Antonin Dvorak 

Karneval

Ouvertüre op. 92

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Werkhintergrund:

 

Im Frühjahr 1891 machte sich Dvorak daran, einen Zyklus von drei Konzertouvertüren zu schreiben, die ursprünglich unter dem Sammeltitel „Natur, Leben and Liebe“ bekannt waren. Später beschloss der Komponist jedoch, sie aufzuteilen und ihnen jeweils eine eigenständige Opuszahl und einen eigenständigen Titel zu geben: In der Natur, Op. 91 , Karneval, Op. 92 und Othello, Op. 93. Da ihre Thematik außerhalb des musikalischen Kontextes liegt, könnten sie als Teil der programmatischen Linie von Dvoraks Oeuvre angesehen werden, die zum Zeitpunkt der Entstehung nicht als typisch für den Komponisten galt und wahrscheinlich noch immer gilt, der er sich aber gegen Ende seines Komponistenlebens verstärkt zuwandte.

 

Die Ouvertüren In der Natur, Karneval und Othello repräsentieren drei Werke mit gemeinsamen Ideen, deren verbindendes Element die Natur in all ihren Formen sein könnte: sowohl eine Leben spendende als auch eine zerstörerische Kraft. Da Dvoraks Weltanschauung eine solide Sicht der Natur und ihre enge Verbindung mit dem Gottesbegriff beinhaltet, kann der Begriff „Natur“ in diesem Fall nicht eng, sondern pantheistisch interpretiert werden. So soll der Titel des Mittelteils der Trilogie, Karneval, kein Maskenmeer heraufbeschwören, sondern ein Bild vom „Karneval des Lebens“ evozieren. Mit leichter Übertreibung könnte man den Zyklus als etwas säkulares Nachwort zu dem kürzlich vollendeten Requiems des Komponisten sehen (obwohl es nicht seine intellektuelle Tiefe anstrebt), da der Komponist auch hier über die positiven und negativen Aspekte des Lebens. nachzudenken scheint. Auf jeden Fall ist der nichtmusikalische Gegenstand dieser Werke lediglich universell, und die Meinungen gehen auseinander, welche konkrete Bedeutung sie haben könnten. Dvorak selbst hat seinen Zuhörern seine Position in keiner Weise klargemacht, da er, abgesehen von einigen vereinzelten Notitzen in der Partitur und seiner Korrespondenz, keine bestimmte Interpretation anbot. Weitere Varianten der Titel einzelner Stimmen, die in Dvoraks Skizzenbüchern vorkommen, könnten einen Hinweis geben: Für seine Ouvertüre „Im Reich der Natur“ (in der Natur) hat der Komponist auch die Titel „Ouvertura lyrica“ und „Sommernacht“ in Betracht gezogen. Der ursprüngliche Titel von Carnival war „Leben“, mit dem Wort „Carnival“ in Klammern. Aus Dvoraks Korrespondenz geht hervor, dass er für seine Ouvertüre Othello auch die Namen „Tragische Ouvertüre“ und „Eroica“ in Betracht zog. Was den musikalischen Aufbau anbelangt, so könnte man das festigende Element des Zyklus durchaus als „Naturmotiv“ bezeichnen. Dies ist das Hauptthema der Ouvertüre „Im Reich der Natur“, und es spielt auch in den beiden folgenden Ouvertüren eine Rolle.

 

Soweit ist der Hintergrund zum Stück den Lesern des Vergleiches zur Ouvertüre „Othello“ bereits bekannt. Jetzt kommt dann tatsächlich auch noch was Neues.

 

Die Ouvertüre Karneval ist im Wesentlichen in traditioneller Sonatenform geschrieben, mit dem Unterschied, dass Dvorak einen zusätzlichen Abschnitt geschrieben hat, eine Art traumhaftes Intermezzo, das in seiner Atmosphäre in scharfem Kontrast zu allem anderen steht. Die Exposition leitet direkt mit dem Hauptthema ein, dessen mitreißende Vitalität an die Slawischen Tänze erinnert. Der unablässige Wirbel der Exposition wird nur teilweise durch das zweite Thema gemildert, eine weit gewölbte Kantilene in den Violinen mit Gegenstimmen in den Holzbläsern. Auf die Exposition folgt nicht unmittelbar die Durchführung, sondern das bereits erwähnte lyrische Intermezzo: eine berauschende Musikpassage, deren Wirksamkeit durch die Präsenz des Naturmotivs aus der ersten Ouvertüre des Zyklus und das Leitmotiv aus das Requiem des Komponisten zusätzlich gewinnt. Die musikalische Strömung schlüpft dann schnell wieder in ihren alten Charakter zurück, wobei die Durchführung und anschließende Reprise den Eindruck eines wild wirbelnden Tanzes nur noch verstärkt. Das Gefühl des Aufschwungs ist umso wirkungsvoller, als Dvorak in der Reprise das lyrische Nebenthema ganz weglässt und nun hauptsächlich mit dem Hauptthema arbeitet, das durch seinen stark rhythmischen, synkopierten Charakter eine solche Wirkung ermöglicht. Die kurze Coda – jetzt in einem schnelleren Tempo – zeigt das gesamte Orchester in seiner schönsten Art und Weise und bringt das Werk in einem fast entzückten Zustand nach Art einer Stretta zum Abschluss. Was die Instrumentierung angeht, nutzt das Werk die schillernden Klänge der Blechbläser und des Schlagzeugs, einschließlich eines Instruments, das man normalerweise nicht mit Dvorak in Verbindung bringen würde, dem Tamburin. Die Ouvertüre Karneval widmete Dvorak der Prager Universität, die ihm kurz zuvor die Ehrendoktorwürde verliehen hatte. 

 

Die Uraufführung aller drei Ouvertüren fand am 28. April 1892 im Prager Rudolfinum mit Dvorak am Dirigentenpult statt. Dies war eines der Konzerte der Abschiedstournee des Komponisten durch tschechische und mährische Städte vor seiner Abreise in die Vereinigten Staaten. Die Werke wurden nicht unter ihren endgültigen Titeln ins Programm aufgenommen, sondern als „Natur“, „Leben (tschechischer Karneval)“ und „Liebe (Othello)“, zusammengefasst unter der einzigen Opusnummer 91. Die Ouvertüren erhielten lediglich eigene Titel mit einzelnen Opusnummern zwei Jahre später, als sie von der Berliner Firma Simrock veröffentlicht wurden .

 

Rückblick auf die Premiere im „Dalibor“ Magazin:

„Am Ende des Abends spielte das Orchester des Nationaltheaters, ergänzt durch junge Mitglieder des Konservatoriums, unter der Leitung des Maestro selbst, eine Reihe von drei von ihm geschriebenen Ouvertüren mit der gemeinsamen Bezeichnung „Op. 91“ und umfasst die Tableaus: „Natur“ – „Leben“ – „Liebe“. […] „Natur“ ist ein reizvolles Tableau, durchdrungen von der Frische einer Frühlingsidylle. Mit seinem klaren pastoralen Ton manifestiert es eine helle, intensive instrumentale Klangfarbe; um ein zauberhaftes Grundmotiv baut sich eine Struktur von kompakter Erhabenheit voller prachtvoller Details auf. Dvorak ist ein großer Bewunderer der Natur und ihrer Pracht und man kann nur staunen, wie die Eindrücke, die ihm die bezaubernde Ruhe der Wälder von Pribram einflößte, nun in das exquisiteste musikalische Gewebe gehüllt sind, das ein Komponist zu weben hoffen konnte. „Leben“ […] beginnt mit einer kühnen, dicht orchestrierten Bewegung, die durch tänzerische Rhythmen ergänzt wird. Das Orchester setzt sein volles Arsenal an Blechbläsern, Becken, Pauken und sogar – rara avis – Timbrels [Tambourine] ein. Bei der dritten Ouvertüre „Othello“ sollte meiner bescheidenen Meinung nach die zweite Bezeichnung „Liebe“ aus dem Titel entfernt werden. […] Jeder, der diese Ouvertüre hört, würde zustimmen, dass ihre Musik mehr den Vorstellungen von Shakespeares Tragödie entspricht als den erotischen Impulsen, die durchaus vorherrschen sollten, wenn das Thema der Komposition tatsächlich „Liebe“ wäre. Die Musik beginnt mit einem Choral, dessen ängstliche Stimmung eine Vorahnung drohender Angst anzukündigen scheint. In der zauberhaft schönen Melodie erkennen wir in natürlicher Gedankenfolge die Gestalt der Desdemona und im entsprechenden Thema von düsterem Ton und seltsamen, schwach gerüttelten Rhythmen den tobenden Othello. Besonders hervorzuheben ist der Schluss der Ouvertüre, der das traurige Ende des Dramas mit erschreckendem und fast greifbarem Realismus darstellt. Dvoraks Ouvertüren, hervorragend ausgeführt und interpretiert, wie es der Maestro beabsichtigte, hinterließen auf uns alle einen wirklich tiefen Eindruck.“

 

Reaktion von Eduard Hanslick auf die Aufführung in Wien ( Neue Freie Presse , 5. 2. 1895):

„Dvoraks neue Konzertouvertüre „In der Natur“ ist ein höchst erfreuliches Gegenstück zu seiner Ouvertüre Carnival, die wir kürzlich gehört haben. Beide Stücke pulsieren jugendlich und eindringlich vor Leben. In einem Moment trägt die Musik eine verschmitzte Karnevalsstimmung, dann bewegt sie sich in Richtung einer ruhigeren, fröhlichen Frühlingsstimmung. Beide jedoch jubeln im Zauber schöner Klänge, in melodischer Lebendigkeit, Spontaneität und Natürlichkeit. Beide Ouvertüren haben mit Dvoraks Kompositionen ihre fröhliche Atmosphäre gemeinsam, die uns in diesen pessimistischen Tagen doppelt belebt. Nach modernen Maßstäben würden wir wohl keine der Ouvertüren als „bedeutungsvoll“ bezeichnen – und streben es auch nicht an, und doch sind beide wahrheitsgetreu und gefällig, eine Tonika nach der Fülle neuer Orchesterwerke, die, unterstützt von falschen Kontrasten und verschleiertem Weltschmerz, sich als etwas Tiefgründiges und Bedeutsames ausgeben. Zusammen mit diesen beiden Ouvertüren veröffentlichte Dvorak auch eine dritte mit dem Titel Othello, die als poetische Neufassung von Shakespeares Tragödie oder als Einführung in sie beschrieben werden könnte. Manche meinen, diese tragische Ouvertüre sei „bedeutungsvoller“ als die beiden fröhlichen Stücke. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Dvorak selbst spielt in den Ouvertüren Karneval und Im Reich der Natur eine Rolle, trägt aber wie Othello eine Maske, die sofort als Liszt und dann als Wagner erkennbar ist. Hier wollte Dvorak bei dieser Gelegenheit als tragischer Dramatiker auftreten und da verheerende Konflikte, Selbstzerstörung und Blutvergießen seinem Charakter fremd sind, suchte er Zuflucht in einer künstlerischen Darstellung. Etwas überraschend stößt man in Dvoraks Ouvertüre Im Reich der Natur auf ein besonderes Motiv, das auch in seinen anderen Ouvertüren (Karneval und Othello) auftaucht. Das bedeutet, dass Dvorak ursprünglich alle drei Ouvertüren in einem gemeinsamen Kontext gedacht hat. Dieser Zusammenhang ist meines Erachtens völlig undenkbar. Es ist gut, dass der Komponist seine ursprüngliche Idee aufgegeben hat, diese drei Werke auch äußerlich als aufeinander bezogene Kompositionen zu präsentieren. Sie hätten nie eine so starke Wirkung haben können.“

(Aus Antonin-Dvorak.cz)

 

Von den ca. 80 bekannten veröffentlichten Einspielungen konnten 50 miteinander verglichen werden. Die Unterschiede liegen naturgemäß und wie immer in der Temponahme, im Temperament und der Sichtweise usw. der Beteiligten auf das Werk begründet aber auch in der aufnahmetechnischen Disposition. Gerade am Tamburin (und dem weiteren kleinen Schlagwerk: Becken und Triangel) dürften sic die Geister scheiden, denn steht es weit im Vordergrund kann die Wiedergabe schnell affirmativ oder vordergründig lärmend wirken. Kommt es zu dezent ins Bild bleibt unter Umständen die von Dvorak gewählte einzigartige Instrumentation unterbelichtet. Das ist für Dirigent und Tonmeister bzw. Aufnahmeleiter eine Gradwanderung. Außerdem wollen wir darauf hinweisen, dass gerade dieses kleine Detail auf besonders unterschiedliche Art und Weise vom Hörer goutiert und bewertet wird. Insofern ergehen im Vergleich kurze Hinweise auf das „kleine“ Schlagwerk nur dann, wenn es extrem knallig oder nur extrem „hintergründig“ ans Ohr des Zuhörers dringt. Bewerten sollte es ein jeder dann selbst.

 

(Zum Vergleich verwendet: Die Eulenburg Taschenpartitur Nr.690)

 

Zusammengestellt bis 16.8.2021

 

 

 

 

Antonin Dvorak, Photographie unbekannten Datums.

 

 

 

 

Rezensionen der gehörten Einspielungen:

 

 

5

Fritz Reiner

Chicago Symphony Orchestra

RCA

1956

8:50

 

Die Einspielung Fritz Reiners klingt vom Anfang bis zum Ende wie unter Hochspannung gesetzt. Das Orchester spielt hochgradig virtuos, mit gestochen scharfen Rhythmen, einem zumeist unbändigen Drang nach vorne und leidenschaftlichem Brio. Der aufgekratzte, abenteuerlustige Gestus durchzieht bis auf das mit gefühlvoller Inspiration gegebene Andantino das ganze Stück. Aber selbst hier steht die perfekte Realisierung mit straff durchgehaltenen Tempi unerschütterlich und streng hinter dem lyrischen und bei Reiner etwas gewichtiger und tiefsinniger wirkenden Intermezzo. Der Gestus der unbändigen Lebenslust wird von der mirakulösen Perfektion und dem sagenhaften Drive des Orchesters mit einer Stretta zum Niederknien nochmals getoppt.

Der Klang der frühen „Living Stereo“ ist sehr dynamisch, schlank und spritzig, in sich perfekt ausbalanciert und durch die hautnahe Präsenz unmittelbar anspringend. Hier passt auch das sehr präsente Schlagwerk ausgezeichnet ins Bild und es wirkt auch in keiner Weise aufgesetzt. Diese Einspielung wirkt ungemein offensiv und anspringend. Die Aufnahme lag auf XRCD, SACD und einer normalen, bereits recht betagten CD vor.  Die XRCD mach das Rennen mit mehr Dynamik und verbesserter Transparenz, die SACD klingt voller und wärmer, die normale frühe CD hat den beiden anderen gegenüber nichts zu melden.

 

5

Istvan Kertesz

London Symphony Orchestra

Decca

1965

8:54

 

Gegenüber der Reiner-Einspielung wirkt diese Londoner sogar noch eine Spur abenteuerlustiger oder entdeckungsfreudiger.  Das Spiel wirkt auch hier rhythmisch geschärft und stürmisch, aber auch noch etwas lebendiger und wärmer. Immer wieder sind es die herausragend frechen Hörner, aber auch das ungeheuer präsente und „schlagfertige“ übrige Blech, die den Gesamtklang herzerfrischend beleben und anschärfen.  Auch das Poco tranquillo (Zi. 7) erklingt ausgesprochen gefühlvoll. Das ruhevolle Andantino gelingt bei den gerade zuvor gehörten Jansons und Järvi jedoch etwas stimmungsvoller. Das Orchester spielt geschmeidig und zumeist feurig, besonders erneut in der finalen Stretta.

Der Decca-Klang jener Zeit wurde hier schon oft gelobt auch diesmal gefällt er erneut mit seinem sehnigen „durchtrainierten“ Charakter, er wirkt muskulös, da ist sozusagen kein Gramm klangliches „Fett“ zuviel dran. Er weist eine prächtige Dynamik auf und transportiert das urwüchsig musikantische Spiel des LSO bestens.

 

5

Mariss Jansons

Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks

BR Klassik

2015, LIVE

9:26

 

Jansons entlockt dem Orchester zwar ein etwas weniger loderndes Tempo, das dafür mit federnder Akzentuierung und mehr Zwischentönen überzeugt. Das behände Spiel wirkt nun mehr besonnen als exaltiert. Jansons achtet auf natürlich atmende Bewegungsabläufe, die genau ausphrasiert werden. Das wirkt sehr musikalisch und die Klarheit, in der das geschieht, besticht. Die superbe Spielkultur des Orchesters mit seinem „saftigen“ Tutti hält die Spannung jederzeit aufrecht. Das besonders klar und strahlend wirkende Andantino versprüht Klangzauber par excellence, besonders durch die klangschönen Holzbläser-Soli und die demgegenüber kaum zurückstehende Solo-Violine. Der „Karneval“ erhält so eine Reinschrift, in der auch vermeintlich untergeordnete Nebenstimmen zu ihrem Recht kommen und so die Erscheinung des Werkes bereichern. Es erhält so eine Spur Noblesse und Dignität, die in anderen Einspielungen nicht so zu hören ist. Der jubilierende Grundton kommt dennoch ebenfalls gut zur Geltung. Die Schusssteigerung gelingt leidenschaftlich. Jansons brennt hier kein Strohfeuer ab, sondern gibt dem Stück einen nachhaltigen und eher dunkel schimmernden Glanz.

Das liegt natürlich auch am Gesamtklang der Aufnahme. Er wirkt eher dunkel, fein abgestimmt aber auch sehr transparent und dynamisch. Das Publikum haben wir erst beim Schlussapplaus wahrgenommen.

 

5

George Szell

Cleveland Orchestra

CBS-Sony

1963

9:16

 

Diese Einspielung hält ebenfalls allerhöchstes Niveau. Das Spiel wirkt hier impulsiv, rhythmisch und außerordentlich souverän. Trotz objektiv flottem Tempo hat man das Gefühl, dass hier nichts überstürzt wird. Das erfüllte Musizieren bleibt trotz der auf das höchste Potential getriebenen Virtuosität immer seriös und bodenständig. Die Übergänge gelingen fließend und besonders fein, jedes Detail sitzt im richtigen Maß am rechten Fleck. Das Werk wirkt durchleuchtet, soweit es der damaligen Technik möglich war. Nach dem lyrischen Andantino-Zwischenspiel geht es mit nochmals gesteigertem Impetus furios in die Durchführung, die selbst da keine Nebenstimme vergisst. Sie ist der Einspielung Jansons´ nicht unähnlich. Auch sie lässt das Werk reichhaltiger klingen als die meisten anderen. Die Virtuosität wirkt hier nicht so auftrumpfend wie bei Reiner, sondern fast wie eine Nebensache. Grandios.

Der Klang wirkt erstaunlich weich, rund, voll, und sehr transparent, erstaunlich für eine CBS-Aufnahme von 1963.

 

5

Paavo Järvi

Royal Philharmonic Orchestra London

Membran

1994

9:29

 

SACD Der junge Järvi führt das Orchester zu einer präzisen, glänzenden Virtuosität, die auch vom RPO nicht immer zu hören ist. Es gelingt ihm eine durch angeschärfte Artikulation und eine kontrastreiche, beschwingte und sehr lebendige Phrasierung eine besonders jugendfrische Darstellung der Lebensfreude. Das Andantino erfreut mit einer sehr gefühlvollen Solo-Violine. Die einzelnen Instrumentgruppen werden profiliert und effektvoll prononciert (um nicht zu sagen zur Schau gestellt). Ein Sonderlob gebührt hier dem Blech. Insgesamt eine mehr als spritzige Darstellung, vielmehr ist sie ebenfalls schon feurig zu nennen. Etwas nuancenreicher ist jedoch das Spiel des LSO mit Kertesz und der anderen zuvor platzierten Einspielungen

Der Klang der Aufnahme ist transparent und dynamisch und erfreut mit einer prominenten Bass-Grundierung.

 

5

Alan Gilbert

New York Philharmonic Orchestra

Eigenaufnahme und -vertrieb des Orchesters

2011, LIVE

9:25

 

Hier wirkt das Orchesterspiel bestens durchgeformt und obwohl das Schlagwerk nicht geschont wird, wirkt es weder auftrumpfend noch lästig. Wie das gesamte Orchesterspiel wirkt es besonders differenziert gestaltet. Im Ganzen wird so auch durch die liebevolle Phrasierung ein aufrichtig wirkender Umgang mit dem Werk deutlich. Das Andantino con moto wirkt hier besonders gefühlvoll. Auch Gilbert zieht am Ende strettaartig das Tempo an. Das steht zwar nicht ausdrücklich so in der Partitur, macht aber sehr guten Effekt.

Sehr guter, ausgesprochen differenzierter Klang von ausgezeichneter Transparenz.

 

5

Vaclav Neumann

Tschechische Philharmonie, Prag

Philips

1988

9:18

 

Von Vaclav Neumann konnten zwei Aufnahmen zum Vergleich herangezogen werden. Die zweite übertrifft die erste von 1979, ebenfalls mit der Tschechischen Philharmonie, insbesondere was den gesteigerten souveränen Umgang mit dem Werk betrifft, aber auch die Verbesserung der Spielfähigkeit des Orchesters und die Brillanz des Klangs. Das Orchester spielt nun mit einer noch selbstverständlicher wirkenden Klarheit und einer völlig schlackenlosen Lockerheit, ohne dabei je glatt zu wirken. Der ziemlich ernst wirkende  Ansatz der Supraphon-Einspielung wirkt verfeinert und intensiviert. Der Klang des Orchesters erscheint leuchtender und noch geschmeidiger, als ob man für das West-Label nun mehr fruchtbare Probenarbeit auf sich genommen hätte. Gilbert ist jedoch noch eine Kleinigkeit temperamentvoller.

Obwohl die Aufnahme nun schlagzeugbetonter klingt, stört es hier in keiner Weise. Der Klang ist zudem erheblich offener, deutlich brillanter und erheblich präsenter und praller als noch neun Jahre zuvor. Auch die Transparenz wirkt verbessert und die Klangfarben leuchtender.

▼ eine weitere Aufnahme des Dirigenten  weiter unten in der Liste

 

5

Constantin Silvestri

London Philharmonic Orchestra

BnF – EMI

1958

9:04

 

Diese Einspielung erschien damals im gleichen Jahre wie die erste Einspielung Sawallischs für dieselbe Schallplattenfirma. Obwohl in der Aufnahme Sawallischs noch etwas schneller gespielt wird, vermag Silvestri dem Orchester ein Spiel zu entlocken, das mehr Impetus vermittelt und einen feurigeren Drive. Es wird auch ausdrucksvoller und pointierter phrasiert. Die Musik wirkt hier wie vom prallen Leben durchpulst. Herauszuheben ist die besonders drängende feurige Stretta.

Obwohl der Klang hier noch etwas präsenter und transparenter klingt als bei der ersten Sawallisch-Einspielung, bleibt ein ebenfalls etwas flacher und wenig tiefer, insgesamt ziemlich schlechter Gesamtklang zu erwähnen. Auf einer CD sollte er aber besser sein, denn der gehörte Download entstammte einer digitalisierten alten LP aus der Bibliothèque national de France.

 

5

Otmar Suitner

Staatskapelle Berlin

Deutsche Schallplatten

1981

9:28

 

Wer glaubt die Berliner Staatskapelle wäre erst mit Barenboim zu einem gut klingenden Orchester geworden, wird hier eines besseren belehrt. Voll und sonor klang sie auch schon in dieser Einspielung unter Suitner. Wo konnte man damals noch ein so edles, voll klingendes Holz hören? In einem maßvoll wirkenden, leicht beschwingten Tempo hören wir ein lebendiges Musizieren mit viel Herzblut. Die bisweilen etwas schwere, robuste Rhythmik verfehlt hier ihre „böhmische“ Wirkung durchaus nicht. Das Andantino klingt wunderbar märchenhaft und schön, wie eine Erinnerung an eine intakte, unberührte Natur oder eine paradiesisch schöne zauberhafte Erinnerung. Wir genießen in dieser Aufnahme herrlich pulsierende Steigerungen.

Das Tamburin und seine Gesellen (Becken und Triangel) bleiben dezent in einem großräumig wirkenden sehr transparenten (viel transparenter als z.B. bei Kubelik) Klangbild mit schönen, leuchtenden Klangfarben. Das kraftvolle Blech wird sehr wirkungsvoll hervorgehoben.

 

5

Erich Kleiber

London Philharmonic Orchestra

Decca, Naxos

1948

8:56

 

MONO  Kleibers Einspielung hält das ganze Stück unter Spannung, wie es sonst nur Reiner gelingt. Kleiber merkt man die vorgelegte Rasanz jedoch viel weniger an, die Wirkung ist dezenter. Die Darstellung ist bestens strukturiert, wobei sie einen bemerkenswerten Fokus auf das Holz legt. Ganz erstaunlich ist die schöne Balance die Kleiber hält zwischen ausdrucksvoller Cantabilität und den perkussiven Passagen, die so überhaupt nichts mehr vordergründig - oberflächliches haben.

Klanglich muss der Hörer ein paar Abstrichen in Kauf nehmen. Insgesamt wirkt er aber schon deutlich natürlicher als bei Hamilton Harty, dessen Einspielung gleich im Anschluss folgt. Übrigens liegt die Einspielung in zwei Ausgaben vor, wobei die originale Decca offener und spritziger klingt aber vernehmlich mehr rauscht, während die Naxos-Version matter aber rauschärmer klingt. Im Zweifelsfall würden wir die Ausgabe bei Decca vorziehen, denn sie klingt auch farbiger.

 

5

Hamilton Harty

Hallé Orchestra, Manchester

BBC Music

1927

7:11

 

MONO  Besonders schlagwerkaffine Hörer sollten diese Einspielung meiden, denn vom Schlagwerk hört man fast nichts. Seltsam, die Harfe hört man nämlich ziemlich gut, sogar besser als bei Kleiber. Trotz des Alters der Aufnahme von fast 100 Jahren vermittelt sie noch einen guten Überblick über die Komposition. Klangzauber darf man jedoch hier vom Andantino nicht erwarten. Der Grund, weshalb es diese Einspielung dennoch in die oberste Kategorie geschafft hat, liegt an der kompromisslos aufgeheizten Tempogestaltung und einer fantastisch beflügelten Stretta (eigentlich schon ab L wird hier „der Turbo“ gezündet), die man unbedingt einmal gehört haben sollte. Sie ist ein exaltierter Ritt über den Bodensee, bei dem das Orchester weit über sich hinauswächst. Da bleibt selbst dem hartgesottenen Musikfreund, der glaubt schon alles gehört zu haben, die Spucke weg. Die kürzeste Spielzeit des Vergleiches ist aber nicht nur dem auf die Spitze getriebenen Tempo geschuldet. Wahrscheinlich wegen der damals noch äußerst knapp bemessenen Spielzeit der Tonträger entschloss sich Harty, der irische Komponist und Dirigent, von T. 285 bis T.344 zu einem beherzten, damals üblichen aber sicher für ihn auch schmerzvollen Schnitt.

An den dumpfen Klang muss man sich erst ein wenig gewöhnen. Nach einer Weile erscheint er aber sogar recht vielstimmig. Vor allem die Soli und das beherzte Blech schaffen Orientierung und setzen Glanzpunkte.

 

 

 

4-5

Karel Ancerl

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1961

9:08

 

Dass Karneval ein Jahr vor Othello eingespielt wurde, hört man der Einspielung leider an. In diesem einen Jahr scheint man bei Supraphon kräftig investiert zu haben, oder man hatte einfach ein glücklicheres Händchen bei der Mikrophonaufstellung, denn Othello klingt erheblich plastischer und runder. Karneval dagegen kompakter und leider auch etwas schrill und ausgezehrt, vor allem die Violinen. Auch an Transparenz und Präsenz fehlt es gegenüber der hervorragenden Aufnahme des Othello. Ansonsten hätten wir die Einspielung Ancerls erneut in der „Summe cum laude“ - Gruppe einsortiert. Es fehlt ihr keineswegs am stürmischen Zugriff, an rhythmischer Akzentuierung und auch nicht an Subtilität. Wie bei Othello wirkt die elementare Lebensbejahung aber auch im Karneval von einem Tiefgang begleitet, der auch die Gefährdung hinter der Lebensfreude hörbar macht. Das gelingt Ancerl erheblich deutlicher als Neumann, dem aber in seiner Philips-Einspielung das erheblich besser klingende Orchester zur Verfügung steht. So klingen die Soli im Andantino bei Ancerl noch nicht ganz frei von klanglichen Beeinträchtigung (Intonation, Tonschönheit). Der voll ausgespielte jubelnde Gestus der Stretta kommt hier aus tiefster Seele. Das genannte Schlagwerk klingt hier recht vordergründig, fast affirmativ.

 

4-5

Witold Rowicki

London Symphony Orchestra

Philips

1967

8:50

 

Nur zwei Jahre nach Kertesz und mit demselben Orchester produziert, provoziert sich der direkte Vergleich der beiden Einspielungen fast von selbst. Wie schon bei Othello offeriert die Kertesz-Einspielung bei fast gleichem Tempo ein gewisses Maß an Feuer mehr, während Rowicki erneut strenger wirkt. Es fehlt ihm auch keineswegs an Temperament und das Orchester folgt ihm mit der gleichen Klasse und demselben Engagement, aber dennoch wirkt es hier etwas bedachter und tiefgründiger. Das Andantino gelingt sehr stimmungsvoll. Gerade nach der Reiner-Aufnahme gehört kommen auch die Brillanz und das Brio nicht ganz an die Einspielung aus Chicago heran.

Der Klang wirkt sehr ausgewogen. Man vermisst jedoch die bei Kertesz so fulminant hervorgehobenen saftigen Einsätze der Blechbläser, wenngleich man sie bei Rowicki wahrscheinlich von denselben Musikern gespielt hört, aber nicht mit dieser Emphase. Das Tamburin steht bei Rowicki etwas über Gebühr im Vordergrund, es wirkt aber nicht aufdringlich.

 

4-5

Kees Bakels

Malaysian Philharmonic Orchestra

BIS

2002

8:48

 

Das noch sehr junge Orchester (Bakels war zur Gründung 1997 bereits der erste Chefdirigent), dem sich damals viele Musiker auch aus Europa anschlossen, zeigt sich bereits als ein überraschend virtuoses, superb homogenes Ensemble, dem sowohl eine musikalisches und akzentuiertes Spiel genauso wenig schwerfällt wie eine sehr differenzierte Gestaltung. Die exzellenten Violinen, voller Schmelz und Glanz, brauchen keinen Vergleich zu scheuen. Im Andantino schaffen die erstklassigen Holzbläser eine ausgesprochen gefühlvolle Atmosphäre. Ab poco piu mosso legen die Musiker aus aller Herren Länder (es müssten allerdings „gefühlt“ fast nur Tschechen sein, so authentisch hört sich ihr Spiel an) nochmals frappierende Reserven frei. Das ist wohl erneut der Beweis, dass die Musik die eigentliche Weltsprache ist. Das Ganze gelingt völlig ohne auftrumpfenden oder hemdsärmeligen Gestus. Eine tolle Leistung.

Die balsamische Klangtechnik schafft ein sehr transparentes, sehr gut durchorganisiertes Klangbild mit „viel Luft“ zwischen den Instrumentengruppen. Was für ein akustisch hervorragender Konzertsaal da gebaut worden sein muss. Hier lärmt überhaupt nichts.

 

4-5

Vaclav Talich

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1952

9:16

 

MONO  Die Einspielung Talichs besticht durch ihren intensiven Zugriff, der viele Details freilegt, die sonst untergehen. Und das trotz des betagten Monoklangs.  Talich hat immer die Bläserstimmen im Blick. Auffallend ist, wie gut in seiner Einspielung besonders die Posaunen-Stimmen zu Geltung kommen. Sollte das des Dirigenten Lieblingsinstrument gewesen sein? Das Orchester präsentiert sich den politischen Wirren zum Trotz bereits in Topp-Form.

Der Klang, im Grunde ähnlich wie der in der Einspielung Stupkas von 1964 (Rundfunkmitschnitt), von der in kürze auch noch zu schreiben sein wird, übertrifft diesen jedoch, obwohl zwölf Jahre älter, an Transparenz und bringt mehr Details zu Klingen.

 

4-5

Vladimir Ashkenazy

Tschechische Philharmonie, Prag

Exton

2015

9:09

 

Ashkenazy hat die Ouvertüre drei Mal eingespielt. Zur hier vorliegenden mit der Tschechischen Philharmonie, deren Chefdirigent er damals war, gesellt sich eine weitere ebendort einige Jahre zuvor für das Label Ondine entstanden und eine weitere aus Cleveland von 1991, die uns ebenfalls vorlag. Die Cleveländer Einspielung wird hier in fast allen Belangen klar übertroffen. Vor allem vermag die Zusammenarbeit mit dem tschechischen Vorzeige-Klangkörper den in Cleveland noch weitgehend fehlenden typischen Dvorak-Tonfall hervorzubringen. Obwohl in Prag nur sechs Sekunden langsamer (also eigentlich um nichts) wirkt der Gestus in Prag ruhiger, nicht so wie von der Tarantel gestochen, aber trotzdem, beschwingter und auch bewegter. Im Andantino-Mittelteil erklingt die Solo-Violine nun mit etwas mehr Schmelz und die, wie bereits in der 88er Neumann-Einspielung, nun voll und rund klingenden Holzbläser erblühen in noch schöneren Farben als die Instrumente aus Cleveland. Die Einspielung wirkt auch weniger lärmend und noch besser durchgezeichnet. Vor allem bringen die Prager Musiker ein Mehr an musikalischer Wärme, Empathie und Fröhlichkeit mit in ihr Spiel ein.

Auch klanglich wirkt die Prager Einspielung noch etwas luftiger, transparenter und mit mehr räumlicher Tiefe versehen als die Cleveländer. In Prag könnten die Holzbläser allerdings etwas präsenter klingen, sie sind sehr weit in den Raum eingebettet.

▼ eine weitere Aufnahme des Dirigenten  weiter unten in der Liste

 

4-5

Neville Marriner

Academy of Saint-Martin-in-the- Fields

Capriccio

1990

9:39

 

Marriner lässt dem Karneval genug Luft zum atmen. Es klingt auch hier wieder maßvoll und distinguiert, was dem Stück sehr gut bekommt. In dieser Spielart wirkt „Karneval“ kaum noch affirmativ. Das Schlagwerk wird ins Orchesterrund integriert. Die Aufmerksamkeit wird auf die Struktur gelenkt, die sehr gut verfolgbar wird. Das innige Andantino con moto profitiert von den brillanten Solisten. Die Ouvertüre wird ernst genommen wie ein Satz aus einer Sinfonie. Sie wirkt hier nicht so musikantisch frisch wie bei Bernstein oder Kubelik, dafür aber mit großer Klarheit und fast genauso schwungvoll. Sie erscheint uns gelungener als Marriners Beitrag zur Diskographie des bei ihm nur wenig leidenschaftlichen  „Othello“.

Der Klang ist klar und deutlich. Das Orchester klingt weich, gerundet, recht sonor und offen. Die Tiefenstaffelung ist gut.

 

4-5

Zubin Mehta

New York Philharmonic Orchestra

Sony

1989

9:40

 

Mehta schafft zwar keinen Geschwindigkeitsrekord, aber seine Einspielung erfreute uns mit lockerem, leichtfüßigem Spiel mit besonders sauberen, leuchtkräftigen Violinen und geschmeidigen Übergängen. Auch er bringt das Schlagwerk dezent zur Geltung. Fünf Jahre später präsentiert sich das Orchester mit Kurt Masur an der Spitze mit anderen Schwerpunkten. Besser gefällt bei Masur die Solovioline im Andantino, denn er vermag das weit ausschwingende Vibrato erfolgreicher zu zügeln als das Mehta hier gelingt, falls er überhaupt Einfluss genommen hat. Die Ouvertüre gelingt als Ganzes außerordentlich gefällig, wie aus einem Guss mit viel Wärme gespielt, spannend, aber ohne Überdruck, temperamentvoll, aber ohne übertriebenen Überschwang und vor allem ohne Überdruck.

Der Klang der Aufnahme ist räumlich und transparent und bereits fünf Jahre vor Masur etwas sonorer.

 

4-5

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS – Sony

1965

8:48

 

Wie von Bernsteins Personalstil nicht anders zu erwarten, lässt er es auch in dieser Konzert-Ouvertüre nicht an Schwung, Espressivo und Brio mangeln. Bei ihm gelangt jedoch auch das Trio von Tamburin, Becken und Triangel ungefiltert bzw. ungezügelt an das Ohr des Hörers, sodass es mitunter, besonders zu Beginn, ziemlich lärmend zugeht, wie beim echten Karneval eben. Dieses Vorbild wird sich der Dirigent, der ja stets den Dingen auf den Grund zu gehen versucht, genommen haben. Sein Finale klingt furios. Er treibt das Orchester entschieden mehr an als dies Mehta, aber auch Masur tun.

Der Klang ist, wenn man vom sehr lauten Schlagwerk einmal absieht, transparent und dynamisch mit einer guten Tiefenstaffelung. Im neueren Remaster ist der Klang frei von Verfärbungen.

 

4-5

Lorin Maazel

Wiener Philharmoniker

DG

1983

9:35

 

Maazel gelingt hier eine leichte, lockere aber auch entschlossene und recht feurige Wiedergabe des Stückes. Sie ragt heraus durch die besonders geschmeidigen, seidigen, besonders leuchtkräftigen bei Bedarf auch saftigen Violinen der Wiener Philharmoniker, die in diesem Vergleich ihresgleichen suchen. Das Blech agiert hingegen etwas zu weit im Hintergrund. Ansonsten ist dies eine Einspielung mit hohen Detailreichtum und in ihr wird ausgesprochen nuanciert gespielt. Sie wirkt nicht stromlinienförmig, wenngleich die Virtuosität wie mal eben aus dem Ärmel geschüttelt wirkt. Die Ouvertüre wird nicht als Vehikel genutzt, um das eigene überragende Können zu demonstrieren oder billig aufzutrumpfen. Nur am Ende gestattet man sich ein temperamentvolles Auftrumpfen aber auch das klingt noch leicht und locker.

Die Aufnahme gibt der Wiedergabe etwas helles, Licht durchflutetes, was in diesem Maße keine andere Einspielung so bietet. Sie wirkt recht transparent und ganz gut in die Tiefe gestaffelt. Diese Einspielung hat sicher bereits viele Freunde gefunden. Wir gehören auch dazu.

 

4-5

Rafael Kubelik

Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks

DG

1976

8:54

 

Kubelik gelingt eine musikatisch frische, lebendige, Fröhlichkeit ausstrahlende Einspielung, die sowohl im Gesanglichen als auch im Rhythmischen differenziert erscheint. Das Andantino setzt dazu einen denkbar starken Kontrast, denn durch liebevolle Phrasierung erhält dieses lyrische Zwischenspiel ein hohes Maß an Wärme. Vom Gestus her ist diese Einspielung stark mit der Bernsteins verwandt. Auch kann das mitreißende Spiel des Münchner Orchesters durchaus mit den New Yorkern mithalten, wenngleich es bei Bernstein noch etwas geschmeidiger zugeht. Im Vergleich zur Einspielung mit Mariss Jansons kann man dem Orchester, bereits 1976 eine Topp-Adresse, eine sehr gute Entwicklung hin zu einer weiterhin gesteigerten Virtuosität und zu einem noch größeren Nuancenreichtum attestieren. Die Aufnahmequalität ist dieses Mal ein Hemmschuh,  zumal zur Einspielung Jansons´. Denn der Klang kann hier nicht richtig ausschwingen, wirkt räumlich eng und dicht, und auch sehr wenig in die Tiefe gestaffelt. Sie lässt auch Transparenz vermissen, wirkt so etwas massiv und wenig brillant. So als wäre in einem zu kleinen Raum aufgenommen worden. Bei Othello gelang dem Team der DG ein überzeugenderes Klangbild.

 

4-5

Laszlo Somogyi

Orchester der Wiener Staatsoper

Westminster

1964

9:55

 

Somogyis Lesart wirkt deutlich rhapsodischer als gewohnt, da er die einzelnen Tempoabschnitte deutlich von einander absetzt, statt sie mit fließenden Übergängen zu verbinden. Er hebt auch das Molto espressivo beim Poco tranquillo (ab E, = das 2. Thema)) deutlicher hervor. Genauso verfährt er beim bei ihm schwebenden Andantino, das er gegenüber dem Üblichen deutlich verlangsamt. So fällt es ein wenig heraus aus dem Zusammenhang, aber vielleicht war das genau die Absicht. Die Einspielung zeichnet sich auch durch einen festen Zugriff aus, das aber gepaart mit nuancenreichem, durchaus noch lockerem Spiel.

Auffallend beim Klang sind die mehrfachen, tieffrequenten Störgeräusche, als ob schwere Fahrzeuge am oder unter dem Aufnahmeraum vorbeifahren würden. Vielleicht wäre hier der Einsatz eines Subsonic-Filters empfehlenswert gewesen. Ansonsten klingt es hier deutlich sauberer und transparenter als bei den zuvor gehörten Sawallisch und Silvestri.

 

4-5

Roger Norrington

Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR

Hänssler

2008

9:20

 

Norringtons Lesart kann man als frisch und zumindest teilweise als unbekümmert bezeichnen. Das vibratolose Musizieren wirkt in diesem Umfeld ziemlich ungewohnt, vor allem bei den Streichern, insbesondere bei den Violinen. Es wirkt dünn, kann aber diesen Eindruck mit etwas mehr Klarheit kompensieren. Gerade das Andantino profitiert davon, wobei auffällt, dass das wunderschöne Violinsolo (eines der besten überhaupt) dann doch den Ausdruck ein wenig mit Vibrato intensivieren darf. Auch die klaren und leuchtenden Holzbläserstimmen werten dieses kleine Zwischenspiel weiter auf. Diese Einspielung wirkt nur zu Beginn ein wenig lärmend, ansonsten jedoch niemals knallig. Dynamisch und artikulatorisch geht man sehr exakt vor. Die Stretta gelingt recht temperamentvoll.

Der Klang ist eher unauffällig aber sehr transparent und zweckdienlich.

 

4-5

Jakub Hrusa

PKF Prague Philharmonia

Pentatone

2015

9:38

 

Bei Hrusa sprühen dagegen kaum die Funken, denn das Tempo wirkt stark reduziert (besonders wenn man die Einspielung nach Hamilton Harty´s Beitrag hört), fast ein wenig schwerfällig. Das wirkt zwar seriös, aber auch ein wenig im Impetus gebremst. Dafür wird aber sorgfältig und genau phrasiert, fast möchte man schreiben „liebevoll“, sodass der Hörer tief in die Komposition eindringen kann. Das Andantino wird so sehr schön ausgespielt, sanft und träumerisch. Diese Einspielung ist genau das Gegenteil zu der Hamilton Hartys. Aber auch sie wirkt gekonnt und sympathisch, wenn auch ungewohnt gezügelt.

Der Klang ist sehr gut gestaffelt, weich, klar, voll und ausgewogen.

 

4-5

Seiji Ozawa

Boston Symphony Orchestra

Sony

1993, LIVE

9:27

 

Bei Seiji Ozawa kann der geneigte Musikfreund auf zwei Einspielungen zurückgreifen. Die erste von 1974 wirkt noch ziemlich unausgereift und zieht in jeder Hinsicht den Kürzeren gegenüber der hier vorliegenden Einspielung aus Prag von 1993. In diesem Live-Mitschnitt wollten sich die Bostoner in der „Höhle des Löwen“ natürlich keine Blöße geben und lockern gegenüber der Einspielung mit dem San Francisco SO spürbar den Sicherheitsmodus. Nun erklingt das Werk deutlich zügiger und temperamentvoller. Es gibt nun ein perfekt eingeübtes, sehr geschmeidiges Orchesterspiel zu bewundern und gekonnten Übergängen zu lauschen. Der Orchesterklang ist erheblich wärmer und souveräner als der des Orchesters von der Westküste. Das Spiel wirkt sehr engagiert. Die Solisten tragen allerdings im Andantino sehr viel Vibrato auf. Ozawa hält nun eine gelungene Balance zwischen aufgekratzten Jubel und ernstem Tiefsinn.

Der Klang wirkt etwas fülliger als der aus San Francisco, sehr warm und gerundet (fast luxuriös). Das Schlagwerk klingt dezent. Publikumsgeräusche sind selten. Die Philips-Einspielung aus San Francisco klingt jedoch transparenter.

▼ eine weitere Aufnahme des Dirigenten  weiter unten in der Liste

 

4-5

Vaclav Neumann

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1979

9:21

 

Dies ist Neumanns erste, den vordergründigen und knalligen Effekt meidende Einspielung. Das Orchester spielt gegenüber der Einspielung mit Ancerl von 1961 etwas abgerundeter aber lange nicht so offensiv. Es erreicht aber auch nicht die eigene geschliffenere und leuchtkräftigere Spielkultur von 1988 oder von Mehtas New Yorkern. Dies ist aber ein angenehm zu hörender, ausgewogener Beitrag zur Diskographie des Werkes, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Neumann erreicht auch nicht das Feuer von Bernstein oder Kubelik.

 

4-5

Bohumil Gregor

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1987

9:24

 

Gegenüber seinem Beitrag zu Othello gefällt hier der reservierte, etwas bedeckte Zugang Gregors sehr gut. Gegenüber Ancerl klingt es hier etwas gefühlvoller aber auch zahmer und mit weniger Drive. Die Stretta wirkt gemäßigt. Ein bodenständiger Dvorak mit Hand und Fuß.

Klanglich bleibt das Blech etwas zu weit im Hintergrund. Die Violinen klingen erneut etwas belegt und wenig geschmeidig, was wohl die Folgen der frühen Digitalisierung des Aufnahmeprozesses sind. Bei Neumann klingt es etwas besser. Transparenz bleibt gewährleistet.

 

4-5

Libor Pesek

Royal Liverpool Philharmonic Orchestra

Virgin

1988

9:20

 

Nein, diesmal kommt die Einspielung nicht aus Prag. Was aber kein Fehler ist, denn die Liverpooler Philharmoniker sind auch ein sehr gutes Orchester, die das Stück locker und unbeschwert darbieten. Der Klang, recht weich gerundet, wirkt leicht hallig aber als Ganzes recht angenehm und farbig. Transparenz und Staffelung sind gut. Alles ist jedoch etwas weiter entfernt als nötig. Der Klang neigt im ff etwas zur Verdickung und wirkt dann auch erheblich dichter.

 

4-5

Carlo Maria Giulini

Philharmonia Orchestra London

EMI

1962

9:32

 

Giulini wählt das Tempo so, dass das Orchester alles sehr sauber und temperamentvoll spielen kann und der Hörer auch beim ersten Hören schon der Faktur der Komposition gut folgen kann. Sein Gestus wirkt trotzdem temperamentvoll, sanguinisch und recht intensiv. Insgesamt wirkt die Komposition hier wenig lärmend und geschmackvoll. Obwohl das Orchester recht virtuos agiert, kann es nicht voll überzeugen, denn der Holzbläsersatz wird leider wieder von der dünn quäkenden Oboe dominiert, die gemeinsam mit dem klanglich gleichgesinnten Englischhorn, trotz eines auffallend bescheidenen, nicht nach vorne gezogenen, wundervoll gespielten Violin-Solos, das so schöne Andantino fast völlig ruinieren.

Das Orchester bekommt von der Technik kein volles, präsentes Klangbild spendiert, auch die Transparenz könnte besser sein.

 

4-5

Frantisek Stupka

Tschechische Phiharmonie, Prag

Supraphon

1964, LIVE

8:47

 

MONO Von diesem Dirigent hat man im Westen nicht viel mitbekommen. Sein Zugang ist deutlich motorisch geprägt. Der dabei mitunter sich einstellende Leerlauf überspielt er mit viel Schwung. Generell spielt das Orchester hier recht leichtfüßig und mit viel Verve. Erstaunlich dass es trotzdem nicht zu einer Studio-Aufnahme gekommen ist, vielleicht gab es einfach schon genug „Karnevals“ im Hause Supraphon? Dies ist jedenfalls eine Einspielung im Geiste Fritz Reiners oder Ancerls mit viel „Sturm und Drang“. Aber ohne ganz deren Eloquenz zu erreichen. Leider hinkte der Tschechische Rundfunk der gebotenen musikalischen Qualität meilenweit hinterher. Transparenz und Staffelung sind stark reduziert. Einen Bass hören wir überhaupt nicht. Insgesamt befinden wir uns technisch gesehen auf den Stand der frühen 50er Jahre, wobei bereits Talichs Einspielung von 1952 deutlich besser klingt.

 

4-5

Dmitri Kitajenko

Schleswig-Holstein Musikfestival Orchester

BMW?

1995, LIVE

10:18

 

Kitaenko legt hier eine recht eigenwillige Deutung mit einem deutlich gebremsten Tempo vor. Gerade wenn man zuvor Jansons und Järvi gehört hat. In sich wirkt die Tempowahl in den jeweiligen Relationen durchaus stimmig und man hat nicht den Eindruck, dass der Dirigent hier Rücksicht auf die zum Teil noch sehr jungen Musiker/innen nehmen musste. Sie erzeugen einen tadellos geschmeidigen Streicherklang. Das Holz klingt ausgesprochen klangschön, das Blech besonders aufgeweckt. Insgesamt wirkt das Musizieren inspiriert.  Zu Beginn werden die drei „Schlagwerke“ recht wirkungsvoll abgedämpft. Das Poco tranquillo mit dem 2. Thema gelingt sogar besonders ausdrucksvoll. Der Holzbläserzauber im Andantino wirkt jedoch einfach zu langsam um seine volle Wirkung zu entfalten. Die Steigerungen erfolgen gemächlich. Der höchste Brio-Grad wird so nicht erreicht. Das Musizieren wirkt aber auch zu keiner Sekunde glatt oder unbeteiligt.

Der Klang wirkt nicht sonderlich dynamisch und brillant. Er ist aber recht füllig und klar und daher insgesamt angenehm zu hören. Gerade noch 4-5.

 

 

 

4

Nicola Guerini

Prague Philharmonia

DG

2016

9:40

 

Trotz moderatem Tempo wirkt diese Einspielung freudig erregt und recht spannend. Das Schlagwerk wird hier sehr dezent behandelt. Nach nur einem Jahr war dies die zweite Einspielung des Werkes für dieses Orchester. Das Orchester spielt ausgezeichnet. Die letzte Spritzigkeit fehlt – wenn auch in geringerem Maß – auch hier. Aber es fehlt auch ein wenig das Individuelle oder das Besondere.

Der Klang der Aufnahme ist transparent, voll und schön gerundet. Auch die Staffelung ist gut.

 

4

Jaroslav Kromholc

Tschechisches Radiosinfonieorchester Prag

Supraphon

1973

9:13

 

Eine das Perkussive stark abdämpfende recht gefühlvolle Darstellung, die das tänzerische Element betont und insgesamt recht fröhlich wirkt. Das RSO kommt nicht ganz an die Qualität der Philharmoniker heran. Die Aufnahme war einmal eine Quadro-Einspielung, die es aber nun nur noch als antiquarische LP gibt. Oder als Stereo-CD oder als Download wie hier. Sie klingt recht räumlich und transparent, die Klangfarben und die Brillanz wirken aber unterdessen etwas angestaubt, fahl und matt.

 

4

Henry Swoboda

Orchester der Wiener Staatsoper

Westminster

1952

9:03

 

MONO  Der tschechische Dirigent setzt die Ouvertüre fast gänzlich unter expressiven Hochdruck und spannt sie unter einen Bogen. Das Tempo wirkt über weite Teile recht furios, das Spiel dabei keineswegs undifferenziert wohl aber der Klang der Aufnahme. Uns erschien der Hochdruck in Kombination mit der bescheidenen Klangtechnik bei diesem Stück doch ein wenig zu viel des Guten. Diesmal gibt es leider keine Glanzleistung aus Wien zu vermelden, wie bei Othello.

Der Klang ist stark verfärbt, vor allem die Streicher wirken drahtig. Das macht das Hören ziemlich anstrengend.

 

4

James Conlon

London Philharmonic Orchestra

Erato

1984

9:40

 

Conlon lässt in seiner Einspielung Becken, Tamburin und Triangel weniger loslärmen als beispielsweise Bernstein oder Chailly. Er findet eine recht gute Mischung aus Feuer und klarer Sachlichkeit. Vor allem das gefühlvolle Andantino überzeugt. Die Streicher spielen hier nicht ganz so homogen wie zuvor beim NYPO oder bei den Amsterdamern unter Chailly. Weniger Überschwang, dafür etwas mehr von der Faktur des Werkes. Es werden auch etwas mehr Nuancen hörbar als bei Chailly.

Klanglich wirkt das Orchester gegenüber Bernstein und Chaillys Einspielungen etwas zurück gesetzt. Es verliert so an anspringender Präsenz.

 

4

Kurt Masur

New York Philharmonic Orchestra

Teldec, Warner

1994, LIVE

9:06

 

Masur entdeckt ein paar Nebenstimmen, die man zuvor nicht bemerkt hatte, besonders in der Trompetenstimme, die es dem Maestro offensichtlich angetan hat. Sein Gestus ist echt stimmungsvoll, wirkt trotz flotten Tempos aber nicht überhitzt. Er lässt das Orchester eigentlich ganz schön jubilieren und schärft auch den Rhythmus gut an, jedoch sind gerade bei den Steigerungsverläufen auch Leerläufe zu hören, bei denen dramaturgisch auf der Stelle getreten wird. Bei anderen Einspielungen werden diese in den Spannungsbogen integriert und dienen, obwohl oft nur Wiederholung oder Variation des Vorhergegangenen, sogar zur emotionalen Intensivierung.

Das Orchester wirkt etwas weniger sonor als Marriners Academy, die zuvor gehört wurde. Der Klang, präsent und offen, präsentiert das Schlagzeug (Piatti, Tamburin und Triangel) sehr deutlich. Vor allem das Tamburin hätte etwas zurückhaltender agieren bzw. aufgenommen werden dürfen. Aber wie bereits erwähnt, das ist Geschmackssache.

 

4

Riccardo Chailly

Concertgebouworchester Amsterdam

Decca

1987

9:08

 

Das Orchester erfreut erneut durch seine Spielkultur. Das Legato besticht. Der Gestus ist zwar lebendig, wirkt aber nicht jubilierend, sogar etwas vordergründig. Auf eine sehr virtuose Art wirkt das Spiel nicht ganz frei von stromlinienförmiger Kühle und Distanz. Für den Dirigenten scheint die kleine Ouvertüre keine Herzensangelegenheit gewesen zu sein, eher eine notgedrungene Ergänzung, um die Platte zu füllen.

Der Klang wirkt voluminös aber auch etwas hallig, passagenweise überraschend eher wenig sonor. Richtig klar und transparent klingt eigentlich nur das Andantino mit seinem lichten Orchestersatz.

 

 

 

3-4

Andrew Davis

Philharmonia Orchestra London

CBS - Sony

1979

9:27

 

Hier bemerkt man sogleich den klaren Zugriff aber auch die reduzierte Leidenschaft. Das Spiel des Orchesters kann überzeugen, denn die Violinen klingen klar besser als die des LPO in der zuvor gehörten Einspielung mit Conlon. Der Klang des Orchesters ist seit der Giulini-Einspielung erheblich verbessert worden. Manko ist, dass die eine oder andere Phrasierung nicht bis zum Ende gehört werden kann, da bereits  eine andere Stimme die Oberhand gewonnen hat. Das ist bedauerlich, denn gerade das Andantino wird besonders schön und ausdrucksvoll gespielt und nimmt das con moto wörtlich.

Das Orchester erscheint gut gestaffelt und recht räumlich, aber auch hier wirkt die Transparenz im ff etwas reduziert.

 

3-4

Vladimir Ashkenazy

Cleveland Orchestra

Decca

1991

9:03

 

Stürmisch wie bei Ancerl aber rhythmisch nicht ganz so scharf umrissen wirkt das Spiel des Cleveland Orchestras. Aber anders als bei Ancerl erscheint das Spiel eher sportlich motiviert. Ein tieferes Verständnis scheint Ashkenazy 1991 noch nicht für die Musik Dvoraks entwickelt zu haben. Das macht nicht nur der Vergleich mit dem zuvor gehörten Ancerl deutlich, sondern auch der mit dem eigenen Remake in Prag mit den dortigen Philharmonikern 2015. Das Orchester spielt recht virtuos aber bei weitem nicht so intensiv und mit gespannter Aufmerksamkeit und Präzision wie noch unter Szell.

Der Klang erscheint erheblich weicher und runder als bei Ancerl, auch etwas transparenter.

 

3-4

Stephen Gunzenhauser

BBC Philharmonic Orchestra, Manchester

Naxos

1992

9:24

 

Erfreulich sind hier das dezent eingesetzte Schlagwerk und das klangvolle Holz. Auch der Zugang Gunzenhausers scheint etwas emphatischer zu sein als der bei „Othello“. Das Orchester spielt ganz gut und klangvoll aber mit etwas „Speck“.

Der Klang ist wenig brillant, das Orchester spielt etwas nach hinten gerückt. Dennoch erreicht man eine gute Staffelung. Auffallend ist, wenn auch nicht so deutlich wie bei „Othello“, dass die Streicher mehr Hall um sich zu haben scheinen als die Bläser.

 

3-4

Jac van Steen

Dortmunder Philharmoniker

MDG

2009

9:28

 

Auch hier vernehmen wir gutes aber nicht herausragendes Orchesterspiel. Steen will nicht böhmischer erscheinen als die Böhmen, sodass der Gestus seiner Darbietung eher wenig bewegt erscheint. Man bewegt sich im korrekt-neutralen Bereich, nicht übermäßig temperamentvoll oder gar furios. Der Klang der Einspielung ist durchaus transparent, ausgewogen, weich gerundet und weist eine gute Staffelung auf.

 

3-4

André Previn

Los Angeles Philharmonic Orchestra

Telarc

1990

8:55

 

Bei André Previn hören wir ein engagiertes eigentlich prominentes Orchester, dennoch wirkt sein Klang hier etwas massiv und weniger fein. Da leiden auch die Stimmungen ein wenig, sodass auch das Andantino durchaus etwas intensiver klingen könnte, auch emphatischer. Während des ganzen Stückes stellt sich keine lockere Spritzigkeit ein. Zum Teil wird recht deftig artikuliert, gerade so, wie man sich den böhmischen Tonfall vielleicht an der amerikanischen Westküste vorstellt. Im Vergleich wirkt das recht oberflächlich und eher weniger authentisch.

Tendenziell wirkt der Klang der Aufnahme nicht gerade brillant, gar etwas dumpf, insgesamt jedoch transparent.

 

3-4

Wolfgang Sawallisch

Philharmonia Orchestra

Philadelphia Orchestra

EMI

Water Lily

1958

1999

8:48

9:35

 

Fast 40 Jahre liegen zwischen den beiden Einspielungen Sawallischs. In der Zeit hat sich einiges an der Auffassung des Stückes seitens des Dirigenten geändert. 1958 hören wir noch ein temperamentvolles, schlankes und schwungvolles Musizieren. Wie bei Giulini mit den heute als Belastung empfundenen quäkenden Oboen und Englischhorn. Sawallisch ist hier erneut Garant für eine saubere, ambitionierte Ausführung, die jedoch relativ wenige Emotionen weckt.

1999 hörn wir, bei erheblich reduziertem Tempo, immer noch einen klaren zum Teil auch herzhaften Zugriff auf das Werk, jedoch verhindert hier in erster Linie der seltsam leblose, völlig unbrillante, wattierte Klang eine emotionale Anteilnahme.

Der Klang der EMI-Aufnahme wirkt, zumindest in der Form unseres Downloads etwas dumpf und entfernt. Die Transparenz ist eher gering und es ist nur wenig Staffelung herauszuhören, ganz ähnlich wie bei den „zeitgenössischen“ EMI-Aufnahmen von Silvestri und Giulini. Der Download mutet in seiner, trotz Stereo-Aufnahme, fast monauralen Anmutung fast schon historisch an. Das Orchester spielt auf einer Ebene und die Klangfarben wirken blass

Der Klang der 1999er wirkt gegenüber der 58er erheblich weicher und runder. Jedoch kaum transparenter. Er wirkt in diesem Umfeld etwas weniger muffig als bei der betreffenden Aufnahme von Othello. Das Orchester scheint wie hinter einem Vorhang zu spielen.

 

3-4

Arthur Fiedler

Boston Symphony Orchestra

RCA

1959

9:02

 

Das Schlagwerk klingt hier sehr präsent, vor allem die Besonderheit der Ouvertüre, das Tamburin. Die solistischen Beiträge werden stark ins Orchester eingebettet. Falls man bei RCA mit dieser Einspielung die drei Jahre ältere Reiner-Einspielung „verbessern“ wollte, ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Der hauptsächliche Eindruck ist einerseits der musikantische Drive, andererseits aber auch die erhebliche Lärmentwicklung, weil der Klang nicht hinreichend durchstrukturiert wurde.

Falls dies ebenfalls eine „Living Stereo“ gewesen sein sollte, könnte man sie nicht als solche identifizieren. Der Klang wirkt eher distanziert, gerade noch hinreichend präsent. Diese Aufnahme hätte jedoch ein gutes Remastering verdient, das vorliegende stammt aus den 80er Jahren. Mit ihm lässt sich diese Einspielung nicht recht würdigen.

 

3-4

Jiri Belohlavek

Prager Symphoniker

Eurodisc

1989, LIVE

9:17

 

Von Belohlavek liegen zwei Einspielungen der Ouvertüre vor, eine Live-Einspielung mit den Prager Symphonikern vom Schleswig-Holstein Musikfestival und eine zweite mit der Tschechischen Philharmonie nur ein Jahr später aufgenommen. Die Symphoniker spielen das Stück solide aber ohne zu glänzen, wobei in dieser Einspielung vor allem die Hörner gut heraus kommen. Die Violinen dominieren nicht so sehr das Geschehen wie in der Aufnahme mit den Philharmonikern. Die Darbietung ist gefällig, bietet aber weder besondere Inspiration noch besondere Lösungen an.

Der Klang bei Eurodisc ist deutlich ausgewogener, die räumliche Staffelung gerät stimmiger, auch der hochtonlastige Gesamtklang der Supraphon –Einspielung fehlt. Vom Publikum sind nur ein paar Huster zu hören.

▼ eine weitere Aufnahme des Dirigenten  weiter unten in der Liste

 

3-4

Theodore Kuchar

Janacek Philharmonic Orchestra, Ostrava

Brilliant

2003

8:44

 

Gefiel die Einspielung des Othello noch sehr gut, überwiegen nun in der Einspielung mit Kuchar die eher weniger willkommenen Eindrücke. Der Impetus ist angetrieben, ja fetzig. Es fehlt ihm aber jede Wärme. Das Orchester spielt (mit seinen hart klingenen Holzbläsern) ziemlich virtuos, aber es fehlt weitgehend die Lockerheit, ein fröhliches Lebensgefühl kann diese Musik so nicht vermitteln. Die Ouvertüre wirkt eher wie eine gefährliche Fahrt mit der Achterbahn und lässt eher an Schostakowitsch denken als an Dvorak. Der klare Klang ist räumlich weit und kann durchaus gefallen, aber auch ihm fehlt es ein wenig an Wärme.

 

3-4

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS-Sony

1958

8:55

 

In Ormandys Lesart fühlt sich die Musik an, als würde sie nahezu permanent unter Hochdruck stehen.  Beim Molto espressivo des Poco tranquillo passt das sehr gut. Ansonsten fehlen die erwünschte Lockerheit und die Differenzierung. Diese Interpretation wirkt eher vordergründig und plakativ. Durch das exponierte und vordergründige Schlagzeug in Verbindung mit einem überaus präsenten Piccolo wirkt der Klang schrill und überbrillant. Er schwingt nicht frei aus erscheint besonders was die Violinen betrifft etwas hart und gepresst.

 

3-4

Jiri Belohlavek

Tschechische Philharmonie, Prag

Supraphon

1990

9:36

 

Hier dominieren die Violinen, wann immer sie spielen das Klangbild. Es scheint, als wäre die Balance der Aufnahme nicht mittig eingepegelt worden, sondern nach links zu den Violinen hin verschoben. Weiterhin weist der Klang eine deutliche Tendenz zum Schrillen hin auf, was besonders die Violinen aber auch Tamburin und Triangel in Mitleidenschaft zieht. Ansonsten eine solide Einspielung, die nichts überzieht, der aber auch der letzte Biss, das Feuer fehlt. Aber vor allem der Klang wiegt als schwere Hypothek.

 

3-4

Seiji Ozawa

San Francisco Symphony Orchestra

Philips

1974

10:00

 

Gegenüber dem zuvor gehörten Ormandy wirkt Ozawa in seiner ersten Einspielung geradezu behäbig. Der Duktus wirkt durchbuchstabierend, viel zu breit und vorsichtig. Sauber und sehr transparent ist diese Einspielung allerdings. Gespielt wird mit größter Sorgfalt, jedoch ist die Inspiration auf der Strecke geblieben. Hier fehlt auch der kleinste Anflug von Feuer. Erst ganz am Ende wird das Orchester ein wenig aus der Reserve gelockt. Der Klang übertrifft den der zuvor gehörten Ormandy-Einspielung deutlich. Ozawa hat es in seiner zweiten Einspielung in jeder Hinsicht deutlich besser gemacht.

 

 

16.8.2021