Manuel de Falla
Nächte in spanischen Gärten
(Noches en los jardines de España)
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Werkhintergrund:
Die „Noches en los jardines de España“ mit dem Untertitel Sinfonische Impressionen für Klavier und Orchester sind ein Orchesterwerk von Manuel de Falla in drei Sätzen, die in der Zeit von 1909 bis 1916 entstanden sind. Es handelt sich hierbei um eine der ausgeprägt impressionistischen Kompositionen de Fallas. Die „Noches en los jardines de España“ sind im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Nächte in spanischen Gärten“ bekannt.
Doch zunächst wollen wir uns kurz mit dem Komponisten bekannt machen, von dem es vielleicht außer seinem Ballet „Der Dreispitz“ und einigen Tänzen als Auszüge größerer Werke kaum ein Werk in das Repertoire hiesiger Musiker bzw. Orchester geschafft hat. Eine Ausnahme sind vielleicht die Gitarrist(inn)en.
De Falla wurde als Sohn eines Kaufmanns in Cádiz geboren und erhielt den ersten Klavierunterricht von seiner Mutter, einer Pianistin. Es war damals ein musikalisch sehr stilles Spanien. Das wurde ihm bald klar. Und so bemühte er sich um einen Studienplatz in Paris - doch leider vergebens.
Ein Schlüsselerlebnis für seinen musikalischen Werdegang war im Jahre 1883 eine Aufführung von J. Haydns "Die sieben Worte des Erlösers am Kreuz", die der österreichische Komponist 1785 für die jährlichen Passionsfeiern in Cádiz geschrieben hatte. In Erinnerung an eine Aufführung äußerte de Falla später: „Qué equilibrio! Ni una nota de más, ni una de menos! La perfección absoluta! Maravilloso!“ (Welche Ausgeglichenheit! Keine Note zuviel, keine zuwenig! Höchste Vollendung! Wundervoll!) Diese Perfektion wurde für den Komponisten selbst zum Ideal, das er in dauernder Selbstkritik zu erreichen suchte.
In Madrid studierte de Falla bei José Tragó Klavier, entschied sich aber trotz seines außerordentlichen Talents gegen eine Virtuosenlaufbahn. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, komponierte de Falla zunächst Zarzuelas, von denen zwischen 1900 und 1903 fünf Werke entstanden. Entscheidend für seine weitere Entwicklung wurde ein privates Studium bei dem Musikwissenschaftler und Komponisten Felipe Pedrell (1841 - 1922), der auch Isaac Albéniz und Enrique Granados unterrichtete. Pedrell brachte de Falla die altspanische Musik ebenso wie die europäische Musik des 19. Jahrhunderts nahe, vor allem aber die lebendige spanische Volksmusik. Motive aus der andalusischen Volks- und Zigeunermusik, volkstümliche Tanztypen, die Verwendung typischer Instrumente und die Nachahmung des Gitarrenklangs finden in der Folgezeit Eingang in seine Kompositionen. Mit dem Operneinakter "La Vida breve" (Das kurze Leben), in dem all diese Elemente voll ausgebildet sind, gewann der Komponist im Jahre 1905 den ersten Preis bei einem Wettbewerb der Academia de Bellas Artes.
Von 1907 an ging de Falla für sieben Jahre nach Paris, die ihm nach eigenen Worten in unvergesslicher Erinnerung blieben. „Debussy, Ravel, Schmitt und Dukas waren meine besten Freunde (...), besonders Dukas. Er trieb mich zum Komponieren an, er machte meine Werke in Paris bekannt. Dort habe ich meine „Noches en los Jardines de Espana“ (Nächte in spanischen Gärten) geschrieben - ich war so fern von Spanien, dass ich die Nächte vielleicht noch schöner malte, als sie in Wirklichkeit sind - das liegt an Paris (...).“ Unter dem Einfluss der französischen Komponisten verwendete de Falla, wie in den "Noches" zu hören ist, impressionistische Eigenheiten der Harmonik und Instrumentationstechnik.
Nach Kriegsbeginn kehrte de Falla 1914 nach Madrid zurück und begründete seinen Ruf als der Komponist in Spanien mit den Aufführungen der Werke "La Vida breve", "Noches en los Jardines de Espana" und "El Amor Brujo" (Der Liebeszauber, Ballett). Internationale Anerkennung erlangte er mit der Aufführung des Balletts "El Sombrero de tres Picos" (Der Dreispitz) 1919 in London mit den Balletts russes von S. Diaghilew und den Bühnenbildern von Pablo Picasso.
In Granada freundete er sich mit dem Dichter García Lorca an, dessen Ermordung durch eine Falange-Milizgruppe während des spanischen Bürgerkrieges tiefen Eindruck bei de Falla hinterließ. 1939 floh er nach Alta Gracia in Argentinien und lebte dort bis zu seinem Tode im Jahre 1946 unauffällig und abgeschieden, ohne sein großangelegtes Spätwerk - die Kantate „Atlántida“ - zu vollenden. Sie wurde jedoch von seinem Schüler Ernesto Halffter fertig gestellt.
(Text in großen Teilen einer Veröffentlichung der Theatergemeinde Bonn entnommen, Verfasser war E.H.)
Nun noch ein paar Worte zum Werk, dessen Einspielungen wir dieses Mal vergleichen wollen.
1909 begann Manuel de Falla in Paris einige Impressionen für Klavier zu schreiben. Diese waren dem musikalischen Vorbild Claude Debussy, der sich durch zauberhafte, träumerische Klänge auszeichnete, klanglich noch sehr ähnlich.
Als de Falla von Paris in seine Heimat reiste, hatte er, wie für ihn üblich, zahlreiche unvollendete Werke im Gepäck. Dazu zählt auch das hier behandelte Orchesterwerk. Falla machte sich auf den Weg in das „Geburtsland“ seiner Mutter in ein katalanisches Fischerdorf namens Sitges, wo er außerdem einige für ihn interessante Künstlerbegegnungen hatte. Diese Reise verlief jedoch auch arbeitsreich für ihn. Auch die „Noches“ wurden hier fertig gestellt. Am 9. April 1916 wurde de Fallas Werk in der Königlichen Oper von Madrid uraufgeführt. Es war für de Falla das Debüt auf dem sinfonischen Gebiet und rief beim Publikum große Neugier hervor, inwieweit de Falla die Einflüsse des Impressionismus mit den spanischen Einflüssen der Folklore verbinden konnte. Die „Nächte in spanischen Gärten“ wurden dem Pianisten Ricardo Viñes gewidmet, der das Werk später auch immer wieder aufgeführt hat. Eine Aufnahme mit ihm konnte nicht gesichtet werden.
Die Komposition „Noches en los jardines de España“ war ursprünglich auch nur als ein Klavierstück von drei Nocturnes geplant. Vermutlich riet Isaac Albéniz de Falla jedoch, das Werk als Orchesterversion zu veröffentlichen, nachdem de Falla ihm einige Themen des Werkes vorgespielt hatte. Daraufhin wurde das Werk zum sinfonischen Gedicht (eigentlich: Impressionen) in drei Teilen. Vielleicht dachte man auch an das große Vorbild, die „Trois Nocturnes“ von Claude Debussy aus dem Jahr 1900? Jeder der drei Teile ist mit einer eigenen Überschrift versehen.
Die Satzabfolge lautet:
- En el Generalife (Im Generalife)
- Danza lejana (Ferner Tanz)
- En los jardines de la Sierra de Córdoba (In den Gärten des Berglands von Córdoba)
Die Besetzung:
2 Flöten (mit Piccolo), 2 Oboen (mit Englischhorn), 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Harfe, Celesta, viel Schlagzeug, die üblichen Streicher und das obligate Klavier stellen das verwendete Instrumentarium dar.
Trotz des Untertitels, sinfonisches Gedicht in drei Teilen, der die Komposition scheinbar als sinfonische Komposition kennzeichnet, handelt es sich hierbei weder um eine eindeutig sinfonische Komposition, noch um ein eigentliches Klavierkonzert, da der Klavierpart eng mit dem Orchesterpart verwoben ist. Darüber hinaus stehen in de Fallas Komposition nationale Elemente im Vordergrund. Dies lässt sich an einer Melodik festmachen, die mit andalusischen Volks- und Tanzliedern eng verbunden ist. Des Weiteren werden viele synkopierte, melismatisch verzierte Themen verwendet, die an die von den Arabern exportierte orientalische Folklore erinnern. In de Fallas Komposition lassen sich aber auch sehr stark impressionistische Einflüsse ausmachen. Dies ist daran fest zu machen, dass er originelle harmonische Verbindungen einsetzt, um eine Illusion malerischer Stimmungsbilder zu kreieren, was er auch mittels der Titel der Sätze unterstreicht. Vergleicht man Manuel de Fallas „Nächte in spanischen Gärten“ mit den für das 19./20. Jahrhundert üblichen impressionistischen Kompositionen, so fällt auf, dass Fallas Komposition durchaus etwas anders gestaltet ist. De Fallas Werk erscheint vager, verträumter und absichtlich unschärfer. De Falla vereinigt somit die französischen Einflüsse des Impressionismus mit der spanischen Folklore und schafft damit ein ganz besonderes Werk.
Erster Satz:
Der erste Satz kreiert ein Bild im „Generalife“, dem Sommerpalast des Kalifen, der Alhambra in Granada benachbart. Er zeichnet sich durch zahlreiche andalusische Themen aus. Diese andalusischen Themen werden zu diesem Zeitpunkt beim Hörer bereits als echt spanisch empfunden, der Phantasie des Pianisten, sowie des Hörers sind hier jedoch keine Grenzen gesetzt. De Falla setzt in diesem Satz zahlreiche Rubati ein. Diese Tempoveränderungen entstammen ebenfalls der spanischen Folklore. Darüber hinaus sind Füllstimmen bei de Falla praktisch nicht vorhanden. De Falla verwendet kühne Kontrapunkte, wodurch er sein Können in besonderem Maße, neben der Vereinigung des impressionistischen Schreibstils mit der spanischen Folklore, herausstellt. Die Gartenanlage bzw. die Palastanlage scheint auch über Katakomben zu verfügen, das Misterioso durchzieht den ganzen Satz und die Gefangenen hört man seufzen und stöhnen. Auch der obligatorische Wasserlauf scheint nicht zu fehlen, Leider konnten wir den Garten bisher nicht besuchen, sodass diese Mutmaßungen aus der Musik heraus nicht durch den persönlichen Augenschein belegt sind. Aber selbst bei einem heutigen Besuch könnte die Anlage seit 1916 inzwischen längst umgestaltet worden sein.
Zweiter und dritter Satz:
Der zweite und dritte Satz sollen trotz ihres unterschiedlichen Charakters ohne Unterbrechung gespielt werden. De Falla verwendet auch in diesen beiden Sätzen folkloristische Elemente. Und wieder lädt de Fallas Komposition zum Träumen ein und überschreitet alle Grenzen des Nationalismus. Im zweiten Satz „Danza lejana“ (Ferner Tanz) erinnert das Pizzicato der tiefen Streicher an Gitarrenklänge und Zigeunertänze, während im fernen, verhangenen Klang der Melodien ein melancholischer Grundzug durchschimmert.
Der dritte Satz „En los jardines de la Sierra de Córdoba“ (In den Gärten des Berglands von Córdoba) wirkt teilweise lebhafter, bis er zum leidenschaftlichen Tanz, einem Polo, wird, welcher charakteristisch für das südliche Spanien ist. Wir hören hier einen festlichen Abend. Mitunter rauschend und von berstendem Überschwang bestimmt, je nachdem an welche Einspielung man gerät. Atemberaubende Flamenco-Darbietungen erfreuen die Besucher. Da ist aber auch große, feurige Leidenschaft mit im Spiel. Aber jedes Fest geht auch einmal zu Ende und die Zeit des Schlafengehens naht. Nächtliche Ruhe kehrt ein. Für uns naht dann auch die Zeit, uns vom Stück zu verabschieden.
Über die musikalischen Quellen und eine detaillierte Ausdeutung der Überschriften hat de Falla sich in Schweigen gehüllt. Die „Nächte in spanischen Gärten“ sind in der Partitur als sinfonische Impressionen bezeichnet, und im Programmheft zur Uraufführung 1916 in Madrid schrieb de Falla:
„Wenn der Komponist dieser symphonischen Impressionen für Klavier und Orchester sein selbst gestecktes Ziel erreicht hat, müsste allein die Aufzählung der Titel als Anleitung für den Zuhörer ausreichen.“
Wolfgang Lempfrid im Beiheftchen zur Einspielung von Tzimon Barto und Neville Marriner meint noch ergänzend: Die äußerliche Gestalt ist die eines dreisätzigen Klavierkonzerts, wobei das Klavier trotz aller technischen Anforderungen und der brillanten Passagen nicht die Funktion eines eigenständigen Soloinstruments übernimmt, sondern als Teil des Orchesterapparats in den sinfonischen Klang eingewoben wird.
Und nun noch ein paar der allseits beliebten Zitate:
Der Prophet gilt nichts im eigenen Land - oder doch zumindest erst, wenn er wieder aus der Fremde zurückgekehrt ist. Wie Manuel de Falla es einmal formulierte:
„Gäbe es Paris nicht, so wäre ich in Spanien geblieben, hätte dort in Vergessenheit ein dunkles Dasein geführt und mir mit Stundengeben einen armseligen Lebensunterhalt verdient. Die Auszeichnungen des Konservatoriums von Madrid hätte ich als Familienandenken an die Wand hängen können und meine Partituren wären in einem Schubfach verstaubt.“
Und nachdem er 1915 die Pantomime „Der Coregidor und die Müllerin“ komponiert hatte, klagte er seinem Freund Antonio Torrandell:
„In Spanien etwas zu veröffentlichen, ist schlimmer, als gar nichts zu veröffentlichen; man könnte die Musik genauso gut in einen Brunnen werfen.“
„Eines Tages im Jahre 1910, bei Cipa Godebski, wurde mir ein Mann vorgestellt, der noch kleiner war als ich selbst und so bescheiden und zurückhaltend wie eine Auster. Ich hielt ihn (...) für einen homme sérieux; und in der Tat, nie bin ich einer kompromissloseren religiösen Natur begegnet als ihm - und nie einem Menschen, der weniger für Äußerungen des Humors übrig hatte. Ich habe niemand gekannt, der so scheu gewesen wäre wie er (...) Ich betrachtete ihn als den loyalsten meiner Musikerfreunde.“ So erinnerte sich Igor Strawinsky an seinen Zeitgenossen, den Komponisten Manuel de Falla. Dies ist eine äußerst treffende Charakterisierung des Musikers, der als ein Hauptvertreter der spanischen Musik des 20. Jahrhunderts gilt.
„Der wahre Grund, warum dieses Werk geschrieben wurde, ist kein anderer, als Orte, Stimmungen und Gefühle zu evozieren.“ (der Komponist im Programmheft der Uraufführung der „Noches“ am 9.4.1916.)
Und dacapo: „In Paris habe ich sieben unvergessliche Jahre verbracht. Debussy, Ravel, Florent Schmitt und Dukas waren dort meine besten Freunde. Besonders Dukas trieb mich zum Komponieren an und machte meine Werke in Paris bekannt. In jener Zeit habe ich auch meine „Nächte in spanischen Gärten“ geschrieben. Ich war so fern von meiner Heimat, dass ich die Nächte vielleicht noch schöner malte, als sie in Wirklichkeit sind. Das liegt an Paris...“
(Beim Vergleich kam eine Partitur von Editions Max Eschig, Paris von 1970 zum Einsatz.)
Übrigens wurden bei einigen Einspielungen das den 2. Satz abschließende Poco animato bereits zum 3. Satz genommen und bei der Zeitnahme diesem auch zugeschlagen. So wurde bei den Einspielungen von Heisser, Andriessen, Kapell, Czapski, Rubinstein (Ormandy), Novaes und Elms verfahren. Das ist zwar eindeutig partiturwidrig, hat aber keinerlei Auswirkungen auf das Hörgefühl oder das Verständnis des Werkes. Zumal der genannte Abschnitt in erster Linie überleitende Funktion hat und de Falla sowieso wollte, dass beide Sätze bruchlos ineinander übergehen. Der besseren Vergleichbarkeit wegen haben wir die Zeitnahme der Sätze wieder so vereinheitlicht, dass alle Einspielungen gleich gemessen zu Papier kommen. Natürlich so wie es in der Partitur steht: Das Poco animato (Zi. 22) gehört also immer zum Danza lejana, dem 2. Satz.
Zusammengestellt am 5.3.2022

Manuel de Falla
Vergleichende Rezensionen:
5
Javier Perianes
Josep Pons
BBC Symphony Orchestra, London
Harmonia Mundi
2010
10:12 4:43 8:58 23:51
Javier Perianes und Josep Pons werden dem Nocturne-Charakter der drei Sätze auf besondere Weise gerecht, verlieren aber auch die temperamentvolle, feurige, wenn man so will spanisch-folkloristische Seite des Werkes nicht aus den Augen. Ihr Gestus wirkt generell aber auch gerade im 1. Satz besonders subtil, ruhig, geheimnisvoll und sehnsüchtig. Das Spiel wirkt besonders bewusst, durchdacht und nachdrücklich, zugleich aber auch wie selbstverständlich. Der gerade im 1. Satz oft zu hörende Überdruck wird rausgenommen, bzw. entsteht erst gar nicht, was insbesondere für den Klavierpart gilt. Die stets fließenden Übergänge erklingen meisterlich. Das Zusammenspiel von Perianes mit dem Orchester ist traumhaft sicher. Die exzellente Orchesterarbeit geht zu großen Teilen auch auf den Dirigenten zurück, der dem Werk sehr verbunden scheint, denn man kann eine ganz ähnlich geartete souveräne Gelassenheit und eine besonders partiturnahe Transparenz aller Stimmen auch bei seiner ersten Einspielung mit Josep Colom (1996) als Pianisten hören. Das Londoner Orchester klingt jedoch noch ein wenig voller und runder, wird auch von der neueren Technik noch ein wenig tiefer im Raum abgebildet als das spanische.
Perianes selbst geht besonders gut auf die seltsam unschlüssigen oder wenn man so will Changierendes hervorrufenden Angaben des Komponisten ein: z.B. pochissimo ritenuto (sehr wenig ritenuto); pochissimo affrett. (wahrscheinlich meint er hier affettuoso: sehr wenig gefühlsbetont bzw. empfindungsstark; poco piu animato; poco stringendo; tranquillo, ma non tanto (ruhig, aber nicht so sehr); poco sostenuto; poco calmo; largamente, ma non troppo oder accelerando, ma pochissimo e gradualmente (beschleunigen aber sehr wenig und schrittweise). Dies ist also kein Stück, das es erlaubt Temperamentsausbrüche zu veräußerlichen oder Tempoexzesse zu feiern oder die eigene Virtuosität zu demonstrieren, zumindest nicht in erster Linie. Es ist eben Nacht und Subtilität scheint hier besonders gefragt. Das heißt aber nicht, dass es schemenhaft zugehen darf oder gar an Aufmerksamkeit fehlen darf. Höchste Konzentration, also das Gegenteil von nächtlicher Schläfrigkeit, bemerkt man nicht zuletzt am perfekten, nahtlosen Zusammenspiel, gerade auch in den reichlich vorhandenen Fällen des von de Falla auskomponierten Rubatos. Insgesamt ergibt sich eine enorm stimmungsvolle aber auch detailfixierte Wiedergabe, die jeder Übertreibung abhold gegenübersteht. Deshalb passt das Klaverspiel Perianes´, das ohne Tasten-Gedonner auskommt und mit einem wunderbar perlenden Anschlag überzeugt, auch so gut zum Stück. Selbst die kleinsten Details finden Beachtung und werden ins Große und Ganze passgenau eingesetzt. Das gilt genauso für den Orchesterpart. Beispielsweise das Stöhnen und Klagen bei Zi. 21. Offensichtlich hat der Palast des Kalifen (Generalife), in dem sich der Garten befindet, auch einen Kerker und die Gefangenen darin haben nichts zu lachen. Eindrücklich auch, wie gut sich der Pianist (fff) bei Zi. 24, der Höhepunkt des 1. Satzes, gegen das sonst so massive Orchester (ff) behauptet und gut hörbar bleibt, was in zahlreichen Aufnahmen nicht gelingt. Dieses Team hat einfach an alles gedacht und es auch stimmig umgesetzt. Pons zumindest dürfte gerade dieser Garten gut bekannt sein, hat er doch über Jahre in Granada gearbeitet, dem Ort in dem sich dieser Garten befindet.
Jetzt haben wir uns fast verplaudert. Deshalb nur noch ein paar kurze Anmerkungen zu den beiden folgenden Sätzen.
2. Satz: Prägnante Soli vom Orchester, ausgesprochen plastisches Stimmengefüge, Perianes technisch makellos, Marcato bei Zi. 8 nicht schroff, insgesamt auch hier den Nocturne-Charakter unterstrichen, den Scherzo-Charakter hingegen im Zaum gehalten.
3. Satz: Vivo! Nun also doch auch zupackend und temperamentvoll, aber stets enorm hellhörig. Die Flamenco-Anklänge und die prägnanten Melismen kommen bei Perianes lebendig und plastisch, aber nie vordergründig. Die Celli bei Zi. 40 klingen betörend. Con amprezza, ma non troppo (Breit, aber nicht zuviel) und das Sostenuto (nachhaltig) kann man nicht angemessener spielen, nämlich auch hier nicht zu viel des Guten geben.
Diese Einspielung wirkt durch ihre feine, enorm klare, eher weiche und sensible Konturierung eher sympathisch-schlicht und unaufdringlich als aufgedonnert. Trotzdem wird das andalusische Kolorit bestens zur Geltung gebracht. Aber man geht eben auch nicht damit hausieren.
Der Klang der Aufnahme erscheint weiträumig, tief gestaffelt, klar, dynamisch und sinnlich-weich, recht voll und abgerundet. Der Pianist agiert eher als Primus inter pares. Insgesamt ist diese Einspielung sehr angenehm zu hören, nicht zuletzt wegen des leicht fassbaren unaufdringlichen Detailreichtums und der entspannten Art der Interpretation. Irgendwie hat man hier alle Regeln der menschlichen Akustik beachtet, denn das Klagbild wirkt als Ganzes auch noch durchaus wärmend, wird also dem mediterranen Charakter des Stückes sogar auch noch klimatisch gerecht.
▼ eine weitere Aufnahme desselben Dirigenten in der Liste
5
Alicia de Larrocha
Sergiu Comissiona
Orchestre de la Suisse Romande, Genf
Decca
1970
10:15 5:20 8:47 24:23
Von Alicia de Larrocha scheint es drei Einspielungen zu geben. Die erste aus den späten 50er Jahren mit Jesus Arambarri und dem Orquesta de Conciertos de Madrid auf Hispavox, Turnabout oder auch Erato erschienen, lag uns leider nicht zum Vergleich vor. Der hier vorliegenden gesellt sich noch eine spätere Digitalaufnahme mit Frühbeck de Burgos und dem LPO hinzu, 1983 ebenfalls von Decca produziert. Davon später noch etwas mehr.
Comissiona lässt das Orchester schon zu Beginn ziemlich aufregend spielen, von Ruhe ist da wenig zu spüren (Partitur: Allegro tranquillo e misterioso), dafür aber viel vom Misterioso. Der Gestus wirkt sehr atmosphärisch. Der Nocturne-Charakter ist noch gewahrt, obwohl von gedeckten Farben oder nebulösen Konturen kaum die Rede sein kann. Im Gegenteil. Sehr gut konturiert, klar und mit großer Transparenz entwickelt sich hier der Eindruck vom Palastgarten und den Stimmungen, die sich in ihm entwickeln oder zumindest, die uns gewahr werden. Die Pianistin spielt mit großer Ruhe, leuchtendem, sinnlich-warmen Ton, wunderbar differenziertem Anschlag und bestechender Klarheit. Das Orchester erweitert ihren Ausdrucksbereich schön mit viel Rubato und ordentlichem Espressivo. Da passiert es schon einmal, dass der Pianistin bei Zi. 13 das Leggiero viel zu laut gerät, was einem Perianes oder Colom nicht passierte. Auch die Tremoli des Orchesters (Zi. 19) wirken sehr expressiv. Auch bei Zi. 20 bevorzugt die Pianistin wieder ein sattes mf statt des vorgeschriebenen p. Die Steigerung zum Höhepunkt wirkt groß angelegt und noch weiter ausgereizt als bei Pons zuvor. Beeindruckend. Dieser Satz wirkt auch leidenschaftlicher als es bei de Larrocha selbst im Jahre 1983 klingt. Auch klingt ihr Klavier 1970 noch etwas leuchtender, brillanter.
Im 2. Satz werden die heiklen Tempowechsel absolut souverän gemeistert, das Ganze wirkt sehr rhythmisch, mit mitreißenden Beschleunigungen ausgestattet und auch mit einem soghaften Stringendo (bei Zi. 19). In dieser Einspielung geht man mindestens an die Grenzen dessen, was de Falla mit seinen einschränkenden Vorschriften wohl gemeint hat und die bei Perianes und Pons so rigoros, aber trotzdem musikalisch eingehalten wurden. Vielleicht auch schon etwas darüber hinaus. Aber wer will das beurteilen? Wir können den Komponisten ja nicht mehr fragen. Zu den beiden einzigen Gewährsmännern unseres Vergleiches, seinen Schüler Ernesto Hallfter, der in der Einspielung mit Aldo Ciccolini dirigiert, und seinem Protégé Gonzalo Soriano kommen wir später noch.
Das Orchester, das bisweilen schon mit erheblichen Präzisions- und Intonationsproblemen in unseren Vergleichen aufgefallen ist, vollbringt hier eine ausgezeichnete Leistung. Das miteinander Musizieren wirkt beherzt. Die Hörner mobilisieren ihr bestes Marcato, die Celli spielen mit sehr viel Gefühl (Zi. 40). Die Steigerungsverläufe klingen mitreißend und brillant, was ohne jede Einschränkung auch für die Pianistin gilt. Ihre melismenreichen Flamenco-Anklänge wirken ungeheuer brillant und – mit besonderem Rubato – auch besonders lebendig. Ihr Spiel zeichnet sich durch hohe Präzision, besonders akzentuierten Rhythmus, strahlenden, immer wieder auch abgetönten Klang aus. Es wirkt empathisch, nuancenreich und eloquent, auch meint man herauszuhören: Hingebungsvoll. Ihre mittlere Aufnahme wirkt insgesamt jugendlich-frischer, als die neuere, die zwar ausgewogener, aber auch bedächtiger wirkt.
Der Klang ist klar und deutlich, bereits recht gut aufgefächert (da bietet die neuere aber noch etwas mehr), sehr dynamisch und mit einer reichhaltigen, leuchtkräftigen Klangfarbenpalette ausgestattet. Das Klavier wird hier deutlicher vor dem Orchester platziert, als in der neueren. Die Präsenz ist aber dennoch auch beim Orchester hautnäher als 1983 in London.
▼ eine weitere Aufnahme von Alicia de Larrocha weiter unten in der Liste
5
Josip Colom
Josip Pons
Orquesta Ciudad de Granada
Harmonia Mundi
1996
10:44 5:22 8:44 24:50
Bereits in seiner ersten Einspielung trifft Pons die Stimmung des Leisen und Mysteriösen sehr gut, wenngleich ihm sein damaliger Pianist noch mit seinem zu lauten ersten Einsatz einen Strich durch den Plan zu machen scheint. Aber er gewinnt im Folgenden schnell unser Vertrauen wieder zurück. Das bei uns weniger bekannte Orchester, dessen Chef Pons damals noch war, wirkt traumwandlerisch sicher und bietet eine tolle „Performance“, wie man heute so schön sagt. Lediglich die Violinen klingen ein wenig scharf. Aber die Musiker nehmen ihr Herz in die Hand, liefern ausgezeichnete Soli ab (dolce espressivo) und bringen ihr Zusammenspiel und das mit dem Pianisten auf den Punkt. Das BBC Symphony Orchestra in Pons späterer Einspielung mit Perianes wirkt noch eine Kleinigkeit runder und homogener, aber da fehlt fast nichts mehr. Auch das Klavierspiel erfolgt, bereits ganz ähnlich wie später bei Perianes, in großer Gelassenheit, aber dennoch enorm spannend. Im majestätischen Höhepunkt des Satzes ist das Klavier bestens durchzuhören, obwohl das Orchester sehr laut spielt. Colom selbst, auch darin Perianes ähnlich, wirkt nicht so virtuos wie de Larrocha oder später in der Liste Argerich, Casadesus oder Kapell, aber man bemerkt schnell, dass er genau weiß, wie er was zu spielen hat und er kann seinen erreichten Ausdruck auch wie von selbst vermitteln. Übrigens: Heimvorteil für das ganze Orchester, ist Granada doch der Ort dieses Gartens im 1. Satz, der zur Anlage des Palastes des Kalifen gehört.
Auch bei Colom (auch hier wieder Perianes ähnlich) wirkt der Scherzocharakter im 2. Satz weniger ausgelassen, was uns aber stimmiger vorkommt. Selbstverständlich kann man hier aber auch anderer Meinung sein und den üppig-prallen Gestus einer Margit Weber oder Martha Argerich in ihrer zweiten Einspielung bevorzugen. Das Klavier Coloms strahlt aber auch herrlich im Diskant. Die Tempi, was natürlich auch am herausragenden Dirigat liegt, wirken besonders plausibel modifiziert. Stets wirkt das Spiel spannend und bewegt und damit auch bewegend. Das Stringendo bei Zi. 19 klingt superb. Das Tranquillo bietet dann einen denkbar großen Kontrast dazu (Zi. 21).
Der 3. Satz beginnt mit einem feurigen Vivo mit ordentlich Biss. Immer wieder gelingen nahtlose Übergänge, z.B. bei „nach und nach beruhigend“, erfolgt diese Beruhigung auch nach und nach. Der ganze Satz wirkt sehr stimmungsvoll. Colom verfügt über sehr viele Ausdrucksvarianten. In den kleinen Kadenzen besticht sein freier Vortrag.
Insgesamt geht dieser Vortrag durchaus zu Herzen, insbesondere wegen der sprechenden, enorm kontrastreichen Darstellung mit einer schillernden Vielfalt an Ausdrucksnuancen.
Der Klang der Aufnahme ist offen, voll und körperhaft. Sehr dynamisch, klar, lebendig, farbig und gut strukturiert. Das Klavier wird recht groß abgebildet, aber auch das Orchester klingt präsent. Die Relationen zwischen beiden erscheinen stimmig. Der Klavierklang wirkt besonders gut getroffen und authentisch.
5
Margit Weber
Rafael Kubelik
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
DG
P 1966
10:03 4:46 8:00 22:49
Margit Weber
Ferenc Fricsay
Radio-Symphonie-Orchester Berlin (heute: Deutsches Sinfonieorchester Berlin)
DG
1957
9:58 4:37 7:52 22:27
Schon lange vor der zweiten Einspielung Martha Argerichs gab es eine Aufnahme, die die einschränkenden und immer wieder relativierenden Vortragsvorschriften de Fallas auf die leichte Schulter nimmt und stattdessen auf volles Espressivo setzt und den Ausdruck, ohne den Nocturne-Charakter (Nachtstück) in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise zu stellen, schärft und den Spannungsbogen bis nahe ans Bersten anspannt. Von Rafael Kubelik ist es bekannt, dass er einem flammenden Espressivo zugeneigt ist (wenn es die Musik erlaubt), aber von Margit Weber, der schweizerischen Pianistin war dies bisher weniger bekannt. Besonders deshalb, weil es von ihr viel zu wenige Einspielungen gab oder sie bis heute nicht überlebt haben. Es gibt sogar noch eine frühere Mono-Einspielung des Werkes von ihr, mit Ferenc Fricsay aus Berlin, die den Weg ins digitale Zeitalter unseres Wissens nur innerhalb der Ferenc-Fricsay-Gesamtausgabe geschafft hat und daher als absolute Rarität gelten darf. Auf diese Einspielung, die, im Jahr 1957 gerade so noch als Mono-Aufnahme entstanden ist, wollen wir kurz im Anschluss an die neuere Kubelik-Aufnahme zu sprechen kommen.
Kubelik beginnt sehr expressiv, dramatisch, fast drastisch und lebendig mit vibrierender Spannung, die, soviel sei verraten, bis zum Ende des Stückes anhält. Bei ihm wird der Orchesterpart zum Ereignis. Weber beginnt ihren Part auch wieder zu laut, ihr gelingen dafür aber wunderbar sprudelnde Wasserspiele, wo bei anderen nur ruhige Bächlein fließen. Ihre Artikulation ist wunderbar prägnant und sie verfügt über einen kernigen, präzisen Anschlag und einen sehr schön fokussierten, brillanten Ton. Aber immer wieder erscheint ihr Spiel ein wenig zu laut z.B. bei Zi. 20, was aber bei sehr vielen, insbesondere älteren Einspielungen ebenfalls vorkommt. Der Höhepunkt des 1. Satzes gestaltet sie in ihrer Einspielung mit dem Orchester zusammen besonders glanzvoll, weniger majestätisch (wir sind ja im Garten des Kalifen) als furios. Insgesamt eine beeindruckende Darstellung, wenig Nachtstück, stattdessen viel helles Licht, von Sonne darf man ja nicht reden aber die Gefühle wirken mit praller Lebendigkeit.
Der 2. Satz klingt sehr tänzerisch und kontrastreich, temporeich mit einem glutvollen, sanguinischem Zugriff (ähnlich der später gelisteten Einspielung mit Andriessen und Klemperer). In dieser prallen Lebendigkeit hat es der Flügel teilweise etwas schwer, sich hinreichend Gehör zu verschaffen. Bei Zi. 19 „Stringendo sempre ma gradualemente“ befeuert man sich wieder sehr gut gegenseitig, vielleicht mehr, als es dem Komponisten lieb wäre. Weber selbst lässt, wo gewünscht, dem Orchester immer sehr gut und uneitel den Vortritt. Das Orchester bringt sie jedoch bisweilen in Bedrängnis, auch wegen des drängenden Tempos.
Im 3. Satz spielt sich wieder Ähnliches ab wie im 2.: Herausragender, druckvoller, direkter und glutvoller Zugriff. Nicht nur vom Orchester auch von Margit Weber. Immer wieder befeuert man sich gegenseitig. Das ist konzertieren im besten Sinne und auf höchstem Niveau. Die Flamenco-Klänge Webers könnten kaum spanischer klingen (Zi. 28, 30, 44). Der Orchesterklang wirkt satt und sinnlich, klingt „südländischer“ als der von Dvorak bekannte. Das Sostenuto bei Zi. 45 klingt bei diesem Orchester besonders reichhaltig.
Weber und Kubelik zeigen sich dem Werk sehr verbunden, es gelingt ihnen eine besonders heißblütig und glutvoll wirkende Darstellung des Werkes. Wir wollen nicht verschweigen, dass sie bei uns persönlich in die engste Auswahl käme, wenn es um die einzige Einspielung für die sprichwörtliche einsame Insel ginge. Andere sind allerdings partiturgenauer und wirken idiomatischer.
Der Klang der Einspielung ist sehr präsent, farbig, brillant, deutlich und transparent. Man hat einen Platz in einer der vordersten Reihen ergattert. Der Klavierklang wirkt sehr gut getroffen. Das Orchester hat allerdings eine nur geringe Tiefenstaffelung mitbekommen.
Klanglich fällt die Mono-Einspielung aus Berlin natürlich ab, aber als Mono-Aufnahme gesehen, darf man sie als gelungen bezeichnen. Sie bringt sogar bereits eine angedeutete plausible Staffelung mit ein (vorne – hinten, nicht rechts – links) und die Transparenz der Stimmen ist erstaunlich. Der Gesamtklang wirkt allerdings monotypisch eingeengt. Gegenüber der Einspielung mit Kubelik bleibt der Klang die eigentliche Crux, denn sowohl die Pianistin als auch das Orchester spielen groß auf.
Fricsay beginnt bereits voller Spannung. Auffallend ist die stark exponierte Harfe, die bei den anderen Einspielungen ein Schattendasein führt. Webers (auch hier wieder eigentlich zu laut begonnenes) Klavierspiel besticht erneut durch erlesenen, schlanken Anschlag von höchster Brillanz, der 1957 noch ein wenig mehr an Géza Andas Klavierkunst erinnert, und temperamentvoller Musikalität. Aber auch das Orchester hat im ersten Jahre nach seiner Umbenennung von RIAS SO in RSO Berlin gegenüber den später 40er und frühen 50er Jahren einen deutlichen Reifungsprozess durchlaufen. Der erste Satz klingt nun fast wie ein Psychogramm mit einem klaren Bekenntnis zum Expressivo. An schlanker Straffheit geht das Orchesterspiel noch über Kubeliks Orchester hinaus.
Die Spannungskurve bleibt auch im 2. Satz hoch, das gemeinsame Musizieren aus einem Geist heraus gelingt voller Brio. Im 3. Satz lernen wir Margit Weber als „Flamenco-Spielerin“ der Extra-Klasse kennen. Sie nimmt mühelos (trotz des letztlich biederen Mono-Klangs) die ganze Bühne ein. Ihr Staccato und Marcato wirkt solchermaßen gepfeffert, dass die spanische Pianisten-Garde vor Neid erblassen dürfte, wenn sie davon Kenntnis genommen hätte. Trotz der vom Orchester empathisch vorgetragenen Soli und dem auch von Fricsay entfachten Feuer, gewinnt man den Eindruck, dass die Pianistin einen noch höheren musikalischen Siedegrad mit einbringt. Eine tolle Einspielung. Wenn ihr letztlich antiquierter Klang nicht wäre, müsste sie vor ihrem Remake in Stereo gelistet werden.
5
Gonzalo Soriano
Ataulfo Argenta
Orquesta National de Espana, Madrid
Alhambra, Decca, Columbia, RCA
1957
9:19 5:11 7:56 22:26
Neben der Einspielung mit Ernesto Hallfter als Dirigenten dürfen die beiden Einspielungen mit Gonzalo Soriano ebenfalls als authentisch gelten. Der Pianist erfreute sich nämlich der Protektion durch den Komponisten höchstselbst. Es gibt wohl vier Einspielungen mit ihm. Eine weitere mit Argenta, nun aber live mit dem Orchester des französischen Rundfunks ebenfalls 1957 aufgenommen und eine späte mit José Serebrier und dem English Chamber Orchestra für ASV. Beide müssen leider bei unserem Vergleich fehlen. Die Einspielung mit Rafael Frühbeck de Burgos und dem Orchester der Konservatoriumskonzerte Paris von 1963 erscheint dann noch weiter unten in unserer Liste, denn unser Votum gilt in diesem Fall ganz eindeutig der älteren Einspielung mit Argenta.
Soriano spielt seinen Part genauso partiturgenau und präzise wie mit einem kernigen, gut fokussierten Anschlag. Er verfügt über ein piano, das ihn fast verschwinden lässt, genauso wie über ein sehr gutes, völlig bruchloses Legato. Seine Technik wirkt erstaunlich. So klingen die Tonrepetitionen bei Zi. 20 ganz besonders gleichmäßig, was nicht vielen so gelingt, die Imitation des Gitarrenklang gelingt so sehr anschaulich. Bei der großen Steigerung bei Zi. 23 und 24, hier voller Leidenschaft angestimmt, kommt das Klavier trotz der alten Technik sehr gut durch. Da waren Könner am Werk. Das Orchester wirkt ausgesprochen engagiert und empathisch, störend wirken allerdings besonders die der französischen Schule nahestehenden Oboen mit ihrem ganz hellen und besonders dünnen, fast sägenden Ton. Sie werden aber von der Technik, wie die anderen Holzbläser auch, ein wenig nach hinten abgesetzt, was unter diesen Umständen zu begrüßen ist.
Der 2. Satz klingt sehr tänzerisch und beschwingt. Bei Zi. 2 klingen Oboe, Englischhorn und Fagott gemeinsam dann wie eine Imitation von Oldtimerhupen, vielleicht hatte de Falla ja solche bereits 1916 im Kopf? Wir hören auch ein sehr gutes Marcato. Bei Zi. 10 ist das Klavier dann allerdings wieder zu laut, bei Zi. 19 gibt es ein einnehmendes Stringendo. Auffallend ist, dass der Dirigent viel Einfühlungsvermögen und einen besonderen Sinn für die Zwischentöne des Werkes mitbringt.
Im 3. Satz wird zu Beginn die Dynamik des Orchesters durch die Technik eingeebnet. Der feurige Gestus des Vivo kommt dennoch sehr gut zur Geltung. Soriano bringt die Flamenco-Einlagen perfekt akzentuiert und gepfeffert (Zi. 28, 30 und 44), aber auch mit viel Gefühl. Die Melismen sind gespannt und mit Rubato erfüllt. In der kleinen Kadenz bringt er das „loco“ gut heraus. Hier meinen wir, dass de Falla das spanische „loco“ meint, was in etwa „verrückt“ bedeutet, während das in der Partitur sonst verwendete, übliche italienisch lediglich „vor Ort“ hieße, was wenig Sinn ergibt. Die besten bringen hier auch ein „verrückt geworden“ im Spiel zum Ausdruck, wie Soriano in dieser Einspielung. Auch den Ad libitum Spielraum nutzt er gebührend aus.
Der Klang beinhaltet hier ein ganz leichtes Rauschen. Er klingt aber sehr plastisch, wie eine gute Decca-Aufnahme jener Zeit und präsent und nah, wie eine „Living Stereo“. Eine gute Raumtiefe wird durch die nach hinten versetzten Holzbläser erreicht. Die Streicher hingegen sind sehr präsent und direkt aufgenommen worden. Sie nehmen das Klavier in ihrem Halbrund auf. Die Hörner nehmen einen großen Raum ein. Freunde dieses Instruments kommen hier besonders auf ihre „Kosten“. Tendenziell ist der Gesamtklang ein wenig hell und er verfügt über wenig Substanz im Bass. Eine neben der CD ebenfalls vorliegende LP (Speakers Corner) zeigte das Klavier prägnanter vor das Orchester gestellt. Der Gesamtklang wirkt hier auch deutlich saftiger und praller, weniger hell, wärmer und bassstärker als von der schon erstaunlich guten CD (RCA-Ausgabe).
▼ eine weitere Aufnahme von Gonzalo Soriano weiter unten in der Liste
5
Clara Haskil
Igor Markevitch
Orchestre des Concerts Lamoureux, Paris
Philips
1960
9:57 4:35 7:43 22:13
Diese Einspielung erfolge im letzten Lebensjahr der Pianistin. Ihr kerniger Anschlag wirkt ganz besonders klar und verfügt über ein herausragendes piano. Markevitch zaubert für sie (oder auch weil es in der Partitur so gewollt erscheint) einen ganz besonders zarten, verträumt-melancholischen Beginn. Er umschmeichelt das Klavier aber ganz besonders und auffallend gut, was ihm mit seinem damaligen französischen Top-Orchester aber nicht schwergefallen sein dürfte. Entgegen etwaiger von anderen Einspielungen begründeten Befürchtungen fallen die Holzbläser (insbesondere das Fagott oder die Oboe) dieses Mal nicht aus dem Gesamtklang heraus. Das Klavier wird niemals des Effektes wegen genutzt, auf eine Zurschaustellung vordergründiger Brillanz wird gänzlich verzichtet, was von der besonders als Mozartinterpretin zu Weltrum gelangten Pianistin auch nicht zu erwarten war. Sie drängelt sich nie vor, wirkt immer werkdienlich. Hinsichtlich Brillanz und Temperament legt sich Markevitch keine Zurückhaltung auf. Trotz der Gegensätze wirkt das gemeinsame Musizieren der Protagonisten bemerkenswert stimmig.
Das Molto marcato bei Zi. 8 im 2. Satz gelingt Clara Haskil exzellent. Niemand sonst als Markewitch hebt das kleine unscheinbare Unisono der 2. Violinen 4 bzw. 3 Takte vor Zi. 12 so hervor wie er. Ein Beispiel, wie genau in dieser Einspielung hingeschaut wird. Wir hören hier auch bestes Concertare. Insgesamt ein sehr lebendiges Musizieren in diesem Satz, dramatisch angeschärft.
Das Vivo im 3. Satz bekommt bei Markevich herausragende Intensität, wirkt fast wild. Haskil hingegen fehlt bisweilen die blendende Virtuosität einer Argerich oder eines Kapell, trotzdem werden dann die Flamenco-Melismen von Haskil in aller Klarheit herausgemeißelt. Enorm kontrastreich und mit deutlichem Rubato agiert auch das Orchester. Die Interpreten werden in dieser Einspielung dem Nocturne-Charakter auf hervorragende Weise gerecht, ohne jedoch die dramatischen, extrovertierten, folkloristisch geprägten Passagen zu vernachlässigen. Temponahme und Dynamik wirken dabei auf besonders stimmige Weise in Zusammenhang gebracht. Der Orchesterpart bekommt hier durch eine sehr beachtenswerte Orchesterleistung besondere Plastizität und eine besonders emotionale Wirkung.
Das Klangbild wirkt ausgewogen und sehr transparent. Die Balance von Flügel und Orchester ist perfekt. Die Einspielung klingt noch sehr frisch, als wäre sie 40 Jahre jünger. Sehr deutlich und auch erstaunlich dynamisch. Insgesamt hätte der Klavierklang aber noch ein wenig brillanter ausfallen können, denn besonders im Diskant wirkt er ein wenig stumpf. Das ganz leichte Rauschen ist nicht erwähnenswert. Die Präsenz wirkt nicht ganz so anspringend wie bei der Living Stereo Rubinsteins mit Enrique Jorda.
5
Martha Argerich
Alexander Vedernikov
Orchestra della Svizzera Italiana, Lugano
EMI
2009, Live
9:57 4:45 8:05 22:47
Von Martha Argerich lagen uns zwei Einspielungen des Stückes zum Vergleich vor. Dieser Live-Aufnahme ging 1987 eine weitere Live-Aufnahme mit dem Orchestre de Paris und Daniel Barenboim voraus, die einen komplett anderen Gestus bereithält.
Martha Argerich geht mit Alexander Vedernikov, ähnlich wie Margit Weber und Rafael Kubelik quasi mit heruntergelassenem Visier voll in die Offensive. Hier hören wir nun, ganz anders als noch 1986 in Paris, wenig Tranquillo und noch weniger Misterioso. Auch das p generell erhält viel weniger Raum. Stattdessen wirkt der Gestus dramatisiert und von Beginn an drängend. Das Orchester macht, anders als in den Live-Aufnahmen früherer Jahre, als es noch RTSI in seinem Namen trug, einen sehr guten Eindruck. Ungleich temperamentvoller als Barenboim heizt Vedernikov dem Orchester tüchtig ein, ist sich im Gestus mit der Pianistin auch völlig einig. Zu Überdeckungen des Flügels kommt es aber nie. Der Nocturne-Charakter wirkt nun fast schon wie weggeblasen. Drängende Virtuosität, klangfarbenstarke Brillanz, lebendige Dramatik und Dynamik nehmen nun also den vormalig eher zaudernden, fast schüchtern wirkenden, blassen, fast schemenhaft wirkenden Gestus der Pariser Aufnahme ein. Die Darstellung von Argerich 2009 wirkt der Einspielung Webers viel näher als der eigenen von 1986.
Der 1. Satz wird so wie aus dem feinstofflichen Nebel von 1986 herausgeholt und in eine klare Vollmondnacht gebracht. Die Temperatur liegt mindestens 10° Celsius höher, alles wird viel klarer hörbar. Obwohl Vedernikov echtes ff hören lässt, ist Argerichs Klavier (fff) im Höhepunkt auch noch gut hörbar.
Im 2. Satz wird der Scherzo-Charakter viel stärker betont. Martha Argerich und der Gestus der Musik wirken gegenüber 1987 auch hier wie befreit. Das ungehemmte virtuose Aufspielen wirkt allerdings kaum mehr wie ein entfernter Tanz, was bei Barenboim 1987 buchstäblich der Fall ist. Wir sind nun mitten drin im Geschehen. Das Orchester spielt sehr akzentuiert, teilweise auch einmal „handfest“. Der ganze Satz wirkt nun spannend.
Im 3. Satz hören wir echtes Vivo, fast schon exaltiert. Besonders temperamentvoll und angetrieben klingt hier das Orchester. Argerichs Melismen klingen nun erheblich griffiger, sie geht noch mehr in die Vollen, klingt dabei vielleicht aber nicht mehr ganz so differenziert. Sie ist ja auch nun ein Ausbund an Temperament, spielt ihren Part viel selbstbewusster und ungestümer, wie bereits erwähnt, wie befreit. Es wäre interessant zu erfahren, was de Falla besser gefallen hätte. Die Argerich 1987 wie in einem Nocturne von Chopin oder 2009, wie ein Viento de tormenta (Sturmwind), impulsiv, direkt und wie entfesselt? Für uns ist das keine Frage. Man kann sich dem spannenden, farbenfrohen und heißblütigen Musizieren 2009 aus unserer Sicht kaum entziehen.
Auch der Klang ist 2009 besser. Ungleich voller, klarer nicht mehr so gläsern wie 1986 und besonders präsent und direkt. Der Flügel steht nun sehr breit und groß vor dem Orchester, wirkt also eher wenig fokussiert, lässt aber noch genug vom Orchester durch. Das Orchester selbst ist auch viel klarer und besser konturiert als 1987 in Paris. Der Klang wirkt dynamischer und der Bass wirkt tiefer und nun stattlich.
▼ eine weitere Aufnahme von Martha Argerich weiter unten in der Liste
5
Robert Casadesus
Dmitri Mitropoulos
Philharmonic Symphony Orchestra of New York
(heute: New York Philharmonic)
BnF – CBS
1955
9:41 4:38 8:34 22:53
MONO Dies ist eine pianistisch über jeden Zweifel erhabene Darstellung, die auch im Orchestralen, nicht zuletzt durch genaueste Beachtung der Partitur ungemein fein aber auch leidenschaftlich, charaktervoll und temperamentvoll wirkt. Wäre nicht der limitierte Klang der digitalisierten Original-LP aus den 50ern so wenig brillant und dynamisch limitiert, man müsste sie noch weiter oben platzieren. Auffallend ist schon zu Beginn das echte p-Spiel des Pianisten und die reichen Nuancierungen, die nur so aus ihm heraussprudeln, als ob sie überhaupt nicht beabsichtigt wären. Der Nocturne-Charakter wird hier deutlich gemacht wie selten, aber auch das Misterioso kann kaum einmal deutlicher gehört werden. Der Abschied aus diesem Garten wirkt hier trauriger als in jeder anderen Einspielung.
Auch der 2. Satz klingt atmosphärisch ungemein dicht. Pianistisch klingt der von Casadesus realisierte Klavierpart dem von einem Barenboim gespielten haushoch überlegen. Hier sitzt jeder Ton genau wie er sein soll, jeder hat sein Zentrum, ist fokussiert, konturiert und perlt makellos dahin, nichts wirkt dem Zufall überlassen. Jede Schwammigkeit erscheit Äonen entfernt. Mitropoulos sichere Hand gewährleistet sichere und stimmige Temporelationen. Immer wieder verblüfft, wie sehr sich Casadesus zurücknimmt nur noch zur füllenden Klagfarbe wird und dem Orchester den Vortritt lässt. Das auskomponierte Rubato wird sehr deutlich gemacht, das wirkt alles ungemein spannend und ausdrucksvoll. Stringendo und Animato sind vielleicht ein wenig deutlicher spürbar als vom Komponisten gewünscht.
Das Vivo im 3. Satz wird perfekt getroffen. Immer wieder spürt man das antreibende Temperament des Dirigenten, der auch ein leidenschaftliches Spiel vom Orchester zurückbekommt. Das Klavierspiel besticht durch makellose Perfektion auch in den schwierigsten Passagen. Die Melismen kommen frei uns locker, auch gesanglich, hingelegt wie improvisiert und ohne zu forcieren. Das geht unter die Haut. Casadesus´ de Falla würde zu einem ganz besonderen Genuss werden, wenn der Klang zufriedenstellender ausgefallen wäre.
Man hört leichte Schleifgeräusche der alten Platte, der Klang ist aber noch hinreichend transparent. Das Klavier wirkt deutlich ins Orchester integriert und keineswegs herausgestellt. Casadesus sieht sich als Primus inter pares. Das passt dann ebenfalls wieder ganz ausgezeichnet. Zeitgemäß klingt es aber wenig brillant. Dem Klangzauber der Komposition wird der gebotene Klang leider nicht gerecht. Es gibt diese Einspielung aber auch auf einer remasterten CD, von der es dann sicher deutlich besser klingen würde.
5
Artur Rubinstein
Enrique Jorda
San Francisco Symphony Orchestra
RCA
1957
9:23 5:00 7:36 21:59
Artur Rubinstein mochte das Stück offensichtlich sehr gerne. Er hat es dreimal eingespielt. Dies ist seine mittlere Einspielung. Ihre Vorgängerin, vermeintlich aus den frühen 50ern, entstand mit Vladimir Golschman und dem St. Louis Symphony Orchestra noch in Mono. Sie lag uns leider nicht vor. Seine späte Produktion stammt von 1969 und wurde mit Eugene Ormandy und dem Philadelphia Orchestra aufgezeichnet. Alle drei wurden von RCA produziert. Von den beiden gehörten Aufnahmen gefällt uns die frühere Einspielung aus San Francisco in beinahe jeder Hinsicht besser als die spätere.
Im Jahre 1957 zählte der Pianist bereits 70 Lebensjahre. Sein Spiel wirkte gegenüber der 1969er, die er folglich mit 82 Jahren einspielte, noch deutlich farbiger, flexibler und kraftvoller im Anschlag. Wenn man es nicht besser wüsste, (also ohne das Wissen von Geburts- und Aufnahmejahr und der daraus gebildeten Differenz) wäre man versucht „jugendlicher“ zu schreiben. Aber auch das Orchester von der Westküste wirkt, unter der Leitung seines damaligen Chefdirigenten, kontrastreicher, zu Beginn mysteriöser, stimmungsvoller und generell sogar glanzvoller als das Philadelphia Orchestra 1969. Irgendwie auch authentischer und „näher dran“. Der dynamische orchestrale Höhepunkt gelingt ausladender und durchdringender, mit mehr Emphase gespielt. Dass man es verschiedentlich in jener Zeit als nur mittelmäßig bezeichnete, kann mit dieser Aufnahme nicht bestätigt werden. Zu erinnern wäre vielleicht in diesem Zusammenhang, dass Jordas Vorgänger im Amt kein geringerer als der große Pierre Monteux war.
Im 2. Satz klingt Rubinsteins Marcato bei Zi. 8 viel intensiver. Insgesamt wirkt sein Spiel eloquenter und freier. Das Orchester agiert brillant, den Kollegen aus Philadelphia in Nichts nachstehend, wenn man von einigen wenigen wackelnden Einsätzen einmal absieht, wirkt dafür aber sogar ein wenig spanischer, wenn man so will. Hier liegt eine pointierte, besonders tänzerische Darbietung vor, die nie forciert erscheint.
Im 3. Satz verbreiten sogar die Trompeten mit dem ein oder anderen kleinen Vibrato eine ziemlich exotische Stimmung. Rubinstein seinerseits, mit erheblich leichteren und kraftvolleren Händen zugange wie 1969, bringt die Flamenco-Einlagen und die kadenzartigen Passagen sehr virtuos und in sprechender Diktion zur Geltung. Rubinstein und das sehr bewegt, temperamentvoll und mitreißend spielende Orchester scheinen sich immer wieder richtig anzufeuern (Zi. 29 und 38). Auch die lyrischen Passagen klingen intensiver. Besonders erfreuen auch die hautnah in den Fokus genommenen Hörner. Tolles Sostenuto.
Wegen eines jugendlich gebliebenen, frisch und leidenschaftlich spielenden Solisten, eines sanguinisch anmutenden Dirigats und einem hoch motivierten, enthusiastischen Orchesters ist diese Einspielung dem Remake Rubinsteins von 1969 klar vorzuziehen. Sie wirkt trotz ihres derzeitigen Alters von 65 Jahren immer noch sehr stimmungsvoll und ausdruckskräftig. Aber auch gegenüber Jordas eigenem Dirigat mit Clifford Curzon als Pianisten wirkt die mit Rubinstein etwas „draufgängerischer“ oder riskanter.
Der Klang erhebt diese Einspielung dann letzen Endes eindeutig in die 5er Gruppe. Sie klingt frischer, lebendiger und offener als die Einspielung von 1969. auch das Klavier klingt brillanter, hat noch nicht die Topfigkeit des 69er Klavierklanges. Sie ist unabhängig vom direkten Vergleich mit dem eigenen Remake sehr farbkräftig, sehr dynamisch und ausgesprochen präsent. Eben eine richtige „Living Stereo“. Die Balance ist sehr gut, teilweise klingen die besonders kritisch aufzunehmenden Violinen geradezu fantastisch rund und „süß“ aber ohne je ins Kitschige abzudriften. Insgesamt wirkt der Klang auch noch plastischer als 1969.
▼ eine weitere Aufnahme von Artur Rubinstein weiter unten in der Liste
▼ eine weitere Aufnahme mit Enrique Jorda ebenfalls weiter unten in der Liste
4-5
Alicia de Larrocha
Rafael Frühbeck de Burgos
London Philharmonic Orchestra
Decca
1983
10:17 5:17 9:07 24:41
In Alicia de Larrochas letzter Einspielung des Werkes klingt ihr Flügel noch ein wenig perlender im Anschlag aber nicht mehr so straff konturiert und so außerordentlich präzise. Der Beginn wirkt immer noch atmosphärisch gelungen aber nicht mehr so gespannt wie bei Comissiona. Das Orchester spielt deutlich geschmeidiger als das OSR in der Einspielung von 1970, auch voller, runder im Klang und noch ein wenig präziser. Die Solostreicher beispielsweise noch ein wenig zarter und einschmeichelnder, bei weniger Vibrato. Frühbeck de Burgos weiß was er tut und sorgt für fließende Übergänge.
Im 2. Satz erhält, wie die beiden anderen auch, fließende, weichere Konturen, wirkt so impressionistischer und verhaltener in der evozierten Stimmung. Mulmig wird der Klang jedoch nicht, er bleibt klar und transparent. Der Klavierklang wirkt insgesamt gedeckter. Die Einspielung von 1970 erschien mehr am Ausdruck orientiert zu sein, sie wirkte insgesamt frischer und im Temperament anspringender. Die 83er wirkt mehr an klangfarblichen Details orientiert.
Auch im 3. Satz erleben wir eine besonders einschmeichelnde Klanglichkeit, immer noch recht kontrastreich aber doch viel mehr an einer luxurierenden Klanglichkeit interessiert. Da bietet die Aufnahme nämlich besonderes. De Larrocha spielt sich mit ihrem idiomatischen Spiel nach wie vor in das Herz der Hörer.
Die neuere Einspielung wirkt etwas milder und wärmer, vor allen aber auch abgeklärter im Ausdruck, was für Klavier und Orchester gleichermaßen gilt. Pianistisch wirkt sie nicht mehr so schön frisch und impulsiv, nicht sehr so offensiv und emotional aufgeladen. Besonders stimmig und detailreich wirkt sie aber immer noch.
Auf den gesamten Vergleich gesehen ist dies noch vor der viel neueren Einspielung mit Mari Kodama die Aufnahme „de Luxe“ überhaupt. Weicher und weiträumiger geht es kaum noch. Zudem wirkt sie gut gestaffelt und mit besonders leuchtkräftigen, satten Farben versehen. Das Klavier wurde mehr in den Gesamtklang integriert als 1970 und der Gesamtklang wirkt besonders füllig und abgerundet. Die Spritzigkeit von 1970 ist ihm jedoch weitgehend abhandengekommen. Das Holz wirkt gegenüber dem Rest vom Orchester etwas weiter entfernt als 1970 in Genf. Aber auch das komplette Klangbild wirkt eine Spur distanzierter.
▼ eine weitere Aufnahme mit Rafael Frühbeck de Burgos befindet sich weiter unten in der Liste.
4-5
Dame Moura Lympany
Massimo Freccia
RCA Victor Symphony Orchestra
Reader´s Digest, jetzt Ivory Classics
1967
9:18 5:00 7:54 22:12
Zunächst wollen wir bezüglich der Identität des Orchesters unsere Zweifel anmelden, denn es klingt überhaupt nicht wie ein amerikanisches, sondern wie ein britisches Top-Orchester. Was den Verdacht weiter erhärtet ist, dass RCA das New Yorker RCA Victor SO nur bis 1963 unterhielt und es dann aus Kostengründen nach Italien verlegte. Das RCA Italiana SO bestand dann de facto aus dem Römischen Opernorchester, wenn es während der Sommerferien für RCA aufnahm. Das kommt hier ebenfalls nicht in Frage. Bei der Recherche entdeckten wir dann die Einspielung als italienische Schallplatte, worauf als Orchester das „National Philharmonic Orchestra“ firmierte. Nun letztlich spielt es keine Rolle, wo das Orchester herkommt, wenn das Ergebnis passt. Und es passt sehr gut. Der Gestus der Einspielung wirkt wesentlich spannender, atmosphärischer, ja aufregender als bei den zuvor gehörten LSO mit Mata oder Orchestra of the Americas mit Prieto. Die Spielkultur kann man nur als hervorragend bezeichnen. Klangschön, fein und ausdrucksvoll, wie bei den besten Orchestern britischer Provenienz. Die Pianistin steht da nicht zurück und bleibt ihrem Part nichts schuldig. Dass sie vom ausladenden ff des Orchesters ein wenig „verschluckt“ wird, ist wohl eher der Aufnahmetechnik anzulasten.
Leidenschaftliche Partner sind Pianistin und Orchester auch im 2. Satz, der von einer stark kontrastierenden Dynamik merklich belebt wird. Dieser Tanz klingt kaum aus weiter Entfernung herübergetragen, sondern atmet das pralle Leben. Moura Lympany spielt sich hier ein ums andere Mal mit dramatischen Steigerungen in den Vordergrund. Dass sie eine ausgewiesene Virtuosin ist, hört man auch den ausdrucksvollen „Flamenco-Einlagen“ des dritten Satzes an. Das Orchester ist sich mit ihr im leidenschaftlichen Spiel voll und ganz einig, sodass man annehmen darf, dass auch der italienische Dirigent mit dem Herz dabei war.
Das Klangbild der wahrscheinlich erneut als Auftragsarbeit von Decca verantworteten Aufnahme ist duftig und präsent, körperhaft und natürlich. Das Klavier klingt im Diskant nicht ganz frei und ist weitgehend ins Orchesterhalbrund eingebettet. Die Soli kommen jedoch sehr gut heraus. Die Aufnahmetechnik erweist sich als werkdienlich. Die Violinen dürfen dahinschmelzen, das Blech und das Holz klingen voll und sehr gut durchhörbar, sind im genau richtigen Maß exponiert. Der Gesamtklang wirkt sehr sinnlich.
4-5
Tedd Joselson
Eduardo Mata
Radiosinfonieorchester Frankfurt (heute: HR Sinfonieorchester)
Olympia
1987, Live
9:44 5:03 8:15 23:02
Auch diese Einspielung befleißigt sich einer hohen Texttreue, wie auch die etwas weiter unten angeführte mit Jean-Francois Heisser. Besonders schön gelingt dem Pianisten, die fließende Bewegung des Bächleins (ma flessibile). Dem Anspruch auf ein flüsterleises pp wird dieser Pianist hervorragend gerecht, im Konzert! Das Frankfurter Orchester präsentiert sich exzellent vorbereitet und klanglich in Bestform. Besonders die klaren und schön hervorgehobenen, zudem klangschön geblasenen Holzbläsersoli gefallen. Dem Pianisten scheint aber die Pranke einer Argerich (2009) zu fehlen, zumindest scheint sein fff im großen Raum der Frankfurter Oper etwas zu verpuffen. Ansonsten fehlt es ihm aber wirklich an nichts. Der Höhepunkt bei Zi. 24 erhält bei Mata viel mehr majestätische Aura als bei Lopez-Cobos, der auch hier kammermusikalischer bleibt. Joselson kommt trotzdem sehr gut durch. Ein besonderes Lob an die Live-Aufnahmetechnik. Der 1. Satz wirkt insgesamt stimmig und stimmungsvoll.
Der 2. Satz gefällt mit geschmeidigem Spiel aller Akteure bei hoher Ausdruckskraft. Bei Zi. 8 „Molto marcato“ hat man auch noch genug Aufmerksamkeit für ein schönes Rubato und das ganze gelingt auch noch „Molto ritmico“. Das Stringendo bei Zi. 19, ein weiterer Prüfstein, gelingt auch. Insgesamt wirkt der Satz spannend.
Der 3. Satz gelingt erheblich ausgelassener in der Stimmung als beispielsweise bei Heisser/Lopez-Cobos und auch schön temperamentvoll. Das Orchester erhält mehr Gewicht und spielt mit mehr Saft und Kraft. Großer Jubel in Frankfurt und das völlig zurecht.
Der Klang ist transparent, weiträumig und homogen. Publikumsgeräusche sind kaum zu hören.
▼ eine weitere Aufnahme mit Eduardo Mata befindet sich weiter unten in der Liste.
4-5
Luis Fernando Pérez
Carlo Rizzi
Orquesta Sinfonica de Euskadi (Baskisches Nationalorchester, San Sebastian)
Mirare
2014
11:15 5:20 9:09 25:44
Pérez und Rizzi legen besonderen Wert auf eine impressionistische Klangentfaltung. Das Ineinanderfließen der einzelnen Farben und Farbmischungen gelingt auch sehr gut. Jedoch geht es bisweilen auch etwas zu weit, wenn beispielsweise das Englischhornsolo bei Zi. 9 nicht zur Gänze zu hören ist, weil es von anderen instrumentalen Linien überdeckt wird. Der Gestus ist hier besonders sanft und zurückhaltend. Im direkten Vergleich wirkt die Orchesterleitung wie schüchtern, fast ein wenig verschlafen. Die Spieldauer des Satzes trügt dieses Mal nicht. Wenn man die Einspielung einzeln hören würde, käme die kompositorische Verwandtschaft de Fallas mit Claude Debussy hier besonders gut raus. Das nächtliche Ambiente kommt auch sehr gut zur Geltung. Das Klavierspiel ähnelt dem von Perianes und Colom, wirkt aber nicht ganz so schlackenlos wie bei diesen. Beim Höhepunkt kommt das Klavier von Pérez sehr gut durch, was aber auch vom etwas entfernten Orchester zusätzlich begünstigt wird.
Dieser impressionistische Grundzug wird auch im 2. Satz beibehalten, was zur Folge hat, dass die Fiesta im Danza lejana nicht so richtig auf Touren kommt. Er war schon lebhafter zu hören. Hier dominiert die Schwermut, ein Grundzug, der in anderen Einspielungen nicht so deutlich herauskommt.
Die Flamencoklänge in der Sierra de Cordoba werden recht schwungvoll gebracht und durchaus brillant intoniert. Vor allem Pérez erfüllt sie mit der ganzen Freiheit eines Kenners der spanischen Volksmusik, während das Orchester unter italienischer Leitung bei der Entfachung des Feuers offensichtlich ein wenig haushalten muss. Auch hier lässt Rizzi den besinnlichen Passagen weiten Raum (bzw. Zeit) zukommen. Der Übergang der Ereignisse in die Ruhephase und schließlich in den Schlaf wird in dieser Einspielung sehr fein gezeichnet und besonders plastisch dargestellt.
Der Klang ist sehr gut. Das Klavier steht hier deutlich vor dem Orchester. Der Pianist übernimmt eindeutig die Solistenrolle, ist also keinesfalls ein Primus inter pares, wie dies bei seinen Landsmännern Perianes und Colom der Fall war.
4-5
Jean-Francois Heisser
Jesus Lopez-Cobos
Orchestre de Chambre de Lausanne
Erato
1996
9:51 4:57 8:08 22:56
In dieser Einspielung macht sich das Hinzuziehen eines Kammerorchesters besonders bemerkbar. Der Beginn erklingt sehr geheimnisvoll, ruhevoll und transparent. Das pp des Englischhorns bei Zi. 1 ist tatsächlich ein solches. Solchermaßen akribisch bei den leisen Tönen erscheint der Orchestersatz wie durchleuchtet und enorm detailliert. Der Klavierklang erfreut. Bestes Jeu perlé, größtmögliche Klarheit. Besonders auch die Leggiero-Partien sind ein Genuss. Heisser bietet ein Musterbeispiel an schönem p-Spiel. Der Gestus wirkt so besonders leicht und luftig, der Klang schwebend. Die verschiedenen Tempi und ihre mannigfachen Modifikationen werden geschmeidig gehandhabt. Wer hier ein Nocturne hören möchte, kommt voll auf seine Kosten. Wegen der Klarheit bleibt den Hörern kein Detail verborgen, erschien es bisher in anderen Einspielungen auch noch so unbedeutend. Trotzdem wirkt der Verlauf spannend. Der Höhepunkt bei Zi. 24 erklingt in seltener Transparenz. Hier ist das Klavier am besten von allen Einspielungen zu hören. Super. Genau so sollte es sein. Da lohnt sich dann auch der pianistische fff-Einsatz einmal richtig! Bravo.
Im 2. Satz kommt die Ferne des Danze lejana (Ferner Tanz) sehr glaubhaft rüber. Auch hier erneut staunenswertes, perfektes Klavierspiel. Durch die enorme Transparenz erscheint auch das Spiel des Orchesters besonders vielgestaltig. Bei Zi. 14 wird von de Falla „Sordamente, senza espressione“ gefordert (Dumpf, ohne Ausdruck). Heisser hat auch das in seinem Portfolio. Überhaupt wird man hier den seltsam unspezifischen, den geraden Weg des Tempos eher verschleiernden Anweisungen besonders gut gerecht. Der Gesamtklang wirkt erneut schwebend.
Hätte der 3. Satz dasselbe Niveau wie die beiden zuvor, wäre hier eine Spitzeneinspielung zu vermelden. Leider schafft sie das nicht ganz, denn der Rhythmus kommt hier ein wenig zu kurz. Und die tänzerischen Elemente haben wir schon mit mehr Leidenschaft gehört. Am Einsatz der Celli (Zi. 40) hätte sich das ganze Orchester ein Beispiel nehmen sollen, der ist nämlich einer der leidenschaftlichsten des ganzen Vergleiches. Dieser Beitrag zur Diskographie erscheint sehr gekonnt und ist besonders reich an Zwischentönen. Jeder Satz wird mit einem Hauch süßer Melancholie umwoben. Was man etwas vermissen kann ist das rhythmische Feuer im letzten Satz.
Der Klang der Aufnahme ist sehr transparent, farbig und sehr gut gestaffelt und erstaunlich weiträumig. Das OCL hört sich so kaum nach einem kleinen Orchester an. Die Balance zum Flügel ist bestens. Der Klavierklang selbst hervorragend. Insgesamt ist der Gesamtklang wunderbar schwebend und nur leicht entfernt. Wie der Gestus der Interpretation, zumindest in den zwei ersten Sätzen, scheint auch der Klang besonders gut zum Werk zu passen.
4-5
Willem Andriessen
Otto Klemperer
Concertgebouw-Orchester, Amsterdam
Archiphon
1951, Live
8:22 4:35 7:20 20:17
MONO Eine kommerzielle Aufnahme des Werkes findet sich leider nicht in der Diskographie Otto Klemperers. Das ist bedauerlich, denn der Mitschnitt einer Rundfunkübertragung lässt eigenes Profil erkennen. Der Dirigent legt keinen gesteigerten Wert auf ein Tranquillo, eher auf ein Misterioso. Aber auch nicht zu sehr. Sein Beginn wirkt sehr deutlich, unverzärtelt und eher expressionistisch aufgeladen als impressionistisch. De Falla wird hier mit den Ohren Schönbergs, nicht mit den Ohren von Dukas oder Debussy gehört. Dem behänden Pianisten, der ähnlich wie sein Bruder Hendrik auch als Komponist hervorgetreten ist, scheinen die immensen technischen Schwierigkeiten überhaupt nichts anzuhaben. Sein perlendes Spiel überzeugt mit Klarheit, kernigem Anschlag und voluminösen Klang. Zumindest suggeriert dies der Klang dieser Aufnahme. Das Orchester macht einen sehr guten Eindruck, spielt ausgesprochen geläufig und mit einem spanischen Akzent versehen, als ob es nie anders „gesprochen“ hätte. Bei Zi. 20 bietet Andriessen souverän gemeisterte Tonrepetitionen in besonders gelungener Ebenmäßigkeit, wie sie nur den wenigsten gelingt. Dass der Pianist beim von Klemperer mit majestätischer Kraft geführten Höhepunkt bei Zi. 24 noch so glänzend durchkommt, grenzt fast an ein Wunder, wenn man auch die recht bescheidenen Möglichkeiten der damaligen Live-Technik mit in die Überlegungen einbezieht.
Der 2. Satz klingt bewegter als in der ungefähr gleich alten Studioproduktion von Clifford Curzon. Das Spiel des Pianisten ist von anspringendem Temperament, herausragender, spritziger Geläufigkeit und kontrastreicher Deklamation. Klemperers Orchesterleitung wirkt souverän. Er hält das Orchester an der kurzen Leine, sein kurzes Stringendo bei Zi. 19 klingt mit immensem Sog, ob es de Falla so gesteigert vorschwebte? Der dachte ja an gradualmente (also in etwa: Schritt für Schritt gesteigert). Man fragt sich aber, wie soll das bewerkstelligt werden, es sind doch gerade einmal 10 Takte, und die sind so schnell vorbei? Klemperers Übersetzung der Partitur in Musik wirkt großzügiger als die von Jorda in der bereits angesprochenen Version mit Curzon was die Anweisungen angeht, aber noch lodernder.
Zu Beginn des 3. Satzes läuft nicht alles wie am Schnürchen (mitgeschnittene Direktübertragung). Klemperer legt aber hier auch ein herzhaft-feuriges erregtes Tempo an den Tag, sodass das Orchester jedwede verfügbare virtuose Fähigkeit aktivieren muss. Und der „Witz“ ist, Andriessen zieht nicht nur mit, er befeuert das Tempo noch weiter. Und das alles ohne den sicheren doppelten Boden, es für das Band einfach wiederholen zu können, wenn es nicht ganz klappt. Das nennen wir echte Risikobereitschaft. Mal treibt Klemperer an, dann wieder Andriessen. Als ob man sich duellieren wollte. Zumindest einen Wettstreit scheint man dem Publikum geboten zu haben. Wir hoffen, dass sie sich danach wieder vertragen haben.
Wenn man Klemperer nur von seinen späten Aufnahmen (meist mit dem Philharmonia Orchestra London) kennt, hätte man wohl in einem Blindvergleich niemals auf ihn als Dirigenten getippt, so kompromisslos lebendig und unter Strom gesetzt, wie sich de Fallas Werk hier anhört.
Der Klang erscheint für einen Rundfunkmitschnitt dieser Zeit erstaunlich offen, sogar recht weich. Der Flügel klingt beachtlich voluminös. Trotz des starken Rauschens gefällt der Mitschnitt klanglich sogar besser als Curzons Studioeinspielung aus demselben Jahr. Die Balance von Klavier und Orchester muss man unter den gegebenen Umständen als ausgezeichnet betrachten. Dem gemäß klingt das Orchester auch noch recht plastisch. Das Publikum beteiligt sich am Konzertgeschehen rege mit eigenen kleinen Hustenkonzerten während der leisen Stellen und in der Satzpause.
4-5
William Kapell
Leopold Stokowski
Philharmonic Symphony Orchestra of New York (heute: New York Philharmonic)
Infinity, Music+Arts
1949, Live
9:18 4:38 7:35 21:31
MONO Auch von Stokowski ist dieses Werk nie mit einer kommerziellen Einspielung bedacht worden. Auch hier bleibt der Musik liebenden Nachwelt wie bei Klemperer nur dieser eine Live-Mitschnitt. Der Pianist war bei dieser Aufnahme 27 Jahre alt, er sollte danach nur noch vier Jahre zu leben haben bis er bei einem Flugzeugabsturz tragisch zu Tode kam. Es konnten daher nur wenige Aufnahmen mit ihm gemacht werden. Der Pianist verfügt, nach Kenntnis dieser Rundfunkübertragung, in jener Zeit über eine herausragende Technik, die ihn in die Lage versetzte auch während größter Schwierigkeiten mit makelloser Brillanz, höchster Souveränität und einem kernig-straffen Anschlag wie ein Fels in der Brandung zu stehen. Kaum ein(e) andere(r) Pianist(in) verleiht den Tonrepetitionen bei Zi. 20 eine solche makellose Eleganz. Stokowski dramatisiert den 1. Satz weitgehend und lädt ihn emotional auf. Ob im Konzert noch was vom Nocturne-Charakter übrig geblieben ist, lässt sich anhand dieses Tondokumentes kaum noch beurteilen. Sein Misterioso klingt jedenfalls ganz besonders mysteriös. Der Höhepunkt bei Zi. 24 scheint das bedauernswerte Mikrophon fast zu sprengen.
Im 2. Satz darf man während des glänzenden Klavierspiels die Ohren spitzen. Dem leichthändigen Spiel scheinen keine Grenzen gesetzt. Der Satz wirkt sehr differenziert und besonders brillant, soweit es die Tonqualität des Mitschnittes erlaubt. Auch das Orchester wirkt feurig animiert.
Der 3. Satz begeistert mit einem ungeheuer virtuosen Zugriff des Pianisten. Die kleine Kadenz vor Zi. 31 spielt niemand „verrückter“ als Kapell. Das soll auch so sein, vorausgesetzt das notierte „loco“ ist spanisch, dann meint es auch „verrückt“. Kapell sieht es jedenfalls auch so, das hört man. Kapell kann sich auch sonst eine freie Gestaltung erlauben, er braucht keine daraus erwachsende Hürde zu fürchten. Aus rein pianistischen Gesichtpunkten betrachtet, könnte William Kapell tatsächlich der beste Klavierspieler dieses Vergleiches sein. Aber dies wollen wir ja gar nicht herausbekommen. Der Wert der Einspielung wird von der betont historischen Klangtechnik jedoch leider etwas relativiert.
Soweit hörbar wurde in dieser Einspielung eine gute Balance zwischen romantischem Gefühl und modern wirkender Clarté erreicht. Hätte man nur eine Aufnahme unter Studio-Bedingungen machen können, 10 oder auch 20 Jahre später. Stokowski hätte sicherlich gerne dafür bereit gestanden.
Noch ein paar Worte zum Klang. Starkes Rauschen. Etliche Details im Orchester, die im Konzert sicher da waren, muss man leider links liegen lassen. Das Klavier wurde nicht über Gebühr an die Rampe gestellt. Bei leisen Passagen beteiligt sich das Publikum mit mannigfachen Geräuschen. Der Gesamtklang wirkt vornehmlich historisch angegraut und wenig sinnlich.
4-5
Jutta Czapski
Günter Herbig
Berliner Sinfonieorchester (heute: Konzerthausorchester Berlin)
Berlin Classics
1985
10:36 4:57 8:53 24:26
Die Einspielung des Ehepaares Czapski-Herbig wirkt sehr stimmungsvoll. Der Anschlag der Pianistin wirkt weniger substanzreich und brillant als der von Kapell, Argerich, Andriessen oder Colom, um nur einige zu nennen. Aber ihr dynamischer Ambitus wirkt weit. Da hilft sicher auch die erneut exzellente technische Umsetzung des damals noch staatseigenen Betriebs. Wir hören jedoch kein lebloses Nocturne sondern lebendige Gefühle und, wenn man so will, eine betont farbenfrohe „Gartengestaltung“ durch das gut aufgelegte Berliner Orchester. Der Besucher darf wieder in einer überbordenden Klangpracht schwelgen, wie das bereits häufig bei Eterna-Aufnahmen der Fall war. Die Kadenz im 1. Satz gelingt Frau Czapski glanzvoll, das Dirigat wirkt streng und sorgt für klare Konturen, aber das Orchester hat seine „Spendierhosen“ an und daher ergibt sich ein insgesamt großartiger Eindruck. Der Höhepunkt bekommt bei Herbig fast schon brucknersche Ausmaße, dennoch hat die Darbietung wenig Teutonisches an sich.
Der 2. Satz erfreut, wie bei der Einspielung aus Frankfurt, mit üppig und farbig, aber gedeckt klingenden Holzbläsern. Die Streicher wirken seidig, fast schon cremig. Das Blech sonor und stämmig. Ein Spiel also in Samt und Seide. Der Scherzo-Charakter, der bei anderen Einspielungen deutlich herausgearbeitet wird, hält sich hier in Grenzen. Der Gestus versinkt aber nicht in Melancholie. Insgesamt hören wie ein gutes Changieren der verschiedenen Stimmungen.
Der 3. Satz beginnt mit feurigem Temperament, vollem Klang, gleichsam unter vollen Segeln. Herbig ist zwar sehr aufmerksam, aber manchmal lässt er doch einfach zu laut spielen. Die Pianistin bekommt da nicht immer die gewünschte Präsenz, bisweilen könnte sie sich etwas mehr „vorkämpfen“, bisweilen ist das Orchester auch einfach ein wenig zu mächtig. Ihr Flamenco-Einsatz mit den wunderbaren Melismen, die für diesen Satz so charakteristisch sind, klingen toll, erinnern aber irgendwie mehr an Chopin, als spezifisch spanisch. Bei Zi. 33 und Zi. 34 ist das Klavier kaum hörbar, das gelingt Argerich (2009) oder de Larrocha einfach besser. Der südländische Charakter wird (aus der damals noch unendlich weit entfernten DDR) aber sehr gut vermittelt. Ein wenig hört man auch die Sehnsucht durch, sie wurde zwar bereits einkomponiert, wird hier aber besonders ausdrucksvoll erfahrbar. Der Vortrag könnte insgesamt ein klein wenig nuancenreicher gestaltet sein.
Der Klang der Einspielung ist besonders weich, voll, farbig und sonor, ja auch füllig. Diese Fülle steht ihr sogar ein wenig im Weg, denn die Transparenz könnte ein wenig deutlicher sein. Der Aufnahmeraum erscheint aber weiträumig und das Orchester wird darin auch gut gestaffelt. Der seidige Gesamtklang wirkt insgesamt groß, also auch schnell den ganzen Raum füllend im heimischen Ambiente, sehr dynamisch und präsent (vor allem das Orchester). Das Bassfundament ist üppig, Der Flügel wird sehr groß und ein wenig zu schwebend abgebildet, er könnte bisweilen etwas mehr kristalline Härte und bodenständige Substanz vertragen.
4-5
Clifford Curzon
Enrique Jorda
New Symphony Orchestra of London
Decca
1951
10:32 5:43 8:28 24:43
MONO Enrique Jorda, hier in seiner ersten uns bekannten Einspielung, noch für das britische Konkurrenzlabel, beginnt erneut mit einem guten Misterioso und auch angemessen leise. Clifford Curzon überzeugt, wie von ihm nicht anders gewohnt, mit markigem, kontrolliertem und stets differenziertem Anschlag, schönstem Jeu perlé und einer angemessenen Brillanz. Mit vielen seiner Einspielungen war er selbst ja nicht zufrieden, was ihn veranlasste seinen Produzenten Remakes in die Wege leiten zu lassen. In diesem Fall könnte er mit seinem Beitrag zufrieden gewesen sein, denn zu einem Remake ist es unseres Wissens nie gekommen. Vielleicht waren ihm andere Werke auch einfach wichtiger. Außer dem Klang der Einspielung, der sich in den folgenden zehn Jahren noch deutlich verbessern sollte, wären auch kaum Kritikpunkte zu finden und folglich auch kaum Verbesserungen zu erzielen, aber Clifford Curzon hatte da seine eigenen Maßstäbe. Auch das Spiel des Orchesters klingt sehr plastisch und stellt den Nocturne-Charakter des 1. Satzes sehr gut dar. Bereits 1951 zauberte Enrique Jorda im ersten Satz eine atmosphärisch spannende Szenerie. Er lässt sich aber noch etwas mehr Zeit dafür, als später mit Artur Rubinstein, was aber kein Nachteil ist.
Auch der 2. Satz erklingt ebenfalls in einem gemäßigten Zeitmaß. Das sich nähernde Geschehen wird bereits sehr gut dargestellt, trotz der noch bescheidenen technischen Mittel. Stets fällt die besondere Sorgfalt von Pianist und Orchester auf, die sie aber nicht abhält, ihre Darstellung genauso lebendig und temperamentvoll werden zu lassen. Die behutsame Agogik dürfte dem Wunsch des Komponisten ziemlich genau entsprochen haben. Die Stimmungen werden in allen Sätzen schön ausgekostet. Um ein voller, noch mehr begeisternder Erfolg zu werden, müsste die Klangqualität allerdings erheblich sinnlicher wirken. Sie regelt den Stimmungsbarometer leider wieder etwas nach unten.
Das fängt schon mit einem relativ starken Rauschen an. Wirkt der Klang eigentlich schon recht offen, dynamisch und frisch, kommt er in keiner Weise an die spätere Einspielung Jordas mit Artur Rubinstein heran. Ihr gegenüber muss auch der klangsinnliche Aspekt der Decca, der in diesem Werk eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, deutlich zurückstehen. Auch das Klavier klingt noch nicht richtig frei.
4-5
Martha Argerich
Daniel Barenboim
Orchestre de Paris
Erato
1986, Live
10:46 4:56 8:58 24:46
In Martha Argerich erster Einspielung bietet sich noch ein ganz anderes Bild als in ihrer zweiten. Die Stimmung zu Beginn erscheint ganz besonders ruhig aber zurückhaltend was das Misterioso anlangt, Die Tremoli klingen extrem leise. Das bereits brillante Klavierspiel kreist, wie das Orchester auch, um einen fein abgetönten p- und pp-Bereich. Ohne Kenntnis des Namens der Pianistin würde man kaum dieselben zwei Hände in den Einspielungen von 1986 und 2009 vermuten. Das Orchester, das in dieser Einspielung einen konzentrierten Eindruck macht, klingt sehr weich und setzt schon fast pointilistische Akzente. Der mitunter lethargische Zug in diesem Satz ließe auf eine sehr heiße Sommernacht schließen, die einen Bewegungsablauf mit mehr Energie nicht ermöglicht. So wirkt der 1, Satz eher wenig spannend, gespielt wie mit angezogener Handbremse. Aber die Seufzer- oder Stöhn-Motivik wird gut dargestellt. Beim Höhepunkt (Zi. 24) wird dann das Klavier, trotz seines fff , fast komplett vom Orchester zugedeckt, dem aber eigentlich nur ein ff gestattet ist.
Argerichs Klavierspiel wirkt in der 1986er Aufnahme wesentlich feiner gezeichnet und subtiler (wenn es eine Ballettdarbietung wäre, wäre sie eine der leichtfüßigsten), während sie in Lugano den „Tiger“ freilässt. Ihr „loco“ (spanisch für wahnsinnig) kommt aber auch schon in Paris sehr gut.
Im 3. Satz vermisst man den viel zu wenig unmittelbar zupackenden, lebendigen Gestus im Orchester am meisten. Es sollte mehr „Vivo“ drin sein, als man von Barenboims Orchester zu hören bekommt. Besonders beim Marcato fehlt es an Intensität. Argerichs Flamenco-Einwürfe klingen wunderbar präzise und sehr schön mit Rubato versehen, bei Zi. 44 zaubert sie, während dem Orchester immer mal wieder kleinere Unschärfen unterlaufen. Andere Stellen gelingen ihm aber auch sehr schön.
Im Mitschnitt sind relativ viele Störgeräusche vom Publikum zu hören (Bewegungsgeräusche und der obligatorische Husten (Paris im Winter?). Das Orchester klingt ein wenig entfernt. Das Klavier ist auch etwas weniger präsent als üblich, aber klar vom Orchester abgesetzt. Durch das betont zurückgenommene Spiel wirkt Argerich aber doch wie eine Prima inter pares. Insgesamt wirkt der Klangraum betont groß, aber gut aufgefächert. Im Gesamtklang überwiegt jedoch ein wenig der Eindruck des Distanzierten. Die Klangfarben wirken eher blass.
▼ Zwei weitere Aufnahmen mit Daniel Barenboim befinden sich am Ende der Liste.
4-5
Gonzalo Soriano
Rafael Frühbeck de Burgos
Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire de Paris (heute: Orchestre de Paris)
EMI
1963
10:11 5:39 9:10 25:00
Gegenüber seiner Einspielung mit Ataulfo Argenta wirkt die nur sechs Jahre später entstandene mit Frühbeck de Burgos erheblich weniger impulsiv, vor allem im Orchesterpart, der zwar etwas homogener, souveräner und etwas geschliffener klingt, aber merklich an Empathie eingebüsst hat. Aber auch Soriano nimmt sich mehr Zeit, spielt sorgfältig, wirkt nicht mehr so temperamentgeladen. Der Dirigent hebt als einziger die Piatti bei Zi. 15 ganz deutlich hervor, ansonsten wünschte man sich von ihm etwas mehr Lebendigkeit in Gestus, gerade wenn man Argenta noch im Ohr hat. Im Vergleich des Höhepunktes des 1. Satzes wirkt Argenta viel dynamischer und hitziger, mit viel mehr Brio.
Dem 2. Satz fehlt Argentas sanguinische Spritzigkeit besonders, auch Soriano phrasiert mit viel weniger „Attacke“ Allerdings, so will es die Satzbezeichnung, klingt der Satz gemeinsam mit Frühbeck erheblich mehr „lejana“, d.h. aus der Ferne, wie es sich der Komponist vielleicht eher vorstellte. Die zarten, verspielten oder auch die Misterioso-Passagen gelingen sehr gut (z.B. Zi. 21).
Der Eindruck, den wir im 2. Satz gewonnen haben, wiederholt sich im dritten. Frühbeck zeigt viel weniger Einsatz und Temperament als Argenta und das Spanische Nationalorchester. Gonzalo Soriano wirkt da überzeugender als Frühbeck, spielt in seiner kleinen Kadenz aber nicht mehr ganz so „verrückt“ wie 1957, was eigentlich für das ganze Werk gelten kann. Es wäre ihm aber auch schwer gefallen, denn im Ganzen wirkt die Einspielung ein wenig (von Dirigentenhand?) eingebremst, ein wenig zu stoisch und gelassen.
Der Klang wirkt gegenüber der 1957er Version ausgewogener in der Balance von Streichern und Bläsern, aber lange nicht mehr so präsent, was vor allem die Streicher anlangt, die in Madrid besonders gut in ihren Gruppen zu unterscheiden sind. Dadurch wirkt die Pariser Einspielung nicht mehr so unmittelbar und dynamisch. Der Klang des Klaviers wirkt ebenfalls ausgewogener und er klirrt im Diskant auch nicht mehr ansatzweise, wie es in Madrid vereinzelt vorkommt. Das Klangbild wirkt in Paris merklich eingedunkelt und nach hinten gerückt.
4-5
Mari Kodama
Kazuki Yamada
Orchestre de la Suisse Romande
Pentatone
2016
9:53 4:51 8:34 23:18
High-Res Download und SACD Im 1. Satz überwiegt zunächst der Eindruck des nur ruhigen gegenüber dem Misterioso. Das ändert sich aber im Verlauf des Satzes. Das Orchester macht einen guten Eindruck, Yamada hält die Musik im Fluss, wirkt aber was die Nuancen oder die Details anlangt ein wenig pauschal. Die Pianistin wirkt ein wenig zaghaft, bisweilen auch ganz leicht holprig. Sie spielt mit einem weichen Anschlag und ihr Ton vermittelt eher wenig Energie. Den Höhepunkt hat man schon majestätischer gehört, aber immerhin hört man das fff der Pianistin gut durch, aber ohne dass es ein besonderes Erlebnis wäre.
Im 2. Satz stehen die die herrlich weichen Klangfarben des Orchesters mehr im Vordergrund und sie wissen zu erfreuen. Beim Marcato der Pianistin bemerkt man, wie weit es doch hinter dem eines Kapell, Casadesus, einer Argerich oder de Larrocha zurücksteht. Da fehlt es ihr an Durchschlagskraft und Brillanz. Das leichte und geschmeidige Spiel liegt ihr mehr. Ihrem „loco“ geht der Aspekt des Wahnsinns weitestgehend ab. Vielleicht versteht sie „loco“ auch italienisch, dann hieße es so etwas wie „vor Ort“? Wer würde es ihr verübeln können, sind sonst doch alle Vortragsanweisungen in der Partitur italienisch, wie üblich. Trotz der allgemeinen Güte der Aufnahmetechnik ist die Celesta in dieser Aufnahme übrigens noch nicht einmal als Klangfarbe zu vernehmen, sonst hat sie eigentlich ihren hörbaren Anteil am damals sicher exotisch anmutenden Instrumentarium.
Der 3. Satz gefällt durch den durchaus feurigen und kontrastreichen Gestus. Das Sostenuto bekommt jedoch kein ff spendiert, wirkt auch vom Gestus her schwach und geradezu lasch. Auch die Spannung könnte gerade im 3. Satz etwas auffallender sein.
Wir hatten hier einmal die Gelegenheit einen High-Res Download mit einer SACD im fünfkanaligen Wiedergabemodus zu vergleichen. Das Ergebnis zeigte in diesem Fall und in unserer Geräte-Konstellation ein klares Plus für die SACD. Sie entfaltete den sinnlicheren Klang und noch mehr Verführungskräfte, weil sie die Hörer mehr ins das musikalische Geschehen involviert. Sogar das Klavierspiel der Pianistin wird nun ins beste Licht gerückt und ob man es glaubt oder nicht, sie scheint sogar nun etwas selbstbewusster und ihre Interaktionen mit dem Orchester wirken besser verzahnt. Es wirkt als ob sie nun über eine größere Entfaltungsmöglichkeit verfügen könnte. Auch der Höhepunkt im 1. Satz wirkte nun majestätischer. Kein Wunder, fünf Lautsprecher können einfach mehr Dynamik entfalten als nur zwei. Wir hatten aber bereits beim Vergleich von Mehrkanalproduktionen der „Alpensinfonie“ den Eindruck, dass Pentatone ein besonderes Faible für den Mehrkanalton entwickelt hat.
Nun noch ganz kurz zum zweikanaligen Ton. Er wirkt recht weiträumig, weich und voll, recht transparent, aber nicht bestens gestaffelt. Also nichts Ungewöhnliches. Auch die Dynamik wirkt eher solide als überrumpelnd. Die SACD wirkt körperhafter und viel weiträumiger. Der Flügel wirkt genauer fokussiert (da macht sich der mittlere Kanal bemerkbar) und hebt sich besser von Orchester ab. Sie klingt (wie bereits erwähnt) involvierender, sinnlicher und dynamischer. Die Tiefenstaffelung ist nun herausragend. Am besten gefiel uns aber die gesteigerte Sinnlichkeit des Gesamtklangs. Wie bereits angedeutet sollte das Ergebnis keinesfalls verallgemeinert werden. Mit anderen Einspielungen mag dieser Vergleich zwischen Download und SACD auch anders ausgehen.
4
Artur Rubinstein
Eugene Ormandy
Philadelphia Orchestra
RCA
1969
9:15 4:40 7:00 20:55
Wie Enrique Jorda hat auch Eugene Ormandy das Werk zwei Mal für die Platte dirigiert. Jeweils mit dem Philadelphia Orchestra. Lediglich acht Jahre zuvor, damals noch beim Konkurrenz-Label CBS unter Vertag, war Philippe Entremont der Partner am Flügel. 1969 war es Artur Rubinstein. Trotz der recht kurzen Zeitspanne ist ganz erstaunlich wie verschieden die beiden Einspielungen ausgefallen sind.
Insgesamt erscheint uns die Version mit Rubinstein die idiomatischere zu sein. Man beachtet einfach die Partitur viel genauer. Das Orchester spielt 1969 viel stimmungsvoller und differenzierter. Nun kann man plötzlich auch p oder pp spielen, 1961 erschien das noch als „ein Ding der Unmöglichkeit“. Es ist ganz erstaunlich, wie sehr sich nun das Orchester zurückhält, aber den Charakter dadurch viel besser trifft. Das wirkt nun dem nächtlichen Sujet viel angemessener.
Rubinstein spielt auch mit 82 Lebensjahren noch sehr stimmungsvoll, ja man kann schreiben, er ist immer noch ein Stimmungszauberer. Aber sein Ton ist „kleiner“ geworden und sein virtuoser Aplomb ist nicht mehr derselbe wie in seiner Einspielung von 1957 mit Enrique Jorda. Seinem Marcato fehlt nun die Kraft. Gegenüber Entremont, der sich 1961 wenig zurückhaltend präsentiert, lässt er bei Zi. 20 und 21 dem Holz uneitel den Vortritt, während Entremont es genau umgekehrt macht.
Auch im 2. Satz trifft Ormandy den Nerv der Musik, zumindest für unsere Ohren, sehr viel besser als 1961. Rubinstein spürt gerade den leisen Tönen viel mehr nach als Entremont, auch sein Rubato wirkt organischer als das des Franzosen.
Der 3. Satz wirkt orchesterseitig ebenfalls stimmiger (und viel zügiger) als 1961. Rubinstein gelingen die Flamenco-Einlagen immer noch brillant, nicht mit dem Aplomb einer Argerich oder mit dem spezifisch „spanischen“ Gefühl einer de Larrocha. Insgesamt bleibt er pianistisch deutlich verhaltener als noch 1957 mit Jorda. Gerade der 3. Satz wirkt vergleichsweise mild und pastellfarben.
Das Rauschen der 1957er ist nun verschwunden. Der Klang präsentiert sich immer noch präsent und transparent, Das Klavier klingt jedoch seltsam topfig und hat wenig „eigenen“ Raum. Es fehlt ihm auch an Glanz und Leuchtkraft. Die Aufnahme klingt nicht mehr so dynamisch wie die 57er „Living Stereo“, die viel entfesselter und losgelöster wirkt. Der 69er wirkt jedoch etwas wärmer.
▼ eine weitere Aufnahme mit Eugene Ormandy gleich im Anschluss.
4
Philippe Entremont
Eugene Ormandy
Philadelphia Orchestra
CBS
1961
9:34 4:55 8:35 22:44
Rein pianistisch gesehen entstand die Einspielung in Entremonts guter Zeit. Später als er sich immer mehr dem Dirigieren zuwandte, litt seine Pianistik deutlich. Aber auch gerade gegenüber der zuvor genannten Rubinstein-Einspielung fällt der Mangel an Nuancen, insbesondere in der Dynamik, deutlich auf. Er spielt durchweg viel zu laut. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass er dem entfesselten Orchester beim Höhepunkt (Zi. 24) des Satzes ganz hervorragend Paroli bietet. Das Donnern beherrscht er jedenfalls prächtig. Einig in der Behandlung der Dynamik ist er sich jedenfalls mit Ormandy, der, ganz im Gegensatz zu seiner Einspielung 1969, weit über das Ziel hinausschießt. Bei Zi. 16 Poco calmo ist gar nichts calmo (ruhig) und auch sonst ist einfach alles zu einheitlich auf „Big“ eingepegelt.
Dass der 2. Satz zumindest als „Ferner Tanz“ beginnen sollte, merkt man hier kaum. Die Holzbläser spielen an der Rampe, also näher geht es kaum noch. Und ebenfalls dynamisch wenig differenziert. Auch das Klavier schlägt in dieselbe Kerbe: Hier ist etwas zu einseitig virtuoser Glanz Trumpf, als ob man die Überrumpelung sucht.
Das Vivo im 3. Satz wird jedoch sehr gut umgesetzt. Lebendigkeit ist der zweithöchste Trumpf. Das Orchester rivalisiert mit dem Pianisten um das lauteste ff. Fürwahr, was für ein Wettkampf. Die Flamenco-Einlagen werden mit großem Selbstbewusstsein und größtmöglicher Brillanz in den Raum hineinkatapultiert.
Insgesamt gibt es schon einige bewundernswürdige Einzelheiten zu bestaunen. Als Ganzes wirkt diese Einspielung imposant aber ein wenig zügellos mit den Pfunden wuchernd. So kann man eine veräußerlichte Wirkung nicht vermeiden. Die Gärten liegen gleichsam im gleißenden Sonnenlicht, Vielleicht kocht die Leidenschaft auch ein wenig über. Insgesamt wurde die rechte Balance nicht ganz getroffen.
Der Klang ist offen, weiträumig, sehr transparent. Das Orchester wirkt groß dimensioniert, aber nicht sonderlich gut gestaffelt. Leichtes Rauschen.
4
Jean-Francois Thiollier
Antoni Wit
Nationales Sinfonieorchester des Polnischen Rundfunks, Kattowitz
Naxos
1993
10:28 5:02 8:54 24:24
Der Gestus dieser Einspielung wirkt leicht und locker. Das Spiel des Pianisten wirkt nicht übermäßig brillant und kontrastreich phrasiert. Er scheint auch viel mit dem Pedal zu arbeiten. Ihm zugute halten muss man aber unbedingt, dass er gegen einen etwas zu halligen Raum ankämpfen muss und die Aufnahme auch etwas entfernt wirkt. Bei Zi. 20 und 21 klingt er zudem zu laut und überdeckt die Seufzer des Holzes. Das Orchester macht einen wirklich guten Job, aber man findet auch nicht bemerkenswertes.
Der 2. Satz wirkt eher wenig tänzerisch geprägt, jedoch bemerkt man mehr als in anderen Einspielungen die auffallend präsenten Wasserspiele. Man hat aber dennoch mehr absolute Musik im Sinn, denn mit den folkloristischen Elementen hält man sich eher zurück.
Im 3. Satz wirkt das Orchester weniger spritzig. Vivo gibt es sonst mehr zu hören. Trotzdem ist dies eine gute Darstellung der Komposition, die aber auch wegen der relativ großen akustischen Distanz und der eher kühleren Farbgebung wenig Begeisterung auslöst.
Wie bereits erwähnt wirkt der Raum (auffallend gerade um den Flügel herum) etwas hallig. Das Orchester wirkt großzügig und luftig im Raum verteilt und sehr übersichtlich. Es klingt offen, transparent und fast schwebend, aber ein wenig entfernt. Der Raum selbst wirkt etwas unterdämpft, was einen Hang zur Undeutlichkeit im f und ff mit sich bringt. Die Klangfarben wirken zwar kühl, sind aber für dieses Label erstaunlich reichlich vorhanden.
4
Aldo Ciccolini
Ernesto Halffter
Orchestre de la Radiodiffusion francaise, Paris (heute: Orchestre National de France, Paris)
Columbia-BnF
1954
11:44 5:35 9:43 27:02
MONO Ernesto Hallfter war Kompositionsschüler von Manuel de Falla. Es dürfte also ein tieferes Verständnis der Komposition zu erwarten sein. Ciccolini seinerseits erscheint in dieser Einspielung (er hat wohl auch noch eine spätere Einspielung in Stereo vorgelegt) deutlich als Solist, weniger als Primus inter pares. Er neigt zusammen mit dem Dirigenten zu einem epischen Musizieren. Die nun verfügbare Zeit wird jedoch nicht vergeudet, sondern zu intensivem Musizieren genutzt. Bei Ciccolini ist eine akribische Beachtung der dynamischen Vorschriften eine Selbstverständlichkeit. Das Orchester verhält sich jedoch bei den Tempomodifikationen und einkomponierten Rubati nicht so flexibel und souverän wie die New Yorker unter Mitropoulos, um einmal in etwa in der gleichen Zeit zu bleiben. Die Diktion erscheint aber gerade für dieses Orchester außergewöhnlich sorgfältig und ausdrucksvoll.
Im 2. Satz wirkt das Musizieren kaum so flink und ungestüm wie bei der genannten Konkurrenz-Einspielung mit Casadesus und Mitropoulos. Sie wirkt erheblich bedeutungsschwerer.
Im 3. Satz erscheint auch der Klang etwas weniger transparent. Das Spiel wird allerdings im Verlauf immer temperamentvoller. Der tänzerische meist sogar drängende Verlauf wirkt dann sehr gut getroffen, befördert auch vom Orchester. Aber auch den Ruhepausen wird deutlich nachgegangen.
Eine besonders individuelle Einspielung, die aber mit ihrer im direkten Vergleich geradezu betonten Schwermut aus der Rolle fällt. Uns hat sie insgesamt eher weniger angesprochen, woran der Klang aber nicht ganz schuldlos ist.
Er wirkt zwar etwas klarer, frischer und präsenter als in der Einspielung von Casadesus und Mitropoulos, aber das deutlich vor dem Orchester platzierte Klavier klingt dumpfer als bei Casadesus. Störend wirken die zwar mitunter auch unterschwelligen, aber ständigen Schleifgeräusche der digitalisierten Originalplatte aus Beständen der Bibliothèque national de France. In der erhältlichen CD wären die natürlich nicht vorhanden.
4
Guiomar Novaes
Hans Swarowsky
Pro Musica Symphony Orchestra, Wien (Wiener Symphoniker)
Vox, Discos Lollipop
1954
11:04 5:07 8:03 24:14
MONO Swarowsky beginnt sehr laut und mit einem recht langsamen Tempo, lässt das Orchester aber ungemein impulsiv intonieren. Die f-Einsätze bei Zi. 5 klingen bei ihm wie Peitschenhiebe. Das Klavier der brasilianischen Pianistin wird sehr partiturgenau gespielt, mit einem erstaunlich vollen Ton, einem tollen, bruchlosen Legato versehen und technisch ohne Fehl und Tadel. Die Pianistin spielt kraftvoll, sehr brillant und mit einem leuchtenden Diskant. Man kann sie wohl zu den völlig zu unrecht vergessenen Meisterinnen der Zunft zählen.
Im 2. Satz hören wir ein im Ganzen gut vorbereitetes Orchester. Das war ohrenscheinlich keine der Produktionen, die vorschnell und unvorbereitet im Wien der frühen 50er Jahre nur wegen des noch geringen Kostenaufwands im wirtschaftlich daniederliegenden Wien produziert wurden. Das changierende Clair-obscure klingt gut, nur die sägende Wiener Oboe mag für heutige Ohren nicht mehr zum modernen Gestus der Einspielung passen. Die Gitarrenimitationen der Pianistin wirken absolut gekonnt und besonders brillant.
Die Darstellung im 3. Satz wirkt großformatig und wuchtig und zugleich auch rhythmisch stark akzentuiert. Das lebendige, auch expressive und scharf angeschnittene „spanische“ Phrasieren der Pianistin gefällt sehr.
Was jedoch stört ist die insgesamt sehr laute, relativ wenig in der Dynamik abgestufte, stumpfe Klangqualität Das Klavier steht deutlich solistisch im Vordergrund und klingt generell etwas matt. Daran muss man sich erst ein wenig gewöhnen, um das Spiel der Pianistin richtig würdigen zu können.
3-4
Carol Rosenberger
Gerard Schwarz
London Symphony Orchestra
Delos
1987
11:30 4:56 8:40 25:06
Das Misterioso der Grotten, die sich ebenfalls im Garten des Anwesens des Kalifen befinden, finden hier einen sehr gut ausgehörten Widerhall. Die Orchesterleitung des LSO wirkt sehr energisch und brillant, entbehrt zum Teil aber viel vom nächtlichen Charakter. Dieser Einspielung nach zu urteilen verfügt die Pianistin, die zeitweise auch das Direktorin von Delos fungierte, über einen weichen, relativ unspezifischen Anschlag, der wenig kernig sondern eher etwas mulmig wirkt. Sie erinnert ein wenig an das Klavierspiel Daniel Barenboims, wie wir es von seinen beiden Einspielungen des Werkes als Pianist bereits kennen. Ihre Brillanz kann sich kaum mit der soeben gelisteten Guiomar Novaes, einer Argerich oder de Larrocha messen. Das Legato bei ihren Figurationen wirkt aber weitestgehend nahtlos. Die Tonrepetitionen bei Zi. 20 haben wir hingegen schon ebenmäßiger gehört. Bei Zi. 23 und 24 hören wir ein ganz hervorrgendes, monumentales und durchdringendes ff des LSO, während das Klavier klar und relativ unbedrängt durchkommt, ohne dass sein fff besonders laut oder gar erschütternd erscheinen würde. Ein Kniff der Aufnahmetechnik macht das wohl möglich.
Im 2. Satz spielen die Violinen mit viel Schmelz, überhaupt klingt das Orchester ausgezeichnet, während der Klavierpart weniger mühelos bewältigt wird. Oft wirkt das Spiel der Pianistin auch einfach zu laut. Mit dem Rubato hat sie weniger Probleme.
Im 3. Satz lässt Schwarz das Orchester mit markigem Biss zu einem ausgelassenen Gestus aufspielen, während das Klavier nur solide bleibt. Also: Klavier solide, Orchester brillant, Klang spitze.
Der Klang wirkt nämlich weiträumig, sehr transparent, farbig und offen. Auch die Tiefenstaffelung gelingt gut und die Dynamik sogar sehr gut. Das Klavier ist sehr gut fokussiert. Insgesamt wirkt der Klang jedoch eher kühl. Das ist aber – wenn überhaupt – der einzige kleine klangliche Makel.
3-4
Alessandro de Luca
Jansug Kachidze
Tiflis Symphony Orchestra
HDC
Irgendwann vor 2001
10:16 4:43 8.17 23:16
De Luca und Kachidze geben dem Stück ein durchaus eigenes Profil. Im 1. Satz werden wir Zeugen eines imponierend kraftvollen, dramatischen Auftritts des Orchesters. Von einem verhaltenen Gestus hält man in Tiflis offensichtlich wenig. Beim pp des Englischhorns hören wir bereits ein viel zu lautes, allerdings wohltönendes Solo (2. T nach Zi. 1). Der Pianist übernimmt diesen Gestus, sodass wir meistens statt eines p ein ff hören. Das Klavier klingt aber dabei sehr gut, dem Marcato (Zi. 39) fehlt es an nichts. Die Orchesterleitung legt größten Wert auf straffes Spiel baut sogar sf ein, wo gar keine notiert sind. Die Leidenschaft schlägt hohe Wellen, was für Klavier und Orchester gleichermaßen gilt. An ein nächtliches Szenario würde ein unvorbereiteter Hörer wohl nicht denken. Die Pause zwischen Zi. 17 und 18 ist zu lange. Das fff des Orchesters wirkt berserkerhaft, es mobilisiert ganz erstaunliche Dynamikreserven. Das wirkt schon beeindruckend und mitreißend, wenngleich man aber annehmen könnte, dass es vielleicht dem falschen Objekt zugutekommt. Allein der Eifer imponiert schon und fordert Respekt.
Im 2. Satz ist das feurige Spiel des Orchesters erwähnenswert. Der Tanz wirkt aber sehr nah und wohl kaum aus der Ferne. Die Gitarrenanklänge des Pianisten bei Zi. 14 gelingen nicht ganz gleichmäßig.
Der 3. Satz klingt urmusikalisch, temperamentvoll aufgewühlt oft mit einem fordernden Espressivo. Hier passen, unserer Meinung nach, der pianistische Elan und das orchestrale Gedonner mit am besten. Das wirkt keineswegs unkultiviert. In diesem spanischen Garten geht es des Nachts wirklich „hoch her“. Der vielleicht viel mehr beabsichtigte Impressionismus weicht hier einer spontan wirkenden hoch emotionalen Herangehensweise, wirkt also fast schon expressionistisch. Alles wird hier ans helle Licht geholt. Man könnte auch meinen: Imponierend das Thema verfehlt? Wir hatten jedoch viel Vergnügen mit dieser Einspielung.
Der Klang wirkt sehr weiträumig aber zugleich auch ungewöhnlich präsent, weitgehend sehr transparent und, zumindest beim Klavier und den vorne positionierten Instrumentengruppen auch hautnah. Besonders das Klavier steht an der Rampe, wirkt sehr breit vor das Orchester gestellt. Der Aufsprechpegel ist sehr hoch, auch einer der Gründe, weshalb es so laut zugeht. Die Dynamik ist ausladend. Im Tutti klingt es bisweilen etwas dicht.
3-4
Tzimon Barto
Neville Marriner
Academy of St. Martin in the Fields
EMI
1993
10:24 4:54 8:22 23:40
Bei Neville Marriner wirkt der Beginn flott, geradlinig und klar. Von einem Misterioso fehlt jede Spur. Barto wirkt weniger engagiert und sachlicher als de Larrocha oder Argerich in ihrer zweiten Einspielung. Marriner lässt die (recht groß besetzte) Academy nuanciert und partiturgenau spielen, wie eigentlich fast immer, um die Rubati kümmert er sich jedoch weniger. Rein pianistisch wirkt Barto recht ausgewogen und einem Barenboim immer noch weit voraus (z.B. Zi. 20). Beim Höhepunkt überdeckt das Orchester den Flügel jedoch nahezu komplett bis Zi. 25.
Der Scherzocharakter im 2. Satz wirkt weniger forciert wie bei Argerich/Vedernikov. Insgesamt entspinnt sich ein gutes Concertare. Bartos Diskant brilliert und die Solisten im Orchester überzeugen.
Im 3. Satz packt man beherzt zu, es entspinnt sich ein recht ein leidenschaftliches Musizieren. Allerdings wirken Bartos Flamenco-Einlagen weniger strahlend als bei Argerich und weniger erfühlt und auch erfüllt als bei de Larrocha. Manchmal klingt es in dieser Einspielung auch nach Rachmaninov, vor allem im Orchester. Dieser fremdsprachliche Anflug spürt man bei den schon angesprochenen Einspielungen von Argerich und de Larrocha überhaupt nicht. Auch bei den anderen Einspielungen fällt das nicht oder kaum auf. Wirkt der 1 Satz noch recht kühl, so dominiert im 3. der beherzte Zugriff.
Klangtechnisch ist die Einspielung nicht ganz auf derselben Höhe wie künstlerisch. Da wirkt der Gesamtklang für das Aufnahmedatum zu dumpf. Daher kommt vielleicht auch der Brillanzverlust bei Bartos Flügel. Die Dynamik stimmt aber und auch die Staffelung des Orchesters gelingt gut, in Breite und Tiefe. Die Transparenz ist in Ordnung und der Bass wiederum gut. Dem Klang fehlen generell auch die Lebendigkeit der Philips-Aufnahmen, dem Label, bei dem Marriner und die Academy zuvor so rege beschäftigt waren.
3-4
Jorge Federico Osorio
Carlos Miguel Prieto
Orchestra of the Americas
Outhère-Linn
2019
10:25 5:03 8:24 23:52
Das junge hierzulande noch recht unbekannte junge (18-30 Jahre) Orchester trifft sich jährlich zu einer Sommerresidenz und anschließender Konzerttournee. Es besteht aus Top-Musikern der westlichen, vornehmlich mittel- und südamerikanischen Welt.
Man beginnt mit einem gut getroffenen Misterioso und einem besonders ausgeprägten Tranquillo-Charakter. Einen Charakter, der sich jedoch, wie man erst später weiß, über das ganze Werk ausbreitet. Dies geschieht mittels leichten, lockeren und völlig unforcierten Musizierens. Darin reiht sich das großbogige Spiel des Pianisten, der sich als Primus inter Pares versteht, bestens ein. Die Gitarrenanklänge ab Zi. 20 werden sehr schön getroffen. Am Ende beweist er jedoch mit seinem fff ein recht geringes Durchsetzungsvermögen gegen das ff des Orchesters.
Im zweiten Satz hören wir schön und engagiert geblasene Soli der Holzbläser. Er wirkt als ganzes jedoch rhythmisch und damit tänzerisch verhalten. Zudem verströmen die Skalen des Pianisten wenig Virtuosität, Glanz und Feuer. Das Musizieren kommt über einen erzählenden Duktus nicht hinaus. Man vermisst den jugendlichen Überschwang, den man vom jungen Orchester mehr als vom Pianisten erwartet hätte. Die „Flamenco-Anklänge“ wirken sehr nachdenklich, eher bereits wie Nachklänge. Das anfängliche verhaltene Misterioso wird zu einem Melancholico. Man vermisst so die Leidenschaft der vom spanischen Feuer geprägten Einwürfe.
Der Klang wirkt weich, gut abgerundet, warm und recht leuchtkräftig. Er verfügt über eine gute Transparenz und wirkt natürlich. Insgesamt wirkt er mehr gedeckt als offen und dynamisch etwas zugeknöpft.
3-4
Joaquin Achúcarro
Eduardo Mata
London Symphony Orchestra
RCA
1977
10:37 5:04 8:33 24:14
Die Produktion leidet unter einem sehr trockenen, steifen Klang, der einfach nicht aufblühen will. Der Klang portiert den Klang der Rubinstein-Aufnahme von 1969 ins nächste Jahrzehnt. Auch hier ist der Klavierklang stumpf und ohne schwingende, leuchtende Brillanz. Er begegnete uns ebenfalls bei der Aufnahme der 1. Sinfonie von Carl Maria von Weber mit dem LSO unter Hans Hubert Schönzeler. Da man keinerlei klangliche Eindrücke über den Aufnahmeraum erhält, ergibt sich kein natürliches Hörgefühl wie in einem Konzertsaal. Der Gesamtklang wirkt allzu kompakt und leblos. Wenig sinnlich und ohne Klangzauber beginnt dann auch der erste Satz. Da liegt wenig misterioso in der Luft. Auch das Klavierspiel Achúcarros erinnert an den reifen Rubinstein, den der Spanier übrigens auch als sein größtes Vorbild nennt. Seine Pianistik erweist sich in dieser Einspielung als grundsolide, aber speziell die Virtuosität ist nicht ganz über jeden Zweifel erhaben (Zi. 5 leicht holpig). Das Orchester und der aufmerksame Dirigent tun ihr Bestes, bekommen aber von der Klangtechnik die Flügel gestutzt und können sich nicht entfalten. Schade, eine vertane Chance.
3-4
Eva Maria Zuk
Enrique Batiz
Orquesta Sinfonico de Estado de Mexiko (Mexikanisches Staatsorchester)
Varèse-Sarabande
1981
9:55 4:54 7:51 22:40
Nach dem Ehepaar Czapski/Herbig stellt sich nun auch das Ehepaar Eva Maria Zuk und Enrique Batiz mit dem Werk von Manuel de Falla vor. Das ist zwar für unseren Vergleich von untergeordneter Bedeutung, aber dass es gleich zwei Ehepaare in einem Vergleich gibt, ist schon eine seltene Begebenheit und darf dann auch einmal erwähnt werden. Während sich das Orchester mit seinem geschmeidigen, homogenen und keinesfalls blassen Spiel auf einem hohen Niveau befindet und gerade auch das Misterioso zu Beginn sehr atmosphärisch klingen lässt, präsentiert sich die Pianistin mit einem bisweilen hastig wirkenden Spiel, bei dem wir uns des Eindrucks nicht erwehren können, dass sie manchmal nicht alle Töne auch wirklich spielt. Zugutehalten muss man ihr, dass sie das aber sehr gut kaschieren kann. Bisweilen klingt ihr Vortrag aber auch durchaus souverän und mit geschmeidiger Geläufigkeit. Ihr Anschlag wirkt wenig kernig, eher weich konturiert und im Diskant eher matt. Meist wirkt ihr Spiel eher unauffällig. Auch im Marcato.
Im 2. Satz zeigt sich ein gutes Zusammenspiel, immer wieder fällt auf, wie gut die Solistin dem Orchester an den entsprechenden Stellen den Vortritt lässt. Die Vortragsbezeichnung „loco“ hat im Spiel Eva Maria Zuks keinen besonderen Schwung oder gar „Wahnsinn“ zur Folge.
Auch im 3. Satz lassen es Dirigent und Orchester nicht an Schwung und Feuer fehlen. Die Hörner bringen eine auffallende Attacke mit in ihr Spiel ein (vor Zi. 28 und bei Zi. 29). Dem Klavier fehlt es an Durchschlagskraft, um dem „wilden“ Orchester richtig Paroli zu bieten. Der Klang des Klaviers wirkt im ff nicht mehr so gut konturiert, verliert an Festigkeit, wirkt sogar ein wenig schwammig. Während das Klavier nicht in allen Belangen überzeugt, wird der Orchesterpart hingegen durchaus prägnant und mit wärmender Strahlkraft dargestellt.
Der Klang der frühen Digitalaufnahme profitiert vom verwendeten Soundstream-Verfahren. Er wirkt bereits klarer und auch schon wärmer als die von anderen Firmen verwendeten frühen Digitalformate mit der nur recht geringen nutzbaren Auflösung. Darüber hinaus klingt die Aufnahme weich, weiträumig, transparent und feingliedrig. Die Tiefenstaffelung ist sehr gut und auch die Basslinien sind gut hörbar. Die Abbildung des Flügels wirkt stark fokussiert aber auch recht klein im Verhältnis zum Orchester.
3-4
Roderick Elms
Nicholas Cleobury
Royal Philharmonic Orchestra London
RPO Eigenaufnahme
2005
10:34 5:03 8:28 24:05
Während der Dirigent insbesondere durch Aufnahmen als Organist und vor allem als Chorleiter diskographisch in Erscheinung getreten ist, war uns der Name des Pianisten bisher nicht bekannt. Sein Spiel, wie auch die gesamte Einspielung, wirkt besonders distinguiert. Der Beginn klingt extrem verhalten. Die feinen Schattierungen und die ganz leisen Töne werden hier besonders beherzigt, was eine in erster Linie zart-melancholische Stimmung hervorruft. Während das Orchester mit seinem fein-nuancierten Spiel gefällt, wirkt der Pianist als Primus inter pares, der eigentlich nie die Führungsrolle fordert und kaum einmal kontrastreich hervortritt. Er wird zwar den ganz erheblichen technischen Anforderungen des Werkes gerecht, „verschluckt“ auch keine einzige Note, lässt sich aber nicht einmal von einem Rubato etwas herausfordern und spielt eigentlich wie im stillen Kämmerlein. Um den Nocturne-Charakter des Stückes muss man sich jedenfalls in dieser Einspielung keine Sorgen machen. Ohne jedes Feuer kocht hier die Leidenschaft auf Sparflamme, was vom Gestus her allerdings etwas weniger stark auch für den Orchesterpart gilt.
Auch im 2, Satz verfolgen wir ein Spiel ohne Höhen und Tiefen, zurückgezogen und fast schon schemenhaft. Das Vorbild de Fallas Debussy, wie wir ihn von seinen impressionistisch-verhangenen Stücken kennen, kommt hier ein wenig zu deutlich zum Zuge. Die Dynamik wirkt einfach zu nivelliert, die Marcati verlaufen sich.
Im 3. Satz hören wir vom Gestus her das genaue Gegenteil der Einspielung von de Luca und Kachidze. In London ist der Elan im Mangel, in Georgien im Überfluss vorhanden. Bei den Flamenco-Anklängen, bei denen wirklich einmal ff und fff angebracht wäre (Zi. 28, 30 und 44) investiert Elms nicht viel Kraft, sodass die auffahrende, virtuose Attitüde fehlt. Das gewünschte Vivo wirkt zu sehr auf Sicherheit angelegt, fast wie buchstabiert.
Eine Einspielung also, die durch ihren Ernst und die Akribie bei den leisen Tönen einnimmt, deren Schwung und Leidenschaft aber allzu flügellahm daherkommt. Sie ist den Nächten besonders zugetan, besonders lebendig wirken sie aber nicht.
Der Klang der Aufnahme hört sich klar und deutlich, recht farbig aber wenig dynamisch an. Die Balance von Solist und Orchester ist sehr gut. Es fehlt aber weitgehend der Eindruck eines natürlichen Raumes.
3
Daniel Barenboim
Wiener Philharmoniker
DG
2009, Live
10:25 5:13 8:44 24:22
Von Daniel Barenboim gibt es also eine Einspielung, in der er nur als Dirigent wirkt (mit Martha Argerich als Solistin), eine Einspielung in der er nur als Pianist tätig ist (mit Placido Domingo als Dirigent) und in seiner letzten übernimmt er dann sogar beide Funktionen. Was vielleicht bei einem Mozart-Klavierkonzert noch einigermaßen funktioniert und vielleicht sogar glückt, ist bei dem allein schon rhythmisch komplexen Werk de Fallas ein Unterfangen, bei dem auch die Besten ein hohes Risiko eingehen. Dass es in diesem Fall gelungen wäre, lässt sich nicht gerade behaupten, denn die Einspielung in der Barenboim nur die Funktion als Dirigent ausübt erreicht er nun nicht mehr. Aber immerhin gelingt ihm ein viel stimmungsvollerer Beginn, als Domingo in Barenboims Chicagoer Einspielung. Aber schon dabei kommt das für die Stimmung so wichtige Englischhornsolo nicht richtig zur Geltung, aber generell beherzigt Barenboim als Dirigent den p-Bereich viel mehr als Domingo. Aber als Pianist „verschluckt“ er nicht gerade wenige Töne. Das Orchesterzwischenspiel (Zi. 12) wirkt dann ziemlich ungeordnet, dennoch spielen die Wiener stimmiger als die Berufskollegen in Chicago. Die Streichersoli bei Zi. 17 klingen wärmer. Die Tonrepetitionen bei Zi. 20 wirken beim Pianisten sehr unregelmäßig, wie behelfsmäßig. Immer wieder scheinen auch die Kraft und die volle Konzentration für den Klavierpart zu fehlen. Wen wundert es angesichts der Doppelbelastung?
Auch im 2. Satz klingen die Wiener einfach klangvoller als das CSO, während die mannigfachen Dynamikangaben kaum befolgt werden (Zi. 5 und 6). Bei Zi. 14 bleiben die Holzbläser trotz ihres ff viel zu unprofiliert. Dem Stringendo bei Zi. 19 gibt Barenboim, dann mehr Effekt, als es die Vorgabe „schrittweise“ verlangt.
Den Beginn des 3. Satzes artikulieren die Wiener besser. Im Klavierpart gibt es immer wieder Unstimmigkeiten, vor allem unsichere Läufe. Die Flamenco-Einlagen bringt Barenboim überzeugender als in Chicago, nun entfalten sie einigen Flair. Bei Zi. 33 ist das Klavier kaum zu hören, wir waren unsicher, ob Barenboim überhaupt mitspielt. Bei Zi. 41 schließlich spielen Klavier und Orchester nebeneinander her. Diese Passage hat nunmehr überhaupt keine Magie mehr. Die kleinen Präzisionsprobleme ziehen sich weiter. Diese Einspielung ist eventorientiert und nicht sonderlich am Werk selbst interessiert. Sehr zaghafter Beifall in Wien.
Die leisen Partien werden mit dem Raunen der überaus zahlreichen Zuhörer unterlegt. Einige Störgeräusche mischen sich bisweilen noch hinzu. Die Aufnahme klingt aber klarer, wärmer und erheblich dynamischer als die aus Chicago. Sowohl was das Klavier betrifft als auch das Orchester. Diese Einspielung aus Schönbrunn gibt es auch als Video.
3
Daniel Barenboim
Placido Domingo
Chicago Symphony Orchestra
Erato
1997, Live
10:38 5:15 8:50 24:43
Domingo lässt das Orchester zu Beginn weder richtig tranquillo noch misterioso spielen. Der ganze erste Satz könnte klarer, besser strukturiert und kontrastreicher klingen. Den Orchesterpart haben wir insgesamt schon erheblich geschmeidiger und expressiver gehört. Auch der Klavierpart wirkt wenig brillant, mitunter auch matt und relativ wenig perlend. Die Läufe wirken uneben, unausgewogen. Der Anschlag klingt weich, ungleichmäßig und weniger straff-konturiert. Der Diskant leuchtet nicht strahlend.
Auch im 2. Satz vermisst man etwas das geschmeidig zu spielende einkomponierte Rubato. Barenboims Marcato erscheint weniger klar als das Argerichs (Vedernikov) oder de Larrochas (insbesondere mit Comissiona), um nur einmal diese beiden zu nennen.
Im 3. Satz wirken die markigen Flamenco-Einlagen bei Zi. 28 seltsam unegal. Bei Zi. 41 deckt der Flügel Barenboims (pp) das Holz des Orchesters (mf , f und espessivo) fast zu. Die Dynamik des Orchesters könnte erheblich weiter gespreizt sein, der Orchesterpart allgemein deutlich feiner gestaltet sein, gerade wenn man sich an die Qualität früherer Einspielungen des CSO (mit Reiner, Giulini oder Solti) erinnert.
Insgesamt macht diese Einspielung einen handwerklich eher grobschlächtigen, weniger sinnlichen und atmosphärisch beliebigen Eindruck. Wenn es eine Einspielung der „Nächte in Spanischen Gärten“ mit Daniel Barenboim sein soll, dann sollte man zur Einspielung mit Martha Argerich als Pianistin greifen.
Klanglich wirkt diese Einspielung leicht diffus, weniger farbig, weniger räumlich und weniger dynamisch, als es das Aufnahmedatum vermuten ließe.
5.3.2022