MAURICE RAVEL

Daphnis et Chloé, Suite Nr. 2

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Werkhintergrund:

 

Als Sergej Diaghilew im Jahre 1909 Ravel mit der Komposition einer Ballettmusik für seine ‚Ballets russes‘ beauftragte und als Stoff des Handlungsballetts den Roman Daphnis und Chloë von (dem ansonsten nicht näher bekannten) spätantiken Dichter Longos vorschlug, stieß er bei dem Komponisten, der den Roman überaus schätzte, sofort auf starkes Interesse. Die Arbeit an der Komposition zog sich allerdings über den Zeitraum von mehreren Jahren hin, weil Ravel etwas ganz Neues im Sinn hatte: Einen Orchesterklang, wie es ihn bisher, trotz Debussy, noch nicht gab. Seltsam ist dabei, dass Ravel, angesichts seiner größtbesetzten und umfangreichsten Orchesterpartitur, zunächst, und zwar bereits 1910, eine Klavierfassung schuf und sie auch unverzüglich zum Druck gab. Das heißt also: Er brauchte für die spezielle Klangdramaturgie des neuartigen Orchestersatzes eine ganz eigene Arbeitsphase, die unabhängig von der Klavierfassung war. Vom Klavier aus hatte er nur die Komposition selbst zu Papier gebracht; das entsprach seiner Vorstellung, dass eine Musik ihre Qualität unabhängig vom bestimmten Klanggewand erweisen müsse. (Bekanntlich gibt es kaum von einem anderen Komponisten so viele Mehrfachversionen seiner Stücke wie gerade von Ravel, denken wir nur an „Le Tombeau de Couperin“ in einem der letzten Vergleiche.) Dennoch bot die Klavierfassung nur eine Vorstufe des späteren Werkes. Die ‚Danse générale‘ etwa, die das Ballett (und die zweite Suite) so überaus wirkungsvoll abschließt, war zu dieser Zeit noch keineswegs in dem Fünfvierteltakt geschrieben, der später bei den Proben den Tänzern so zu schaffen machte, und sie war auch noch wesentlich kürzer als in der Orchesterfassung. Erst dort erhielt sie ihre charakteristische metrische Ambivalenz und die Länge, die ihr als Abschluss eines Balletts von immerhin fast einstündiger Dauer auch zukam. Die Schwierigkeiten, mit denen die Tänzer bei den Proben zur Uraufführung zu kämpfen hatten, wurden freilich noch dadurch gesteigert, dass der Choreograph Michail Fokine eine äußerst komplizierte Choreographie entworfen hatte. Die Ballettpremiere fand am 8. Juni 1912 im Pariser Châtelet-Theater statt und errang kaum mehr als einen Achtungserfolg. Möglicherweise lag das daran, dass an diesem Abend noch weitere Ballette gegeben wurden, unter anderem Vaclav Nijinskys gewagte, erotische Deutung von Debussys Prélude à l'après-midi d'un faune, die einen heftigen Presseskandal hervorrief und von der Ravel-Uraufführung ablenkte. Obwohl es auch bei Ravel an erotischen Andeutungen nicht mangelt, denken wir nur an den Chor, besonders im „Danse générale“.

Die Schlüsselstellung der Partitur zu Daphnis et Chloé in Ravels Orchesterschaffen wurde nur von wenigen erkannt. Strawinsky meinte immerhin, die Musik sei „eines der schönsten Produkte in der gesamten französischen Musik“.

Longos, dessen Roman in den Grundzügen auch die Handlung des Balletts bestimmt, wurde bereits in der Antike als Erfinder der bukolischen Dichtung angesehen. Er schildert „ein bukolisches Hellas, in dessen Frieden Piraten einbrechen. Sie rauben die Mädchen, die im Heiligtum des Pan Schutz suchen, darunter Chloé, die Geliebte des Daphnis. Bei der Freudenfeier der Frevler, wenn Chloë für den Räuberhauptmann Byraxis tanzt, schickt der Gott Pan Erdflammen, Satyrn und Fabelwesen in die Felsenbucht mit dem Versteck der Piraten. Diese fliehen und lassen Chloé zurück, die zu dem Geliebten heimkehrt“ (H. H. Stuckenschmidt, kürzer und knackiger geht es kaum).

Michail Fokine zog, im Sinne seiner Ästhetik des Handlungsballetts, in seinem Szenarium den Roman auf wenige, sehr geschickt ausgewählte und vor allem szenisch anschauliche Momente zusammen. Die Bedeutung der Errettung Chloés durch Pan rückt dadurch in den Vordergrund. In seiner Autobiographischen Skizze“ teilt Ravel mit, warum ihn der Stoff so stark angeregt hat, dazu ein Ballett zu komponieren: „Meine Absicht, als ich es schrieb, war, ein großes musikalisches Freskogemälde zu komponieren, weniger auf Archaik bedacht als auf Treue zu dem Griechenland meiner Träume, das sich gern verwandt fühlt einem Griechenland, wie es die französischen Künstler zu Ende des 18. Jahrhunderts sich vorgestellt und geschildert haben.“ Es war also eine Art idealisierter Traum-Antike, gebrochen durch die Sicht Watteaus etwa – man denke nur an dessen Gemälde „L'embarquement pour Cythère“ –, die Ravel im Auge hatte und die überaus charakteristisch ist für seine Ästhetik der Verstellung, die der Kopie einer bloß vorgestellten Wirklichkeit den Vorrang einräumt vor jeglichem blassen Naturalismus. Er macht in der Autobiographischen Skizze“ aber auch noch auf eine Eigentümlichkeit der Musik zu Daphnis et Chloé aufmerksam, die eine Erklärung für den Untertitel der Ballettpartitur (Symphonie choréographique) abgibt: „Das Werk ist symphonisch gebaut, nach einem sehr strengen tonalen Plan und mittels einer kleinen Anzahl von Motiven, deren Durchführungen die symphonische Einheit sichern.“

Trotzdem schuf er zwei symphonische Auszüge in Form von Konzertsuiten, die er 1911 (Fragments symphoniques, première série: ‚Nocturne‘, ‚lnterlude‘, ‚Danse guerrière‘) und 1913 (Fragments symphoniques, deuxième série: ‚Lever du jour‘, ‚Pantomime‘, ‚Danse générale‘) veröffentlichte und unabhängig von der Uraufführung des Balletts in Konzerten aufführen ließ. Die erste Suite wurde sogar noch vor dem Ballet selbst uraufgeführt. Das ‚Nocturne‘ bezieht sich auf den Schluss der ersten Ballettszene (Daphnis fleht Pan um Hilfe für die entführte Chloë an), das ‚lnterlude‘ bildet den Übergang zur ‚Danse guerrière‘ (‚Siegestanz der Piraten‘).

Die Suite Nr. 2 wird erheblich häufiger alleine aufgeführt als die erste und auch viel häufiger eingespielt. Auch die einzelnen Gesamtaufnahmen wurden von den jeweiligen Plattenfirmen ein uns andere Mal in anderen Zusammenstellungen zurechtgestutzt und als Suite Nr. 2 wieder veröffentlicht. Sie ist identisch mit den letzten drei „Sätzen“ der Ballettmusik. Sie soll daher Gegenstand des Vergleiches der sich in unserer Sammlung befindlichen Einspielungen sein.  Und natürlich ergänzt um die drei letzten „Sätze“ der vorhandenen Einspielungen der Gesamtaufnahmen des Ballettes. Die Bewertung bezieht sich auch in diesen Fällen lediglich auf  Teile der Suite.

Der erste Satz ‚Lever du jour‘ schildert in suggestiven und üppigen Klangfarben des riesigen Orchesterapparats die Stimmung des Tagesanbruchs und das Erwachen der Natur mit Vogelstimmen, dem Rieseln der Quellen, Wasserfälle oder Bächlein und dem zunehmenden Licht, ist aber zugleich auch ein Abbild der seelischen Situation des Daphnis, der seine Geliebte ersehnt, die ihm Hirten dann erst in der „Pantomime“ zuführen.

Diesen fantastischen Satz wollen wir uns im Anschluss an diesen kurzen Überblick noch einmal genauer ansehen, quasi prototypisch für die gesamte Suite. Wir hatten das Glück in frühen Jahren das „Lever du Jour“ innerhalb des der Suite einmal unter hervorragenden (Konzert-) Bedingungen auch LIVE (mit Sinopoli am Beginn seiner Dirigentenkarriere) zu hören und waren danach wie verwandelt. Ravel hatte auf der Stelle posthum einen weiteren lebenslangen Anhänger dazu gewonnen. Eine zuvor besuchte Darbietung der Musik mit Ballett konnte nicht diesen sehnsuchtsvollen Rauschzustand erzeugen. Zu sehr lenkten damals, was in der Natur der Sache liegt, die Tänzerinnen und Tänzer von der Musik ab. Eine weitere Begegnung mit der kompletten Ballettmusik als Konzertaufführung bestätigte den ersten Eindruck, machte aber auch klar, dass die Essenz der Musik im letzten Bild zu finden ist, also in den drei Stücken der Suite Nr.2.

Den Übergang zur ‚Pantomime‘ bildet die Erzählung des alten Hirten Lamon von der Nymphe Syrinx (Flötensolo!), die sich, vor Pan fliehend, in ein Schilfrohr verwandelt. Als Symbol der Liebesentbehrung fügt Pan das Schilfrohr mit einem zweiten zusammen, und so wird die Nymphe zum tönenden Instrument. Die eigentliche ‚Pantomime‘ stellt die glückliche Vereinigung von Daphnis und Chloé dar. Die ‚Danse générale‘ bildet den orgiastischen Abschluss wie in dem kompletten Ballett auch.

Ein Wort noch zum Orchesterklang, den Ravel hier entwickelt: Im Gegensatz zu demjenigen Debussys, der sich mehr an Wagners Mischklang, wenn auch nicht ausschließlich, orientiert, geht es Ravel, bei aller Klangfülle im Einzelnen, um distinkt voneinander abgesetzte, scharfe Konturen, sodass in der Daphnis-Partitur ein Klang entsteht, der sowohl von Debussy als auch von Richard Strauss weit entfernt ist, um ihn nur einmal mit dem zweier Zeitgenossen zu vergleichen. Die solistische Verwendung der vielfachen Holzbläser ist ohne Beispiel, und die große Besetzung dient nicht nur der Üppigkeit, sondern vor allem der Erzielung eines homogen instrumentierten Klangspektrums. Das gilt auch für die (nach dem Vorbild von Debussys ‚Sirènes‘ aus den Nocturnes für Orchester) eingeführten textlosen Chorstimmen, die als Klangfarbe verwendet werden, nicht als Menschenstimmen. Nur relativ wenige Aufnahmen der  Suite Nr. 2 greifen übrigens auf die Chorstimmen zurück, während sie für die Aufnahmen der kompletten Ballettmusik obligatorisch sind.

Das „Paradis artificiel“ (Baudelaire), das Ravel in der Musik zu Daphnis et Chloé hervorzaubert, erweist sich, bei genauerem Blick in die Partitur, als präzis ausgehörter Klang, der nur wesentlich heller leuchtet als alles, was man vorher vernahm. (Dietmar Holland im digitalen Konzertführer Takt 1, leicht ergänzt)

Ein «großes musikalisches Freskogemälde» hatte Ravel laut eigener Aussage mit «Daphnis et Chloé» im Sinn, «weniger auf Archaik bedacht als auf Treue zu dem Griechenland meiner Träume» – keine Konstruktion eines vorgeblichen Naturalismus also, sondern die ästhetisch idealisierte Überhöhung der Wirklichkeit (wie bereits erwähnt). Das schließt ein Element ein, auf das der Untertitel des Balletts («Symphonie chorégraphique») verweist: «Das Werk ist symphonisch gebaut, nach einem sehr strengen Plan und mittels einer kleinen Anzahl von Motiven, deren Durchführung die symphonische Einheit sichern.» Dadurch bändigt Ravel die enorme Farbenpracht seines fast ins Monumentale gewendeten Schäferspiels, in der auch die menschliche Stimme textlos in die Palette des großen Orchesters integriert wird. Dennoch bleiben die Valeurs stets «rein», sollen sich nicht in pauschaler Mischung ineinander verlieren, sondern durch klare, scharfe Konturen voneinander abgesetzt sein: Erst das bringt die Partitur zum schönsten Irisieren. (Walter Weidringer zum Programm eines Konzertes des Tonkünstler Orchesters)

Doch nun wie angekündigt wieder zurück zum Beginn der Suite, dem „Lever du Jour“, also dem „Tagesanbruch“, der zugleich aber auch das Sehnen Daphnis´ nach seiner Geliebten Chloé musikalisch verlebendigt. Dazu schreibt H.H. Stuckenschmidt in seinem Buch „Maurice Ravel“ erhellende Worte, die die ganze Komplexität des Ravelschen Komponierens plastisch in Sprache übersetzt. Zunächst holt er noch etwas weit aus, um dann immer konkreter zu werden. „Die Art der Orchestrierung ist bei Ravel weder mit Debussys noch gar mit der von Richard Strauss zu vergleichen. Bei Debussy herrscht fast immer die Grundstimmung eines zarten orchestralen Nebels, aus dem die Farben sanft leuchtend hervortreten wie Konturen eines Landschaftsbildes bei tiefem Sonnenstand. Strauss bevorzugt den massiven Orchesterklang, den er von Wagner übernommen hat und aus dem das orchestrale Solo nur gelegentlich defilierend und fast immer mit einer bestimmten illustrativen Absicht hervortritt. Wenn Debussys Orchesterklang die Assoziationen verschleiert und auch geflissentlich verschleiern will, so legt das Richard Strauss´sche Orchester sie dem Hörer allzeit nahe, fast  wie ein Werbetext, der an die Eigenschaften des empfohlenen Gegenstandes erinnern will. Hingegen steht Ravels Orchesterklang als Idee dem von Gustav Mahler oft nahe. Beide Komponisten bedienen sich der solistischen Farbe mit einer Rücksichtslosigkeit und Kühnheit, wie es sie seit dem konzertanten Denken des 17.  Jahrhunderts kaum mehr gegeben hatte. Dabei gehen beide auch der chorischen Wirkung von Instrumentengruppen nicht aus dem Wege. Aber selbst diese chorische Instrumentation ist sozusagen nur eine Verdichtung des Soloprinzips. Wenn in „Daphnis et Chloé“ der Tagesanbruch mit dem unvergesslichen  Arpeggio der Harfen und der sich abwechselnden zweifachen Flöte und A-Klarinetten geschildert wird, so liegt hier zwar ein Farbgemisch vor, eine spezifisch orchestrale Wirkung, die eine Vielzahl von Spielern voraussetzt. Und dennoch ist das Vorherrschen der drei Farben: Harfe, Flöte und Klarinette so unverkennbar, dass man glaubt eine geisterhaft vertiefte und sublimierte Kammermusik zu hören. Ravel begnügt sich dabei nicht einmal mit diesen drei Farben. Der erste Akkord, über dem sich Arpeggien und Glissandos vollziehen, hat eine komplizierte Klangbasis. Mehrfach geteilte Geigen con sordino, Bratschen ohne Dämpfer spielen pianissimo ein Gebilde, dessen Grundton A von teils sordinierten, teils nicht sordinierten Violoncelli und Kontrabässen intoniert wird. Dieses A ist Ausgangston einer chromatisch gleitenden Bassfigur, die zum Fis hinabsteigt, später zum Dis, schließlich zum D. Sie ist also eine Variante des Harfenglissandos, nur rhythmisiert und in viel breiterem Zeitmaß, dafür aber auf den viel kleineren Raum der Quinte a-d reduziert. Die tiefen Streicher bilden hier eine Art von sonorem Hintergrund, von dem sich Flöten und Harfen als Farbflecke abheben. Gleichzeitig mit den Klarinetten erscheinen die Hörner, gedämpft mit dem Tritonus b-e. Im fünften Takt tritt als neue Variante die Celesta hinzu. Und  dieses gleichsam noch im Halbdunkel liegende Klangbild lichtet sich allmählich auf, indem nacheinander die Streicher, vom Konzertmeister an pultweise, die Dämpfer von den Saiten abheben. Im achten Takt  spielen die Streicher ohne Sordinen; Ravel schreibt in die Partitur: „Allmählich bricht der Tag an“ und einen Takt danach: „Man vernimmt Vogelgesang“. Mit diesen Naturstimmen treten instrumentale Soli hervor, zuerst die Piccoloflöte, dann die Große Flöte; und dabei hat längst ein Thema Eingang gefunden, das aus den Tiefen der Kontrabassregion allmählich hinaufsteigt, musikalisches Abbild der sich hebenden Sonne. Es ist ein Urthema aus Quarte, kleiner Terz und Ganzton, das mit den höheren Oktavlagen auch immer höhere dynamische Werte in sich aufnimmt, ohne jedoch die Pianoregion zunächst zu verlassen. Es gewinnt den Charakter eines zarten, später inbrünstigen Lobgesanges, wenn der Chor der Holzbläser es aufnimmt, Klarinette und Bassklarinette es entwickeln. Was für eine Konstruktion! Und wir hören da gerade einmal ein halbe Minute zu!

Noch wo dieses Ravel-Orchester dunkle und leise Farben beschwört, fühlt man sich in einer Landschaft, zu der helle Sonne gehört. Selbst in den nächtlichen Koloriten fehlt die Dämmerung des Debussyschen Klangdenkens, fehlt andererseits die massive und manchmal etwas brutale Energie des Straussschen Orchesters. Ravels Farben sind immer von genauen Konturen umrissen und begrenzt. Sie hat etwas Gezeichnetes oder mit spitzem Pinsel Aufgetragenes, das man sofort als durchdringenden Klangeindruck registriert. Dabei bevorzugt Ravel nicht etwa einseitig die abgelegenen und ausgefallenen Farben der Instrumente. Er setzt nur Spieler voraus, die in reinen Farben zu musizieren imstande sind. Die Schwerpunkte seines Orchesterklangs werden von den Bläsern, namentlich Holzbläsern, und den Perkussionsinstrumenten bestimmt, wobei spanische und exotische bevorzugt sind. Und so scheut er sich nicht, das antike Griechenland mit den Stimmen von Kastagnetten und baskischer Trommel zu beleben...So wie sein Spanien mehr das maurisch-arabische der andalusischen Kultur war als das ritterliche und westgotische der kastilischen verkörperte, war Griechenland nicht das der weißen Marmorstatuen, sondern das der bunt gekleideten Hirtenvölker.“

 

Meinungen und Zitate: (Die Meinung Strawinskys haben wir bereits oben im Text erwähnt.)

 

Aus einem Brief Ravels vom 10.5.1910 an Madame Misia Sert, aus deren Haus „La Grangette“ in Valvin:

Daphnis geht nicht sehr schnell voran (übrigens im Hinblick darauf,  was die Russen damit vorhaben). Es ist kein Fehler hier zu arbeiten. Vom Morgen an werde ich auf Trab gehalten. Und wenn ich sage „Morgen“, ist nicht etwas Mittag um 1 Uhr gemeint, Vor 6 Uhr lärmen diese vermaledeiten Vögel zu meinem Haupt. Wenn sie mich denn einigermaßen wach sehen, fliegen sie in ihre Volière, die sich hinten im Salon befindet, und trillern ihre Tonkaskaden. Das wird dann unerträglich, und ich stehe auf.

 

Jean Marnold (Musikkritiker), Mercure de France, 16. August 1917 :

...Das Drama wird hier, wie es ihm zukommt, in seiner Totalität in Musik übersetzt, und zwar in eine Musik, die von innen her mehr als in einer Hinsicht bewundernswert ist. Und vielleicht sollte man deshalb zutiefst bedauern, dass der Prätext einer Komposition von solch ausnehmendem Rang ein Ballett gewesen ist, das auf geradezu fatale Weise Hors-d´oeuvres verlangt wie die „Danse guerrière“ oder eine Zerstückelung in choreographische Episoden auferlegt, anstatt den sinfonischen Strom sich logisch und ohne Unterbrechung entfalten zu lassen...

 

Roland-Manuel (Komponist und Musikschriftsteller, der als Schüler und Freund mehrere Arbeiten über Ravel veröffentlichte) 1948:

Daphnis ist gleichwohl durch seine Dimensionen das wichtigste Werk Ravels. Wenn es nicht gerade das vollkommenste – und noch weniger das kühnste ist, wenn es an einigen Stellen gar etwas akademisch angekränkelt erscheint (aber keineswegs in der Suite Nr.2, Anm. des Verfassers), so enthält es doch einige der bestgelungenen und sicherlich edelsten Partien, die er geschrieben hat. Wir finden hier weniger Originalität in den Elementen als Kraft in ihren Kombinationen. Es ist der Triumph der klaren Linien, der einfachen und kräftigen Architekturen...Die Phrase erweitert und verlängert sich. Der Gesamtplan ist von einer souveränen Geschlossenheit und Ungezwungenheit. Die tonale Einheit herrscht hier absolut.

Diese neue Neigung zum Fresko, zum Breiteren und Volleren, musste die Instrumentation nachhaltig beeinflussen. Die Feinheiten der Farbe, das Gefallen an reinen Tönungen weichen stellenweise den Erfordernissen der Linienführung und der Notwendigkeit, oktavierende Verdopplungen anzubringen.

 

Arthur Honegger, Ravel et le Debussysme, in Hommage á Maurice Ravel, la Revue Musicale, Paris 1938 :

Eine Genauigkeit in der allgemeinen Anlage der Stücke, eine Klarheit in der Linienführung, eine Betonung des rhythmischen Elementes, einer trotz einer manchmal kaum zurückgehaltenen Empfindungskraft etwas trockene Bündigkeit der Sprache, das alles sind Eigenheiten des Komponisten von „Daphnis“.

 

Arthur Honegger, Beschwörungen, Bern 1955:

Es ist ein Vergnügen zu beobachten, mit welcher Gier die Hörer jetzt der „Rapsodie espagnole“ und der wunderbaren Suite aus „Daphnis et Chloé“ lauschen, Werke, die noch vor wenigen Jahren für hässlich und schwer zugänglich gehalten wurden. Heute haben sie Erfolge, die denen der Symphonien Beethovens gleichen. Innerhalb eines einzigen Tages habe ich im Radio nicht weniger als drei Aufführungen von „Daphnis et Chloé“ gehört. Im Hinblick auf andere zeitgenössische Werke ist dies vielleicht ein bisschen zuviel. Aber freuen wir uns dennoch dieses schönen Sieges der französischen Musik!

 

Ähnlich verhält es sich heutzutage mit den Einspielungen dieser Ballettmusik. 76 davon konnten hier verglichen werden und es sind längst noch nicht alle. Ein Orchester muss dabei hervorgehoben werden, denn es ist für mehr als ein Zehntel des Gesamtbestandes verantwortlich. Die Aufnahmen des London Symphony Orchestra bringen immer eine besondere Farbe ins Spiel, wobei es wesentlich von der Handschrift des jeweiligen Dirigenten inspiriert erscheint. Angefangen von der Einspielung von Pierre Monteux über Stokowskis hochinteressanten Beitrag bis zur (bis jetzt) jüngsten Einspielung Gergievs sind auch noch die diskographischen Beiträge Abbados, Previns, Naganos, Joos und Frémauxs mit diesem Orchester entstanden.

 

Auffallend ist auch, dass sich die Musik ab einem gewissen, allerdings sehr hohen orchestralen Niveau, einer ausgeklügelten Schlagtechnik des Dirigenten und einem gekonnten aufnahmetechnischem Raffinement anscheinend stets wirkungsvoll und klangprächtig darstellen lässt. Die meisten Einspielungen liegen auf hohem bis höchsten Niveau. Die Unterschiede interpretatorischer Art erscheinen dabei eher geringer als bei einer Haydn oder Beethoven-Sinfonie. Ab einem gewissen Niveau spricht die inspirierte Komposition durch die dann verlebendigte meisterhafte Instrumentation anscheinend für sich selbst. Immer dann besonders eloquent, wenn auch die aufnahmetechnische Dispostion ein besonderes Sensorium für die detaillierte Fülle des riesigen Orchesters und ggf. des Chores mitbringt. Der interpretatorische Spielraum ist zudem recht klein, da die Kompostition  von der Polyphonie her gewesen, der rhythmischen Kompliziertheit und der komplexen Besetzung auch zu anspruchsvoll wird, um den Musikern noch viel Spielraum zu lassen. Die Spielanweisungen sind zudem so mannigfach, dass sich die Unterschiede vor allem durch den Grad des Überlesens derselben ergeben. Dennoch gab es  - wie immer – genug erwähnenswerte Unterschiede und der Vergleich wurde nie langweilig.

 

Der Chor selbst ist das i-Tüpfelchen, denn es gibt auch herausragende Beiträge ohne Chor, die den Hörer in eine andere Welt entführen und verzaubern können. Wer aber die letzte Ekstatik erleben möchte, sollte auf eine Aufnahme mit einem guten Chor setzen, denn gerade dann kommt es auch auf das letzte i-Tüpfelchen an.

 

(Der Vergleich erfolgte mit der Taschenpartitur von Dover, die den Notensatz der Originalpartitur von Durand & Cie, Paris, von 1913, im Jahr 1999 wieder zugänglich machte. Die Suite Nr. 2 beginnt übrigens mit Ziffer 155 des Balletts.)

 

 

PS: Auf die Bereitstellung der Spieldauer der drei Tracks der Suite haben wir dieses Mal verzichtet, weil sie ausgesprochen uneinheitlich um nicht zu sagen willkürlich von den Verantwortlichen gesetzt wurden. Die Übergänge der drei Sätze sind zwar pausenlos und fließend, es ist aber nicht so, dass sie in der Partitur nicht erkennbar und von Ravel nicht beschriftet worden wären. So beginnt die Pantomime dennoch bei Paray und Szell beispielsweise bei Zi. 172, bei Skrowaczewski bei 174, der sie auch bei Zi. 193 enden lässt, wie Furtwängler, Monteux, Sinopoli oder Frantz auch, während dies bei Denève bei Zi. 194 der Fall ist, bei Maazel und Paray aber erst bei Zi. 199 oder bei Stokowski erst 2 Takte nach Zi. 200. Und dies sind nur willkürlich herausgegriffene Beispiele. Vergleiche der Spielzeiten ließen so keinerlei Rückschlüsse auf den eingeschlagenen Duktus zu, wären also nur Muster ohne Wert.

 

Der Hinweis GA zu Beginn des jeweiligen Textes im Vergleich bedeutet, dass die Suite von uns einer Gesamtaufnahme des Ballettes entnommen wurde.

 

 

zusammengestellt bis 27.5.2021

 

 

 

 

Maurica Ravel, Datum des Fotos unbekannt

 

 

 

 

Vergleich der gehörten Einspielungen:

 

5

Pierre Monteux

London Symphony Orchestra

Chorus of the Royal Opera House Covent Garden

DECCA

1959

15:30

GA  Die Einspielung Pierre Monteuxs, der übrigens bereits der Dirigent der Uraufführung war, klingt immer noch frisch wie am ersten Tag, dabei hat sie nun bereits 62 Jahre, ohne Patina anzusetzen, hinter sich gebracht. Und sie klingt - um die technische Seite einmal zuerst zum Zuge kommen zu lassen – auch heute noch voll konkurrenzfähig, nämlich weiträumig, plastisch, gut gestaffelt, super transparent und extrem dynamisch. Sie ist mit einer anspringenden Präsenz gesegnet, die, um nur ein Beispiel zu nennen, eine ihrer besonders zu Beginn der Digitalära hoch gelobten Nachfolgerinnen bei Decca, die Dutoit-Aufnahme von 1981, in jeder Hinsicht blass aussehen lässt. Glücklich, wer noch eine alte (englische) LP besitzt, denn hier klingt sie, man kann es kaum glauben, noch etwas lebendiger, weicher, sanfter und mit einer ansatzloseren, urgewaltigeren Dynamik versehen als auf der CD.

Mit der technischen Seite geht das Flair der musikalischen Darbietung einher. Man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man Monteuxs Aufnahme eine ganz besondere Atmosphäre bescheinigt, wie spontan erlebt, lebendig, frisch, leuchtend, schillernd. Man glaubt fast, die noch unberührte Natur atmen zu hören und den taufrischen morgendlichen Wald riechen zu können. Das alles heißt aber Eulen nach Athen zu tragen, denn die Einspielung gilt vielen seit Jahrzehnten bereits als sogenannte „Referenzaufnahme“.

Wie der Dirigent das mit seinem Orchester, bei dem er sich, bereits mit über 80 Lebensjahren ziemlich betagt, noch einen Vertrag über 20 oder waren es 25 Jahre erbeten hat, schafft, ist gar nicht so einfach zu erklären. Vielleicht spielt dabei auch sein Humor eine gewisse Rolle? Er beginnt jedenfalls, mit den 1. und 2. Violinen sich gegenüber sitzend, ausgesprochen zügig und zielstrebig, sehr bewegt ohne jede Sentimentalität, um nicht zu sagen: straff. Der Mann beherrschte nach wie vor die Partitur aus dem ff, zumindest hört man nichts Gegenteiliges. Er lässt es dabei aber bei aller Straffheit keineswegs an Subtilität fehlen, wie es auch der erste Choreinsatz belegt. Was er hier hineinlegt, lässt sich kaum in Worte fassen. Der finale Sonnenaufgang dieses Morgens wirkt großartig mit überaus reichen Farbvaleurs, nichts wirkt da verwischt, so, dass jede Einzelfarbe noch hörbar bleibt. Und weht da nicht sogar noch der Geruch der frischen Farbe der Kulissen (das ist natürlich Quatsch, das kann die CD nun wirklich nicht...außerdem wurde da gar nicht gepinselt) durch den Aufnahmeraum? Aber da ist nichts vintage, sondern alles eben noch taufrisch.

Das berühmte Flötensolo klingt wie nach einer Kur durch die historische Aufführungspraxis. Ganz wenig Vibrato, unaufdringlich und überhaupt nicht aufgedonnert macht dieses Solo den Tanz eines jungen, noch naiven Mädchens glaubhaft. Auch die „Begleitung“ wird von Monteux nicht vergessen. Sie wirkt ausgesprochen plastisch, obwohl sie dem ausschweifenden Solo nicht ein Jota von seiner Bedeutung wegnimmt. Kein Detail, das sonst von der Flöte mitunter überspielt erscheint, geht hier verloren. Wie reich diese Szene so wirkt! Da waren auch echte Könner an den Reglern am Werk.

Im (oder frankophon in der) Danse genérale (künftig Dg abgekürzt) betont der geniale Maestro subtil die rhythmische Seite, sodass der Fuß ganz unwillkürlich mitwippt. Wir werden hier Zeuge von Entladungen urwüchsigen Temperaments. Das ganze Orchester scheint hier kontrastreich und ausgelassen mit zu tanzen. Der Chor passt sich gut dem Orchester an. Eindeutig erotische Bezüge werden hier noch nicht verdeutlicht, schwingen bei seinen Beiträgen aber ansatzweise bereits mit. Das Blech mit seinem herausragend beherzten Zugriff hat gar was unvermittelt Archaisches.

Einziges kleines Manko der Einspielung ist, das es niemand verstand, dem allzu schalmeienden Englischhorn zu etwas mehr Integrität in den Gesamtklang oder auch nur in die Oboengruppe zu verhelfen.

Der „Klassiker“ unter den hier versammelten Produktionen strahlt auch heute noch eine ganz besondere Poesie und wenn man so will auch Magie, ebenso wie auch eine spontan wirkende  Kraft aus, wie kaum eine andere. Einzig die knackige Gran Cassa vermisst man vielleicht gegenüber den besten moderneren Aufnahmen, was der Sonderstellung aber nichts anhaben kann.

 

 

 

5

Claudio Abbado

London Symphony Orchestra and Chorus

DG

1988

15:32

GA Von Claudio Abbado liegen uns eine sehr gelungene Einspielung der Suite mit dem BSO von 1970 und eine GA mit dem LSO von 1988 vor, die zumindest eine fantastische 2. Suite enthält und in fast allen Parametern die ältere nochmals übertrifft.

Fangen wir auch hier mit der Klangtechnik an, denn sie bewirkt höchstwahrscheinlich die meisten „Bonuspunkte“ der neueren gegenüber der älteren Einspielung. So klingt sie noch etwas offener, ist ebenfalls von großer Farbigkeit, noch etwas brillanter, ausgewogener und obwohl digital aufgenommen ohne jede Härte. Sie ist nochmals dynamischer, dabei besonders knackig und eruptiv, vor allem beim Blech und Schlagzeug. Zudem klingt sie extrem transparent, ohne aber seziererisch oder synthetisch zu wirken. Sie ist bassgewaltiger und die Gran Cassa kann nun audiophilen Ansprüchen genügen. Des weiteren wirkt sie auch noch in Teilen deutlich präsenter als die Bostoner, zum Beispiel die Bratschengruppen bei der Formulierung des ersten Themas, während das Holz noch etwas weiter entfernt als in Boston zu sein scheint. Auch die Violinen kommen präsenter ins Bild. Das Spiel wirkt hoch motiviert und ist generell sehr expressiv, ohne aber dadurch den spielerischen Gestus einzelner Szenen einzuschränken. Der Beginn des „Tageserwachens“ (wörtlich übersetzt; Deutsch dem Sprachgebrauch nach wohl eher: Morgengrauen) ist nicht so verträumt wie 1970 aber dafür von äußerster Klarheit, wie durchleuchtet.  Der finale Durchbruch der Sonne erhält den vollen Glanz des nahezu perfekt präzise agierenden Orchesters, wobei das hier wundervoll glitzernde Schlagzeug bestens zur Geltung kommt und vortrefflich austarierte Akzente setzt. Die gelieferte Differenzierung ist sehr hoch und auch in den leisen Bereichen extrem subtil. Der Gestus ist hier ebenfalls straff, das Spiel des Orchesters hellwach. In Boston hingegen impressionistisch schillernd und mit etwas Weichzeichner versehen.

Das Flötensolo in der Pantomime ist weit weniger vibratogesättigt als noch in Boston, der Ton der Flöte auch nicht gar so groß, einem jungen Mädchen unserer Vorstellung nach sehr adäquat. Während in Boston dagegen geradezu eine Diva agiert, die jederzeit glänzen will und „dickes Makeup“ aufgelegt hat. Die Phrasierung in der fein abgestuften Dynamik könnte bisweilen bei der Londoner Flöte jedoch noch etwas genauer sein.

Gegenüber der Aufnahme 18 Jahre zuvor verfügt diese auch über den dramatischeren und etwas energischeren Zug und die kräftigeren, besser separierten Klangfarben. Das gilt auch gegenüber der Monteux-Aufnahme, die Abbado nur in Teilen, nicht aber in der Gesamtheit übertrifft.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

5

Pierre Boulez

Berliner Philharmoniker

Rundfunkchor Berlin

DG

1995

16:32

GA Von Pierre Boulez gibt es zwei Gesamtaufnahmen, die erste ist 1975 mit dem New York Philharmonic, die zweite 20 Jahre später mit den Berliner Philharmonikern entstanden. Zudem kursiert auf LP noch eine bereits vor 1975 eingespielte 2. Suite mit dem Cleveland Orchestra. Unseres Wissens hat es die letztgenannte nicht bis ins CD-Zeitalter geschafft, weil man bei Sony stets bei Widerveröffentlichungen auf die etwas neuere aus New York zurückgegriffen hat. Uns lag sie daher leider auch nicht vor.

In der Summe aller Eigenschaften darf man die Berliner Einspielung etwas vor der ohnehin schon sehr gelungenen New Yorker nennen, denn das dort etwas zu kurz gekommene tonmalerische Element kommt in Berlin weit ungeschmälerter zur Geltung. Auch die für den Dirigenten eher ungewohnte expressive Sicht auf das Werk hätte man so nicht unbedingt erwartet. Das Aufnahmeteam der DG übertrifft sich hier selbst. So einen unmittelbaren überaus klaren und offenen Gesamtklang muss man sowohl bei diesem Orchester als auch bei dieser Plattenfirma lange suchen. Typisch für dieses Orchester sind jedoch die vollen, üppigen Klangfarben, die Sonorität über alle Instrumentengruppen hinweg und der hier voll zur Geltung kommende weiche und runde Klang nicht nur der Bässe. Man darf hier von einem audiophilen Meisterstück reden, denn auch die Staffelung und Transparenz sind ausgezeichnet, die Dynamik schließlich ist extrem geweitet und fast schon naturalisitisch. (davon kann der Musikfreund im Heim in Wirklichkeit ja meist nur träumen...) Die räumliche Weite ist erstaunlich obwohl die Präsenz dadurch nicht geschmälert erscheint. In allen Punkten übertrifft sie so die 20 Jahre ältere New Yorker Einspielung.

Die Philharmoniker selbst klingen leichter als in den beiden Einspielungen mit Karajan und präsentieren sich in bestechender Bestform. Locker und virtuos mit geistvollen Eigenbeiträgen im Solistischen und fabelhafter Geschlossenheit. Es gelingt ihnen unter Boulez ein irisierender Farbenrausch in höchster Perfektion. Der Gestus wirkt allerdings etwas zurückgenommen gegenüber der 20 Jahre älteren sowie, und dies in besonderem Maße, auch gegenüber Abbados Londoner und auch gegenüber Monteuxs Einspielung. Sie wirkt mehr aus einer souveränen Ruhe heraus entwickelt. Das Mehr an Zeit bekommt dem „Lever du Jour“ gegenüber der New Yorker Produktion sehr gut. Das orchestrale Gewebe wirkt in noch stärkerem Maß bis in die feinsten Verästelungen präsent. Die einzelnen Soli und das gesamte Orchester werden noch differenzierter ausgehört und wirken noch erheblich mehr ausgekostet, ohne süffisant zu wirken. Das ist alles blendend gelungen. Der finale Sonnenaufgang wirkt wie eine glanzvolle Entladung aller Farben des Regenbogens, wir fühlten uns geradezu überflutet vom Licht. Den keuschen Daphnis dürfte es mit seinen liebevollen Gedanken an seine Cloé in diesem Moment mit seinen Gefühlen ebenso gegangen sein. Denn die Entwicklung des Erwachens spielt sich ja sowohl äußerlich in der Natur als auch in unserem Protagonisten selbst als eine Art Eruption der Gefühle ab.

Auch das Flötensolo in der Pantomime lässt Boulez nun etwas geruhsamer angehen. Es begeistert mit silbrig hellem, makellosen Klang, bestens dynamisch abschattiert und mit fein dosiertem geschmackvoll dosiertem Vibrato. Die Gefühlspalette erscheint riesengroß. Der Verlauf aber spannend und stringent. Noch ein Wort zum Chor, der hier gegenüber den Camerata Singers in New York wesentlich kultivierter singt und das Orchester mehr als Klangfarbe bereichert. Die Berliner klingen wesentlich dezenter, ja züchtiger und nicht gänzlich enthemmt wie noch 1975 die Camerata Singers. Obwohl das auch seinen Reiz hat. Hier wirkt nun der volle, perfekt ausgewogene Wohlklang aber auch beinahe wie ein Aphrodisiakum. Das bacchantische Finale ist in beiden Fällen ausgesprochen eruptiv, wobei es in Berlin immer noch glasklar klingt und überhaupt nicht zu den klanglichen Verdickungen kommt wie in New York. Hier bleibt eigentlich kein Wunsch mehr offen.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

5

Leonard Bernstein

New York Phiharmonic Orchestra

Schola Cantorum

CBS-Sony

1961

15:05

GA  Manch ein Musikfreund, der diese Aufnahme kennt, wird sich wundern, dass sie es in die “Summa-cum-Laude-Gruppe“ geschafft hat. Das könnte aber einen einfachen Grund haben, denn uns ging es zunächst genauso, sodass wir sogar annahmen, Bernstein hätte das Werk zwei Mal eingespielt. Zuerst als GA 1961 und dann erneut in den 70er Jahren als Suite. Diese Suite lag uns auf einer CD von 1987 vor. Versehen mit einem falschen Aufnahmedatum. Die GA lag uns hingegen in einem Remaster von 2014 vor. Die Unterschiede sind so frappierend, dass wir lange und sorgfältig zuhören mussten, um zu erkennen, dass lediglich die Restaurierung diesen enormen Qualitätssprung bewirkte. Von der CD von 1987 klang die Aufnahme nach hinten gesetzt, erheblich weniger transparent und deutlich weniger brillant. Die so urwüchsig-hemmungslose Dynamik von 2014 klang auf ein Minimalmaß zurechtgestutzt. Man hätte die ziemlich mulmige Einspielung leicht als entbehrlich eingestuft und weit nach hinten durchgereicht.

So kann sich das NYPO aber im besten Licht präsentieren, klingt für eine Aufnahme von 1961 unmittelbar direkt anspringend, extrem breitbandig, geschmeidig und klangfarbenstark. Das Orchester macht einen hochvirtuosen, bestens geprobten Eindruck und stellt sich so auch noch ein Quäntchen vor seine klangliche Reinkarnation 14 Jahre später bei der Boulez-Aufnahme. Der fantastische Gesamtklang ist gepaart mit höchster Präzision. Das feine Gewebe scheint lebendig zu atmen, die Stimmung kommt aber beileibe nicht zu kurz. Nach einer tollen Steigerung erleben wir einen strahlenden Höhepunkt der Superlative. Überhaupt gefällt die höchst bewegliche und expressive Art, die auch das tonmalerische nie aus den Augen verliert, ungemein.

Die Pantomime lässt erneut einen Streicherklang hören, den wir in dieser feinen und warmen Transparenz nicht erwartet hätten. Die Bläser phrasieren punktgenau und sehr lebendig, wo gefordert auch wieselflink. Leider legt die Flöte in ihrem großen Solo ein heute nicht mehr voll akzeptiertes Dauervibrato an den Tag. Ab Zi. 196 (bei Joyeux tumults), das übrigens so gut wie kein weiterer Dirigent außer Bernstein beachtet, ist dieser voll in seinem Element. Temperamentvoll, mit unmittelbaren Zugriff und enorm zugespitzt und gegen Ende mit einem unübertroffen extatischen, sogar mit einem Hang ins Frenetische versehenen Bacchanal weiß der Dirigent und das Orchester hier zu begeistern. Nur bei dem letzten Schlag der Gran Cassa merkt man, dass neuere Aufnahmen ein noch größeres Maß an Bassgewalt und größere Dynamiksprünge bereitstellen können. (zu nennen wären hier unter anderen Abbado (LSO) und Boulez (BP). Typisch Bernstein: Der Ausdrucksradius wird über die drei verbundenen Teile hinweg vom Inständigen bis zum fast Aggressiven geweitet. Da kommen nicht viele hin.

 

 

 

5

Stanislav Skrowaczewski

Minneapolis Symphony Orchestra (heute: Minnesota Orchestra)

St. Olaf Choir

Vox

1974

17:11

Diese Einspielung hinterließ einen hervorragenden Gesamteindruck. Das Orchester, in seiner früheren Zeit bereits von (späteren) Stars wie Ormandy, Mitropoulos und Dorati geprägt, entfaltet unter seinem damaligen, langjährigen Chef einen für die Musik Ravels außerordentlich geeigneten Klang. Das sehr präzise Spiel ist auch hier natürlich der Schlüssel zum Erfolg. Überaus hellhörig wirkt es, jedes noch so unscheinbar wirkende Detail wird liebevoll herausgearbeitet, sodass der Beginn erheblich deutlicher und plastischer gerät als beim gerade zuvor gehörten Sinopoli. Der Chor wird perfekt ins Klangbild integriert, die schön herausgearbeiteten Basslinien fallen auf. Der Höhepunkt des Sonnenaufgangs begeistert hier einmal nicht durch eine strahlende Lasershow, sondern mit warmen erdigen Farben. Wer hätte diese Farbgebung von einem amerikanischen Orchester der 70er Jahre erwartet?

Die Pantomime, hier mit der typisch amerikanisch klingenden Oboe, gefällt mit einem Flötensolo, das nicht nach vorne gezogen erscheint, sondern an seinem angestammten Platz bleibt. Das Vibrato wirkt lebendig und angenehm. Sehr überzeugend wird hier ein junges Mädchen tanzend in Szene gesetzt.

Die Dg. wirkt spontan und erfährt eine sagenhaft mitreißende Darstellung mit zugespitztem Tempo und einem extrem motivierten Orchester. Besonders das abschließende sanguinische Bacchanal begeistert. Und dem St. Olaf Chor nimmt man kaum ab, dass er aus einer Kirche kommt. 1974 hört er sich schon sehr unzüchtig an, diesbezüglich nur noch gesteigert von den Camerata Singers in der Boulez-Aufnahme. Die sogenannte „sexuelle Revolution“ machte sich offensichtlich auch im enthemmten Chorgesang bemerkbar.

 

 

 

5

Sergiu Celibidache

Radiosinfonieorchester Stuttgart

ohne Chor

DG

1974

17:10

Diese Einspielung könnte fast die Zwillingsschwester der vorgenannten sein, aus demselben Jahr und fast auf die Sekunde gleichlang. Im Detail verhält es sich jedoch etwas anders.

Von Celibidache existieren drei uns bekannte Produktionen. 1970 aus Italien (aus klanglichen Gründen nicht konkurrenzfähig), 1974 aus Stuttgart und 1987 aus München mit den dortigen Philharmonikern, die aber diesmal (anders als noch bei „Le Tombeau de Couperin“) bei allen Meriten ein Opfer der inneren Uhr des Maestro wurde.

Die Stuttgarter Einspielung ragt also heraus. Damals, zurzeit als Celi dort als Chef wirkte, galt das RSO weithin als das Orchester für französische Musik, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weit über die Grenzen hinaus. Der damalige Ruf lässt sich nun Jahrzehnte später überprüfen und auch bewahrheiten, zumindest  (wie auch schon bei „Le Tombeau“) im Falle dieser Aufnahme.

Die Bächlein, Quellen oder kleine Wasserfälle (ist es einer mit zwei Klangfarben oder sind es zwei?) klingen jedenfalls extrem deutlich. Geradezu durchleuchtet von Celibidaches Röntgenblick. Die Vogelstimmen lösen sich bestens vom Klanghintergrund ab, die Vielstimmigkeit erklingt hier exemplarisch. Der ganze „Satz“ des „Lever du jour“ wird unter einen Spannungsbogen gebracht. Allerdings: das f bei den Trompeten bei Zi. 165 geht hier unter (und das hört man sogar bei Barenboim). Im Gegenzug erhaschen sich die Pauken beim hervorragend gelungenen Höhepunkt der Morgendämmerung, wenn die Sonne in vollem Licht erstrahlt, ein Extra-Bravo.

In der Pantomime phrasieren die Oboen anders als üblich, sie (oder der Maestro) haben hier ein Frage-Antwort-Spiel entdeckt, das den anderen so nicht auffiel. Generell läuft der Mittelsatz eher gemächlich ab, dafür aber extrem hellhörig. Das Flötensolo, mit einem leuchtenden, expressiven Ton geblasen gelingt sehr stimmungs- und ausdrucksvoll.

Auch die (oder deutsch: der) Dg. klingt jederzeit gut durchhörbar und kann diesbezüglich als Rundfunkproduktion der 70er locker mit jeder neuen Digitalproduktion mithalten. Ungeachtet der gemessenen Spielzeit gelingt Celibidaches bester Beitrag zur Diskographie sehr spannend und mitreißend gestaltet, außerdem orchestral und aufnahmetechnisch auf höchstem Niveau.

▼ zwei weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

ohne Chor

DG

1985

15:16

Von Karajan liegen uns zwei Einspielungen der Suite vor, beide mit den Berlinern und bei der DG eingespielt. Es fehlt also die zu erwartende mittlere Einspielung in Quadro bei der EMI und auch die zu erwartende allererste mit dem Philharmonia Orchestra London aus den 50ern. Selbst Karajan schaffte es nicht, alle seine Repertoirestücke vier Mal einzuspielen.

Aus aufnahmetechnischer Sicht gelingt die neuere 21 Jahre später eingespielte Version transparenter, dynamischer und erheblich offener, was sich beileibe nicht immer so verhält, denn häufig sind es die älteren Analogaufnahmen Karajans, die das Rennen machen. Aber zumindest die hier abgehörte Karajan-Gold-Version gelingt im Ganzen erheblich brillanter und hellhöriger als die ältere von 1964. Vor allem auch die Präsenz wurde verbessert und die Gran Cassa ist nun eine Ohrenweide. Der Klang der Bratschen, die ab Zi. 158 voll zur Geltung kommen, sich quasi als erstes noch dämmriges andauerndes Tageslicht aus dem Dunkel kräftig erheben, klingen ganz hervorragend. Die Holzbläser erscheinen nun sehr gut in den Gesamtklang integriert aber dennoch deutlich vernehmbar. Diesmal hört man die Trompeten bei ZI. 163 kräftig, 1964 klangen sie noch eher lau. Der Duktus ist 1985 deutlich dramatischer. Das volle Sonnenlicht bei Zi. 168 erhält nun mehr gleißende Brillanz mit deutlich mehr Facetten. Die Oboe hat jedoch gegenüber 1964 deutlich an Wärme und dunklem Samtklang verloren. Wenn die beiden Oboen jedoch mit dem Englischhorn zusammen spielen, ist die Philharmoniker-Welt wieder in Ordnung. Generell klingen die Holzbläser nun ein wenig heller als 1964, an klanglichem Feinschliff wird jedoch weiterhin nicht gespart.

Das große Flötensolo klingt nicht mehr so breit und voluminös, jedoch nach wie vor mit recht viel Vibrato. Dynamisch hält sie sich nicht so exakt an die Vorgaben wie in den Einspielungen zuvor, vor allem das pp erscheint uns zu laut. Das soll jedoch nicht heißen der Gesamtklang in diesem „Satz“ wäre nicht traumhaft, denn auch mit irisierenden Klangfarben wird hier üppig, um nicht zu sagen verschwenderisch umgegangen.

Die Dg hat nun mehr Biss, mehr Kraft, mehr Zug und mehr Wumms, wenn man das so schreiben darf und auch ein höheres Maß an Dynamik. Trotz nahezu gleicher Spielzeit hat die neuere Einspielung mehr Sogkraft, mehr Brillanz und mehr Tiefe in der Raumabbildung  und auch mehr Klarheit in der Auffächerung von Instrumentation und klanglichem Feingewebe.

Jedoch hat auch die ältere von 1964 durch ihre dunkle Farbgebung immer noch ihren Reiz, so wirkt gerade das Erwachen der Natur etwas bedrohlicher, mystischer, die Pantomime hat etwas Luxurierendes, ist aber trotzdem auch feinstofflich ergiebig. Lediglich bei der Dg. vereint in allen Belangen die 85er Version die Empfehlung alleine auf sich.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

5

Mariss Jansons

Concertgebouworkest Amsterdam, ohne Chor

RCO LIVE

2002, LIVE

15:45

 

Sinfonieorchester des BR, ohne Chor

Sony

2006, LIVE

15:55

SACD im Falle Amsterdem  Von Marriss Jansons liegen drei Produktionen vor. Zu den beiden hier genannten kommt noch eine frühere von 1989 aus Oslo hinzu. Die letztgenannte fällt etwas ab, weniger aber auch durch das Orchesterspiel als durch die nur durchschnittliche Aufnahmequalität.

Welche unter den beiden anderen die bessere ist, können wie nicht entscheiden. Beide Orchester sind gleichermaßen von höchster Qualität und ausgezeichnet aufgenommen worden. In Amsterdam klingt es noch etwas schwebender, losgelöster, ätherischer, weicher, voller und noch etwas blühender. Hier handelt es sich auch um eine SACD, die das Orchester besonders gut auch in die Tiefe des Raumes hinein staffelt. Das Orchesterpanorama ist sehr weit ausgeprägt. Der Klang brillant, die Dynamik durchaus knackig. In München hingegen rückt der Hörer etwas näher an das Geschehen heran, das Orchester wirkt so noch etwas präsenter, die Musik so noch ein wenig prickelnder. Die Durchhörbarkeit ist auch hier fantastisch. Auch hier erleben wir große Leuchtkraft der Klangfarben. Der Klang ist noch etwas offener und auch etwas fülliger als in Amsterdam, die Dynamik auch hier fulminant. Beide Orchester sind bis ans letzte Pult bestens besetzt, die Soli eloquent und klanglich gleichermaßen herausragend. Das Spiel erfreut mit großer Geschmeidigkeit, Jansons kann alle Register der Farbenlehre ziehen und schwelgen, wenn es die Partitur erlaubt. Der Klang aus Oslo wirkt hingegen geradezu monochrom. Wo kann man einen ebenbürtig herrlichen Klang der Streicher wie in Amsterdam oder in München hören? In diesem Vergleich nicht mehr allzu häufig. Der Höhepunkt des Sonnenaufgangs schillert und glänzt in allen Farben, wobei Jansons in München kurz vor der Zi. 168 noch eine minimale „Kunstpause“ setzt, um die Spannung zu erhöhen, oder sollte es ein nicht ganz geglückter Schnitt gewesen sein?

Die Pantomime klingt in Amsterdam in einem etwas geraffteren Zeitmaß. Das Flötensolo in Amsterdam (kaum Vibrato!) wirkt beredter als in Oslo, nutzt den Freiraum zu spielerischer Gestaltung aber auch zu besonders melancholischen, sanften und süßen Gefühlen. Besonders „musikalisch“ wirkt dieser Vortrag, reich und schlüssig. Auch die Exaltiertheit ist diesem lebendigen Vortrag nicht fremd. Zu dieser Leistung kann man nur gratulieren. Die drei beteiligten Flöten (zur Großen Flöte gesellt sich phasenweise noch die Piccolo und die Bassflöte) wirken hier wie ein Instrument. Diese klangliche Einheit ist zwar meistens geglückt zu hören, aber selten in dieser Perfektion.

Die Pantomime in München rückt im Zeitmaß wieder mehr an das langsamere aus Oslo heran. Die Flöte hier ist recht laut und sehr präsent, während sie im Amsterdam an ihrem Platz bleibt. Sie macht zweifellos einen tollen Job, klingt aber längst nicht so sanftmütig wie in Amsterdam. Dafür ist die „Begleitung“ präsenter und interagiert bestens mit dem Soloinstrument.

Die Dg. kann sich sowohl in A. als auch in M. auf ein exaltiertes Schlagwerk verlassen, trotz Tempo und komplexer Verläufe agieren die beiden Orchester mit beeindruckender Sonorität, Transparenz und stoischer Perfektion. Alle Stimmen bleiben im „Gefecht“ als Individuen bzw. als Gruppe erhalten. Hervorzuheben ist in München die besonders freche Es-Klarinette. Die Gran cassa überzeugt beide Male. Toller Klang in begeisternden Darbietungen. Mit Chor aber womöglich noch ekstatischer? Jubelndes Publikum in beiden Städten.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

5

James Levine

Boston Symphony Orchestra

Tanglewood Festival Chorus

BSO Live

2007, LIVE

15:24

SACD  GA  Sich noch Aufnahmen dieses Dirigenten anzuhören, nachdem posthum die ganze Wahrheit über sein Wirken als (Un)Mensch bekannt wurde, fällt schwer und vor allem auch der Versuch, sie noch vorurteilsfrei zu würdigen. Vielleicht sollte man sie besser einfach übergehen? Aber da auch ein Orchester, ein Chor, Tontechniker und weitere Mitwirkende beteiligt waren, sollten sie vielleicht doch kritisch gehört werden.

Es existieren von diesem Dirigenten zwei Gesamtaufnahmen. Zu dieser sehr gelungenen gesellt sich noch eine DG-Einspielung von 1985 mit den Wiener Philharmonikern, die durch und durch als Zufallsprodukt mit digitalesker Klangqualität gelten darf. Auf diese kommen wir später in gebührend kurzer Form noch einmal zurück.

Levines Bostoner Zeit war geprägt von vielen Absenzen aufgrund körperlicher und mentaler Unzulänglichkeiten, auf die wir nicht näher eingehen können. Sie gilt jedenfalls als unglücklich, was man wohl auch für das Orchester sagen kann, das wohl schon auf den Rücktritt des Dirigenten hoffte, der aber über Jahre ausblieb. Sie ist nur in sehr vereinzelten Aufnahmen dokumentiert worden. Zumindest haben nur wenige den „großen Teich“ überwunden und sind zu uns gelangt. Diese hier ist jedoch ausgesprochen gelungen, ja mitreißend und distanziert die damals 22 Jahre alte Wiener Einspielung um Längen. Levine wird hier den Besonderheiten der Partitur absolut gerecht. Das BSO klingt so eine Klasse besser als die Wiener mit vollen, runden Violinen, als ganzes geschmeidig und sonor. Man fragt sich, was mit den Wienern passiert sein muss um so distanziert zu werden... Auch das Tempo ist zügiger, der Duktus frischer. Der aufmerksame Blick in die Partitur ist jederzeit evident. Der Orchesterklang somit lebendiger, klangvoller und erheblich leuchtkräftiger und farbiger. Der Sonnenaufgang Zi. 168 klingt sehr eindrucksvoll.

Auch die Pantomime zeigt die bestechende Homogenität des Orchesters. Die Solistin im Flötensolo (man hört es an den Atemgeräuschen) hat das Spiel reich an Vibrato zu großen Teilen von ihrer Vorgängerin, die wir bereits in den Aufnahmen Abbados (1970) und Ozawas  (1974) kennengelernt haben, übernommen. Ihr Spiel ist aber überdies sehr gestenreich und bewegungshaft orientiert und außerdem tonlich sehr differenziert und flexibel, also sehr angemessen in einer Ballettmusik wie dieser. Teils sind die Atemgeräusche jedoch recht laut.

Die Dg. erklingt frischer und sehr deutlich mit Lust am Spiel. An Verve mangelt es hier keineswegs. Das Holz ist erheblich präsenter als in Wien und besonders auch das Blech und das Schlagwerk aufreizend deftig. Auch der Chor stöhnt ungehemmt und lässt keinen Zweifel daran, um was es hier wirklich geht. Ein klanglicher Hochgenuss die ganze Suite. Tosender Applaus in Boston.

Auch die technische Seite ist absolut gelungen. Die Dynamik ist überwältigend, ebenso die Farbenpracht auch an klanglicher Differenziertheit, Wucht und Fülle wird ein Maximum erreicht. Der Klang ist besonders körperhaft, sehr gut gestaffelt und sehr transparent. Die Gran cassa besonders präsent und wuchtig. Ein audiophiles Highlight.

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5

Philippe Jordan

Orchestre et Choers du Théatre National de l´Opéra de Paris

Erato

2014

16 :09

GA  Jordan, mittlerweile Chef der Wiener Staatsoper geworden, vergisst zu Beginn nicht, die Bässe zu betonen und erreicht so ein wunderbar dunkles Klangbild, sodass wir gerade hautnah dabei sind, wenn es von der Nacht in den Tag übergeht. Einzigartig ist seine Betonung des Bass-Borduns. Der sehr groß besetzte Chor kommt sehr plastisch von hinten. Das Orchester klingt nun überhaupt nicht mehr wie ein typisch französisches Orchester früher einmal klang. Ganz im Gegenteil. Es hat die internationale Spitzeklasse offensichtlich längst erreicht und lässt hier alle anderen französischen Orchester, auch die typischen Konzertorchester wie das OdP oder das Orchestre National de France, genau wie das Orchestre Philharmonique de Radio France weit hinter sich. Sensualistischer Hochgenuss wird nun möglich. Die Klangfarben glühen, Nuancen sind vorhanden wie Sand am Meer, wohltuende Süße und edles Austarieren sind hier Realität geworden. Der Sonnenaufgang gleißt, funkelt und schillert. Das Flötensolo mit einer sehr gesanglichen Phrasierung beachtet alles, klingt besonders sinnlich und wirkt sehr verführerisch, obwohl es nicht ganz so schwelgerisch und klanglich verschwenderisch wirkt, wie bei den Berlinern, Amsterdamern oder beim BR.

Die Dg. verzaubert mit energischer Gestaltung, perfekt-geschmeidigem, rhythmisch prononciertem Spiel. Trotz hoher Dynamik extrem luzide. Super.

 

 

 

5

Pierre Boulez

New York Philharmonic Orchestra

Camerata Singers

CBS-Sony

1975

15:32

GA Auch in seiner ersten Einspielung konnte der dirigierende Komponist bereits voll überzeugen. Das Orchesterspiel ist präzise, klangschön und brillant, ebenso subtil wie prachtvoll, wo gefordert. An die Stelle von Spontaneität wie bei der Monteux-Aufnahme tritt hier jedoch eine  gewisse Hervorhebung einer architektonisch anmutenden Konstruktion der Musik, die dann abläuft wie ein Uhrwerk. Der Musik Ravels kann das jedoch nichts anhaben, im Gegenteil, sie kommt auch so voll zu ihrem Recht. Generell klingt sie hier durchaus rassig und elegant, auch farbig und transparent. Die Flöte in der Pantomime klingt jedoch etwas zu laut, aber sonor, klangschön und expressiv. Das Vibrato hält sich in Grenzen. Die Dg. gelingt glanzvoll, dynamisch sehr lebendig und weit gespannt und durchaus auf CD noch klarer als damals von der LP gehört. Der Chor darf oder muss hier völlig enthemmt agieren und lässt es an erotischen bzw. erotisierenden Lustschreinen nicht fehlen. Eine derartig eindeutige Szenerie ist sowohl zuvor als auch später nicht mehr in die Rille gebannt worden. Und geht über die keuschen Versionen als auch über die, die sich lediglich in Andeutungen ergehen, weit hinaus. Die Zeiten haben es möglich gemacht und Kunst muss ja an die Jetzt-Zeit aktualisiert werden, soll sie noch verstanden werden und/oder berühren. Der Musik Ravels schadet diese „Klarstellung“ Boulez´ unserer Meinung nach jedenfalls nicht. Monteux als der Uraufführungsdirigent ging ja auch schon recht weit, wenn man die prüden 50er Jahre als Maßstab nimmt. Gerne hätten wir ihn gefragt, wie es denn zu Zeiten der Uraufführung war und was genau Ravel hier vorschwebte und ob es damals schon realisierbar war.

Vom orchestralen und aufnahmetechnischen her gesehen fand diese Einspielung jedoch in Berlin ihren Meister. Auch der Chor klingt in Berlin viel besser (viel homogener in den Stimmen selbst und perfekt ausgewogen zwischen den Stimmgruppen), aber (leider) auch viel neutraler. Anscheinend wollte der Dirigent anno 1995 nicht mehr provozieren oder polarisieren. Denn der Rundfunkchor hätte sicher ein ebenso frivoles Bacchanal wie die Camerata Singers in New York hinbekommen.

 

 

 

5

Leopold Stokowski

London Symphony Orchestra and Chorus

Decca

1969

16:49

War Pierre Monteux bei seiner jugendfrischen Einspielung gerade einmal 84, konnte Leopold Stokowski bei seiner zehn Jahre später entstandenen Einspielung bereits auf 87 Lebensjahre zurückblicken. Wir schreiben das immer wieder gern, wenn Einspielungen dieser beiden Dirigenten in einem Vergleich vorkommen, weil es uns so unglaublich wie Mut machend zugleich vorkommt, in welchem Alter diese beiden den viel jüngeren Berufskollegen vormachen, was ein vitale Musikdarbietung ausmacht und wo der sprichwörtliche „Hammer“ hängt.

Erneut legt uns Stokowski eine der berühmt-berüchtigten Phase-4-Aufnahmen vor, die die noch junge Stereotechnik weiterentwickelte aber mit den im Konzert erworbenen Hörgewohnheiten schon damals brach. Und auch heute sicher mehr Kritiker als Freunde findet. Durchgesetzt hat sie sich ja auch nicht, wenngleich es heutzutage ohne eine große Anzahl von Stützmikrophonen bei der Aufnahme von Orchestermusik gar nicht mehr geht. Aber das ist ja auch wieder was ganz anderes und das wirkt lange nicht so synthetisch wie das hier vorliegende Ergebnis. Wir wollen hier nun nicht weiter in die Details gehen, das haben wir ja bereits an anderer Stelle zu Genüge.

Bei Stokowski wird die Frage, ob es eine oder zwei Quellen sind, die in unserem Hörraum entspringen jedenfalls eindeutig geklärt, denn hier sprudelt es an zwei Stellen. Die eine Quelle mit den Flöten und der ersten Harfe ganz links und die andere mit den Klarinetten und der zweiten Harfe ganz rechts. Versuchen die meisten die Klangfarben von Flöten und Klarinetten soweit anzunähern, dass sie fast nicht zu unterscheiden sind (das pp macht es möglich), klingen sie bei Stokowski bereits recht laut, deutlich und eindeutig instrumentenspezifisch verschieden. Der erste „Satz“ wird straff angepackt und aufregend gestaltet. Der besonders lebendige Duktus und sie expressive Gestaltung belebt die gesamte Szenerie ungemein. Der Höhepunkt des Sonnenaufgangs Zi. 168 blitzt machtvoll auf, erhält allerdings durch den genauso machtvoll dreinfahrenden Chor das Gepräge eines Bibelfilms aus dem Hollywood der 50er oder 60er Jahre (z.B. „Die Zehn Gebote“).

Die Oboen in der Pantomime klingen nicht so schön wie in den Aufnahmen zuvor, besonders, wenn die zweite sich zur ersten gesellt, denn sie hat nicht dieselbe Qualität, was ja früher häufiger in den Orchestern vorkam. Sie klingen auch gemeinsam nicht sehr homogen, was aber durch das Blow-up der Klangtechnik, die sie hautnah heranholt noch deutlich verstärkt wird. Auch das Flötensolo ist hautnah mikrofoniert, kein Atemgeräusch entgeht hier dem Hörer. Die Folge ist jedoch auch, dass das Solo zu laut klingt um noch den Partiturangaben zu entsprechen. Hier bekommt es sogar einen leicht aggressiven Unterton, der auf den flexiblen Tanz des Mädchens einen neuen Fokus wirft. Mit dem geschilderten Hergang ist sie teilweise gar nicht einverstanden! Was für eine Wendung, dieses Mädchen ist moderner als die anderen und zeigt Widerstand. Kein Wunder, ihm wurde ja auch übel mitgespielt. In dieser Aufnahmetechnik verliert die Pantomime etwas von ihrer lieblich, intimen Aura. Für den Partiturleser oder den Musikfreund mit einem schlechteren Gehör dürfte diese Darbietung jedoch ein Segen sein, denn alles, wirklich alles wird auf dem Silbertablett serviert.

In der Dg. ist die hautnahe Präsenz jedoch ein uneingeschränkter Segen. Der Hörer nimmt nun fast die Dirigentenperspektive ein. Extrem ausschweifend klingt auch der extrem klar und ebenso hautnah mikrofonierte Chor. Und ähnlich wie bei Boulez (New York) nehmen auch die Choristen und Choristinnen im Swinging-London der 60er Jahre kein Blatt vor den Mund. Ganz am Ende kann es sich der Klangmagier, der sich stets auch als Bearbeiter und Arrangeur sah, erneut nicht lassen und griff in die Werksubstanz nachhaltig ein. Alle Puristen bitte nicht weiterlesen: Nach dem offiziellen Schluss, den er übrigens mitreißend gestaltet, lässt der Maestro den Chor ganz allein noch einmal seine letzte Vocalise unbegleitet wiederholen und gleich danach darf auch das Schlagzeug (aber nur das leichte, nicht das schwere) noch einen heiteren Schlusspunkt setzen. Was er sich dieses Mal wohl dabei gedacht hat? Uns erschien es wie eine letzte Unterschrift des Dirigenten, wie es der Maler bei seinem Bild tut. Das zauberte uns ein Schmunzeln ins Gesicht. Wie schade, dass es solche geniale Einzelgänger heute nicht mehr gibt. Niemand würde sich das heute noch erlauben, wäre das doch ein Eingriff in die heilige Tabuzone der originalen Werkgestalt.

Die Aufnahmequalität ist jedenfalls von höchster, wenn auch ungewohnter Plastizität, extrem transparent und seltsam dynamisch und nicht gerade natürlich. Irgendwie aus der Zeit gefallen aber schön, dass es die Aufnahme noch gibt.

 

 

 

5

Charles Munch

Boston Symphony Orchestra

New England Conservatory Chorus

RCA

1955

16:19

GA Von Charles Munch gibt es zwei Aufnahmen der kompletten Ballettmusik, die uns hier vorliegende von 1955, also eine der ersten Stereo-Einspielungen überhaupt, die es all die Jahre auf mannigfache Umschnitte und Neueditionen in aller Herren Länder brachte und ihr Remake von 1961, ebenfalls bei RCA, das es noch nicht einmal auf einer einzigen Ausgabe in Form einer CD gab oder gibt. Kenner, die es schon gehört haben, wundern sich auch, denn es soll keinesfalls schlechter sein. Originale werden daher hoch gehandelt. Im Fall der Symphonie fantastique oder des Bolero kennt man jeweils auch das Remake Munchs und sie können mit dem Original mithalten, wenn sie es nicht sogar übertrumpfen. Wir kennen es nicht in diesem Fall leider auch nicht, haben die 55er aber in fünf verschiedenen Daseinsformen parat. Missgeschick oder geplant, das weiß nur der Besitzer der Originalbänder der RCA, der ja des öfteren in der jüngeren Vergangenheit gewechselt hat.

Zu beiden gesellt sich noch die Suite, die er bereits 1946 in Paris einspielte und erneut aus Paris, dieses mal mit dem neu gegründeten OdP bei EMI aus dem Jahre 1968, entstanden kurz vor dem Tode des Dirigenten.

Seit ihrer Erstveröffentlichung verschwand die 55er sogar in Deutschland nie aus dem Angebot, was der Monteux-Einspielung nicht vergönnt war. Sie darf daher mit Fug und Recht als der zweite oder eigentlich der erste „Klassiker“ des Werkes auf Tonträger gelten.

Munch gelingt eine vornehm und gelassen wirkende Einspielung mit einem Orchester und Chor, die voll auf der Höhe der Zeit agieren. Die Tempomodifikationen gelingen geschmeidig, der Sonnenaufgang eruptiv. Das Flötensolo erklingt mit sehr viel Vibrato, wird aber sehr flexibel gestaltet. Es wird hier ein durchaus noch recht romantisches Bild gezeichnet, allerdings nur von der erzählten Geschichte her, nicht aber vom Orchesterklang gesehen, der den romantischen oder impressionistischen Mischklang weitgehend vermeidet zugunsten klarer Linien und Farben.

Die Dg. klingt straff, spannend und zugespitzt wie kaum eine andere. Sie kommt aber als ganzes nicht ganz an die Frische, Urwüchsigkeit und die reiche Atmosphäre der Monteux-Einspielung heran. Der Chor nimmt die frivole Extatik späterer Aufnahmen noch nicht ins Visier, wahrscheinlich hätte man sich damals noch geschämt. Er nimmt seine Aufgabe eher als sportliche Herausforderung. Da wird ja auch gestöhnt. Der Klang der Aufnahme ist für das Jahr 1955 ein kleines Wunder. Sehr plastisch und dynamisch, offen und absolut transparent und unverfärbt gibt sie die komplexe Musik wieder. Nicht ganz so dynamisch wie bei Monteux, aber sogar noch etwas fülliger. Neuere Aufnahmen wie beispielsweise die Gimenos könnten sich auch an der gebotenen Präsenz ein Beispiel nehmen.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

5

Herbert von Karajan

Berliner Philharmoniker

ohne Chor

DG

1964

15:10

Die erste Einspielung Karajans beginnt atmosphärisch dicht, besonders dunkel grundiert und etwas geheimnisvoller als die neuere. Die Klangmixturen erscheinen impressionistischer und weniger klar als bei der neueren, die die Instrumentalfarben besser separiert und eher mit einem feinen Pinsel als mit dem früheren dickeren malt. Von einer Zeichnung oder gar Kalligraphie kann man bei Karajan sowieso nicht schreiben. Bei kaum einem Werk kommt die spezielle auf die Spitze getriebene, streicherbetonte Legato-Kultur und das weit ausschwingende Musizieren besser zur Geltung als hier, insbesondere natürlich im „Lever du jour“, das kaum einmal gesanglicher erklingt. Der Sonnenaufgang mit dem abschließenden Gleißen der nun hell strahlenden Sonne muss in der ersten Einspielung noch ohne die besonders Farbe verleihenden Instrumente auskommen (wo sind die Celesta, wo die Harfen?), er wirkt hier doch noch sehr als Konglomerat aller beteiligten Schallquellen, die Differenzierung fehlt somit noch. 21 Jahre später gelingt das viel besser.

Die Pantomime leuchtet durch die dunklen Farben des Holzes geheimnisvoll chargierend. Besonders die Oboen bleiben mit ihrem traumhaften dunklen edelopalisierenden  Klang im Gedächtnis haften und werden auch von der neueren Aufnahme Karajans nicht mehr erreicht. Das Flötensolo, man kommt an seiner Erwähnung einfach nicht vorbei, klingt voll und rund, mit einem für unseren Geschmack etwas zu starken Vibrato aber einem überaus breiten und tragenden Klang. Die dynamischen Werte werden in anderen Einspielungen noch genauer verwirklicht, das Zarte und Sanfte könnte zu Beginn noch mehr zu seinem Recht kommen. Es ist aber frappierend, wie gut die Klangfarben der einzelnen Holzblasinstrumente aufeinander abgestimmt sind. Auch das Geigensolo klingt sagenhaft voll und farbenprächtig.

In der Dg. wirkt der Klang nun durchaus transparenter als noch zu Beginn der Suite (als es auch noch nicht taghell war). Er wird langsam aber stetig gesteigert. Das Bacchanal könnte noch einen Schuss extatischer klingen.

Der Klang der Aufnahme bezirzt mit betont warmen Klangfarben von hoher Leuchtkraft, erscheint weich und füllig, könnte aber an den verschiedenen Höhepunkten zumeist etwas transparenter klingen. Im ff wirken die Violinen klanglich etwas eingeengt und nicht ganz frei. Das gelang 1985 viel besser. Wem 1964 also zuviel und zu großzügig geschwelgt wird, der sollte zur 1985er greifen

 

 

 

5

Paul Paray

Detroit Symphony Orchestra

ohne Chor

Mercury

1961

15:33

Der Klang bietet eine hervorragend Draufsicht auf die einzelnen Schallquellen des Orchesters. Präsenz wird hier riesengroß geschrieben. Ein Platz in vorderster Position (neben dem Dirigenten) ist dem Musikfreund hier sicher. Der Gesamtklang ist schonungslos offen und klar. Die Dynamik z. T. berserkerhaft. Es fehlt dem Klang jedoch etwas die Expansion nach unten, sprich der Bass erscheint etwas unterbelichtet.

Die Morgendämmerung beginnt bereits ziemlich laut, vielleicht um das dennoch hörbare Rauschen nicht zu lästig werden zu lassen. Der Duktus ist gestenreich und drängend, dieser Tag wird bereits sehnlich erwartet. Was wird er wohl bringen? Die Naturschilderung wirkt so etwas zurückgedrängt. Den Violinen fehlt etwas die samtene Tönung der neueren Einspielungen. Der finale Sonnenausgang klingt markerschütternd und massiv. Das Orchester macht dieses Mal einen sehr gut vorbereiteten Eindruck. In der Pantomime fällt das helle Holz besonders auf, ein Gegenentwurf zu den Berlinern Karajans. Dabei geht man aber sehr genau auf Ravels Vorgaben ein. Das Flötensolo, mit sehr viel weniger Vibrato als zuvor gerade bei Ozawa gehört, erklingt gestenreich aber geradezu sportlich und unverzärtelt. Diese junge Frau weiß, was sie will und verhält sich äußerst zielstrebig.

Die Dg. erklingt quirlig und außerordentlich stringent und tempogeladen. Darin Ozawa nicht unähnlich aber in akustisch ganz anderer Umgebung, will heißen transparenter und leichter. Hier wird gnadenlos energetisch und ohne Rücksicht auf Verluste gespielt, es wirkt ausgelassen, mitunter aber auch etwas maschinenhaft.

 

 

 

5

Jean Martinon

Chicago Symphony Orchestra

ohne Chor

RCA

1964

16:48

Martinons Wirken in Chicago zwischen der Ära Reiner und der Ära Solti war nur von kurzer Dauer. Ähnlich wie vor Reiner erging es auch schon Rafael Kubelik. Martinons Zeit dort gilt als unglücklich, denn er fiel schon früh bei der Kritik durch, die ihn ständig mit Fritz Reiner verglich, ein Vergleich der hinken muss, sind sie doch von gänzlich unterschiedlichem Naturell. Dass es an einer nachlassenden Orchesterleistung gelegen haben kann und dass sein Dirigat uninspiriert gewesen wäre, ließe sich nach Abhören dieser Aufnahme jedenfalls nicht behaupten. Bisweilen klingt es noch sehr nach Reiner und die Suite hat alles, was sie braucht. Vielleicht hat es aber auch am Umbau der Symphony Hall 1966 gelegen, der die Akustik drastisch verschlechtert haben soll und dies auch dem Dirigenten angekreidet?

Von Martinon liegt auch noch eine gelungene GA vor, die 1974 mit dem OdP bei EMI entstand. Auf diese wird später noch kurz einzugehen sein. Der kleine Wasserfall (oder Quelle oder Bachlauf) führt bereits mit leidenschaftlicher Dringlichkeit, lebendig und farbschillernd in den ersten Satz der Suite ein. Es mangelt auch nicht an Plastizität. Es geht ja auch um den leidenschftlichen Traum des jungen Mannes, der sich darin auch nach seiner Geliebten verzehrt, was Martinon sehr schön deutlich macht. Das fff im Sonnenaufgang wirkt leider etwas verzerrt, da kam die Technik wohl an ihre Grenzen. Die exzellente Qualität des Orchesters sollte allen Kritikern damals ohrenfällig geworden sein.

Die Flöte in der Pantomime verfügt über ein deutlich kürzeres, schnelleres Vibrato als bei Maazel und den New Yorkern, die gerade zuvor abgehört wurden. Die „Begleitung“ Martinons erklingt herausragend plastisch. Das Solo selbst erklingt vorwärtsdrängender als sonst und sehr dynamisch. Gegenüber der meist zu hörenden Statik erklingt hier ein richtiges bewegliches, flexibles Ballett, genau so, wie es Ravel haben wollte. Die Minuten der Pantomime vergehen durch das beherzte Spiel des Orchesters (insbesondere auch der Flöte) wie im Flug.

Die Dg. ist mit elementarer Wucht zu erleben. Das fff hat schneidige Ausdruckskraft. Leider wird die Technik hier ein ums andere Mal in den Grenzbereich geführt, mitunter auch darüber hinaus. Das klingt dann schon grell. Das Holz klingt hingegen sehr plastisch. (Es-Klarinette!)

Gerne hätten wir zu diesem Orchesterspiel auch noch den passenden Chor gehört.

Der Klang ist dynamisch und stämmig. Von den erwähnten Verzerrungen abgesehen auch recht offen und ausgewogen, transparent und impulsiv. Die Violinen klingen mitunter jedoch leicht belegt. Gegenüber Bernsteins drei Jahre älterer Einspielung muss man klangliche Abstriche hinnehmen, was aber auch genauso für Karajans Beitrag aus dem gleichen Jahr gilt. Sonst hätte man diese Produktion noch ein wenig höher einordnen müssen.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

5

Lorin Maazel

Wiener Philharmoniker

ohne Chor

RCA

1996

17:20

Von Maazel liegen uns eine GA aus Cleveland (1975), diese Wiener und ein Live-Mitschnitt aus seiner New Yorker Zeit von 2007 vor. Diese Einspielung mit den Philharmonikern aus Wien sagte uns am meisten zu. Die des jungen Maazel aus Cleveland wird zwar mit feiner Nadel gestrickt und läuft recht zügig aber auch ein wenig unbeteiligt ab. Die New Yorker steht in den Orchesterleistungen hinter der Wiener zurück und verfügt auch nicht über die satte Dynamik der Wiener, um die es nun gehen soll.

Das Orchester klingt hier um Längen besser als bei Levine elf Jahre zuvor. Maazel lässt sich auch viel mehr Zeit, was vor allem der Pantomime zugute kommt. Hier klingen die Violinen wieder nach Wien, geschmeidig und mit vollem Glanz. Die Wiener Oboen wissen hier bei Zi. 170 besonders traurig zu klagen, viel ausdrucksvoller als in Cleveland 21 Jahre zuvor. Die Wiener klingen hier wie ein genuines Ravel-Orchester, was für ein Unterschied zur Levine-Einspielung von 1985. Alles soll so schön wie möglich und vor allem perfekt ausbalanciert klingen. Auch die Flöte in der Pantomime klingt sehr schön und glanzvoll (erneut besser als in Cleveland). Maazel betätigt sich hier erfolgreich als Klangmaler oder besser als Klangzeichner, denn alles gelingt ihm sehr fein und graziös.

Auch die Dg. erklingt sehr differenziert und obwohl beträchtlich langsamer als in Cleveland nicht weniger spannend. Das Holz klingt sehr präsent (Es-Klarinette) und macht sehr viel von der Faktur des Werkes hörbar. Die Extase klingt hingegen nicht gerade überbordend, eher leicht reserviert.

Die Aufnahmequalität ist in Summe sehr gut, besonders plastisch und liefert den maximalen Hochglanz, als solle hier ein Werbeclip für eine griechische Insel untermalt werden.. Es klingt klar und offen, sonor und voll, sehr reich an Klangfarben. Die Tiefenstaffelung ist sehr gut, der Bassbereich profunde, das Schlagwerk sehr präsent aber nicht herausfallend. Das Selbstgenügsame oder aber auch Selbstverliebte, das so manches Dirigat Maazels in seinen mittleren und späteren Jahren begleitet, ist hier nur in leichten Spuren zu spüren. Dazu legen sich die Wiener zu sehr ins Zeug. Gerade noch die Höchstwertung ergattert.

 

 

 

5

Arpad Joo

London Symphony Orchestra

Ambrosian Singers

Arts, Sefel

P  1985

17:25

Joo gelingt eine ausgezeichnete Durchleuchtung der Partitur. Das hier etwas kerniger als bei Abbado klingende Orchester wird sehr dynamisch geführt und setzt die Anforderungen empathisch um. Das an den Tag gelegte Temperament erschien uns jugendlich-straff. Es gipfelt in einem herrlich klingenden, mächtigen Sonnenaufgang mit viel Glanz. Das LSO klingt hier um Längen besser als unter Frémaux 1989, aber nicht ganz so geschmeidig und elegant wie unter Abbado 1988. Die Pantomime wartet teils mit sehr subtiler Farbgebung, teils mit ausgesprochen lebendigem Bewegungsimpuls auf, fast wie in einer kleinen (ungarischen) Rhapsodie. Das Flötensolo lässt vor unserem geistigen Auge ein selbstbewusstes, keckes, auch ein wenig freches Mädchen tanzen.  Als Ganzes wird hier sehr spannend erzählt. Auch das Violinsolo spielt einnehmend. Hier liegt keine Routineproduktion vor.

Die Dg. erklingt locker aber mit gehörigem Drive, dynamisch und mitreißend. Das Holz spielt mit Schmackes, die Es-Klarinette gibt ihr letztes Hemd um gut oder noch besser gehört zu werden. Mit Erfolg! Auch der gut aufgefächerte Chor, von Einsatz zu Einsatz immer dominierender, agiert mit entsprechenden Lustlauten, vielleicht inspiriert von der 1975er Boulez-Einspielung. Das Bacchanal klingt eruptiv und ekstatisch, aber nicht frenetisch.

Auch der Klang gefällt, ist etwas weniger füllig als bei BP, COA oder BR, wie meist beim LSO, aber keineswegs dünn und wie bereits erwähnt etwas kerniger. Er ist offen, sehr dynamisch, sehr räumlich und brillant. Die Basswiedergabe verdient eine gesonderte Erwähnung. Wenn wir uns das nun durchlesen, müsste die Einspielung eigentlich noch ein gehöriges Stückchen weiter oben stehen...

 

 

 

 

 

4-5

Claudio Abbado

Boston Symphony Orchestra

New England Conservatory Chorus

DG

1970

16:10

Wie die erste Karajan-Aufnahme hat auch die erste Abbado-Einspielung diesen magisch wirkenden matt-leuchtenden Glanz, der obwohl er vielleicht technisch nicht mehr ganz up-to-date ist, aber immer noch faszinieren kann. Hinzu kommt hier eine besonders zarte, weiche und voluminöse Klanggebung. Die Klangfarben sind besonders warm. Es ergibt sich ein Mischklang, der vielleicht, wie auch bei Karajan 1964 besser zu Debussy gepasst hätte. Trotzdem oder gerade deswegen wirkt das Spiel der Bostoner hier besonders gefühlvoll und atmosphärisch. Ozawas Produktion vier Jahre später konnte da nicht nahtlos anknüpfen. Die Bratschenstimme kommt uns besonders tragend, zwar von recht weit her, aber trotzdem noch schön präsent vor. Bei den Violinen wird es schon kritisch, denn sie erscheinen nun doch entfernt und zu wenig präsent. Der Höhepunkt bei Zi. 168 klingt sowohl strahlend als auch weich. Wie viele verschiedene „Sonnen“ wir nun schon gehört haben! Und jede klingt anders. Das Orchester leistet teilweise Erstaunliches, zum Beispiel das perfekt verschmolzene Unsisono von Oboe und Klarinette bei Zi. 172, dann wieder erscheint das Flötensolo gerade zu Beginn viel zu aufdringlich bereits im f (statt pp) und wenn es dann f werden soll, bleibt es genauso, wie es bereits begonnen wurde. Das ist bedauerlich, denn der Klang der Flöte ist weich, farbig und biegsam, wie er nur sein kann. Das wäre ein junges Mädchen, aber dann kommt das aufdringliche Vibrato hinzu und das wirkt wie ein dickes Make-up, das dann eher zu einem Vamp passen würde. Die Geschmäcker sind eben verschieden. Bei Ozawa begegnet uns diese Flötenstimme erneut. Da passt sie aber etwas besser, denn da ist alles etwas bunter geraten. Ihr Ton ist groß und sehr tragfähig, dynamisch bewegt sie sich jedoch zwischen mf und ff, die geforderten leisen Töne interessieren diese selbstbewusste Diva nicht.

Bei der Dg fehlt der Dynamik das echte ff und fff. Es gelingt Abbado dennoch eine extatische Wirkung zu erzielen, die in ansteckender Begeisterung gipfelt. Der Chor wirkt hier wie zusätzliches Instrumentarium und wird als solches durchaus exponiert dargestellt.

Die Aufnahmetechnik lässt tief blicken und hat eine besonders anziehende, sanft schillernde Wirkung. Ist aber schon eine wenig vintage.

 

 

 

4-5

André Previn

London Symphony Orchestra and Chorus

EMI

1981

16:34

GA Von Previn existieren noch zwei weitere Einspielungen der Suite, die erste auch mit dem LSO, kurz zuvor und noch ohne Chor und auch noch analog. Diese wurde bei weiteren Veröffentlichungen stets durch die etwas neuere mit Chor ersetzt und eine mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra 1990 bei Philips, die man auch als gelungen bezeichnen kann, die aber nicht ganz mit der hier gebotenen orchestralen Qualität mithalten kann.

Previn und das Ravel-Orchester schlechthin, zumindest was die Anzahl an Aufnahmen anlangt, erweisen schon gleich zu Beginn ihren hohen Sinn für die Klangfarben, die sie hier sehr schön und eher dunkel schimmern lassen. Die Beteiligten machen einen gelassenen und entspannten Eindruck, werden aber zu keiner Sekunde nachlässig. Beim Durchbruch der Sonne lassen sie es dann sehr hell und bunt leuchten, aber nicht gleißen. Hohes Einfühlungsvermögen beweist auch das besonders lyrische Flötensolo. Wie schon zuvor bei Abbado, Joo, Monteux und  Nagano spielt das Orchester erneut auf höchstem Niveau. Die abwechselnden harten Konturen und weichen Farben werden erneut subtil getroffen. Im Dg. singt der Chor nicht ganz homogen aber sehr sinnlich, was nicht unwesentlich zur Würze dieser Einspielung beiträgt. Previn trifft so eine Art Mittelweg zwischen Monteuxs atmosphärischer, ebenso spielerischer wie urwüchsiger und farbiger Sinnlichkeit einerseits, und Abbados gestochen scharfer Differenzierung ohne einen von beiden jedoch ganz zu erreichen. Jedoch werden die unterschiedlichen Charaktere auf eine sympathische, bescheidene und irgendwie besonders liebevolle Art schön ausgespielt

Der Klang der Aufnahme ist erheblich weicher, voller und runder als beim gerade zuvor gehörten Prêtre. Unter den frühdigitalen klingt sie am besten und lässt auch Dutoit, Mata, Levine (Wien) deutlich hinter sich. Sie verfügt über eine recht hohe Dynamik und Durchhörbarkeit. Allerdings klingt das LSO hier etwas halliger als bei Monteux, Joo und Abbado und daher mitunter etwas verschwommen. Ansonsten müssten wir zur Höchstwertung greifen.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

4-5

Seiji Ozawa

Boston Symphony Orchestra

Tanglewood Festival Chorus

DG

1974

15:14

GA  Das Hauptmanko der Einspielung Ozawas ist die Aufnahmetechnik, die wie häufiger bei der DG zu beobachten die Konzerthalle Bostons nicht richtig in den Griff bekommt. Es fehlt gegenüber vielen anderen, auch zur gleichen Zeit entstandenen Produktionen an Präsenz und Genauigkeit. Die Hallenakustik dominiert das klangliche Geschehen mit zu viel Nachhall. Das Orchester rückt auch etwas nach hinten und verliert insgesamt an Dynamik. Das ff oder fff hört sich leicht lärmend an. Das Orchester könnte besser durchstrukturiert klingen. Vier Jahre zuvor bei Abbado gelang das noch besser. Und die gerade zuvor gehörte modernere Einspielung Nézet-Seguins lässt den DG-Klang ganz schön alt aussehen.

Das Gewässer zu Beginn  lässt Ozawa quirlig und bereits sehr deutlich rauschen, Das Holz klingt hier noch recht präsent. Das Orchester, obwohl durchaus fein geschliffen, klingt lange nicht so sinnlich und verführerisch wie bei Abbado, der auch eine gewisse Eleganz mit einfließen lässt. Die Flöte, bereits von Abbado bekannt, agiert mit nach unserem Gefühl erheblich zu üppigen Vibrato, das schon sehr aufgeregt (was ja noch glaubhaft wäre) aber bereits zittrig klingt (die Amplitude schlägt zu weit aus). Ansonsten wird sie perfekt und durchaus einfühlsam geblasen. Der Grund, weshalb Ozawas Beitrag zur Diskografie trotzdem so gut abschneidet, ist die mit großer Vehemenz und hohem Tempo ausgesprochen vorantreibend und mitreißend ausgeformte Dg.. Da darf das Orchester zeigen, was in ihm steckt und da erreicht Ozawa wie kaum ein anderer den Impetus Bernsteins mit einer extatischen Zuspitzung, die uns – trotz der genannten klanglichen Einschränkung – begeistert hat. Auch der Chor packt hier richtig mit an.

 

 

 

4-5

Yannick Nézet-Seguin

Rotterdam Filharmonisch Orkest

ohne Chor

EMI

2007

15:45

Mit dieser Produktion legte der Dirigent seine erste „Visitenkarte“ in Europa vor. Zuvor hatte er allerdings bereits in Kanada fleißig aufgenommen. 2012 entstand dann noch eine GA (bei BIS) mit demselben Orchester, dem er damals als Chef verbunden war, die uns aber nicht zum Vergleich vorlag.

Diese Darstellung ist mehr als eine Talentprobe, sie überzeugt in jeder Hinsicht und auch das Rotterdamer Orchester, wenn es auch nicht ganz an den glanzvollen Klang der Amsterdamer Kollegen herankommt, so braucht es mittlerweile doch kaum einen Vergleich zu scheuen. Der Tag wird auch bei Nézet-Seguin mit jugendlich drängendem Gestus sehnlichst erwartet. Entsprechend zügig und drängend wählt der Dirigent sein Tempo. Der finale Sonnenaufgang klingt strahlend, aber auch bestens aufgefächert und differenziert. Die Äquilibristik der beiden Oboen ist perfekt, den Violinen fehlt allenfalls noch eine kleine Prise Fülle, Rundung und Glanz. Das Flötensolo klingt in jeder Hinsicht ausgezeichnet. Es wird ein gutes Maß zwischen spielerischem Gestus und Spannung gefunden. Da hat alles Hand und Fuß. Auch die Prise ravelscher Melancholie wird nicht unterschlagen.

Die Dg. klingt wuchtig und dynamisch, auch eruptiv, als Ganzes jedoch auch locker und unverkrampft. Ein sehr gelungenes Europadebut des jungen Dirigenten.

Der Klang ist plastisch, weich, farbig und offen. Die Staffelung ist sehr gut bei gleichzeitig guter Präsenz. Es ergibt sich eine natürliche Räumlichkeit. Die Dynamik ist breitbandig

 

 

 

4-5

Bernard Haitink

Chicago Symphony Orchestra and Chorus

CSO – Resound

2009, LIVE

15:12

SACD  GA  Von Haitink existieren auch noch zwei ältere Einspielungen, beide für Philips. Die erste entstand mit den Amsterdamern als Suite, die zweite als GA mit dem BSO. Beide lagen uns leider nicht vor.

Unmittelbar nach der noch neueren Einspielung Gustavo Gimenos gehört, klang Haitinks Beitrag zu unserem Vergleich erheblich konturenschärfer und luzider. Zur Hellhörigkeit Abbados fehlte jedoch noch ein Stückchen. Auch der Sonnenaufgang gelingt Haitinks Chicagoern, die er nach der Amtszeit Barenboims als Interimslösung vor Muti einige Jahre als Hauptgastdirigent betreute, ungleich strahlender als dem jungen Gimeno. Haitink lässt die Musik fließen, wirkt dabei jedoch nicht unbeteiligt. Was nicht recht zum Tragen kommt, ist die Ungeduld der jungen Herzen, die ein junger Nézet-Seguin oder aber auch von den Senioren ein Monteux oder Stokowski besser nachfühlen und vermitteln konnten. Der Eindruck ist aber dennoch sehr souverän.

Auch die Dg. gelingt Haitink temperamentvoller und eruptiver als dem jungen Gimeno. Aber lange nicht so zugespitzt wie bei Ozawa. Er wird von einer ausgesprochen undomestizierten, aber glücklicher Weise auch von Haitink nicht gebremsten, kecken Es-Klarinette tatkräftig unterstützt. Im Chor dominieren die Frauenstimmen deutlich.

Der Klang der Einspielung, weich und gut gestaffelt klang als SACD besonders plastisch, auch dynamischer, mitreißender. An den mitreißenden „Wumms“ der Levine-SACD kommt diese jedoch nicht ganz heran.

 

 

 

4-5

Simon Rattle

City of Birmingham Symphony Orchestra and Chorus

EMI

1990

16:54

 

Berliner Philharmoniker

Rundfunkchor Berlin

Stiftung Berliner Philharmoniker

2004

17:07

SACD nur im Falle BP, beide GA  Die beiden Einspielungen Simon Rattles haben in etwa das gleiche Niveau, wobei sie im Detail jedoch recht unterschiedlich geraten sind.

In Birmingham murmelt das Bächlein sehr leise, sodass Flöte und Klarinette nicht zu unterscheiden sind, so dunkel ist es noch. Da muss man schon richtig die Ohren spitzen. Entsprechend fehlt es der Szenerie auch an Farbe. Der sehr homogene Chor kommt hingegen sehr präsent und klangmächtig zum Zuge. Das englische Orchester agiert dieses Mal gerade auch in den Violinen sehr homogen und ausdrucksvoll. Der Sonnenaufgang klingt nachdrücklich, auch hier wieder besonders im Chor, weit weniger im Blech. Fast schon etwas soft. In Berlin, wo die Aufnahme nur mit Unterstützung einer damals noch angesehenen großen Bank möglich war, agiert das Orchester bereits zu Beginn mit äußerster Subtilität und deutlich klarer als in Birmingham. Der exquiste Orchesterklang  wiegt nun leichter als noch bei Karajan, bleibt aber sonor. In Berlin ist der Chor bei weitem nicht so präsent und klar aufgenommen wie in Birmingham. Entsprechend klingt der Sonnenaufgang (Zi. 168) hier nun geprägt vom Orchester in den schillerndsten Farben und in mehr goldenem Licht, also durchaus nicht gleißend hell. Der Chor wirkt hier nur unterstützend. Rattle belässt der Musik aber viel von ihrem Geheimnis und ihrer Magie, als hätte er die Monteux-Aufnahme intensiv als Inspirationsquelle genutzt.

In Birmingham wirkt die Pantomime ziemlich fein, ziseliert und subtil, was ohne Einschränkung auch für das Flötensolo gilt. Mit dem Parameter Zeit wird hier ziemlich verschwenderisch umgegangen, dem nun wieder glücklichen Paar schlägt eben keine Stunde (während bei Celibidache in München die Zeit fast schon stehen bleibt). Aber auch die melancholischen Akzente werden ins rechte Licht gerückt. In Berlin geht Rattle denselben subtilen Weg, nur dass unter anderem die Oboen für den perfekten Gleichklang sorgen, das Flötensolo extrem ausdifferenziert erscheint und der Klang des Orchesters noch etwas reichhaltiger erscheint. Die Flöte wagt ein pp, das man kaum noch hören kann. Sonst hört man das lange nicht so fein.

In Birmingham spielt man den Dg auf der vordersten Stuhlkante und sehr beherzt. An Temperament fehlt es hier nicht, es fehlt lediglich etwas Drive zur vollends ausgereizten bacchantischen Extase. Der groß besetzte Chor darf stark hervortreten. In Berlin bleibt der Dg. hingegen erstaunlich matt, er wirkt lediglich gut durchorganisiert aber durch den herunter geregelten Pegel kommt das nur recht reduziert ans Ohr des Zuhörers. Wechselt man jedoch auf die SACD Schicht der Scheibe und reguliert den Pegel etwas nach oben, gewinnt das Spiel in jeder Hinsicht und klingt fast wie in der Philharmonie.

Das Werk scheint überhaupt wie für die SACD geschrieben worden zu sein, denn in allen Fällen, und es sind ja mittlerweile einige, gewinnt die Musik beträchtlich an Plastizität, Transparenz, Farbe, Wucht und Dynamik.

Der Klang ist auch in Birmingham schon recht leise eingefangen worden und klingt so etwas entfernt aber noch transparent. Will man mehr Klang erleben, muss auch hier nachgeregelt werden. Das gilt in noch stärkerem Maß für die Berliner Aufnahme, die aber erheblich weicher, runder, körperhafter und farbiger wirkt. Die Gran Cassa wirkt wiederum in Birmingham eruptiver. Im Mehrkanalmodus wird in Berlin jedoch ein anders Kapitel aufgeschlagen. Aber auch da bleibt die Bostoner SACD mit Levine die Klang-Königin.

 

 

 

4-5

Stefan Blunier

Beethoven Orchester Bonn

WDR Rundfunkchor Köln

MDG

2013

16:02

SACD  GA Viel Freude hatten wir auch an der Produktion aus Bonn.  Hier wird sehr präzise geformt und gespielt. Besonders schön ist das an den jeweiligen Übergängen zu spüren. Auffallend ist auch die hohe Partiturtreue. Der Dirigent lässt sich und den Musikern genug Zeit zum Auskosten der einzelnen Valeurs und Stimmungen. Dabei wirken die Zeitmaße stets stimmig. Das Orchester gibt sich insgesamt kaum eine Blöße, ein paar minimale Wackler bei Piccolo und Es-Klarinette fallen dabei kaum ins Gewicht. Bei Zi. 170 spielt die Oboe wirklich einmal nur ein p, auch sonst (richtigerweise) sehr zurückhaltend. Zusammen mit dem Englischhorn ist die Oboengruppe wirklich eine Ohrenweide.

Die Pantomime gerät Stefan Blunier unaufgeregt und gestenreich. Er lässt die Flöte bei ihrem Solo regelrecht improvisieren, was selten einmal so deutlich wird. Laut Partitur sollen hier nämlich Dirigent und Orchester der Flöte folgen. Das „Jungmädchenhafte“ wird in dem Vortrag genau getroffen, denn sie spielt sich nicht über Gebühr in den Vordergrund, es wird partiturgenau abgestuft und es gibt kein permanentes Forte und auch kein flackriges Einheitsvibrato. Der flexible und biegsame Vortrag überträgt sich auf die ganze Pantomime.

Die Dg. könnte jedoch etwas dynamischer und extatischer klingen. Das ist jedoch ein Kompromiss, der sich fast zwangsläufig aus der aufnahmetechnischen Disposition ergibt, denn die zielt hier auf äußerste Transparenz und Räumlichkeit ab. In keiner anderen Aufzeichnung wird das Orchester bei aller Klarheit so weit in die Tiefe hinein gestaffelt. Das hat auch einen Verlust an Präsenz zur Folge. Ansonsten lauschen wir hier satten, fast schon opulenten Klangfarben, einer ganz ausgezeichneten Ortbarkeit der einzelnen Solisten und Instrumentengruppen, die zudem sehr fein, ja filigran verästelt und verbunden erscheinen. Die Tiefenstaffelung wird übrigens von keiner anderen Aufnahme erreicht geschweige denn überboten. Der Chor agiert eher unauffällig und alles andere als vordergründig, im Sinne Ravels singt er eher instrumental und unterstützt so das Orchester bei der Erweiterung der Farbpalette.

Das Ganze kann man im SACD-Modus in bestechender Durchhörbarkeit noch farbenprächtiger und dynamischer genießen. Überhaupt bekommt diese Einspielung das Prädikat „Besonders sensibel und genießerisch veranlagt“.

 

 

 

4-5

Giuseppe Sinopoli

Philharmonia Orchestra London

ohne Chor

DG

1988

17:57

Sinopoli hat sich zum ausmalen der Suite einen Farbkasten mit besonders warmen Farbtönen und einen dicken, breiten Pinsel beiseite genommen. Hier geht es fast pastos zu. Es werden satte Farbmixturen angestrebt und auch angerührt. Und das sehr gekonnt. Zudem auch fast penibel genau, eher schwerblütig und sehr langsam. Der Tagesanbruch wird sehr gut und stetig gesteigert. Der Höhepunkt gipfelt mit einem sehr dynamischen und ausladenden Gesamtklang, der nun wirklich alle Einzelfarben mischt aber ihnen noch einen Rest an Eigenständigkeit belässt.

In der Pantomime nimmt Sinopoli die Partituranweisungen sehr genau. Nachdem der alte Philharmonia-Klang der 60er und frühen 70er Jahre zum Zeitpunkt der Einspielung längst passé war, freuen wir uns auf die vollen Farben der Holzbläser. Das Flötensolo gerät recht vibratoreich und zu Beginn etwas zu laut, wird aber perfekt und brillant geblasen. Die Dg. begeistert nun mit kräftigen und kompositionsbedingt (nun ungemischten) klaren Farben. Der Duktus lässt durchaus Platz für tumultöse Entwicklungen. Hier klingt es richtig prall mit den ausladenden Steigerungen und betont wuchtigen Höhepunkten. Wir genießen ein Bad in den warmen Klängen eines hervorragenden Orchesters. Die Tempi sind dabei gemäßigt, die Dynamik klingt exzessiv. Die Spannung bleibt über die komplette Suite fast konstant auf einem Niveau.

Ein Fest für den Klangkulinariker. Und so ein Gegenstück zu der der betont schlanken, leichten, fast luftigen und feinen Blunier-Einspielung.

Der Klang ist, falls nicht bereits erwähnt, sehr warm, voll und rund, eher weniger transparent und weniger klar gestaffelt. Die einzelnen Soli kommen präsent ins Bild. Die Dynamik ist mächtig und im ff betont wuchtig. Die Gran cassa klingt sehr gut.

 

 

 

4-5

George Szell

Cleveland Orchestra

ohne Chor

CBS-Sony

1963

14:55

Bei Szell bleibt kein Ton ungespielt und ungehört. Dafür bürgt auch schon das extrem transparente Klangbild mit einem warmen, geschmeidigen und vollen Streicherklang. Auffallend sind wieder der typische, stringente Ablauf und die schlanke und absolut präzise Nachzeichnung der musikalischen Abläufe. Ähnlich wie bei Stokowski hören wir auch bei Szell das schöne Wechselspiel von Flöten und 1. Harfe einerseits und Klarinetten und 2. Harfe andererseits mit seltener Deutlichkeit. Nur verbleibt es hier in der normalen Sitzordnung der Musiker, die nicht extra ihren Stuhl nehmen müssen, um in den beiden entgegengesetzten  Enden des Aufnahmeraumes zwei Wasserfälle zu spielen. Szell dachte aber ganz offensichtlich auch an zwei. Mit dem Orchester, das erneut in höchster Präzision völlig unverzärtelt und sehr differenziert spielt, bringt Szell aber auch die melancholischen Seiten der Musik vortrefflich zur Geltung. Auch die Differenzierungskunst ist kaum zu übertreffen. Der Höhepunkt des Sonnenaufgangs ist in der Dynamik jedoch stark begrenzt und bleibt so in Punkto Glanz, Strahlkraft und Vielfarbigkeit weit unter dem Möglichen. Das Flötensolo klingt, wie bei vielen amerikanischen Orchestern, wieder ziemlich vibratoreich. Das war anscheinend damals modern. Ansonsten gelingt es aber brillant, gar beschwingt, ebenso temperamentvoll wie lasziv und aufmüpfig.

Die Dg. ist sehr beherrscht im Tempo, die Entwicklung wird minuziös nachgezeichnet. Die dynamischen Kulminationspunkte bleiben jedoch, wie bereits der Sonnenaufgang gemäßigt. Das Bacchanal erfolgt, offensichtlich ohne jeden ausufernden Alkoholgenuss oder sonstiges, ein wenig nüchtern.

Bei aller Ähnlichkeit wirkt Szell jedoch etwas impulsiver, energischer und mit einem etwas dramatischeren Zugriff als Dohnanyi mit dem gleichen Orchester 26 Jahre später.

 

 

 

4-5

Christoph von Dohnanyi

Cleveland Orchestra and Chorus

Teldec

1989

16:09

Klanglich hat sich seit der Szell-Einspielung nicht viel getan. Die Höhepunkte sind nun etwas dynamischer möglich, ansonsten liegen beide Aufnahmen auf demselben Niveau. Wobei die Szell-Aufnahme eher praller und voller klingt als die Dohnanyis, die nun wirklich kein Gramm Fett mehr zuviel hat. Auffallend gelungen ist die Fernwirkung der beiden Soli von Flöte und besonders der Es-Klarinette (Zi. 160). Der Höhepunkt des Sonnenaufgangs klingt nun mächtiger und erheblich transparenter, die einzelnen Instrumente sind alle mit ihrer eigenen Klangfarbe hörbar, auch das Holz und die Harfen (d.h. keine Mixturen).

In der Pantomime agiert das Orchester nach wie vor auf höchstem Niveau, das Zusammenspiel ist immer noch absolut perfekt. Das Flötensolo klingt nun mit einem sparsameren Vibrato, auf uns machte es einen geschmackvollen Eindruck.

Die Dg. zeigt ein aufgewecktes und durchaus temperamentvolles Musizieren, es fehlt auch nicht an Vorwärtsdrang, wirkt jedoch etwas sachlich. So penibel dynamisiert hört man ihn jedoch nur ganz selten. Das Bacchanal bleibt bei aller Akkuratesse etwas kühl. Der Chor schließt sich dieser Musizierhaltung an, bleibt dezent, belässt es allenfalls bei zweideutigen Anspielungen. Man verneigt sich vor der gebotenen Perfektion, dem Verzicht auf forsche Hemdärmeligkeit, hat aber schon Versionen gehört, die mehr Emotionen wecken konnten.

 

 

 

4-5

Kent Nagano

London Symphony Orchestra and Chorus

Erato

1992

17:10

GA  Der Dirigent kann hier nicht ganz an seine Glanzleistung beim Vergleich des “Tombeau de Couperin” anschließen. Schlechtes lässt sich aber auch hier nicht finden. Die Farben wirken hier weniger knallig als üblich, vielmehr etwas gesoftet oder pastellen.  Die Klangflächen gelingen ihm und dem Ravel-Orchester LSO ganz ausgezeichnet. Allerdings plätschert das Bächlein (eine Wasserfall kommt hier eher nicht infrage) eher im Hintergrund. Es wird hier mit feinem und weichem Strich gemalt und sehr subtil in der Tongebung. Der Chor klingt außerordentlich plastisch und voll. Der Sonnenaufgang erhält in seiner Endphase (dem Höhepunkt) gleißend helles Licht, intensiv und durchdringend, auch vom Chor sehr gut mit gestaltet. Die Holzbläser agieren auch in der Pantomime eher hintergründig. Alle Soli werden exzellent geblasen, erhalten bei Abbado aber einen brillanteren Klang. Das Flötensolo gefällt sehr gut. es erklingt mit endlos langem Atem und lasziver Gestik. Nagano lässt dem Orchester hier viel Zeit zu inniger Gestaltung. Er wird der sanften Seite der Geschichte besonders gerecht.

Im Dg. zeigt sich das Orchester von seiner virtuosen Seite. Es spielt hier extrem souverän und dynamisch ausladend. Der außerordentlich homogene Chor setzt dem nuancierten und lebendigen Treiben die Krone auf. Es fehlt hier eigentlich nur ein Hauch mehr Leidenschaft und Spannung, die Monteux und Abbado aber noch mit einbringen konnte. Naganos Beitrag wirkt sehr natürlich, obwohl die Perfektion des Ganzes eher für eine starke Kontrolle spricht.

Der Klang wirkt ausgewogen, viel natürlicher und angenehmer als der in der zuvor gehörten Aufnahme Mutis. Auch die Staffelung ist hier sehr gut. Die Dynamik wirkt reichhaltig abgestuft.

 

 

 

4-5

Mariss Jansons

Oslo Philharmonic Orchestra

ohne Chor

EMI

1989

16:53

Selten hört man im ersten Satz der Suite die Harfen so deutlich heraus, sie sind eigentlich in Oslo immer recht präsent. Auch die einzelnen Farbvaleurs sind gekonnt umgesetzt. Das Orchester kann durchaus überzeugen, wenngleich es an die beiden anderen nicht heranreicht (COA, SO des BR).

Die Pantomime wird behutsam angelegt zwar etwas langsam, aber mit hohem gestischen Gehalt. Die Flöte macht sich nicht so breit wie sonst und wird auch nicht an die Rampe geholt. Sie zeigt gekonnt ein liebliches junges Mädchen in aller Bescheidenheit. Im Dg. zeigt das Orchester aufgewecktes Musizieren, verbleibt aber in einem nicht sonderlich extatischen, eher wenig exaltierten Bereich.

Der Klang ist leicht gedeckt und nicht übermäßig brillant, auch nicht sehr voll. Transparenz und Dynamik sind gut.

 

 

 

4-5

Michael Gielen

Sinfonieorchester des SWR Freiburg und Baden Baden, Europa-Chor-Akademie

Arte Nova, Hänssler

1997

17:12

GA  In dieser Produktion wird das Werk aus der Ruhe heraus entwickelt. Mit akribisch genauem Orchesterspiel hören wir so einen luftig, leichten Beginn und zwar sowohl vom Gestus her, als auch von der Transparenz des Instrumentariums. Der Chor klingt ausgezeichnet und auch sehr sauber, zumal, wenn man zuvor den Chor Gergievs gehört hat. Er klingt auch erheblich expressiver. Der finale Sonnenaufgang bleibt maßvoll, da könnte es durchaus etwas mehr glitzern und leuchten. Aber das wäre Gielen vielleicht schon zu viel der Show.  Die Pantomime erinnert etwas an die Gestaltung Bluniers. Die Flöte phrasiert hier ebenfalles sehr gekonnt, dynamisiert exakt und kommt ohne ein zuviel an Vibrato aus. In der Dg. baut Gielen die Steigerung stringent auf, die Extase bleibt jedoch gebremst. Der gute Chor bleibt gut integriert und fällt weder durch gesteigerte Erotisierung auf noch bleibt er nur Farbtupfer.

Insgesamt bleibt Gielens Einspielung auf hohem Niveau eher unauffällig.

Die Aufnahme  ist sehr gut, es fehlt ihr jedoch die letzte Brillanz und Dynamik um gänzlich zu überzeugen oder gar zu begeistern.

 

 

 

4-5

Charles Dutoit

Choer et Orchestre Symphonique de Montréal

Decca

1980

16:06

GA    Mit Ravels Werk wurde damals der Startschuss zu einer langen Aufnahmekarriere des kanadischen Orchesters bei Decca gegeben. Die Einspielung wurde damals, zumal auch eine der ersten Digitalaufnahmen der Firma, regelrecht gefeiert. Aus heutiger Sicht wirkt sie zumindest technisch früh gealtert, denn auch sie ich nicht frei von den Kinderkrankheiten der neuen Technik. Obwohl ihr nur – gegenüber vielen anderen der Zeit – nur relativ wenig davon anhaften. So ist auch sie leicht im Hochtonbereich eingeengt, kommt dynamisch nicht einmal an die guten Analogaufnahmen heran und es fehlt ihr an Offenheit. Schlecht ist sie deshalb jedoch nicht, denn sie wirkt leichtfüßig, transparent und recht weiträumig. Die Kirchenakustik kann sie nicht ganz verleugnen (was ja nicht a priori schlecht sein muss). Fast vergeblich sucht man hier die Gran Cassa. Die Orchesterleistung des damals als neues Wunderorchester à la Cleveland angekündigten Orchesters ist auch heute noch mehr als solide, aber beileibe nicht konkurrenzlos.

Dirigent und Orchester gelingt es jedoch die Musik frei sprechen zu lassen und bis auf die verschwundene Gran Cassa wirkt das Orchester sehr ausgewogen. Zu Beginn vermisst man jedoch auch ein wenig das Geheimnis, das Mysterium, wovon die Monteux-Einspielung so schön erzählen kann. Man hört hier vor allem die schön gespielten Noten. Das bessert sich aber. Sehr zügig geht der Tagesanbruch vorbei. Der Chor agiert dabei schon recht kräftig.

Im Flötensolo wird die vorgeschriebene Dynamik allenfalls angedeutet. Das Violinsolo erklingt in einem satten f, statt im vorgeschriebenen pp. Aber das ignoriert fast jeder.

Im Dg. läuft das fff in den Kompander. Dutoit schlägt ein temperamentvolles Tempo an, aber er klingt lange nicht so kontrastsreich und extatisch wie bei den zuvor gehörten Bernstein und Boulez.

 

 

 

4-5-

André Cluytens

Choer et Orchestre National de l´ORTF (heute : Orchestre National de France)

Documents

1953, MONO

16:18

MONO  Von Cluytens gibt es noch die wesentlich verbreitetere Einspielung des kompletten Balletts bei EMI, in den frühen 60er Jahren bereits in Stereo eingespielt wurde (mit dem Orchestre du Conservatoire de Paris). Das Orchester des Rundfunks wartet hier mit einer so nicht unbedingt erwarteten Topleistung auf, als ob die Musiker ihr Lieblingsstück spielten und nie was anderes gemacht hätten. Trotz des Mono-Klangs  gelingt es, die feinen Strukturen sehr deutlich zu machen. Die Solisten bringen ihre Soli heraus als ob sie die Strahlkraft eines Laserstrahles nutzen würden. Die Morgendämmerung gelingt als bewegte Szene, gipfelnd in einem monumentalen Sonnenaufgang. Die Oboen klingen hier immer noch dünn und nasal. Großes Manko ist die Dynamik, denn diese Aufnahme kann nicht leise. Als ganzes nicht und auch die einzelnen Soli nicht. Das betrifft auch das große Flötensolo. Diese Darbietung wirkt jedoch als Ganzes sehr leidenschaftlich und voller Biss an den dramatischen Stellen. Der Chor wird mit seinen Stöhnlauten schon ziemlich deutlich.

Der Klang, präsenter als bei Cantelli, vor allem beim Schlagwerk, und so gut wie rauschfrei ist für die Zeit sehr transparent und sehr dynamisch. Dass zwischen dieser Einspielung hier und der anschließend gehörten von Chung 51 Jahre liegen sollen, kann man kaum glauben. So groß ist der Unterschied nicht.

 

 

 

4-5

André Previn

Los Angeles Philharmonic Orchestra

ohne Chor

Philips

1990

17:14

Klanglich übertrumpft Previns letzte Aufnahme seine zweite (die erste liegt leider nicht vor) ziemlich deutlich, nicht aber in der musikalischen Darstellung. Das fängt bereits beim Orchester an, wo die Violinen nicht mit dem Glanz und der Homogenität der Londoner Kollegen mithalten können. Den Sonnenaufgang verweigert Previn auch hier das Gleißen, wobei der Glanz aber nicht ganz außen vor bleibt. Auch das wendigere Holz des LSO gefällt besser. Die Pantomime wird nun breiter, auch etwas „dickpinseliger“ gemalt als zuvor und das sanfte, feine, spielerische gelingt nicht so glücklich austariert wie in London. Auch das Flötensolo wird etwas mehr auf die „Schauwerte“ hin angelegt.

Die Dg. wirkt etwas gemütlicher aber sehr transparent.

Der Klang ist noch etwas plastischer, sonorer und tiefenschärfer als in London. Die Dynamik kommt fetziger, die Gran Cassa deutlich besser eingefangen. Von zuviel Hall ist hier keine Spur zu finden.

 

 

 

4-5

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

ohne Chor

Decca

1960

16 :21

Außer der hier vorgestellten Suite gibt es von Ansermet auch noch das komplette Ballett in einer Mono-Einspielung mit dem OSR von 1953 und ein Remake 1965 nun in Stereo aufgenommen, ebenfalls mit dem OSR und bei Decca. Die Stereotechnik bringt nicht nur eine schöne Räumlichkeit mit ein, sondern auch eine erheblich hellhörigere Transparenz und einen volleren und runderen Klang, der in unserem Fall noch von der LP-Edition von King aus Japan verstärkt wird. Dynamisch ist die sieben Jahre später entstandene Produktion um Längen besser und bereits erstaunlich breitbandig und frisch.

Dass diese Einspielung gleich zu Beginn nach den Abbado-Einspielungen gehört wurde, machte die vorliegende Orchesterleistung nicht besser. Es hapert ein wenig an der Präzision und über die Klangschönheit vor allem des Holzes (Oboe) lässt sich kaum streiten. Sehr gut ist jedoch das plastisch eingefangene eher quirlige Spiel vor allem in der Dg., die zupackend und lebendig gestaltet wird. Der Freudentaumel im Bacchanal ist nicht ganz so orgiastisch wie bei Abbado.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

4-5

Daniel Barenboim

Chicago Symphony Orchestra

ohne Chor

Erato

1991

16:29

Von Daniel Barenboim existieren bisher zwei Einspielungen der Suite. Zu der hier gelisteten gesellt sich noch die zehn Jahre früher entstandene mit dem OdP bei DG. Auf sie werden wir weiter unten noch kurz eingehen. Die Chicagoer ist der Pariser orchestral aber auch aufnahmetechnisch vorzuziehen.

1991 hören wir deutlich weniger Mischklang, die musikalischen Strukturen werden so deutlicher gemacht, der Klang blüht schöner auf. Die Bläser werden in einer besseren, weil präsenteren Relation zu den Streichern aufgenommen. Der Duktus wirkt nun erheblich frischer, wenngleich er noch immer nicht ganz ausgeschlafen wirkt. Aber es ist ja auch noch sehr früh am morgen. Das orchestrale Gewaber, das in Paris nicht ganz außen vor bleibt ist aber nun einem deutlich hörbaren hoch präzisen Orchesterspiel gewichen. Man darf vermuten, dass auch der Dirigent in den zwischen den beiden Aufnahmen liegenden zehn Jahren an Erfahrung gewonnen hat und daran seinen Anteil hat. Den finalen Sonnenaufgang Zi. 168 haben wir aber dennoch schon durchdringender und leuchtkräftiger gehört, was ja eigentlich eine Domäne dieses Orchesters gewesen wäre.

Auch in der Pantomime gewinnen die Bläser erheblich an Präsenz. Das Tempo ist ruhig, ohne zu schleppen. Sie gelingt, wenn man von kleinen Wacklern bei den Streichern einmal absieht stimmungsvoll, was auch für das Flötensolo gilt, das nun erheblich leichtfüßiger, differenzierter und sehr virtuos erklingt.

In der Dg. klingt das Orchester sehr sauber, auch schön von der Bassgruppe aus aufgebaut. Besonders gut gefällt hier die Klarinettengruppe mit einer richtig frechen Es-Klarinette, die den anderen „Hölzern“ zeigt, wer es am lautesten kann. Da muss auch die Piccolo-Flöte und das schwere Blech die Segel streichen. Sehr viel straffer und temperamentvoller klingt nun auch das Bacchanal.

Die Gran Cassa ist gut eingefangen worden. Der saubere und dynamische Klang erfreut. Gegenüber Paris gibt es auch keinerlei klangliche Verfärbungen.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

4-5

Yuri Temirkanov

Sankt Petersburger Philharmoniker

ohne Chor

Signum

2010, LIVE

2010

Die Philharmoniker aus Russland klingen mittlerweile wie ein „weltweites“ Spitzenorchester. Die Besonderheiten der Zeit von Mrawinsky sind gänzlich verschwunden. Beim Erwachen der Vögel klingen diese noch kurz angebunden, als ob ihnen die rechte Lust am Zwitschern noch fehlt. Der finale Sonnenaufgang erfolgt ohne besonderes Aufheben. Er wirkt nicht gerade wie der erste Kulminationspunkt der Suite. Die Streicher spielen geschmeidig und expressiv, die Härte vergangener Jahre ist vorbei. Die bei ihrem Solo nicht hervorgehobene Flöte spielt ihren Part schön, stimmig und geschmeidig, die beiden kleinen Wackler sind wohl der Live-Situation geschuldet. Der Pantomime wird auch ansonsten viel Anteilnahme zuteil und wird mit Wärme gegeben. Die Klarinetten klingen etwas dünner als gewohnt.

Im Dg. allerdings erleben wir die Es-Klarinette als ein kleiner „Till Eulenspiegel“. Der freche Schelm im Bläsersatz will einfach keine Ruhe geben und spielt seine Mitstreiter fast schon an die Wand. Vielleicht hat sie sich auch heimlich ein eigenes Mikrofon geschnappt? Zuzutrauen wäre es ihr. Ansonsten erklingt der Dg. stimmig.

Weich, voll und gerundet zeigt sich der Klang der Aufnahme. Er ist sehr transparent aber nicht sonderlich dynamisch. Die Räumlichkeit wirkt natürlich. Die Gran Cassa kommt gut ins Bild. Das ist wohl die alternative Version für den Klarinettenfreund, der ganz genau die Stimme der Es-Klarinette kennenlernen möchte. Hier bekommt er sie auf dem Silbertablett serviert.

 

 

 

4-5

Lorin Maazel

New York Philharmonic Orchestra

ohne Chor

DG

2007, LIVE

17:24

Gegenüber der Wiener Einspielung sitzen wir als Hörer noch etwas näher am Ort des Geschehens als in Wien. Der Klang ist sehr gut aufgelichtet, extrem durchhörbar und offen. Jedoch klingt sie nicht so dynamisch wie die Wiener und in den Dynamikspitzen verliert sie vernehmlich etwas an Transparenz.  Maazel holt hier hellhörig alle Details ans „Tageslicht“. Das Orchester präsentiert sich insgesamt im besten Licht. Die Violinen verfügen jedoch nicht über den satten Schmelz der Wiener. Die Flöte in der Pantomime agiert mit weit ausschwingendem Vibrato, was mitunter schon wabernd und weinerlich wirkt. Ansonsten spielt sie brillant, notegetreu und in goldenen Farben. Maazel lässt ihr auch sehr viel Zeit, sich mitzuteilen. Auch das sehr präsente Violinsolo zeigt viel Vibrato und streift nach unserer Auffassung bereits die Grenze des guten Geschmacks. Aber über Geschmack lässt es sich  nicht streiten, er ist einfach zu sehr Definitionssache.

In der Dg. wirkt die Dynamik deutlich abgeschwächt, was bedauerlich ist. An der Spielzeit kann man ersehen, wie genau sich der Dirigent an das Erlernte und einmal für richtig Erachtete halten kann, über Jahre hinweg.

▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten weiter unten in der Liste

 

 

 

4-5

Justus Frantz

Philharmonie der Nationen

ohne Chor

Allegria

P 2003, LIVE

16:25

Gestaunt haben wir beim Anhören dieser Einspielung. Nie hätten wir diese Qualität von dem Gelegenheitsdirigenten Frantz und seinem Adhoc-Orchester erwartet. Man beginnt zwar nicht gerade im vorgeschriebenen pp, aber der Verlauf gelingt hochprofessionell und hoch motiviert. Man scheint sorgfältig geprobt zu haben. Das f in den Trompeten hört man bei Zi. 165 sonst meist besser durch aber der finale Sonnenaufgang gelingt sehr achtbar. Lediglich das Schlagwerk hätte bei den Strahlen noch etwas mehr Glanz dazu zaubern können. Bei den Oboen hat untypischer Weise  die zweite mehr Klangvolumen und -charakter als die erste. Da das Konzert wohl im Fernsehen (Ort der Aufnahme war Mainz, also im ZDF) gesendet wurde, hat man vielleicht mehr Wert auf das attraktive Äußere des Spielers oder der Spielerin gelegt als auf den Klang des Spiels. Auch der Verbund der beiden mit dem Englischhorn (Zi. 172) gelingt nicht ganz homogen.

Die Flöte beginnt ihr Solo schon im ff, ungebremst bereits im vollen Sound. Hier entsteht vor unserem Auge eine Diva, die sich nicht um Anweisungen schert und kein junges, geschmeidiges Mädchen im flexiblen Tanz. Von dynamischen Differenzierungen wird denn auch weitgehend Abstand genommen zugunsten einer permanenten Brillanz. Die am Solo beteiligten vier Flöten passen allerdings sehr gut zusammen und klingen bruchlos wie ein Instrument. Insgesamt wirkt die Pantomime sehr gut ausgehört.

Die Dg. mit sehr schön hervorgehobenem Holz wird spannend aufgebaut, mitreißend gestaltet und gespielt. Die Extremwerte an Extase werden jedoch nicht erreicht. Trotzdem alle Achtung!

Der Klang ist wirklich sehr transparent und offen. Die Ortbarkeit ist ausgezeichnet, die Staffelung nur in der Breite sehr gut. Die Dynamik ist recht weit gespreizt und knackig. Der Gesamteindruck wirkt angenehm und natürlich. Hochprofessionell und weitgehend ohne Kompromisse.

 

 

 

4-5

Jean Martinon

Orchestre de Paris

Choers de l´Opéra National de Paris

EMI

1974

16:22

GA  Dieses Mal wirkt die Akustik dieser als Quadro-Aufnahme entstandenen Einspielung in den ersten beiden „Sätzen“ nicht so hallig wie noch bei „Le Tombeau de Couperin“. Im letzten Satz dem Dg. allerdings doch wieder deutlich mehr. Die Konturen wirken weich und recht plastisch, der Bass wirkt zwar profund aber nicht besonders straff. Das Orchester klingt nicht so transparent wie in Martinons erster Einspielung aus Chicago. Martinon erweist sich auch hier erneut als Kenner der Partitur und fördert Details zutage, die sonst unhörbar bleiben oder nicht auffallen. (z.B. ZI. 158 hier spielt mit den Bratschen auch eine Klarinette mit, die meist unterschlagen wird). Der Sonnenaufgang wirkt klasse und völlig unverzerrt. Bei Zi.170 wirkt die erste Oboe wie von weit her, die zweite dann viel näher gekommen. Ein netter Einfall. Das Flötensolo wirkt monochromer als in Chicago.

Im Dg. klingt das OdP in den Soli wie im Zusammenspiel unschärfer und nicht in derselben Perfektion wie das CSO. Auch die wieder stark ausladende Räumlichkeit verunklart die Strukturen. Hier lässt dann doch die Clarté zu wünschen übrig, was aber dieses Mal mehr auf das Konto der Technik geht. Der Chor wirkt ebenfalls sehr ausladend und wird im Finale sogar dominierend.

 

 

 

4-5

Sergiu Celibidache

Münchner Philharmoniker

Philharmonischer Chor München

MPHIL

1987, LIVE

19:01

Celibidaches innere Uhr schlägt in München viel langsamer als noch in Mailand und Stuttgart. Das Orchester stellt ihm für die Morgendämmerung wunderbar dunkel schimmernde Klänge zur Verfügung. Der warme Grundklang des Orchesters wirkt hier besonders füllig und weich. Der Raum wirkt sehr ausgedehnt, die imaginäre Klangbühne sogar für Münchner Verhältnisse wie geweitet. Celibidache lässt die gleiche Akribie walten wie in den beiden Aufnahmen zuvor, eher setzt er noch einmal was drauf, was die Zeit nur noch weiter dehnt. Die Vögel zwitschern nun nicht mehr so fröhlich und exponiert wie noch in Stuttgart. Das Orchester klingt sehr geschmeidig, noch sonorer als das Stuttgarter aber auch deutlich weniger transparent. Sogar die Trompetenstelle ein Takt nach Zi. 165 wird nur noch angedeutet hörbar, wirkt somit gedämpft. Alles wirkt bis dahin wie mit einem gewissen Misterioso-Effekt. Die Dynamik beim finalen Sonnenaufgang erklingt lange nicht so eruptiv wie noch 13 Jahre zuvor in Stuttgart.

In der Pantomime schlägt Celi ein sehr, sehr langsames Tempo an, als strebe er ein Ballett in Zeitlupe oder ein von Rekonvaleszenten getanztes an. Man kann dazu stehen wie man will, es wird jedenfalls mit großer Empathie, ja Zärtlichkeit gespielt, wie man es in einer Liebesgeschichte an dieser Stelle auch erwarten darf. Den Glücklichen schlägt eben keine Stunde.

Im Dg. wird die „Caisse claire“ (wie Ravel die Snare drum oder die kleine Militärtrommel nennt) zunächst kaum hörbar gemacht. Da geht vorantreibendes Moment verloren. Das Tempo bleibt auch ziemlich gemächlich, die Steigerungen wirken so ziemlich breit aber durchaus noch spannend und vor allem exzessiv.  Der groß besetzte Chor agiert mit gedämpfter Energie, aber doch nicht nur rein instrumental. Die Werksicht Celibidaches hat nach 13 Jahren insgesamt eine erstaunliche Wandlung durchgemacht. Unser Favorit bleibt die Stuttgarter Einspielung.

 

 

 

4-5

Guido Cantelli

New York Philharmonic Orchestra

ohne Chor

Urania

1955, LIVE

14:39

MONO  Schon alleine von der benötigten Spielzeit her gesehen ist Cantelli der Antipode des späten Celibidache. Auch was die Farbvaleurs anlangt, die bei Celi gar nicht fein genug austariert werden können, scheinen hier kaum zu interessieren. Die Technik lässt auch nur ein Einheitsgrau zu, was aber zu Beginn, wo noch Dunkelheit waltet, nicht schlecht passt. Cantelli ist viel mehr am Drama interessiert, das hier nahezu atemlos stringent dargestellt wird. Wie unter diesen Vorzeichen nicht anders zu erwarten gelingt so die Dg. am besten. Der Dirigent hat alles im festen Griff und treibt die Philharmoniker zu eruptiven Steigerungen. Die auch hier wieder besonders freche Es-Klarinette beherrscht den ganzen Bläsersatz. Hier handelt es sich um ein ausgesprochen sportliches Liebespaar, das die Olympia-Qualifikation in welcher Disziplin auch immer, sicher locker geschafft hätte. Getanzt lässt sich dieses Tempo irgendwie kaum noch vorstellen. Das Orchester hatte einen großen Tag, wenn nur die schlechte Technik nicht wäre...

Der Klang ist mitunter schrill, die Violinen klingen gepresst, der Gesamtklang undifferenziert und hart. Wenige und eher fahle Klangfarben.

 

 

 

4-5

Lorin Maazel

Cleveland Orchestra and Chorus

Decca

1975

16:05

GA Gegenüber den beiden späteren Einspielungen  legt der Dirigent hier eine jugendlichere und frischer wirkende Gangart an den Tag. Zügig und mit Drang nach vorne plätschert hier der farbenfrohe Wasserfall. Der finale Sonnenaufgang klingt monumental, wobei der Chor - ähnlich wie bei Stokowski - auch hier mit bibelfilmähnlicher Deklamation etwas über das Ziel hinausschießt. Das Orchester gefällt erneut, wie bereits bei Szell und Dohnanyi mit schlanker Perfektion. Das Flötensolo erklingt weniger brillant als mit gedeckter Farbgebung und vielleicht etwas zu weit nach hinten gesetzt. Bisweilen wirkt es wie mit einer sehr feinen Nadel gestrickt. Der Dg. klingt vorantreibend, der hier weniger profilierte Chor dient mehr der Bereicherung der Klangfarben und hält sich bezüglich der Stöhnlaute eher vornehm zurück. Diese Einspielung gefällt mit selbstverständlicher Perfektion und Verve, bleibt im Ausdruck jedoch auch als Ganzes zurückhaltend. Auch die finale Extase wirkt etwas nüchtern.

Die Klangfarben wirken weich und keinesfalls verschwenderisch. Im ff klingen die Violinen leicht gequetscht, dem Klang fehlt die letzte Brillanz.  Präsenz, Dynamik und Staffelung sind gut. Die Transparenz unaufdringlich. Insgesamt klingt die Produktion recht natürlich.

 

 

 

4-5

Johannes Klumpp

Konzerthausorchester Berlin

ohne Chor

RBB, LIVE

2011, LIVE

16:47

Diese CD vom Wettbewerb um den Deutschen Dirigentenpreis 2011, zeigt ein gut aufgelegtes und sehr gut besetztes Berliner Orchester mit einem bereits hoch professionell agierenden jungen Dirigenten, der gerade erst kürzlich als Nachfolger des tragisch verunglückten Thomas Fey zum künstlerischen Leiter der Heidelberger Sinfoniker ernannt wurde. Das Orchester zieht jedenfalls begeisternd mit, gerade auch wenn man bedenkt, dass es an diesem Abend mit mehreren Finalisten aufzutreten hatte und sich mehrmals umstellen musste. Dem Sonnenaufgang fehlt nur ein Quäntchen Glanz und Kraft. Die Flöte atmet lieber ein paar Mal zu oft als zu wenig, dafür spielt sie aber recht partiturgenau, wenn  auch im Ton nicht ganz so verschwenderisch und üppig wie in Kollegen bei den Philharmonikern. Die Darstellung ist als Ganzes hoch engagiert und hoch professionell.

Der Klang ist präsent und offen, geschmeidig und gut gestaffelt, sehr dynamisch und mit einer guten Gran Cassa gewürzt.

 

 

 

4-5

Eduardo Mata

Dallas Symphony Orchestra and Chorus

RCA

1979

15:26

GA  Die erste Digitalaufnahme der RCA galt dem Ballett Ravels. Sie gelang dem Dirigenten und dem Orchester fast kammermusikalisch fein und transparent. Weite Teile sind zart abgetönt in einem hier besonders auffälligen Piano. Im Ganzen jedoch eher wohltemperiert als mitreißend. Die Räumlichkeit ist nur in der Breite schön ausgeprägt, die Tiefendimension fehlt weitgehend. Die Transparenz ist gut. Die Kastagnetten fallen etwas aus dem Klangbild heraus. Die Gran Cassa hat große Schauwerte.

Die Bächlein bilden hier keinen Klangteppich und fallen mehr ins Gewicht als üblich, weil jede einzelne Note hörbar gemacht wir, währenddessen die Bratschen die Melodie spielen. Ob sich das Ravel so gedacht hat? Der Chor macht hier bei seinem ersten Einsatz einen sehr guten und homogenen Eindruck. Die Opulenz des Sonnenaufgangs wirkt etwas geschmälert. Das Orchester macht einen perfekt vorbereiteten Eindruck, auch das Holz überzeugt voll und ganz.

Das Flötensolo klingt vom Focus her recht klein und mit wenig brillanten, dafür eher warm-erdigen Ton, als ob hier Holz statt Metall ins Schwingen kommt. Ihr Vortrag ist temporeich, beschwingt und impulsiv. Und das Violinsolo ist mit das einzige, dass wie vorgeschrieben am Ende leiser wird, statt lauter! Der Dirigent lässt es also nicht an Einfühlungsvermögen und Sorgfalt fehlen.

Die Dg. wird jedoch sehr vorsichtig angegangen, bringt aber reichlich Valeurs heraus, die sonst im Tumult untergehen. Die Steigerungen erfolgen eher gemächlich. Beim Chor obsiegen die Frauenstimmen ganz deutlich Sie lassen es auch nicht an orgiastischen Lauten fehlen.

In Matas Version gefällt besonders die aufregende, farbige und temporeiche Gestaltung der Pantomime.

 

 

 

4-5

Yan Pascal Tortelier

Ulster Orchestra

Belfast Philharmonic Society & Renaissance Singers

Chandos

1990

16:05

Generell spürt man hier de Versuch die Musik des Ballettes zu dramatisieren, was aber gelegentlich auch zu Vergröberungen führt. Das Orchester aus Belfast spielt auf hohem Niveau und engagiert, kommt aber an die Leistung der Spitzenklankörper nicht heran. Das Tempo im ersten „Satz“ ist ausgesprochen zügig. Der Chor agiert hier noch undeutlich und schemenhaft. Die Pantomime lässt sich da mehr Zeit und wirkt keinesfalls gehetzt. Die Flöte agiert behutsam und flexibel, wo nötig auch zupackend, klanglich mag sie nicht den allerhöchsten Ansprüchen zu genügen. Der groß besetzte Chor ist in der Dg. sehr gut hörbar, aber nicht ganz homogen, an Sinnlichkeit mangelt es ihm jedoch nicht.

Der Klang der Einspielung ist dynamisch, weiträumig, klar und recht tief gestaffelt, büßt dadurch jedoch etwas an Präsenz ein. In der Dg. wirkt der Klang etwas zu hallig.

 

 

 

4-5

Gary Bertini

Kölner Rundfunk-Sinfonierorchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln)

ohne Chor

Capriccio

1989

16:54

SACD Auch Bertini zieht schnellen Fußes durch das Morgengrauen, und bleibt dabei recht ausdrucksvoll. Sein Sonnenaufgang leuchtet wieder etwas anders, denn die Celesta hat offensichtlich einen günstigen Platz vor den Mikrofonen erwischt. In der leicht und locker gegebenen Pantomime lässt er sich umso mehr Zeit. Die Flöte mit wohltuend wenig Vibrato spielt weich und biegsam. Ihr Vortrag ist sehr gut dynamisiert. Klangschön sind auch die weiteren Soli (Violine, Oboe, Klarinette). Die Dg. klingt unaufgeregt (aber nicht mit angezogener Handbremse) doch mit Impetus. Das Finale klingt ausgesprochen wuchtig.

Der Klang ist recht transparent, farbstark und dynamisch, im Forte bisweilen etwas dicht. Man bekommt ein sauber abgebildetes Orchesterpanorama geliefert.

 

 

 

4-5

Leonard Slatkin

Saint Louis Symphony Orchestra and Chorus

Telarc

1983

15:48

Auch Telarc wollte bei seinen ersten Digitalaufnahmen mit dem Stück von Ravel Punkte bei den (damals noch Schallplatten-)Käufern sammeln. Die spezielle Ravelsche Clarté schein jedoch etwas gemindert, manches wirkt leicht verhangen, manches sentimental aufgebläht, und manches Detail bleibt gar ungehört, sodass man hier eher von einer etwas romantisierenden Wiedergabe der routinierteren Art sprechen kann, die es nicht 100%ig genau nimmt. Manches wirkt auch etwas beiläufiger als bis hierher gewohnt. Das Orchester macht seine Sache gut, die Soli aber bleiben nicht lange im Gedächtnis haften. Der groß besetzte Chor fällt vor allem dadurch auf, dass er sich andere Vokale und Konsonanten für seine Vokalisen aussucht. Das wirkt sehr ungewohnt, aber da Ravel nur die gewünschten Noten in die Partitur schreibt, sei es gestattet und man muss der Truppe schon einen gewissen Mut attestieren. Der Schlusspunkt gelingt donnernd. Die Einspielung ist solide, konnte uns jedoch nicht sonderlich emotionalisieren, aber das ist ja subjektiv. Da gerade zuvor die hellhörige Produktion Skrowaczewskis gehört wurde, konnte es hier auch zu einer leichten (unbewussten) Abwertung gekommen sein. Diese kam uns jedoch viel aufregender und am Ende auch frenetischer vor. Wir denken dabei auch noch an den Kirchenchor!

Auch der Klang dieser frühen Digitalproduktion ist weniger präsent als der noch analoge aus Minnesota, wirkt leicht nach hinten gesetzt, aber noch transparent. Die Gran Cassa, damals fast zu einem Markenzeichen von Telarc geworden, klingt hier jedoch gewohnt spektakulär und sie trägt sehr viel zum Grad der erreichten Extase bei.

 

 

 

 

 

4

Valery Gergiev

London Symphony Orchestra and Chorus

LSO LIVE

2009, LIVE

15:52

SACD GA  Schon zu Beginn bemerkt der aufmerksame Hörer, dass die schnellen Streicherfiguren, die unter anderem bei Abbado perfekt proportionierte geschmeidige Klangflächen ergeben, hier unruhig, ja ungeordnet klingen. Wir glauben nicht, dass Gergiev so ein stürmischeres Wetter suggerieren wollte, dass das Wasser sich kräuseln lässt. Vielmehr scheint man mit nur wenigen Proben ans Werk gegangen zu sein, oder man hat einen der schlechteren Tage erwischt. Auch der erste Choreinsatz kommt beiläufig. Den Sonnenaufgang haben wir schon erheblich strahlender gehört. Bei Zi. 175 sind im Unisono Oboen und Englischhorn einzeln herauszuhören. Das so hoch geschätzte LSO lässt es dieses Mal etwas an der gewohnten Präzision fehlen.

Die Flöte hingegen phrasiert und dynamisiert ausgezeichnet und spielt ausgesprochen schön. So phrasiert man, der Dirigent hätte es nur übernehmen müssen. Die Dg. erklingt jedoch erheblich zwingender in der Gestaltung und in einem mitreißenden Tempo.

Ansonsten erlebt man eine professionelle, aber routinierte Darbietung, die den Dirigenten aber weder in ihrem spezifischen Klangfarbenspiel noch in den dezidiert gestischen Elementen besonders interessiert zu haben scheint. Vielleicht hatte er einfach keine Zeit dazu sich intensiver mit der Materie zu beschäftigen. So klingt das weitgehend biererst und wenig emotional.

Man vernimmt im CD-Modus eine leidlich ausgeprägte Transparenz und Tiefenstaffelung, wie man sie von einem recht weit entfernten Platz in einem mittelmäßigen  Konzertsaal erwarten kann, nicht besonders dynamisch und etwas lustlos. Für eine Aufnahme von 2009 ist das viel zu wenig. Im SACD Modus ändert sich das jedoch gewaltig, besonders im Mehrkanal-Modus. Sogar der Dirigent wirkt nun motivierter, das Orchester glanzvoller und farbenreicher. Eigentlich kaum zu glauben. Dies rettet der Produktion die sehr gute 4.

 

 

 

4

Myung Whun Chung

Orchestre Phiharmonique de Radio France

Choer de Radio France

DG

2004

15:50

GA  Das nach dem Orchestre National de France als zweites Orchester des französischen staatlichen Rundfunks gegründete Orchester galt zurzeit der Aufnahme als eines der besten Orchester, wenn nicht sogar als bestes Orchester Frankreichs. Die Wiedergabe wirkt auch perfekt durchgearbeitet. Seine Klasse hört man dem Spiel auch durchaus an (geschmeidig). Es fehlt ihm jedoch etwas an Wärme (Violinen) und die einzelnen Solisten erreichen noch nicht ganz die Qualität der besten. So die Oboe, der es, gerade nach der Stuttgarter Celibidache-Aufnahme gehört, an beredtem Ausdruck fehlt. Das ist aber Kritik auf höchstem Niveau. Ausnehmen muss man freilich die Flöte, die zu den besten überhaupt gehört. Zwar gibt es reichlich Atemgeräusche, aber ihr Klang ist glasklar, die Phrasierung wunderbar proportioniert, dynamisch bewundernswert exakt und der Ton klingt trotz oder wegen eines stark reduzierten Vibratos ausgesprochen sinnlich. Die Dg. erklang schon dynamischer und mit mehr Extase. Der Chor klingt eher weich und gesittet, zwar sehr groß besetzt aber etwas zu zurückhaltend und nicht gerade exaltiert. Diese Produktion bleibt vor allem wegen des Flötensolos in nachhaltiger Erinnerung.

Der Klang gefällt, denn er ist weiträumig, sehr gut gestaffelt, auch in die Tiefe und sehr dynamisch, weich und geschmeidig, jedoch leicht gedeckt, eher pastellfarben und ein wenig leblos-steril, wenn man ihn mit den besten vergleicht.

 

 

 

4

Gerard Schwarz

Seattle Symphony Orchestra and Chorale

Delos

1990

15:42

GA  Obwohl sich das Orchester in großer Form auftritt wirkt diese Einspielung weniger profiliert. Zwei Takte zwischen den Ziffern 157 und 158 fehlen ganz, offensichtlich sind sie einem ungeschickten Schnitt zum Opfer gefallen. Ansonsten macht die Produktion jedoch einen sorgfältigen Eindruck. Die ersten Violinen dominieren über weite Strecken etwas über Gebühr das Klangbild. Der Duktus wirkt abschnittweise wie durchbuchstabiert, wahrscheinlich sollte es jedoch in diesen Abschnitten nur besonders deutlich wirken. Stets wirkt das Spiel jedoch einfühlsam und differenziert, bisweilen gar ziseliert. In der Pantomime wirkt Schwarz sehr nachgiebig in der Temponahme, das Flötensolo wirkt etwas verträumter als üblich.

Die Dg. nun mit einem flotten Tempo versehen, wirkt leicht maschinenhaft und gedrillt. Mitunter denkt man auch an einen Galopp. Der stark besetzte Chor tönt präsent. Insgesamt wirkt die Darbietung teils leicht verschleppt, teils etwas unbeteiligt und teils forciert.

Klanglich ist sie jedoch ein großer Wurf. Sehr transparent, schön räumlich und weich, zwar etwas entfernt aber mit guter Tiefenstaffelung. Sie klingt gut ausbalanciert, durchaus lebendig und farbig und die Gran Cassa hat viel Bassgewalt.

 

 

 

4

Donald Runnicles

BBC Scottish Symphony Orchestra

Edinburgh Festival Chorus

BBC Music

2011, LIVE

15:05

GA  Das Morgengrauen wirkt hier etwas unbeteiligt, undifferenziert und passiv, aber wie unter einen Bogen gezwungen. Einzelne Farben werden nicht hervorgehoben, sind aber in Mischungen dennoch vorhanden. Der Chor kommt schon im ersten Satz prominent ins Bild. Das etwas weniger bekannte BBC-Orchester aus Glasgow weiß zu überzeugen.

Die Pantomime ist der beste „Satz“ in dieser Einspielung. Hier mangelt es nicht an Ausdruck.  Das Holz klingt sehr schön und auch die Flöte bläst ihr Solo überaus gefällig. Die Dg. wird mit motiviertem Antrieb gespielt, bleibt dynamisch jedoch etwas blass. Der Chor wird gut integriert. Die ausgesprochen sanften Stimmen der Frauen dominieren dennoch die Männer deutlich. Im Ganzen wirkt die Dg. etwas artig und harmlos.

Die Techniker der BBC haben gute Arbeit geleistet. Der Klang tönt sehr transparent, weich und abgerundet, voll und differenziert.

 

 

 

4

Charles Munch

Orchestre de Paris

ohne Chor

EMI

1968

17:37

In der wenige Monate vor seinem Tod entstandenen Einspielung leitet Munch das Orchester, das er als der erste (im Sinne von: beste) Klangkörper der französischen Hauptstadt aufbauen sollte. Dies zu verwirklichen blieb ihm jedoch zu wenig Zeit. In seiner ersten Visitenkarte bleibt es deutlich hinter dem BSO von 1955 zurück. So klingt der Sonnaufgang auch nicht sonderlich gut durchorganisiert und wenig transparent. In der Pantomime, die mitunter fast bis zum Stillstand kommt erklingt die Flöte zu Beginn viel zu laut, später mäßigt sie sich zum Glück, ertönt aber immer noch zu wenig präsent. Munch lässt hingegen das Orchester zu großen Gefühlen aufwallen. Das Schlagwerk klingt teilweise unangenehm schrill, man gewinnt den Eindruck, dass die Technik das Orchester nicht zur Gänze adäquat aufnehmen kann. Im Dg. klingt das Orchester dann auch zu hallig. Die unpräzise Akustik lässt den Klang im ff gar ins „schwimmen“ kommen.  Munchs temperamentvoller Zugriff packt mit zunehmender Dauer des Dg. immer mehr, unterstützt von einem Blech mit „Biss“. Insgesamt bleibt diese Deutung jedoch weit hinter der 55er Einspielung mit dem BSO zurück.

Der Klang erscheint zunächst recht füllig, es fehlt aber fast durchweg an Präsenz, vor allem das Holz ist zu weit entfernt. Trotzdem geht die Transparenz noch in Ordnung. Das ganze Klangbild zielt auf repräsentative Größe ab, was wir schon öfter zu jener Zeit bei Aufnahmen des Orchesters bei EMI beobachten konnten. Spürbar soll hier mit breitem Pinsel gemalt werden. Außerdem rauscht die Aufnahme deutlich mehr als die 55er aus Boston, die wir aber auch in einem neueren Remastering gehört haben.

 

 

 

4

Mikhel Kütson

Deutsches Sinfonieorchester Berlin

ohne Chor

RBB

2006

17:05

Im Gegensatz zur Aufnahme der Suite im Deutschen Dirigentenwettbewerb fünf Jahre später mit Johannes Klumpp am Dirigentenpult merkt man der Aufführung mit Mikhel Kütson, der übrigens mittlerweile als GMD in Krefeld-Mönchengladbach wirkt, noch ein wenig Wettbewerbsnervosität an. Nicht alles gelingt dem Orchester hier bruchlos, sowohl bei den Streichern als auch bei den Bläsern. Der finale Sonnenaufgang klingt eruptiv und glänzend.  Die Pantomomie wirkt vom Tempo her deutlich nachgiebiger als bei Klumpp. Mitunter droht die Spannung etwas nachzulassen. Die Soloflöte ist dem beginnenden pp zu Beginn des großen Solos viel mehr zugetan als ihr Pendant 5 Jahre später beim Konzerthausorchester. Ihr Spiel wirkt mitunter etwas zaghaft, als wäre unsere Protagonistin eher von schüchternem Wesen, was sehr ungewöhnlich ist, denn meist versucht man hier ein möglichst brillantes Bild der eigenen Fähigkeiten zu malen. Das Spiel wirkt aber auch teilweise etwas distanziert. In der Dg. erlebt man das Holz präsent wie nur ganz selten, was uns außerordentlich gefallen konnte. Temponahme und extatische Anmutung des finalen Bacchanals konnten dann wieder weniger überzeugen. Vor die Wahl gestellt, hätten wir für Johannes Klumpp votiert. Auch wirkt das DSO hier nicht ganz so präzise wie das KHO fünf Jahre später.

Klangtechnisch steht der Mitschnitt von 2006 dem von 2011 in nichts nach. Insgesamt klingt der ältere einen Hauch weniger offen, und etwas weniger dynamisch, aber ausgesprochen plastisch, vor allem beim Schlagwerk.

 

 

 

4

Georges Prêtre

Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR

ohne Chor

Hänssler

1991

16:55

Mit der auch hier wieder unruhig und dringlich wirkenden, fast nervösen Art  des Dirigenten beginnt auch diese Einspielung wieder mit einem vorwärtsgerichteten Gestus. Im Rahmen des hier technisch möglichen strahlt der finale Sonnenaufgang recht brillant. Die Pantomime gelingt mit einem treffenden spielerischen und subtilen Spiel. Gut gefallen auch diesmal wieder die schön voll klingenden und gut austarierten Oboen, die auch den klagenden Ton gut nachzeichnen können. Das Solo der Flöte wird auch bei Prêtre wieder sehr intensiv geblasen, mit wenig Vibrato, recht laut aber mit subtiler Phrasierung ist es wohl insgesamt eines der besten. Die Dg. kann nicht mit der gerade zuvor gehörten treibenden, fetzigen Vehemenz Ozawas anknüpfen. Bei Prêtre gefällt vor allem die Pantomime, während die anderen beiden „Sätze“ klanglich und gestalterisch insgesamt etwas blass bleiben. Das liegt auch an der technischen Seite, die gegenüber der älteren Einspielung mit Celibidache und dem RSO deutlich an Leuchtkraft und Auflichtung bzw. Auffächerung einbüßt. Sie wirkt aber noch etwas präsenter und farbiger als die viel neuere mit Denève. In den Dynamikspitzen wirkt  Prêtres Einspielung räumlich etwas verengt, sie wirkt auch nicht ganz frei und könnte auch voller klingen.

 

 

 

4

Louis Frémaux

London Symphony Orchestra

ohne Chor

Collins, Brillant

1989

17:03

Zunächst gefällt diese Einspielung mit ihrem besonders stimmungsvollen Beginn. Das Vogelgezwitscher kommt hier besser zur Geltung als gewöhnlich. Der Höhepunkt des Sonnenaufgangs jedoch klingt schon ziemlich mulmig. Das Wetter an diesem Morgen scheint diesig, trüb oder gar neblig gewesen zu sein. A Foggy Day in London Town, kein Spur mehr von französischer Clarté. Das Flötensolo in der Pantomime erklingt recht langsam aber in einem schön erzählenden Ton, auch durchaus gestenreich. Bei Zi. 179 f werden die 1/64stel viel zu langsam gespielt. Bisweilen verliert sich der Dirigent ein wenig zu sehr in den Details, was uns bei Celibidache, der ähnlich langsam (Stuttgart) und sogar noch langsamer (München) vorging, nicht auffiel. Das Klangbild geht in der Dg. im ff etwas zu. Die „Danse générale“ läuft auch tempomäßig ziemlich gemütlich ab. In Lautstärke und Dynamik gelingt der Zugriff hingegen zupackender. Das Schlagwerk kommt schön präsent heraus. Das Orchesterspiel wirkt hier weit weniger inspiriert als bei Abbado.

Das Klangbild ist zudem etwas zu weich, wenig sonor und ohne besondere Tiefenschärfe. Auch die Brillanz lässt gegenüber Abbado deutlich nach (aufnahmetechnisch und auch spieltechnisch). Es gibt auch kaum Bass. Während das Orchester bei Abbado wie unter einer Lupe agiert, so deutlich klingt alles, kommt es einem bei Frémaux so vor, als betätige sich die Klangtechnik eher als Fernglas.

 

 

 

4

Armin Jordan

Orchestre de la Suisse Romande

ohne Chor

Erato

1986

17:17

Nach den beiden Jansons-Einspielungen und der des Sohnes Philippe Jordan gehört, wirkt das Orchesterspiel bei Armin Jordan als ganzes etwas träger und nicht mehr so auf Linie gebracht, immer noch gekonnt, aber etwas glatter. Der finale Sonnenaufgang erhält aber dennoch die Strahlkraft eines geschliffenen Diamanten. Dem Flötensolo fehlt gegenüber der viel jüngeren Aufnahme des Sohnes die letzte Clarté. Das Niveau des Spiels ist nichtsdestotrotz sehr hoch. Die Danse générale klingt etwas gemütlich, die Dynamiksprünge nicht ganz so ansatzlos, die Gran Cassa nicht so umrissscharf. Sie wirkt als Ganzes etwas mühevoller und mit weniger Schwung dargeboten.

Hauptmanko der Aufnahme ist die gefühlt große Entfernung des Hörers zum Ort des Geschehens, das dadurch weniger unmittelbar packend wirkt. Auch die Transparenz und die Offenheit erreicht nicht das Maß des beim Sohn Gebotenen. Die Klangfarben wirken etwas heller, vor allem die Violinen klingen nicht ganz so sonor, weniger voluminös und weniger lebendig.

 

 

 

4

Stéphane Denève

Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR

SWR Vokalensemble

Hänssler

2014

16:34

GA In der dritten Aufnahme des RSO Stuttgart nach Celibidache und Prêtre klingt das Orchester nun schön geschmeidig mit einem leicht weich gezeichneten eher pastellfarbenen Klang, der weit weniger farbig, strahlkräfig und intensiv erscheint als bei dem Rumänen. Und das trotz der 40 Jahre, die an technischer Entwicklung dazuwischen liegen müssten. Am deutlichsten zu bemerken am finalen Sonnenaufgang Zi. 168. Der erstmalig aus Stuttgart zu hörende Chor klingt hingegen sehr deutlich, zudem wird er gut in den Gesamtklang integriert. Insgesamt hat man des ersten „Satz“ der Suite jedoch schon großbogiger und aufregender gehört. Die Pantomime gefällt besser, denn sie lebt von den vortrefflichen Holzbläser-Solisten des Orchesters. Der Gestus ist vornehmlich sanftmütig. Das Flötensolo ist ein Kabinettstück, versehen mit feinster Agogik und dynamisch außerordentlich flexibel.

Die Dg., in unaufgeregtem Grundtempo gegeben, macht die Extase nun auch mit einem Chor nacherlebbar. Ab Joyeux tumults bleibt es trotz Chor, wie zuvor schon brav und nur wohlgeordnet. Dynamisch reißt der Stuttgarter Mitschnitt auch im finalen Bacchanal keine Bäume aus und bleibt weit hinter Celis Glanzleistung zurück.

 

 

 

4

Jean-Claude Casadesus

Royal Philharmonic Orchestra London

ohne Chor

Membran

1994

16:19

SACD Ohne erwähnenswerte Besonderheiten, recht sorgfältig und recht subtil laufen die beiden ersten Sätze der Suite beim Großneffen des großen Pianisten Robert Casadesus ab. Das Flötensolo erklingt stimmig und eher etwas schlichter als üblich. Die Dg., das Alphabet wollte es, dass sie gerade nach Cantellis Version gehört wurde, wirkt dagegen beim Franzosen erheblich breiter und fast schon betulich. Im Gegenzug hört man aber auch viel mehr von der Faktur des Stückes und das allein ist ja auch schon ziemlich aufregend. Die Extreme spielen sich bei Casadesus eher in Lautstärke und Dynamik als in einem extatisch-bacchantisch gesteigerten Tempo ab. Da passt es, dass die Technik davon ein gehöriges Maß bietet, während die Farben etwas blass wirken und die Violinen nicht ganz frei klingen.

 

 

 

4

Daniel Barenboim

Orchestre de Paris

ohne Chor

DG

1981

17:02

Das Orchester erfreut zunächst mit geschmeidigem Beginn. Die Balance ist jedoch zugunsten der offensiver wirkenden Streicher verschoben, während bei den Bläsern wie so oft das Holz zu gut versteckt bleibt. Der Höhepunkt des „Lever du jour“ ist nicht ganz zusammen. Die Pantomime wird dann wieder etwas sorgfältiger intoniert, die Flöte lässt es jedoch im zentralen Solo an Differenzierung mangeln. Bei Zi. 176 klingen mf und f genau gleich laut. Das ppp  bei Zi. 178 nur ganz minimal leiser als das ff. Die Phrasierung geht komplett gerade durch. Vom Tempo her ist eine leichte Tendenz zum Schleppen zu bemerken, eine gestenreiche Gestaltung gelingt anderen plastischer.

In der Dg., deren Grundtempo durchaus etwas straffer sein könnte, hört man im Prinzip keine Präzisionsprobleme, jedoch bemerkt man beim direkten Vergleich zu Abbados LSO, dass es da doch erheblich brillanter und genauer zugehen könnte.

Der Klang der frühen Digitalaufnahme (Ravels Stück wurde zu jener Zeit von allen Labels sehr gerne als Schaustück produziert, um die neue Technik ins beste Licht zu rücken) hört sich heute noch recht transparent und weiträumig, auch recht füllig, aber auch gläsern und etwas kalt an. Die Dynamik gelingt recht angemessen. Barenboims Chicagoer Einspielung klingt jedoch durchweg besser, hat das bessere Orchester zur Verfügung und auch der Dirigent scheint im Umgang mit dem großen Orchester gereift zu sein.

 

 

 

4

Eliahu Inbal

Choeur et Orchestre National de France, Paris

Brilliant – Denon

1987

17:05GA Schon beim Bächlein gelingen den Violinen keine homogenen Klangflächen, auch beim finalen Sonnenaufgang bei Zi. 168 ist das Orchester nicht ganz zusammen. Das Flötensolo wird bei Zi. 178 statt sich ins ppp zurückzunehmen sogar noch lauter. Das machen – des (falschen) Effektes wegen leider die meisten. Die dynamische Differenzierung ist auch ansonsten wenig ausgeprägt. Das Violinsolo klingt bei Zi. 191 ohne die doppelnden Bratschen plötzlich viel besser. Bei der abschließenden Dg. fehlt die wünschenswerte Frische. Im Verlauf wirkt er zudem wie mechanisch abgespult. Das Orchester machte keineswegs den Eindruck, als wäre es über jeden Zweifel erhaben. 1953 unter Cluytens machte es – noch unter dem „alten“ Namen – eine weit bessere Figur. Der Chor ist dynamisch recht präsent, klingt aber nicht sonderlich profiliert.

Wie oft bei Brilliant klingen die Violinen ein wenig belegt, teils sogar recht spitz. Als Ganzes bleibt diese Produktion weit hinter der zuvor gehörten Einspielung mit Haitink zurück.

 

 

 

4

Vladimir Ashkenazy

Royal Philharmonic Orchestra London

ohne Chor

 RPO Eigenproduktion

P 2001, LIVE

16:06

Schnell, schmucklos und gerade, ohne große Spannung und ohne den Empfindungsreichtum bei den zuvor gehörten Abbado und Ansermet beginnt das RPO sein Gastspiel in Moskau. Da fehlt die Frische und Intensität der jugendlichen Liebe beim Treffen und Umarmen im Traum genauso wie das prickelnde Erwachen der zuvor noch schlafenden Natur. Das Flötensolo macht einen gehetzten Eindruck, nach den Eindrücken Cloés in der Gefangenschaft wäre das wohl glaubhaft stünde dem nicht Ravels Vorschrift „très lent“ (sehr langsam) entgegen.

Von den drei „Sätzen“ ist die Dg. am besten gelungen, die frenetischen Steigerungen wirken jedoch etwas lärmend. Das Bacchanal endet staubtrocken. Insgesamt wirkt Ashkenazy Zugang zum Stück zu sachlich und unbeteiligt, orchestral gelingt er ohne nennenswerte Schwäche.

Sogar gegenüber Ansermets 1960er Einspielung wirkt diese Aufnahme nicht gerade breitbandig. Im ff verfügt sie nur noch über eine recht geringe Transparenz. Es fehlt auch an der Fülle des Wohllauts  und an der Leichtigkeit der dynamischen Entwicklung. Auch die Präsenz könnte etwas besser sein.

Taugt eigentlich nur als Souvenir aus Moskau.

 

 

 

 

 

3-4

Yakov Kreizberg

Nederlands Philharmonic Orchestra, Amsterdam

ohne Chor

Pentatone

2004

17:46

 

Orchestre Philharmonique de Monte Carlo

Rundfunkchor Berlin

OPMC Eigenproduktion

2010

17:32

GA im Falle Monte Carlo.  Von Kreizberg liegen uns diese beiden Produktionen vor, wovon die Einspielung aus Monte Carlo aus einer Gesamtaufnahme mit dem Rundfunkchor Berlin stammt, der dazu eigens an die Cote d´Azur gereist ist. Gegenüber der niederländischen Einspielung der Suite darf er als der größte Gewinn gelten. Ansonsten wirken beide Einspielungen recht spannungslos, etwas uninspiriert und gedehnt. Kreizberg tritt hinter die Musik zurück, was hier auch heißt, dass er relativ wenig gestalterisch eingreift. Das niederländische Orchester wirkt solide, kann aber auch nicht mit besonderen Highlights aufwarten. Das Flötensolo wirkt weder übermäßig klar, noch glanzvoll, noch partiturgenau, zudem irgendwie auch etwas „bewegungsgehemmt“. Emotional gesehen trifft auch der Dg. nicht mitten ins Herz, (es reicht nur für einen Streifschuss).  Richtig lebendig wird er erst, wenn die Es-Klarinette, die mit ihrem keifenden Ton besonders heraustreten darf, ihre Einsätze hat.  Hier wird klanglich eine solide Transparenz und Dynamik geboten bei reduzierter Klangfülle und reduziertem Klangzauber (CD-Spur). In Monte Carlo klingt es etwas entfernt, nicht sonderlich präsent aber noch transparent und dynamisch eher lasch. Die Violinen können mit ihrem wenig samtenen Ton nicht mit den besten mithalten. Auch beim Holz läuft es nicht immer ganz homogen und rund ab. Insgesamt klingt das Orchester aber besser als in den 60er Jahren, als es von Philips oft aufgenommen wurde. Der Chor ist der Hauptakteur beim finalen Sonnenaufgang, er überstrahlt fast das ganze Orchester.  Das Flötensolo klingt deutlicher aber noch etwas weniger flexibel und biegsam als in Amsterdam. Das Vibrato ist hingegen erfreulich gebändigt. Der Dg. wirkt nun wie ein Spaziergang durch Arkadien, wo bleibt die Zuspitzung, gar die Extase? Der Chor erfreut mit sonorem und differenziertem Klang, der dynamische Ambitus ist enorm, fast monumental. Erotische Akzente werden weitgehend vermieden. Die Frauenstimmen (Sopran) gefallen hier besonders.

 

 

 

3-4

Libor Pesek

Tschechische Philharmonie, Prag

Pavel Kühns Gemischter Chor

Supraphon

1983

17:04

Noch mehr als die „westlichen“ Produktionen wird diese Einspielung durch die frühdigitalen Verfärbungen abgewertet. Wie so oft trifft es die Violinen am schlimmsten. Sie klingen nicht gerade geschmeidig, gläsern und hart, bisweilen strohig, d.h. grobfaserig, je nach Lautstärke. Nie klingen sie rund und warm, wie wir sie von den besseren analogen Aufnahmen von früher noch im Ohr haben. Es fehlt auch die nötige Feinheit, Farbigkeit und Üppigkeit des Ravelschen Orchesters. Auch bei Pesek scheinen zwei Bächlein zu fließen, die sehr genau klanglich unterschieden werden, wie bei Stokowski und Szell.  Der finale Sonnenaufgang klingt gnadenlos hart, wie ein Laserstrahl.  Di Holzbläser leiden in der Pantomome auch unter der digitalen Härte ud lassen es auch etwas am sonst (und vor allem heute) homogeneren Spiel fehlen. Der Flöte fehlt es nicht an technischer Finesse, spielt aber volle Pulle statt pp und mit ausschweifendem Vibrato. Die Dg. erklingt durchaus dynamisch, eruptiv und leidenschaftlich aber auch etwas burschikos und ungehobelt. Blech und Schlagwerk klingen sehr präsent. Der Chor hängt sich voll rein, er mangelt ihm aber an Homogenität. Hier ist es schade, dass die schnell technisch altbacken gewordene Aufnahmetechnik das durchaus engagierte Spiel der Mitwirkenden so schlecht „aussehen“ lassen.

 

 

 

3-4

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Motet Choir of Geneva

Decca

1953

16:32

MONO Der Klang der Aufnahme ist flach und dünn und keine Herausforderung für die neueren Produktionen von 1960 (Suite) und 1965 (komplettes Ballett, nun mit dem Chor des Rundfunks aus Lausanne; leider nicht im Vergleich vertreten). Die Unterschiede zwischen den beiden Einspielungen sind eher klanglicher Natur. Bzgl. Impetus, Lebendigkeit, Qualität von Orchester und Solisten sind die Differenzen zu vernachlässigen Bedauerlich ist bei der 1953er vor allem der Verlust an Klangfarbenreichtum, so erklingt beispielsweise der finale Sonnenaufgang in einem gleißenden Licht, dem aber die Farben fehlen, bzw. sie sind nur sehr, sehr dünn aufgetragen. Das Flötensolo erklingt eigentlich zu flott und mit gleichmacherischer Dynamik, aber mit reinem, klaren Ton.

 

 

 

3-4

Riccardo Muti

Philadelphia Orchestra and Chorus

EMI

1982

18:15

Der Wasserfall (Bachlauf oder Quelle) zu Beginn wirkt nicht als einheitliche Klangfläche, wie es das Notenbild suggeriert, dazu stechen einzelne Töne aus den Bögen über den 32stel zu sehr heraus. Dabei werden die Violinen durchaus expressiv gespielt und es ist unwahrscheinlich, dass die Violinen Philadelphias den Ansprüchen Ravels nicht vollends nachkommen können, dennoch ergibt sich dieser seltsame Eindruck. Obwohl der Klang der Aufnahme eher zum Hellen neigt, gelingt das „Lever du jour“ dunkel bzw. später in einem obskuren Halbdunkel. Trotzdem will sich keine nachdrückliche Atmosphäre ergeben. Die hart klingenen Violinen stören auch den eher verspielt wirkenden Gestus in der Pantomime. Sie wirken abweisend-unsympatisch und schaffen Distanz beim Hörer. Von wohligem Einlullen keine Spur. Obwohl sich Muti hier sehr viel Zeit lässt, fast wie Celibidache in München, wirkt der Eindruck gerade noch nicht statisch. Der Klang verleiht der Dg. einen ziemlich schrillen, stark lärmenden Pegel. Der Temperamentslevel wirkt zwar äußerlich angeheizt, im Inneren aber eher kalt und seelenlos. Der Chor punktet nur mit Spitzendynamik.

Insgesamt kommt uns diese Einspielung als eine Art Gegenentwurf zur Monteux-Einspielung vor. Bei ihr spielen Nymphen und mannigfaltige andere Fabelwesen in einem wunderbar offenen Naturraum herum, während man bei Muti nur einer orchestralen und chorischen Leitungsschau folgt. Der kalte, wenig farbige Digitalklang mit einem Hang zum spröden, seinerzeit gelobt, wirkt heute nur noch durch seine recht imposante Dynamik. Heute lässt uns der Klang nur noch kalt.

 

 

 

3-4

James Levine

Wiener Philharmoniker

Chor der Wiener Staatsoper

DG

1985

16:08

GA  Der harte und tendenziell spitze Klangcharakter wird dem Wiener Orchester in keiner Weise gerecht. Gerade die Wiener Streicher werden hier weit unter Wert verkauft. Aber das ganze Orchester wirkt im ff des Tuttis unschön. Dem Blech fehlt es auch an klanglicher Auflösung. Auch von der künstlerischen Darbietung her gesehen stand die erste Einspielung Levines unter keinem guten Stern. Das Spiel wirkt teils forciert, teils unterbelichtet. Die Dynamik beim finalen Sonnenaufgang wirkt wie aufgebläht. Dem Spiel fehlt teilweise auch die Geschmeidigkeit, die nun durch Härte ersetzt wird. Und wo ist das Holz? Es geht im Gesamtklang teilweise regelrecht unter. Hauptmangel der Einspielung ist jedoch der harte, teils auch entfernt wirkende Klang. Ähnlich wie bei der Muti-Einspielung. Beide klangen damals in den 80ern auf LP noch besser oder sollte uns hier die Erinnerung trügen?

 

 

 

3-4

Gustavo Gimeno

Orchestre Philharmonique de Luxembourg

WDR Rundfunkchor

Pentatone

2017

15:50

SACD GA  Diese fast noch brandneue Einspielung erinnert an die etwas ältere Einspielung von Denève. Sämig, ohne Glanz und mit relativ wenig Spannung steigert sich die Morgendämmerung bis zu einem stark gedämpften finalen Sonnenaufgang. Das klingt mehr nach impressionistischem, verschwimmendem Mischklang. Auch das Flötensolo meidet das Grelle, erklingt ohne jeden dramatischen Zugriff, strömt nur sanft daher, ohne Ecken und Kanten. Die tanzenden Protagonisten wirken hier eher wie Senioren. Klanglich wie ein Bild von Watteau in morgendlichen Dunst gehüllt. Das ist mehr ein Tageserwachen in der herbstlichen Normandie oder in der Bretagne, nicht im idealisierten Griechenland.

Die Dg. erwacht erst mit der Caisse Claire ab Zi. 196 zu musikalischem Leben. Nur die Gran Cassa bringt uns hier mehr klangliche Freude. Ansonsten köchelt die Dynamik auf Sparflamme. Der Chor macht diesmal einen männerstimmendominierten Eindruck. Die Frauenstimmen sind anscheinend diesmal lieber bei den Piraten geblieben. Hauptmangel dieser Einspielung ist eine Dynamik, die wie bereits eingeschlafen wirkt. Auch sonst wirkt die Produktion wenig inspiriert, wenig furios, wenig erotisch, vielmehr brav und züchig.

Der Klang ist ansonsten samtig weich, leicht gedeckt, weist eine gute Staffelung vor allem in die Breite auf und kann mit seiner Transparenz überzeugen. Die Klangfarben wirken überaus pastellen.

 

 

 

3-4

Segiu Celibidache

Orchestra Sinfonica e Choro di Milano delle RAI

Cetra

1970

17:19

MONO  Die erste Einspielung Celibidaches klingt trotz des späten Aufnahmedatums noch in Mono. Angesichts der gebotenen aufnahmetechnischen Qualität versteht man, dass es sich Celibidache auch in der 70ern noch verbat (wie übrigens lebenslang), Schallplatten mit ihm aufzunehmen. Live-Übertragungen durch den Rundfunk verwehrte er - trotz der schlechten Qualität - jedoch nicht. Der unmittelbare Eindruck des Einmaligen und des Geradejetzt blieb für ihn so wohl erhalten. Dass die Aufnahme so bescheiden klingt ist jedenfalls ein Jammer, denn aus dem offensichtlich motivierten Orchesterspiel des Konzertmitschnittes können keine Funken geschlagen werden. Die hoch sensitive und subtile Herangehensweise, die der Stuttgarter nicht unähnlich gewesen sein dürfte, liegen doch nur vier Jahre dazwischen, ist hier mehr zu erahnen als zu erleben. Das oder die Bächlein wirken klanglich versumpft, der Höhepunkt des Sonnenaufgangs klingt nach „Ben Hur“. Die Soli, wie auch der Allgemeinzustand des italienischen Orchesters muss sehr gut gewesen sein, zeichnet es doch ein genaues Bild der Eigenheiten, die auch in Stuttgart (nur eben viel besser klingend) zu hören sind. Auffallend ist die herausplatzende Tuba im Dg., die zudem auch mit unterschiedlichen Pegeln aufgezeichnet wurde. Das fff wird hier jedoch von den Italienern so imposant herausposaunt und -trompetet, dass die Techniker vorsorglich für die ganze „Danse générale“ schon einmal den Pegel reduziert haben. Ansonsten wirkt der Dg. aufnahmetechnisch bedingt dynamisch eher verhalten. Am Ende viel Applaus und Jubel für Celibidache auch vom Orchester.

Der Klang ist viel zu undifferenziert. Keine Räumlichkeit, keine Staffelung. Fast fühlt man sich 20 Jahre in die Vergangenheit zurück katapultiert. Kaum Rauschen, sehr sparsame Publikumsgeräusche. Passable Dynamik, recht natürliche Klangfarben.

 

 

 

3-4

Gennadi Roshdestvensky

Chor und Grosses Radio-Sinfonie-Orchester der UdSSR

Melodija-Eurodisc

P 1973

15:50

GA  Auch in dieser Produktion ist das Klangbild eine schwere Hypothek. Leicht rauschend vermittelt es nur einen rauen, harten und spitzen Eindruck des Orchesterklangs. Die Violinen wirken dabei in besonderem Maß unfrei, von einer schönen Abrundung keine Spur. Staffelung, Transparenz und Dynamik sind hingegen ganz gut, aber das nutzt in diesem Rahmen nicht mehr allzu viel.

Das eigentlich sehr gute Orchester kann so nur ungeschliffen wirken. Das Bächlein sprudelt hier auf Russisch, denn durch die inegal gespielten Figurationen suggeriert der erzeugte Klang eine zusätzliche kräuselnde Wellenbewegung.  Der finale Sonnenaufgang klingt schneidend scharf und auch etwas lärmend.. Das Flötensolo kommt klanglich weitestgehend unbehelligt davon, gefällt mit silbrig hellem Ton und lebendiger Gestaltung. Sie hat darüber hinaus von der Technik einen bevorzugten eigenen Klangraum zugeteilt bekommen. Auch die Solovioline kommt präsent zum Zuge. Die Dg. ist eigentlich in besonderem Maße auf temperamentvolle Weise gelungen, aber auch hier nervt die kühle und spitze Technik. Das helle Schlagwerk klingt sehr präsent, mit einer Tendenz zum Schrillen. Die extatische Grundstimmung erscheint sehr angemessen verwirklicht. Die bacchantischen Choreinsätze sind auch gut herausgearbeitet. Leider ist die künstlerisch hochwertige Einspielung ein Opfer ihrer technischen Realisierung geworden, die sich um eine natürliche Abbildung nicht kümmert. Schade Roshdestvenskys Zugriff hätte besseres verdient gehabt. Vielleicht können wir irgendwann einmal auf ein gutes Remastering hoffen?

 

 

 

3-4

Wilhelm Furtwängler

Berliner Philharmoniker

ohne Chor

Im Takt der Zeit, Eigenproduktion des Orchesters, DG

1944, LIVE

16:23

Mono  Diese Aufnahme mit Wilhelm Furtwängler ist leider, bei aller liebevollen Restaurierung, technisch so schlecht, dass sie nur noch von musikhistorischem oder Sammlerwert sein kann. Man spürt zwar den langen Atem des großen Dirigenten aber wesentliche Details der Werkgestalt gehen im Sumpf der Aufnahme einfach verloren. Der Beginn wirkt sehr dunkel und geheimnisvoll, durch die dichte und intensiv-drängende Gesamtwirkung können sich die Soli nur mit Mühe durchkämpfen. Vor Höhepunkten werden die Tempi ein wenig angezogen. Die Höhepunkte selbst erscheinen gnadenlos übersteuert, sodass beispielsweise beim finalen Sonnenaufgang im ersten Satz nur ein großer, eher wenig differenzierter Tumult zu hören ist. Ein richtiges p gibt es in der ganzen Aufnahme nicht, trotzdem wirkt auch die Pantomime ganz gut dynamisiert. Das Violinsolo wirkt ausgesprochen expressiv. Bei Zi. 196 hört man die tragende, vorantreibende Caisse Claire überhaupt nicht, erst später und dann nur recht leise (an Zi. 210). Da war das Mikro zu weit entfernt.

Obwohl der Dirigent sehr an der Stimmungshaftigkeit der Musik und ihrer Poesie interessiert scheint und sie spannend aufführt, ist diese Einspielung kein Fest für Ravels Musik.

Die Transparenz ist manchmal ganz gut, bricht aber ab f ziemlich zusammen. Sehr viele Huster in einem der letzten Konzerte vor der Kapitulation.

 

 

 

3-4

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

ohne Chor

Naxos

1938, LIVE

14:40

Mono  Bei der noch etwas älteren Aufnahme Toscaninis verhält es sich aus aufnahmetechnischer Sicht kaum besser. Nur hinreichende Transparenz, kaum nennenswerte Dynamik, starkes Rauschen, keine Staffelung, karger, auch wenig sinnlich enthaltsamer Gesamtklang.

Wie bei Stokowski, Szell, Pesek und Roshdestvenky und wenigen anderen sind die beiden Bächlein von Flöten einerseits und Klarinetten andererseits und jeweils einer Harfe in Szene gesetzt sehr gut zu unterscheiden. Sobald die Bratschen einsetzen sind die Fließgewässer urplötzlich aus dem Klangraum (oder hier besser der Klangfläche) völlig verschwunden. Später hört man sie dann wieder leise irrlichternd. Es wird wie bei Furtwängler emphatisch musiziert und die Werktreue ist eher noch etwas höher einzuschätzen. Hoch gespannt und mit bohrender Intensität geht der Italiener hier zu Werke. Der finale Sonnenaufgang des „Lever du jour“ erklingt mit Verve, aber es blitzen keine Strahlen hervor, sondern nur ein undifferenziertes Klangkonglomerat.  Bei Zi. 17 hört man Toscanini mitsingen. In der Pantomime agiert die Flöte mit sehr viel Vibrato. Unsentimental und dicht.

 

 

 

3-4

John Barbirolli

Hallé Orchestra Manchester and Chorus

Everest

1959

16:43

MONO  Die Aufnahme des diskografischen Beitrages von Barbirolli muss man als gänzlich missglückt bezeichnen. Sie ist extrem farbschwach, hat nur eine sehr geringe Transparenz und sogar einen den natürlichen Klang stark verfälschenden „Beigeschmack“. Wir vermuten eine fehlgeleitete Rauschunterdrückung oder eine wirkungslose Stereophonisierung. Jedenfalls muss der bemitleidenswerte Hörer ein fast permanent andauerndes, nervendes, wie “pumpendes“ Klanggewaber über sich ergehen lassen. Diese CD hätte man nie veröffentlichen dürfen. Und der Handel hätte sie nicht verkaufen dürfen. Ein genaueres Eingehen auf die bedauernswerten Interpreten und ihr Wirken erübrigt sich unter diesen Umständen. Sie trifft ja keine Schuld, dass diese Einspielung ungenießbar ist. Ihr guter Leumund sollte durch die Einspielung keinesfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Deshalb gibt es auch keine 2 oder 2-3.

 

 

 

3-4

Jun Märkl

Saarländisches Staatsorchester Saarbrücken

Saarländischer Konzertchor

High – Def – Classic

1993, LIVE und ungeschnitten

15:24

GA  Für die eigenen Musiker ließ man in Saarbrücken einen Techniker über recht lange Zeit Mitschnitte der Konzerte anfertigen. Einer davon fand den Weg auf CD, die den Besuchern des Saarländischen Staatstheaters dann zum Kauf angeboten wurde. Das Interesse war jedoch nicht übermäßig, sodass sie zuletzt verschenkt wurde. Mehr geprobt wurde wegen der später im kleinen Rahmen veröffentlichten Aufnahme jedoch nicht (es wusste ja zunächst niemand, dass es dazu kommen würde) sodass die Einspielung aus dem prallen Leben eines Orchesters an einem Mehrspartenhaus gegriffen scheint. Der damals als sehr junger GMD nur wenige Jahre am Haus verweilende Jun Märkl motivierte das Orchester zu einer guten Leistung. Das Tageserwachen wirkt jugendlich-drängend. Kleinere Mängel im Zusammenspiel sind nicht ganz zu überhören. Der Klang, des nur mit zwei Mikrophonen eingefangenen großen Orchesters verliert bei den hinten im Orchesterhalbrund befindlichen Orchestergruppen etwas an Präsenz, wirkt so aber sehr natürlich gestaffelt.  Deshalb wirkt auch das Flötensolo weniger präsent als bei der Mehrzahl der anderen professionellen Aufnahmen.  So wirkt es aber sehr natürlich und optimal integriert. Der Vortrag wirkt sehr einfühlsam. Kleinere Mängel auch bei der Homogenität der einzelnen Gruppen (Oboen), wohlbemerkt im Vergleich mit der hier versammelten Crème de la crème, sind ebenfalls ohrenfällig und wahrscheinlich der echten Live-Situation geschuldet. Die Dg. könnte noch etwas tumultöser aber kaum schneller gegeben werden. Der üppig besetzte Chor wird von den Männerstimmen dominiert und hält sich bezüglich der vokalisierenden Lustäußerungen vornehm zurück.

Die Balance und die gebotene Dynamik sind gut. Der Gesamtklang ist sehr transparent, die Farben könnten noch eine wenig kräftiger leuchten. Einer oder eine muss ja der oder die letzte sein! Last but not least.

 

 

 

feriggestellt am 8.1.2022