Camille Saint Saens 

Danse macabre op.40

_______________________________________

 

Werkhintergrund:

 

Totentänze fanden seit Mitte des 14. Jahrhunderts in Form monumentaler Gemälde an Wänden von Kirchen, Kirchhofsmauern, Friedhöfen zu bildlicher Darstellung. Wir erwähnten dies bereits im Hintergrundbericht zum Vergleich der Einspielungen von Liszts „Totentanz“, dem Saint - Saens hier seine Referenz erweist. Sie erlebten ihre Blütezeit im Mittelalter und dienten als Warnung vor dem Pest-Tod und gleichzeitig als Abwehr gegen ihn. Sie sollten den Pestepidemien Einhalt gebieten, die in ganz Europa mitunter täglich tausende von Menschen dahinrafften. Zugleich waren sie ein Memento Mori und mahnten: Vor dem Tod sind alle gleich. Parallelen zur Corona-Pandemie, die uns vor vergleichbare existentielle Herausforderungen und Fragen stellten, bis hin zu Entscheidungen über Leben und Tod, sind offensichtlich. So ist der Totentanz nicht mehr nur ein Thema der Vergangenheit.

 

Mit seinen vier symphonischen Dichtungen Le Rouet d’Omphale, op. 31, Phaéton, op. 39, Danse macabre, op. 40 und La Jeunesse d’Hercule, op. 50 stellt sich Camille Saint-Saëns entschieden in die Tradition von Hector Berlioz und Franz Liszt. Sie entstanden zwischen den Jahren 1871 - 1877 und legen auch Zeugnis von Saint-Saens' janushaften Wesen ab. Tatsächlich war er (gemeinsam mit César Franck), der in späteren Jahren zur Geißel der französischen Avantgarde wurde, der Mitinitiator der symphonischen Dichtung in der französischen Musik (siehe Franck: Vergleich zu „Le Chasseur maudit“). Saint-Saens fühlte sich zeitlebens auch zur klassizistischen Schule Mendelssohns und Schumanns genauso hingezogen wie zu Liszts damals als revolutionär empfundenen Denken. Dass er damit schließlich zwischen den Stühlen landen musste, erscheint aus heutiger Sicht beinahe absehbar.

In den 1870er Jahren war aber die Welt für ihn noch in Ordnung: Saint-Saëns führte an, die anderen folgten.

 

In jener Zeit ging es Camille Saint-Saëns im Umfeld der gerade gegründeten „Société nationale de musique“ darum, in der Instrumentalmusik Anschluss an die großen deutschen romantischen Orchesterwerke zu finden und für Frankreich ein genuines Repertoire zu entwickeln. Mit der Wahl der Gattung positionierte sich der Komponist zugleich musikpolitisch, nämlich auf der Seite der Neudeutschen, der „Zukunftsmusiker“, gegen reaktionäre Haltungen – und schürte damit, wie die frühen Presseberichte dokumentieren, in Paris damals gerade antideutsche Ressentiments.

 

Das Stück wurde 1872 im Hotel Fuentes im marokkanischen Tanger geschrieben, wo Saint-Saëns sich für längere Zeit aufhielt. In vielen Quellen wird angegeben, dass das Hotel am Zoco Chico, dem kleinen Markt, läge. Dort liegt es aber erst seit dem frühen 20. Jahrhundert. Zur Zeit der Komposition jedoch befand es sich in der Calle de los Cristianos. (Quelle: Wikipedia) Dies nur für die Marokko-Touristen unter uns.

 

Ursprünglich war es ein Stück für Gesang und Klavier. Der Text stammte vom Schriftsteller Henri Cazalis. Erst zwei Jahre nach dieser Version, 1874, schrieb Saint-Saëns die Komposition für Orchester um, die menschliche Stimme wurde nun durch eine Solovioline „ersetzt“. Dieser Version wollen wir uns im Vergleich (fast) ausschließlich widmen.

Das Werk ist Madame C. Montigny Remaury (1843–1913) gewidmet. Nebst der Version für Gesang und dieser für Orchester arrangierte Saint-Saens das Stück auch für Violine und Klavier und für zwei Klaviere. Diverse Komponisten wie etwa Ernest Guiraud, Théodore Ritter, Edwin Lemare und Franz Liszt erstellten Transkriptionen für Orgel, Klavier zu vier Händen oder auch für Soloklavier. Auch auf dem Debütalbum der niederländischen Symphonic-Rock-Band Ekseption von 1969 ist eine Bearbeitung von Saint-Saëns' Werk enthalten. Er fand darüber hinaus Verwendung in zahlreichen Filmmusiken und Fernsehserien.

 

Die Danse macabre (Totentanz) ist heute wohl (gemeinsam mit dem namensgleichen Werk von Franz Liszt) das bekannteste musikalische Totentanzstück überhaupt. Sie hat ihren Ursprung, wie bereits kurz angesprochen, in einem gleichnamigen Lied, das Saint-Saëns im August 1872 auf ein Gedicht mit dem Titel „Égalité – Fraternité“ von Henri Cazalis komponiert hatte. Nach dem Erfolg seiner beiden früheren symphonischen Dichtungen komponierte Saint-Saëns 1874 diese dritte als Erweiterung des Liedes. Der Partitur stellte er einen Ausschnitt aus dem Gedicht voran:

Zig et zig et zag, la mort en cadence / Frappant une tombe avec son talon, / La mort à minuit joue un air de danse, / Zig et zig et zag, sur son violon.


Übersetzt etwa: Tipp und tipp und tapp, der Tod im Takt / Schlägt mit der Ferse (oder Absatz, falls ihm danach war, Schuhe zu tragen) ein Grab, / Der Tod um Mitternacht spielt eine Tanzmelodie, / tipp und tipp und tapp, auf seiner Geige.

 

Im weiteren Verlauf, der der Partitur nicht mehr vorangestellt ist, aber für das Verständnis der Komposition durchaus hilfreich ist, lautet das Gedicht gleich in übersetzter Form:

 

Der Winterwind weht und die Nacht ist düster,

aus den Linden dringt ein Wimmern;

weiße Skelette huschen durch das Dunkel,

schnell und hüpfend unter ihren weiten Leichentüchern.

 

Tipp und tipp und tapp, jeder hüpft und windet sich;

man hört, wie die Gebeine der Tänzer klappern;

ein laszives Pärchen lagert auf dem Moos,

als ob sie längst vergangene Lust genössen.

 

Tipp und tipp und tapp, und weiter kratzt der Tod

ohne End auf seinem schrillen Instrument.

Ein Schleier ist gefallen. Die Tänzerin ist nackt.

Ihr Partner umfängt sie verliebt.

 

Es heißt, die Dame sei eine Marquise oder Baronin

und der junge Kerl ein Karrenmacher -

wie grässlich! Und nun gibt sie sich hin,

als wäre der Rüpel ein Baron!

 

Tipp und tipp und tapp, welch eine Sarabande!

Welch ein Totenreigen, der sich hier vergnügt!

Tipp und tipp und tapp, man sieht,

wie der König mit dem Bauern tollt.

 

Doch pst! Der Tanz ist plötzlich vorbei,

man drängelt, rennt davon, denn der Hahn hat gekräht;

Ach! Wie schön war’s für die Armen!

Lang lebe der Tod und die Gleichheit.

 

Édouard Colonne dirigierte, von der Presse wenig enthusiastisch aufgenommen, die erste Aufführung am 24. Januar 1875 im Concert du Châtelet sowie die Wiederholung am 7. Februar. Als Pasdeloup das Werk am 24. Oktober 1875 dirigierte, reagierte das Publikum gar mit Pfiffen und Buhs; vielleicht dachte das Publikum schlicht, dass die verstimmte Geige falsch spielte? Die E-Saite der Solovioline nämlich, die die teuflische Seite der Musik verkörpert, ist auf Es heruntergestimmt und bildet so mit der leeren A-Saite das „diabolische” Intervall des Tritonus; an keiner Stelle geht der Solopart höher als bis zum es2, so dass die Saite nur leer angespielt wird. Besonders ist auch der erstmalige Einsatz eines Xylophons im Orchester, das zu der ganz spezifischen Klangfarbe beiträgt. Da klappern dann die Knochen. Auch das wurde damals als skandalös empfunden

 

„Die Vertonung folgt im Wesentlichen dem Gedicht, das ihr als außermusikalisches Programm zugrunde liegt. Die zwölf Glocken- (bzw. Harfen-) Schläge der Mitternacht rufen die Leichen aus ihren Gräbern, denen der Tod auf seiner (discordierten) Violine zur Danse macabre aufspielt; dass es sich dabei um einen Walzer handelt, entspricht der häufigen Deutung dieses Tanzes als morbid (wie z.B. in der „Valse triste op. 44“ von Jean Sibelius). Nach der Exposition der beiden Hauptthemen und ihrer Wiederholung (mit dem erstmals überhaupt im Orchester eingesetzten Xylophon zur Untermalung der klappernden Skelette) folgt ein Fugato, das in ein Zitat des Dies irae mündet. Eine Durchführung der beiden Themen führt zum ekstatischen Höhepunkt des Tanzes, der mit dem Hahnenschrei (Oboe) plötzlich abbricht. Noch einmal erklingt klagend die Violine des Todes, dann hat der Spuk ein Ende. Diese Coda erinnert deutlich an den Schluss der Bearbeitung von Modest Mussorgskis „Nacht auf dem kahlen Berge“ durch N. Rimski-Korsakow. Die Danse macabre kann als Meisterwerk der französischen Programmmusik gewertet werden, und zeigt ihren Komponisten als außergewöhnlich feinsinnigen Instrumentator im Vorfeld des sogenannten Impressionismus.“ (Zitat Michael Stegemann aus dem Lexikon der romantischen Orchestermusik (Band III, Seite 703 – 705))

 

Schauen wir uns noch kurz die anerkanntermaßen geniale Instrumentation etwas genauer an. Genau wie in seinem Karneval der Tiere spielen alle verwendeten Instrumente eine Rolle, es sind sozusagen echte „Schauspieler“. Die Harfe schlägt die zwölf Schläge der Mitternacht, die Pizzicati der Celli stellen den Tod dar, der mit der Ferse zuschlägt, um die Verstorbenen zu erwecken, bevor er (wie bereits erwähnt) seine Solovioline auf den Diabolus in musica  „stimmt“ (Name nach dem System von Guido Arezzo, die verminderte Quinte oder Tritonus Ebenfalls Täter hier: die Es - Klarinette).

Danach beginnen die umtriebigen Skelette einen Walzer im dafür am besten geeigneten Tempo zu tanzen, oder dem Tempo, das der jeweilige Dirigent dafürhält. Da gibt es durchaus relevante Unterschiede. Das Xylophon repräsentiert den Klang von Skelettknochen, die während der Nacht tanzen und dabei (man kann es sich gut vorstellen) ziemlich hart aufeinanderprallen. Die Violinen markieren grell und erinnern so an den Winterwind und die verminderte Tonalität, es könnte aber auch die Trockenheit und die bittere Kälte des Winters vorstellen.

Drei Themen werden entwickelt: ein rhythmisches, von der Flöte „belichtet“; die zweite Melodie, vorgetragen von der Solovioline; schließlich das Zitat des melodischen Motivs der ersten Strophe der Liturgischen Sequenz . Aber dies ist ein Dies irae, das transponiert  etwas seltsam auf der Trompete klingt, unterstützt von den Becken. Diese höllischen Geister scheinen diesen feierlichen Satz aus der Totenliturgie zu verspotten. Diese drei Themen werden sozusagen „gewalzt“. Thema A entwickelt sich in Form von Variationen, Thema B wird als eine Art Fuge behandelt, und an einem bestimmten Punkt überschneiden sich beide. Hervorzuheben wäre auch der Ausbruch des Orchesters mit viel Geschrei durch die Blechbläser, das die Raserei dieser unterirdischen Welt ausdrückt, die sich für eine Weile nach oben stülpt. Und wenn die Oboe den „Cococorico“ (so das französische Wort für den morgendlichen Hahnenschrei, zu deutsch „Kikeriki“; ja die Hähne in Frankreich schreien auf französisch, die deutschen eben auf deutsch, was sich übrigens auch im jeweiligen Oboenklang wiederfindet) erklingt, zerstreuen sich die Toten. Der Blick auf das morbide Geschehen ist hier also weniger endzeitlich-dramatisch als persiflierend-humorvoll. Dem Hörer kommt auch von der erzählten „Story“ her das ähnlich gelagerte Geschehen von Mussorgsky „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ in den Sinn, nur dass hier Hexen für einen morbid-virtuosen Trubel sorgen.

 

Eigentlich spielt die verstimmte Solo-Violine eine ganz gewichtige Rolle in dem sechs- bis achtminütigem Stück. Dennoch war es nicht möglich die meisten Solisten, es sind in der Regel die Konzertmeister der jeweiligen Orchester, namentlich zu ermitteln. Vor allem die älteren Einspielungen verschweigen den Namen, auch weil wir auf Quellen zurückgreifen mussten, denen Details nicht wichtig sind, wie unter anderem auch die Angabe des Aufnahmedatums oder des Labels. Nur bei der Einspielung mit Daniel Harding und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen lag es anders, denn hier spielt Renaud Capucon den Solopart. Aus Gründen der Gleichbehandlung haben wir daher auf die Nennung des zum Tanze auffordernden überaus knochigen Animateurs, wie man vielleicht heute sagen würde, gänzlich verzichtet.

 

(Quelle: Wikipedia, genutzte Partitur: heruntergeladen von musopen.org)

 

 

Zusammengestellt am 3.9.2021

 

 

 

 

 

Danse macabre

 

 

 

 

Vergleichende Rezensionen:

 

 

5

Dmitri Mitropoulos

New York Philharmonic Orchestra

Columbia – BdF

1951

7:21

 

Mono  Schon zu Beginn bemerkt der aufmerksame Hörer, wie schön die Harfe die weit entfernte Kirchenglocke imaginiert. Auch das Horn im p weitet trotz des naturgemäß wenig räumlichen Mono-Klangs schön die Klanglandschaft. Sofort mit dem Einsatz der Solovioline wird der Hörer ins Klanggeschehen hineingesogen und bis zum Ende des Stückes nicht mehr daraus entlassen. Sie steht übrigens an vorderster Rampe und fiedelt dem Hörer mit hochemotionalem Espressivo beinahe direkt ins Ohr. Mitropoulos setzt den einsetzenden Walzer unter Feuer, teils wirkt er wie ein inbrünstiger Gesang, dann besonders rhythmisch geschärft und zugespitzt. Dabei wirkt das vorschriftsmäßig gemäßigte Tempo genau richtig. Nie dachten wir in dieser Einspielung an eine unterkühlte Winterlandschaft, eher an die gerade einmal für einen Moment geöffnete, die Umgebung erwärmende Hölle. Trotz der damals noch bescheidenen Mittel bei der Aufnahme klappert das Xylophon hier besonders deutlich und bizarr. Die Besonderheiten eines Stückes zu betonen kann kein Fehler sein, auch wenn die tanzenden Toten hier eine ganz besondere bisweilen verrenkte  „Lebendigkeit“ zeigen. Sie nutzen ihre Chance noch einmal richtig „Party“ zu feiern. Und da auch die schauerlichen Elemente vortrefflich ausgereizt werden, scheinen sie die Schatten von Trauer und Klage für einen Moment abzulegen und sich an ihrem makabren Tun sehr zu erfreuen. Dem Hörer bleibt in diesem Fall nichts anders übrig, als es ihnen gleich zu tun und sich, ob des Gehörten, ebenfalls des Lebens  zu freuen.

Der Klang ist für die Zeit der Aufnahme sehr transparent. Pauke und Gran Cassa bleiben jedoch unterbelichtet. Das übrige Schlagwerk wird jedoch vortrefflich in Szene gesetzt. Das ist ganz erstaunlich, besonders wenn man bedenkt, dass wir hier einer von der Bibliothèque National de France (BnF) digitalisierten Original- LP lauschen. Vernachlässigbare Rillengeräusche, kaum Rauschen.

 

___________________________________________________________________________

 

5

Constantin Silvestri

Bournemouth Symphony Orchestra

EMI

1966

6:21

 

In Hinsicht auf einen unter Strom gesetzten Spannugsverlauf kommt der Einspielung von Mitropoulos diese mit Silvestri am nächsten. Auch das von Silvestri mobilisierte „Völkchen“ erlebt eine tolle Nacht. Die Solovioline versucht den üblichen Klang mit einer zu Beginn noch nasalen Färbung zusätzlich zu verfremden. Das Orchester spielt wunderbar locker und trotzdem herrlich expressiv, mit gespannten Steigerungsverläufen und mit gehörigem „Biss“. Die Einsätze des Beckens bleiben jedoch mitunter seltsam blass bis unhörbar, was man von dem sehr präsenten Triangel nicht behaupten kann. Insgesamt jedoch eine tolle Leistung von allen Mitwirkenden.

Wobei wir hier die Abteilung Technik getrost mit einschließen können. Der Klang wirkt bei jeder Instrumentengruppe voll und körperhaft. Die Transparenz ist trotz des fülligen Gesamtklangs jederzeit gewährleistet. Die Raumanmutung wirkt natürlich und die Klangfarben leuchten üppig. Nur im ff und fff  bemerkten wir eine leichte Tendenz zum übersteuern. Dafür sorgen vor allem die mitunter etwas vernachlässigten dann aber kraftvoll in Szene gesetzten Becken. Klanglich besonders geglückt ist diese Aufnahme der Mitropoulos-Einspielung  diesbezüglich in beinahe allen Belangen überlegen.

 

____________________________________________________________________________________

 

5

Jean Martinon

Orchestre National de l´ORTF (heute: Orchestre National de France)

Erato

1966

6:40

 

Orcheste du Conservatoire de Paris (heute: Orchestre de Paris)

Decca

1960

6:55

 

Jean Martinon hat unseres Wissens zwei Mal den Danse macabre eingespielt. Beide Einspielungen sind sehr hochwertig, wenn sie auch für den Musikfreund verschiedene Akzente setzen. So besticht die sechs Jahre jüngere Erato mit einer noch ein wenig besser animierten und zugespitzt wirkenden Leidenschaft gespielt und mit einem Walzer von selten anzutreffenden rhythmischen Biss, während die etwas ältere Decca mit einem tollen Espessivo der Solo-Violine, einem klasse prononcierten Xylophon und ausgesprochen spielfreudigen Violinen überzeugt. Die Skelette in der Erato-Einspielung bewegen sich noch etwas mehr unter Adreanalin gesetzt mit einem besonders angeheizten Animato gegen Ende. Die sonst oft gescholtenen französischen Oboen jener Zeit reüssieren hier mit einem besonders kläglichen, heiseren Weckruf des Hahns. Das wirkt in diesem ironisch bis sarkastisch oder auch nur humoristisch zu deutenden Werkzusammenhang besonders passend.

Liegt in der Interpretation die etwas prononcierter wirkende Erato einen Hauch vorne, so ist es klanglich gesehen gerade umgekehrt. Die Erato ist zwar großräumiger aber auch etwas hallig und etwas scharf abgestimmt, besonders die Geigen. Wobei man noch erwägen könnte, dass auch dieser Sound gut in den Zusammenhang passt. Die Decca klingt weniger scharf, weicher und farbiger. Etwas weniger großräumig, dafür aber präsenter und brillanter. Auch die Gran Cassa klingt hier wesentlich natürlicher, d.h. mächtiger und konturierter.

 

____________________________________________________________________

 

5

Paul Paray

Detroit Symphony Orchestera

Mercury

1959

6:52

 

Paray lässt die Gebeine der Skelette während des besonders straff intonierten Walzers recht derb aufeinanderprallen. Seine Auslegung wirkt generell aufgeräumt, schnörkellos, fast  völlig humorlos und stoisch. Aber gerade das verfremdet den doch andernorts so wohl gelaunt angestimmten Walzer (Johann Strauß) besonders. Auch hier muss man die sonst oft gescholtenen Oboe aus Detroit besonders loben und wir können es schon jetzt verraten: Auch die Oboe des Philharmonia Orchestra London kräht besonders zünftig den makabren Zauber weg.

Der Klang trägt sehr viel zur besonders trocken-lakonischen Wirkung der Interpretation bei. Superpräsent und supertransparent, was auch in besonderem Maß für das Xylophon gilt, und sehr dynamisch klingt es hier. Das Orchester spielt quasi ohne umgebenden natürlichen Raum überaus präsent direkt in die zwei oder maximal drei Mikrophone. Das gilt für alle Instrumente (!), auch für die sehr wuchtig eingefangene Gran Cassa. Der Hörer darf hier den Platz in der x-ten Reihe verlassen und die Dirigentenperspektive einnehmen.

 

___________________________________________________________________________________

 

5

Alexander Gibson

New Symphony Orchestra of London (= London Symphony Orchestra ?)

RCA

1957

7:15

 

Gibson lässt hier sein Orchester frappierend klar, locker und transparent spielen. So ergäbe sich auch eigentlich eine entspannte und gelassene Darbietung, die nicht mehr aus dem Stück machen will, als in der sehr genau befolgten Partitur steht. Das wäre auch so, wenn sich zu dieser Gangart nicht die eminent gelungene, dynamisch-deftige Behandlung von Blech und Schlagwerk dazugesellen würde. Es wird da ein fast überbordender Druck entfaltet und so der betonten Gelassenheit dann doch durchaus noch eine besondere Ironie mit auf den Weg gegeben. Auch dieser Londoner Oboe gelingt ein perfektes, heiseres Kikeriki, wie direkt vom bäuerlichen Misthaufen des 19. Jahrhunderts gekräht.

Der Klang der Living-Stereo ist phänomenal. Sehr offen und wie bereits die Mercury auch supertransparent und sehr präsent. Zudem aber noch auf natürliche Weise räumlich, körperhaft und tief gestaffelt. Das Verhältnis von Solovioline und restlichem Orchester kann als vorbildlich bezeichnet werden. Der Bassbereich wirkt stark und kräftig, der Gesamtklang ist sehr brillant und besonders farbig. Hier hatte auch das Team der Technik eine Sternstunde erwischt.

▼ eine weitere Aufnahme des Dirigenten  folgt weiter unten in der Liste

 

_______________________________________________________________________________

 

5

René Leibowitz

Orchestre Symphonique de Paris

Chesky

1960

7:06

 

Ähnlich wie bei Gibson zuvor wirkt auch diese Einspielung besonders klar und deutlich. Viele Details werden so hörbar, die sonst eher verdeckt sind. In Verbindung mit dem hellen Orchesterklang ergibt sich jedoch ein etwas steif wirkender Walzer der kühlen und trockenen Sorte. Leibowitz gestaltet so offensichtlich mit Kenntnis des gesamten Gedichts, das der Komposition zugrunde lag. Mit wenig Vibrato gibt auch die Solovioline wenig Wärme preis. Auch hier passt der französische Oboenton besonders gut zum ländlichen Kikeriki. Leibowitz nimmt besonders viele Elemente des Werkhintergrundes mit in die Interpretation, was sich auch in der klanglichen Realisierung der Darstellung niederschlägt. Den Hörer fröstelt es ein wenig.

Der Klang der ursprünglich für des Reader´s Digest Buchclub von RCA eingespielten Aufnahme wirkt sehr räumlich, gut aufgefächert und besonders transparent. Die Gran Cassa klingt ebenfalls sehr gut. Ingesamt wirkt der Klang hell, leicht und spritzig.

 

________________________________________________________________________________

 

5

Igor Markevitch

Philharmonia Orchestra, London

EMI - BdF

1955

7:18

 

MONO  Ähnlich der Einspielung Mitropoulos´ sitzen die zwölf Harfentöne besonders nachdrücklich und präsent. Hier liegt dir Kirche, deren Glocke sie imitiert jedoch etwas näher. Auch die Geige fiedelt ihre traurige Weise ganz dicht am Ohr des Hörers. Nicht ganz so glutvoll wie bei dem Griechen werden hier jedoch die Details besonders plastisch in einen Sinnzusammenhang gerückt. Auch das Xylophon darf seiner Rolle als „Schlagzeug des Schreckens“ undomestiziert und voller Präsenz nachgehen. Diese Wiedergabe darf als besonders pointiert gelten. Das gilt in ganz besonderer Weise für den morgendlichen Hahnenschrei, für den die so oft kritisierte Philharmonia-Oboe glatte fünf Sterne abräumt. Markevitch setzt ein reichhaltiges Rubato ein, sodass „sein“ Totentanz sehr gefühlvoll und inspiriert erscheint.

Schade, dass es die Produktion nicht ins Stereo-Zeitalter geschafft hat. Nur ein Jahr hätte dafür gefehlt. Jedenfalls hat die Bilbiothèque national de France nur eine Mono-LP digitalisiert. Sie klingt jedoch sehr transparent, sodass alle wichtigen Elemente besonders gut zur Geltung kommen.

 

______________________________________________________________________________________

 

5

Pedro de Freitas Branco

Orchestre de Théâtre du Champs-Elysées

Ducretet-Thomson – BdF

????

7:10

 

MONO  Freitas Branco war auch schon Gewährsmann für die besonders partiturgenaue erste Einspielung des „Bolero“ von Maurice Ravel. Dies kann man auch uneingeschränkt von seiner Einspielung des Totentanzes behaupten. Zudem gelingt ein ausgesprochen deutliches elegantes, tänzerisch-anschmiegsames Musizieren, sodass der Walzer eine besonders animierende Anziehungskraft auf die sich „aus dem Totenreich“ erhebenden Gestalten ausüben muss. Auch das in den meisten Einspielungen nur diffus spürbare Animato (besonders in der Behandlung des Schlagwerks, aber auch im Tempo oder in der Intensität) gegen Ende des Stückes kommt hier vorzüglich zur Geltung. Dem Dirigenten gelingt eine besonders pointierte Wiedergabe, die das Stück von Anfang bis zum Ende wunderbar im Fluss hält.

Leider fanden wir keinerlei Hinweise auf das Alter der Aufnahme. Den im Design besonders antiquiert wirkenden Hüllen der alten Schallplatten zufolge, dürfte sie spätestens aus den frühen fünfziger Jahren datieren. Dem Alter des Dirigenten nach durchaus auch schon früher. Zwar klingt die Solovioline mitunter etwas zu leise aber der sehr gut hörbare Bass, die sehr deutliche Gran Cassa und die superdeutliche Pauke weisen doch eher in die fünfziger Jahre. Nur am Ende stören ein paar knackende Rillengeräusche.

 

_______________________________________________________________________________

 

5

Argeo Quadri

Royal Philharmonic Orchestra, London

Westminster – BdF

1957

8:20

 

Obwohl das Stück gemeinsam mit anderen „Showpieces“ seinerzeit bei Westminster als Flagschiff für die neue Stereo-Technik diente, hat die Bibliothèque national de France nur eine Mono-Schalplatte digital überspielt. Übrigens gibt sie auf ihrem mitgelieferten Cover das London Symphony Orchestra an. Alte Schallplatten ziert jedoch der Schriftzug des königlichen Orchesters, damals firmierend als Philharmonic Symphony Orchestra of London. Auch als Mono-Überspielung macht die Einspielung jedoch viel Spaß beim Hören. Trotz des langsamsten Tempos im Vergleich erscheint uns die Wiedergabe hier besonders hörenswert. Wie bei vielen Mono-Wiedergaben fiedelt die Solovioline zu Beginn direkt ins Ohr des Hörers. Das entspannte, aber keineswegs betulich wirkende Tempo erlaubt es, alle Details der Partitur offenzulegen. Sie werden vom Orchester auch mit Akribie nachgezeichnet. Besonders das Schlagwerk ist bis in die feinste Verästelung präsent. Da kommen auch die später entstandenen Aufnahmen nicht mehr heran. Auch beim Col legno-Einsatz der Streicher sind wir hautnah dran. Bei fast allen anderen Einspielungen hört man davon wenig bis gar nichts davon (Ausnahme: Krivine). Auch Quadri hält die Partitur bewundernswert im Fluss, was bei dem Tempo fast ein noch höheres Verdienst darstellt als bei Freitas Branco. Das Orchester klingt sehr motiviert; vor allem die Musiker an den Schlagwerken toben sich regelrecht aus und lassen sich keine Pointe entgehen. Uns gefiel dieser „langsame Walzer“ besonders gut.

Für eine Mono-Aufnahme oder Überspielung klingt diese Produktion extrem gut durchhörbar und detailreich. Sie erscheint auch ziemlich dynamisch. Naturgemäß zeigt sie aber kaum eine natürliche Staffelung des Orchesters in die Tiefe. Selten war dies jedoch so gut verschmerzbar wie hier.

 

____________________________________________________________________________

 

 

 

4-5

Jean-Pierre Jaquillat

Orchestre de Paris

EMI

1968

6:45

 

Jaquillats Walzer, der detailreich und beschwingt erscheint, mitunter auch beträchtlich dramatisiert wird und teilweise gar aufgewühlt klingt, wird mit viel Gefühl gespielt. Es gelingt sogar einen Hauch Dämonie mitschwingen zu lassen.

Über alle Instrumente hinweg gelingt ein schwebender, sehr klarer Klang, den man auch als sehr detailreich und luftig bezeichnen kann. Wir hätten ihn uns so auch bei Karajans Einspielung von Ravels  „Le Tombeau de Couperin“ mit dem OdP aus demselben Jahr so gewünscht. Eine sehr gelungene Einspielung mit eigenem Profil. Sehr gutes Xylophon.

 

__________________________________________________________________________

 

4-5

Pierre Dervaux

Orchestre de Paris

EMI

1972

7:33

 

Besonders druckvoll, fast bizarr legt sich zu Beginn die Solo-Violine ins Zeug, mit viel Emphase und Espressivo.  Der Walzer klingt tänzerisch und kraftvoll. Eleganz spielt hier eine sehr untergeordnete Rolle. Wie bei einem kurzen, wilden und temperamentvollen Hexensabbat begegnet uns „der fiedelnde Tod“ hier in bester Konstitution und bestens gelaunt. Mit einem gut getimten Animato geht dieser fast deftig anmutende Tanz beinahe ausgelassen zu Ende. Französisches Kikeriki der Oboe.

Voller und präsenter Klang, sehr dynamisch und räumlich. Im ff lässt die Transparenz jedoch deutlich nach.

 

________________________________________________________________________

 

4-5

Leonard Bernstein

New York Philharmonic Orchestra

CBS

1967

6:57

 

In Bernsteins Einspielung akzentuiert die Solovioline kräftig und bringt mit einem leicht übertriebenen Vibrato, das sie mitunter wie ein Zittern wirken lässt, schon zu Beginn einen kühlen, aber offensichtlich auch ironischen Unterton mit ein. Ab E sorgt er mit noch mehr Vibrato für ein deutlich abgesetztes Espressivo. Das machen übrigens viele so, zumeist in Kombination mit hohem Bogendruck. Hier gelingt es besonders stimmig und farbig. Der Walzer ist bei Bernstein beschwingt, er überspielt aber auch die klagenden, traurigen Elemente nicht. 15 Takte nach M hört man die Pauke wesentlich undeutlicher als beim zuvor gehörten Barenboim, der sich für diese Stelle etwas Besonderes einfallen lässt. Das Solo lässt auch im weiteren Verlauf sehr viele interessante Details hören, so gelingt das f declarmé beim letzten Einsatz prima herausgearbeitet.

Die Aufnahme klingt sehr räumlich und sehr klar. Auch luftig, sodass man meint, man könne durchs Orchester von Pult zu Pult flanieren. Dynamisch wirkt sie etwas gebremst, also im ff  und fff etwas „abgeflacht“,

 

_______________________________________________________________________

 

4-5

Eugene Ormandy

Philadelphia Orchestra

CBS

1961

7:08

 

Nach dem gerade zuvor gehörten Nagano wirkt die Einspielung Ormandys besonders brillant. Das Philadelphia Orchestra spielt verschwenderisch seinen ganzen Farbenreichtum aus, wovon sich der betont farblose Solo-Geiger besonders absetzt. Er weist so im starken Kontrast zum Farben sprühenden Umfeld dezidiert auf das eigentlich morbide Umfeld hin. Seine (orchestralen) Tanzpartner feiern ihrerseits ungerührt seiner Blässe vital, zum Teil gar exzessiv ihre eigene Party. Ein Spuk in Panavision und Breitwandsound. Sehr unterhaltsam.

Der Klang bietet Präsenz an allen Pulten jedoch wenig Staffelung und eine in etwas Richtung ff und fff nivellierte Dynamik. Auch feine Abstufungen im leiseren Bereich legt Ormandy also erneut weniger wert.

 

___________________________________________________________________________

 

4-5

Kent Nagano

Orchestre Symphonique de Montréal

Decca

2015, LIVE

7:18

 

Nagano darf in dieser Einspielung als Antipode zu Ormandy gelten, weshalb er auch gerade nach ihm Erwähnung finden soll. Er ist zwar kein Spaßverderber auf der ganzen Linie, aber seine Einspielung wirkt im Vergleich als die vielleicht traurigste und melancholischste. Es beginnt schon damit, dass er die Tempobezeichnung „Mouvement modéré“ besonders ernst nimmt, aber auch sinngemäß auf andere musikalische Parameter überträgt. Die durchaus präsente Solovioline ist hier kein kräftig auf die Saiten drückender Rauhbein, sondern gebärdet  sich eher als ein cantabler Sänger „von Gottes Gnaden“, ein dissonantes Kreischen hört man von ihm jedenfalls nicht, er glättet es sanftmütig weitestgehend weg. Der Walzer ist ebenfalls von sanftmütig fließender Natur und verbreitet allenfalls einen gewissen traurigen Gleichmut. Eilig hat es hier auch niemand, die Lebenskräfte wirken doch, wie sich das zu so später Stunde in diesem Zustand auch gehört nach wie vor eher abwesend. Dem Ende des Tanzes wird dem gemäß auch kaum stringendo und noch weniger animato zuteil. Nagano nimmt das Stück als symphonische Dichtung sehr ernst, lässt es aber fast wie ein Solistenkonzert klingen. Für ihn ist es daher auch kein „Showpiece“, aber die Ironie des Ganzen bleibt weitgehend außen vor. Trotzdem ist dies ein individueller, durchaus plausibler Ansatz.

Hier wird eher mit pastellenen, impressionistischen Farben gemalt, was für eine so neue Einspielung eigentlich verblüfft. Auch die Dynamik wirkt flügellahm, man möchte behaupten: demonstrativ schlaff. Die Transparenz ist zeitgemäß, der Bass profund, die Gran Cassa gefällt.

 

________________________________________________________________________________

 

4-5

Arthur Fiedler

Boston Pops Orchestra

DG

P 1976

7:04

 

Weit in die Ormandy-Richtung schlägt das „Stilpendel“ wieder in der Einspielung Fiedlers aus. Sein Walzer strotzt vor Fülle und Elan, als wären wir in Wien und nicht im Paris des „Fin de siecle“. Auch auf die Kleinigkeiten gibt Fiedler und sein vortrefflich klingendes Orchester acht: Nirgends hört man den Unterschied zwischen „Cymbales frappé avec und baguette“, was hier nicht heißt, dass das Becken mit einem dünnen französischen Brot (Baguette) angeschlagen wird, sondern mit einem harten, dünnen Schlägel und „Cymbales frappé á la manière ordinaire“, also angeschlagen auf die gewöhnliche Art, also mit einem filzummantelten recht dicken „Kopf“.. Bei fast allen Einspielungen hört man das Becken auf die filzummantelte Art nämlich überhaupt nicht mehr. Fiedler würdigt so die Bemühung des Komponisten um Differenzierung. Und weil es kaum jemand so gut macht, bekommt er dafür ein Bravo für gute Detailarbeit.

Seine Darbietung macht aber auch viel Freude, weil ihn die Aufnahmetechnik unterstützt mit einem besonders vollen, klaren Sound mit ausgezeichneter Tiefenstaffelung und großer Dynamik. Der Klangraum wirkt ausladend. Nur das Holz bleibt bisweilen etwas undeutlich. Jedenfalls ist die Bostoner Symphony Hall hier der richtige Schauplatz für Fiedlers infernalischen Schabernack. Kein Vergleich zur kürzlich besprochenen, ziemlich unerfreulich klingenden Einspielung Fiedlers von Dvoraks „Karneval“.

 

_________________________________________________________________________________

 

4-5

Daniel Barenboim

Orchestre de Paris

DG

1980

6:44

 

Alle paar Jahre erscheint das Orchestre de Paris bzw. sein Vorgäger-Orchester das Orchestre du Conservatoire de Paris in einem Saal, um den Totentanz einzuspielen. Es kennt das Stück wahrscheinlich vorwärts und rückwärts bereits auswendig. So wundert es auch nicht, dass diese Einspielung auf eine selbstverständliche Art vortrefflich gelungen ist. Die Sologeige spielt ihre Rolle mit erheblich mehr Verführungskunst und musikalischer phrasierend als dies bei der zuvor gehörten Einspielung unter Ansermet der Fall ist. Das modéré bei der Tempoangabe wird geflissentlich übergangen, denn das Tempo wirkt hier sehr flott und drängend. Dieser fiedelnde „Tod“ hat bei Barenboim keine Zeit zu verlieren. Sehr erfreulich sind die eloquenten Solisten des Orchesters und die diesmal präzisen, sehr geschmeidig und strahlend klingenden Violinen. Auch das Stringendo gegen Ende ist deutlich spürbar. Sehr schön ist der Einfall gegen Ende, die Pauke mit harten Schlägeln spielen zu lassen. Nirgends sonst geschieht dies so wir hier, dabei nimmt man die Wirkung spontan  als viel überzeigender wahr. Der straffere und klarere Klang hebt sich überdies auch viel besser von der leise mitspielenden Gran Cassa ab.

Auch der farbige Gesamtklang gefällt sehr gut. Das Orchester klingt sehr präsent, gut gestaffelt und sehr gut durchhörbar.

 

_________________________________________________________________

 

4-5

Neville Marriner

Academy of St. Martin in the Fields

Philips

1983

6:35

 

Marriner begreift das Stück zu allererst als schwungvoller Walzer. Passagenweise kann die Solo-Violine ihre führende Rolle nicht richtig ausfüllen, denn sie erklingt dann zu weit im Hintergrund. Ansonsten ist an der genauen und gewissenhaften, orchestral sehr gelungenen Einspielung nichts auszusetzen.

Das Orchester erhält von der Technik eine weit ausgreifende Räumlichkeit, die Gran Cassa peitscht mächtig ein und auch das übrige Schlagwerk wird gebührend in Szene gesetzt. Der etwas gläsern wirkende Klang, besonders der Geigen, ist dem frühdigitalen Equipment geschuldet und trägt hier zum etwas fröstelnden Ambiente des Schauplatzes bei.

 

__________________________________________________________________________

 

4-5

Daniel Harding

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Virgin

2000

6:18

 

Harding bereitet dem Stück eine straffe, völlig unsentimentale, aber auch unromantisch-sachliche Darbietung. Der hervorragende Violinen-Solist mit dem verführerischsten Legato wird leider, und das ist völlig untypisch für eine Aufnahme mit einem Star, etwas zu weit ins Orchester integriert. In der Partitur steht nirgends, der Geiger müsse am Platz des Konzertmeisters verharren. Durchaus könnte er also auch wie ein Solist mehr oder weniger nah an der Rampe stehen. Dass das unterblieben ist, stellt sich hier ein wenig als Manko dar, denn man hätte gerne mehr von ihm gehört. Das Orchester seinerseits agiert besonders virtuos, klingt besonders fein und sauber. Hier werden wir Zeuge eines kleinen spukhaften Intermezzos mit besonders im sportlichen Bereich liegenden Ambitionen. Die schnellste Einspielung dürfte sie jedenfalls sein. Mit der Maazels. Sie klingt sehr transparent und offen.

 

__________________________________________________________________________

 

4-5

Charles Dutoit

Philharmonia Orchestra London

Decca

1980

6:53

 

Auch in der Produktion mit Charles Dutoit, im Umfeld der Aufnahmen aller Klavierkonzerte Saint Saens´ entstanden, wird die Solo-Violine weit ins Orchester integriert. Nach dem Solisten der Einspielung mit Dervaux gehört, erscheint das Spiel des Londoner Solisten etwas verhalten. Der Walzer hingegen wird auf beschwingte Weise voll ausgespielt.

In zwei Pressungen lag uns diese Aufnahme vor. Die ältere originale klingt etwas geschmeidiger und voller, aber räumlich kompakter und etwas weniger dynamisch. Die neuere mit dem Aufdruck AMSI klingt großräumiger und transparenter, aber auch leicht hallig. Optimal wäre ein Ergebnis gewesen, das genau zwischen den beiden vorhandenen Klangqualitäten liegt. In beiden erhält das Xylophon einen guten Platz im Klangbild. Die Techniker wussten um seine Wichtigkeit in diesem Stück.

 

____________________________________________________________________________

 

4-5

Eiji Oue

Minnesota Orchestra

Reference Recordings

1997

6:47

 

Das besonders bei audiophil orientierten Hörern beliebte Label präsentiert mit dieser Produktion eine gut klingende Alternative. Während die Solo-Violine „wunderbar gleichförmig“ (das ist keineswegs ironisch gemeint) und mit starkem Espressivo seine Bahn zieht, spielt das Orchester sehr nuancenreich. Der besonders als Chef der Radiophilharmonie des NDR in Hannover in Deutschland bekannt gewordene Dirigent macht aus dem Walzer einen virtuosen Tanz einer Gesellschaft, die keineswegs schwächelt, sondern bestens bei Kräften ist und ihre Chance nutzt, noch einmal ohne Rücksicht auf Verluste das Tanzbein zu schwingen.

Die Staffelung des Orchesters ist sehr gut, ebenso die Transparenz und die Dynamik. Der Raum klingt betont trocken, der Sound teilweise saftig und die Gran Cassa straff und satt.

 

____________________________________________________________________________

 

4-5

Arturo Toscanini

NBC Symphony Orchestra

RCA

1950

7:27

 

MONO  Toscaninis Produktion erscheint weniger spontan empfunden als bis aufs feinste ausgefeilt. Vor allem die Steigerungsverläufe wirken außerordentlich planvoll und die Rubati (!) sitzen perfekt. Rubati wirken bei einer Toscanini-Aufnahme eher überraschend. Hier sind sie sogar besonders ausgeprägt und würden selbst einem Stokowski alle Ehre machen. Gevatter Tod wird dieses Mal durch einen betont müden Fiedelspieler dargestellt, der sich aber während seines Vortrags nach und nach erheblich steigert. Der Walzer erfährt eine voll ausgespielte, brillante Darstellung. Toscanini überrascht außer mit den auffallenden, aber wirkungsvollen Rubati auch mit teilweise drastischer Phrasierung. Aber auch melancholische Sehnsuchtselemente werden voll ausgespielt. Dann wird auch das Tempo verlangsamt, währen die dramatischeren Momente mit schnellerem Tempo untermauert werden.

Der Klang ist für das Aufnahmejahr gut. Ausreichende Transparenz wird gewährleistet, das Schlagwerk (insbesondere Becken und Triangel) sind sehr präsent.

 

_____________________________________________________________________

 

4-5

Leopold Stokowski

National Philharmonic Orchestra, London

EMI

1975

7:07

 

Anders als erwartet und Toscanini zuvor lässt Stokowski Rubato als Gestaltungselement beiseite. Und zwar in beiden zeitlich weit auseinander liegenden Einspielungen. Die erste entstand in Philadelphia bereits 1936 und dürfte die älteste Einspielung des Vergleiches sein, zumindest bis das Rätsel um das Aufnahmedatum bei Freitas Branco gelöst ist. Das Werk erhält vom damals 93 jährigen Dirigenten eine ausgewogene, sorgfältige, maßvolle und gut klingende Darbietung. Der Walzer klingt leicht und wird schön ausgesungen, also keineswegs auftrumpfend, wie man es vielleicht hätte erwarten können. Der Orchesterklang des handverlesenen Londoner Orchesters ist hochwertig, obwohl auch einmal ein kleiner weniger präziser Einsatz durchrutscht. Die Wiedergabe wirkt detailreich und sehr gut ausgehört. Das Xylophon klingt spitze. Diesmal also keine Extravaganzen beim Klangmagier? Aber natürlich, wir hätten sonst aber auch etwas vermisst. Kurz vor dem das dämonische Treiben beendenden Kikeriki der Oboe, also gerade nach dem Höhepunkt des skelettösen Balletts lässt Stokowski noch ein knalliges Tam-Tam dazwischen fahren. Ein hübscher Knalleffekt, vielleicht die wie ein Blitz kurzzeitig geöffnete Hölle symbolisierend, der aber dem Hahnenschrei die Bühne für seine so eminent wichtige Performance nimmt. Die Ironie des Ganzen wird damit aber durchaus noch offensichtlicher. Wir konnten uns eines breiten Grinsens jedenfalls nicht erwehren.

Der Klang der Darbietung ist natürlich viel besser als der der Aufnahme von 1936. Nun klingt es klar, räumlich und weich gerundet. Die Gran cassa hätte allerdings deutlicher herauskommen können.

 

_______________________________________________________________

 

4-5

Hermann Scherchen

Orchester der Wiener Staatsoper

Westminster

1957

7:20

 

Obwohl diese Einspielung im gleichen Jahr bei Westminster erschien wie die Quadris, kommen wir nun in den Genuss einer Stereo-Aufnahme. Auch sie wurde mit anderen Orchesterschmankerl dieses Mal jedoch in Wien zur Promotion der neuen Stereotechnik produziert, wie man an den zeitgenössischen Hüllen der Schallplatten ersehen kann. Die gehörte Daseinsform entsprang einem Download, dem eine qualitativ zweifelhafte Digitalisierung vorangegangen sein muss. Anfänglich hört man vor lauter Horn, das sich eigentlich eines p befleißigen sollte, überhaupt keine Harfen-Uhr (f) zwölf schlagen. Wir behaupten einmal, einem Scherchen wäre diese Vertauschung der Priorität nicht passiert. Im weiteren Verlauf werden in dieser Einspielung besonders die bizarren Passagen vortrefflich gemeistert. Vor allem das inspiriert behandelte Schlagwerk begeistert. Es klingt besonders gespenstisch und schauerlich. Zu loben wäre auch die wunderbar kläglich klingende Wiener Oboe, die das morgendliche Kikeriki spielt, als wäre es ihr letztes.

Der Klang zeugt von beschnittenen Höhen, wirkt also etwas dumpf und verfärbt. Auffallend ist auch die völlige Rauschfreiheit, die ebenfalls aus der zuvor angesprochenen wenig feinfühligen Behandlung des Ausgangsmaterials resultiert. Die Violinen klingen zudem etwas unnatürlich und verzerrt. Erfreuen können dagegen das präsente Schlagwerk und auch die schwierig aufzunehmende gute Gran Cassa.

 

____________________________________________________________________________

 

4-5

Ernest Ansermet

Orchestre de la Suisse Romande

Decca, hier : Designo

1952

7 :18

 

Mono  Eine Eigenart vieler Mono-Einspielungen ist die sehr präsente Solo-Violine, die meist einen ihrer Bedeutung gemäß prominenten  Platz vor dem einzigen Mikrophon bekommen hat. Die Aufnahme Ansermets macht da keine Ausnahme. Ansermet bevorzugt es, dem Stück einen straff durchgezogenen, neutral wirkenden Gestus zu verleihen. Ironie hin, Satire her: Hier werden weder Scherze gemacht noch einer traurigen Melancholie gehuldigt. Stattdessen wird die kompositorische Faktur, quasi das auf ein Gerippe von Noten reduzierte Stück vorgetragen. So bar jeden Zierrates oder Zugabe seitens der Interpreten, wirkt das Stück fast schon banal. Der Sensenmann, der diesmal die Sense mit der Violine getauscht hat, spielt seine Weise ebenfalls auf eine erschreckend blasse, simple, gar primitive Weise. Ihm würde freiwillig keine(r) folgen, geschweige denn ein Tänzchen auf seine Weise wagen wollen. Für uns war dies jedoch eine eigenständige, beinahe radikal wirkende Art, mit dem Stück umzugehen. Klanglich wird dem Hörer auch mehr ein schwarz-weißer Stich als ein buntes Ölgemälde suggeriert. Das Orchester wird jedoch recht klar und deutlich wiedergegeben, wenngleich es der sehr präsenten Violine etwas untergeordnet wird. Die Dynamik ist überraschend weit gespannt.

 

____________________________________________________________________

 

4-5

Alexander Gibson

Scottish National Orchestra (damals noch nicht Royal)

Chandos, original EMI

1972

6:47

 

In der neueren Einspielung Gibsons erscheint nur das Tempo ein klein wenig angezogen, an der klaren und lockeren Spielweise hat sich jedoch wenig geändert. Orchester und Solist musizieren jedoch nicht ganz mit derselben Klasse, wie es noch in der älteren Einspielung gelang.

Die Aufnahmetechnik separiert die linke und die rechte Hälfte des Orchesters sehr weit nach außen, sodass in der Mitte ein großes Loch ohne jede Beteiligung von Streichinstrumenten bleibt. Die Mitte wird ausschließlich dem Holz und dem Schlagwerk reserviert. Dass die Streicher in realiter vor dem Holz spielen wird in dieser Aufnahme nicht realisiert. Umgekehrt sorgt diese „Aufstellung“ für eine sehr gute, wenn auch ungewohnte Transparenz. Ein wenig klingt es aber nach dem „Ping-Pong-Stereo“ der Anfänge, als diese Technik noch ein Experiment war. Gegenüber der älteren „Living-Stereo“ zieht diese Einspielung in jeder Hinsicht den Kürzeren. Sie ist in erster Linie viel weniger unmittelbar und viel weniger dynamisch.

 

____________________________________________________________________________

 

4-5

Charles Munch

Concertgebouworchester Amsterdam (damals ebenfalls noch nicht Royal)

Decca - BnF

1948

6:39

 

MONO Auf dieser Überspielung der Original-Platte nahm das Stück beide Seiten der Platte komplett ein, so kurz war damals noch die Spielzeit des Tonträgers bemessen. Auffallend sind das bereits ziemlich souveräne Spiel des Orchesters und das geringe, fast gleichgültig wirkende Espessivo der Solo-Violine. Die betont fahle und blutleere Tongebung wirkt sogar ein wenig abstoßend.  Das weiß in diesem Zusammenhang durchaus zu überzeugen. Dass diese überaus „sachliche“ Tongebung nicht immer in der vorgeschriebenen Dynamik erfolgt überzeugt hingegen weniger. Dies ist durchaus ein Gegenentwurf zur „hoch erhitzten“ Mitropoulos-Einspielung. Leider rauscht die Aufnahme sehr stark, ist auch deutlich weniger präsent als die von Mitropoulos. Sie wirkt insgesamt in jeder Hinsicht historisch. Es sollte mittlerweile jedoch ein professionelles Remastering von Decca auf CD erhältlich sein.

 

__________________________________________________________________________________

 

4-5

Wilhelm Schüchter

Nordwestdeutsche Philharmonie, Herford

Imperial

1953 - 1960

6:38

 

MONO Das Label Imperial wurde von EMI zwischen den Jahren 1953 und 1960 am Leben gehalten. Aus dieser Zeit muss diese Einspielung also stammen. Zu Beginn hört man zur Mitternacht 12x schlagenden Harfe keinerlei Hörnerklang. Danach beginnt jedoch eine Darstellung voller Saft und Kraft. Schüchter gibt dem tänzerischen Treiben einiges Rubato mit auf den Weg, sodass der Gestus hier eine besondere Lebendigkeit erhält. Direkt und gespannt erklingt dieser Walzer aus Deutschland. Wenn man all die Hähne aus Paris und London gehört hat, fällt der Hahn aus Herford durch sein musikalisch abschattiertes Kikeriki geradezu aus der Rolle.

Leider ist der Klang wenig transparent, eng und auch dynamisch nicht gerade aufregend. Klanglich datiert die Einspielung eher aus den frühen Fünfzigern.

 

____________________________________________________________________

 

 

 

4

Jun Märkl

Orchestre National de Lille

Naxos

2016

6:53

 

Das Orchester gefällt mit seinem pointierten Spiel, wobei die Bläser (absichtlich?) eine ziemlich rau intonierte Spielweise demonstrieren. Auch die Solovioline klingt ziemlich gepresst, auch mit sehr wenig Farbe versehen. Sie wirkt jedenfalls in keiner Weise verführerisch. Wir nehmen auch hier absichtvolles Tun an. Dieser Danse macabre hört sich mehr nach einem Requiem an als nach einem duftigen, ironisch gemeinten Späßchen. Insgesamt erscheint das Spiel jedoch auch vom Orchester nicht von allerbester Qualität.

Trotz High-Res Quelle dürfen wir nur einem recht gedrungenen Klangbild mit einer wenig brillanten und glanzvollen Klangqualität lauschen.#

 

_______________________________________________________________________

 

4

Heinz Rögner

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

Lunar

1977

7:14

 

Die Solovioline wirkt in dieser Aufnahme sehr zurückhaltend, fast schon demonstrativ mickrig. Der Walzer zeigt eigentlich recht charmante Drehungen, insgesamt wirkt diese Darbietung jedoch etwas gleichförmig. Erwähnenswert ist, ähnlich wie in Herford, ein in Berlin sogar noch schöner krähender Hahn. Er verwechselt den Misthaufen mit einer Opernbühne. Was für ein Glück! Bei den „alten“ Franzosen klingt es allerdings viel naturalistischer.

Klanglich zeigt die Einspielung ein weites Panorama, sehr ortungsscharf und sehr gut gestaffelt. Aber der Gesamtklang ist viel weniger plastisch und körperhaft, auch dünner und weiter entfernt, wie wir das vom VEB Deutsche Schallplatten bereits gehört haben, zuletzt in Dvoraks Konzert-Ouvertüren mit Suitner.

 

__________________________________________________________________

 

4

Emmanuel Krivine

Orchestre National de Lyon

Denon

Späte 80er

6:57

 

Hervorhebenswert ist in dieser Einspielung der besonders deutliche Col legno – Effekt (acht Takte vor C), der in allen anderen Einspielungen nahezu gänzlich, insbesondere vom Xylophon, übertönt wird. Ansonsten wirkt Krivines Einspielung eher unauffällig. Beschwingte Gefühle kommen im Walzer nicht auf, eher wirkt alles ein wenig trauerumflort und gespenstisch-blass, was ja noch nicht einmal unpassend ist.

Der Klang suggeriert mit seiner hohen Feinzeichnung bei eher zurückhaltender Dynamik und eher blassen Klangfarben sehr gut das gespenstische Treiben bei Mondlicht.

 

____________________________________________________________________

 

4

Louis Frémaux

City of Birmingham Symphony Orchestra

EMI

1973

6:41

 

Mit zwölf sehr zügig, extrem leise und nebensächlich gespielten Harfentönen beginnt Frémaux seine Einspielung. Dabei ist doch klar, dass wenn es nicht zwölf schlägt, auch keine Geisterstunde beginnen kann. Schon das schlimmste befürchtend lehrte uns jedoch die sich beherzt steigernde weitere Entwicklung, dass Frémauxs Tote über ein jeweils ausgezeichnetes Gehör verfügen müssen, da sie die extrem leise Harfe trotzdem wecken konnte. Alle sind da, schwofen aber teilweise doch über so manch ein Detail hinweg.

Die Aufnahme klingt voll, transparent und recht plastisch. Die Gran Cassa kommt gut ins Bild.

 

____________________________________________________________________

 

4

Stanley Black

Royal Philharmonic Orchestra, London

Decca

1967

7:41

 

Sehr behutsam phrasieren die Künstler in dieser Einspielung. Der Geiger wirkt, wie nun schon oft gehört, wenig farbig. Das Walzertempo ist angenehm fließend und gut tanzbar. Eine ernste Sache, gut gemacht und angenehm zu hören.

Die Phase-4-Aufnahme macht diesmal keinerlei Sperenzien. Sehr transparent und weiträumig könnte man sie nicht als solche erkennen. Es gibt keine instrumentale Großaufnahmen und keine wandernden Solisten. Einzig die Gran Cassa klingt für eine Aufnahme aus den 60er Jahren auffallend mächtig und aber nicht sehr tief grollend.

 

___________________________________________________________________

 

4

Erich Kunzel

Cincinnati Pops Orchestra

Telarc

1988

7:37

 

Kunzel schlägt eine gemächliche Gangart ohne besonderen Schwung an. Das Violin-Solo ist auffallend weit ins Orchester integriert. Der fiedelnde Tod scheint hier tatsächlich schon etwa schwach auf den Beinen zu sein. Etwas zu modéré wirkt auch der Walzer, der sich fast so anfühlt, als wären die Beteiligten in einer Art Delirium. Lediglich die vehemente und saftige Gran Cassa verhindert, dass auch der Hörer sanft und selig entschlummert. Vom den Tanz abschließenden Stringendo und Animato ist nichts zu spüren.

Der Klang ist recht transparent, erfreut aber vor allem durch die sehr auffällige und überaus voluminös-straffe Gran Cassa.

 

____________________________________________________________________

 

4

James de Preist

Royal Stockholm Philharmonic Orchestra

BIS

1992

7:33

 

Das Violinsolo scheint vom Platz des Konzertmeisters aus zu kommen, keinesfalls klingt es von der Rampe. De Preist sorgt für eine exakte, aber auch etwas abgezirkelt wirkende Darbietung, die im Ganzen etwas blutleer wirkt. Es fehlt ihr am Tänzerischen und hat auch wenig makabren Witz.

Die Aufnahmetechnik sorgt für Konzertsaalatmosphäre. Unser virtueller Platz liegt jedoch ziemlich weit hinten. Es klingt trotzdem klar und räumlich, ausgewogen und dynamisch. Die Gran Cassa wird nicht vernachlässigt.

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

3-4

Vaclav Smetacek

Prager Symphoniker

Supraphon - BnF

1967

7:07

 

Wie bei Scherchen kann man zur 12x schlagenden Harfe kein Horn hören. Der Walzer erklingt in einem ziemlich zackigen, stampfenden Rhythmus. Die Solo-Violine kommt auch durch den Zusatz appassionato nicht richtig auf Touren. Dennoch ist diese Einspielung musikalisch besser als klanglich. Der Hochtonbereich erscheint beschnitten, sodass das Orchester leicht dumpf klingt. Die Überspielung der LP klingt dynamisch etwas beeinträchtigt.

 

_____________________________________________________________________

 

3-4

Lorin Maazel

Pittsburgh Symphony Orchestra

Sony

1995

6:17

 

Wie bei Frémaux schlägt auch bei Maazel die Uhr der Harfe sehr schnell und belanglos, also nicht eingedenk der Bedeutung der Ereignisse, die diese mitternächtliche Stunde im Totenreich auslöst. Maazel missachtet auch das modéré bei der Tempoangabe und schlägt ein sehr schnelles, aber auch oberflächlich wirkendes Tempo an. Vielleicht will er den Zuhörern so die Vorstellung einer wieselflinken, luftigen, gespensterhaft, fahlen und bleichen Zusammenkunft der Skelette erleichtern? Die Solo-Violine spart sehr an Ausdruck, nuschelt geradezu vor sich hin und macht von sich überhaupt kein Aufheben. Mit routinemäßigem, aber auch professionell gekonntem Spiel werden der Tanz und die weitere Entwicklung abgespult. Das Blech präsentiert sich ohne jeden Biss, das Schlagwerk ist kaum hörbar, noch nicht einmal das hier erstmals im Orchester überhaupt präsentierte Xylophon. Maazel und die Techniker nehmen so die beiden wichtigsten Spieler (Geige und Xylophon) fast aus dem Spiel, wie will man dann noch gewinnen?

Die insgesamt schwache Gesamtwirkung wird von der Technik noch befördert. Der ohnehin schon etwas distanziert wirkende Orchesterklang ist hinreichend transparent, wird aber der Bedeutung des Violinsolos durch vollständige Integration ins Orchester in keiner Weise gerecht. Oder wollte man damit zeigen, dass der geigende Tod nur einer von vielen ist? Oder: Wir sind alle gleich? Das wäre sicher schon zu viel hineininterpretiert, denn das Knochengeklapper wird in seiner Bedeutung ja auch nicht erkannt.

 

___________________________________________________________________

 

3-4

Leopold Stokowski

Philadelphia Orchestra

Promo Sound

1936

6:48

 

MONO Obwohl die älteste Aufnahme im Vergleich, hört man zu Beginn Harfe und Horn sehr gut, was längst keine Selbstverständlichkeit ist. Die Solovioline hört sich insgesamt sehr traurig an. Wohl scheint ihr in ihrer Rolle nicht zu sein. Stokowski lässt sämtliche Bizarrerien des Stückes hören. Dennoch ist das Hören kein Genuss. Diese Produktion ist eher nur noch von historischem Interesse. Auch 39 Jahre vor seiner  Londoner Einspielung lässt Stokowski bereits ein Tam-Tam kräftig aus dem Gesamtklang herausgellen. Was er einmal gut fand, behielt er bis ins höchste Alter bei. Wie bereits erwähnt, stiehlt er mit diesem Effekt jedoch der Oboe die Show mit ihrem Kikeriki.

Der Klang ist in allen Belangen beschnitten. Sogar Becken und (teilweise) Triangel sind kaum hörbar. Die Akustik ist sehr trocken, der Gesamtklang dumpf. Die Hauptstimmen sind jedoch alle gut hörbar.

 

_________________________________________________________________

 

 

 

3

Giovanni Tenti

Orchestra Sinfonica Arscantus

Eigenlabel der Stiftung

2013, LIVE

7:20

 

Das Orchester ist von zweifelhafter Qualität. Es scheint ein Liebhaberorchester zu sein, wie man an Intonationsproblemen, unpräzisen und unebenen Spiel, ein paar falschen Tönen und an wackeligen Einsätzen hören kann. Die Solo-Violine spielt mit sehr viel Vibrato und wird teilweise vom Orchester überdeckt. Das stark gefährdete Zusammenspiel bewirkt ein Klangbild, das immer wenn die Passagen schwieriger zu spielen sind, dicht und diffus wird, um kurz danach, wenn die folgende Passage (insbesondere für die Streicher) wieder leicht zu spielen ist, merklich klarer wird. Das Spiel lenkt den aufmerksamen (den unaufmerksamen aber auch) Hörer deutlich von der eigentlichen Werksubstanz weg.

Die Klangtechnik kann da natürlich nichts retten. Die Staffelung ist sogar noch ganz gut, insgesamt klingt es aber hallig und wenig transparent.

 

 

_________________________________________________________________________

 

 

 

Last but not least:

3-5

Martin Barrall

Orchestre Symphonique du Campus d´Orsay

Saphir

2011, LIVE

7:20

 

Die seltsame Bewertung bedarf natürlich der Erklärung. Es ist aber eigentlich ganz einfach. Einerseits ist diese Einspielung in diesem Vergleich einzigartig (Uraufführung dieser Fassung) und begeisternd, andererseits aber zum Teil nur mittelmäßig gelungen.

Einzigartig in der Diskographie ist der geniale Einfall, die Orchesterfassung mit der Solovioline mit der Originalfassung für Stimme (und Klavier) zu kombinieren. So kommt es dazu, dass sich ein kräftiger Bassbariton (Jean-Philippe Biojout) mit Strophen des Originalgedichtes mit der Solo-Violine abwechselt. Leider konnten nicht beide Solisten den Platz neben dem Dirigenten einnehmen, sodass der Bariton den besten Platz bekam und der Konzertmeister von seinem Stuhl aus (klanglich hört es sich jedenfalls genauso an) spielte. Die Stimme klingt super präsent und einfach fantastisch, sodass man ernsthaft in Erwägung ziehen muss, der Teufel, Besitzer eines verführerischen, sonoren und ziemlich dunklen Timbres, könne wohl wahrhaftig das Konzert besucht haben, während die Geige klanglich die gleiche Entfernung wie die anderen Violinen überbrücken muss, was die einzelne Geigenstimme sehr klein macht. Hier wäre ein ausgewogeneres Verhältnis der beiden sich abwechselnden Stimmen wünschenswert gewesen.

Das Orchester ist eher mittelmäßig, spielt aber sehr engagiert auf. Die Rubati (immerhin!) wirken etwas plump und mitunter schlägt es vor lauter Enthusiasmus etwas über die Strenge. Insgesamt fehlt es der Darbietung etwas am Feinschliff und weitgehend an Eleganz.

Klanglich stellt sich die Sache so dar: Das Holz spielt weit im Hintergrund, die Geige, wie bereits erwähnt, viel leiser als die Stimme und die Pauke klingt ziemlich mulmig. Das Tutti klingt etwas indifferent und „verwaschen“ aber teilweise mit mächtig auftrumpfendem Bass. Noch mehr trumpft jedoch Herr Biojout auf und er „rockt“ den Konzertsaal.

 

 

3.9.2021