spiel bleibt aber wenig lebendig und wirkt irgendwie starr. Alles wird auf ebenmäßige Proportionen hin ausgelegt. Natürlich haben die Wiener das voll drauf, trotzdem wirkt das Spiel irgendwie aus der Zeit gefallen, als nostalgischer Rückblick natürlich immer noch zu goutieren. Das Klavierspiel erklingt in absoluter Souveränität, darin dem von Richter am ähnlichsten, es schwebt nur so dahin. Der Klang des Klaviers ist warm, voll und rund, er klingt sagenhaft lange nach, was man besonders gut im zweiten Satz hört, wirkt klangsatt und wie aus dem Ärmel geschüttelt. Aber man fragt sich, ob Herr Gilels vielleicht bei Rachmaninov oder Tschaikowsky noch besser aufgehoben wäre. Ein Achtzylinder gehört ja auch eher auf die Autobahn oder die Flaniermeile und nicht unbedingt auf einen kleinen Feldweg (ok, der Vergleich hinkt leider etwas, zumal im beginnenden Zeitalter der Elektromobilität und ein Feldweg ist Nr. 27 nun wirklich nicht).
Der zweite Satz wirkt weihevoll und zelebriert, versunken auch in das eigene schöne Spiel und ziemlich spannungslos gedehnt. Der dynamische Ambitus hat fast den eines langsamen Satzes einer Bruckner-Sinfonie erreicht. Der einfache Tonsatz Mozarts wirkt vom Orchester her aufgebläht. Als Folge des hemmungslosen Schwelgens (als ob Karajan am Pult gestanden hätte) lässt sich die Schwanengesang-Larmoyanz nicht ganz vermeiden. Das ist das genaue Gegenteil eines modernen Mozart-Stils. Trotz des recht langsamen Tempos „verhungert“ der sagenhaft kantable Beitrag von Emil Gilels nicht. Man fragt sich, wie er das schafft. Die beiden Protagonisten wollen uns in höhere Sphären entführen, man darf ohne Skrupel von „Entrückung“ schreiben, denn die DG hat den schwerelosen Klang dazu, besonders für das Klavier, bereitgestellt.
Auch im dritten Satz (immer noch ein Allegro) lässt man nur ein verhaltenes Tempo zu. Der tänzerische Charakter wird, wenn nicht verleugnet, so doch eingebremst. Zur liedhaften Gestaltung fehlt die einfache Selbstverständlichkeit im Spiel. Das wirkt fast schon lahm und mit nur wenig Esprit. Der eigentliche Satzcharakter bleibt im exquisiten Klang stecken. Mozart mit einer dicken Schokoladenglasur. Aber alles in allem vor allem im Pianistischen unverschämt gut gemacht. Aus einer Referenzeinspielung ist in unseren Ohren eine eher streitbare geworden.
Der Klang ist für sich genommen sehr gut. Sehr transparent, räumlich großzügig und sehr präsent. Das Klavier wird sehr deutlich vor das Orchester gestellt, ohne dass es selbst verdeckt werden würde. Der Gesamtklang ist plastisch, sehr farbig und spricht stark die Sinne an. Die Wiener klingen sogar noch etwas offener als bei Curzon/Szell und sehr brillant, was auch für den sagenhaft gut eingefangen Klavierklang von Gilels´ Klavier gilt. Eine Top-Aufnahmequalität der DG.
4
Emil Gilels
Bernard Haitink
Concertgebouw-Orchester Amsterdam
RC 3
AD? live
14:11 8:49 8:55 31:55
Auch in Amsterdam wählt man eine große Streicherbesetzung mit starken Bässen. Es ergibt sich ein ähnlicher Höreindruck wie bei der Zusammenarbeit von Gilels mit Böhm. Wäre zu bedenken, dass die ähnlichen Tempi in Amsterdam nicht doch eher Gilels´ Konzept folgen als Böhms, oder ob sie während einer gewissen Zeitspanne vielleicht sogar einen gewissen Modellcharakter hatten? Haitink lässt das Orchester etwas impulsiver spielen als Böhm die Wiener. Das Orchester in Amsterdam ist (wie zu erwarten war) hochklassig und wartet mit ausdrucksvollen Soli der Holzbläser auf, die schon nicht mehr den Klang der 50er und 60er Jahre haben. Auch im Concertgebouw und live klingt Gilels´ Klavier wie Samt und Seide. Der Klang des Klaviers passt ganz hervorragend zum Orchesterklang. Es stellt sich erneut die Frage, ob sein Klang und seine Spielweise mit großem Volumen und viel Gewicht (ein echtes „Schwergewicht“ mithin), der diesbezüglich mit einigen ganz wenigen anderen quasi eine eigne Liga bildet, auch genauso gut zu Mozarts Nr. 27 passt.
Erneut driftet das Larghetto fast in ein Largo ab, erneut klingt Gilels´ Klavier besonders rein und sublim, das ist einfach bezaubernd. Insgesamt wird es aber weihevoll, denn auch Haitink lässt das Orchester ungehemmt bis ins ff schwelgen. Auch live rettet der enorm tragfähige Klang des Pianisten die Musik durch die Zeit. Mit einem Hammerklavier wäre das undenkbar. Leider wirkt der Satz auch bei dieser Aufnahme etwas aufgeplustert. Haitink als Nachahmer Böhms?
Im dritten Satz geht es etwas zügiger zu, als Tanz immer noch nicht beschwingt, aber an Kantabilität mangelt es nicht. Wenngleich sie eher opernhaft als liedhaft wirkt. Einfache Textur hin oder her, die Pianistik wirkt einfach sagenhaft geschliffen wie nur bei wenigen anderen. Sie alleine ist der vergleichenden Einordung weit enthoben. Die Kadenz erhält die besondere Autorität des Meisters. Enthusiastischer Jubel in Amsterdam.
Zur Ehrenrettung von Böhm und Haitink sei vielleicht noch erwähnt, dass noch viele andere in jener Zeit ähnliche Tempi wählten und somit als gut und richtig erachtet haben.
Das Klangbild ist lange nicht so brillant und transparent und das Klavier stumpfer als 1973 bei der DG in Wien. Es ist aber gut genug, um die Klasse vom Pianisten und Orchester spüren zu lassen. Es klingt durchaus voluminös, jedoch hört man von der rechten Seite des Orchesters nicht viel. Im langsamen Satz hören wir allerlei Störgeräusche vom Publikum. Wir tippen auf einen Radiomitschnitt der siebziger oder frühen achtziger Jahre. Es gibt vom Pianisten noch eine dritte Einspielung, ebenfalls aus Moskau bei der er auch dirigiert, die klanglich jedoch nicht mithalten kann.
4
Gerrit Zitterbart
Konrad Latte
Berliner Barock-Orchester
Charisma, Gutingi
1991, live
13:22 6:30 8:36 28:28
Das Orchester ist nicht zu verwechseln mit den Berliner Barock-Solisten, deren Mitglieder sich aus Berliner Philharmonikern rekrutieren. Das Orchester wurde von Konrad Latte gegründet und von ihm bis 1997 geleitet. Es macht einen professionellen Eindruck und wäre in etwa mit dem Westböhmischen Nationalorchester Marienbad in seiner Einspielung mit Peter Schmalfuß vergleichbar. Allerdings spielt es in unserem Vergleich etwas leichter und feinfühliger. Auch impulsiver. Übrigens: Dem Namen zum Trotz konnten wir beim Berliner Barock-Orchester keinen Gebrauch von historischen Instrumenten feststellen und für eine Öffnung gegenüber den Errungenschaften der historisch informierten Aufführungspraxis (HIP) haben wir keinen nachhaltigen Anhaltspunkt gefunden. Allerdings beachtet man als eine der ganz wenigen Einspielungen die Unterscheidung der Klavierbegleitung in Soli und Tutti. Immer wenn in der Partitur Soli steht, sollte das Streichorchester auf die jeweiligen Stimmführer reduziert werden, es bleibt also dann nur ein Streichquartett übrig. Seltsam, dass so viele Interpreten, auch prominente Mozartianer, über dieses markante Merkmal der Partitur hinweggehen.
Herr Zitterbart, der vielen als Pianist des Abbegg-Trios (1976-2017) besser bekannt sein dürfte, denn als Solist, passend zum Orchester einen „normalen“ d.h. modernen Flügel. Sein Klavierklang wirkt wenig brillant, sein Vortrag geht wenig in die Offensive. Er spielt stilsicher und stets dezent. Nichts wird überzogen. Seine geläufige Fingertechnik wirkt gefällig, der erste Satz etwas monochrom.
Der zweite Satz gefällt schon alleine durch das zügige und fließende Tempo. Zitterbarts Vortrag wirkt gefühlvoller als der des Orchesters. Durch den Gebrauch der solistischen Begleitung auch im zweiten Satz, wirkt der Satz diesbezüglich reicher differenziert und vielgestaltiger.
Auch im dritten Satz wirkt sein Vortrag schön kantabel, stilsicher, abwechslungs- und recht kontrastreich. Der Konzertmitschnitt aus der Berliner Philharmonie hätte eine farbigere und dynamischere Aufnahmequalität verdient gehabt. Sicher wären die Vorzüge der Interpretation dann noch besser zur Geltung gekommen.
Der Klang der Aufnahme wirkt etwas präsenter als der in der Schmalfuß-Aufnahme. Sie klingt gedeckt, recht transparent, aber nicht hellhörig. Sie hat wenig Volumen aber eine gute Balance zwischen Klavier und Orchester. Obwohl es sich um eine Live-Einspielung aus dem großen Saal der Berliner Philharmonie handelt, sind kaum Publikumsgeräusche zu hören.
4
Alfred Brendel
Paul Angerer
(Kammer)Orchester der Wiener Volksoper bzw. Staatsoper oder auch Vienna Pro Musica Orchestra genannt
Vox
1959
14:26 7:56 8:56 31:18
Dies ist die erste von den drei Einspielungen Alfred Brendels. Er war damals gerade einmal 28 Jahre jung. Die Tempi liegen im Großen und Ganzen bereits damals fest, werden höchstens noch etwas modifiziert. Das Orchester klingt gegenüber den beiden britischen Spitzenensembles etwas rau in den Violinen und im Vortrag einerseits deutlich monotoner andererseits auch wenig zimperlich, teils etwas ruppig. Brendel selbst spielt noch nicht mit der Autorität der späteren (vor allem der letzten) Aufnahme aber technisch schon recht flexibel und recht farbig im Klang. Sein schon damals zu hörender typischer Anschlag schattet dynamisch zwar gut ab, kann aber einen gewissen Leerlauf gerade in den Läufen nicht ganz vermeiden. Selbiges gelingt auch dem Orchester nicht immer.
Im zweiten Satz, dem Larghetto, gab es damals einen „verträumt“-klassischen Ansatz, erwartungsgemäß noch völlig unbeleckt von der HIP (auch weit weg von der „Klangrede“). Sehr gutes p-Spiel, sehr gutes Abschattieren. Da kommt das Orchester nicht so recht mit.
Der dritte Satz überrascht mit einem bereits erstaunlich „schwebenden“ Klang, fast im Vorgriff auf seine zahlreichen Philips-Aufnahmen (aber nur fast). Nur den allzu bodenständigen Violinen fehlt es an der passenden „Schwerelosigkeit“. 1974 war sein Spiel erheblich akzentuierter, 2000 nochmals versierter.
Der Klang der Aufnahme ist recht dynamisch aber wenig transparent. Das Holz verschwindet schon einmal im Tutti. Das Klavier klingt halliger als das Orchester. Auf der rechten Seite des Klangbildes spielt sich nicht viel ab.
4
Eric Heidsick
André Vandernoot
Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire de Paris
Erato-Warner
1961
13:58 8:17 9:04 31:20
Monsieur Heidsick spielte das Konzert im Alter von 25 Jahren ein. Zu dieser Zeit besetzte man das Orchester zumeist noch reichhaltig mit Streichern. So auch hier, wobei es dann schon wieder etwas aufgebläht wirkt. Es spielt mit den typisch französischen Holzbläserfarben jener Zeit. So klingt z.B. das Fagott erheblich heller als heute. Die ebenfalls helle Oboe klingt etwas zu vorlaut heraus. Die Streicher (ebenfalls hell und leicht gepresst klingend) wirken faserig und weniger geschmeidig und rund. Der Klang des Klaviers gefällt so besser als der des Orchesters. Es wirkt gut fokussiert und brillant. Die Artikulation und Phrasierung bewegt sich in den üblichen Bahnen, bietet also wenig Überraschendes. Mozarts Kadenz wird aufgefeilt dargeboten.
Im zweiten Satz wirkt das Orchester besonders aufgeblasen, zudem hat man den Orchesterpart schon aufgefeilter gehört, es spielt nicht immer hinreichend präzise. Der Klavierpart wird hingegen gut ausgefüllt.
Im dritten Satz versteckt sich das Klavier nicht (das geht bei Mozart sowieso nicht), es klingt kräftig und urgesund. Die Läufe mit dem Orchester gemeinsam sind nicht immer präzise zusammen und daher undeutlich. Geläufige Kadenz. Klavier und Orchester wirken in dieser Aufnahme etwas zu großkalibrig (aufgenommen) in Relation zum eigentlich intimen Charakter des Konzerts.
Der Klang der Aufnahme wird nicht unwesentlich von den leicht gepresst und hart klingenden Violinen geprägt, die Transparenz ist hinreichend, der Gesamtklang nicht ganz frei. Das leichte Analograuschen stört nur im zweiten Satz ein wenig. Das Klavier klingt besser als das Orchester, offen, brillant und gut fokussiert wird es vor das Orchester gestellt.
4
Rudolf Serkin
Claudio Abbado
London Symphony Orchestra
DG
1983
14:49 8:00 9:29 32:18
Dies ist die dritte und letzte der Aufnahmen von Rudolf Serkin mit Mozarts Nr. 27. Er spielte sie im Alter von 80 Jahren ein. Doch fangen wir mit dem Orchester an. Das recht üppig spielende und wahrscheinlich auch noch ebenso besetzte LSO pflegt einen weichen, runden und geschmeidigen Mozart-Klang, bisweilen vielleicht ein wenig süffig, jedoch weit differenzierter und weniger forciert als das Philadelphia Orchestra 1962 in der zweiten Einspielung Serkins. Das Tempo hält Abbado schon fließend, die Artikulation wirkt in der 53er Einspielung mit Alexander Schneider jedoch agiler. Was damals sicher erforderlich war, um am damals noch eheblichen jüngeren Pianisten „dranzubleiben“. Serkin selbst hat an Geschmeidigkeit eingebüßt, auch das Spannungspotential der früheren Einspielungen erreicht er nicht mehr. Die Qualität des Anschlags hat auch gelitten, er wirkt nicht mehr so schnell, agil und spritzig. Der Ton ist runder und etwas plump geworden. Das ist besonders in Relation zu den früheren Einspielungen zu bemerken. Überraschend ist der immer noch recht lockere und insgesamt schlüssige Gestus seines Spiels. Er ist aber auch mit 80 noch weit weg vom teigig-weichlichen Anschlag des späten Barenboim, auf dessen Aufnahmen wir erst bei den Einspielungen ohne hauptamtlichen Dirigenten eingehen werden. Ab der Kadenz wird das brillante Klangbild etwas halliger. Serkin zeigt sich in ihr immer noch rüstig.
Beim zweiten Satz ist Rudolf Serkin bei jeder Aufnahme ca. eine Minute schneller geworden. Somit spielt er ihn mit 80 am schnellsten, was entweder daher rühren mag, dass man ihn zu jener Zeit allenthalben schneller spielt (die HIP hat ihre Spuren hinterlassen) oder dass Abbado das Tempo der Aufnahme mit Gulda erneut als das richtige empfand und Serkin davon überzeugen konnte. Mit dem rechten Alla-breve-Tempo seiner Aufnahme mit Frau Pires hat er wahrscheinlich noch nicht geliebäugelt. In dieser Aufnahme des zweiten Satzes strahlt vor allem das Orchester viel Wärme und Zuversicht aus.
Im dritten Satz liegt nun das langsamste Tempo der drei Aufnahmen Serkins vor. Das Espressivo und Temperament erscheinen nun stark abgemildert. Obwohl Serkin und vor allem das LSO (das dem Solisten in der ganzen Aufnahme einen weichen Teppich ausrollt) besonders schön spielt, hätten wie uns den Duktus etwas spritziger gewünscht. Rudolf Serkin summt mitunter hörbar mit.
Dies ist von den drei Einspielungen von Serkin Vater die farbigste, weichste, vollste, transparenteste und plastischste und die mit dem am offensten und freiesten klingenden Orchester. Die Balance ist sehr gut. Lediglich die leicht „seifig“ klingenden Violinen lassen auf eine frühe Digital-Aufnahme schließen. Insgesamt klingt sie jedoch sehr gut.
4
Maria Joao Pires
Armin Jordan
Orchestre de Chambre de Lausanne
Erato
1978
13:56 7:59 9:08 31:03
Dies ist die erste Aufnahme die die portugiesische Pianistin von KV 595 vorgelegt hat. Der Klang des Orchesters ist dabei faseriger, spröder und lange nicht so samtig-weich wie beim Orchestra Mozart in der zweiten Einspielung mit Abbado oder auch in der Einspielung desselben Orchesters mit Christian Zacharias. Die Holzbläser sind zudem klanglich wenig überzeugend. Hinzu kommt ein auffallend heller Gesamtklang. Der Gestus wirkt etwas müder als in der Pires/Abbado-Einspielung. Es gibt aber auch Vorteile, denn das Klavier erscheint etwas vor das Orchester gerückt und klingt somit deutlicher als in der DG-Aufnahme. Aber kein Vorteil ohne Nachteil: Von ihrem Prima inter Pares Spiel, das mit Abbado zusammen perfektioniert wurde, ist in dieser älteren Einspielung noch nichts zu hören, bisweilen ist die Balance sogar deutlich Richtung Klavier verschoben.
Im zweiten Satz bringt man kaum einmal den rechten Mut auf richtig p zu spielen, das hat jedoch seinen guten Grund, denn der Klang des Flügels wäre wohl dann nicht tragfähig genug, eine vollendet kantable Ausstrahlung zu gewährleistet. Ein Gilels konnte die Töne besser binden, bei einem langsameren Tempo. Pianistisch ist auch bei den Trillern nicht dieselbe Höhe des Klavierspiels erreicht. Die 2011er Aufnahme der Pires klingt da deutlich reifer, Abbados Tempo erscheint vielleicht für sie auch stimmiger. Das Orchestra Mozart spielt differenzierter in der Phrasierung und klanglich ausgewogener, einfach voller, runder, „schöner“. In Lausanne strahlt die Musik wenig Wärme aus.
Im dritten Satz hören wir eine Interpretation ohne Höhen und Tiefen. Mit Abbado (2011) hat der Satz mehr Schwung und Präzision. Die Kadenz wurde 1978 deutlich vom „Konzert“ abgesetzt mit einem Spotlight auf die Solistin.
Zum Klang: Wenig Fülle und Eleganz im Streicherklang, der einen leichten Zug ins Drahtige mitbekommt. Das Klavier klingt viel besser, wurde auch deutlich vor das Orchester gestellt. Ansonsten wirkt der Klang mozartisch leicht und recht klar.
4
Derek Han
Paul Freeman
Philharmonia Orchestra, London
Brilliant
1993
14:04 6:50 9:13 30:07
Diese Aufnahme stammt aus einer Gesamteinspielung aller Mozart-Klavierkonzerte. Das nicht gerade klein besetzte Orchester klingt klangschön und mit guten Soli der Holzbläser garniert, aber nicht sonderlich ambitioniert. Dass alle Konzerte innerhalb von zwei Jahren eingespielt wurden hat zwar zu einem guten Verständnis mit dem Pianisten beigetragen aber nicht unbedingt zu einem ausgefeilt-nuancierten Spiel. Es wirkt jedoch locker und recht aufmerksam.
Das Spiel des Pianisten wirkt nicht sonderlich brillant in Klang, Anschlag und Artikulation. Rein Fingertechnisch kommt er an die besten Kolleg/innen nicht ganz heran. Er geht aber mit dem Orchester in einen harmonisch abgestimmten Dialog unter Gleichgesinnten. Er vermeidet zu viel Schokolade, rührt aber auch kein Beton an, aber besonders inspiriert wirkt sein Vortrag auch nicht.
Das Tempo im Larghetto ist angenehm zügig, fast schon flott. Klanglich wird hier vom Orchester ziemlich pauschal gespielt, das wäre mehr Finesse wünschenswert. Aber immerhin vergröbert man auch nichts, das f bleibt im Rahmen. Derek Han spielt hier ohne viel „Federlesens“ etwas zu oberflächlich und glatt und ohne die Tiefen der Musik gänzlich zu ergründen. Immer frisch nach vorne hat er dies wahrscheinlich auch gar nicht im Sinn. Er erspart uns dadurch die vermeintliche Erhebung in den Parnass, den Olymp oder den Himmel.
Im dritten Satz spielt Han über die Schatten der Musik ein wenig hinweg. Man hört es auch an den gleichförmigen Skalen und am monochromen Anschlag. Fingertechnisch haben wir schon sehr viele brillantere Einspielungen gehört. Aber sie wahrt doch im Großen und Ganzen besser die Balance als z.B. die nachfolgende Einspielung mit Rudolf Serkin und Eugene Ormandy, die pianistisch und orchestral allerdings ein anderes Kaliber darstellt und die viel individueller wirkt.
Wir hörten die SACD-Version der Einspielung, die es in vielen verschiedenen, meist extrem preiswerten Ausgaben meist als CD only gab oder noch gibt. Damals gab es die SACD-Gesamtausgabe zu einem Spottpreis zu kaufen, aber diese Zeiten sind vorbei, die SACD weitestgehend in der Versenkung verschwunden. Hier klingt sie recht räumlich und ohne ein zu viel an Hall (Henry Wood Hall). Die Balance von Klavier und Orchester wirkt gut. Man hört sogar eine echte Tiefenstaffelung bei der das gut fokussierte Klavier fein abgegrenzt vor dem Orchester zu hören ist. Sicher interpretatorisch nicht der Überflieger könnte diese Einspielung ein guter Einstieg in die Materie sein, vor allem, wenn es gelingt das komplette Set in der SACD-Ausgabe gebraucht zum kleinen Preis zu erwerben. Die Faszination dieser herausragenden Werkgruppe Mozarts lässt sich jedenfalls durch den Preis der Erwerbung nicht aufhalten.
4
Rudolf Serkin
Eugene Ormandy
Philadelphia Orchestra
CBS-Sony
1962
13:25 9:08 8:50 31:23
Diese Kombination hat uns bei der „Burleske“ von Richard Strauss begeistert. Dieses Mal kann sie uns nicht ganz überzeugen. Das liegt am Orchester und daran, dass es dieses Mal nicht so Recht zum Solisten passen will. Das Tempo ist schneller als in der ersten Aufnahme von 1953, der Impetus wirkt nun eher rasant-ungestüm. Der Orchesterklang wirkt recht dick und sehr kräftig, gesund und straff-vital, fast schon ein wenig protzig. Die Violinen zeigen ihre Potenz. Die Steigerungen wirken ebenso angehaucht. Die Dynamik wirkt „großspurig“. Das ist bei Mozart schon fast eine Kardinalsünde. Die Violinen klingen übrigens dieses Mal eher strähnig und robust. Das ist bei diesem Orchester und bei diesem Label nicht unbedingt genau vorherzusagen, was man da zu hören bekommt. 1953 klang es deutlich kammermusikalischer (trotz Mono-Technik). Beim Orchester könnten wir uns sehr gut und besser passend das Grieg-Konzert vorstellen.
Dem Orchesterklang steht Serkins schlankes, sehniges, differenziertes Spiel gegenüber. Das Orchester wirkt oft zu laut gegenüber dem Klavier und bedrängt es mitunter regelrecht. 1953 waren die Proportionen stimmiger. Hier sind wieder zwei Alpha-Musiker am Werk, da will keiner nachgeben. Serkin spielt immer noch mit hochspannender Erregung und prickelndem Esprit, dem Ormandy mit seiner Hochleistungstruppe ähnliches entgegenstellen oder zur Seite stellen möchte. Dabei schießt man über das Ziel hinaus. Ormandy mit breiter Spur und Vollgas auf der Überholspur der Mozart-Autobahn. Langeweile kommt hier nicht auf.
Im zweiten Satz, eine Minute zügiger als 1953, betätigt sich Ormandy und das Orchester überzeugt und selbstbewusst mit ungehemmtem ff und gesäuseltem p als Stimmungskiller, während Serkin fast übersensibel sehr überzeugend das „neue“ Tempo ausfüllt. Mit Bässen wie bei Bruckner und mit seinem Hang zur Monumentalität geht dem Orchester in diesem Satz der weiche subtile Mozart-Klang völlig ab.
Der dritte Satz wirkt gegenüber ´53 etwas gebremster. Das Orchester betätigt sich mit seinem „lauthalsen“ Espressivo stilistisch fragwürdig, während Serkin bestechendes Mozart-Spiel in die Waagschale wirft.
Die ´62er rauscht mehr als die ´53er Mono. Weich und geschmeidig ist auch der kraftvoll-raubeinige Stereo-Klang von 1962 noch nicht.
4
Artur Schnabel
John Barbirolli
London Symphony Orchestra
EMI, Naxos
1934
12:52 10:45 7:36 34:13
MONO Für Artur Schnabel waren Aufnahmen für die Platte ein Grauen und die EMI-Studios bezeichnete er einmal entsprechend als „eine Folterkammer“. In der Orchestereinleitung hören wir das Holz überdeutlich und das f könnte genauso gut als ein ff durchgehen. Die Violinen heben ihre Schluchzer mit einem Glissando hervor. Das wirkt zeitverhaftet. Ansonsten ist die kontrastreiche Darbietung dem Rubato sehr zugewandt. Schnabels Spiel wirkt unmittelbar, ungekünstelt und spontan. Es hört sich an wie live. Anscheinend ist es ihm erfolgreich gelungen auszublenden, dass er sich in einer Folterkammer befand.
Aus dem Larghetto wird, ohne einen Gedanken an ein Alla breve zu verschwenden (es steht wahrscheinlich damals auch noch nicht in der Partitur), ein Largo, sehr langsam und sehr getragen. Mozart klingt so nicht nur zelebriert, sondern einfach in die Länge gezogen. Die beinahe leblose Darstellung führt die Musik fast an den Stillstand heran. Die Absicht war wohl das Erreichen einer gewissen „Verklärung“.
Beim zweiten Allegro erreicht man hingegen ein flottes Tempo, das das Tanzbein herausfordert. Die Technik Schnabels wirkt mitunter nonchalant bis sorglos. Nun ganz im Gegensatz zum zweiten Satz ganz und gar nicht mehr romantisch aufwallend. Teils klingt es aber auch gleichförmig und mechanisch. Barbirollis Orchester wirkt temperamentvoll, er hat aber seine liebe Mühe präzise an seinem Solisten dran zu belieben. Trotzdem ist der dritte der beste Satz.
Da das Orchester damals im Frequenzbereich nur ziemlich eingeschränkt aufgenommen werden konnte, klingt es mulmig. Das Rauschniveau ist erheblich. Klavier und Orchester wirken jedoch bereits erstaunlich transparent, das Klavier sogar ziemlich brillant. Es gibt keinerlei räumliche Illusion.
4
Ingrid Haebler
Christoph von Dohnanyi
Wiener Symphoniker
Philips-BnF
Ca. 1960
13:15 8:16 9:01 30:32
In Ingrid Haeblers mittlerer Einspielung hören wie eine temperamentvolle Orchestereinleitung, die eines „Allegro“ würdig ist. Die Streicher der Symphoniker sind recht voll besetzt, das Orchester auf „groß“ getrimmt. Das f wirkt gepfeffert. Der Gestus hat einen Hang zum Drängen. Dagegen wirkt die junge Ingrid Haebler zu leise, nüchtern oder einfach zu schlicht. Von ihrem „singenden Allegro“ (Gerhard R. Koch) hören wir in der Einspielung mit Alceo Galliera mehr.
Im zweiten Satz wirkt die Balance verdreht. Jetzt spielt das Klavier lauter als das Orchester und Frau Haebler dominiert. Ihr Spiel kann sich nun mit einer gewissen Wärme und mehr Gefühl entfalten.
Der letzte Satz hat hohes Niveau, wird aber vergleichsweise konventionell gespielt (was heißt aber schon konventionell?). Das Orchester forciert sein f nicht mehr so. Das Klavier klingt zwar recht hell aber nicht ohne brillante Strahlkraft. Die Balance ist im dritten Satz am besten.
Leider hat man eine Mono-Platte der Bibiliothèque de France digitalisiert obwohl von der Einspielung bereits genügend Stereo-Scheiben auf dem Markt gewesen sein sollten. Es kommt jedoch im Mono-Klang zu keinerlei Verdeckungs-Effekten, weder beim Klavier, noch beim Orchester; alles ist hörbar. Die Balance wäre verbesserungswürdig. In dieser Darreichungsform wirkt der Klang nicht gerade sinnlich-unterstützend. Der Plattenlauf ist sehr sauber.
4
Jörg Demus
Hans Müller-Kray
Südfunk-Sinfonieorchester Stuttgart (heute SWR Sinfonieorchester Stuttgart des SWR)
SWR Music Archive
1961
12:49 7:03 8:59 28:51
MONO Trotz der damals noch meist üblichen großen Streicherbesetzung hören wir ein recht schlankes Spiel, jedoch lange nicht so geschmeidig und homogen wie bei den Berliner Philharmonikern mit Ferndinand Leitner in der Einspielung mit Wilhelm Kempff ein Jahr später. Die Bläser sind oft nur unter großer Anstrengung und mit gutem Willen zu erkennen. Nur die einschlägigen Soli sind klar und deutlich. Das Tempo ist recht flott und durchaus ansprechend.
Obwohl sich Jörg Demus schon sehr früh für den Hammerflügel (oder auch Hammerklavier bzw. Fortepiano) interessiert hat und sich für die Renaissance der alten Instrumente eingesetzt hat, spielt er in Stuttgart noch den „klassischen“ Konzertflügel. Sein Anschlag ist präzise, die Diktion recht temperamentvoll aber mitunter auch etwas mechanisch und „hurtig“.
Im zweiten Satz gefällt das bereits „modern“ wirkende fließende Tempo und der nun schöne, klare und runde Klang des Klaviers. Die Delikatesse eines Kempff vermisst man allerdings. Insgesamt geht es etwas zu einfach „geradeaus“. Jedoch ist für die damalige Zeit schon ein entschlacktes Mozart-Spiel (also nicht nur bei Clifford Curzon, Robert Casadesus, Annie Fischer oder Friedrich Gulda) festzustellen. Solist und Orchester bilden jedoch keine Einheit. Das Orchester wirkt zu hintergründig, was aber auch ein aufnahmetechnisches Problem sein könnte. Da wird nichts aufgeplustert.
Im dritten Satz hat man sich entschlossen, das Klavier deutlicher nach vorne zu holen. Dem entspricht ein beinahe schon fröhliches nach vorne spielen. Nicht ohne dunkle Zwischentöne, recht locker aber auch ohne „Zauber“.
Für einen Live-Mitschnitt gibt es keine Anhaltspunkte. Es ist von einer Studioproduktion auszugehen. Obwohl Die Stereo Einspielung der DG (Kempff/Leitner) nur ein Jahr älter ist, blieb man bei den Rundfunkanstalten noch eine Zeit lang beim Mono-Klang. Klangfarblich finden wir wieder den etwas zu einheitlichen Grauton der Rundfunkaufnahmen der damaligen Zeit vor. Wie gesagt kommen die Bläser wenig zur Geltung. Die Transparenz ist nicht toll, der Klang flächig.
3-4
Justus Frantz
Claus Peter Flor
Bamberger Symphoniker
Eurodisc
1989
13:56 9:45 8:54 32:35
Einen Mangel an Farbigkeit kann man dieser Einspielung nicht vorwerfen. Die Bamberger sind stark besetzt. Man pflegt einen Mozart-Stil der nicht von ungefähr an den Herbert von Karajans (den späteren) erinnert. Legato wird großgeschrieben und an Glanz darf es auch nicht fehlen. Weich, voll und abgerundet. Das Spiel hört sich groß aber auch artig an. Mit Justus Frantz traf man einen gleichgestimmten Partner. Er spielt zwar ziemlich locker und sehr gleichförmig aber auch „schön“, wie für ein Wunschkonzert. Einen gewissen Willen zum Repräsentieren ist zu spüren, der vielleicht dem „Krönungskonzert“ besser angestanden hätte. Mozart hatte mit seiner Nr. 27 jedoch anderes im Sinn, er hatte weder einen Auftrag für jemand anderen etwas Repräsentatives zu schreiben und für sich selbst stand ihm, wie bereits im „Hintergrund“ beschrieben, der Sinn nach Neuem. Insgesamt läuft der erste Satz zwar schön farbig aber doch sehr glatt ab.
Auf die Idee, dass in der Partitur ein Alla breve stehen könnte, kommt man nicht. Man dehnt noch mehr als Karl Böhm vor 16 Jahren. So wird aus dem Larghetto ein Largo und die Musik fast zum Stillstand gebracht. Während bei Böhm und Gilels jedoch eine gewisse Erhabenheit zelebriert wird, scheint es Frantz und Flor lediglich um das schöne Verweilen beim schönen Augenblick zu gehen. Es klingt noch philharmonischer als damals in Wien und dass es Mozart um intime Gefühlsäußerungen gehen könnte, die nur leise mitgeteilt werden sollten, diese Frage stellt sich nicht. Schon 1989 hätte die Stilfrage ein anderes Ergebnis zeitigen können. Herr Frantz spielt im zweiten erneut sehr schön und so differenziert wie es ihm möglich ist. Man meint, dass Gilels/Böhm noch lange nachgewirkt haben. Hier klingt es jedoch plüschiger.
Wie im ersten Satz spielt Frantz auch im dritten geänderte (wohl kaum verbesserte) Eingänge. Sehr schön klingt das Reinschleichen der Streicher in T. 281 nach der Kadenz. Wenn es einen Preis für den puren Schönklang an dieser Stelle gäbe, die Bamberger wären bei den ersten Anwärtern.
Auch der Klang der Aufnahme wirkt sehr großformatig, dem eines „Krönungskonzertes“ würdig mit einem teils mächtigen Bass. Für KV 595 wirkt er jedoch zu aufgebläht. Dem Klavier hat man brillante Glänzfähnchen hinzugezaubert. Recht transparent, füllig, ja wohlig wirkt der Gesamtklang sehr „schön“, wie eine glänzende Geschenkverpackung. Wir lieben es jedoch bescheidener. Starke Tendenz zur Mozartkugel in Geschenkverpackung. Als Familienpackung versteht sich. Wenn schon, denn schon.
3-4
Homero Francesch
Klaus Weise
Orchestre Philharmonique de Nice (Nizza)
Kontrapunkt, SteepleChase
1991
13:58 7:30 9:23 30:51
Auch diese Einspielung ist Teil einer Gesamtaufnahme aller Klavierkonzerte Mozarts. Man hat in Deutschland anscheinend von ihr nicht viel Notiz genommen. Uns war nämlich bis jetzt keine einzige Aufnahme daraus bekannt. Nichtsdestotrotz merkt man dem Zusammenspiel eine große Vertrautheit an. Kein Wunder man traf sich immer wieder über die Jahre. Der Pianist war übrigens ehemals Student bei Ludwig Hoffmann. Während beim Orchester aus dem sonnigen Südfrankreich solide Qualität zu bemerken ist, bei der die Violinen einen etwas breiten Strich pflegen, gefällt der Pianist mit einem sehr schönen Ton und einem abgerundet-voluminösen und einem feinen Anschlag. Sein Spiel ist gefällig und recht lebendig.
Im zweiten Satz trägt das Orchester zu dick auf. Fast als gelte es Bruckner mobilisiert man die Ausdrucksreserven. Den Beiträgen des Klaviers fehlen im Vergleich doch merklich die Finessen einer Haskil. Es hört sich etwas monochrom und gleichförmig an.
Der dritte Satz wirkt etwas lahm. Immer den Noten entlang, volltönend und das Klavier allzu gleichmäßig perlend. Ohne eigene Ideen und ohne viel Esprit.
Das Orchester klingt etwas trocken. Das Klavier brillant und mit viel Glanz. Das Klangbild wirkt linkslastig. Auf eine Unterteilung in einzelne Sätze hat man verzichtet. Man ging anscheinend davon aus, dass die Hörer immer gleich das ganze Konzert hören wollen.
3-4
Fou Ts´Ong
Victor Dezarzens
Orchester der Wiener Staatsoper
Westminster-Universal
1961
13:40 8:08 9:00 30:48
Vom chinesischen Pianisten Fou Ts´Tong liegen uns zwei Einspielungen vor. Bei der zweiten mit der Sinfonia Varsovia (1991) war Fou Ts´Ong sein eigener Dirigent. Die Violinen klingen in seiner älteren, also dieser hier, heller, spröder und leicht gepresst. Er war gerade einmal 25 Jahre jung. Victor Dezarzens ist übrigens der Gründer des Orchestre de Chambr e de Lausanne, das er bis 1973 leitete. Es ist in unserem Vergleich zwei Mal vertreten.
Beim Wiener Orchester dominiert erneut das Holz mit seiner typischen Farbgebung (Oboe). Das Orchester spielt weniger präzise als die Warschauer Sinfonia Varsovia (ohne Dirigent, Ausnahmen bestätigen eben die Regel). Der Klavierklang ist in Wien lediglich einen Tick heller, ansonsten bereits zum Verwechseln ähnlich mit der 30 Jahre jüngeren Einspielung aus Warschau. Das Holz klingt in Wien oft blockhaft und undifferenziert. Solistisch tritt es hingegen mitunter über Gebühr hervor. Die Geigen klingen mitunter spitz. Das Orchesterspiel wirkt ziemlich temperamentvoll.
Der zweite Satz wirkt klanglich etwas spröde, der dritte 1991 auch pianistisch ausgereifter und geschmeidiger. 1961 fehlt noch etwas die Finesse.
Der Gesamtklang ist recht transparent, das Klavier deutlich vor dem Orchester platziert worden.
3-4
Keith Jarrett
Dennis Russell-Davies
Stuttgarter Kammerorchester
ECM
1994
14:21 6:35 9:38 30:34
Das Stuttgarter Orchester lässt ein zwar generell sorgfältiges jedoch wenig subtiles Spiel des Holzes hören. Es pendelt je nach Erfordernis zwischen Lebendigkeit und majestätischer Erhabenheit. Der Pianist lässt ein ebenmäßiges Spiel hören, sachlich und ohne eigene Zutaten erscheint es nicht ganz frei von einer gewissen Redundanz im Motorischen. Gleiches Notenbild hat immer ohne jede Variation auch das gleiche Spiel zur Folge. Die Kadenz haben wir im Laufe unseres Vergleiches bereits vielfach sehr viel differenzierter gehört. Es gibt keine zusätzlichen Ausschmückungen zu hören, nur den reinen Mozart-Text. Im Zusammenspiel mit dem Orchester sind wenig Interaktionen und Feinheiten zu bemerken.
Im Larghetto hören wir dann schon gute, sehr gut zur Komposition passende Verzierungen, die das ansonsten recht gleichförmige Spiel auflockern. Jarrett spielt wie ein Sänger singen würde, das Orchester gibt ihm nicht immer genug Freiraum dazu, denn mitunter spielt es doch sehr laut.
Der dritte Satz klingt ganz ähnlich wie viele andere Einspielungen auch. Durch das betuliche Tempo (Allegro?) ergibt sich auch nur ein bedächtiger Tanz in den Mai. Ein leicht melancholischer Unterton wäre kompositionsimmanent. Hier ergibt sich zusätzlich ein leicht swingender Charakter. Aus Sorge zu viel zu machen, hören wir vom Pianisten eine nur recht nivellierte Dynamik und einen deutlich reduzierten Nuancenreichtum. Bestes Beispiel ist die recht einfallslos runtergespielte Kadenz im letzten Satz. Die Eingänge sind jedoch variiert worden. Dass das Werk von diesem Meisterpianisten des Jazz in Perfektion beherrscht wird, steht außer Frage, er legt es technisch ja auch recht locker hin. Dennoch wirkt sein Spiel auf uns nicht ganz frei. Am meisten muss man es bedauern, dass er seinem Improvisationsgenie nicht zumindest in den Kadenzen einmal freien Lauf gelassen hat. Mozart selbst war darin ja einer seiner Vorfahren. Er hätte sicher Verständnis dafür gehabt, vielleicht wäre er sogar begeistert gewesen.
Der Klang der Einspielung enttäuscht. Das Label ist als durch und durch audiophil orientiert bekannt, legt stets größten Wert auf einen lupenreinen Klang seiner Aufnahmen. Vielleicht war man mit Aufnahmen von Orchestern (und dann auch noch gemeinsam mit einem Klavier) nicht so vertraut, das wäre eine zaghafte Vermutung. Der Klang ist zwar transparent, aber zu hallig. Das Orchester wirkt sehr breit aufgestellt und sehr räumlich, hat insgesamt so eher die Dimensionen eines großen Orchesters. Der Mozart-Saal der Stuttgarter Liederhalle klingt ungedämpft. Das hat zur Folge, dass sowohl Klavier als auch das Orchester ein wenig zu schwammig klingen. Die Balance ist gut. Wer eine klangtechnisch gute Aufnahme des Werkes hören möchte, der wäre mit den Aufnahmen von z.B. Angela Hewitt, Clifford Curzon (Britten oder Szell in Wien), Uchida mit Tate oder sogar Géza Anda oder Walter Klien besser bedient.
3-4
Annerose Schmidt
Kurt Masur
Dresdner Philharmonie
Berlin Classics
1974
13:30 6:37 8:45 28:52
Auch in dieser Aufnahme sind die Streicher noch satt besetzt. Ihr Sound wirkt etwas weniger fein und faseriger als bei den Bambergern und Flor. Die Akzentuierung wirkt sportlich, steht jedoch weniger im Fokus als die Darstellung der teilweise kräftigen Dynamikunterschiede. Der Gestus wirkt den ganzen Satz über mit einem Hang zum Drängen, gemäß dem Motto: Bloß nicht zart oder nachgiebig wirken.
Frau Schmidt bringt sich gleichgestimmt mit ein. Den Blick immer geradeaus gerichtet, wird nicht einmal zur Seite geschaut, ob sich vielleicht noch ein paar Zwischentöne finden lassen. Da ist schon eine gewisse Unerbittlichkeit oder besser Einseitigkeit mit im Spiel. Ihr Klang ist wie der des Orchesters voll und rund, ihr Anschlag eigentlich recht klar und präzise, jedoch ohne Differenzierungen. Man nimmt die Musik auf einer sachlichen Ebene wahr, ohne sie wirklich an sich heranzulassen. Auf ein p verzichtet man gänzlich, das könnte ja gefühlvoll wirken. Natürlich klingt das Konzert immer noch schön, dazu sind die Aufführenden Profis genug, aber doch seltsam flüchtig und oberflächlich. Die Kadenz korrigiert diesen Eindruck nur marginal, da wird sorglos gehämmert und brilliert, nach Mozart hört es sich nur in zweiter Linie an. Vielleicht will man das süßliche Mozart-Bild des Westens konterkarieren, letztlich mündet es in einem „seelenlosen“ durchpeitschen. Man erwartet gespannt den zweiten Satz, ob man der Musik dort vielleicht ein intensiveres Gefühlsleben zubilligt.
Auffallend sind im Larghetto die gewollt und weit ausladenden Dynamikextreme. Das führt zumindest im Orchester weit über die stilistischen Ansprüche einer Mozart-Interpretation hinaus. Alla breve wird beachtet, das wirkt dann schon nicht mehr als Schreiten, sondern als sehr zügiges Wandern. Der Ausdruck bleibt sachlich.
Der dritte Satz gefällt am besten. Das Tempo wirkt angenehm, die Charakterisierung passt nun besser, der unaufhaltsame (rücksichtslose) Vorwärtsdrang des ersten Satzes wurde ad acta gelegt. Das Spiel wirkt jedoch immer noch nicht blumig oder duftig, dazu fehlen die Nuancen. Hurtig abschnurrende Läufe prägen das Bild. Diese Einspielung ist Teil einer Gesamteinspielung aller Klavierkonzerte Mozarts. Wo bleiben Einfühlungsvermögen und Esprit?
Der Klang der Aufnahme wirkt großräumig, voll, natürlich, transparent, frei und ziemlich dreidimensional. Orchester und Klavier wirken gut ausbalanciert, auch das Holz kommt nicht zu kurz. Das Klavier wurde sorgfältig genau in die Mitte des Klangbildes zentriert. Die Techniker haben wieder einmal sehr sorgfältig und im Sinne der Musik gearbeitet. Ein sehr guter, stimmiger Gesamtklang ist die Folge,
3-4
Lili Kraus
Stephen Simon
Wiener Festival-Orchester
CBS-Sony
1966
13:26 7:45 9:25 30:26
Auch diese Einspielung von KV 595 ist Teil einer Gesamteinspielung aller Klavierkonzerte Mozarts. Sie entstand in etwa parallel zu der in Salzburg im Entstehen begriffenen GA von Géza Anda. Lili Kraus war Schülerin in Béla Bartóks Klavierklasse in Budapest, später noch bei Artur Schnabel. Auch ihr war wie vielen jüdischen Mitmenschen, auch in Ungarn, ein schwieriger Lebensweg beschieden. Bemerken wollen wir nur eine langjährige japanische Kriegsgefangenschaft in Malaysia (während einer Konzertreise festgenommen) und Japan, die u.a. durch die Zwangsarbeit (Latrinensäuberung) zu stark verätzten Händen, Unterernährung, offenen Wunden und Infektionen führte.
Zur Zeit der Aufnahme war sie 59 Jahre. Auffallend ist bei ihr die Wahrung der großen Linie bei einem differenzierten Vortrag, der allerdings gänzlich auf die lauten Töne verzichtet und bisweilen etwas zu sehr vom Motorischen geprägt erscheint. Dadurch entgeht sie nicht ganz einer gewissen Einförmigkeit. Ihr Spiel strahlt insgesamt ein hohes Maß an Selbstverständlichkeit und Überzeugungskraft aus.
Der ebenmäßig gespielte zweite Satz überzeugt seitens der Pianistin noch mehr, allerdings stellt sich das Orchester nicht gerade als ein Aktivposten der Einspielung heraus. Kaum einmal geht Initiative von ihm aus.
Der dritte Satz begeistert weniger, er wirkt klanglich sehr zeitverhaftet, wenig farbig, wenig lebendig. Hier macht sich die tendenziell eingeebnete, gleichförmige Dynamik der Pianistin noch mehr bemerkbar. Wenig zauberhaft.
Der Klang der Aufnahme wirkt nicht sonderlich transparent, wenig körperhaft und wenig dynamisch, insgesamt ziemlich trocken und wenig sinnlich. Die Violinen klingen nicht ganz frei. Das Orchester scheint wie hinter einem dünnen Schleier zu spielen. Das Klavier klingt entsprechend brillanter als das Orchester. Insgesamt wirkt der Klang „porzellanhaft“: hart und blass.
3-4
Peter Schmalfuß
Stanislav Bogunia
West-Böhmisches
Nationalorchester Marienbad
Mediaphom
P 1991
13:15 8:33 9:12 31:00
Falls man Marienbad lesend an ein Kurorchester denken sollte, so geht man in der Besetzung der Streicher weit darüber hinaus. Man wählt ein gleichförmiges Spiel mit weich gezeichneten Konturen und spielt nicht ganz ohne Temperament, aber unbeleckt von den Errungenschaften der HIP. Peter Schmalfuß war einmal Student bei Walter Gieseking, Adrian Aeschbacher und Wilhelm Kempff. Das Klavier hören wir mit einem gedeckten, ein wenig blassen Klang (falls es ein Steinway war) und einer wenig brillanten Spielweise. Man denkt an einen dem Hammerklavier angenäherten Klang und eine an Robert Casadesus erinnernde Spielweise. An die Nuancierungskunst desselben kommt Peter Schmalfuß jedoch nicht heran.
Im zweiten Satz trägt das Orchester zu dick auf, weitet das f als ob es der Schilderung des Weltuntergangs gelte. Dies steht im starken Kontrast zum bescheidenen Gegenpol den der Flügel bietet. Das Orchester spielt nicht immer präzise genug, es fehlt an der wünschenswerten „Leichtfüßigkeit“ und man klebt zu sehr an den Noten.
Der dritte Satz wird solide aber etwas eintönig musiziert. Von Seiten des Solisten spürt man ein erheblich größeres Einfühlungsvermögen in die besondere Klangwelt des Komponisten. Er hätte ein besser zu ihm passendes Orchester benötigt und beide hätten eine präsentere Aufnahmetechnik verdient gehabt.
Der Klang wirkt großräumig, entfernt, etwas stumpf, trocken und leicht verhangen. Es handelt sich um eine insgesamt unauffällige Produktion. Die Balance ist teilweise problematisch, denn das Orchester klingt im geweiteten ff übermächtig. Trotz der vielen Violinen: Magerkost.
3-4
Jean-Marc Luisada
Paul Meyer
Orchestra di Padova e del Veneto
RCA
2001
14:55 9:11 9:33 33:39
Das Tempo im ersten Satz ist an der untersten Grenze dessen angesiedelt, was man noch akzeptabel finden könnte. Aber zu einem Allegro passt es nicht. Den Streicherkorps kann man kaum nach Stimmen differenziert hören, auch dynamisch ist der genutzte Spielraum klein. Das Orchester kann nicht ganz mit dem Kammerorchester aus Mantua mit Angela Hewitt und Hannu Lintu mithalten. Es spielt zwar nicht grob, aber auch wenig schlank. Er wirkt für eine Kammerorchester ausladend. Es fehlen die leisen Zwischentöne.
Der Klavierpart kommt ebenfalls recht wenig differenziert zu Gehör. Es ereignet sich auch wenig kammermusikalische Finesse, man versucht das Konzert als ein großes, repräsentatives zu geben. Entsprechend bewegt man sich immer am oberen Ende der dynamischen Skala. Der Gestus muss ohne die spezifische Leichtigkeit auskommen, die die Musik eigentlich erfordert und wirkt erdenschwer. Wollte man suggerieren, dass entsprechend Mozarts Leben oder sein Gemüt „schwer“ war? Die Kadenz wird dynamisch voll ausgespielt. Da kann der Pianist besser zeigen, was er kann.
Das Orchester spielt im Larghetto ein wenig differenzierter. Meist wird aber der ersten Geigenstimme entlang musiziert. Es fehlt einfach die Eleganz eines schlankeren Tons. Das Tempo ist an der Grenze zum Schleppen. Der Klavierpart wirkt mitunter forciert, eine echte Kantabilität will sich nicht recht einstellen, es wird kaum in großen Bögen musiziert.
Auch der dritte Satz wird zu einem sehr langsamen Allegro. Gebremst, bedächtig, ohne rechten Schwung. Die Kadenz hat wieder sehr viel Klang, Kraft und Pedal, was zusammen mit dem recht halligen Sound zu viel des Guten wird.
Das Orchester klingt wenig transparent. Dem Klavier wird ein leichter Hall mitgegeben, der dem Orchester fehlt. Das Holz wirkt blockhaft. Die Aufnahme wurde insgesamt recht laut abgemischt. Die Balance zwischen Klavier und Orchester wirkt gut. Der Hör-Raum wird regelrecht mit Klang geflutet.
3-4
Elisabeth Sombart
Pierre Vallet
Royal Philharmonic Orchestra
Rubicon
2022
14:53 7:59 9:13 31:55
Das vorgelegte Tempo im ersten Satz kann man kaum als Allegro empfinden. Es fehlt jede Spannung oder ein prickelnder Unterton.
Das Klavierspiel bewegt sich auf einem soliden, jedoch nicht dem höchsten Level, was Anschlagskultur und Virtuosität anlangt. Es ist aber weich und recht geschmeidig. Der Dirigent gewährt seiner zum Zeitpunkt der Aufnahme 64 Jahre alten Solistin stets die „Vorfahrt“. Von einer Prima inter Pares kann also nicht die Rede sein. Auf uns machte das Spiel der Solistin einen allzu lieblichen Eindruck, denn besonders der dynamische Ambitus erscheint selbst für die Mozartische Stilistik arg eingeschränkt. Der Klavierklang als solches ist warm getönt und sehr angenehm. Die meisten Zuhörer/innen würden ihn ohne zu zögern als „schön“ bezeichnen. Ein eng verzahntes Concertare findet nicht statt, dazu wird der Satz allseits als zu (?) sanftmütig und entspannt angelegt, was allerdings in Ansätzen bereits kompositorisch angelegt ist.
Der zweite Satz gelingt angemessen und wirkt kontemplativ und gefühlvoll.
Auch im dritten Satz wirkt der kammermusikalische Ansatz reduziert, da das Klavier meist zu dominant klingt. Das Klavierspiel erscheint locker und nicht sonderlich differenziert. Die Eingänge wirken etwas holprig, die Kadenz haben wir schon viel interessanter und prickelnder gehört. Das Spiel wirkt tiefenentspannt und artig. Diese einseitige Mozart-Sicht strahlt Wärme aus, bleibt aber, trotz farbigem Klangbild seltsam monochrom. Sie hört sich zwar gut an entgeht aber einem allzu gleichförmig nachgezeichneten Ablauf nicht.
Der Klang der Aufnahme lässt das Klavier sehr klar erklingen. Es wird jedoch über Gebühr nach vorne gezogen und beherrscht so das Klangbild. Das Holz klingt zu weit entfernt. Ansonsten klingt es gut d.h. warm, weich und ein wenig gedeckt. Gute Tiefenstaffelung.
3
Karl Engel
Leopold Hager
Mozarteum-Orchester Salzburg
Telefunken
1975
14:00 8:19 8:53 31:12
Dies war die erste Einspielung des Konzertes, die auf dem Urtext der neuen Mozart-Ausgabe des Bärenreiter-Verlages zurückgegriffen hat.
Das Orchester klingt lediglich wacker und ist weit weg von der Spitze. Die Violinen klingen hell, die Bläser klingen nebensächlich und die Artikulation wirkt steif. Der Dirigent stand als Chef des Orchesters damals sehr hoch im Kurs, gerade was die Werke Mozarts anlangte. So hat er auch einige frühe Opern des Meisters erstmals für die Platte dirigiert. Diese Einspielung entstammt einer Gesamteinspielung aller Klavierkonzerte Mozarts.
Der Klang des von Karl Engel bevorzugten Bösendorfer-Flügels wirkt gedeckt. Man hat sich bei seiner Wahl bewusst gegen den brillanteren Steinway-Klang entschieden, was auch wir gerade bei Mozart als keine schlechte Wahl empfinden. Herrn Engels Differenzierungskunst ist nicht hervorzuheben. Ohne Finessen wirkt sein Spiel völlig unambitioniert, als wäre er nur darauf aus, dass alle 27 Konzerte möglichst fehlerfrei eingespielt werden. Teilweise steif und ohne eigenes Profil, enthält er seinen Hörer/innen tieferliegende Bereiche der Komposition vor. Ein inspirierter Dirigent hätte ihn vielleicht aus der Reserve locken können.
Im zweiten Satz agieren die Violinen reichlich vorwitzig. Das Orchester spielt alles in einem „Aufwasch“ durch, während sich Karl Engel etwas mehr Mühe gibt. Die Aliberti-Bässe bringt er jedoch ohne Varianten immer gleich. Er kann eine gewisse Monotonie nicht verhindern und es könnte daraus eine gewisse Einschlafgefahr beim Zuhören erwachsen.
Auch der letzte Satz kann nicht mehr viel richten. Die Kadenz wirkt einfallslos und wenig brillant gespielt. Professionell klingt das Ganze schon, aber allzu routiniert.
Der Klang wirkt dann auch noch wenig durchhörbar und etwas distanziert. Die Aufnahme klingt kaum besser als die alte Wiener Brendel-Einspielung aus Wien. Generell fehlt es an Brillanz (und zwar komplett). Obwohl es sich um eine Analogaufnahme handelt und Telefunken hervorragende Aufnahmen hervorgebracht hat, klingt es hier wenig farbig und wenig frei und natürlich. Sogar fast synthetisch. Dabei klingt das Klavier noch besser als das Orchester. Bei den im Warner-Konzern neu herausgebrachten Wiederauflagen alter Einspielungen ist es uns schon häufiger aufgefallen, dass man sich beim Remastering nicht viel oder sogar gar keine Mühe gibt. Hier fällt die lieblose Digitalisierung u.a. durch spitze Violinen auf, besonders, wenn sie ein wenig lauter spielen.
3
Menahem Pressler
Kimbo Ishii
Magdeburgische Philharmonie
Avi
2016, live
15:17 9:17 10:32 35:06
1923 kam Menahem Pressler in Magdeburg zur Welt. 93 Jahre später machte er mit den dortigen Philharmonikern diese Einspielung. Das Tempo wirkt reduziert und man schreibt es nicht gerne, wenn man an die herausragenden Verdienste des Pianisten des berühmten Beaux-Arts-Trios denkt, es wirkt ein wenig buchstabiert. Die Läufe des Pianisten entbehren der Gleichmäßigkeit, mitunter hat man auch den Eindruck, dass die Taste nicht immer voll getroffen wird. Ein fließendes Spiel stellt sich nicht ohne weiteres mehr ein. Mitunter geht es schon recht hölzern und grobkörnig voran. Das ist in Anbetracht der Umstände sicher von jedermann zu erwarten gewesen. Eine gänzlich vom Manuellen losgelöste Interpretation kann sich nicht mehr einstellen.
Bei Herrn Pressler klingen die Aliberti-Bässe im zweiten Satz extra dumpf. Generell ist der langsame Satz von Beeinträchtigungen manueller Art nicht so sehr betroffen wie die beiden schnellen. Daher könnte man sich über den unbehelligten musikalischen Ausdruck freuen, wenn die Magdeburger ihr f nicht zum herzhaften ff weiten würden.
Der dritte Satz bietet ein ähnliches Bild wie der erste. Tempo und Pianistik wirkt leicht gehemmt und das Zusammenspiel gelingt nicht immer perfekt. Eines ist aber sicher: man macht das Beste draus. Davon zeugt auch der begeisterte Applaus
Der Klang ist erste Wahl. Sehr dynamisch und plastisch, transparent, voll und prall klingt das Orchester. Das Klavier dagegen nicht mehr ganz so voll und geschmeidig.
3
Clifford Curzon
George Szell
New York Philharmonic
Archipel
1965, live
13:50 8:42 8:17 30:49
MONO So wie es auch heute noch üblich ist, gehen die Solisten wenn irgend möglich mit den für eine Einspielung frisch erarbeiteten und perfektionierten Werke gerne auf Konzertreise. Vielleicht lässt sich sogar der Absatz derselben dadurch zusätzlich ankurbeln. Die Arbeit soll sich ja auch lohnen, das ist mehr als verständlich. Sir Clifford machte 1965, also im Umfeld der 64er in Wien und der 67er in London so auch in New York Station. Da es jedoch zu keiner Veröffentlichung der 64er Einspielung in Wien gekommen ist, war es vielleicht mehr als nur ein Geheimtipp, in New York ein Aufnahmegerät für ein Bootleg mitlaufen zu lassen. Angesichts der heute jedoch vorhandenen Top-Einspielungen Curzons und der miserablen Klangqualität dieses Mitschnitts, hätte es dieser Veröffentlichung wirklich nicht mehr bedurft. Sir Clifford und Mr. Szell haben wahrscheinlich zu Lebzeiten nichts davon gewusst oder vielleicht auch nichts unternommen. Einer Veröffentlichung hätten sie nie und nimmer zugestimmt. Uns gibt der Mitschnitt die Möglichkeit, den Kreis der Vergleichs-Einspielungen mit dem britischen Ausnahmepianisten nicht zu nur beginnen, sondern auch sich runden zu lassen.
Zum Klang: Sehr starkes Rauschen beherrscht das Klangbild, das auch mit einer sehr schlechten Auflösung auf Kundenfang geschickt wurde. Man meint, dass ein großer Schwarm Grillen oder/und Heuschrecken im Konzertsaal platzgenommen hätte und ein eigenes Konzert veranstalten würden. Der Klangsinnlichkeitsfaktor tendiert gegen Null. Viel Räuspern und Husten in den Satzpausen. Das hört sich nach einem echten „Raubmittschnitt“ an. Vom Kauf wäre auch den Curzon-Komplettisten, die alles von ihm sammeln möchten, abzuraten.
Einspielungen, die auf einen hauptamtlichen Dirigenten verzichten. Der oder die Pianist/in übernehmen diese Aufgabe zusätzlich zu ihre Job als Solist/in.
5
Piotr Anderszewski
Chamber Orchestra of Europe
Warner
2016
13:50 7:55 8:42 30:27
Das klein besetzte COE, es hatte seinen ersten Auftritt bereits mit Murray Perahia (1990) und dann mit Pierre Laurent Aimard (2005) spielt nun ohne Vibrato, aber nicht blutleer, mit guter Dynamik, einem nicht überzogenen f und vor allem einem sehr schönen p. Es spielt, wenn man es mit seinem Spiel 2005 mit Aimard und vor allem Perahia (1990) vergleicht ein wenig rauer, was schon alleine vom vibratofreien Spiel herrühren könnte und zurückhaltender. Der Bläsersatz klingt sehr schön und homogen, die Bläsersoli werden auf den Punkt gebracht. Das Zusammenspiel wirkt unter seinen drei eigenen Einspielungen besonders kammermusikalisch geprägt. Es macht seinem Namen sozusagen alle Ehre. Mit dem Solisten gemeinsam ist das grundsätzlich schlanke Spiel zu bemerken, das nie auftrumpft oder zur Opulenz neigt. Besonders gefällt der fast schwerelose Gesamtklang.
Nun zum Pianisten selbst, bei dem man an den hervorragenden Mozart-Pianisten vergangener Tage, Robert Casadesus denken könnte. Auch Herrn Anderszewski beherrscht ein sprechendes Non-Legato-Spiel par excellence, nur dass sein Ton gegenüber dem des Franzosen deutlich brillanter klingt. Sehr subtil, jedoch nicht verzärtelt, klar und superdeutlich, eher trocken als voluminös spürt man bei ihm kaum einmal einen Pedaleinsatz. Er scheint an Äußerlichkeiten nicht interessiert, ohne je unauffällig zu wirken. Das hört sich nach einem idealen Mozart-Spiel(er) an.
Das Larghetto kann man sich bescheidener, inniger, nuancenreicher, ja demütiger kaum vorstellen. Losgelöst von aller Erdenschwere, verliert man dennoch nicht die Haftung. Der Satz wirkt berührend, zum Herzerweichen schön.
Beim dritten Satz bekommt man den Tanzcharakter und das Liedhafte wunderbar unter einen Hut. Anderszewski bringt die originalen Eingänge, ohne Verkürzungen oder Ergänzungen, auch an der Kadenz wird nicht gerüttelt. Die Darstellung wirkt wie Mozart pur. Mehr braucht es nicht, weniger ab jetzt aber auch nicht. Da gibt es nicht zu kritteln. Eine Darstellung der goldenen Mitte.
Der Klang der Aufnahme trifft die Balance von Klavier zu Orchester sehr gut. Die Transparenz ist hervorragend. Leider fehlt es ein wenig am Bass (mehr hätte aber vielleicht auch den zweiten Satz ein wenig „runtergezogen“) und beim Orchesterchen, nicht aber beim Klavier, hätten wir uns etwas mehr Brillanz gewünscht. Das ist aber Jammern auf allerhöchstem Niveau.
5
Murray Perahia
Berliner Philharmoniker
RBB, Live
unveröffentlicht
2013
13:39 7:30 8:18 29:27
Von Murray Perahia liegen außer diesem Live-Mitschnitt vom RBB noch zwei Studioaufnahmen von 1979 und 1990 vor (beide CBS-Sony), bei der er ebenfalls als Pianist und Dirigent fungierte. In der Saison des RBB-Mitschnitts war er „Artist in Residence“ bei den Berliner Philharmonikern. In dieser Saison verbringen Künstler und Orchester besonders viel Zeit miteinander. In dem Mitschnitt setzt sich Mr. Perahia mühelos an die Spitze der von uns aufgelisteten Rundfunk-Mitschnitte ohne hauptamtlichen Dirigenten. Sogleich nimmt der Klang von Orchester und nach dem Orchestervorspiel auch vom Klavier ein. Wunderbar abgerundet mit mehr Schmelz und besser fokussiert als bei den beiden Mitschnitten mit den Wiener Philharmonikern (beide von 2020) mit Lahav Shani und Daniel Barenboim. Das Orchester klingt sogar viel besser als in Barenboims Aufnahme für Teldec im Jahr 1988, das will heißen: griffiger, präsenter, voller und sonorer. Das Holz klingt 2013 einfach Klasse und stellt die Besetzung von 1988 ziemlich in den Schatten. Alleine das beseelte Oboenspiel ziert diese Aufnahme nicht unwesentlich, obwohl sie nicht gerade viel zu “sagen“ hat. Es wirkt ebenfalls konzertanter und nicht so „philharmonisch“. Das Spiel mutet mit Perahia munterer und frischer, also energiereicher an als mit Barenboim. Die Kadenz klingt temperamentvoll, das Spiel Perahias allgemein sehr nuanciert. Dies ist kein Schlafwagen-Mozart. Im Vergleich zur vorgenannten Einspielung mit Anderszewski klingen die Berliner erheblich voller und farbiger, an der Grenze zur Opulenz, jedoch schlank und wendig im Spiel. Das ist fast die Quadratur nicht des Kreises sondern des Mozartspiels, denn die Balance aus sinnlichem Klang und schlankem Spiel gelingt selten einmal so glücklich. Mitten drin der Pianist als Spiritus rector, der seine Mitmusiker und sich selbst sehr gut beflügelt ohne je ins Auftrumpfen zu kommen.
Der zweite Satz könnte kaum schöner klingen. Anders als bei Anderszewski, aber nicht weniger anrührend. Der Vortrag Perahias ist variantenreicher und noch nuancenreicher geworden als in den beiden Studioaufnahmen, wobei ihm der zweite Satz schon immer gut gelang. Er spielt nun mit etwas mehr Rubato und garniert mit dezenten Verzierungen. So wirkt das Spiel lebendiger, auch das Tempo erscheint goldrichtig. Bestes Concertare. Ein bestens vorbereiteter Vortrag. Besonders anrührend der herrliche Klang, der auch den Philharmonikern nicht immer so vollkommen ausbalanciert gelingen will. Perahias Klavierklang könnte nicht stimmiger dazu ausfallen.
Der dritte Satz erklingt in einem freudig-erregten Tempo, tänzerisch bisweilen gar marschartig und entschlossen. Perahia verkürzt die Eingänge nicht und die Kadenz zaubert der nun 66jährige brillant hin. Auf uns wirkt sein Spiel sehr inspiriert und stilistisch makellos, wenn man von dem minimalen Hang zur sinnlichen und schlanken Opulenz einmal absehen will. Man sollte sich vor lauter Purismus und Korrektheit nicht den sinnlichen Genuss verstellen lassen. Das sahen Mr. Perahia und die Philharmoniker wohl genauso.
Erheblich vollmundiger, klarer und präsenter als die beiden ORF-Mitschnitte aus Salzburg und Wien. Sehr gute Balance, volle, klare Klangfarben.
5
Pierre-Laurent Aimard
Chamber Orchestra of Europe
Warner
2005
14:18 7:45 9:18 31:21
Obwohl Kammerorchester auf dem Etikett steht, spielt das COE hier fast so groß auf wie ein ausgewachsenes Sinfonieorchester. Gegenüber seiner Einspielung mit Anderszewski wirkt es hier fast schon aufgeplustert. Was die Aufnahmedisposition alles ausmachen kann. Es spielt jedoch mit viel Emphase und Feingefühl, aber auch mit voller Kraft, wo dies angebracht erscheint. Die solistischen Beiträge überzeugen. Trotz des langsamen Tempos ist bei Aimard richtig viel los (auch und gerade im Orchester), sodass einem nie langweilig wird. Aimard gefällt mit sehr gutem Non-Legato-Spiel, sensibel-unaufdringlicher Phrasierung und schönem, perlenden Ton. Er differenziert schön, bleibt vielleicht etwas unauffällig. Schließlich muss er sich ja auch noch um das Orchester kümmern.
Im Larghetto hören wir kantables Musizieren, die duftigen Verzierungen nehmen dem Satz einiges an Schwere und Steifheit weg. Aimard, sonst eher als intellektueller Musiker bekannt, wirkt hier fast schon romantisch (nicht zu verwechseln mit romantisierend) und poetisch. Es klingt serenadenhaft-leicht und dennoch sehr gefühlvoll, auch und gerade das Orchester. Die reichhaltigen Auszierungen bringen noch ein verspieltes Element hinzu, das dem Satz sonst weniger eigen ist. So wirkt er vielleicht sogar eine wenig verzärtelt, aber auch fantasievoller als ohne das Zierwerk. Durch den großformatigen Klang wirkt der Satz weniger intim als sonst.
Der dritte Satz erscheint durch das maßvolle Tempo fast so langsam wie bei Gilels und Böhm. Es wird aber sehr differenziert „gefüllt“ und man spielt mit einem „swingenden“ Rhythmus und daher durchaus tänzerisch. Aimard spielt durchaus auch mit einem kräftigeren Zugriff. Mit einem etwas flotterem Tempo hätte uns dieses Allegro noch besser gefallen. Einen Dirigenten haben wir nicht vermisst.
Das nicht gerade groß besetzte Orchester wirkt im gehörten Raum wie etwas aufgeblasen und wirkt so sinfonischer als es ist. Trotz sehr guter Transparenz ist die Staffelung weniger ausgeprägt. Es ist “wenig Luft“ zwischen den einzelnen Instrumentengruppen. Das Klavier steht nicht ganz in der Mitte des Klangbildes, wo es meistens aufgebaut wird, wenn kein Dirigent mitwirkt. Das Klavier bekommt eine Glocken-Aura. Die Klangfarben wirken eher pastellfarben als kräftig. Die Dynamik erscheint auffallend ausladend für KV 595, das ja ohne Blech auskommt, wenn man von den beiden Hörnern einmal absieht. Das Konzert klingt in dieser Aufnahme ungewöhnlich brillant, wie ein Schwesterwerk von KV 537, dem „Krönungskonzert“, dem Vorgänger im Köchelverzeichnis.
Zum Klang der Aufnahme: Das Orchester klingt für das COE ungewöhnlich groß, wenn man seine übrigen Einspielungen von KV 595 nimmt. Ein bisschen wie aufgeblasen. Die Transparenz ist gut, die Staffelung nicht gerade ausgeprägt. Die „Brillanz“ ist hingegen ein hervorstechendes Merkmal dieser Einspielung.
5
Richard Goode
Orpheus Chamber Orchestra
Nonesuch
1996
13:30 7:36 8:14 29:20
Der 58jährige Pianist weiß, wie man das Mozart-Konzert zu spielen hat. Nach kurzen „Anlaufschwierigkeiten“ erfreut das recht klein besetzte, aber hellhörig aufspielende und an allen Pulten ausgezeichnet besetzte Orchester ungemein. Man wirft sich die (in diesem Konzert nicht mehr allzu antagonistischen) Bälle gekonnt und treffsicher zu. Es zeigt Anteilnahme und ein außerordentlich sanftes und subtiles Spiel, luzide aber nicht zu leichtgewichtig. Der Pianist wirft seine lebendig atmende, klare Phasierung in die Waagschale, einen hervorragenden Anschlag, weder teigig noch mit dem unangemessen-schweren Rachmaninov-Ton versehen. Der leichte und bewegliche Gestus des Orchesters wird vortrefflich aufgegriffen. Die sanfte Melancholie blickt durch, wird aber nicht zur schweren Hauptaussage. Besonders erfreulich: Der Wechsel von Solo und Tutti-Begleitung wird beachtet.
Im zweiten Satz überzeugen sowohl der warm schimmernde Klavierton als auch die belebende Klarheit der Phrasierung, die die Lyrik des Satzes bestens unterstützt. Wie eine zarte Opernszene, stets im Fluss aber vordringlich liedhaft im Ton. Gutes Tempo.
Der dritte Satz wirkt vor allem tänzerisch inspiriert, sehr vital und recht impulsiv. Der Gestus ist voller Tatkraft, nach dem Motto, wenn der Frühling nicht von selbst kommen will, machen wir uns selbst einen. Herrliches Concertare. Diese Einspielung macht auf uns einen sehr inspirierten Eindruck, sie hat das Zeug dazu ihrerseits selbst müde Hörer/innen zu inspirieren.
Der Klang wirkt sehr transparent, offen und kammermusikalisch direkt. Klavier und Orchester sind bestens aufeinander abgestimmt. Die schönen Klangfarben passen ebenfalls gut zu einer ausgezeichnet klingenden Mozart-Aufnahme.
4-5
Paul Badura-Skoda
Prager Kammerorchester
Naive-Auvidis-Valois
1992
13:27 6:43 8:25 28:35
Der österreichische Pianist war bereits 65 Jahre alt, als er diese Einspielung machte. Er spielt jedoch wie jung geblieben. Doch zunächst einmal noch ein paar Worte zum Orchester, das beginnt ja bei diesem Konzert eine ziemlich lange Zeit ganz alleine zu spielen. Zu Beginn klingt es noch weniger kontrastreich und ein wenig dünn, die Violinen ein wenig seifig, aber das bessert sich alsbald. Die Bläser werden gut herausgearbeitet. Der erste Satz könnte noch etwas kammermusikalischer wirken. Das Klavierspiel überzeugt noch mehr. Da gibt es keine mechanische Egalité im Anschlag und der Gestus wirkt lebendiger und spontaner als z.B. bei Howard Shelley. Badura-Skoda hat keine Scheu, das „Apollinische“ aufzubrechen, macht aus dem Stück ein menschlich-nahbares. Der Klavierklang wirkt dem Guldas ähnlich, jedoch weniger straff im Anschlag. Badura-Skoda weiß sehr gut zu nuancieren. Poetische Kadenz.
Dass man das Alla breve beachtet ist in den neunziger Jahren schon keine Besonderheit mehr. Hier ist kein Großsprecher am Werk, sondern einer, der das Credo der Klassik beherzigt: „Stille Einfalt, edle Größe“. Das Tempo wirkt bei Badura-Skoda nicht schnell und schon gar nicht zu schnell. Dem Orchester gebührt Lob, denn es passt sich seinem dirigierenden Pianisten sehr gut an. Das Holz kommt viel besser zur Geltung als im ersten Satz. Insgesamt eine beinahe ideale Gestaltung des Larghetto.
Der letzte Satz wirkt den Gestaltungen Curzons oder Casadesus nicht unähnlich. Erneut lässt der nicht gerade überbrillante Klang des Klaviers an einen Bösendorfer denken. Badura-Skoda bringt sogar noch etwas mehr Lebendigkeit mit in den Gestus ein. Locker und beschwingt, ohne je aufzutrumpfen oder zu viel Optimismus auszustrahlen, lässt er schon noch ein paar Fragezeichen stehen. Das Orchester wirkt in diesem Satz etwas mehr gefordert, ohne gleich angestrengt zu wirken. Diese Einspielung könnte auch in der Liste der historisch informierten, gespielt ohne Originalinstrumente platziert sein.
Der Klang der Aufnahme wirkt klar und deutlich, die Violinen könnten etwas mehr Glanz und Substanz vertragen.
4-5
Géza Anda
Camerata Academica des Salzburger Mozarteums
DG
1969
13:51 8:00 8:08 29:59
Diese Einspielung des Konzerts ist Teil einer Gesamteinspielung aller Klavierkonzerte Mozarts. Sie gehörte zu den am Ende des mehrjährigen Projektes (1962 bis 1970) eingespielten Konzerten. Man hatte so bereits einen hohen Grad an gegenseitigem Verständnis aufbauen können. Das Orchester macht einen durchaus aufgeweckten Eindruck, spielt jedoch nicht mit dem gleichen Differenzierungsvermögen wie z.B. das COE bei Anderszewski oder Aimard, jedoch mit durchaus ganz überzeugenden Soli des Holzes. Die Violinen klingen etwas aufgeraut.
Anda selbst ist wie im Vergleich zu Bartóks Klavierkonzert Nr. 3 mit seiner besten Spielkultur und seinem leuchtenden, schwebenden Klang zu erleben. Das Zusammenspiel gelingt gut. Der Gestus ist lebendig, fast dramatisiert.
Besonders klar und präzise wirkt der zweite Satz. Dynamisch ganz gut abschattiert ist der Klang des Klaviers an Strahlkraft kaum zu überbieten. Auch das Orchester spielt gut und klingt brillant und in diesem Fall besser konturiert als das COE mit Aimard. Der Satz erklingt ohne Verzierungen und wenig gefühlsbeladen, man wahrt sozusagen die emotionale Stabilität und stellt die reine Musik in den Vordergrund.
Im tänzerisch beschwingten dritten Satz verkürzt Anda alle Eingänge. Seine ganz besonders klare, fast kristalline Anschlagskultur und seine bestechend klare Artikulation wirken überragend. Man sollte beides nicht mit Kälte verwechseln. Er ist einer der besten in diesem Vergleich versammelten Pianisten. Er begeistert nach Bartók nun auch mit Mozart. Das Orchester kann seinen Rang nicht ganz erreichen.
Der Klang der Aufnahme verfügt über eine sehr gute Balance von Klavier und Orchester. Er wirkt räumlich, transparent und farbig. Der Klavierklang gelingt besonders schwebend. Man stellt fest, dass die Toningenieure ihren Aufnahmeraum am Ende der Gesamtaufnahme bestens kennen.
4-5
Christian Zacharias
Orchestre de Chambre de Lausanne
MDG
2003
13:37 7:06 8:45 29:28
Gegenüber seiner älteren Einspielung des Konzertes mit dem NDR SO und Günter Wand sind nun die Tempi in allen drei Sätzen zügiger geworden. Das gefällt besser. Die Töne des Klaviers fließen jetzt durch eine große Halle mehr ineinander zu einer geschmeidig wirkenden Aura. Das gesamte Spiel hat so an griffiger Kontur eingebüßt, wozu die leicht schwammige Akustik sicher ihren Teil beiträgt. Das muss nicht unbedingt der fehlende Dirigent sein, Auch diese Einspielung ist Teil einer Gesamteinspielung der Klavierkonzerte Mozarts über mehrere Jahre, wurde jedoch als erstes eingespielt. Die Tonmeister hatten so Gelegenheit ihr Ergebnis noch weiter zu verfeinern. Festzuhalten bleibt noch, dass Zacharias die Kadenz lebendiger und spannender gelingt als in seiner EMI-Einspielung.
Das realisierte Klangbild passt zum zweiten Satz viel besser als zu den beiden schnellen. Leider vergrößert man das f zum ff. Anscheinend wollte man über den von Mozart vorgesehen Ausdruck noch hinausgehen. Das bringt jedoch leicht die Balance in Gefahr.
Der dritte Satz gelingt etwas tänzerischer als in Hamburg. Erneut variiert Herr Zacharias die Eingänge. Das Holz agiert nun erheblich weniger diskret als zuvor.
Der Klang der Aufnahme wirkt nun wärmer abgestimmt als zuvor in Hamburg. Vollere Mitten und ein wenig mehr Raum verleihen der Einspielung eine gewisse klangliche Üppigkeit. Das brillant klingende Klavier bekommt einen „Halo“ (eine Art klanglichen „Heiligenschein“) spendiert klingt aber weniger konturiert als in Hamburg. Gerade noch nicht schwammig könnte man auch schreiben. Der Gesamtklang ist noch transparent, aber einer Kirchenakustik schon angenähert. Mit dem „Halo“ zusammen könnte man annehmen, man wollte dem letzten Klavierkonzert Mozarts eine „heilige“ Aura zukommen lassen.
4
Vladimir Ashkenazy
Philharmonia Orchestra London
Decca
1980
14:07 9:17 8:56 32:20
Die Einspielungen, die Teil einer Gesamtaufnahme aller Mozart-Klavierkonzerte sind, häufen sich. Auch im Fall Ashkenazys liegt eine Gesamtaufnahme vor. Das mag den Hauptgrund darin haben, dass man sich mit einem dirigierenden Solisten die Bezahlung eines zusätzlichen Dirigenten einsparen kann, bei einer Gesamtaufnahme macht sich das, wie man sich denken kann, besonders bemerkbar. Nicht selten macht sich diese „Sparmaßnahme“ beim Orchesterspiel bemerkbar. Auch hier erreicht es nicht das höchste Niveau. Es wirkt generell etwas robust und manch ein p klingt gerät ihm einfach zu laut. Auch beim Klavierspiel gibt es mitunter Abstriche zu beklagen, denn wie sollte man sich genauso auf das Klavierspiel konzentrieren können, wenn man auch noch ein Orchester zusammenhalten und möglichst auch noch inspirieren oder befeuern soll?
Bei Vladimir Ashkenazy klingt der Klang des Klaviers füllig, aber nicht so wohlkonturiert wie z.B. bei Géza Anda, obwohl der ja auch ein Orchester zu leiten hatte. Es fehlt einfach die entsprechende Brillanz, Klarheit und Akkuratesse. Angemessen locker und präzise klingt es immer noch, schließlich ist Ashkenazy ein hervorragender Pianist. Von der HIP unbeleckt geht es ziemlich sprudelnd durch den ersten Satz, den man allerdings schon differenzierter gehört hat. Die f wirken mitunter ein wenig grell.
Das Tempo des Larghetto wirkt sehr langsam, sodass selbst Ashkenazys gut tragender Klang an seine Grenzen kommt. Auch Ashkenazy strebt ein Bild der Entrückung für diesen Satz an und teilweise kommt einem wieder die marmorhafte Erstarrung in den Sinn. Mozart bereits auf dem Weg in den Olymp oder in den Himmel? Da es an Klangschönheit nicht mangelt eignet sich dieser Satz in dieser Einspielung auch gut zum Träumen oder wenn unbedingt erforderlich auch zum Einschlafen.
Sehr schön klingt das Orchester auch im dritten Satz (besonders das klangvolle Holz), zum Hin- und Herwerfen der musikalischen Bälle taugt das Tempo weniger, auch wenn es noch nicht träge wirkt. Auch Ashkenazy variiert die Eingänge. Pianistisch sind keine Defizite zu erkennen, was bei einem Pianisten vom Kaliber Ashkenazys auch nicht zu erwarten war. Sein perlender Ton überzeugt mehr als in vielen anderen Einspielungen, ist doch sein mitunter etwas dumpfer Anschlag einer angenehmen, dezenten und klaren Brillanz gewichen. Viel Wohlklang, wenig konzertante Finesse. KV 595 gehört zu den gelungensten Konzerten innerhalb der Gesamtaufnahme Ashkenazys.
Der Gesamtklang ist durchaus brillant, duftig, räumlich und plastisch Vielleicht schon etwas zu voluminös, aber das sollte Geschmacksache sein. Das Klavier klingt in den unteren Lagen besonders sonor und wird generell sehr gut wiedergegeben und die Fülle eines Konzertflügels stellt besondere Anforderungen an die Aufnahmetechnik. Das gut gepolsterte Orchester ist mit seinem guten Bassfundament klanglich dem füllig klingenden Flügel ein guter Partner. Ein Klang wie Samt und Seide.
4
Murray Perahia
Chamber Orchestra of Europe
Sony
1990
13:24 7:12 8:26 29:02
Ob Murray Perahia eine zweite Gesamteinspielung starten wollte oder ob er mit seiner ersten Aufnahme nicht ganz zufrieden war, wissen wir nicht, jedenfalls hat er KV 595 nach seiner GA mit dem English Chamber Orchestra ein zweites Mal eingespielt. Dieses Mal in der Siemens-Villa in Berlin. Vielleicht wollte Sony auch noch eine Digitalaufnahme des Konzertes in seinem Portfolio haben, denn die ältere Einspielung wurde noch analog gemacht. Mr. Perahia war in dieser Einspielung übrigens 43 Jahre alt. Der Gestus ist nun gegenüber 1979 durchaus lebendiger und leichter ausgefallen. Die Streicher klingen noch eine Spur besser als beim ECO und vor allem ist der Klang der Bläser ausgewogener. Perahias Anschlag wirkt nun etwas weniger brillant, klingt vornehm und weich. Die Balance zum Orchester wirkt nun ausgewogener als ´79, allerdings zum Preis eines nach hinten gerückten Orchesters. Der Streicherklang wirkt noch etwas kühl und gläsern, was an der noch frühen Digitaltechnik liegen könnte (obwohl die frühen 80er bereits vorbei waren). Mit den Berliner Philharmonikern beim Mitschnitt des RBB klingt es deutlich runder und wärmer. Im Ganzen schnurrt der erste Satz viel mehr ab wie ´79 und besonders wie 2013.
Deutlich weniger getragen als `79 und nun mit einem angemesseneren Erzählton vorgetragen wird der zweite Satz. Perahia führt das Orchester kraftvoll für ein normales f hinaus, jedoch wird das gute Orchester dabei klanglich nicht hart.
Im dritten Satz überrascht die Aufnahmetechnik mit einem gegenüber den beiden anderen Sätzen deutlich nach vorne gerückten Klang des Flügels. Auch das Orchester wirkt nun etwas präsenter. Man hat anscheinend etwas nachjustiert, denn die gewonnene Nähe bekommt dem Vortrag durchaus, auch wenn man den wattierten Klavierklang jetzt noch deutlicher hört. Auch in diesem Satz wirkt das Tempo angemessener. Das Orchesterspiel wird nun doch deutlich gegenüber dem des ECO verbessert. Von den beiden Studioaufnahmen würden wir die 1990er leicht bevorzugen. Leider kann man sich den 2013er Jahrgang nicht ohne weiteres besorgen, da muss man schon das Programm des RBB ziemlich aufmerksam verfolgen, denn von Zeit zu Zeit werden besondere Konzertereignisse gerade mit den Philharmonikern wiederholt. Ihm gebührt von den drei Einspielungen mit Perahia die Palme.
Der Klang wirkt gegenüber ´79 räumlicher und mehr in die Breite gezogen, auch die Tiefendimension wirkt geweitet. Im Ganzen wird jedoch vom Hörer abgerückt, mit Ausnahme vom dritten Satz, da wurde nachjustiert. Das Klavier klingt gegenüber ´79 synthetischer, hat also gegenüber ´79 an Natürlichkeit eingebüßt. Die Transparenz hat hingegen gewonnen. Das Orchester klingt im Gegenzug gläserner. Klangtechnisch insgesamt also eher ein mühsames Gleichziehen als eine Verbesserung gegenüber ´79.
4
Murray Perahia
English Chamber Orchestra
CBS-Sony
1979
14:31 8:35 8:53 31:59
Gegenüber der Einspielung des Konzerts mit Daniel Barenboim zwölf Jahre zuvor wirken die Streicher des ECO etwas homogener, geschmeidiger und präziser. Aber auch mit Murray Perahia gibt es minimale Unschärfen, auch bei den Bläsern. Die Dynamik könnte differenzierter gestaltet sei, insbesondere ein richtiges p bleibt oft aus. Im Holzbläsersatz gibt es (wie bereits mit Barenboim) immer noch eine Dominanz der Oboe.
Der zweite Satz beginnt getragen, fast feierlich, bevor es bei Perahia (damals 32 Jahre alt) dann in die Versenkung geht. 2013 erschien uns ein angemessenerer, nuancenreicherer Ton vorzuherrschen. Perahias Ton trägt in diesem Tempo problemlos durch. Bruchlose Kantabilität ist also gewährleistet. Das ECO spielt sauberer als unter Barenboim. Es gibt damals noch keine Verzierungen.
Im Finalsatz wird das f der Violinen ins ff geweitet. Sie klingen dann etwas gestresst. Perahias Figurenwerk leuchtet schön auf und wirken nicht ohne Spannkraft, sein Klavier lässt nun auch einmal ein richtiges p hören. Das Tempo wirkt weit weniger tänzerisch als in Berlin 2013. Das Liedhafte war dem Pianisten und Dirigenten damals noch wichtiger. Er versucht aber durchaus beidem gerecht zu werden. Die Kadenz gelingt dem 32jährigen weniger virtuos und differenziert als dem 66jährigen. 2013 wäre Berlin also tatsächlich eine Reise wert gewesen.
1979 wirkt das Orchester noch weniger transparent im Tutti, während die Soli deutlich kommen. Sehr schön und besser gelungen als 1990: der leuchtkräftige Klang des Klaviers. Die Balance wirkt hingegen nicht immer ganz glücklich ausgewogen, denn mitunter verschwindet das Klavier fast im Tutti, während es bei anderen Passagen zur Dominanz neigt. Die Oboe schlängelt sich bisweilen im Bläsersatz unschön nach vorne. Der Gesamtklang wirkt warm getönt und farbig, insgesamt recht plastisch. Uns gefällt er deshalb etwas besser als der 1990er Klang aus der Siemens-Villa. Auch diese Einspielung von KV 595 ist Teil einer Gesamtaufnahme aller Mozart-Klavierkonzerte.
4
Fou Ts´Ong
Sinfonia Varsovia
IMP
1991
14:25 7:50 9:27 31:42
Schon alleine der Klang der neuen Aufnahme distanziert die ältere aus Wien. Das Orchester erreicht eine gute dynamische Abstufung und klingt ausgewogen. Es ist aufmerksam bei der Sache. Fou Ts´Ong bindet die Töne mehr aneinander als viele andere Pianist/innen. Sein weich-brillanter Anschlag wirkt dennoch nicht ganz so geschliffen wie z.B. der von Murray Perahia, Clifford Curzon oder Géza Anda. Mitunter hört man nach unserem Dafürhalten seine linke Hand überdeutlich heraus, gerade wenn sie wenig Substantielles beizutragen hat. In der eigentlich sehr kontrastreich gehaltenen Kadenz bringt der Pianist den musikalischen Fluss fast zum Erliegen.
Im Larghetto bringt der Pianist nun kleinere, schlicht wirkende Verzierungen zu Gehör. Er spielt im ruhigen Duktus, schlank, luzide und poetisch verträumt. Der Klang der Streicher bewegt sich in etwa zwischen dem noch weicheren Klang des COE bei Perahia und dem besonders schlanken, vibratofreien bei Anderszewski.
Der dritte Satz klingt schön schwerlos und erscheint bereits mit Frühlingsgefühlen gesättigt. Die Kadenz erschien uns teilweise flüchtig. Bei T. 150 bis 162 unterscheidet der Pianist nicht zwischen Non-Legato und Legato. Sehe gelungen hingegen der Wiedereinstieg der Streicher nach der Kadenz bei T. 281, hier verzögert Fou Ts´Ong den Einsatz ein klein wenig, was die Spannung erhört und die Streicher selbst finden den richtigen Ton. Insgesamt finden wir die zweite Einspielung des Pianisten, bei der er selbst auch noch als Dirigent fungierte gelungener als seine erste mit Dirigenten.
Der Klang der Einspielung lässt die Violinen minimal faserig spielen, ansonsten ist sie sehr ausgewogen und brillant, besonders das Klavier. Sie wirkt räumlich und transparent, bei der Balance gerät der Flügel mitunter zu sehr in den Vordergrund. Fou Ts´Ong infizierte sich in London, seinem Wohnort seit Jahrzehnten, 2020 mit dem Corona-Virus und verstarb 86jährig an oder mit Covid-19.
4
Howard Shelley
London Mozart Players
Chandos
1993
13.19 8:35 9.11 31:05
Obwohl Howard Shelley, London Mozart Players und Chandos ein eingespieltes Team sind, wirkt die Balance im Orchester nicht ganz geglückt. Die Streicher sind gegenüber den Bläsern zu weit vorne platziert und wirken in der Relation zu mächtig. Das Orchester spielt ansonsten klangschön, aber nicht besonders farbstark, woran die Entfernung des Holzes sicher eine gewisse Mitschuld trägt. Das Zusammenspiel ist gut aber nicht aufregend. Das Klavierspiel erscheint betont gleich- und ebenmäßig. Impulse oder gar Überraschungen bleiben weitgehend aus, die Pianistik ist gut aber nicht aufsehenerregend. Die Pizzicato-Passage bei T. 280 ff klingt undeutlich.
Im zweiten Satz gibt es geschmackvolle kleine Verzierungen vom Solisten. Er wird schön ausgesungen und wirkt vom Charakter her intim und verströmt eine angenehme Wärme. Schön losgelöst wird dieser Satz zum Höhepunkt dieser Einspielung.
Das Orchester spielt diesen Satz besser als das ECO mit Barenboim: Homogener und geschmeidiger.
Leicht hallig verzichtet man doch auf eine kirchähnliche Akustik wie bei Zacharias/Lausanne. Trotzdem wirkt der Gesamtklang ausgeprägt weich, rund und recht warm getönt. Klavier und Orchester finden zu einer guten Balance. Insgesamt ein sehr schöner Klang ohne Ecken und Kanten.
4
Mitsuko Uchida
Cleveland Orchestra
Decca
2010, live
15:00 7:29 9:32 32:01
Mitsuko Uchida begegnete uns bereits in der Philips-Aufnahme von 1987, als sie das ECO noch von Jeffrey Tate leiten ließ. Nun dirigiert sie das CO lieber selbst. Das Orchester spielt, wie man es von ihm erwarten konnte, sauber, akzentuiert und klangschön. Das Tempo der nunmehr 62jährigen Pianistin und Dirigentin ist jedoch langsamer geworden und gebremst. Irgendwie spielt das Orchester zudem kraftlos, gerade im Vergleich mit dem ECO und wie mit Trauerflor. Der Schwung aber auch die Spannkraft ist weitgehend verschwunden. Dieser Gestus findet seine Entsprechung im Klavierpart. Das Tempo lässt der Pianistin viel Zeit für die Betonung von Details, sodass der Zusammenhang mitunter ein wenig gefährdet erscheint. Immer mal wieder ergeben sich kleine Generalpausen, die den Fortgang behindern. Immer wieder gibt es kleine Tempomodifikationen, die das Erreichen einer durchgehenden Spannung verhindern. Klanglich ist das Spiel der Pianistin teils berückend schön. Uns stört jedoch das beinahe schon Detailaffektierte in ihrem Spiel, das Mozart dann doch wieder so sehr in die Rokoko-Ecke stellt, so zierlich wirkt und porzellanhaft. Und ob sich Mozart seinen ersten Satz so müde vorgestellt hat? Wieso schreibt er dann Allegro drüber?
Im zweiten Satz könnte das Tempo zum Volltreffer werden und auch das dynamisch ungemein fein ziselierte Spiel gefällt nun ungleich besser. Durch die Ausziehrungen gewinnt der Satz war an Schmuck, aber der kontemplative Tiefgang geht etwas verloren. Auch das gefühlvolle Strömenlassen unterbleibt nun. Weniger Zierde wäre vielleicht mehr gewesen. Ins gewollte Bild passt das auffallend zurückhaltende Spiel des Orchesters.
Im dritten Satz summt die Pianistin mit. Er wirkt verträumt und bedächtig. Um Frühlingsgefühle richtig sprießen zu lassen, wirkt Uchidas Gestus etwas zu sublimiert. Ohne die Kraft der Frühlingssonne bleibt doch nur ein Aufblühen in Gedanken. Der Satz wirkt nun nicht mehr so gelöst und lächelnd wie 1987. Wir fragen uns nur, wieso Mozart dann Allegro und nicht Moderato über den Satz schreibt. Dann wären wir mit Uchida völlig d´accord. Sehr schön wirkt das sublime Einsteigen des Orchesters nach der Kadenz bei T. 281. Ohne Uchidas Wunsch nach Sublimation, den man heraushören kann, geringschätzen zu wollen, hat sie uns gemeinsam mit ihrer sehr guten Partnerschaft mit Jeffrey Tate besser erreicht.
Der Klang ist sauber, transparent und gut geordnet. Dem Klavier fehlt die Klangfülle und dem Gesamtklang der Glanz von 1987.
4
Daniel Barenboim
English Chamber Orchestra
EMI
1967
14:30 8:35 8:54 31:59
Von Daniel Barenboim lagen uns zwei Studioproduktionen (die zweite mit den Berlinern wurde 1988 für Teldec eingespielt) und ein Mitschnitt des ORF vor, bei dem er 2020 die Wiener Philharmoniker um sich geschart hatte. Alle drei verantwortet er alleine, d.h. es ist kein weiterer Dirigent zugegen. Die erste Aufnahme (für EMI als Teil einer GA 1967 eingespielt), die er als 24jähriger junger Mann mit dem ECO machte, gefiel uns von den dreien am besten.
Für ein Allegro beginnt der ersten Satz ziemlich behäbig, man würde es allenfalls als ein Allegretto bezeichnen wollen. Die Streicher wirken nicht ganz perfekt, das Holz unausgewogen. Leider klingt die Oboe ziemlich spitz und scharf (wofür der junge Dirigent natürlich nichts kann), was ein ums andere Mal den fragilen Wohllaut im Zusammenspiel mit dem Klavier oder dem restlichen Orchester stört. Vorhalten könnte man ihm eher, dass das Orchester als Ganzes die notierten f allzu gerne ins ff weitet. Dem jungen Barenboim ist in seiner Rolle als Pianist noch ein angenehm konturierter Anschlag zu eigen, der noch nicht an den teigigen Anschlag der beiden späteren Aufnahmen, vor allem der Wiener Aufnahme von 2020, erinnert. Aber schon damals wirkte er nicht so präzise und brillant wie der eines Anda, ging damals schon eher in die Richtung „füllig“ und „warm“. Selbstverständlich hat der Pianist keinerlei Probleme mit der Textur des Werkes. Die Passagen laufen klangvoll und rund, jedoch weniger lebendig und weniger prägnant. Er bietet wenig Überraschungen, es scheint im besonders am klassischen Ebenmaß gelegen zu sein.
Im zweiten Satz spielt er noch erheblich schattierungsreicher als in den beiden späteren Aufnahmen. Sein gewähltes Tempo füllt er mit seinem tragfähigen Ton gut aus. In diesem Satz gefällt auch der warme EMI-Klang in Verbindung mit dem erwärmenden Spiel von Orchester und vor allem vom Pianisten sehr gut.
Im dritten Satz wirkt das Staccato ziemlich stumpf, Legato und Non-Legato ist kaum zu unterscheiden. Das Klavier klingt in der Tiefe etwas mulmig, Ashkenazys Klavierklang klingt da besser, allerdings ist seine Aufnahme auch 12 Jahre jünger. Ein richtiges p will sich weder bei Pianisten noch beim Orchester einstellen. Die Violinen klingen im dritten Satz spröder als in den ersten beiden. Sie werden noch ins ff getrieben, wo gar keines mehr notiert ist.
Der Klang der EMI-Aufnahme wirkt körperhaft, präsent, füllig, und recht warm. Das ganz leicht zu hörende Bandrauschen der Analogaufnahme stört nicht.
3-4
Rudolf Buchbinder
Wiener Symphoniker
Calig, Hänssler
1998
13:45 7:10 8:54 29:49
Die Wiener Symphoniker spielen sauber und klangschön, wirken aber ein wenig dick und unbeweglich. In der Dynamik wird wenig differenziert, was übrigens oft der Fall ist, wenn der Pianist auch dirigiert. Man vernimmt wenig konzertante Feinarbeit.
Das Klavier verfügt ebenfalls über einen vollen Klang, wirkt wie das Orchester eher weich und füllig. Von daher passt die Besetzung also sehr gut zusammen. Das Klavierspiel selbst ist jedoch von der Genauigkeit und Delikatesse eines Knauer, Curzon, Anderszewski oder Casadesus weit entfernt. Bei ihm geht es ziemlich gleichförmig voran, auch den Trillern fehlt die Spannung. Von der Ausrichtung des Stückes der vermeintlich älteren Einspielung mit Uri Segal als Dirigenten in Richtung früher Beethoven, ist diese Produktion denkbar weit entfernt.
Das Tempo im zweiten Satz ist angenehm flüssig, das Spiel selbst jedoch ohne Finessen. Man bleibt an der Oberfläche.
Der dritte Satz bietet verhaltene Frühlingsgefühle, einen monochromen Klavierklang und wie im ersten Satz bereits wenig inspiriertes Konzertieren. Die Eingänge wurden variiert, fallen jedoch nicht durch ein Mehr an Esprit auf, eher im Gegenteil. Die Kadenz ist kaum brillant zu nennen und trotz des objektiv eigentlich passenden Tempos zieht sich der Satz ein wenig dahin. Gerade im Vergleich zur sehr lebendigen SWF-Aufnahme mit Uri Segal scheint diese blass und fast in Gleichförmigkeit erstarrt. Das Hinzuziehen eines Dirigenten wäre trotz des natürlich immer noch vorhandenen hochprofessionellen Niveaus erneut hilfreich gewesen.
Recht farbig, transparent und rund gibt sich der Klang der Aufnahme. Es ist jedoch eine Tendenz zum Mischklang wahrzunehmen. Ansonsten gibt es keine Mängel zu vermelden, aber auch keine Aktivposten. Das Farbspektrum ist nicht gerade kräftig, sondern eher pastellen. Der Klang verhilft der Einspielung nicht zu mehr an Ausstrahlung.
3-4
Lahav Shani
Wiener Philharmoniker
ORF, Mitschnitt, unveröffentlicht
2020, live
13:27 7:23 8:51 29:41
Die Aufnahme des Konzerts fand anlässlich der Mozartwoche am 29.1.2020 in Salzburg statt, also gerade noch bevor die innerhalb Europas zuerst in Österreich erfolgte Infektion mit SARS-CoV 2 (COVID-19) bemerkt wurde. Das Konzert fand so gerade noch unbeeinträchtigt von der Misere für Leib und Seele statt. Der israelische Dirigent macht es seinem Mentor Daniel Barenboim nach und spielt und dirigiert das Konzert selbst. Die Streicher spielen in kleiner Besetzung. Das Orchester spielt klar und luzide, mit mehr Schwung als ein paar Monate später mit Barenboim selbst in Wien. Sogar im Anschlag sind sich die beiden recht ähnlich, wobei er bei Shani nicht teigig wirkt. Die Präzision eines Anda geht ihm jedoch ebenfalls ab. Der Satz bewegt sich in den gewohnten Bahnen, er wirkt nicht besonders inspiriert oder finessenreich dargeboten.
Der zweite Satz wirkt sehr verhalten und in sich zurückgezogen, gegenüber Barenboim selbst aber um entscheidende Sekunden schneller.
Auch der dritte Satz wirkt bei Shani etwas tänzerischer inspiriert als beim Mentor, technisch allenfalls solide werden keine pianistische „Funken“ aus dem Satz geschlagen.
Das musikalische Geschehen wird etwas präsenter dargestellt als in der Wiener Aufnahme Barenboims. Vor allem das Klavier klingt in Salzburg lauter und damit deutlicher aufgenommen. Der Gesamtklang wirkt etwas fülliger als mit Barenboim in Wien.
3-4
Daniel Barenboim
Berliner Philharmoniker
Teldec
1988
14:27 8:00 9:13 31:40
Auch die zweite Studioeinspielung Barenboims ist Teil einer GA. Die Violinen der Berliner klingen viel geschmeidiger, runder und weicher als die des ECO, da kamen wohl noch ein paar Geiger/innen hinzu. Insgesamt wirkt das Orchester jetzt ausgewogener (Holz!) und erheblich zarter. Leider wurde es jedoch weniger gut konturiert und weniger körperhaft eingefangen. Insgesamt klingt es nun erheblich blasser. Auch das Klavier wird von der distanzierteren Aufnahmedisposition erfasst. So fehlt auch ihm die körperhafte Erscheinung, die EMI noch breitstellte. Es hat ebenfalls an Brillanz eingebüßt, was vielleicht ebenfalls aus der Distanzierung herrühren könnte. Das Orchester spielt kristallklar und differenzierter, insgesamt ein Klasse besser als das ECO 1967. Obwohl nahezu perfekt dargeboten, packt uns die Musik in dieser auf sublimierten, ätherischen Geist abzielende Distanzierung wenig an.
Sogar dem zweiten Satz fehlt der kammermusikalische Geist, wo soll er auch herkommen bei den Distanzen, die da gefühlt zwischen den Orchestergruppen zurückzulegen sind. Der Klang will einfach nicht so recht mitschwingen im dargebotenen Raum. Der Klang aus dem Flügel verebbt ebenfalls schon recht schnell.
Das Tempo wirkt deutlicher verlangsamt als es die halbe Minute ausdrückt. Es sind Geräusche vom heftigen Treten auf das Pedal zu hören. Die haben es ziemlich hautnah bis auf die CD geschafft, was man von der Musik nicht gerade behaupten kann.
Der Klang wirkt halliger, größer dimensioniert, weiter entfernt und damit indirekter als in 67er Aufnahme. Die Transparenz und Plastizität hat spürbar nachgelassen. Es ist weniger Wärme im Klang und die Klangfarben wirken rokokohaft pastellen und blass. Dass auch noch ein konturierter Bass fehlt macht den gesofteten Gesamteindruck perfekt. Trotz des schlechteren Orchesters wäre aus unserer Sicht die ältere EMI zu bevorzugen, wenn es überhaupt eine Einspielung mit Daniel Barenboim sein soll.
3
Daniel Barenboim
Wiener Philharmoniker
ORF, Mitschnitt unveröffentlicht
2020
14:37 7:43 9:32 31:52
Dieses Konzert fand am 7.6.2020 im Wiener Musikvereinssaal statt und war das erste nach der Corona-Zwangspause (Lock-Down). Es waren lediglich 100 Zuhörer im Saal erlaubt. Die Beteiligten scheinen nicht gut aus der „Pause“ herausgekommen zu sein. Vielleicht mussten sie auch noch eine Maske tragen, das konnten wir am Radio natürlich nicht sehen und es wurde nicht entsprechend kommuniziert. Jedenfalls fehlt der Musik jeder Schwung und eine charaktervolle Profilierung unterbleibt ebenfalls. Immerhin wird dieses Mal das f nicht ins ff geweitet. Das Tempo entspricht zudem einfach nicht mehr einem Allegro.
Der Klavierpart wird kaum einmal akzentuiert hat sich vom Klang her wenig verändert und bleibt blass. Der Anschlag des nunmehr 78jährigen Pianisten wirkt teigig. Nach kleinen Anlaufschwierigkeiten taut das Orchester im Laufe des ersten Satzes auf und klingt dann besser zusammen und plastischer als zu Beginn. Man kann sich wieder am besonderen Klang der „Wiener Geigen“ erfreuen. In der Kadenz hebt Barenboim die sf nicht hervor, Brillanz kommt erst gar keine auf. Es hört sich nach einer Pflichtübung an. Vielleicht hat man insgeheim auch damit gerechnet, die Zwangspause würde noch etwas länger andauern und entsprechend wenig oder gar nicht geprobt?
Im zweiten Satz ergibt sich kein geändertes Bild. Gegenüber früher bringt der Pianist nun ein paar Verzierungen an, die zuvor noch nicht zu hören waren. Neu ist auch die deutliche Betonung der Basslinie ab T. 66. Bei den Verzierungen verspielt sich der Pianist einmal (T. 96). Neu ist auch, dass er den dritten Satz attacca in den dritten übergehen lässt.
Dieser klingt pianistisch etwas uneben und sehr sachte. Eher liedhaft als tänzerisch. Er wird mit wenig Energie dargeboten, sodass er sehr zurückgenommen wirkt und ernst. In der Kadenz wird das f zur Kenntnis genommen, ansonsten werden die wenigen Vortragsbezeichnungen Mozarts völlig ignoriert. Zugutehalten muss man den Interpreten, dass die Streicher sehr schön wieder nach der Kadenz neu einsetzen (T. 281). Insgesamt hören wir einen langsamen und müden Abgesang der mozartischen Klavierkonzerte.
3
Christoph Eschenbach
London Philharmonic Orchestra
EMI
1978
14:10 8:15 8:48 31:13
Diese Einspielung leidet nicht unter falscher Bescheidenheit. Das Orchester wurde offenbar groß besetzt. Die Streicher klingen bei ihrem f sehr laut, fast schreiend. Generell fehlt das Feingefühl und kammermusikalische Intimität kommt gar nicht erst auf. Das säuselnde pp erinnert an einen Mozart aus der Vergangenheit. Das hemdsärmelige Musizieren scheint sich keine Stilfrage gestellt zu haben.
Das Klavierspiel kommt demgegenüber besser an. Sonor und mit einem eigentlich guten Anschlag ausgestattet wirkt der Klang nur leicht topfig. Ebenfalls wenig um Nuancen bemüht, beachtet der Pianist Eschenbach ein angemessenes f besser als der Dirigent. Selbstverständlich wirkt Eschenbachs Spiel geläufig aber an die Präzision und Schnelligkeit der Fingerfertigkeit eines Anda kommt es nicht an. Die Verläufe wirken mechanisch.
Deutlich nuancenreicher spielt der Pianist im Larghetto. Das Orchester stört mit seinem schmerzensreichen ff fast gänzlich die aufgebaute introvertierte Stimmung. Die für Mozart-Verhältnisse extrem geweitete Dynamik nähert sich bedrohlich an die Verhältnisse von Bruckners Musik an. Da wird fast alles rausgeholt, was drin ist. Es fehlt einfach die Feinheit, das Fingerspitzengefühl. Immerhin gibt es keine Gefühlsduselei. Mozarts Satz erscheint wie unter einem Vergrößerungsglas.
Im dritten Satz dominiert ein überaus kräftiger Musiziergestus ohne jedes Interesse an der historischen Herkunft der Musik und ohne Akkuratesse bei ihrer Ausführung.
Der Klang der Aufnahme wirkt sehr großformatig, der Raum hallig. Das Holz ist sehr weit entfernt. Die Balance von Klavier und Orchester ist gut, keines von beiden wird bevorzugt, jedoch wirkt beides etwas zu protzig, zumindest mit heutigen Ohren gehört.
3
Emil Gilels
Staatliches Sinfonieorchester der UdSSR
RC3, Vera Vista
1974, live
13:59 8:54 8:59 31:52
Außer dem Mitschnitt aus Amsterdam gibt es auch noch diesen Mitschnitt aus Moskau, bei dem Emil Gilels das Orchester auch noch zu dirigieren hat. Um einen weiteren Mitschnitt zumindest noch zu erwähnen: Er kommt aus Salzburg und wurde erneut mit Karl Böhm geleitet, der aber dieses Mal die Berliner Philharmoniker dirigiert und stammt von 1970. Anlässlich dieses Mitschnitts kam man bei der DG auf die Idee, dass unbedingt eine Plattenaufnahme mit Gilels und Böhm erstellt werden müsse. 1973 war es dann ja auch soweit. Mit der DG-Aufnahme aber auch mit dem Mitschnitt aus Amsterdam unter Haitink kann der Moskauer Mitschnitt nicht mithalten. Das hat in erster Linie klangliche Gründe.
Wenn man z.B. bei Discogs nach dieser Aufnahme sucht, wird man sie nicht finden und bei der Suche fällt dann sogar auf, dass alle sowjetischen Produktionen oder auch aus dem damals politisch verbündeten Ausland (z.B. die Produktionen aus der DDR auf Eterna) auf die DG-Einspielung zurückgreifen und nicht auf diesen Mitschnitt eigener Provenienz.
Der erste Satz zeigt eine gemächliche Gangart mit zum Teil mächtigen Steigerungen. Der Flügel klingt (allerdings selten) wie ein Glockenspiel und das nicht, weil man an die Zauberflöte erinnern wollte, sondern weil der Mitschnitt ziemlich miserabel klingt. Den Gestus (und das Tempo) antizipiert Gilels aus seiner Aufnahme mit Böhm und es sieht fast so aus, als wären die verschiedenen Zutaten aus Böhms Rezept von KV 595 aus der Backstube von Emil Gilels übernommen worden. Oder aber der Pianist befand sie für so überzeugend, dass er sie für spätere Aufnahmen übernommen hat.
Ähnlich weihevoll formt man den zweiten Satz aus. An den weichen Klang der Wiener Violinen kommen die Moskauer nicht heran und auch das Holz klingt natürlich anders, aber man kommt doch erstaunlich nah an die Klangvorstellungen der Wiener Kollegen heran. Nirgends werden allerdings die Bässe so prall herausgestellt wie in dieser Aufnahme. Gilels kann es also auch alleine und auf seine Art überzeugend, denn sein Klavierspiel für sich betrachtet (ohne stilistisches mit in die Waagschale zu werfen) ist auch in Moskau fast eine Klasse für sich.
Im dritten Satz nähert sich Gilels dem Tempo der Haitink-Aufnahme an, bleibt also etwas zügiger als mit Böhm. Total entspannt, kantabel und locker weiß Gilels ganz genau, wie „sein“ Mozart zu klingen hat. Mit den f geht er maßvoller um als sein dirigierender Kollege Böhm.
Die Aufnahme wirkt zugleich weichzeichnend und verzerrt. Laute Huster wirken störend und der mächtige Bass dröhnt und raunt ungeniert. Dies ist klanglich die mit großem Abstand schlechteste Aufnahme mit Gilels, weshalb man getrost auf sie verzichten könnte, denn wer braucht schon ein Klavier, das klingt wie ein Glockenspiel?
3
Ricco Saccani
Budapester Philharmoniker
BPO live
P 2008
14:03 8:10 8:46 30:59
MONO Ricco Saccani war von 1985 bis 2005 Chefdirigent der Budapester Philharmoniker. Es ist anzunehmen, dass die Aufnahme in dieser Zeit entstanden ist. Anscheinend lief ein Aufnahmegerät bei jedem Konzert mit und einige Mitschnitte sind durchaus geglückt und der Veröffentlichung wert, wie z.B. der von Tschaikowskys „Francesca da Rimini“. Andere wiederum wären besser in der privaten Sammlung des klavierspielenden Dirigenten oder des Orchesters geblieben. Wie z.B. der des Klavierkonzertes in G von Maurice Ravel. Der vorliegende Mitschnitt gehört zur zweiten Kategorie.
Im ersten Satz hören wir alles in einer Lautstärke. Das Klavierspiel ist ganz besonders undifferenziert und hat lange nicht die Geschmeidigkeit der großen Pianist/innen. Wir könnten auch einer lustlos durchgespielten Verständigungsprobe gelauscht haben, so klingt es hier. Einheitston in Einheitsfarbe und Einheitslautstärke, Einheitsgestus und Einheitstempo. Ohne jede erkennbare Anteilnahme. Ab der Minute 12, dem Beginn der Kadenz, wirkt das Klangbild plötzlich offener, nach der Kadenz fällt man wieder ins vorherige klangliche Schlamassel zurück.
Im zweiten ergibt sich kein anderes Bild wie im ersten Satz, man erinnert sich an den Satz Artur Schnabels: „Für Kinder zu leicht, für Pianisten zu schwer“. Der trifft hier zu.
Der dritte Satz wird flott und ohne jede Finesse durchgespielt, auch hier wird kein Interesse an der Musik oder gar Liebe zum Stück erkennbar. Warum also? Ein Mitschnitt ohne Ambitionen privater Natur, der besser das Licht der Öffentlichkeit nicht erblickt hätte.
Der Klang der Aufnahme ist dumpf, wenig differenziert, blockartig und dick. Die Aufnahmequalität ist kaum professionell zu nennen.
Interpretationen, die einen relativ großen Einfluss der historisch informierten Aufführungspraxis erkennen lassen. Das Instrumentarium verzichtet jedoch auf historische Instrumente aus der Zeit Mozarts.
5
Igor Levit
Constantinos Carydis
HR-Sinfonieorchester
HR, Mitschnitt, bisher unveröffentlicht
2021, live
13:42 6:24 8:39 28:45
Auch dieses Konzert fand noch in der Zeit der sogenannten „Lock-Downs“, bei denen kein Publikum zugelassen war. Die Orchester der Rundfunkanstalten konnten die Konzerte immerhin über ihre Sender übertragen oder auch ein Konzert-Video über ihre Mediathek verbreiten, sodass sie nicht auch für die Musiker abgesagt werden mussten. In diesem Fall verzichtete man auf die größere „Alte Oper“ und übertrug aus dem HR-Sendesaal. Das Orchester wirkt relativ klein besetzt und spielt mit einer auffallend feinen, flexiblen Artikulation und Phrasierung, die sich an der Sprache und vor allem am Gesang orientiert. Höchst lebendig wird das f nicht zum ff ausgereizt und das p wirklich leise gebracht. Das bekannt hochkarätige Holz spielt mit einem vibratoreduzierten Klang sehr klangschön.
Igor Levits Anschlag ist von hervorragender Konsistenz und Flexibilität. Wie bereits bei Robert Casadesus zu beobachten, orientiert er sich anscheinend am Klang des Hammerklaviers, d.h. er spielt mit zurückhaltender Dynamik ohne dass man ihm mangelndes Engagement nachweisen könnte. Sein Ton wirkt perlend, sein Non-Legato-Spiel, geprägt von Subtilität und Spannung, klingt einfach super. Er erreicht eine selten erreichte Balance von schlanker Artikulation und vollem, sonoren Klang. Die Kadenz wirkt virtuos, aber lange nicht so durchgepeitscht wie bei Pollini, zudem launisch, unvorhersehbar und fantasievoll, obwohl er fast die Originalkadenz spielt, wie fast alle anderen auch.
Ideal in diesem Kontext ist auch der angenehm zügige und leichte Gestus des zweiten Satzes. Er funkelt nicht wie ein stark angestrahlter Edelstein, sondern wie von innen heraus. Das wunderbare Legato wird lebendig gehalten. Klanglich schwebend gehalten spendet der Satz mehr tröstenden Zuspruch. Bestes Unisono bei T. 103 -109, absolut präzise hören wir jede Stimme bestens als Individualität heraus und zugleich in absoluter Kongruenz zu den anderen Stimmen. Wirklich, selbst für dieses Topp-Orchester, bei dem man sehr Gutes gewöhnt ist, nochmals intensiviert und perfektioniert. Sollte der Lock-Down auch was Gutes mit sich gebracht haben? Man hatte jedenfalls mehr Zeit zum Üben… Hier stimmt einfach alles.
Im dritten Satz wird beim Orchester zwischen Solo- und Tuttibegleitung unterschieden. Das lockere Spiel hoch spannend dargebracht. Absolut entschleunigt und doch mit Temperament. Zudem Kadenz-Zauber. Was kann man noch mehr erwarten? Uns fällt nichts mehr ein. Und das alles geschafft auch noch trotz des lästigen und behindernden Tragens einer Maske und dem großen Sicherheitsabstand! Kaum zu Glauben.
Die Aufnahme gelang mit lupenreiner Transparenz, vollem Klang, körperhaft, farbig und bestens ausbalanciert. Obwohl der Sendesaal leer war klingt es nicht hallig. Der Klang konnte wunderbar leuchten. Trotz Corona stand diese Aufnahme anscheinend unter einem Glücksstern.
5
Ragna Schirmer
Malin Broman
Ostbottnisches Kammerorchester
BR, Mitschnitt, bisher unveröffentlicht
2023
13:28 6:00 8:27 27:55
Diese Aufnahme entstand beim Mozartfest Würzburg, bei dem Ragna Schirmer „Artiste étoile“ war. Auch beim Orchester aus Finnland hören wir ein vibratoarmes Spiel bei den Streichern, jedoch homogener und geschmeidiger als bei Jac van Stehen und dem Ulster Orchestra mit Ronald Brautigam. Das Spiel wirkt auch lebendiger und akzentuierter.
Die Pianistin spielt auf einem geläufigen Konzertflügel, historische Spielweisen mit integrierend mit einer besonders akzentuierten und lebendig-sprechenden Artikulation. Die apollinische oder auch seraphische Gleichtönigkeit lässt sie weit hinter sich oder zumindest einmal beiseite. Bei ihr kommen uns keine Marmor- oder Gipsfiguren in den Sinn, sondern inspirierte Menschen mit aufblitzender Lebensenergie. Ihr Spiel wirkt bestens abschattiert, besonders im p-Bereich, der so vielen Pianist/innen so schwer zu fallen scheint und stilsicher. Mit dem Orchester gelingt eine unverbraucht-frische Darstellung in bester Zusammenarbeit. Ziemlich einzigartig (da es Andreas Staier auch noch macht ist es nicht tatsächlich einzigartig) ist die eigene, weit gefasste aber abwechslungsreiche Kadenz. Uns kam ein buntes Kaleidoskop beim Hören in den Sinn, als ob Mozart alle Möglichkeiten vor seinem geistigen Auge ausgelotet hätte.
Der Sound im zweiten Satz hat nichts anämisches, wie wir es mitunter bei historischer Spielweise mit historischen Instrumenten beobachten können. Ganz herausragend auch hier wieder die sprechende Artikulation und der bestens zum gleichgestimmten Orchester passende Klavierklang. Auch Frau Schirmer wandelt auf Robert Casadesus Spuren, jedoch noch beredter. Eine wirklich liebevolle Annäherung an die Komposition. Hut ab!
Im dritten Satz geht es nun spritzig und geschmeidig, aber immer noch genauso inspiriert und unaufdringlich weiter. Die eigenständigen Eingänge wie die erneut eigenständige Kadenz wirken innovativ. Ein begeisterndes Konzert-Dokument, das genauso wie die Aufnahme Igor Levits unbedingt eine Veröffentlichung auf Tonträger verdient hätte. Beide wären eine echte Bereicherung der Diskographie des Werkes.
Der Klang der Aufnahme vermittelt eine schöne räumliche Nähe, ist klar und körperhaft und vermittelt Präsenz und Weite gleichermaßen.
5
Sebastian Knauer
Roger Norrington
Zürcher Kammerorchester
Berlin Classics
2011
13:22 6:06 8:53 28:21
Die Streicher spielen auf ihren modernen Instrumenten vibratolos und recht zügig, wie es von Roger Norrington nicht anders zu erwarten war und wie wir es aus seiner Zeit beim SWR RSO in Stuttgart kennen. Er war übrigens von 2011 bis 2015 Chefdirigent des Schweizerischen Orchesters. Auch Sebastian Knauer spielt seinen modernen Flügel unaufdringlich, gelöst und schön perlend, mit geschliffener, eher behutsamer Geschmeidigkeit mit einem eher mild konturiertem Klavierton, der fast schon ins Weichgezeichnete hineingeht. Völlig undogmatisch also. Gemeinsam mit dem Orchester lässt man eine akzentuierte Dynamik hören, spielt griffig, durchsichtig, farbig und lebendig. Streicher und Bläser (mit sehr schönen Soli) sind sehr deutlich voneinander abgesetzt und spielen keinesfalls dünn. Die Akzente im Orchester sind deutlicher gesetzt als üblich aber keinesfalls affektiert. Das aparte Zusammenspiel wirkt hellwach und korrespondierend. Die hochklassig gespielte Kadenz wirkt stilsicher.
Trotz des sehr flotten Tempos (das Alla breve wird sozusagen wörtlich genommen) spielt Knauer seinen Flügel wunderbar kantabel. Er wäre von diesem Tempo nicht abhängig, um den Satz kantabel ausgestalten zu können, sein Klang trägt. Man konnte das Tempo also aus voller Überzeugung wählen. Es wirkt durchaus ein wenig dramatisiert. Das Orchester wirkt auch im Larghetto lebendig und schattiert seinen erzählenden Gestus sehr gut ab (z.B. Hörner T. 22 ff und 100 ff). Man merkt, dass der Pianist in beiden Welten (klassischer Konzertflügel und Hammerklavier) zuhause ist. Das Tempo führt fast von selbst zu einem völlig unverzärtelten Gestus.
Ein Beispiel für den äußerst differenzierten Bläsersatz in dieser Einspielung ist die herrliche Oboe (T. 44 und T. 59). Herr Knauer spielt ohne Ausziehrungen und meist aber nicht immer die originalen Kadenzen und Eingänge. Norrington wirkt mit dem Orchester stets stilsicher und die Balance wahrend, kann aber auch einmal ordentlich zupacken. Der Wiedereintritt der Streicher nach der Kadenz bei T. 281 gelingt ihm sehr schön. Der Satz wirkt frühlingshaft warm und mild wie eine schön duftende Brise im Mai.
Der Klang der Aufnahme bietet eine lupenreine Transparenz, klingt offen und bringt eine hervorragende Staffelung mit. Er wirkt glanzvoll, hell und lässt die Farben aufblühen. Der Bass klingt zurückhaltend. Wunderbar passend zu einem richtigen „Frühlingskonzert“, das KV 595 hier sein darf.
4-5
Maria Joao Pires
Claudio Abbado
Orchestra Mozart
DG
2011
13:32 6:22 8:40 28:34.
In diesem Konzert sind Klavier und Orchester mehr Eins, als dass sie wie in den anderen Klavierkonzerten Mozarts ein duales Prinzip verkörpern würden. Dies wird in dieser Einspielung ganz besonders deutlich. Das kleine Orchester spielt sehr geschmeidig und mit einfallsreicher und „sprechender“ Diktion. Es wirkt noch stärker akzentuiert, temporeicher und lebendiger als die anderen Orchester mit denen Claudio Abbado KV 595 aufgenommen hat (WP, LSO, BP). Die Pianistin, wir kennen sie bereits von ihrer Einspielung aus Lausanne mit Armin Jordan, verfügt nicht über die frappierende Égalité und Präsenz von Gulda oder Gilels, klingt aber sogar noch etwas brillanter als Guldas Bösendorfer. Sie schattiert ganz gut ab, wirkt flexibler und perlt schön. Von der Fingertechnik her bleiben Gulda und Gilels jedoch unerreicht. Wir hören, wie auch schon 1976 mit Gulda und den Wienern ein sehr gutes Konzertieren. Das kleine Orchester steht den Wienern nicht nach, das Holz wirkt noch kammermusikalischer und präsenter, die Streicher klingen im direkten Vergleich vielleicht doch ein wenig zu klein besetzt ohne aber dünn zu klingen. Sehr gute Oboe.
Das Tempo im Larghetto ist nun deutlich bewegter und lebhafter, dennoch wirkt es ruhevoll, jedoch lange nicht so marmorhaft erstarrt wie bei Karl Böhm. Das Orchester spielt nicht mit der gleichen Sonorität wie die Wiener, das LSO oder den Berlinern wie in den anderen Einspielungen Abbados, was auch sicher nicht beabsichtigt war. Die Kantabilität ist durchaus ausreichend um noch lebendig zu bleiben, ein Zelebrieren ganz weit weg. Es klingt nicht blass, sondern vielmehr serenadenhaft-hell ohne dass man an Tiefe des Ausdrucks viel verlieren würde. Schönheit, Glück, Traurigkeit das alles zusammen vermag die Musik hier auszudrücken, mit etwas weniger Traurigkeit etwa als bei Curzon/Szell oder Vogt/Järvi. Das Alla breve wird wie in den meisten neueren Einspielungen viel stärker beachtet als in den Älteren.
Der Gestus im dritten Satz wirkt nun weniger liedhaft jedoch tänzerischer als in den Einspielungen Abbados zuvor. Geschärft wirkt das Tänzerische jedoch nicht. Auch Pires bringt nun mehr Schwung ins Spiel als noch in Lausanne. Die Kontraste zwischen p und f werden jedoch immer noch nicht voll ausgespielt. Sie spielt mit makelloser Geläufigkeit. Die Kadenz wird deutlich mehr in den Gesamtablauf integriert als bei Gulda oder Gilels, die ihr erheblich mehr Eigenprofil verleihen. Fazit: Mit geschmeidiger Rhythmik und mehr Tempo wird dem „Schwanengesang“ als den man das Konzert gerne gespielt hat eine weitere klare Absage erteilt. Es gibt hier keine porzellanhafte Blässe und auch „Beton“ wird nicht angerührt. Der Pianistin hätte man noch ein etwas geschärfteres Profil gewünscht.
Dass man klanglich gegenüber der 76er Einspielung Abbados mit den Wienern relativ wenig Fortschritte zu vermelden hat liegt daran, dass diese bereits sehr gut klang. Die Balance ist gut, den Flügel hätten wir noch etwas mehr nach vorne gestellt, er hätte etwas größer und lauter klingen können. Zusammen mit etwas mehr Tiefenschärfe durch eine dreidimensionalere Abbildung hätte das Frau Pires bereits zu einem geschärfteren Profil verhelfen können. Dennoch eine klare Verbesserung gegenüber ihrer Einspielung aus Lausanne.
4-5
Francesco Piemontesi
Andrew Manze
Scottish Chamber Orchestra
Linn
2019
14:09 6:41 9:23 30:13
Es ist schwer zu bestimmen, warum die Linn-Aufnahme Piemontesis nun näher an der HIP dran sein soll als seine Live-Aufnahme aus München mit Mirga Grazinyte-Tyla. Vielleicht wirkt das Spiel der Streicher des schottischen Orchesters noch „vibratofreier“ als das der Münchner BR-Sinfoniker? Die Übergänge sind, wie bereits erwähnt, fließend geworden. Auch das Spiel der Schotten ist transparent gehalten und subtil, lebendig, transparent und behutsam dynamisiert. Man spielt mit modernen Instrumenten, was man besonders am Holz merkt. Besonders die vibratofreien Violinen durchbrechen immer wieder einen wohligen Gesamtklang. Es sind dann auch besonders sie, die diese Aufnahme von der mit dem BR SO unterscheiden.
Piemontesi bringt erneut seinen geschmeidigen, weichen fast noblen Anschlag mit ins Spiel. Er kann zwar im Anschlag, nicht mit der Präzision von Anda, Serkin oder Richter mithalten, formt aber perfekte Läufe und spielt differenziert. Das Gleichgewicht von Klavier und Orchester stimmt. Der Gestus ist weniger spritzig als bei Pires/Abbado.
Im Larghetto wirkt das Tempo zügig-fließend, fast schwungvoll. Die leichten, meist schwungvollen Verzierungen schrecken aus dem gewohnten Gestus mit einigen eingebauten Irritationen kurz auf und verhindern so eine Darstellung, die den Hörer einlullt. Aber auch so wirkt der zweite Satzes durchaus erwärmend.
Herr Piemontesi verziert auch im dritten Satz auf gekonnte, stilvolle Weise. Trotz dem Plus an Noten hätte der Satz nach unserem Empfinden etwas mehr Tempo vertragen können. Es ist ein Allegro und kein Allegretto. Das fällt aber anscheinend noch allenthalben unter die künstlerische Freiheit. Insgesamt liegt hier eine einfühlsame Einspielung vor.
Der Klang ist ausgewogen, farbig, weich, warm und anschmiegsam und zudem gut gestaffelt. Recht dünne (da vibratofreie) Violinen stehen farbenfrohen, warm getönten Holzbläsern gegenüber.
4-5
Imogen Cooper
Richard Tognetti
Australian Chamber Orchestra
ABC (Australian Broadcasting Corporation)
2013. live
14:14 7:11 9:16 30:41
Die britische Pianistin erhielt ihre Ausbildung bei Yvonne Lefebure, Alfred Brendel, Paul Badura-Skoda und Jörg Demus. Na, wenn sich bei dieser Ausbildung keine gute Mozart-Pianistin entwickelt, wann dann?
Das schlank besetzte Kammerorchester von Down Under musiziert nach den Regeln der HIP mit einer liebevoll-abwechslungsreichen Artikulation und erreicht eine intim wirkende Atmosphäre. Das sehr deutlich herauskommende Holz klingt sehr gut. Die Phrasierung wirkt pointiert, das Spiel temperamentvoll. Dazu passt der klare Klang von Imogen Coopers Flügel und ihre klare Phrasierung und flexible Artikulation ganz ausgezeichnet. Bei ihrer spannenden Darstellung ist nicht alles vorhersehbar, das Musizieren lebendig-prall und pulsierend, jedoch ebenso differenziert.
Den zweiten Satz halten das Tempo und die beredte Gestaltung schön im Fluss. Das Klavier wirkt sehr dezent, das Orchester steht mit ihm im nachdrücklich gehaltenen Dialog. Die f sind wohl laut, betonen aber nur das schmerzlich-expressive des Satzes, das durchaus betont werden kann.
Im dritten Satz bekommen wir keine klangliche Magerstufe präsentiert. Vitalität, Leuchtkraft und differenzierte Ausdruckskraft sind die vornehmlichen Merkmale der Gestaltung. Hier wird weniger Abschiedsstimmung vermittelt als z.B. bei Lars Vogt. Beiden gemein ist die große Überzeugungskraft mit der musiziert wird. Sehr stimmig musiziert strahlt diese hier letztlich großen Optimismus aus.
Das Orchester wird mit einer guten Raumausleuchtung kammermusikalisch präsent, offen, sehr transparent und plastisch abgebildet. Volle Farben und ein voller Klang kommen hinzu. Auch die Bässe werden nicht vergessen. Das Publikum verhält sich vorbildlich dezent, man hört nur in den Kadenzen was von ihm und nur wenn man sich darauf konzentriert. Ein rundum erfreulicher Beitrag zur Diskographie, den man hierzulande, obwohl er bereits seit zehn Jahren vorliegt, kaum zur Kenntnis genommen hat.
4-5
Carmen Piazzini
Michail Gantvarg
Leningrad Soloists
Membran
1990
13:12 7:00 9:15 29:27
Die Leningrad Soloists spielen, wie es ihr Name nicht unbedingt nahelegt, in kleiner, jedoch nicht solistischer Besetzung. Dass es nicht restlos transparent klingt, hat wahrscheinlich aufnahmetechnische Gründe. Das Holz ist nämlich im Tutti undeutlich, da die Positionierung im Raum zu weit hinten liegt. Die Soli kommen hingegen sehr viel besser zur Geltung. Das Klavierspiel von Frau Piazzini wirkt leicht und locker, klar und geschmeidig. Sie verfügt über einen hervorragend brillanten Anschlag. Durch ihren sehr lebendigen Vortrag wird das Spielerische selbst in der Melancholie deutlich hervorgehoben. Seien der Winter kalt, die Bude eisig, die geliebte Konstanze krank, sollten die Zähne wehtun und in letzter Zeit auch noch mehr Misserfolge zu verbuchen und die Kasse klamm sein, so soll wenigstens die Musik weiter Mut machen. Es kommen wieder andere Zeiten. So könnte es sich Mozart gedacht haben, wenn man sich die Einspielung von Carmen Piazzini anhört. Im Vergleich mit Keith Jarrett etwas kann man leicht feststellen, wieviel mehr an Charme die Pianistin hier in die Musik einbringen kann.
Im zweiten Satz gibt es eine Lehrstunde in Sachen „Glöckchenklang auf dem Klavier“. Das Kantable in Piazzinis Ton ist sehr tragfähig, es liegt hier noch eine wunderbare Legato-Kultur alter Schule vor, sodass man den Klavierpart als mustergültig gelungen bezeichnen darf. Auch das Orchester ist im zweiter nuancierter unterwegs als im ersten Satz, kann aber den Abstand zum Klavier nicht ganz aufholen, das wäre noch etwas mehr Feinschliff einzubringen und das f hätte man etwas abdämpfen können. Sehr gerne hätten wie Carmen Piazzini einmal mit der Salzburger Camerata und Sandor Vegh gehört, das hätte eine ideale Verbindung ergeben können.
Der dritte Satz weist in seiner zauberhaften Leichtigkeit auf ein Mendelssohn-Scherzo (Sommernachtstraum) voraus. Der dynamische Ambitus der Pianistin wird hier als erfreulich hoch von uns empfunden, wenngleich er nicht die stilistischen Anforderungen durchbricht. Teils agiert Frau Piazzini sogar enorm kraftvoll (Kadenz). Ihre Flexibilität ist ein sehr hoher Trumpf in dieser Einspielung und er sticht. Sie macht aus dem Satz einen vielfältig glänzenden Edelstein. Leider hinkt ihr das eigentlich wackere Orchesterchen in allen Belangen ein wenig hinterher, außer im Zusammenspiel natürlich, da ist man gut zusammen.
Das Klavier klingt sehr deutlich und wird mit einer brillanten Glöckchen-Aura versehen. Das Orchester hatte nicht so viel Glück, es klingt vergleichsweise pauschal, außer im zweiten Satz, da rückt es an uns Hörer/innen heran und agiert viel deutlicher.
4-5
John O´Conor
Charles Mackerras
Scottish Chamber Orchestra
Telarc
1989
14:06 7:12 8:59 30:17
In dieser Einspielung erscheint das Kammerorchester im Vergleich zu den Leningrad Soloists vergleichsweise üppig besetzt. Da unterlag man anscheinend keinem Sparzwang. Sein Spiel ist flüssig, garniert mit leichten Einflüssen der HIP. Es klingt hell und freundlich. Das farbig klingende Holz wurde leider wieder weit hinten platziert, was leider typisch für die ausgehenden 80er und die 90er Jahre werden sollte. Man wollte demonstrieren, wie gut man den Raum in der Aufnahme unterbringen kann. Er sollte sozusagen mitgehört werden können.
Das durchaus subtile Spiel des Pianisten besticht dadurch, dass er sich sehr gut zurücknehmen und einordnen kann. Eine wichtige Eigenschaft, die manch einem eingefleischten Solisten nicht so leicht von der Hand geht. Seine Ornamentik und seine Läufe entgehen allerdings nicht immer der Gleichförmigkeit. Der konnte Carmen Piazzini deutlich besser entgehen.
Das Spiel vom liebevoll phrasierenden Pianisten und dem gleichgesinnten Orchester wirkt im zweiten Satz ausdrucksvoll. Der Pianist ziert aus.
Der dritte Satz knüpft an den freundlichen ersten Satz an. Frisch musiziert treibt der Mai schon kräftige Knospen. In dieser Einspielung hört man nur wenige Schatten.
Der Klang wirkt großräumig um nicht zu schreiben weitläufig, das Orchester wird ein wenig nach hinten versetzt und der Flügel mit einer Hall-Fahne versehen. Auch er wird nicht gerade präsent an die Rampe gesetzt. Man strebt die Wirkung eines repräsentativ ausgestatteten Konzertes an, wie es dem Vorgänger in der Reihe, dem Krönungskonzert KV 537 besser angestanden hätte. So klingt es weniger intim, so passt es weniger gut zur Aussage des Konzertes. So nimmt es etwas von der Wirkung weg, die die Interpreten beabsichtigt haben.
4
Ronald Brautigam
Jac van Steen
Ulster Orchestra, Belfast
BBC, vom SWR gesendet, unveröffentlicht
2022, live
13:38 5:55 8:18 27:51
Das Orchester ist das einzige stehende Profi-Orchester in Nordirland. Es ging mit einer zusätzlichen Fusion aus dem BBC Northern Ireland Orchestra hervor. Der Niederländer Jac van Stehen steht ihm seit 2020/21 als Chefdirigent vor. Wie man lesen kann, spielt es inzwischen sowohl mit historischen als auch mit modernen Instrumenten. Die Violinen hören wir in diesem Live-Mitschnitt nahezu vibratofrei. Dadurch wirken die Streicher etwas blass und bei schnellen Bewegungen wird man den Eindruck nicht los, die Musiker hätten lieber mit Vibrato gespielt. Man ist zu Beginn nicht ganz zusammen. Das Orchester blüht im weiteren Konzertprogramm übrigens (mit Sibelius dritter Sinfonie) erst richtig auf.
Ronald Brautigam ist ebenfalls flexibel was die Instrumentenauswahl angeht. In seiner Einspielung für BIS mit der auf Original-Instrumenten spielenden Kölner Akademie spielte er ebenso virtuos das Hammerklavier, jetzt nahm er am modernen Konzertflügel Platz. Man hat den Eindruck, dass er mit seinem flexiblen aber trockenen Anschlag auch das Tempo in seine Hände nimmt, denn er spielt schneller als es ihm das Orchester und mithin der Dirigent vorgibt. Das wiederholt sich übrigens auch im zweiten Satz und ist in der BIS-Aufnahme ebenfalls in diesem Satz zu bemerken. Offensichtlich gehört das für ihn zur künstlerischen Freiheit. Seine Dynamik übersteigt nicht die, die man von einem Hammerklavier kennt. Sie wirkt also für einen Flügel recht nivelliert. Aber Vorsicht: das kann auch an der Aufnahme liegen, denn sie macht einen ziemlich dynamikfreien Eindruck. Der Klavierklang ist kaum brillant zu nennen, auch in der Kadenz nicht.
Wie in der BIS-Einspielung wirkt das Tempo im zweiten Satz mehr als zügig und fließend, fast schon eilig. Brautigam nimmt das vorgegebene Tempo nicht auf, sondern spielt noch schneller weiter Bei Willens geht er übrigens genauso vor, sodass man davon ausgehen kann, das die Maßnahme zum Konzept gehört und keine Uneinigkeit in Tempofragen offenlegt. Brautigam verziert auch mit dem modernen Flügel. Er dämpft die Aliberti-Bässe erfreulich stark ab. Beim „Trio“ Klavier, Flöte und erste Violinen (T. 103 ff) hört man die Flöte nicht.
Der dritte Satz klingt recht fidel, man erreicht aber im Orchester lange nicht die Feinzeichnung der deutschen Rundfunkorchester von BR mit Grazinyte-Tyla oder HR mit Carydis. Brautigam wirkt auf dem Hammerklavier feinzeichnender und kommt an die Brillanz von Piemontesi oder Levit in den genannten Rundfunkaufnahmen nicht ganz heran.
Insgesamt ist der Klang der Aufnahme transparent und offen. Der Klang steht in diesem Fall dem der deutschen Anstalten deutlich zurück.
Historisch informierte Aufnahmen, die gänzlich oder teilweise mit historischen Instrumenten der Mozart-Zeit gemacht wurden:
5
Andreas Staier
Gottfried von der Goltz
Freiburger Barockorchester
Harmonia Mundi
2007
13:44 7:24 9:29 30:27
Alle Beteiligte spielen auf Originalinstrumenten. Das Orchester fein differenziert mit nuancierter Dynamik, präziser Phrasierung, schön fließend, Bläser und Streicher wohlproportioniert und bestens aufeinander abgestimmt. Das ist Wohlklang ohne Kitsch und Glätte.
Das Orchester befindet sich mit dem Solisten sozusagen in einem regen Austausch, während der Pianist mit Ausdruck, Phrasierung und Durchsetzungsvermögen besticht. Im „Tutti“ spielen sämtliche Streicher, während die Streicher beim Partiturhinweis „Solo“ bis zum Streichquartett ausgedünnt werden. Nur wenige Einspielungen lassen das auch so hören. Das macht das „concertare“ durchaus noch etwas prickelnder. Staiers Spiel wirkt schwerelos und impulsiv gleichermaßen und zudem besonders dialogisch orientiert, seine Verzierungskunst wirkt stilsicher. Sein filigraner Klang integriert sich bestens mit dem warmen Klang der Freiburger. Haupt- und Nebenstimmen fluktuieren hier mehr als sonst. Die Soli der Bläser klingen voller als bei der Kölner Akademie oder Anima Eterna und werden prächtig ausformuliert. Staiers Flügel ähnelt schon in mehr Klangeigenschaften dem heutigen Konzertflügel als dem historisch hinter ihm liegenden Cembalo. Dem Rubato sind die Musiker nicht abgeneigt, es soll ja auch flexibel und nicht starr klingen. So kommt dem Satz mehr Buffa-Geist zu als gewöhnlich. Schön temperamentvoll, mit Saft und Kraft akzentuiert geht es munter voran. Andreas Staier spielt die Mozart-Kadenz nicht. Er spielt seine eigne und die wirkt wie gerade frisch erfunden. Er zeigt dabei alles, was sein Instrument so kann. Mitunter hat man den Eindruck, dass auch ein moderner Flügel zugegen wäre, der dann auch mal kurz bespielt würde. Bei einer Aufnahme wäre so ein „Gag“ ohne weiteres drin. Wir sind überzeugt davon, dass Mozart daran seine helle Freude gehabt hätte. So präsentiert sich diese Einspielung und dabei insbesondere die Kadenz enorm abwechslungsreich, vielgestaltig, kontrastreich und letztlich auch ungemein schlüssig. Da wippte bei uns nicht nur der Fuß mit.
Auch der zweite Satz wirkt vital, eine Tendenz, die bei fast allen neueren Einspielungen zu beobachten ist. Das Orchester spielt unmittelbar und ausdrucksvoll, Staier mit Verzierungen.
Das Orchester spielt im dritten Satz kräftiger als in den allermeisten anderen Aufnahmen und mit mehr „Pfeffer“ gewürzt. Die Eingänge wirken teilweise neu, wie die Kadenzen im Charakter improvisatorisch. In der eigenen Kadenz hat man erneut den Eindruck, dass einige wenige Passagen mit einem modernen Konzertflügel gespielt werden, auch erklingt er aus einer anderen Richtung als der hauptsächlich bespielte Hammerflügel. Insgesamt wirkt diese Einspielung inspiriert wie keine zweite. Bravo!
Der Klang der Aufnahme bietet ein weites Panorama und ist bei guter Tiefenstaffelung sehr transparent. Die Dynamik ist ausgezeichnet, sie wirkt jedoch nie überzogen. Die Balance zwischen Hammerklavier und Orchester sowie innerhalb des Orchesters und die Präsenz sind vorbildlich. Sehr farbig.
4-5
Kristian Bezuidenhout
Thomas Zehetmair
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
BR, Mitschnitt, unveröffentlicht
2012, live
12:49 6:04 8:50 27:43
In diesem Konzert spielt der damals 33jährige in Südafrika geborene Australier ein Hammerklavier, während das BRSO auf seinen angestammten modernen Instrumenten in der Tradition der HIP spielt. Dieses Konzert wurde übrigens nicht in München, sondern in Würzburg aufgezeichnet. Eines darf man vorwegschicken, eine vollendete Harmonie stellt sich zwischen den Instrumenten nicht ein, denn obwohl sich das sparsam besetzte Orchester eines passenden Stils befleißigt, wirkt das Hammerklavier zwar nicht wie ein Fremdkörper aber doch als zu klein oder zu schmächtig. Das Orchester hat in Würzburg längst nicht die Fülle seines Auftritts mit Piemontesi und Grazinyte-Tyla, die es auch noch mit (sparsamem) Vibrato spielen lässt. Auch die Stärke der Streicher wird eine andere gewesen sein. Bei Thomas Zehetmair, der den meisten eher als Geiger bekannt sein dürfte, spielt es sehr sauber, pointiert, rhythmisch, mit einer leichteren Phrasierung und dynamisch sehr gut abgestuft. Bezuidenhout spielt mit viel Elan, der wenn man ihn gleichbehandeln würde, bei einem Steinway schon zu viel des Guten wäre. Faktisch hören wir jedoch trotzdem die begrenzte Dynamik des Hammerklaviers und ein zwar klein besetztes aber immer noch sehr potentes Eliteorchester mit seinen dynamischen Fähigkeiten. Das Wichtigste ist jedoch der vorherrschende Gestus und der ist ziemlich unbeschwert, ja fast schon fröhlich. Bemerkenswert ist noch, dass Herr Bezuidenhout bereits im ersten Satz (wie Andreas Staier auch) mit Verzierungen aufwartet.
Das Auszieren wird im zweiten Satz noch erheblich intensiviert, er wirkt aber nicht zuletzt durch den luftigen, leichten Klang des Hammerklaviers nicht überladen. Durch Tempo, Instrumentarium und die luftig-leichte Verzierung ist dem Satz nun jede Erhabenheit gründlich ausgetrieben worden. Der Interpretationsspielraum bei ihm ist enorm, gut zu überprüfen, wenn man sich gleich im Anschluss noch einmal in die Darbietung von Gilels und Böhm reinhört. Das sind einfach zwei Seiten einer Medaille oder doch eher zwei Welten die da aufeinanderprallen.
Außerordentlich nuanciert und vor allem akzentuiert vom Pianisten und vom Orchester wird der dritte Satz gestaltet. Vortrefflich passen die improvisiert wirkenden neuen Eingänge des Pianisten. In der ebenfalls phantasievollen Kadenz klingt das Hammerklavier passagenweise wie ein modernes Klavier. Dieses Mal standen jedoch mit Sicherheit keine zwei Instrumente auf der Bühne in Würzburg, wie wir das in Freiburg feststellen konnten. Die Ortung des Hammerklaviers im Klangbild bleibt absolut stabil. Im letzten Satz herrscht jedenfalls das pralle Leben.
Das Klangbild gefällt. Es ist sehr transparent und bietet eine gute Balance. Den „kleinen“ Klang des Hammerklaviers hat man nicht künstlich vergrößert. Insofern haben die Tontechniker und Aufnahmeleiter einen guten Job gemacht, auch wenn es keine vollendete Harmonie im Instrumentarium ergibt.
4-5
Viviana Sofronitzky
Tadeus Karolak
Musica Antiqua Collegium Varsoviense
Et´Cetera
2006
13:51 5:58 8:58 28:49
Das Polnische Originalklangensemble bietet hellwaches, klangschönes und kontrastreiches vibratoloses Musizieren. Besonders gefällt das außerordentlich farbige Holz mit der hervorragenden Oboe. Die Dynamik und der Schwung sind erstaunlich. Das hat allerdings seine Kehrseite, denn mit einem ähnlich unbeschwerten und druckvollen Musizieren kann das Hammerklavier nicht mithalten. Vielmehr setzt ihm das Orchester ganz schön zu, scheint es zu bedrängen. Dieser Sachverhalt erscheint uns jedoch aus keinem Mangel heraus zu kommen, sondern vielmehr Teil des Konzeptes zu sein. Für sich betrachtet hat die Solistin alles im Griff. Sie spielt geläufig mit einer gut abgestuften Phrasierung und ist mit Enthusiasmus dabei. Die kantablen Fähigkeiten des Instruments, es ist ein Nachbau eines originalen Walter, gebaut von ihrem Ehemann, scheinen begrenzt, denn er verklingt im ersten Satz recht früh. Doch lassen wir uns für den zweiten Satz von ihm und seinen Fähigkeiten einmal überraschen.
Da die Alla breve-Vorschrift in Mozarts Partitur mittlerweile standardmäßig beachtet wird, kommen Pianistin und Instrument in keine Schwierigkeiten mit einem zu früh verklingenden Klang. Allerdings muss man feststellen, dass Alla breve beim Hammerklavier (oder auch Fortepiano genannt) zwingend ist. Ein langsames Tempo à la Gilels, Schnabel oder wie beim frühen Rudolf Serkin wäre mit ihm nicht zu schaffen, da der Klang „verhungern“ würde. Was uns nicht so gut gefällt ist, dass die Aliberti-Bässe gegenüber der Melodie nicht abschattiert werden. Ziemlich neu für den zweiten Satz ist der ziemlich flott pulsierende Marsch-Gestus bei den polnischen Interpreten. Der Melancholie, die den Satz in älteren Einspielungen so deutlich umflort, wird jedenfalls keinen breiten Raum mehr gegeben.
Im dritten Satz findet man, wie bei den anderen bereits gelisteten Einspielungen mit Originalinstrumenten ein lockeres, fast unbeschwertes und fideles Musizieren auf einem sehr hohen Niveau. Frau Sofronitzky zeigt eindrücklich, was aus ihrem kleinen Kommödchen rauszuholen ist.
Der Klang der Aufnahme ist sehr räumlich, sogar dreidimensional mit einem angenehm kurzen Nachhall. Es kommt keine Studioatmosphäre auf. Er ist weithin farbig weich, recht transparent und vor allem was das Orchester betrifft dynamisch und erstaunlich füllig und was das Hammerklavier betrifft etwas zu klein und mickrig.
Auch Frau Sofronitzkys Aufnahme von KV 595 ist Teil einer Gesamtaufnahme aller Mozart-Klavierkonzerte.
4-5
Malcolm Bilson
John Eliot Gardiner
English Baroque Soloists
DG
1988
13:55 7:30 9:22 30:47
Auch Malcolm Bilson, die English Baroque Soloists und John Eliot Gardiner haben alle Mozart-Klavierkonzerte eingespielt. In dieser aus der Sicht der HIP schon etwas betagten Einspielung aus der frühen Zeit passen die bereits damals hochvirtuosen Soloists und die noch ein wenig bemühte Bewältigung des Klavierparts nicht so recht zusammen. Da steht die kernige, klare und kontrastreiche Diktion des mitunter überschäumend temperamentvollen Orchesters auf der einen Seite, grandios, lebendig mit den leicht aufgerauten Violinen nur etwas zurückhaltender als die Freiburger mit Staier. Auf der anderen Seite ein sehr, sehr zartes Pflänzchen namens Fortepiano, das gegenüber dem kraftvoll aufspielenden Orchester schmächtig und allzu schal wirkt. So erreicht man diesbezüglich nicht die nahezu perfekte Balance von Staier/FBO oder Immerseel/Anima Eterna. Das Musizieren wirkt affektbetont und von der Klangrede inspiriert. Das Hammerklavier hat noch keinen tragenden Ton, der Klang verebbt schnell, weshalb ein schönes klangvolles erblühen des Tones unterbleibt. Ein Klavier für die kleine Kammer und ein Orchester für den Konzertsaal sozusagen, das geht nicht ganz auf. Das Individuum (Hammerklavier) im Malstrom der Vielen (Orchester), das wird in dieser Interpretation schon in diesem Konzert aktuell. Eigentlich ist das Thema erst so richtig bei Beethovens Klavierkonzertes präsent und aktuell.
Auch im zweiten Satz gilt, wenn wir es ausnahmsweise mit Schulnoten sagen wollen: Orchester 1+, Hammerklavier 3-. Die Tempowahl ist gut. Aber bei der Besetzung wäre hinsichtlich der Klangbalance eine gänzlich solistische Besetzung der Streicher vermutlich die bessere Wahl gewesen. Das kleine Klavierchen hat selbst im p des Orchesters Schwierigkeiten durchzukommen.
Die Balance im dritten Satz wirkt stimmiger. Anscheinend hat man seitens der Technik etwas gegengesteuert, denn das Fortepiano wird nun lauter „abgemischt“. Zuvor hatte es sogar gegen einzelne solistische Bläser seine liebe Not und bisweilen den „Kürzeren“ gezogen. Bei Malcolm Bilson gibt es übrigens noch keinerlei Verzierungen. Das kam anscheinend erst später als „sine qua non“ im Pflichtenheft der HIP hinzu. In der Kadenz geht Bilson, zum ersten und einzigen Mal nach Walter Klien, auf Mozarts Lied „Komm lieber Mai und mache“ zurück. Ob er es gleichzeitig oder nach dem Konzert oder gar zuvor komponiert hat, wissen wir nicht. Jedenfalls hat er es als nächstes Werk nach dem Konzert in seine eigne Werkesammlung eingetragen (und Köchel tat es ihm nach). Ausgerechnet bei T. 281 bei dem bei einigen Einspielungen die Streicher nach der Kadenz wie magisch wieder einsetzen, spielt Bilson etwas zu laut bzw. die Streicher doch zu leise, sodass die Magie des Augenblicks ausbleibt. Schade. Das kann jedoch die Klasse der Einspielung insgesamt kaum beeinträchtigen, die allerdings im Orchestralen höher zu setzen wäre als im Pianistischen.
Der Klang der Einspielung erfüllt auch höhere Ansprüche. Er klingt transparent und schön offen, sehr dynamisch. Nur bei der Balance zwischen Hammerklavier und Orchester sind wir nicht ganz glücklich geworden, da hätte die Technik durchaus ein wenig nachhelfen können. Dass sie es nicht tat, spricht für ihre Intergrität.
4-5
Jos van Immerseel
Anima Eterna
Channel Classics
1990
14:10 7:45 8:32 30:27
Ein wunderbar ausgewogenes Verhältnis von zart spielenden Streichern und ungewöhnlich deutlichen und butterweich spielenden Holzbläsern bietet diese Einspielung aus Belgien. Man spielt völlig ohne Vibrato, aber trotzdem wirkt das Klangbild angenehm warm. Das eher langsame Tempo im ersten Satz überrascht. Das Hammerklavier klingt besonders leise und matt, man könnte meinen mickrig, wenn man gerade zuvor noch einen ausgewachsenen Konzertflügel von Steinway, Fazioli oder auch Bechstein gehört hat. Wir befinden uns noch ziemlich früh in der HIP-Bewegung, da waren die alten Instrumente bzw. ihre Nachbauten noch nicht so ausgereift restauriert bzw. gebaut, die Instrumente der neueren Aufnahmen klingen durchweg voller und runder. Man muss sich ein bisschen umgewöhnen, wenn man stilistisch beiden Welten an Instrumenten gerecht werden will. In dieser Aufnahme ist die Balance, ähnlich wie bei Bilson/Gardiner zugunsten des Orchesters verschoben. Passagenweise wirkt das Orchester dem kleinen Flügel deutlich überlegen. Es mag sein, dass das in Mozarts Zeit genauso war, oder aber, dass die Streicher noch schwächer besetzt waren. Der Käufer der Tonträger will aber auch den Klang eines Orchesters hören und nicht eines Streichquartetts, wenn er eine Einspielung mit Mozart-Konzerte kauft. Von daher versagt man sich die solistische Besetzung der Streicher bei Aufnahmen mit Hammerklavier bzw. Fortepiano fast immer. Mitunter „nuschelt“ der Flügel nur vor sich hin, sodass man gar nicht verstehen kann, was er zu sagen hat. Im Ganzen stellt sich so aber der kammermusikalisch geprägte, intime Kontext, der nun einfach einmal sehr gut zur Nr. 27 passen will, beinahe wie von selbst ein. Und das Schöne daran: Der Pianist kann sich austoben, ohne dass sein Part ins Auftrumpfen oder ins Protzen käme. Es ergibt sich fast zwangsweise ein fragileres Musizieren.
Im zweiten Satz dominieren dann eher wieder die Nachteile des Hammerklaviers. Und das ist unter anderem das sehr schnelle Verklingen der einzelnen Töne. Ein schnelleres Tempo ist zwingend, wird aber auch durch die Alla breve-Bezeichnung sowieso zur Pflicht, die jedoch manche Steinway-Pianisten gerne nicht so eng sehen. Wenn man dann noch sinnvoll phrasiert und die Bögen an der gesprochenen Sprache oder im zweiten Satz am Gesang orientiert, dann klappt es auch (halbwegs) mit der Kantabilität. Da, wo wir am Ehesten Verzierungen erwartet hätten, versagt sie uns der Pianist. Wie bereits bei Malcolm Bilson, der nur zwei Jahr zuvor seine Aufnahme einspielte.
Der dritte Satz gefällt mit der leichten, beschwingten und ganz zarten Spielweise, die wir schon von den beiden Sätzen zuvor kennen. Diese Einspielung ist ein besonderes Fest für die Freunde des Klangs von historischen Holzblasinstrumenten, denn hier kann man alle wunderbar geblasen und sehr deutlich hören.
Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent. Die Balance gegenüber den Sinfonieorchestern und größeren Kammerorchestern ist deutlich zum Holz hin verschoben und beim Verhältnis Klavier/Orchester zum Orchester hin. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man die Proportionen der Mozart-Zeit besonders gut getroffen hat. Obwohl man weiß, dass Mozart seine Klavierkonzerte durchaus in verschiedenen Besetzungsstärken (und auch in verschiedenen Tempi) aufgeführt hast.
4-5
Ronald Brautigam
Michael Alexander Willens
Kölner Akademie
BIS
2012
12:57 5:22 8:13 26:32
Im Vergleich zur Aufnahme mit Anima Eterna wirkt das Holz in dieser aktuelleren Einspielung fast schon unterbelichtet. Nur wenn sie solistisch hervortreten, sind die Holzbläser gut zu hören. Auch der Gestus wirkt nicht so konzertant. Im Vergleich zum Fortepiano Immerseels klingt Brautigams Modell noch ein wenig cembaloähnlicher, also noch heller und silbiger, vor allem in den höheren Lagen. Als Solist tritt Brautigam stärker hervor als Immerseel. Wenn Immerseel mehr der „primus inter pares“ darstellt, ist Brautigam mehr der „Dominator“.
Das ist auch im Larghetto spürbar, das in dieser Einspielung übrigens das schnellste Tempo erfährt. Das Alla breve macht den Satz beschwingter und verleiht ihm eine große Leichtigkeit. Wie bereits beim Mitschnitt aus Belfast möchte Brautigam das vom Dirigenten vorgelegte „normal schnelle“ Tempo nochmals anziehen. Natürlich wurde das zuvor so vereinbart. Es ist kaum anzunehmen, dass er Dirigent und Orchester dermaßen auf ihre Flexibilität prüfen möchte, schon gar nicht bei einer Studioaufnahme. Etwas Bedenkzeit glaubt man jedoch zu bemerken, bevor das Orchester das „neue“ Tempo übernimmt. Wie dem auch sei, es muss ins Tempo einschwingen, denn wie sollte der Solist sonst professionell zu begleiten sein? Es geht ganz besonders zügig voran. Dennoch hat der Solist noch die Muße, Verzierungen anzubringen. So erleben wir eine äußerst aktive Art mit der Melancholie des Herzens umzugehen. „Versenkung“ oder „Erhebung“ wie bei Emil Gilels und Karl Böhm stellt sich so jedenfalls nicht mehr ein, kein Wunder, wenn der Satz um ca. 40 % schneller ist.
Dem zweiten Satz folgend, hätten wir für den dritten eine besonders beschwingte Gangart erwartet. Er überrascht nun mit einer eher konventionellen Gestaltung. Ronald Brautigam ist jetzt mehr ins konzertante Geschehen eingebunden. Der Wiedereintritt des Orchesters nach der Kadenz bei T. 281 strahlt nur wenig Magie aus. Sachlichkeit ist Trumpf. Im dritten Satz gibt es nur einige wenige Verzierungen.
3-4
Jörg Demus
Collegium Aureum
Deutsche Harmonia Mundi
1969
13:44 7:30 9:05 30:19
Diese Aufnahme stammt aus der Frühzeit der HIP-Bewegung. Man beschränkte sich damals im Wesentlichen noch auf die historischen Instrumente, die man spieltechnisch mitunter noch nicht so recht im Griff hatte. Das Musizieren selbst spielte sich noch im damals vorherrschenden glatten Stil ab. Die Streicher verbreiten noch seidigen Glanz. Man vernimmt wenig Nuancen. Der Gestus wirkt drängend. Einflüsse der HIP bezgl. Vibrato oder der Sprache angepasste Artikulation sucht man noch vergebens.
Das Hammerklavier hat noch viele klangliche Mängel. Mitunter fühlt man sich an ein „Hackbrett“ erinnert. Sein kleiner Ton kann kaum gegen das regelrecht philharmonisch aufspielende Orchester ankommen, zumal sich die klanglich bereits sehr schönen Holzbläser keinerlei Zurückhaltung auferlegen. Demus´ Darbietung mit dem RSO Stuttgart und Hans Müller-Kray erschien uns überzeugender, auch im Pianistischen.
Im Larghetto musiziert das Orchester unbeschwert und munter drauflos. Man kniet sich rein wie die Berliner unter Karajan, der in den sechziger Jahren vielen als Vorbild diente. Anscheinend auch bei der Interpretation von Werken Mozarts, dem falschen „Objekt“. Über die „Passgenauigkeit“ zum Soloinstrument machte man sich offensichtlich noch nicht viele Gedanken. Das Annähern an den Mozartstil Karajans wirkt für heutige Ohren ästhetisch fragwürdig. Einen mäßigend einwirkenden Dirigenten haben wir dieses Mal vermisst. Aber wer hätte das damals sein können?
Im dritten Satz gefallen die Holzbläser, die allerdings teilweise richtig dick auftragen, am besten. Dadurch, dass in dieser Besetzung richtig „krasse“ Gegensätze aufeinanderprallen, erhält der Satz schon parodistische Züge. Eine Besonderheit der Diskographie des Konzertes, mittlerweile stilistisch überholt.
Das Klangbild ist ziemlich hallig, mit einer Tendenz zum Verschwimmen der Konturen. Die Soli der Holzbläser wirken prominent hervorgehoben. Das Orchester wirkt voluminös und mit viel Bass ausgestattet. Das vergleichsweise recht klein abgebildete Hammerklavier muss auch noch ohne Resonanz auskommen.
Instrumentale Besonderheit: das Klavierkonzert Nr. 27 B-Dur KV 595 als Konzert für Akkordeon und Orchester:
1-5
Viviane Chassot
Camerata Bern
Sony
2019
13:37 7:02 9:03 29:42
Kann das gut gehen werden sich viele, nicht nur die Puristen, fragen? Bereits beim ersten Einsatz des neuen Solo-Instruments fühlen wir uns sofort von Wien an das Seine-Ufer nach Paris versetzt. Welch eine Melancholie doch vom oft despektierlich „Schifferklavier“ genannten Instrument ausgeht! Die junge Schweizerin artikuliert sehr genau und mit viel Gefühl. Sie hat viel Rhythmus im Spiel. Dass das Akkordeon in seiner Tonentwicklung langsamer anspricht als ein Klavier liegt in der Natur der Sache und sollte nicht der Solistin angelastet werden. Artikulatorische Feinheiten wie Jeu perlé, Non-Legato oder Staccato sind schwierig oder gar nicht adäquat zu realisieren, dafür hat das Instrument sogar deutliche Vorteile beim halten langer Töne und infolgedessen bei der Kantabilität. Die Imitation von Streichern gelingt ihm viel besser als einem Flügel und ein kontrastreiches Spiel gelingt ihm ebenso gut bis vortrefflich. Auch an Anmut mangelt es ihm in dieser tollen Einspielung nicht. Diese Stärken werden vor allem im Larghetto voll ausgespielt. Dass das Akkordeon mehr Aufmerksamkeit bekommt als ihm vielleicht zusteht ist verständlich, denn Klaviere haben wir hinlänglich gehört, da fällt diese Rarität natürlich aus dem Rahmen. Deshalb sollte man mit dem Gefühl vorsichtig sein, das uns suggeriert, das Akkordeon würde nicht zum Werk passen. Wir sind fast überzeugt, dass Mozart seinen Spaß damit gehabt hätte. Das Orchester spielt historisch informiert, sehr schlank, dynamisch und sehr einfühlsam auf die Solistin eingehend.
Es gefällt auch unabhängig von der akkordeonspielenden Partnerin sehr gut und hätte manch einer Klavierversion sehr gut angestanden oder im Ansehen angehoben. Im dritten Satz gibt es eine tolle Kadenz mit allerlei Exkursionen.
Die hochwertige Klangtechnik setzt die fulminante Interpretation ins rechte Licht. So wird diese unerhörte Einspielung für manche Puristen wahrscheinlich ein Sakrileg bleiben, für alle anderen wird sie zumindest zur willkommenen Abwechslung oder aber sogar zu einem der Highlights der gesamten Diskographie.
4.9.2023