Nikolai Rimsky-Korsakov

 Capriccio espagnol op. 34

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Werkhintergrund:

 

Seine adeligen Eltern sahen für Nikolaj Rimsky-Korsakov, der am 18. März 1844 im westrussischen Tichwin geboren wurde, eine wenig künstlerische, sondern eher von Routine und Drill geprägte Karriere bei der russischen Marine vor. Doch der äußerst kreative und musisch begabte junge Mann ließ nicht locker und verfolgte seine musikalischen Ambitionen beharrlich weiter.

 

1862 schloss er sich mit Mili Balakirew, Alexander Borodin, César Cui und Modest Mussorgky zur "Gruppe der Fünf" zusammen, die auch "Das mächtige Häuflein" genannt wurde. Diese avantgardistische Künstlergruppe hatte nichts weniger als die Entwicklung einer ausdrücklich russischen Tonsprache im Sinn. Rimsky-Korsakov, der ab 1871 als Professor am Sankt Petersburger Konservatorium wirkte, wurde zu einem ihrer einflussreichsten Mitglieder. Aber bereits die ersten Orchesterwerke Nikolaj Rimsky-Korsakovs wurden vom russischen Publikum emphatisch gefeiert. Auch später verstand es kaum jemand so gekonnt wie er, die Klangfarben des Orchesters auszureizen. Von einigen seiner Kollegen wurde er deshalb nur „der Zauberer“ genannt.

 

Die Komposition ausgerechnet eines "Capriccio über spanische Themen" (so der Originaltitel der Komposition) im Sommer 1887 wirkt im Kontext dieser Begeisterung für die eigene Nationalität ziemlich überraschend, zumal Rimsky-Korsakov – abgesehen von einem Kurztrip während seiner Marinezeit – die Iberische Halbinsel niemals besucht hatte. Die Themen für sein Orchesterwerk hatte er vielmehr einer damals sehr beliebten Ausgabe spanischer Volkslieder und -tänze (von Inzenga) entnommen.

Ähnlich wie Karl May von den Berichten über die Landschaft und die Bewohner Mittelamerikas fasziniert war und die Erzählungen für seine eigenen Werke zu nutzen wusste, zog wohl die unmittelbare Lebendigkeit und Strahlkraft der spanischen Folklore Rimsky-Korsakov in ihren Bann. Keinesfalls war er der erste russische Tondichter mit einem Faible für das mediterrane Westeuropa: Sieben Jahre zuvor hatte Peter Tschaikowsky sein "Capriccio italien" komponiert, und bereits 1845 hatte Michail Glinka ein "Capriccio brillante" über ein spanisches Tanzlied vollendet, die Jota aragonesa. Glinka gehörte wiederum zu den größten Idolen des "Mächtigen Häufleins". 

Ursprünglich war das Capriccio als virtuose Fantasie für Violine und Orchester konzipiert worden. In einem weiteren Stadium hatte Rimsky daran gedacht, eine von spanischer Folklore inspirierte Instrumentationsstudie zu schreiben (Thema mit Variationen). Schließlich gedieh das Stück zu einem der brillantesten Orchesterwerke der Zeit, anerkannt von Fachleuten, bejubelt vom Publikum. Tschaikowsky schrieb nach Durchsicht der Partitur an den Komponisten, dies sei ein kolossales Meisterwerk, und sein Komponist dürfe sich nun mit Recht als den größten Meister der Instrumentationskunst bezeichnen. Als Rimsky-Korsakov das Capriccio für die Uraufführung einstudierte, gerieten die Orchestermusiker außer sich vor Begeisterung und applaudierten nach jedem Satz. Gerührt widmete der Komponist den 67 Musikern sein Werk und schrieb ihre Namen in die Partitur.

 

Das Werk hat fünf Sätze, die pausenlos ineinander übergehen sollen. Die Tänze kommen mit wenigen Themen aus, die immer wieder abgewandelt und anders instrumentiert werden. Virtuose, oft überraschend einsetzende Soli beleben konzertierend die vitalen, farbenfreudigen Tanzgemälde:

 

Der erste Satz, Alborada, ist ein festlicher und stürmischer Tanz im Stil der Volksmusik der nordspanischen Region Asturien, der musikalisch den Sonnenaufgang feiert, ursprünglich von spanischen Hirten gespielt. In der von Korsakov verwendeten Vorlage für Klavier und Trommel gesetzt und noch mit dem Zusatz „gaita“ (Dudelsack) versehen.

 

Der zweite Satz, Variazioni, beginnt mit einer Melodie der Hörner, die in Variationen von anderen Instrumenten oder Registern wiederholt wird. Auch hier hat sich der Komponist für Material aus Asturien entschieden, dieses Mal allerdings ein Lied: „Danza prima“ (Abendtanz). Hier hat Rimsky den Charakter des Originals etwas ungefomrt; denn im Gegensatz zu seinem warmen, honigsüßen Satz für Hornquartett ist das fragliche Lied humoristisch und eher grob im Ton, wobei die Bezeichnung „voz“, die sich über der Singstimme befindet eine Abkürzung für „vozzaron“ ist und verlangt mit rauer und lauter Stimme zu singen.

 

Im dritten Satz, Alborada, wird der asturische Tanz aus dem ersten Satz erneut aufgegriffen. Beide Sätze sind bis auf die unterschiedliche Instrumentation und Tonart nahezu identisch.

 

Der vierte Satz nutzt ein andalusisches Zigeunerlied, Scena e canto gitano („Szene und Zigeunerlied“), beginnt mit fünf Kadenzen  – zunächst Hörner und Trompeten, dann Violine solo, Flöte, Klarinette und Harfe – über Wirbeln verschiedener Schlaginstrumente. Die Musik hat ihren Charakter vor allem von den spanischen Eigentümlichkeiten der Melodiebildung, wobei die sechste und siebte Stufe der Tonleiter vermindert wird. Es folgt ein Tanz im Dreivierteltakt, der attacca in den letzten Satz übergeht.

 

Der fünfte Satz, Fandango asturiano, beruht ebenfalls auf einem kraftvollen Tanz der nordspanischen Region Asturien. Das Stück endet mit einer noch stürmischeren Fassung des Alborada-Themas.

 

In Ausarbeitung und Variation insbesondere mit Hilfe seiner Instrumentation, melodischen Ausschmückung und Modulation hat der Komponist seine Meisterschaft in der Behandlung des Materials gezeigt.

 

Oft wird die Instrumentierung des Stücks explizit hervorgehoben. Sie umfasst eine breite Palette an Schlaginstrumenten sowie zahlreiche spezielle Spiel- und Artikulationstechniken, etwa im vierten Satz, wo die Geigen und Celli den Klang von Gitarren imitieren. Dort findet sich sogar die Spielanweisung quasi guitara.

 

Trotz positiver Kritik war Rimski-Korsakow enttäuscht, weil die Gesichtspunkte der Kritik andere Aspekte der Komposition als die der glänzenden Instrumentierung ignorierten. In seiner Autobiografie „Eine Chronik meines musikalischen Lebens“ schrieb er dazu:

 

„Die Auffassung der Kritiker und der Öffentlichkeit, dass das Capriccio ein großartig instrumentiertes Stück sei, ist falsch. Das Capriccio ist eine brillante Komposition für Orchester. Der Wechsel der Klangfarben, die treffend ausgewählten melodischen Wendungen und Verzierungen, die genau zur Eigenart der jeweiligen Instrumente passen, die kurzen, virtuosen Kadenzen der Solo-Instrumente, die Rhythmen der Schlaginstrumente et cetera machen hier eben genau das Wesen der Komposition aus und nicht ein bloßes ‚Gewand‘ oder eine ‚Instrumentierung‘. Die spanischen Themen, mit ihrem tänzerischen Charakter, lieferten mir eine Fülle von Material zur Einbindung in vielfältige Orchestereffekte. Insgesamt ist das Capriccio zweifellos ein völlig äußerliches Stück, doch nichtsdestoweniger höchst lebhaft und brillant. Etwas weniger Erfolg war mir im dritten Abschnitt (Alborada, in B-Dur) beschieden, wo die Blechbläser in gewisser Weise die Melodieführung in den Holzbläsern übertönen; doch das ist leicht in den Griff zu bekommen, wenn der Dirigent darauf acht gibt und die mit fortissimo bezeichnete Dynamik der Blechbläser auf ein einfaches forte zurück nimmt.“

 

Im Vergleich zeigten sich zumeist nur kleinere Unterschiede in der Lesart zwischen den zahlreichen Einspielungen des populären Stückes. Einen allzu großen Gestaltungsspielraum lässt die Suite auch gar nicht zu. Tieflotende Seelenzustände sind nicht darzustellen, komplexen musikalischen oder gar außermusikalischen Ambivalenzen muss nicht nachgespürt werden und aus kleinen musikalischen Keimzellen werden keine allgemeinmenschliche, ideologische oder sublimierte geistige Überbauten errichtet. Nichtsdestotrotz sind die üblichen Kriterien wie Inspiration, Begeisterung, Temperament, allgemein das Denken über den Augenblick hinaus (in größeren Bögen), orchestrale oder solistische Brillanz, Aufmerksamkeit dem Detail gegenüber, liebevolle Phrasierung etc. gerade in einem solchen Stück eher noch wichtiger als üblich, denn sonst könnte es einen beliebigen, trivialen oder schalen Eindruck hinterlassen. Und eine wichtige Botschaft der Musik könnte überhört werden, dass sie den Hörern Freude bereiten und ihm über die Widrigkeiten des Alltags hinweghelfen kann, zumindest für einige Augenblicke.

 

(Text entstanden unter Zuhilfenahme des Vorwortes der Taschenpartitur von Eulenburg Nr. 842 von David Lloyd-Jones, die auch zum Vergleich genutzt wurde, des Wikipedia-Artikels (Quellen siehe dort) und des Cover - Textes der LP  DG Nr. 2530 510 von Ellen Hickmann. Wir haben im Laufe der Zeit auch noch andere Quellen gelesen aber Herkunft und Autorennamen nicht im Gedächtnis behalten. Details daraus könnten ebenfalls in den Text eingeflossen sein. Sorry an alle Betroffenen.)

 

 

Zusammengestellt am 16.2.2021

 

 

 

 

Nikolai Rimsky-Korsakov

 

 

 

Die Rezensionen im Vergleich:

 

5*

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS – Sony

1958

1:14  4:32  1:12  4:51  3:12  14:59

Als die 30. Aufnahme gehört, brachte die Einspielung George Szells eine neue Qualität des Orchesterspiels mit in den Vergleich ein, die sich von allen anderen in erster Linie mit einer an Magie grenzender Präzision abhebt. Sie bleibt aber hier nicht, wie in manch einer anderen Einspielungen Szells kühl und technokratisch, sondern verbündet sich mit einem „vienta de tormenta“ (Sturmwind), der vom Orchester selbst erzeugt wird. So klingt die Alborada im 1. Satz nicht wie in vielen anderen Aufnahmen lärmend und auch nicht über Gebühr oder fast schamhaft zurückgenommen, sondern erklingt in aller orchestralen Pracht. Durch die Präzision aller Beteiligten kommt das ganze Orchester transparent zum Singen. Dadurch dass das Schlagwerk leicht zurückgenommen wird und sich nicht in den Vordergrund schieben kann, vernimmt der Hörer auch die hier sagenhaft weich und voll klingenden Holzbläser und Streicher. Das ist kein schlechtes Kunststück.

Im Variationssatz tritt das Hornquartett mit herausragender Homogenität aus dem Raum hervor. Auch die Holzbläser haben ihre allerbesten Instrumente und Mundstücke zur Hand genommen und klingen ganz ausgezeichnet. Die leisen Pizzicati, die sonst meist untergehen, sind bei Szell gut hörbar. Die Violinen bei F klingen wie eine Klasse für sich, in diesem Vergleich werden sie jedenfalls an Homogenität und Leuchtkraft nicht überboten. Die Reprise der Alborada im 3. Satz klingt stampfend und vorantreibend zugleich, aber trotzdem noch beschwingt. Das Violinsolo ist mit das beste, volltönend, klar, sehr sicher intoniert und sehr bewegend. Für die Klarinette gilt das Gleiche.

Was für ein erhabener Glanz der Trompeten und Hörner in der Scena bei Quasi cadenza I! Das Orchester klingt aber als ganzes viel besser als das Staatsorchester der Russischen Föderation, das mit Svetlanov gerade zuvor im Vergleich dran war. Die Violine  in ihrer Cadenza II spielt grandios. Auch die rhythmische Leichtigleit bei L sucht ihresgleichen. Die jeweiligen Kadenzen von Flöte, Klarinette und Harfe begeistern in ihrer Eloquenz und Klanglichkeit. Trompeten und Posaunen zeigen was an energischer Präzision möglich ist. Es ergibt sich so auch eine bestechende Klarheit und Transparenz im Klang des ganzen Orchesters. Ein Eindruck, der sich auch in den Fandango asturiano überträgt, der mit herrlich gesteigerten Kaskaden besonders gefällt. Dabei hat der Hörer niemals auch nur den leisesten Eindruck von äußerlicher Brillanz, vielmehr verstärkt sich das Gefühl zur Gewissheit: Genau so sollte es sein.  Coda und abschließendes Presto erreichen dabei jedoch nicht die brisante Exaltiertheit der nur ein Jahr später entstandenen Einspielung mit Bernstein. An spanischem (oder war es nicht doch ungarisches) Feuer wird jedoch nicht gespart.

Der Klang ist mit einem deutlichen Rauschen unterlegt, das dem Hörer aber nur in leisen Stellen auffallen sollte. Er gefällt mit großer Präsenz, Fülle und praller Dynamik und ist zudem völlig unverfärbt. Die Remastering - Ingenieure haben offensichtlich sehr gefühlvoll mit den alten Bändern gearbeitet, denn sonst wäre es nicht möglich, dass man das Lehrbeispiel des Orchesters an Feinschliff, uneitler Eloquenz und Fulminanz  so unmittelbar miterleben kann.

 

 

5

Ataulfo Argenta

London Symphony Orchestra

Decca, auch als XRCD

1958

1:14  4:17  1:13  4:43  3:08  14:35

1958 war ein gutes Jahr für das Capriccio espagnol, denn neben der Aufnahme mit Szell entstanden auch noch die Einspielungen von Argenta, Maazel, Kondrashin und Cluytens in diesem Jahr. Argenta spannt große Bögen über die einzelnen Sätze. Die Darstellung der Alborada  gelingt ihm mitreißend und feurig. Dem Orchester fehlt es nicht an Brillanz. Es kann mit den Cleveländern jedoch hinsichtlich Perfektion und Zusammenspiel nicht ganz mithalten, findet dafür jedoch einen spontaneren, unmittelbaren Zugang. Das Hornquartett in den Variazioni klingt ebenfalls ausgezeichnet, es bringt auch das gewisse etwas an stolzer Melancholie mehr zum Ausdruck. Auch die Celli singen vielleicht eine Spur gefühlvoller. Die Trompeten spielen bestens akzentuiert, das  viermalige f von Trompeten und Posauen wird nirgendwo so prall und akzentuiert hervorgehoben, wie bei Argenta. Die Flöte klingt perfekt in jedweder Hinsicht. Das Orchester löst den espressivo – Anspruch voll ein, besonders die Violinen mit ihrer äußerst gespannt vorgetragenen Cantilena ab F.  Der Klang bekommt bei Argenta zudem noch einen Hauch spanischen an Eitelkeit grenzenden Flairs mit eingeimpft. Auch der 3. Satz (Reprise der Alborada) gelingt rhythmisch mitreißend, besonders das Violinsolo gefällt mit seiner Farbigkeit. Auch die Flöte bekommt eine 1a, die Trompeten sind mit ihrer markanten Stimme deutlich vom 1. Satz abgesetzt. Die Scena bringt ausgesprochen brillante, plastische und spannend vorgetragene Soli in den jeweiligen Kadenzen. Sie erscheinen rhapsodisch frei, fast wie gerade erst improvisiert. Der abschließende Fandango überzeugt mit „bissigem“ und knackigem Blech. Hier macht sich das spontan wirkende Musizieren besonders bemerkbar. Die Coda (tempomäßig zweigeteilt in Vivo, die Viertel = 141 und Presto, die Viertel = 152) wird hier als Stretta verstanden und als solche recht maßvoll im Tempo, aber gewaltig in der Intensität gesteigert.

Der Klang der Aufnahme (noch besser in der XRCD – Version) ist brillant, gut ortbar, recht voll und hat eine sehr gute Staffelung. Die Violinen könnten noch etwas weicher klingen. Der leicht spröde Klang der Violinen ist ein Charakteristikum der frühen Stereo-Aufnahmen der Decca. Die Transparenz und Plastizität ist sehr gut. Ein leichtes Rauschen ist hörbar. Die Dynamik wirkt frisch, unmittelbar und knackig.

 

5

Lorin Maazel

Berliner Philharmoniker

DG

1958

1:11  4:46  1:10  4:27  3:00  14:54

Maazel hat das Capriccio zwei Mal eingespielt. Zur 58er aus Berlin gesellt sich noch eine weitere aus Cleveland, die er 1977 für Decca dort einspielte. Die erste gefällt in nahezu allen Belangen besser. Sie wird vom gerade 28jährigen Dirigenten in jugendlichem Überschwang, aber bereits mit aller technischen Perfektion, die ihm von Anfang an eigen war, angegangen. Der späteren Aufnahme haftet bereits eine etwas vordergründigere, beinahe selbstgenügsame  Eleganz an, die 1977 zu einem zwar noblen aber auch erheblich gediegenerem Gesamtergebnis führt.

Für die Berliner Aufnahme sprechen zudem eine sehr präsente Aufnahmetechnik und eine für das Aufnahmedatum erstaunliche Transparenz.

Die eröffnende Alborada  gelingt Maazel nicht übermäßig lärmend, weil gut strukturiert und sehr transparent gehalten. Das Hornquartett in den Variazioni ist ein Hochgenuss, wunderbar rund und geschmeidig intoniert. Das Unisono von Violinen und Celli wird bestens ausgewogen bei D, sonst hört man oft ein Übergewicht der einen oder anderen Instrumentengruppe. Der Dialog von Hörnern und Englischhorn kommt sehr gut heraus. Die Dynamik im weiteren Verlauf ist kraftstrotzend. Die Violinen spielen ihre Cantilenen ab F mit viel klanglicher Substanz auch in höchster Höhe.

Die Reprise der Alborada, erneut im glänzenden Gesamtklang, erfreut mit tollen Soli von Violine und Klarinette. Ausdrucksstärker und mit reicherem Klang sind diese Soli in den 50ern oder 60ern wohl nirgends gespielt worden.

Gleiches lässt sich auch von den betörend hingelegten Kadenzen im 4. Satz schreiben. Besonders die erste mit den Hörnern und Trompeten erfreut mit Substanz und Glanz. Im weiteren Verlauf erklingen die Kadenzen auch besonders spannend. Das feroce der Violinen klingt besonders wild. Mitreißende Steigerungsverläufe leiten in den Fandango über. Der junge Dirigent weiß hier das kritische Orchester auf besondere Art und Weise zu motivieren. Man hat das Gefühl, dass die Musiker mit Lust und Leidenschaft voll dabei waren und sie sich voll „reinknien“. Die Kastagnetten klingen sehr präsent. Die Stretta ist in Coda und Presto überschäumend und mitreißend.  Eine mehr als überzeugende Talentprobe und ein „virtueller“ Aufenthalt in Spanien, den der Hörer nicht so schnell vergisst.

▼ eine weitere Aufnahme des Dirigenten findet sich etwas weiter unten in der Liste

 

 

5

Igor Markevitch

London Symphony Orchestra

Philips

1962

1:10  4:40  1:10  4:44  3:12  14:52

Das LSO ist mit vier Aufnahmen im Vergleich vertreten. Argenta (58), Dorati (59), hier Markevitch (62) und später noch mit Mackerras (1990). Klanglich liegt die Einspielung Markevitchs zwischen Dorati und Mackerras. Nicht so wild und ungeschliffen wie bei Dorati und erheblich kompakter als bei Mackerras. Sie rauscht erheblich weniger als die erst kurz zuvor entstandene Dorati-Einspielung, ist aber ebenfalls farbig und präsent, jedoch ein wenig dichter.

Die Alborada hat das kraftvolle der Dorati-Einspielung aber auch das hohe Maß an Transparenz  für die Darstellung der Einzelstimmen, ohne jedoch dafür die Kraftanmutung so sehr weit zurückzunehmen wie es von Mackerras bevorzugt wird.

Markevitch gelingt es, sehr viel Atmosphäre mit einzubringen. Stets schwingt hier etwas authentisches und wahrhaftiges in seinem Musizieren mit, was sich nur schwer erklären lässt. Gerade bei einem so „oberflächlichen“ Stück wie dem Capriccio eine erstaunliche Leistung.

Das Hornquartett in den Variazioni klingt ebenfalls homogen, der Zusammenklang von Violinen und Celli bei D ist perfekt und außerdem schön cantabile. Das Englischhorn im „Gespräch“ mit den Hörnern klingt klarer als bei Mackerras, es wirkt sehr emotional und nicht nur zur Schau gestellt. Die Violinen bei H klingen absolut „astrein“ und mit glühender Intensität. Die Reprise der Alborada, rhythmisch akzentuiert und temperamentvoll dargeboten, wirkt weniger lärmend und exaltiert als expressiv-tänzerisch.

Auch die Scena wirkt bereits in der Cadenza I emotional dichter und gestenreicher als sonst. Auch die weiteren Kadenzen sind spannend erzählte Beiträge der Szene und wirken authentisch erlebt. Dass sich der Hörer hier spanische Sänger vorzustellen hat, ist problemlos nachzuempfinden. Die einzelnen Episoden wirken hier weniger aneinandergereiht als unter einem Bogen gestellt. Der weitere Verlauf ist drängend. Der direkt anschließende Fandango klingt tänzerisch exaltiert. Hier brennen Markevitch und das LSO ein Feuerwerk ab. Ab Z bereits im Tempo erhöht. Die Intensität ist feurig und glutvoll.

Der Hörer hat den Eindruck: Hier stimmt eigentlich alles. Das Klangbild ist zeitgemäß.

 

 

5

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS – Sony

1959

1:18  4:47  1:16  4:30  3:00  15:51

Die Suite scheint Bernstein ganz besonders zu „liegen“, was gerade auch für den abschließenden Fandango gilt. Es lässt sowohl die Gefühlswelt lebendig werden, stellt die brillante Instrumentation ins rechte Licht und begeistert zudem mit einer Tempowahl, die in der abschließenden Stretta ihresgleichen sucht.

Von der Aufnahme lagen zwei CDs aus verschiedenen Jahren vor, bei denen die Dynamikspitzen um ein Übersteuern zu verhindern gerade in der Coda unterschiedlich behandelt wurden. Im neuesten Remastering aus der Bernstein–Gesamtedition erwies sich dabei als das pauschalere, nicht explizit auf die Erfordernisse der einzelnen Sätze eingehende. Der Klang ist dennoch sehr transparent, viel klarer als beim zuvor gehörten Barenboim, auch präsenter mit einer sehr guten Staffelung. Die Gran Cassa kommt gut zur Geltung. Gegenüber der Einspielung mit Szell fällt das bei Bernstein deutlich blassere Klangbild auf.

Die Alborada I wirkt tänzerisch, nicht übermäßig schnell, aber klar und deutlich. Eine aufdringliche Wirkung wird vermieden. In der Alborada II (dem 3. Satz der Suite) bringt Bernstein alle Valeurs der abwechslungsreichen Instrumentation zu voller Entfaltung. Die Transparenz ist hervorragend. Selten unterscheiden sich die beiden Alboradas so deutlich von einander wie bei Bernstein.

Bei den Variazioni gelingt das cantabile der Violinen und Celli viel ausdrucksvoller als zuvor bei Barenboim und dem CSO. Die Soli kommen wunderbar deutlich  und klingen eloquenter.

In der Scena lässt Bernstein die fünf Kadenzen ähnlich frei improvisieren wie Argenta, vor allen die Violine in der Cadenza II und die brillante Flöte in der Cadenza III. Das feroce der Geigen (sechs Takte vor M) klingt wild, so wie es sein soll. Insgesamt ist der Spielwitz evident und der Gesamteindruck wirkt besonders inspiriert. Die Wiedergabe strotzt nur so vor Temperament, bleibt aber trotzdem noch leicht und locker.

Ein Eindruck, der in dem abschließenden Fandango auf die Spitze getrieben wird. Die spannende und spontan wirkende Gestaltung gipfelt in einer an Lebendigkeit nicht zu überbietenden Coda und in einem aberwitzig feurigen, überschäumenden Presto, das so extatisch in keiner anderen Vergleichseinspielung gewagt wird.

 

 

5

Leopold Stokowski

New Philharmonia Orchestra London

Decca

1969

1:20  4:51  1:24  5:13  2:48  15:36

Puristen rümpfen beim Namen Stokowski gerne die Nase und haben dabei noch nicht einmal unrecht, greift er doch gerne einmal in die Trickkiste des manipulativen Bearbeiters. Soweit wollen wir jedoch nicht gehen, kommt der Dirigent, der bei der Aufnahme bereits auf 87 Lebensjahre zurückblicken konnte, doch noch aus einer Zeit, in der sich Nachschöpfung und Schöpfung mitunter vermischt haben und überhaupt sind die Grenzen doch hier eher fließend. Sein Berufsbild war ja auch nicht nur Dirigent im heutigen Sinn, sondern auch Arrangeur. Jedenfalls hat er sich wieder was einfallen lassen.

Die Alborada beginnt betont rhythmisch, erreicht aber beim Einsatz des Klarinettensolos ein neues, viel langsameres Tempo. Ein  Vermerk über die Spielanweisung con forza für die Klarinette hinaus fehlt jedoch. Dieses Prozedere wiederholt sich bei jedem Klarinetteneinsatz und findet sich auch in der zweiten Alborada wieder. In der zweiten Alborada wirkt dieser Effekt durchaus verlebendigend. Überhaupt sind die Soli ausgesprochen farbig gespielt und individualisiert, wobei die Klarinette ausgesprochen keck und selbstbewusst mit ihrem „eigenen“ langsameren Tempo umgeht.

In den Variazioni lässt Stokowski das Hornquartett mit einem Echoeffekt spielen, sehr apart aber auch nicht von der Partitur gedeckt. Die Übergänge gelingen Stokowski besonders geschmeidig. Rubato verwendet er ausgiebig. Der Dialog von Hörnern mit dem Englischhorn erklingt ausgesprochen „naturalistisch“. Bei der Cantilene der Violinen in der hohen Lage lässt er „die Kirche im Dorf“, kein aufgetriebenes ff sondern ein f cantabile assai, genau wie vom Komponisten gewünscht. Einfach und sehr schön gespielt.

Bei etlichen Einspielungen vermutet man den Einsatz der Gran Cassa, obwohl nur eine Cassa vorgesehen ist. Bei Stokowski kann man sicher sein, das es eine Gran Cassa war. Bereits in der Scena, bei der Cadenza I von Trompeten und Hörnern. Die Einsätze werden keineswegs schamhaft versteckt, sondern effektbewusst und ausgesprochen brillant präsentiert. Das feroce der Geigen ist einfach Klasse. Das Cellosolo erklingt mit großer Spannung und was für ein lebendiges Rubato! Der zugespitzte Verlauf gegen Ende des Satzes begeistert.

Auch im Fandango sind die Soli von besonderer Eleganz und Eloquenz. Man merkt, hier wurden die Solisten wohl nicht alleine gelassen, sondern sorgfältig gemeinsam gearbeitet. Überhaupt gelten ja die Jahre des Übergangs vom Philharmonia zum New Phiharmonia Orchestra als Jahre der Krise (Walter Legge entzog als Gründer und Finazier seine Mitarbeit), die sich auch in der Güte des Orchesters bemerkbar gemacht haben sollen. Davon merkt man in dieser Produktion nichts. Im Gegenteil. Der Spannungsverlauf ist herausragend. In Coda und Presto wird auch hier ein wahres lichterlohes Feuerwerk abgebrannt.

Stokowski gelingt eine Einspielung von besonderer Leidenschaft und Hingabe. Er konnte das mitunter in dieser Hinsicht mitunter eher reservierte Londoner Orchester bedingungslos mitreißen, was für ein Glück für den heutigen Hörer. Eine Besonderheit am Ende sollte nicht verschwiegen werden: auch die letzten Takte lässt der Maestro die Gran Cassa noch kräftig mitwirbeln, ein toller Effekt, den der Komponist wohl versehentlich nicht in die Partitur schrieb!

Nach der Aufnahme von Stanley Black ist dies die zweite Phase-4-Aufnahme der Decca in unserem Vergleich. Man kann sie noch als halbwegs natürlich bezeichnen, ist sie doch lange nicht so individuell und speziell geraten wie die Stanley-Black-Einspielung von 1964, auf die später noch eingegangen werden soll. Die Einspielung Stokowskis klingt sehr klar und bestechend gut durchhörbar. Im Tutti, besonders wenn es lauter zugeht, wird das Klangbild jedoch zunehmend dichter und die Klarheit geht etwas verloren.

 

 

5

Jewgeni Svetlanov

Staatliches Sinfonieorchester der Russischen Föderation

Canyon

1992

1:14  6:37  1:17  5:26  3:29  18:03

Svetlanovs Einspielung fällt schon alleine durch die ausladende Tempogestaltung aus dem Rahmen der hier vorgestellten Aufnahmen. Sie ist die mit Abstand langsamste. Da sie dafür eine vorbildliche Beachtung aller Vortragszeichen und auch ein ausgepichtes piano-Spiel mit ins Spiel bringt, gewinnt der Hörer vornehmlich den Eindruck, dass die Suite musikalisch hier sehr ernst genommen wird. Der Gefahr bisweilen zu einem ausziselierten und damit relativ emotionslosen Ergebnis zu kommen, erliegt die Einspielung nur ganz vereinzelt.

Die Alborada erklingt rhythmisch federnd und sehr dezent. Das war von der ersten russischen Einspielung nicht unbedingt zu erwarten. Auch das Hornquartett in den Variazioni erklingt zurückhaltend, getragen und sehnsuchtsvoll. Celli und Violinen erreichen in ihrer Cantilene fast schon ein misterioso. Die viermaligen Trompeten-Akzente bekommen hier die Intensität wie in der Aufnahme mit Argenta. Ein Resultat der peniblen Herausarbeitung eines jeden Details.

In der zweiten Alborada gelingt das Kunststück, jeden lärmenden Eindruck zu vermeiden und trotzdem lebendig zu bleiben.

Die Scena erklingt ohne emotionalen Überdruck. Die jeweiligen Kadenzen wirken sehr bewusst und innig vorgetragen, ohne den instrumentalen Glanz zu vernachlässigen. Der Aderlass an guten Musikern, die sich nach der Perestroika gen Westen aufgemacht haben, scheint am Staatsorchester nur mit relativ wenigen Blessuren an der Gesamtqualität vorüber gegangen zu sein. An kräftigen Akzenten mangelt es in diesem Satz jedenfalls nicht, das feroce der Violinen wird durchaus wörtlich genommen (wild). Die Steigerungsverläufe wirken weniger emotional induziert als minuziös und mirakulös durchdacht und klug aufgebaut, lassen es aber dennoch nicht an einer mitreißenden Wirkung mangeln. So wirkt das Brio nicht äußerlich aufgesetzt. Svetlanov setzt hier seine immense Erfahrung für eine seriöse Gesamtwirkung ein.

Auch für den Fandango gilt die Devise: In der Ruhe liegt die Kraft. Erst am Ende, ab der Coda wird die spanisch-russische Brio-Rakete gezündet, ab Presto mit kraftvoller Vehemenz.

Die relativ neue Aufnahme, unseres Wissens wurde sie nicht von russischen, sondern von japanischen Ingenieuren betreut, zeigt eine ausgezeichnete Breiten- und Tiefenstaffelung. Die Verbindung von Weiträumigkeit und Präsenz ist durchaus geglückt. Diese Einspielung ist auch ein Glücksfall für den Partiturleser. Alles was man liest, wird hörbar und man kommt bequem mit, was mitunter durch die atemberaubenden Tempi in manch einer Konkurrenzaufnahme deutlich erschwert wird.

 

 

 

 

4-5

David Zinman

Rotterdam Philharmonic Orchestra

Philips

1982

1:14  5:01  1:18 5:02  3:15  15:50

Die Rotterdamer Philharmoniker sind im Vergleich zwei Mal vertreten. Zur Aufnahme mit Zinman gesellt sich noch die nur sechs Jahre ältere mit Edo de Waart. Die jüngere gefällt im Verglich erheblich besser, wenngleich die ältere durch ihr konsequentes Understatement durchaus eigenständig auf sich aufmerksam macht. Davon später mehr.

Alleine schon der Klang der Aufnahme ist bei Zinman erheblich brillanter, auch die Dynamik weiß viel mehr zu überzeugen. Die Gran Cassa ist durchdringend und dynamisiert zusätzlich den Gesamtklang.

Die Alborada erklingt rhythmisch prononciert aber trotz des präsenten Schlagwerks nicht knallig, da auch die Streicher noch gut verfolgbar sind. Auffallend ist die exakte und den Rhythmus weiter in den Vordergrund stellende Spielweise der Bässe. Dass das Orchester mit Zinman einen energischeren Dirigenten hatte als mit Edo de Waart, wird auch im 2. Satz, den Variazioni deutlich. Zwar ist auch das cantabile von Violinen und Celli sehr gesanglich geraten, das Gespräch zwischen Hörnern und Englischhorn aber bereits ungleich farbiger. Am Klang des dünnen Englischhorns konnte der neue Dirigent jedoch auch nichts ändern, es klingt aber nun plastischer. Die Violinen bei F spielen erheblich ausdrucksvoller als noch sechs Jahre zuvor.

Die Alborada II klingt viel selbstbewusster und extrovertierter (richtig drall) als bei de Waart. Hier kommt beim Hörer richtig  gute Laune auf. Auch die Scena überzeugt mit stimmungsvollen, extrovertierten Kadenzen der Solisten und mit einem temperamentvollen Verlauf. Der Fandango am Ende bekommt ein gehöriges Maß an spanischer Grandezza mit auf den Weg, gewürzt mit einer ordentlichen Portion Salsa. Vor allem die temperamentvoll hingepfefferten Schlagwerkakzente können gefallen. Der Verlauf erscheint zugespitzt bis zum krönenden Presto.

Die Suite erhält bei Zinman einen erheblich extrovertierteren Charakter als beim introvertierten, leisen de Waart. Eine reizvolle Gegenüberstellung mit demselben Orchester ist also möglich.

 

 

4-5

George Prêtre

Royal Philharmonic Orchestra London

EMI - BnF

1961

1:10  4:10  1:07  4:45  3:13  14:25

Obwohl diese Einspielung nur als Download einer bei der Bibliothèque national de France digitalisierten LP vorlag, war ihr Klang gelungener als der der nur drei Jahre früher eingespielten Aufnahme Cluytens´. Er war frei von Rauschen, eher kompakt, also nicht sonderlich weiträumig aber recht präsent und lebendig. Die Alborada klang tänzerisch und beschwingt, das Klarinettensolo zwar etwas unprofiliert und erstaunlich gleichförmig, aber insgesamt sehr gut gelaunt. Die Variazioni erhalten auch hier die von diesem Dirigenten, vor allem in seinen jüngeren Jahren oft zu bemerkende gewisse prickelnde Unruhe – trotz des hier erforderlichen eher langsamen Tempos. Auch das Unisono von Violinen und Celli (ab D) wird bei Prêtre lebendig phrasiert. Beide Gruppen sind aber deutlich voneinander zu unterscheiden, könnten also homogener klingen. Die folgenden Hornpassagen klingen dafür in schönstem Legato, obwohl eigentlich keines notiert ist. Ab Tempo 1 hört man – selten genug - die Pizzicati sehr gut durch. Ab F gelingt das hoch liegende cantabile der Violinen sehr schön voll und rund, ein Beleg für die Klasse, die das RPO damals hatte.

Die Alborada II erklingt ungestüm, aber analog zur ersten Alborada mit gleichförmigen Soli (hier auch der Violine) und trotzdem gut gelaunt.

In der Scena merkt man der Violinkadenz die große geforderte Kraftanstrengung sehr wohl an (con forza). Auch die anderen Kadenzen gelingen packend. Auch präzise und knackig, wie der weitere Verlauf dieser anschaulich und mit viel Gefühl gespielten Szene mit Gesang (canto gitano). Auch im Fandango erweist sich Prêtre als Meister des nervigen Espressivo, dem  auch in diesem Satz eine geschlossen wirkende, wenig lärmende und geschmackvolle Darbietung mit viel „Zug“ dahinter gelingt.

 

 

4-5

Seiji Ozawa

Saito Kinen Symphony Orchestra

Philips

1994

1:14  4:34  1:14  5:00  3:12  15:14

Ozawas Produktion ist anders gewichtet als die Pretres. Mit seinem japanischen Meisterorchester meidet er jede Knalligkeit und legt eine der introvertiertesten Einspielungen des Vergleiches vor. Geschmeidigkeit und Zurückhaltung prägen die Spielweise des Orchesters. Das Orchester erreicht dabei ein sehr hohes Maß an Perfektion. So klingt das Hornquartett in den Variazioni absolut homogen, das cantabile von Violinen und Celli ebenso, aber auch stimmungsvoll, angenehm zurückhaltend und dezent. Das cantabile der Violinen bei H in den höchsten Lagen klingt bestechend präzise, assai bedeutet auch hier nicht das maximal Mögliche sondern „genug“ im Sinne von zurückhaltend: das reicht so doch schon.

In diesem Zusammenhang mag es etwas überraschen, dass die Kadenzen im 4. Satz, der Scena, etwas präsenter klingen könnten und die Kadenz der Flöte nicht ganz makellos gelingt. Sie sind aber alle fünf klangschön und überhaupt nicht vorlaut, die der Harfe klingt sogar traumhaft schön. Das Spiel des Orchesters ist locker und souverän. Im Fandango geht es dann schwungvoller zu, die Kastagnetten klingen präsent und vermitteln spanisches „Feeling“. Klarheit geht hier jedoch vor Extase. Dennoch wird bereits ab X also vor der Coda schon etwas beschleunigt und im Presto dann richtig aufgedreht. Dennoch bleibt diese Produktion weniger leidenschaftlich als sorgsam und distinguiert. Dem Stück wird das Plakative soweit möglich genommen. Durch ihr Understatement wird dem Hörer quasi eine fernöstlich gelassene Sichtwiese auf das russisch-spanische Opus ermöglicht.

 

 

4-5

Mariss Jansons

London Philharmonic Orchestra

EMI

1994

1:14  5:23  1:13  4:58  3:20  16:08

Locker und lebendig spielt auch das LPO unter der Leitung des motivierend wirkenden Mariss Jansons. Transparent wirkt auch die in vielen Einspielungen massiv wirkende Alborada, trotz des hier etwas stampfenden Rhythmus. Das Hornquartett in den Variazione spielt seine Passage besonders delikat, Jansons lässt im ganzen Satz genug Zeit, um alle Details frei und geradezu genüsslich zur Entfaltung kommen zu lassen. Die Violinen können so auch ihrer hoch liegenden Kantilene im reduzierten Tempo ein Glanzhäubchen aufsetzen. In der Alborada II werden auch sonst kaum hörbare Nebenstimmen zutage gefördert. Die Soli von Violine und Klarinette erfeuern mit frischer und quicklebendiger Artikulation. In der Scena werden die Kadenzen der fünf Instrumente (sie sollen ja eigentlich Sänger verkörpern) kraftvoll und rhapsodisch ausgereizt. Ab dem feroce der Violinen treibt Jansons das musikalische Geschehen dann mächtig an. Das Orchester scheint mit Freude bei der Arbeit gewesen zu sein, bisweilen gar mit überschwänglicher Freude. Der Fandango besticht durch dynamisch reich differenzierte Nebenstimmen und einer exaltierten Coda, wenngleich der Impetus Bernsteins nicht ganz erreicht wird.

Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent und plastisch, den Solisten wird eine große Bühne gewährt und die Staffelung ist auch in der Tiefe des Raumes sehr gut. Auch die Basswiedergabe überzeugt.

 

 

4-5

Neeme Järvi

Göteborger Sinfonieorchester

DG

1987

1:06  5:05  1:09  5:15  3:03  15:39

Järvis Alborada klingt straff rhythmisiert aber teilweise gleichförmig und stromlinienförmig. In den Variazioni haben das Orchester und seine Solisten Gelegenheit ihr Können unter Beweis zustellen, wovon sie reichlich Gebrauch machen. Die Alborada II klingt teils knallig. In der Scena gelingen alle Kadenzen der spanischen „Sänger“ extrem rhapsodisch und frei, spannend und farbig. Das feroce der Geigen klingt besonders wild. Im weiteren Verlauf legen Järvi und „seine“ Schweden alle nordische Kühle und Zurückhaltung ab und legen ein Temperament an den Tag, das man so nicht von ihnen kennt und erwartet hätte. Der Fandango hat „Schmiss“, der Coda wird mächtig eingeheizt und das Presto wird fast im Stile Bernsteins mit einer waghalsigen Beschleunigung zu einer atemberaubenden Stretta gesteigert.

Das Geschehen spielt sich in einem weiten Klangpanorama ab, klar und sehr gut aufgefächert. Die Gruppen sind relativ weit von einander entfernt, was eine geringere Präsenz bedingt. Die Gran Cassa macht gut vernehmlich auf sich aufmerksam.

 

 

4-5

Antal Dorati

London Symphony Orchestra

Mercury

1959

1:12  4:39  1:11 4:57  3:12  15:11

Antal Dorati scheint sich an den Quellen orientiert zu haben, die der Komponist als Vorlage für seine Suite genutzt hat. Laut, rau, aus voller Kehle sollte darin die Alborada gesungen werden (und wahrscheinlich auch aus vollem Herzen). Genauso klingt es hier auch, ungeschminkt, ungeschönt und aufgeraut. Darin nimmt Dorati genau die Gegenposition zu der anschließend abgehörten Einspielung Dutoits ein, die ein wenig hochglanzpoliert quasi großstädtisch wirkt, während Dorati die ländlichen, folkloristischen Ursprünge zum Ausdruck bringt.  In den Variazioni lässt er die Celli genau phrasierend aus vollem Herzen singen. Das Englischhorn klingt im Duett mit den Hörnern leider dünn und hart, bar jeder klanglichen Substanz. Die Violinen in der hohen Lage klingen dann auch ziemlich schrill und stark forciert. Unmittelbarer Ausdruck geht hier deutlich vor Schönklang.

Die Alborada II nimmt es mit dem strepitoso sehr genau (wörtlich: lärmend, urwüchsig), da wird gelärmt mit Lust und Laune. Die Solisten in den fünf Kadenzen der Scena klingen unterschiedlich gelungen, die ziemlich klein abgebildete Violine (typisch für die damalige Aufnahmetechnik mit nur zwei oder drei Mikrophonen) klingt sehr capriziös, die Harfe besonders schön. Dazwischen hören wir ein Oboensolo, das klanglich sehr abfällt. Das feroce der Geigen wird wirklich wild umgesetzt, das Schlagwerk klingt sehr exponiert. Im abschließenden Fandango treibt Dorati das LSO gut an und führt es zu einem mitreißenden Finale.

Die Gesamtwirkung bleibt jedoch mitunter etwas ungehobelt, betont ungeschliffen und naturbelassen, gar knallig und wild. Der Klang ist wie bei Mercury zu erwarten ungefiltert, sehr präsent, prall und dynamisch. Etwas aufgeraut aber klar bei deutlichem Rauschen. Die Violinen klingen nicht gerade sanft, sondern etwas gepresst, bisweilen gar schrill.

 

 

4-5

Charles Dutoit

Orchestre Symphonique de Montréal

Decca

1983

1:08  4:47  1:11  5:12  3:25  15:43

Erheblich kultivierter (oder auch gesitteter) als bei Dorati geht es bei Charles Dutoit zu. Die Alborada klingt hier sauber und übersichtlich. In den Variazioni geht es durchweg sehr cantabel zu, die Cellocantilene, gemeinsam mit den Violinen intoniert z.B. bringt so Momente echter Sehnsucht mit ins Spiel. Die Soli sind allesamt sehr gefühlvoll, die Violinen in der höchsten Lage spielen mit Glanz, völlig ohne jede Anmutung von Härte.

Auch die Alborada II klingt kultiviert, farbig und virtuos. In der Scena werden die Kadenzen von allen Solisten ganz ausgezeichnet vorgetragen, auch spannend und brillant. Der Unterton ist nun ein locker erzählender und er bleibt dabei gänzlich unforciert.

Gesanglichkeit ist auch im Fandango Trumpf. Das Schlagwerk wird stets dezent eingesetzt, der Rhythmus bleibt federnd. Wie viele andere auch, zieht Dutoit das Tempo schon bei Z etwas an, zehn Takte bevor das Presto beginnt. Dieses bleibt aber geschmeidig und man hat es durchaus schon zwingender gehört bzw. erlebt. Dutoits Darstellung bildet einen geschmeidigen und kultivierten Gegensatz zum folkloristisch orientierten kraftvollen Zugriff Doratis.

Der Klang der Aufnahme ist transparent und sehr gut aufgefächert, angenehm weich und gut gerundet, räumlich und farbig. Dem Gesamtklang fehlt jedoch die letzte Brillanz, das Orchester wirkt eine Spur nach hinten gesetzt also distanziert, besonders nach den präsenten Aufnahmen Doratis oder Argentas.

 

 

4-5

Kurt Masur

New York Philharmonic Orchestra

Teldec

1999

1:11  4:59  1:10  4:54  3:14  15:17

Die Wiedergabe des Capriccio espagnol scheint für Masur eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein, denn das spürbare Engagement geht über eine Darstellung der bloßen wirkungsvollen Effekte wegen weit hinaus. Schon die Alborada gefällt mit differenziertem Gesamtklang, dynamisch aber nicht affirmativ. Die Variazioni gefallen durch eine sehr gut ausgehörte Gestaltung mit vielen Valeurs und Feingefühl. Allerdings geht das pizzicato der Violinen nach Tempo 1 fast völlig unter. Auch die Alborada II wird mit viel Freude am Spiel dargeboten. Die Kadenzen in der Scena sparen nicht mit Rubato, auch sind die Triolen in der Flötenkadenz schön deutlich, eine insgesamt stimmige Anlage des Satzes, dessen überzeugende Gestaltung aus den anderen Sätzen der Suite noch herausragt. Der Fandango wirkt spannend aufgebaut, die Schlussstretta bleibt gemäßigt.

Auch der Klang gefällt sehr gut. Er ist offen, klar, gut gestaffelt und dynamisch. Viel transparenter als beim zuvor gehörten Markevitch und erheblich dynamischer als beim ebenfalls gerade gehörten Mackerras.

 

 

4-5

Kyrill Kondrashin

RCA Symphony Orchestra

RCA

1958

1:12  5:02  1:11   4:37  3:02  15:02

Das RCA Symphony Orchestra war ein Studioorchester der Plattenfirma, das seine Mitglieder aus den besten Orchestern New Yorks rekrutierte, oft waren Mitglieder des NBC SO darunter, des Symphony of the Air (das Nachfolgeorchester des NBC für ein paar Jahre), des Orchesters der MET oder des New York Philharmonic.  Die Aufnahme des Capriccios entstand im Umfeld der berühmten Aufnahme des 1. Klavierkonzertes von Tschaikowsky mit Van Cliburn, der in diesem Jahr des kalten Krieges sensationell den Tschaikowsky-Klavierwettbewerb in Moskau gewonnen hatte. Zur Aufnahme durfte der russische Dirigent sogar kurzzeitig aus der UdSSR ausreisen.

Bei beiden Alboradas bleibt der Gesamtklang im Tutti seltsam dumpf und das Klarinettensolo bleibt deutlich leiser als das Violinsolo, worauf wir uns keinen Reim machen konnten, es sei denn, es lag an der etwas zu großen Entfernung der Klarinette zu den Hauptmikrophonen. Mit Stützmikrophonen wurde damals ja noch nicht gearbeitet. In den Variazioni hört man beim Hornquartett auch einmal die Nebenstimmen deutlich, was nur in wenigen Aufnahmen glückt. Generell hat Kondrashin auch im weiteren Verlauf immer ein waches Auge auf die Nebenstimmen gerichtet, was zu einer plastischen Wiedergabe führt. Die Celli werden in der Kantilene mit den Violinen deutlich hervorgehoben. Das Orchester macht einen sehr wachen Eindruck, wovon auch die Kadenzen während der Scena profitieren. Es folgt danach ein packendes Tempo ab drei Takte vor M mit feurigem Zugriff. Auch der Fandango profitiert von Kondrashins Temperament, er zieht auch schon ab zwölf Takte nach U, was auf dasselbe herauskommt wie 16 Takte vor V das Tempo ordentlich an. Warum Kondrashin gerade diese Marke gewählt hat, bleibt sein Geheimnis. Jedenfalls zieht er schon so mächtig an, dass er ab Presto nicht mehr viel zuzulegen hat. Bernstein setzte da ein Jahr später neue Meilensteine.

Der Klang lässt die Bässe ziemlich undeutlich hören. Das leichte Rauschen kann dem guten, farbigen Gesamtklang mit seiner unmittelbaren Präsenz und Farbigkeit nicht viel anhaben. Die Passagen mit solistischer Besetzung klingen weiträumig, was sich vom Tutti nicht gerade behaupten lässt.

 

 

4-5

Dmitri Kitajenko

Bergen Philharmonic Orchestra

Chandos

1993

1:17  4:49  1:17  5:10  3:32  16:05

Kitajenko setzt die beiden Alboradas deutlich von einander ab. Die erste wirkt weniger lärmend und leichter als üblich, während die zweite starken Lärm produziert, das Violinsolo aber kontrastierend dazu sehr elegant bleibt, wie auch das Solo der Klarinette. Das Hornquartett der Variazioni klingt sehr präsent, die Cellokantilene wird anders als bei Kondrashin voll in den Gesamtklang mit den Violinen integriert. Das Zwiegespräch der Hörner mit dem Englischhorn klingt sehr schön, der Violinenchor klingt auch in den lichten Höhen der großen Cantilene auch bei großer Lautstärke noch weich und voll. Ein Charakteristikum, das für das ganze Orchester gelten kann. Was sich in der Scena auch bestätigt. Die erste Kadenz mit Trompeten und Hörnern klingt sehr kraftvoll und brillant, auch die anderen Solisten trumpfen mit ihrem vollen, farbigen Ton voll auf. Ein ausgezeichnetes, vollmundig und rund klingendes Orchester, das der Musikfreund vielleicht noch gar nicht so „auf dem Schirm“ hat. Der abschließende Fandango mit den hier deftigen Akzenten vom Schlagwerk erklingt in einem relativ langsamen Tempo. Auch bei Coda und Presto geht es nur relativ gemächlich vorwärts.

Das Klangbild erscheint sehr übersichtlich, distinguiert, voll und weich gerundet. Der Grundton ist warm, obgleich der Klang offen bleibt. Die dynamische Palette ist reichhaltig.

 

 

4-5

Jörg Weigle

Dresdner Philharmonie

BC

1994

1:14  5:18  1:15  4:56  3:21  16:04

Der Orchesterklang der Dresdner hat große Ähnlichkeiten mit dem zuvor erwähnten Klang aus dem norwegischen Bergen. Die eröffnende Alborada (wie auch die zweite) klingt sehr transparent, geschmeidig und geschmackvoll. Die Varizioni erfreuen mit einem stimmungsvollen Hornquartett, wie in Bergen auch mit geschmeidigen, voll tönenden Streichern mit schönem Cantabile und einem einfühlsamen Zwiegespräch von Hörnern und Englischhorn. Wobei man hier eher von einem Duett unter Sängern sprechen sollte. Mit sehr langem Atem, denn das langsame Tempo lässt es wie aus der Zeit gefallen wirken,

Das Orchester, das übrigens ausgewogener klingt als die gerade zuvor gehörten Rotterdamer Philharmoniker unter de Waart, geht in der Scena auch ausdrucksvoller aus sich heraus, ohne dabei jedoch mit rasantem Temperament zu brillieren. Auch der Fandango bleibt im Tempo eher bedächtig, die Steigerungen maßvoll. Insgesamt gelingt Weigle mit seinem klangvollen Orchester eine im positiven Sinn sehr gefällige aber nicht gerade mitreißende Einspielung der rassigen Suite. Auch der Klang ist offener als beim zuvor gehörten de Waart, auch voller, weicher und runder. Auch die Transparenz überzeugt.

 

 

4-5

Lorin Maazel

Cleveland Orchestra

Decca

1977

1:11  5:03  1:17  4:40  3:15  15:26

Lorin Maazel spielt in seiner zweiten Aufnahme der Suite die Vorzüge seines Spitzenorchesters durchaus voll aus. So klingt die Alborada zu Beginn zwar etwas langsamer, aber immer noch beschwingt, keinesfalls schreiend und hochkultiviert. Aber bereits in den Variazioni klingen die Berliner Hörner kräftiger und leuchtender.  Die Balance im Unisono von Violinen und Celli ist dieses Mal zugunsten der Celli verschoben. Der Dialog zwischen Englischhorn und Hörnern bleibt lediglich geschmeidig. Die Berliner Violinen klangen in den höchsten Lagen mit erheblich mehr Substanz (zumindest einmal in diesem Vergleich). Die Alborada II gelingt tänzerisch, leichtgewichtig und frisch. In der Scena klingt die Cadenza 1 von Hörnern und Trompeten längst nicht so homogen wie in Berlin, nicht zuletzt auch deshalb, weil die beiden Instrumentengruppen sehr weit von einander entfernt sitzen, Ihr Klang ist auch nicht so vollmundig. Auch die anderen Soli klingen nicht ganz so farbstark und voll, auch nicht ganz so nuancenreich wie in Berlin, aber auch nicht so leuchtend wie in der älteren Version aus Cleveland mit George Szell. Die Harfe muss allerdings ausgenommen werden, denn sie klingt einfach fantastisch gut. Das feroce der Violinen wirkt etwas gezähmt. Der Fandango schließlich klingt weniger transparent als die vier Sätze zuvor und zunächst auffallend sanft. Auch viel sanfter als in Berlin, wobei in Berlin der Begriff sanft nie in den Sinn gekommen wäre. Die Beschleunigung bei Coda und Presto wird von Maazel zwar wahrgenommen, sie wirkt aber oberflächlicher und nicht so stringent und unwiderstehlich aus der Musik heraus entwickelt.

Der Klang der Einspielung wirkt weicher und weniger präsent als die Berliner. Vor allem die Violinen scheinen, besonders wenn sie leise spielen, etwas nach hinten zu rücken, was der Präsenz nicht gut tut. Ingesamt ist Maazels 77er Jahrgang nicht schlecht, aber der bessere 58er ist eben des nur guten Feind.

 

 

4-5

Stanley Black

London Festival Orchestra

Decca

1964

1:18  5:29  1:18  5:10  3:27  16:32

Die frühe Phase-4-Aufnahme zeigt alle Solodarbietungen in übergroßer Präsenz, wie einzeln an die Rampe geholt. In den 60ern mag das sinnvoll gewesen sein, denn die Möglichkeiten der heimischen Wiedergabe des Musikfreundes waren in klanglicher Hinsicht zumeist noch stark eingeschränkt und das Herausheben der Besonderheiten aus dem mitunter dichten Musiktext hatte seinen Sinn. Heute wirkt diese Herangehensweise eher unnatürlich oder aufgesetzt. Diese Aufnahme mit Black gehört jedoch zu den gelungeneren (wie auch in noch stärkerem Maß die fünf Jahre später entstandene mit Stokowski), denn die Effekte werden nicht über Gebühr auf die Spitze getrieben und der Effekt ist ja irgendwie auch schon vom Komponisten in die Komposition eingewoben worden. So wird das Orchester nicht als ganzes nach hinten verschoben, wenn ein Solist auftritt, wie man das von anderen Einspielungen der Reihe kennt.  Das Orchester bleibt also „vor Ort“, aber der gleiche Solist kann durchaus einmal von rechts ganz vorne nach links ganz vorne wechseln. Aber doch wichtiger ist: das Orchester und seine handverlesenen Solisten spielen ganz ausgezeichnet.

Seltsam ist allerdings, dass in der Scena die Cadenza 1 für die Hörner und Trompeten  ganz leise und verhalten klingt (sie sollte con forza gespielt werden). In der Cadenza III spielt die Flöte von links außen, die Klarinette ist für ihre Cadenza IV nach rechts außen gewandert. Ein lustiges Bäumchenwechseldich  macht deutlich wie verspielt die Toningenieure zu jener Zeit noch mit der noch neuen Stereophonie umgingen. Beim feroce der Geigen wurde man jedoch wieder ernst, die spielen wirklich wild. Der Fandango ist dann übrigens auch tadellos gespielt und von mitreißender Gesamtwirkung.

Die Spielfreude des Orchesters wirkt frisch und unverbraucht und macht so gemeinsam mit den Gimmicks der Tontechnik aus dem Musikgenuss einen großen Spaß.

 

 

4-5

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS - Sony

1965

1:15  4:52  1:18  5:12  3:30  16:07

Ormandy lässt die beiden Alboradas ordentlich lärmen und darf sich dabei wegen des Zusatzes strepitoso auch auf der korrekten Seite wähnen. In der Alborada II lässt er die Flöten ordentlich aus dem Gesamtklang herausstrahlen. Eine „geglückte“ Beschwörung des Sonnenaufgangs. Musikalisch interessanter sind die Variazioni, denen Ormandy eigenen Charakter abgewinnt. Der Dialog zwischen dem ziemlich larmoyant intonierenden Englischhorn kontrastiert sehr stark mit den eher wild und bedrohlich wirkenden Hörnern. Dass sich das Orchester kaum einen Effekt entgehen lässt, versteht sich fast von selbst. Das cantabile von Violinen und Celli klingt selbstverständlich auch sehr schön. Auch ab F klingen die Violinen sehr intensiv, assai ist eben ein sehr interpretationswürdiger Begriff. Überraschend ist es hingegen, dass die Hörner und Trompeten bei ihrer Cadenza I am Beginn der Scena nicht ganz zusammen sind, strahlend klingt es trotzdem. Die Soli der anderen Kadenzen sind allesamt plastisch, brillant und sehr präzise. Auch der Fandango wirkt intensiv. Coda und Presto bleiben jedoch wider Erwarten seriös und das extatische Moment eines Bernstein vermisst man etwas. Der Klang der Aufnahme ist präsent, eher etwas dicht als weiträumig. Die Violinen klingen nicht ganz unverfärbt.

 

 

4-5

Konstantin Ivanov

Grosses Rundfunk- und TV-Orchester der UdSSR

Music Online, auch Melodija und als LP auch auf DG

1971

1:10  4:57  1:12  4:51  3:29  15:35

Diese Aufnahme konnte zusammen mit der 2.Sinfonie „Antar“ in den 70ern auf einer DG-LP erworben werden. Sie klang damals besser als  in der neuen Reinkarnation als Download bei Music Online. Die Raumwirkung ist nun schwach ausgeprägt, die Ortbarkeit ist relativ schlecht, der Gesamtklang dicht und kompakt. Es scheint sich wenig Luft um die Instrumente herum zu bewegen. Immerhin klingt sie präsenter als die zehn Jahre später mit demselben Orchester entstandene Aufnahme mit Fedoseyev. Das Remastering erfolgte wenig sensibel. Das Rauschen wurde radikal gekappt, weshalb der Klang wenig brillant, fast dumpf erscheint. Die DG-LP war in jeder Hinsicht besser, viel räumlicher und dem Stand der Technik der 70er Jahre voll angemessen.

Die beiden Alboradas sind rhythmisch vorantreibend, die Reprise klingt dabei erheblich prickelnder und weniger lärmend. Die Soli bei den Variazioni gelingen ausdrucksvoll und klingen voller und weicher als bei Fedoseyev. In der Scena, die als ganzes mitreißend gelingt, beeindrucken die ausdrucksvollen Kadenzen, das lebendig gehaltene Tempo und die vorantreibenden, pointierten Rhythmen. Die losgelöste Spielweise zeigt, dass das Orchester die Musik aus dem Eff Eff beherrscht und verinnerlicht hat. Auch der Fandango wirkt trotz des gemäßigten Tempos quicklebendig. Trotz des dumpfen Klanges ein sehr erfreulicher Beitrag zur Diskographie. Die pralle Musikalität der Einspielung hätte eine liebevollere Wiederaufbereitung verdient gehabt. Wohl dem, der noch die alte LP sein Eigen nennen kann.

 

 

4-5

Edo de Waart

Rotterdam Philharmonic Orchestra

Philips, Pentatone

1976

1:10  5:04  1:09  4:37  3:02  15:02

SACD  Das Understatement der Ozawa-Aufnahme wird von de Waart noch einmal erheblich „überboten“. Das liegt wohl vor allem an der Aufnahmetechnik. Die alte Quadro-Aufnahme (übrigens bei Pentatone als solche mit Gewinn auch als Vierkanal-Original zu hören) klingt zumindest von der CD Schicht der SACD etwas belegt. Sie ist gut gestaffelt und transparent, trotzdem trocken und ohne jeden Glamour. Als Ganzes wirkt sie sogar irgendwie verniedlichend auf das Werk, so introvertiert kommt es beim Hörer an. Dabei beginnt das Orchester rhythmisch straff und geschmeidig, aber das Schlagwerk und das Blech wirken sehr dezent eingesetzt. In den Variazioni wirkt das cantabile längst nicht so sonor und expressiv wie sonst. Das Orchester wurde leider direkt nach den Cleveländern mit Szell gehört, das Alphabet wollte es so. Und da fiel der Unterschied umso deutlicher aus. Dem Englischhorn fehlte es am deutlichsten an sonorer Geschmeidigkeit. Die Alborada II ist ein Muster des Understatements, so leicht und locker wird es in keiner anderen Einspielung gegeben. Leicht aber auch leichtgewichtig. Eine sehr ätherische, wölkchenleichte Beschwörung des Sonnenaufgangs. Auf Samtpfötchen kommt sie daher. Aber de Waart bringt so einen neuen Aspekt in die interpretatorische Bandbreite der Suite und das ist gar nicht so einfach. Die Soli in der Scena sind lange nicht so präzise und umwerfend virtuos wie gerade vom CO gehört. Es klingt auch nicht so eloquent und es fehlt vor allem der Glanz. Die gute Einstufung zeigt aber, dass die Einspielung dennoch Respekt verdient und man Milde walten lassen muss, weil sie das Pech hatte, nach Szell gehört zu werden.

Auch der Fandango klingt trotz beachtlichen Tempos leicht und flockig hingetupft. In jeder Phase pastellfarben aber flott, auch stringent aber in keiner Weise überrumpelnd.

 

 

4-5

Arthur Fiedler

Boston Pops

Laserlight

1977

1:12  4:44 1:16  5:11  3:30  15:53

Dieser Einspielung liegt eigentlich ein Direktschnitt auf LP zugrunde. Sie hat dann aber doch irgendwie den Weg auf die CD gefunden, weil doch ein Aufnahmeband mitlief. Das Orchester ist darauf - wahrscheinlich wegen der nur zwei Mikrophone - mehr als Einheit abgebildet als üblich. Heute ist man durch Multimikrophontechnik eher eine künstliche Differenzierung des Klangbildes gewöhnt. Der Klang ist aber lebendig, natürlich gerundet und weich konturiert, wie man es von einem guten Konzertsaal kennt. Die Streicher klingen sehr gut. Es ist empfehlenswert, den Pegel zu erhöhen, damit man einen plastischen Gesamtklang erhält.  Trotzdem sitzt der Musikfreund hier nicht „in der ersten Reihe“ sondern etwas zu weit hinten. Das ist dem unmittelbaren Erlebnis eher abträglich.

Die Orchesterleistungen sind sehr gut. Die Bostoner klingen hier besonders homogen, die Violinen auch in den hohen Lagen voll und rund. Die Alborada II, weniger lärmend als tänzerisch beschwingt, lässt gute Soli hören, klingt differenziert, effektvoll aber doch ausgewogen. Die Solisten hatten ja, da es sich ursprünglich um einen Direktschnitt handelt, auch in der Scena keine Möglichkeit eine misslungene Passage zu wiederholen. Dennoch sind alle Beiträge – wie live – hochkonzentriert und klanglich herausragend. Besonders die Harfe klingt berauschend. Das feroce der Violinen bleibt geschmeidig, klingt also nicht wild oder gar unkultiviert. Im Fandango besticht die Solovioline mit ihrem gefühlvollen und leuchtenden Spiel. Die Tempogestaltung bleibt gemäßigt.

 

 

4-5

Alexander Lazarev

Orchester des Bolshoi – Theaters, Moskau

Erato

1994

1:10  4:59  1:09  4:46  3:11  15:15

Dass das Bolshoi – Orchester qualitativ herausragen würde, lässt sich nicht behaupten. So klingt das Hornquartett in den Variazioni ziemlich uneinheitlich. Der schöne Dialog des Englischhorns mit den Hörnern ist auch räumlich gut abgesetzt. In der Alborada II bestimmen die Trompeten das ordentlich lärmende Tutti. Solistisch gut profiliert ist hier besonders die Klarinette, weniger die Violine. Auch in der Scena klingen die Trompeten etwas vorlaut. Im abschließenden Fandango wird das Violinsolo passagenweise undeutlich und unpräzise wiedergegeben. Professionell klingt das alles schon aber auch etwas (zu) routiniert, fast schon nach „Business as usual“.

Der Klang der Einspielung ist klar aber etwas entfernt, mehr Präsenz wäre durchaus wünschenswert gewesen.

 

 

4-5

Vladimir Fedoseyev

Grosses Rundfunk- und TV-Orchester der UdSSR

Melodija

P 1983

1:17  5:38  1:17  4:43  3:22  16:17

Hier artikuliert die Horngruppe in den Variazioni betont sorgfältig und sehnsuchtsvoll. Die Trompeten bringen den f-Akzent gut heraus, fast so prononciert wie bei Argenta oder Sverlanov. Der Lärmpegel beim musikalischen Sonnengruß der Alborada II liegt ungefähr zwischen Dorati und Dutoit, also bei einem schwer zu beschreibenden unspezifischem Mittelwert. Die Cadenzen der Solisten in der Scena werden eloquent gegeben, klingen aber nicht sonderlich fein oder voll. Die Harfe klingt hier als wäre sie in einem anderen Raum eigens groß und den Raum füllend aufgenommen worden. Das feroce der Violinen ist ansprechend. Der ehemals laszive oder sogar wollüstige Fandango (er hat in Asturien diesbezüglich wohl eine Abschwächung erfahren) wird schon temperamentvoll gegeben, auch hier, wie auch bereits beim Bolshoi – Orchester könnte das Geigensolo jedoch feiner und graziöser gespielt werden. Die verschwenderische Leidenschaft eines Bernstein, Stokowski oder Argenta wird bei weitem nicht erreicht. Als eine der ersten sowjetischen Digitalaufnahmen muss man mit etwas hart klingenden in hohen Lagen zudem gepressten Violinen vorlieb nehmen, denen es auch an Fülle fehlt. Die Ortbarkeit der einzelnen Instrumente bzw. Instrumentengruppen ist hingegen gut.

 

 

 

 

4

Sir Charles Mackerras

London Symphony Orchestra

Telarc

1990

1:13  4:08  1:13  4:55  3:11  14:40

Von den vier Einspielungen des LSO klingt die mit Mackerras am domestiziertesten. Die Kraftanstrengung für den Sonnengesang der Alborada wirkt zurückgenommen, der Lärm (strepitoso) entsprechend maßvoll. In den Variazioni klingt das Londoner Vorzeigeorchester erheblich runder und voller als bei Argenta, Markevitch oder Dorati, auch voller aber auch lange nicht so spritzig und spontan. Das cantabile der hohen Violinen hingegen überzeugt klanglich, wenngleich im Ausdruck schon mehr erreicht wurde. Auch in der Alborada II wurde das strepitoso zugunsten feiner Transparenz zurückgefahren. Auch die Scena beginnt mit der Cadenza I von Hörnern und Trompeten alles andere als plakativ, der ganze Satz wirkt eher dezent, nur das feroce der Violinen bleibt intensiv. Auch dem Fandango kann Mackerras keine neuen Aspekte abgewinnen. Seine Wiedergabe bleibt außergewöhnlich exakt aber emotional reserviert.

Klanglich wirkt die Einspielung recht ausgewogen, die Tiefenstaffelung ist gut, die Bläser werden gegenüber den Streichern im Raum deutlich zurückgesetzt. Überhaupt hat die Aufnahme einen hohen Raumanteil, in dem das Orchester sauber und gut aufgefächert und tief eingebettet erscheint.

 

 

4

Sir John Barbirolli

Hallé Orchestra, Manchester

Ermitage

1961, Live und Mono

1:13 .20  1:22  4:57  3:15  15:07

Barbirollis Einspielung, in Lugano live vom Rundfunk der italienischen Schweiz mitgeschnitten, hätte eine bessere Plazierung verdient gehabt, wenn die Aufnahmequalität dem Werk besser zugearbeitet hätte. So sehr mit Transparenz und vor allem Glanz knausernd, geradezu flächig und recht dumpf ist sie geraten, dass sie fast schon in die Substanz des Werkes (die ja weitgehend von Oberflächenreizen „lebt“) eingreift. Die Scena wird capriziös wie bei kaum einer anderen Einspielung gegeben, auch humoristische Akzente kann man nicht überhören. Die Solisten geben ihr Bestes und klingen bis auf die harte Oboe auch ausgesprochen ausdrucksvoll. Das Cellosolo wird prima artikuliert. Der weitere Verlauf ist schwungvoll, gar aufreizend gestaltet. Aber einzig die Gran Cassa kommt aufnahmetechnisch gut zur Geltung. Der Fandango wird zupackend gespielt, das Presto gar furios. Das Orchester gibt bei seinem Gastspiel eigentlich eine tolle Visitenkarte ab, man möchte ihm zurufen: Bitte nehmt das Stück doch daheim in Manchester unter Studiobedingungen noch einmal auf. Man dürfte dann sicher über eine 4-5 oder gar eine 5 schreiben.

 

 

4

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca

1952 Mono

1:16  4:02  1:12  4:57  3:22  14:39

Das Orchester hatte bei dieser Einspielung einen guten Tag. Es macht bei der stimmungsvollen Wiedergabe ohne gravierende spieltechnische Mängel diesmal einen recht kultivierten Eindruck. Die Suite erfährt unter Ansermets aufmerksamer und kundiger Leitung eine wirkungsbewusste, temperamentvolle, am Ende gar mitreißende Darstellung. Leider ist der Klang nur wenig rund, gar hart und nicht sehr farbig. Die Transparenz kann noch ganz gut mithalten, aber eine Staffelung, natürliche Raumanmutung oder ein Bassfundament sucht man vergebens.

 

 

4

Nicolas Cleobury

Royal Philharmonic Orchestra London

Eigenaufnahme des Orchesters

2005

1:19  4:33  1:16  5:25  3:24  15:57 

Gegenüber der zwölf Jahre früher entstandenen Einspielung unter Wordsworth (ebenfalls mit dem RPO) ist in dieser Aufnahme der Klang des Orchesters in der Alborada erheblich weniger knallig, die Soli kommen viel besser zur Geltung und der Bassbereich ist sehr präsent. In den Variazioni sind die Violinen und Celli räumlich sehr weit voneinander entfernt, sodass sie nicht ganz zusammen sind (bei D). Das Spiel des RPO wirkt aber feinfühliger und gefühlvoller als bei Wordsworth, das cantabile bei F wirkt jedoch gezügelt. In der Alborada II klingt die Solovioline klanglich besser, runder und voller, die Klarinette schön agil. Das RPO und seine Solisten spielen auch in der Scena nun feinfühliger und mit mehr klanglicher Substanz, aber auch introvertierter. Die Posaunen und Trompeten entpuppen sich in diesem Satz als die Glanzstücke des Orchesters, während die Violinen etwas dünn klingen. Der Fandango asturiano wird differenziert und auf Transparenz bedacht wiedergegeben. Es fehlt ihm aber das konvulsivische Temperament, das die besten hier entfachen konnten. In der Coda fehlen zwei Takte vor Y komplett, wohl die Folge eines Schnittfehlers. Die Aufnahme ist erheblich präsenter, voller und transparenter als die des RPO mit Wordsworth.

 

 

4

Zubin Mehta

Israel Philharmonic Orchestra

Decca

1980

1:15  5:14  1:14  4:55  3:20  15:58

In der Alborada kommen die Soli angemessen heraus und der Lärm ist auf ein angenehmes Maß reduziert. In den Variazioni erklingen die Soli mit unterschiedlicher Brillanz. Die Hörner spielen mit deutlichem Echoeffekt. Die Violinen haben wenig Glanz aber meistern die hohe Lage sicher und mit geschmeidigem cantabile assai. In der Alborada II klingt die Solovioline seltsam geleiert. Auch in der Scena hat man die Violinkadenz schon eloquenter gehört, das feroce der Violinen auch schon deutlich wilder. Überhaupt  klingt das Orchester in dieser Einspielung nicht nach erster Wahl, es fehlt gegenüber den besten an Fülle, Homogenität und Brillanz. Die Piccoloflöte wird in diesem Satz jedoch besonders hervorgehoben. In den anderen Einspielungen billigt man der kleinen Flöte eigentlich kein solches Eigenleben zu. Auch im Fandango wirkt die Solovioline wie geleiert. Mehta tritt in diesem Satz ein wenig auf die Temperamentsbremse, erst in der Coda wacht das Orchester richtig auf. Die Aufnahme klingt recht präsent, ganz gut gestaffelt und durchschnittlich brillant.

 

 

4

Gennadi Rozhdestvensky

Orchestre de Paris

EMI

1972

1:11  5:14  1:15  4:40  3:17  15:37

Dem strukturbetonten und klar gemeinten Dirigat macht in dieser Einspielung das wabernde Klangbild einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Spanische Impressionen im Pariser Nebel sozusagen. Wie schon Martinons Aufnahme von Ravels „Le Tombeau de Couperin“ ist auch in dieser EMI – Produktion aus Paris das Klangbild auf Weiträumigkeit ausgelegt. Dennoch kommt keine gute Transparenz dabei heraus. Zudem ist das Orchester als Ganzes zu weit weggerückt. Der Klang wirkt auch dadurch wenig prall und auch weniger farbig. Zu allem gesellt sich – insbesondere im ff - auch noch ein gewisser Mulm.

Gegenüber dem zuvor gehörten RPO mit George Prêtre fällt auch die Orchesterleistung etwas ab. Zu hören bereits an der Klarinette in der Alborada, die aber insgesamt strukturiert und nicht lärmend gelingt. In den Variazioni werden bei D die Celli etwas bevorzugt, den Holzbläsern fehlt die wünschenswerte Klangfülle. Der Duktus bleibt gelassen, Rozhdestvensky lässt die Musik schön fließen. Die Scena wird nicht ohne Temperament gespielt, aber die erzeugte Energie verpufft im zu großen Aufnahmeraum und seinen gefühlt viel zu großen Entfernungen. Etliche Details gehen gar ganz verloren. Im Fandango asturiano, der nun ziemlich lärmend daherkommt, spielt die Solovioline nicht ganz sauber. Man spart aber nicht an deftigen Akzenten, die Stretta klingt mehr aufgeregt als aufregend, insgesamt zündet der temperamentvolle Zugriff Rozhdestvenskys hier am Ende ganz gut.

 

 

4

Eduardo Mata

Dallas Symphony Orchestra

Telarc

1980

1:14  4:38  1:14  4:56  3:22  15:24

Auch bei dem sonst nicht gerade temperamentlosen Mata wirkt das weiche, tief gestaffelte und mit ausgeprägter Räumlichkeit versehene Klangbild eher konterkarierend. Es mangelt nämlich auch hier etwas an Transparenz (wenn auch nicht in dem Maß wie in Paris) und das Orchester wirkt etwas zurückgesetzt. Immerhin kommt bei Mata die Gran Cassa angemessen zum Zuge. Die ausgewogene Darstellung weiß mit einigen treffsicheren Effekten bei einer insgesamt zurückhaltenden Klanglichkeit ganz gut zu gefallen, auch weil das Orchester recht locker spielt. Sie kommt aber auch in Coda und Presto des Fandango nicht aus der Reserve heraus und kann den Hörer nicht so recht begeistern.

 

 

 

 

3-4

André Cluytens

Philharmonia Orchestra London

EMI

1958

1:15  4:45  1:17  4:50  3:15  15:22

Die solide gespielte und dirigierte Einspielung aus London ist leider aufnahmetechnisch nicht sonderlich geglückt. Es will einfach keine atmosphärische Stimmung aufkommen. Viele kleinere Faux Pas kommen hier zusammen. So klingt es wenig transparent und etwas verfärbt. Das Orchester scheint sehr dicht aufeinander zu sitzen, das Holz ist zudem sehr weit entfernt. Seltsam dass man das beides zugleich hingekommt. Der Gesamtklang im Tutti ist so wenig brillant und eng, flach und gepresst. Er wirkte auf uns ziemlich leblos. Die Geigen klingen an der Grenze zum Schrillen, das Tutti mitunter schreiend.

 

 

3-4

Carlo Ponti

Russian National Orchestra

Pentatone

2010

1:20  4:44  1:21  4:57  3:20  15:42

SACD  Das Beste an der Produktion ist die Klangtechnik. Das Orchester klingt sehr transparent und farbig und wird auch mit einer guten Tiefenstaffelung abgebildet. In der Alborada wird schon – wenn man das Orchester mit seinen anderen Produktionen vergleicht -  auffällig bedächtig (vorsichtig, unsicher) gespielt. Man könnte auch schreiben: Es wird auf Sparflamme gekocht, wenn das gestattet wäre. Die Soli hätte man sich vom RNO plastischer erwartet. Auch in den Variazioni werden die Soli von Hörnern und Englischhorn kaum als Frage- und Antwortspiel aufgefasst, man gewinnt den Eindruck als versuche man diesen Eindruck gerade zu vermeiden. Der ganze Satz wirkt wenig spannend und man traut seinen Ohren kaum, denn man hat das Orchester schon so viel selbstbewusster und präziser gehört. In der Alborada II hat man die solistische Klarinette schon viel kecker gehört, das Temperament wirkt auch hier wieder sehr gezügelt. Im 4. Satz, der Scena dominieren in der Cadenza I die Trompeten viel zu stark über die Hörner. Im weiteren Verlauf wird viel mit Rubato gespielt, das aber nicht immer organisch und aufeinander abgestimmt wirkt. Die Soli werden generell auch nur sehr leise zu Gehör gebracht. Hier hätte die Mehrkanalwiedergabe vielleicht mehr Ausgewogenheit vor Ohren geführt, denn die Aufnahme liegt als Hybrid-SACD vor. Aus Gründen der Chancengleichheit haben wir aber nur die CD-Spur verglichen. Nach den Kadenzen werden die gesanglichen Partien zwar schön ausgesungen, aber es fehlt generell an Feuer und Biss. Der Grundduktus ist mit beschaulich ganz gut beschrieben. Der Fandango wirkt dann etwas impulsiver, aber nicht spannender. Die Coda und vor allem das Presto wirkt in diesem Umfeld eher wie aufgesetzt. Die Wirkung dieser Einspielung auf uns war unentschlossen oder auch unausgereift.

 

 

3-4

Barry Wordsworth

Royal Philharmonic Orchestra London

Membran

1993

1:11  5:10  1:12  5:25  3:20  16:18

SACD Diese Produktion wurde nicht sonderlich sorgfältig editiert. Zwar geht dem Musikfreund kein Takt der Suite verloren, aber die Setzung der einzelnen Tracks könnte einen wenig erfahrenden Musikfreund verwirren. So gibt es hier statt fünf Sätzen nur vier, da man den dritten dem vierten zugeschlagen hat und zudem den vierten geteilt hat und die zweite Hälfte des vierten dem fünften Satz zugerechnet hat. Erklären kann man sich davon gar nichts.

Vom Gestus her legt sich Wordsworth keinerlei Zurückhaltung auf. Schon die Alborada klingt mit viel Schlagwerk und ordentlich Bass, was sich in der Alborada II eher noch steigert (das muss man er einmal hinkriegen), hier erzeugt man wirklich viel Lärm (strepitoso eben). Das ist aber noch Geschmacksache. Richtig negativ fällt in beiden Alboradas jedoch die verfärbt klingende Solovioline auf, in der ersten Alborada noch dezenter in der zweiten nun etwas massiver und größer ins Bild kommend. Sie klingt nun sehr metallisch und scharf. Auch in der Scena ändert sich das Bild nicht. Im Gegenteil: nun klingt sie immer noch schlecht, aber raumfüllend. Auch die Intonationssicherheit lässt zu wünschen übrig. Die anderen Kadenzen haben wir ebenfalls schon plastischer und vor allem gefühlvoller gehört. Auch der Fandango klingt alles andere als feinfühlig, sondern ist ziemlich versessen darauf, bloß keinen Effekt auszulassen. Vor allem vom Schlagwerk gehen stets deftige (für manches Gemüt schon aufdringliche) Akzente aus. Das Werk endet knallig und dynamisch ausladend mit einem starken Hang zur Bombastik.

Auch diese Produktion könnte präsenter und plastischer klingen. Sie ist weiträumig und dynamisch ausladend, die Gran Cassa klingt auch eher etwas überzogen. Störend ist der Hang zur Verfärbung (vor allem aber nicht ausschließlich zu hören bei der Solo-Violine), den man einer Aufnahme diesen Datums nicht hätte durchgehen lassen dürfen. Aber: siehe Tracksetzung. Wahrscheinlich war zumindest der verantwortliche Produzent nicht vom Fach.

 

 

3-4

Daniel Barenboim

Chicago Symphony Orchestra

DG

1977

1:16  5:00  1:21  5:07  3:40  16:24

Mit dem virtuosen CSO stand Barenboim eigentlich ein Orchester der Extraklasse zur Verfügung, das Ergebnis kann jedoch in eigentlich keiner Hinsicht richtig überzeugen. Schon die Alborada klingt laut, rhythmisch wenig akzentuiert, fast schon unscharf, besonders lärmend und etwas schwerfällig. Das Schlagzeug, wenn dieser Ausdruck ausnahmsweise einmal gestattet ist, klingt sogar speckig.

Der latent schwerfällige Gestus zieht sich durch die ganze Suite. Es gibt aber auch positives: In den Variazioni klingt das Hornquartett mit der Perfektion, die man vom CSO auch erwarten konnte. Das Englischhorn spielt mehr dolce als das LSO beim zuvor gehörten Argenta. Die Geigen tragen dann aber schon richtig dick auf.  Die kräftigen Akzente der Trompeten, die bei Argenta so schön spontan und vital herauskommen, sucht man bei Barenboim vergeblich.  Da kommt gar nichts. Die Violinen spielen dafür bei F mit forcierten espressivo, wo ein cantabile assai verlangt wäre. In der Alborada II wirkt das Tutti massiv und fast gewalttätig, plump und bombastisch. Die Soli sind demgegenüber erheblich lockerer zu hören, wirken aber auch nicht richtig frei. In der Scena wird die Violinkadenz brillant und wie vorgeschrieben auch mit viel Kraft gegeben. Das feroce der Violinen lässt dann aber viel zu wünschen übrig. Als ob die Bögen an den Saiten festkleben würden. Auch der Fandango wirkt gebremst, teilweise behäbig, kaum einmal scherzando, kein Augenzwinkern. Die Coda kommt nur langsam in Fahrt, das Presto klingt massig.

Der Klang ist im Tutti wenig transparent. Der Gesamtklang hat auch wenig Brillanz und einen Hang zur Massivität, klingt etwas aufgeblasen. Fazit: Barenboim mobilisiert einzig die üppige Klangpracht des CSO, vernachlässigt aber das rhythmisch geschärfte Profil der Suite und das südländische Kolorit hätte mehr nerviges Temperament zur Verlebendigung bedurft. Diese Einspielung war dem Dirigenten sicher keine Herzensangelegenheit, eher nur ein unbedeutendes Nebenprodukt. Das hat die Suite aber nicht verdient.

 

 

26.2.2021